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202 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 18 (1995) der Arbeitssitzungen kamen zwei aus den USA (Roger Hahn und L. Pierce Williams), zwei aus Deutschland (Andreas Kleinert und Konrad Mengel) und je einer aus Groi3britannien (Maurice I? Crosland) und Japan (A kira Zshida). Wer nach der Tagung nicht gleich nach Hause fuhr, konnte am Samstag, dem 7. Mai 1994, noch mehr uber Lavoisier er- fahren. An diesem Tag fand in der als MusCe de la Villette bekannten Citk des Sciences et de 1'Industrie eine von Domi- nique Pestre geleitete Podiumsdiskussion statt, bei der vier einschlagige Neuerschei- nungen von den jeweiligen Autoren (ge- nauer: drei Autoren und einer Autorin) vorgestellt wurden: Bernadette Bensaude- Vincent (Lavoisier, mCmoires d'une r&o- lution, Flammarion), Jean-Pierre Poirier (Lavoisier, Pygmalion), Arthur Donovan (Antoine Lavoisier, science and revolu- tion, Blackwell) und Marc0 Beretta (The Enlightenment of matter: the definition of chemistry from Agricola to Lavoisier, Watson). Erganzt wurde die Runde durch Patrice Bret, den Herausgeber der Lavoisier-Korrespondenz. Die weiteren Bande dieses umfangreichen Briefwech- sels, mit dessen Veroffentlichung bereits 1955 begonnen wurde, werden beim Pari- ser Verlag Blanchard erscheinen. Abschliei3end sei noch darauf hingewie- sen, dai3 die Vortr;dge des Kolloquiums der Acadkmie des Sciences noch in diesem Jahr in einem Sammelband erscheinen sol- len. Vormerkungen nimmt die Herausge- berin entgegen: Madame Christiane De- meulenaere, Archives de 1'AcadCmie des Sciences, 23 quai de Conti, F-75006 Paris. Andreas Kleinert Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Andreas Kleinert, Universitat Hamburg, Institut fur Geschichte der Natur- wissenschaften, Mathematik und Technik, Bundesstr. 55, 20 146 Hamburg. Johann-Jacob-Baeyer-Ehrung in Berlin-Kopenick (5. - 6. November 1994) Der preuflische General Johann Jacob Baeyer (1794-1885) gehort mit dem Ma- thematiker Carl Friedrich Gaui3 und dem Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel zu den einfluflreichsten deutschen Geodaten des 19. Jahrhunderts. Mit dem Ziel, die alte wissenschaftliche Aufgabe zu losen, die Groge und Figur der Erde zu bestim- men, initiierte er 1861/62 die internatio- nale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Geodasie. Die Bildung der internationalen geodatischen Wissenschaftsorganisation (1862 nannte sie sich ,,Mitteleuropaische Gradmessung") wird als ein Wendepunkt in der Geodasiegeschichte angesehen. Die heutige ,,Internationale Assoziation fur Geodasie" (IAG) sieht Baeyer als ihren er- sten PAsidenten an. Johann Jacob Baeyer wurde vor 200 Jah- ren, am 5. November 1794 in Muggelheim geboren (der Ort gehort heute zum Bezirk Kopenick von Berlin). Aus diesem Anlai3 fand am ersten Novemberwochenende 1994 im Saal des Rathauses Kopenick ein zweit agiges Symposium statt. In 10 Vortdgen, von Vertretern der Na- turwissenschaften (Geodasie), der Geistes- wissenschaften (Wissenschaftsgeschichte) und der Praxis (Vermessungswesen) gehal- ten, wurden vor etwa 200 Horern Leben, Werk und Wirkung Baeyers gewiirdigt. Herbert Pieper (TU Berlin) trug eine biographische Skizze des Geodaten vor. Christoph Reigber (Geoforschungszentrum Potsdam) berichtete uber Aktivitaten des von Baeyer gegriindeten Geodatischen Instituts (Berlin, spater Potsdam) unter Baeyers und Helmerts Leitung. Einen Ein- blick in das Wirken der Gelehrtenfamilie Baeyer (vom Geodaten uber den Chemie- nobelpreistfager Adolf von Baeyer bis in die Gegenwan) gab Michael Engel (Freie Universitat Berlin). vo/oMer Bialas (Kep- ler-Kommission der Bayerischen AdW) Ber.Wissenschaftsgesch. 18 (1995) 189-204

Johann-Jacob-Baeyer-Ehrung in Berlin-Köpenick (5.-6. November 1994)

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Page 1: Johann-Jacob-Baeyer-Ehrung in Berlin-Köpenick (5.-6. November 1994)

202 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 18 (1995)

der Arbeitssitzungen kamen zwei aus den USA (Roger Hahn und L. Pierce Williams), zwei aus Deutschland (Andreas Kleinert und Konrad Mengel) und je einer aus Groi3britannien (Maurice I? Crosland) und Japan (A kira Zshida).

Wer nach der Tagung nicht gleich nach Hause fuhr, konnte am Samstag, dem 7. Mai 1994, noch mehr uber Lavoisier er- fahren. An diesem Tag fand in der als MusCe de la Villette bekannten Citk des Sciences et de 1'Industrie eine von Domi- nique Pestre geleitete Podiumsdiskussion statt, bei der vier einschlagige Neuerschei- nungen von den jeweiligen Autoren (ge- nauer: drei Autoren und einer Autorin) vorgestellt wurden: Bernadette Bensaude- Vincent (Lavoisier, mCmoires d'une r&o- lution, Flammarion), Jean-Pierre Poirier (Lavoisier, Pygmalion), Arthur Donovan

(Antoine Lavoisier, science and revolu- tion, Blackwell) und Marc0 Beretta (The Enlightenment of matter: the definition of chemistry from Agricola to Lavoisier, Watson). Erganzt wurde die Runde durch Patrice Bret, den Herausgeber der Lavoisier-Korrespondenz. Die weiteren Bande dieses umfangreichen Briefwech- sels, mit dessen Veroffentlichung bereits 1955 begonnen wurde, werden beim Pari- ser Verlag Blanchard erscheinen.

Abschliei3end sei noch darauf hingewie- sen, dai3 die Vortr;dge des Kolloquiums der Acadkmie des Sciences noch in diesem Jahr in einem Sammelband erscheinen sol- len. Vormerkungen nimmt die Herausge- berin entgegen: Madame Christiane De- meulenaere, Archives de 1'AcadCmie des Sciences, 23 quai de Conti, F-75006 Paris.

Andreas Kleinert

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Andreas Kleinert, Universitat Hamburg, Institut fur Geschichte der Natur- wissenschaften, Mathematik und Technik, Bundesstr. 55, 20 146 Hamburg.

Johann-Jacob-Baeyer-Ehrung in Berlin-Kopenick (5. - 6. November 1994)

Der preuflische General Johann Jacob Baeyer (1794-1885) gehort mit dem Ma- thematiker Carl Friedrich Gaui3 und dem Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel zu den einfluflreichsten deutschen Geodaten des 19. Jahrhunderts. Mit dem Ziel, die alte wissenschaftliche Aufgabe zu losen, die Groge und Figur der Erde zu bestim- men, initiierte er 1861/62 die internatio- nale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Geodasie. Die Bildung der internationalen geodatischen Wissenschaftsorganisation (1862 nannte sie sich ,,Mitteleuropaische Gradmessung") wird als ein Wendepunkt in der Geodasiegeschichte angesehen. Die heutige ,,Internationale Assoziation fur Geodasie" (IAG) sieht Baeyer als ihren er- sten PAsidenten an.

Johann Jacob Baeyer wurde vor 200 Jah- ren, am 5. November 1794 in Muggelheim geboren (der Ort gehort heute zum Bezirk Kopenick von Berlin). Aus diesem Anlai3

fand am ersten Novemberwochenende 1994 im Saal des Rathauses Kopenick ein zweit agiges Symposium statt.

In 10 Vortdgen, von Vertretern der Na- turwissenschaften (Geodasie), der Geistes- wissenschaften (Wissenschaftsgeschichte) und der Praxis (Vermessungswesen) gehal- ten, wurden vor etwa 200 Horern Leben, Werk und Wirkung Baeyers gewiirdigt.

Herbert Pieper (TU Berlin) trug eine biographische Skizze des Geodaten vor. Christoph Reigber (Geoforschungszentrum Potsdam) berichtete uber Aktivitaten des von Baeyer gegriindeten Geodatischen Instituts (Berlin, spater Potsdam) unter Baeyers und Helmerts Leitung. Einen Ein- blick in das Wirken der Gelehrtenfamilie Baeyer (vom Geodaten uber den Chemie- nobelpreistfager Adolf von Baeyer bis in die Gegenwan) gab Michael Engel (Freie Universitat Berlin). vo/oMer Bialas (Kep- ler-Kommission der Bayerischen AdW)

Ber.Wissenschaftsgesch. 18 (1995) 189-204

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Dokumentation und Information 203

sprach uber ,,Klassische Geodasie und Weltbild im 19. Jahrhundert". Die Vorge- schichte der ,,Mitteleuropaischen Grad- messung" beleuchtete Wolfgang R. Dick (Institut fur angewandte Geodasie, A d e n - stelle Potsdam). Klaus-Dieter Hoogen und Karl Hergt (Vermessungsamt Kopenick) klarten uber die Bedeutung des trigono- metrischen Punktes I. Ordnung ,,Muggel- berg" auf. Karin Reich (Universitat Stutt- gart) besprach ,,C. F. G a d ' geodatische Arbeiten, insbesondere im Kontext zweier Briefe an J. J. Baeyer". Die Beziehungen zwischen Baeyer und Bessel standen im Mittelpunkt des Beitrages von liirgen Hamel (Archenhold-Sternwarte Berlin- Treptow) und Ernst Buschmann (Institut fur angewandte Geodasie, Auflenstelle Potsdam). In den beiden letzten Vortdgen gingen Dieter Lelgemann (TU Berlin) und Hermann Seegw (Institut fur angewandte Geodasie FrankfurdMain) auf die ge- genwartigen Aufgaben der Geodasie ein:

Geodasie im Weltraumzeitalter, die Geo- datische Fundamentalstation Wettzell. In seinen Abschluflworten hob Eberhard Knobloch (TU Berlin) die gute Zusammen- arbeit zwischen den Geistes-, Natur- und Ingenieurwissenschaftlern hervor, die ge- zeigt hat, dai3 es keine Beriihrungsangste zwischen Praktikern und Theoretikern zu geben braucht.

Dem Symposium vorangegangen waren zwei Veranstaltungen in Baeyers Geburts- ort: am Vorabend des Baeyer-Geburtstages die Eroffnung der Johann-Jacob-Baeyer- Ausstellung des Heimatmuseums Kope- nick im Dorfklub Muggelheim, bei der Herbert Pieper in einem popularwissen- schaftlichen Vortrag Baeyers Tatigkeiten als Geodat veranschaulichte, an Baeyers Geburtstag die vom Bezirksburgermeister vollzogene Benennung einer Strafle nach Johann Jacob Baeyer.

Herbert Pieper, Eberhard Knobloch

Anschrift der Verfasser: Dr. Herbert Pieper, Prof. Dr. Eberhard Knobloch, Technische Universitat Berlin, Insti- tut fur Philosophie, Wissenschaftstheorie, Wissenschafts- und Technikgeschichte, Rohrdamm 22, 13629 Berlin.

Auswirkungen der Studienstrukturreform :$ auf die Wissenschafts- und Technikgeschichte

Die Vorgaben der Kultus- und Wissen- schaftsminister zur Studienreform an den Universitaten konnten, konsequent umge- setzt, zu einer empfindlichen Einbui3e an unverzichtbarer Fachkompetenz uber Technik und Naturwissenschaft fuhren, wie diese die Facher Wissenschafts- und Technikgeschichte, aber auch andere be- nachbarte Facher, zur Verfiigung stellen.

Das Ziel der in Gang gekommenen Studienstrukturreform ist die langfristige Sicherung von Stand und Wettbewerbsfa- higkeit in Wissenschaft und Forschung, Bildung und Ausbildung. Es ware aber verfehlt, dieses Ziel allein durch Orientie- rung am unmittelbar berufsbefahigenden Handlungswissen erreichen zu wollen. Moderne Gesellschaften brauchen mehr als bloi3 die Resultate exzellenter Natur-

wissenschaft und Technik: Sie brauchen dariiber hinaus ein kompetent orientie- rendes Wissen uber Wissenschaft und Technik als Bestandteile der modernen Kultur und als wichtige EIemente ihres Wandels.

Solches Wissen stellen die jungen Fach- richtungen Wissenschafts- und Technikge- schichte in Verbindung mit Wissen- schaftstheorie und -soziologie bereit. Die Studiengange von Naturwissenschaftlern

'i ,Eckwertepapier' der Bund-Lander-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des vorgesehenen bildungspoliti- schen Spitzengesprichs 1993 (Mai 1993) Umsetzung der Studienreform, verabschiedet von der KMK und von der HRK (Juli 1993) Bildungspolitische Erklarung der Regierungschefs der Lander vom 29. Oktober 1993

Ber.Wissenschaftsgesch. 18 (1995) 189-204