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216 Friederike Hoffmann-Klein Johannes Dyba – „unverschämt katholisch“ Würdigung eines herausragenden Bischofs 1. Biographisches So verschieden die Persönlichkeiten der 33 Autoren auch sind, die in dem jetzt im Komm-Mit-Verlag erschienenen Gedenkband über den Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba einen Beitrag schreiben, so vollkommen stimmen sie überein, wenn es darum geht, seine Person zu beschreiben, seine Menschlichkeit, seine Zivilcourage und Klugheit, seinen unerschrockenen Mut, seine Heiterkeit und seinen Humor, ja bisweilen sogar Galgenhumor. Er war Diplomat, aber nicht bereit, sich vor klaren Stellungnahmen zu drücken. Das ist kein Widerspruch. „Nicht was ankommt, ist wichtig, sondern worauf es ankommt“, so könnte man Dybas Haltung umschreiben. Felizitas Küble (Hg.), Der Löwe von Fulda, 33 Autoren schreiben über Erz- bischof Johannes Dyba. KOMM-MIT-Verlag, Münster 2015, 207 S. Geboren in Berlin-Pankow am 15. September 1929, wächst Erzbischof Dyba mit drei Geschwistern in Berlin und Heiligenstadt auf. Zum Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft geht er zunächst nach Bamberg. In Heidelberg – dort wird er Mitglied der katholischen (CV) Studentenverbindung Arminia – legt er 1952 das erste Staatsexamen ab. Mit einer völkerrechtlichen Arbeit wird er 1954 zum Dr. jur. promoviert. 1953 beginnt er ein Theologiestudium. Doktor des kanonischen Rechts wird er 1962. 1959 empfängt er die Priesterweihe durch Kardinal Joseph Frings, 1979 die Bischofsweihe. Er besucht die päpstliche Di- plomatenakademie in Rom und wird 1962 Leiter der deutschen Abteilung im Päpstlichen Staatssekretariat. Als Nuntiaturrat geht er in verschiedene außereu- ropäische Länder. Er wird Apostolischer Pronuntius in Liberia und Gambia und Apostolischer Delegat für Guinea und Sierra Leone. Über 20 Jahre verbringt er im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls. Nicht seine glänzende Karriere stand jedoch für ihn an erster Stelle, sondern die Familie, die Eltern, die Ge- schwister und deren Kinder. Kinder und Jugendliche waren ihm wichtig. Sein früherer Sekretär Dagobert Vonderau bezeugt, wie gerne er ihnen immer begegnet ist. Mit Freude hat er sich etwa bei Firmungen mit ihnen beschäftigt, ihnen Mut gemacht, ihre Fragen be- antwortet, ihnen aus seinem Leben erzählt. Auch von Dybas Freude, ab und zu eine Schulklasse „aufzugabeln“, berichtet Vonderau. Er spielte mit ihnen, so wie er auch Passanten in der Stadt gerne freundlich grüßte. Dankbar und froh könne man sein, so der damalige Kardinal Joseph Ratzinger über ihn, daß in Fulda, der Lieblingsgründung des Hl. Bonifatius, ein Bischof sitzt, dessen Mut und dessen

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Friederike Hoffmann-Klein

Johannes Dyba – „unverschämt katholisch“

Würdigung eines herausragenden Bischofs

1. Biographisches

So verschieden die Persönlichkeiten der 33 Autoren auch sind, die in dem jetzt im Komm-Mit-Verlag erschienenen Gedenkband über den Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba einen Beitrag schreiben, so vollkommen stimmen sie überein, wenn es darum geht, seine Person zu beschreiben, seine Menschlichkeit, seine Zivilcourage und Klugheit, seinen unerschrockenen Mut, seine Heiterkeit und seinen Humor, ja bisweilen sogar Galgenhumor. Er war Diplomat, aber nicht bereit, sich vor klaren Stellungnahmen zu drücken. Das ist kein Widerspruch. „Nicht was ankommt, ist wichtig, sondern worauf es ankommt“, so könnte man Dybas Haltung umschreiben.

Felizitas Küble (Hg.), Der Löwe von Fulda, 33 Autoren schreiben über Erz-

bischof Johannes Dyba. KOMM-MIT-Verlag, Münster 2015, 207 S.

Geboren in Berlin-Pankow am 15. September 1929, wächst Erzbischof Dyba mit drei Geschwistern in Berlin und Heiligenstadt auf. Zum Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft geht er zunächst nach Bamberg. In Heidelberg – dort wird er Mitglied der katholischen (CV) Studentenverbindung Arminia – legt er 1952 das erste Staatsexamen ab. Mit einer völkerrechtlichen Arbeit wird er 1954 zum Dr. jur. promoviert. 1953 beginnt er ein Theologiestudium. Doktor des kanonischen Rechts wird er 1962. 1959 empfängt er die Priesterweihe durch Kardinal Joseph Frings, 1979 die Bischofsweihe. Er besucht die päpstliche Di-plomatenakademie in Rom und wird 1962 Leiter der deutschen Abteilung im Päpstlichen Staatssekretariat. Als Nuntiaturrat geht er in verschiedene außereu-ropäische Länder. Er wird Apostolischer Pronuntius in Liberia und Gambia und Apostolischer Delegat für Guinea und Sierra Leone. Über 20 Jahre verbringt er im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls. Nicht seine glänzende Karriere stand jedoch für ihn an erster Stelle, sondern die Familie, die Eltern, die Ge-schwister und deren Kinder.

Kinder und Jugendliche waren ihm wichtig. Sein früherer Sekretär Dagobert

Vonderau bezeugt, wie gerne er ihnen immer begegnet ist. Mit Freude hat er sich etwa bei Firmungen mit ihnen beschäftigt, ihnen Mut gemacht, ihre Fragen be-antwortet, ihnen aus seinem Leben erzählt. Auch von Dybas Freude, ab und zu eine Schulklasse „aufzugabeln“, berichtet Vonderau. Er spielte mit ihnen, so wie er auch Passanten in der Stadt gerne freundlich grüßte. Dankbar und froh könne man sein, so der damalige Kardinal Joseph Ratzinger über ihn, daß in Fulda, der Lieblingsgründung des Hl. Bonifatius, ein Bischof sitzt, dessen Mut und dessen

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Liebe zur Wahrheit ebenso stark seien wie diejenige seines Patrons. Nicht nur mit dem Hl. Bonifatius wird Dyba gerne verglichen, sondern auch mit Clemens

August Graf v. Galen.

2. Lebensschutz

Seinen Einsatz für die Familie wird niemand seiner Amtskollegen ihm streitig gemacht haben, ganz anders sieht es auf dem Gebiet des Lebensschutzes aus. Oft hatte Dyba unter dem mangelnden Mut seiner Mitbrüder zu leiden, „die viele seiner Ansichten teilten, aber dann doch nicht den Mut fanden, für ihre Überzeu-gung in der Öffentlichkeit einzustehen“.1 Daß dieses Alleingelassenwerden für ihn zweifellos nicht nur schmerzlich war, sondern auch an seiner Substanz zehr-te, kann man sich gut vorstellen. Mehr als einmal hat er einen seiner Bischofs-kollegen fragen müssen: „Warum sagen Sie das nicht in der Öffentlichkeit?“ Völlig wesensfremd war ihm eine solch angepaßte Haltung seiner Mitbrüder, ihm, der während seiner diplomatischen Karriere die Tapferkeit der afrikani-schen Bischöfe erlebt hatte.

Er hat sich nicht gescheut, das Unrecht der Abtreibung in seiner ganzen unge-heuerlichen Dimension darzustellen, als den „immer noch andauernden Holo-caust unschuldigen Lebens“. Mit diesem Vergleich ging es ihm – selbstverständ-lich – nicht um eine Relativierung des Holocaust, sondern im Gegenteil dazu, den Unrechtscharakter eines neuen Verbrechens aufzuzeigen, das in unseren Tagen stattfindet. Das Eintreten Dybas für die ungeborenen Kinder war eben – auch das wird ihm zu Unrecht vorgeworfen – keineswegs die Kundgabe einer lediglich katholischen Meinung, sondern bedeutete seinen bedingungslosen Ein-satz für das Grundgesetz und seine Unantastbarkeit. Scheinheilige Empörung schlug ihm entgegen, als er den Beratungsschein als „Tötungslizenz“ bezeichne-te. Der unsinnige Vorwurf, er lasse mit dem Ausstieg aus dem staatlichen Bera-tungssystem Frauen im Stich, konnte ihm nichts anhaben.

Dieses heutige Unrecht genügt, um sich nicht in dem Bekenntnis vergangener Untaten, deren sich auch Vertreter der Kirche in der Vergangenheit schuldig gemacht haben, zu verlieren. In einem Bischofswort vom 5. Februar 1995 forder-te Dyba deutlich dazu auf, auch unsere eigene Zeit und unsere jetzigen Handlun-gen kritisch zu sehen. Mit der ihm eigenen Unbestechlichkeit und Gedanken-schärfe erkannte er, daß es falsch sei, sich allein für das schuldig zu bekennen, was wir nicht getan haben. Verantwortlich sind wir vor allem für das, was heute geschieht, was wir heute als Unrecht zulassen: „Was werden unsere Nachkom-men über die Generation empfinden, die das erste Mal in der Geschichte die zutiefst rechtswidrige Massentötung ungeborener Kinder straffrei ermöglicht hat?“ Ein Zeichen des Widerstandes wollte Erzbischof Dyba mit dem bistums-weiten Glockenläuten am Tag der Unschuldigen Kinder, am 28. Dezember 1988, setzen.

Das ist nicht Intoleranz, sondern Erkenntnis, nicht Engstirnigkeit, sondern geisti-ge Weite. Getroffene Hunde bellen eben, und so erntete Erzbischof Dyba mit seinem unbeirrbaren Eintreten für das Leben ungeborener Kinder natürlich nicht

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nur Zustimmung. Trotz „schärfster Anfeindungen“, wie man sich gut vorstellen kann, hat Dyba in diesem Punkt niemals nachgegeben. Auch Politiker christli-cher Parteien haben ihn, von Ausnahmen abgesehen, nicht unterstützt. Der dama-lige Bundeskanzler Helmut Kohl reagierte auf das Interview Dybas in der „Welt“, in dem er sich zum Ausstieg des Bistums Fulda aus dem staatlichen Beratungssystem äußerte, „mit ausgesprochener Sorge“. Worum sorgte sich Kohl?

Der Beitrag Manfred Spiekers liefert die „theoretischen Grundlagen“ zu Dybas

Einordnung des Beratungsscheins. Der Schutz der Menschenwürde ist die Grundbedingung politischer Legitimität. Der Lebensschutz stellt sich deshalb auch als eine Aufgabe der Christlichen Gesellschaftslehre dar. Das Eintreten für eine humane Gesellschaftsordnung schließt notwendiger Weise mit ein, auch für den Schutz derjenigen Menschen einzutreten, die in ihren fundamentalen Rech-ten bedroht sind. In unserer Zeit sind die Stimmlosen nicht mehr, wie noch im 19. Jahrhundert, die Arbeiterklasse, sondern die Ungeborenen.2 Die soziale Frage ist damit gleichzeitig auch eine anthropologische. Der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt ist nicht vereinbar, so schreibt es Papst Benedikt XVI.

in der Enzyklika Caritas in Veritate, mit der Mißachtung und Verletzung menschlichen Lebens. Der Rechtsstaat hebt sich selbst auf, wenn er wie im Ab-treibungsstrafrecht privater Gewaltanwendung zur Konfliktlösung den Weg ebnet und dies auch noch – ein Widerspruch in sich selbst – rechtsstaatlich re-gelt.3 Erzbischof Dyba hat, gemeinsam mit den beiden letzten Päpsten, die Legi-timitätsbedingungen einer rechtsstaatlichen Demokratie gegen einen ethischen Relativismus verteidigt.4 Seine Anordnung, im Bistum Fulda aus dem Bera-tungssystem „auszusteigen“, blieb zunächst ein einsames „Signal des Wider-spruchs“.

3. Seine Lebenshaltung: Das Wesentliche – Ewigkeitsperspektive

Für seine klare Position, die sich nicht anfechten ließ von den Irrungen des Zeit-geistes, etwa auch zur Frage der praktizierten Homosexualität, wurde er nicht geliebt, vielmehr von seinen Gegnern sogar tätlich angegriffen. Einmal wurde er in Marburg von einem aufgebrachten Mob getreten, geschlagen, durch die Stra-ßen gejagt. Dabei ließ Erzbischof Dyba auch seine Gegner nicht gleichgültig. Seine Position forderte heraus. „Er war ein Mensch mit Standpunkt und machte keinen Hehl daraus“. Das imponierte vielen, „auch wenn sie seine Meinung nicht immer teilten“, schreibt Pfarrer Franz Weidemann, der über den Erzbischof eine Promotionsarbeit geschrieben hat.

Daß für ihn „alles Weltliche sekundär“ war, wie sein Neffe Msgr. Cornelius

Roth über ihn schreibt, deutet nun keineswegs auf einen etwas weltfremden Bi-schof hin. Das ist bei einem Menschen seines geistigen Niveaus gar nicht mög-lich. Es geht nicht um Weltfremdheit, um ein Defizit, sondern im Gegenteil um eine Perspektive, die den heute so üblich gewordenen verengten Blick auf unsere materielle Welt hinter sich läßt und sich auf das Wesentliche richtet. Erzbischof Dyba hat die von Papst Benedikt XVI. in seiner Freiburger Konzerthausrede

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geforderte „Entweltlichung“ gelebt. Für Dyba war klar, daß letztlich nichts so wichtig ist wie die Frage, ob es Gott gibt, die Tatsache, daß es ihn gibt. Am Ende kommt es nur darauf an, Gott zu lieben und von ihm angenommen zu sein. Diese Erkenntnis hat sein Leben bestimmt. Sie bestimmt unser aller Leben im Sinne eines Wissens um diese all-entscheidende Perspektive.

In starkem Gegensatz zu diesem übergeordneten Standpunkt Dybas steht die Haltung so vieler Christen heute, die sich nicht mehr trauen, Wahrheit für ihren Glauben in Anspruch zu nehmen, die nicht mehr verstehen, daß Toleranz keine Kategorie ist, die Wahrheit in Frage stellen könnte, die sich ihren Glauben selbst zusammenbasteln und deren Religion nach den Worten der Schriftstellerin Flan-

nery O`Connor nur noch die „eigene herzige Erfindung“ ist. Eine solche Position der Selbstrelativierung kam für Erzbischof Dyba nicht in Frage. Wie der Publi-zist Martin Lohmann in seinem Beitrag schreibt, war es Dybas starkes „Frei-heitsgefühl“, das ihm der Wahrheit Raum geben ließ.

Die Wahrheitsfrage betrifft den Kern der Glaubensvermittlung. Der Glaube an individuelle Wahrheiten und die alleinige Deutungshoheit der Naturwissenschaft sind heute weit verbreitet, und so ist bei sehr vielen Menschen eine Ausgangsla-ge vorhanden, die Glaubenserkenntnis fast unmöglich macht. Wie kaum ein anderer Bischof hat Erzbischof Dyba diese Gefahren nicht nur erkannt, sondern auch versucht, sich ihnen entgegenzustellen.

4. Persönlichkeit

Mit großer Übereinstimmung, die bis in die Wortwahl reicht, beschreiben die verschiedenen Autoren den Erzbischof. Wenn natürlich der Ansatzpunkt der einzelnen Autoren höchst unterschiedlich ist, was auch der jeweils sehr unter-schiedlichen persönlichen Beziehung der Autoren zu ihm entspricht, so stimmen sie in ihren Grundaussagen vollkommen überein.

Die Persönlichkeiten der Autoren kommen natürlich in ihren Beiträgen auch zum Ausdruck. So schreibt Christa Meves in der für sie so charakteristischen persön-lichen Betrachtung, die „himmlische“ Fügungen ganz konkret mit einbezieht, wie ihr diese Freundschaft mit Erzbischof Dyba „geschah“. Der Erzbischof hat mit ihr Kontakt aufgenommen, weil er sich psychologisch kundig machen woll-te, um in seinem Bistum auf nicht vertretbare Zustände in der Jugendarbeit im Hinblick auf die Sexualmoral antworten zu können. So erfuhr Christa Meves von Dyba Rückendeckung und Stärkung bei ihrer eigenen Aufklärungsarbeit. „Der große Mann Gottes“ nennt sie ihn.

Erfrischend, humorvoll, konzentriert auf das Wesentliche, darin ihrem Bruder sehr ähnlich, beschreibt ihn seine Schwester Barbara Dyba-Roth. Freude, Furchtlosigkeit, Klugheit und Humor seien die ihn zuallererst kennzeichnenden Eigenschaften. Mehrmals zieht Barbara Dyba-Roth die Parallele zu Papst Fran-

ziskus, in seiner „unauslöschlichen Freude“ und seiner „absoluten Furchtlosig-keit“ und vor allem in seinem unerschütterlichen Glauben, der sein „stärkstes Wesensmerkmal“ war. Sein Blick für das Wesentliche wird von vielen Autoren betont, sowie sein Mut und seine Zivilcourage, sein Realismus. All diese Eigen-

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schaften sind Ausdruck seiner klugen Unbestechlichkeit. Seine Haltung in Bezug auf die Abtreibung ist ohne diesen Realismus, der vielen Menschen in dieser Frage fehlt, schwer zu verstehen. Ein klares Verbot wird oft als Einmischung verstanden, statt als eine ethisch-moralische Vorgabe. „Das verstehen die gar nicht“, so gibt Barbara Dyba-Roth die Beurteilung ihres Bruders wieder.

Eine klare Position setzt ein starkes Selbstbewußtsein voraus, das Erzbischof Dyba sich für die Kirche gewünscht hat. „Unverschämt katholisch“ müsse sie sein, nicht „verschämt katholisch“. Seine Schwester beschreibt ihn mit dem Begriffspaar „nicht zeitgemäß, sondern ewigkeitsgemäß“. Diese Haltung kommt bei ihm auch zum Ausdruck in dem gegenüber seinem Neffen Cornelius Roth

geäußerten Satz: „Ich werde doch jetzt nicht irgendwelche feigen Kompromisse eingehen, wenn ich weiß, daß ich in nicht allzu langer Zeit vor meinem ewigen Richter stehen werde.“ Als Priester dürfe er, der Diplomat, auch nicht immer nur diplomatisch sein. Abstand von sich selbst und Selbstironie sind Eigenschaften, die einen guten Diplomaten kennzeichnen. „Wenn die sagen, ich solle doch am besten dorthin gehen, wo der Pfeffer wächst, dann kann ich ihnen nur entgegnen: Was soll ich dort? – Da komme ich ja gerade her!“ – eine humorvolle Bemer-kung, die ihn beschreibt.

Seine Weltläufigkeit, nichts ist ihm fremd. Er ist das genaue Gegenteil von ei-nem dogmatischen, weltabgewandten Geistlichen. Er war zu klug, um den teil-weise erschreckenden geistigen Zustand in unserem Land nicht wahrzunehmen. Ein Bischof, der sich von den Wirrungen des Zeitgeistes nicht ergreifen läßt. Darin ein Zeichen von Radikalität und Fanatismus zu erkennen oder ihm vorzu-werfen, er sei „unnötig streitbar“, wie es manche seiner Bischofskollegen getan haben, geht vollkommen fehl. Er war „radikal“, im positiven Sinne. Es ist der Blick auf die Ewigkeit, der bei ihm radikaler ausfällt.5 Dybas klarer Blick zeigt sich auch in seiner Beurteilung feministischer Theologie. Er lehnte sie ab, weil er ihre gotteslästerliche Anmaßung erkannte.

Mehrmals fällt auch das Wort „Leuchtturm“. Einsamer Leuchtturm, örtlicher Leuchtturm. Ein Bischof, der den „Dornröschenschlaf“ der Kirche immer wieder gestört hat.6 Wie kaum ein anderer hat er damit die „Wächterfunktion“ des Bi-schofsamtes wahrgenommen, schreibt zum Beispiel Pfarrer Peter Kemmether, der Dyba seine Konversion verdankt.

Dybas Wunsch nach einer starken Kirche versteht noch besser, wer seine Erfah-rungen im diplomatischen Dienst der Kirche in den Blick nimmt. Er hat in seiner Zeit als Diplomat im Dienst des Heiligen Stuhls die herausragende Rolle ken-nengelernt, die der Kirche dabei zukommt, für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einzustehen. Innerkirchliche Diskussionen in Deutschland gehören demge-genüber in das Reich des Banalen, und das hat Dyba gerade aus dieser weltkirch-lichen Perspektive mit aller Deutlichkeit erkannt.7 Dies muß im Blick haben, wer seinen Kampf gegen Liberalismus und Relativismus besser verstehen will. Sein entschiedenes Auftreten diente dazu, die Identität der Kirche zu wahren. Hart und unnachgiebig, wie ihn seine Gegner gerne beschreiben wollten, war er nur, wenn es darum ging, Gefahren für die Kirche zu begegnen. Nicht alles, was er gesagt und getan hat, könne man damit rechtfertigen, so betont Erzbischof Lud-

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wig Schick in seinem Beitrag, zum Verständnis seines Handelns aber seien diese weltkirchlichen Erfahrungen unerläßlich.

Grundlage seiner weitsichtigen Haltung waren sein unerschütterliches Vertrauen, sein Wissen, Kind Gottes zu sein getreu seinem Wahlspruch „Filii Dei sumus“, immer auch die „jenseitige Perspektive“ im Auge behaltend. Vor diesem Hinter-grund betrachtete er auch die Kirche, deshalb ging es ihm weniger um Struktur- und Reformdiskussionen als um das Eigentliche, Wesentliche, den Glauben an den wahren Gott. Den tatsächlichen Zustand der Kirche sah er manchmal ge-kennzeichnet durch „viele Pastoralexperten, aber wenige Heilige“8. In Anleh-nung an ein John F. Kennedy-Zitat gab er zu bedenken, die Menschen sollten weniger fragen, was sie von der Kirche wollen, als vielmehr was die Kirche von ihnen will.

Von liberaler Seiter wurde er für seine vermeintliche Enge kritisiert. Dabei ist das, was ihn bewegt hat, etwas ganz anderes, nämlich sein Wissen um die Be-deutung der „jenseitigen Perspektive“. Insoweit ist es eine Fehldeutung, wollte man die „Reizthemen“ zum Anlaß zu nehmen, ihn abzuwerten. Wer ihn auf diese reduziert und festlegt, hat nicht nur Dyba mißverstanden, er mißt diesen Themen auch eine Bedeutung bei, die ihnen nicht zusteht. Wenn die Lieblingsstelle des Erzbischofs aus der Heiligen Schrift das Wort Jesu an den mit ihm gekreuzigten Schächer war: „Wahrlich, heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“, dann ist damit schlechterdings nicht vereinbar, ihn als unbarmherzigen, unbelehrbaren Hardliner darzustellen.

Erzbischof Dyba hat die Situation in Deutschland mit den Worten beschrieben: „In zwanzig Jahren auf dem spiegelglatten Parkett des vatikanischen diplomati-schen Dienstes ist mir nicht so oft bedeutet worden: ‚Das darf man aber nicht sagen!‘ wie in einem einzigen Jahr als Bischof in Deutschland“. Kritik ist ihm nicht Selbstzweck, immer geht es um den Glauben und seine Weitergabe. Um Mehrheiten hat er sich nicht gekümmert, weil er wußte, daß es darauf nicht an-kommt. Niemals war es ihm um Einmischung oder gar Profilierung zu tun. Pater Lothar Groppe SJ ist vollkommen zuzustimmen, wenn er schreibt, das passe nicht zusammen, das Schweigen der Bischöfe während der NS-Zeit zu kritisie-ren, aber gleichzeitig Erzbischof Dyba seinen mutigen Einsatz für die ungebore-nen Kinder vorzuwerfen. Daß dieser damit zum „Haßobjekt der Feministinnen“9

wurde, war unvermeidlich. Dyba war aber auch deshalb in den Medien so prä-sent, weil sich die anderen gerne davor drückten. Die F.A.Z. bezeichnete ihn einmal als „agent provocateur“. Dyba nannte den Spiegel „die Pressestelle des Teufels“.

5. Ökumene

Höchste Achtung und Wertschätzung erfuhr er auch von evangelischer Seite. Viele evangelische Christen sahen in ihm „ihren“ Bischof.10 Dyba hat einmal geäußert, ihm sei ein tief gläubiger Evangelischer, der seinen Glauben lebt, zehnmal lieber als ein lauwarmer Katholik

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Dybas überkonfessionelle Wirkung und Anerkennung kommen in den Beiträgen der evangelischen Autoren dieses Buches deutlich zum Ausdruck. Konrad Ba-

denheuer sieht hierin sogar den vielleicht stärksten Hinweis auf seine Heiligkeit. Von evangelischer Seite wird ihm auch bescheinigt, einer der präsentesten Kir-chenvertreter gewesen zu sein. Sein evangelischer Amtskollege Hartmut Löwe

bezeichnete ihn als volkstümlich. Selbst seine klaren Urteile über Abtreibung und Homosexualität sowie seine Achtung für Ehe und Familie wurde von Solda-ten und Offizieren gleichermaßen geschätzt.11 „Für den Auftrag der Bundeswehr waren seine klaren und eindeutigen Aussagen eine große Hilfe“, schreibt Kir-chenrat Rolf Sauerzapf, evangelischer Pfarrer im Dienst des Bundesgrenzschut-zes, über seinen früheren Kollegen.

Seine von vielen Autoren beschriebene Beliebtheit bei den Soldaten verdankt er nicht nur ihrer Verteidigung gegen den Angriff auf ihre ethische Integrität in Form des Soldaten = Mörder-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, gegen das er sich empört gewehrt hat. Als Militärbischof war er auf dem richtigen Posten. Dyba selbst hat die Militärseelsorge einmal als seine Erholung bezeichnet.

Sein Leuchten von innen her, so beschreibt es Michael Schneider-Flagmeyer. Tiefe Freude auszustrahlen, sollte das nicht sogar das Merkmal eines jeden Chri-sten sein? Erzbischof Dyba war durch diese Freude geprägt. Das Buch zeichnet ein sehr lebendiges Bild des standhaften Fuldaer Erzbischofs.

Anmerkungen

1) Franz Weidemann in: Christliches Forum, 23. Juli 2000.

2) Johannes Paul II. in seinem Brief an seine Mitbrüder vom 19. Mai 1991; Evangelium Vitae 5.

3) Vgl. Manfred Spieker, Der verleugnete Rechtsstaat. Anmerkungen zur Kultur des Todes in Europa, Paderborn 2005.

4) Johannes Paul II., Centesimus Annus 46 und 47; Evangelium Vitae 70.

5) Cornelius Roth, S. 150.

6) Wolfgang Ockenfels, S. 142.

7) Vgl. Erzbischof Ludwig Schick, S. 155 ff.

8) Predigt Erzbischof Dybas vom 4. September 1983.

9) Stefan Meetschen, S. 128.

10) Beitrag Peter Beyerhaus, S. 28.

11) Beitrag Pater Lothar Groppe SJ, S. 78.

Dr. iur. Friederike Hoffmann-Klein ist Rechtsanwältin und arbeitet in Ebringen.