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Jürgen Tulley, Barbara Knab

Unsere lnnere Uhr

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Mabuse-Verlas

Erste Hilfen Band I

Jürgen Zulley, Prof. Dr. Dr., ist Diplom-Psychologe, Professor fiir Bio-logische Psychologie und seit über 30 Jahren in der Schlafforschung undChronobiologie tätig (www.schlaf-medizin.de).

Barbara Knab, Dr. phi l . , ist Psychologische Psychotherapeutin und alsWissenschaftsjoumalistin Autorin mehrerer psychologischer Sachbücher(r.vrvw.barbara-knab.de).

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Jürgen ZulLey, Barbara Knab

LJnsere Innere Uhr

Natürliche Rhythmen nutzenund der Non-Stop-Belastung entgehen

Mabuse-VerlagFrankfurt arn Main

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Bibl iografische Information derDeutschen Nationalbibl iothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut-schen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Inter-net unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

,O 2009 Mabuse-Verlag GmbHKasseler Str. 1a60486 Frankfurl am MainTel.: 069 10 79 96-13Fax: 069 -70 41 [email protected]. rnabuse-verlag. de

Umschlaggestaltung: Karin Dienst, Frankfurt am MainUmschlagmotiv: @ vision photos/Vladimir Rolov

Druck: freiburger graphische betriebe, Freiburg i. Br.ISBN: 978-3-940529-32-9Printed in CermanyAlle Rechte vorbehalten

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Inhalt

Einleitung I I

Kapitel IChronobiologie - das Leben in der Zeit 13

Al te ldeenzurChronob io log ie i rnAbend land . . . . . . 14Klinische Rhythmusforschung 15D e r B l u t d r u c k . . . 1 8Schmerzernpfindung 19Chronopharmakologie 2lC i r ronob io log ie -d ieGrund lagenwissenschaf t . . . . . . 2 lDie elementarsten Rhythmen . 22

fahresrhythmen 24

Kapitel 2Erde und Sonne, Zeit und Mensch

Die Tage der MenschenAstronornische Tageszeit und ZeitmessungTag und Nacht - zirl<adiane Rhythmen beiunsercn Vorfahren

f ahreszeiten und f ahreszeitstundenDie Globalisicrung der Zeit'. vonZeitzonenb is In te rne t

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Kapitel 3lJnsere Verwandten - Rhythmisches bei Tieren 38

fahreszeiten als Herausforderung - überwintern 38Übers fahr gesehen - selbst Kinderstr,rbensind festgelegt 40Der Schlaf - Prototyp der zirkadianen Rhythmik 40Dösen . 42Welche Tiere schlafen? 43Unterschiedliche Schlafdauern bei Säugetieren -warum? 45Delphine und Enten - Schlaf mit einerGehirnhälfte 47Tageszeiten - wann Warmblüter schlafen 48

Kapitel 4Von Null bis Hundertzwanzig - Rhythmusänderungenim Laufe des Menschenlebens 50

Fötale Rhythmen. 50Säugl ingeundKle ink inder . . . . . . 52Klnderundfugendl iche . . . . . . 54Erwachsene mittleren Alters 56Altere Menschen . ST

Kapitel 5Der natürlichen Rhythmik auf cler Spur -clie Andechser Versuche

Der Andechser BunkerAm Anfang war die Neugier. Aus einem Berichtüber Erfahrungen in der ZeitlosigkeitWem keine Stunde schlägt.Ein Tag in zeit l icher Isolat ion

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Kapitel 6Menschen in zeitloser Umgebung -wenn Rhythrnen frei laufen

Anders als der Erdentag 78Ungleichzeitigkciten - Körpertemperaturund Schlaf-Wach-Rhythmus . 75Zeitisolation in der Gruppe 7gUltradiane Rhythmen - Tagschlaf bei

, ,Frei lauf "-Versuchen g0

Chronochaos-Langewei leundTagsch la f . . . gz

Kapitel 7Zeitgeber - wie die unterschiedlichenRhythrnen zusammenkolntren 85

Gewöhnliches Licht g6Die soziale Situation g9R e g e l m ä ß i g e a n d e r c S i g n a l e . . . 9 lCesucht: wirkl ich hel les Licht 92Plötzl iche Zeitverschiebungen 94Zeitgeber im All tag 95

Kapitel 8Was den Takt schlägt - Innere Uhren

Cene und die Tagesperiodik .Ein winziges Stück Hirn koordiniert dieInneren UhrenEinc un tergeor t lnc te S tcuerungs ins tanz -

die ZirbeldrüseDas Zirbeldrüsen-Hormon MelatoninMelatonin - chronobiologisch wirksarn,aberkeinWunderrnit tel . . . .Ist die Innere Uhr wirkl ich eine Uhr?

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Kapitel 9Schlafen und Wachen als zirkadianer Rhythmus . . . 111

Die Erffndung des Schlaf-EEGs . I t ID ie Ak t iv i tä t des Großh i rns -

dasElek t roenzepha logramm . .113Schlafstadien - die rhythmische Hirnaktivi täti m S c h l a f . . . . 1 1 5Schlafzyklen - die ultradiane Rhythmikd e r N a c h t . . . . . 1 1 7D e r S c h l a f i m A l t e r . . . 1 1 8Die Schlafdauer - Menschen sindunterschiedl ich . l l9Wie langedauer tdergesundeSch la f? . . . . . 122Die Chronobiologie des Schlafs - wann istd e r o p t i m a l e Z e i t p u n k t ? . . . 1 2 4M o r g e n - u n d A b e n d t y p e n . . . . . 1 2 7

Kapitel 10Siesta - die Chronobiologie rehabil i t iertd e n M i t t a g s s c h l a f . . . l Z 9

DerMittagsschlaf inanderenKulturen . . . . . 129Der Mittagsschla{ im christ l ichen Abendland . . . . . 13 ID ieWissenschaf tvomMi t tagssch la f . . . . . . lB3Einige Daten und Fakten . . 137Die Segnungen cles Nickerchens . 139E i n e n e u e S i e s t a - K u l t u r ? . . . . . . . . 1 4 0S t e h e n S i e z u l h r e m M i t t a g s s c h l a f ! . . . . . . l 4 Z

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Kapitel 1lSchlafentzug - warum schlafen wir eigentl ich? . . . 143

Z w i s c h e n M a r t e r u n d E r l e u c h t u n g . . . . . 1 4 4Freiwilliger Schlafentzug für die Wissenschaft . . . 145M ü d i g k e i t u n d S c h l ä f r i g k e i t . . . . 1 4 7K ö r p e r l i c h e F o l g e n . . . . 1 4 9PsychischeFolgen . . . l5lW o z u a l s o d e r S c h l a f ? . . . . 1 5 3

Kapitel 12Es werde Licht - Sonne, Lampen und Gesundheit . 156

D i e h e i l i g e S o n n e . . . . . . 1 5 7W i n t e r d e p r e s s i o n . . . . 1 5 8Das hei lende Sonnenlicht . . 160Dic physikal ische Natur des Lichts . 161Lichttherapie - eine alte Idee wird perfektioniert . 168Das Licht in der Kniekehle . . . . 166

Kapitel 13Wenn Rhythmen gestört werden -Schichtarbeit, Iet-Lag und Sommerzeit 168

Nachtarbeit in der Geschichte . . . 168S c h i c h t a r b e i t h e u t e . . . 1 6 9Schichtarbeit und Gesundheit. . . l7OSchichtarbeit irn Einzelfall - ja oder nein? . . I73Auf Schicht - was kann man selbst tun? . . 174Die jüngste Rhythrnus-Störung: der fet-Lag . . 175M i t t c l g e g e n f e t - L a g . . . . . 1 7 7Die Sommcrzeit als Mini-fct-Lag . . . 179ChronobiologischeSchlafstörungen . . . . . .180

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Kapitel 14

Unfälle - die Kosten der Müdigkeit in derN o n - S t o p - G e s e l l s c h a f t . . . l B 2

Einschlafen am Steuer . . 183Was es kostet, dass wir die Rhythmen ignorieren . . . 186Die Stockholmer ErklärunC . . 190

Kapitel 15Schlafend in die Katastrophe? - Nein danke! . 193

Arbe i tsze i t -Rege lungen .193A u f g a b e n d e r W i s s e n s c h a f t . . . . 1 9 6C h r o n o b i o l o g i e u n d Z e i t e i n t e i l u n S . . . . 1 9 7F r e i z e i t , P a u s e n u n d B e s c h l e u n i g u n g . . . . 1 9 8Uhrenzeit - Ereigniszeit - biologischeZeit . . . 2Ol

Weiterftihrende Literatur . 204

Giossar . 206

A n m e r k u n g e n . . . 2 I g

Dank

P e r s o n e n r e g i s t e r . . . . 2 1 8

S a c h r e g i s t e r . . . . 2 2 0

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Einleitung

Es dauerte gut fünfundzwanzig fahre. Nacheinander lebtenvierhundertsiebenundvierzig Versuchspersonen in einem Berg-bunker ncben dem Kloster Andechs bei München, freiwilligund oft mehrere Wochen. Sie lebten ohne Tageslicht, trafenkeinen Menschen, redeten mit keinern, führten kein ange-nehmes Gespräch und keinen Streit. Viele beschäftigten sichausschließlich allein, schliefen und wachten, wann ihnen da-nach war, und durchmaßen dabei nichts als ihre eigenen Tage.Sie erlebten ein Experiment für sich selbst, und das licferteder jungen Wissenschaft Chronobiologie Daten über Datcn.Die waren spektakulär.

Seitdem wissen wir, dass der Mensch eine Innere Uhr hat;wir wissen auch, dass diese Uhr sehr eigenwillig und gleichzei-

tig erstaunlich flexibel ist. Von Natur aus im 25-Stunden-Rhythmus, passt sie sich aber problernlos dem um eine Stundekürzeren Rhythrnus der Erdumdrehung an.

Wir wisscn außerdem, dass die Innere Uhr nie unbeteiligtbleibt, wenn wir unser Leben umorganisieren. Andern sichäußcre Rhythmen, so irritiert das die Innere Uhr für kurzeZeit; langfristig passt sie sich an, sobald die äußeren Bedin-gungen wiedcr stabil sind. Wenn wir uns jedoch von Tag undNacht nicht beeindrucken lassen, wenn wir Arbeit, Spaß oderbeides rnal so, mal anders organisieren und immer rund urnden 24-Stunden-Tag agieren - non-stop -, dann reagiert dieInnere Uhr. Diese Rcaktionen sind vielfält ig. Keine davonmacht Spaß, viele machen krank.

Ob Nachtschichten oder Zeitzonenflüge, durchgemachteSarnstagnächte oder der Beginn der Sommcrzcit : al lcs belastetdie Innere Uhr, und das hat nicht scltcn Folgcn. Große tech-

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nische Katastrophen wie gesunkene Tanker oder Defekte inAtomkraftwerken, mittlere Störungen in Industrieanlagenmit nachfolgenden Produktionsausfällen, im Vergleich dazu

,,kleine" Unfäl le auf der Autobahn, die aber tödl ich ausgehen:all das geschieht viel häuffger nachts als tags; dann, wennunsere Innere Uhr auf Schlaf steht. Auch wenn wir uns hel-denhaf t üher s ie h inwegzusetzen meinen - s ie zw ing t unszum Gehorchen und wir schlafen ein, am Steuer, am Monitorund auf der Kommandobrücke. Selbstverständl ich auch amSchreibt isch.

Niemand will in die Steinzeit zurück. Doch je ,,großztigi-ger" wir unsere biologische Ausstattung ignorieren, umsohöher steigt der Preis dafür. Aber wir können ihn kleiner hal-ten: mit Vernunft - biologischer Vernunft. Sie kann der öko-nomischen durchaus widersprechen. Doch was ist uns mehrwert?

Dieses Buch versammelt vieles, was die Chronobiologenbis heute herausgefunden haben, und es macht Vorschläge,wie wir chronobiologisches Wissen in unserem Alltag nLrtzenkönnen. Der Erstautor fürgen Zulley gehörte viele fahre zumForscherteam von Andechs, so konnten wir zusätzl ich aus derWerkstatt der Wissenschaft dartiber berichten, auf welchenoft verschlungenen Wegen die Andechser Chronobiologen zuihren Ergebnissen kamen.

Bisher waren diese ausschl ießl ich in streng wissenschaft-licher Form verfügbar. Doch Texte für das Fachpublikumerreichen nicht die Öffentlichkeit und ein allgemeines Publi-kum.; an die aber wendet sich dieses Buch bewusst und direkt.In clen USA arbeiten bei solchen Büchern häuffg Wissenscha{-ter uncl Fachf ournalisten zusammen, hierzulande ist das nochimmer eher ungewöhnlich. Wir halten das für schade, nichtnur, weil wir beide beim Schreiben dieses Buches viel gelernthaben. Wir hoffen vor al lem, dass sich unsere Zusammen-arbeit für die Leser gelohnt hat.

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Kapitel I

Chronobiologie - das Lebenin der Zeit

,,Die einfachste Mannigfaltigkeit der Zeitfolge ist allemal dierhythrnische und wir dürfen nur die Augen auf das großeLicht der Gestirne gen Himmel wenden, um der einfachstenrhythrnischen Fortschrcitungen und Bewegungen gewahr zuwerden. Der Rhythrnus dieser Welt, der Gestirne, dieser Ma-krokosmos, bestimmt aber wieder den großen Rhythmus derErscheinungen des Erdenlebens. Tag und Nacht, Wechsel der|ahreszeiten, Ebbe und Flut des Meeres und die tägliche Ebbeund Flut, welche uns der Barometcr in dem uns urngebendenLuftmeerc anzeigt, werden in ihrer gesetzmäßig wechselndenFolge, in ihrem Rhythmus vorn Wechsel jener Himmelsbe-wegungen bedingt, und bedingen hinwiederurn die Entwick-lung und das Lebcn der Erdenbewohner.,,

Ganz so einfach ist es zwar nicht, wie es im fahre lg31Carl Gustav Carus vermerkte, der als Arzt, philosoph undMaler in dcr Nachfolge Caspar David Friedrichs bekannt ist.Aber dcnnoch konnte und kann sich das Lcben auf der Erdenur im Licht und in der Wärrne der Sonne entwickcln. Siehtman einrnal von der noch nicht einrnal zwanzig fahre altenCentechnik ab, fand diese Entwicklung rnehr als vier Millio-nen fahre lang ausschließlich innerhalb der natürlichen Um-welt statt , rnit der sich fedes Lebewesen ständig austauscht.Zu den elcmentarsten Merkmalen dieser Urnwelt gehörtcndie rhythmischeZert und ganz allgemein rhythmische Vor-gänge.

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Alte Ideen zur Chronobiologie im Abendland

Zeitheißt auf griechisch Chronos, und die Chronobiologie er-forscht, wie die Zeit und das Leben auf der Erde zusammen-hängen. Sie beobachtet, wie biologische Prozesse im zeit-lichen Rhythmus verlaufen, ob beim Einzeller, bei der Taubeoder beim Menschen. Sie unterslrcht, wie die Zeit auf derErde biologische Funktionen unmittelbar beeinflusst und wiesich der Mensch als biologisches Wesen an die Zeit auf derErde anpasste oder ob er sie in seinen eigenen Bauplan auf-genommen hat. Sie fragt, ob wir der Zeit a:u| der Erde ausge-liefert und unterworfen sind oder ob wir zeitlich auch soetwas wie tei l-autonom sind: sie fragt, ob wir , , Innere lJhren"haben, sich unser Organismus also zeit l ich selbst steuert,oder ob unsere biologische Zeit vol lständig von äußeren In-formationen über die Zeit avf der Erde abhängt.

Vieles im menschlichen Leben geht mit der Tageszeit ein-her, und am augenfälligsten tun das Schlafen und Wachen.Schon im |ahre 18l l al lerdings beschränkt sich der Neuro-physiologe Karl-Friedrich Burdach in seinem Buch ,,Diätetikfür Gesunde" keineswegs auf Schlafen und Wachen, wenn erkörperliche Funktionen mit der Tageszeit in Verbindungbringt. So beschreibt er den ,,langsamen und kräftigen Gangvon PuJs und Atmung" in den Morgenstunden, in denen ,,ur-teilskraft und Vernunft das Übergewicht haben über andereVermögen", und eine ,,beinahe fieberhafte Schnelligkeit desPulses cles Abends, der den geselligen Freuden und den heite-ren Spielen der Phantasie gewidmet" sei. Darüber hinaus beob-achtete Burdach den Gemätszttstnnd des Menschen im Laufeeines Tages: , ,Der Mensch ist verschieden nach der Tageszeit. . . uncl so gut wie Linn€r als Pflanzenbeobachter nach demZustande der Pflanzen die Tageszeit bestimmt angab und soeine Pflanzenuhr sich schuf: ebenso kann man eine Men-schenuhr sich bi lden und vorhersehen, wie ein Individuum,welches lnan genau kennt, von einem gewissen Gegenstanddes Morgens oder des Abends affiz\ert werden wird."

Burclach war überzeugt, die Tageszeit verursache diese

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Phänomene, vor allem aber, die Nacht verursache den Schlaf -

und viele seiner rnedizinischen Zeitgenossen dachtcn genau-

so. Daran hinderte sie auch nicht das Wissen, dass Menschen

nördlich des Polarkreises in aller Regel genau wie wir einmal

,,täglich" schlafen, selbst wenn es in den Zerten von Mitter-

nachtssonne und Polarnacht durchgehend hell oder dunkel ist

(siehe dazu Kapitel 2). Al lerdings vari ieren Menschen, die

zwischen Pol und Polarkreis leben, ihre Schlafdauer über das

|ahr tatsächlich rnehr als die, die Richtung Aquator leben.

Gleichzeitig gab es auch noch die viel ältere Idee, der

Mensch verfüge über eine Art ,,Innerer Uhr", die ihrn mit-

teile, wann welche Tätigkeit fällig ist. Der Göttinger Physiker

und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg formulierte

1793 eine solche Idee: , ,Die sogenannten Leute nach der Uhr

werden gewöhnlich alt", sagt er und schließt daraus auf die

Existenz einer Inneren Uhr: ,,Das Handeln nach der Uhr aber

setzt innere ultrmäl3ige Anlagen voralts." Kurz danach schrieb

der Tübingcr Mediziner fohann Hcinrich Ferdinand Auten-

rieth im Handbuch der empirisclten, menschlichen Physio-

logie l80l: ,,Itn ganzen Körper erscheint also, auch irr'Zu-

stande der Gesundheit, einige wenngleich nur bcy vermin-

derter Lebenskraft stärkere, von dem l{reislauf unabhängige

belebte Oszi l lat ion." (Hervorhebungen d. Verf.).

Klinische Rhythmusf orschung

Mit diesen Gcgenthesen zu Burdach postulierten die europäi-

schen Naturwissenschaftler schon früh ,,Innere lJhren", und

um die Wende zum neunzehnten Jahrhundcrt datieren auch

die Wurzeln der empirischen Rhythmusforschung. So beschricb

Claudc Bernhard 1800 in seiner Dissertat ion an der Pariscr

Sorbonne, wic systematisches Oszillieren verschicdcner

Funktionen das Gleichgewicht irn Organismus aufrechter-

häit . Der Stockholmer Johanson konnte zetgen, dass Chinin

unterschiedlich wirkt, je nachderr, um welche Tageszeit es

eingenommen wurde. Auch Hernnann von Helmholtz wies

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