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D ie Zahlen sind bekannt, die Probleme nicht neu. Die Er- nährung einer wachsenden Weltbevölkerung ist späte- stens seit den Beschlüssen der General- versammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 zu den sogenannten Millen- nium Development Goals (MDG, Mill- enniumsentwicklungszielen) ein welt- politisches Hauptthema. Mehr als eine Milliarde Menschen sind nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschafts- organisation der Vereinten Nationen (FAO) dramatisch unterernährt. Dabei hatten sich die UN-Mitgliedsstaaten vor zehn Jahren vorgenommen, die Zahl der Hungernden zu halbieren. Statt dessen ist sie insbesondere infolge der krisen- bedingten Lebensmittelpreisexplosion 2007 dramatisch gestiegen. Eine Ursa- che dafür war, daß Grundnahrungsmittel zunehmend für die Biospritproduktion eingesetzt und damit in Konkurrenz zu Lebensmitteln zu hohen Preisen gehan- delt werden. Seither haben sich zahlreiche Politi- ker und Organisationen die Sicherung der Welternährung auf die Fahnen geschrie- ben. So hat die Bill-und-Melinda-Gates- Stiftung bisher 270 Millionen Dollar in die in der Consultative Group on Internatio- nal Agricultural Research (CGIAR, Bera- tungsgruppe für internationale Agrarfor- schung) vertretenen Institute und über eine Milliarde direkt in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer investiert. Als Grund für sein Engagement gibt Gates an, daß sich noch keine Region ökonomisch wei- terentwickelt habe, ohne daß erst einmal die Agrarproduktion erhöht worden wäre. Von Globalisierungskritikern wird Gates jedoch vorgeworfen, direkt als Türöffner für die Agrarmultis der USA zu wirken. Zum anderen wird befürchtet, daß durch seinen Einfluß vor allem die industriell geprägte Landwirtschaft gefördert wird. Tatsächlich ist die CGIAR ein maßgeb- lich von der Rockefeller- und der Ford- Stiftung geschaffenes Netzwerk, das dem US-Agrobusineß Zugang zu neuen Märk- ten verschafft – und heute beträchtlichen Einfluß auf die UN-Organisationen FAO und die Weltbank hat. Die Art, wie wir Landwirtschaft be- treiben, wirkt sich direkt auf Gesund- heit, Umwelt und Chancen für die wenig entwickelten Regionen unserer Welt aus. Dabei findet sich heute neben Unter- und Mangelernährung Fehl- und Überernäh- rung im gleichen Land. Weltweit sind rund 1,6 Milliarden Menschen überge- wichtig, zunehmend auch in Entwick- lungsländern. Diese doppelte Belastung wird mit dem Fachbegriff »Nutrition Transition« erfaßt. Fehl- und Überernährung belastet die Volkswirtschaften mit hohen Kosten und überfordert ein oft nur mangelhaft ent- wickeltes Gesundheitswesen. So sind in Nigeria rund sechs Prozent der Frauen übergewichtig, in Brasilien hat sich Präsi- dent Ignacio Lula da Silva gar mit einem Aufruf zur gesünderen Ernährung an sei- ne Landsleute gewandt. Schuld an dieser Entwicklung sind Verstädterung, verän- derte Konsumgewohnheiten mit einem hohen Anteil an verarbeiteten Lebensmit- teln mit hohem Zucker- und Fettgehalt und wenig Bewußtsein für gesundes Er- nährungsverhalten. Die globalisierte Le- bensmittelindustrie hat dazu maßgeblich beigetragen, denn ihre Produkte verdrän- gen die traditionelle fett- und zuckerarme Ernährung, die reich an Mikronährstoffen ist. Immer mehr Chemie Umweltschäden und Landwirtschaft ste- hen in einem ursächlichen Zusammen- hang. Intensiver Ackerbau und der mas- sive Einsatz von Agrochemie haben zu einem beispiellosen Verlust der Artenviel- falt beigetragen. Laut Weltagrarbericht (IAASTD) sind in den letzten 50 Jahren drei Viertel der genetischen Basis der Nutzpflanzen verlorengegangen. Die so- genannte grüne Revolution hat mit ihrem uniformen, ertragreichen Hochleistungs- saatgut, der exzessiven Anwendung von Kunstdünger und Pestiziden diese Ent- wicklung vorangetrieben. Andererseits hatten bereits 1993 rund 700 Schädlinge, 200 Krankheitskeime und 30 Unkräu- ter aufgrund des übermäßigen Einsatzes Resistenzen gegen Pestizide entwickelt. Landraub als Entwicklungshilfe:Wie Weltbank und FAO Enteignungen durch Spekulanten schönreden Seite 3 Vom Ich zum Wir:Vor 50 Jahren meldete die DDR-Volkskammer »Vollgenossenschaftlichkeit« in der Landwirtschaft Seite 4/5 Kollateralschaden: Bienen leiden unter Pestiziden und monotonen Kulturlandschaften. Dabei geht ohne sie wenig Seite 6 Die andere Grüne Revolution: In Ku- ba ist Ökolandbau in Familienhand auf dem Vormarsch Seite 7 junge W elt Die Tageszeitung land & wirtschaft Beilage der Tageszeitung junge Welt Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 Die Autorin ist beim Naturschutzbund Deutschland (www. nabu.de) Fachreferentin für Agrogentechnik und Biodiversität. Es ist genug für alle da Verfügbarkeit von Lebensmitteln ist keine Frage weiterer Ertragssteigerung. Minimierung von Nachernteverlusten und weniger Fleischproduktion wären entscheidender Fortschritt. Von Steffi Ober Fortsetzung auf Seite zwei O AP/HOUSTON CHRONICLE, JULIO CORTEZ Die Fotos in dieser Beila- ge zeigen Migranten aus Mexiko bei der Feldar- beit in den USA

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Die Zahlen sind bekannt, die Probleme nicht neu. Die Er-nährung einer wachsenden Weltbevölkerung ist späte-

stens seit den Beschlüssen der General-versammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2000 zu den sogenannten Millen-nium Development Goals (MDG, Mill-enniumsentwicklungszielen) ein welt-politisches Hauptthema. Mehr als eine Milliarde Menschen sind nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschafts-organisation der Vereinten Nationen (FAO) dramatisch unterernährt. Dabei hatten sich die UN-Mitgliedsstaaten vor zehn Jahren vorgenommen, die Zahl der Hungernden zu halbieren. Statt dessen ist sie insbesondere infolge der krisen-bedingten Lebensmittelpreisexplosion 2007 dramatisch gestiegen. Eine Ursa-che dafür war, daß Grundnahrungsmittel zunehmend für die Biospritproduktion eingesetzt und damit in Konkurrenz zu Lebensmitteln zu hohen Preisen gehan-delt werden.

Seither haben sich zahlreiche Politi-ker und Organisationen die Sicherung der

Welternährung auf die Fahnen geschrie-ben. So hat die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung bisher 270 Millionen Dollar in die in der Consultative Group on Internatio-nal Agricultural Research ( CGIAR, Bera-tungsgruppe für internationale Agrarfor-schung) vertretenen Institute und über eine Milliarde direkt in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer investiert. Als Grund für sein Engagement gibt Gates an, daß sich noch keine Region ökonomisch wei-terentwickelt habe, ohne daß erst einmal die Agrarproduktion erhöht worden wäre. Von Globalisierungskritikern wird Gates jedoch vorgeworfen, direkt als Türöffner für die Agrarmultis der USA zu wirken. Zum anderen wird befürchtet, daß durch seinen Einfluß vor allem die industriell geprägte Landwirtschaft gefördert wird. Tatsächlich ist die CGIAR ein maßgeb-lich von der Rockefeller- und der Ford-Stiftung geschaffenes Netzwerk, das dem US-Agrobusineß Zugang zu neuen Märk-ten verschafft – und heute beträchtlichen Einfluß auf die UN-Organisationen FAO und die Weltbank hat.

Die Art, wie wir Landwirtschaft be-

treiben, wirkt sich direkt auf Gesund-heit, Umwelt und Chancen für die wenig entwickelten Regionen unserer Welt aus. Dabei findet sich heute neben Unter- und Mangelernährung Fehl- und Überernäh-rung im gleichen Land. Weltweit sind rund 1,6 Milliarden Menschen überge-wichtig, zunehmend auch in Entwick-lungsländern. Diese doppelte Belastung wird mit dem Fachbegriff »Nutrition Transition« erfaßt.

Fehl- und Überernährung belastet die Volkswirtschaften mit hohen Kosten und überfordert ein oft nur mangelhaft ent-wickeltes Gesundheitswesen. So sind in Nigeria rund sechs Prozent der Frauen übergewichtig, in Brasilien hat sich Präsi-dent Ignacio Lula da Silva gar mit einem Aufruf zur gesünderen Ernährung an sei-ne Landsleute gewandt. Schuld an dieser Entwicklung sind Verstädterung, verän-derte Konsumgewohnheiten mit einem hohen Anteil an verarbeiteten Lebensmit-teln mit hohem Zucker- und Fettgehalt und wenig Bewußtsein für gesundes Er-nährungsverhalten. Die globalisierte Le-bensmittelindustrie hat dazu maßgeblich

beigetragen, denn ihre Produkte verdrän-gen die traditionelle fett- und zuckerarme Ernährung, die reich an Mikronährstoffen ist.

Immer mehr Chemie Umweltschäden und Landwirtschaft ste-hen in einem ursächlichen Zusammen-hang. Intensiver Ackerbau und der mas-sive Einsatz von Agrochemie haben zu einem beispiellosen Verlust der Artenviel-falt beigetragen. Laut Weltagrarbericht (IAASTD) sind in den letzten 50 Jahren drei Viertel der genetischen Basis der Nutzpflanzen verlorengegangen. Die so-genannte grüne Revolution hat mit ihrem uniformen, ertragreichen Hochleistungs-saatgut, der exzessiven Anwendung von Kunstdünger und Pestiziden diese Ent-wicklung vorangetrieben. Andererseits hatten bereits 1993 rund 700 Schädlinge, 200 Krankheitskeime und 30 Unkräu-ter aufgrund des übermäßigen Einsatzes Resistenzen gegen Pestizide entwickelt.

Landraub als Entwicklungshilfe: Wie Weltbank und FAO Enteignungen durch Spekulanten schönreden Seite 3

Vom Ich zum Wir: Vor 50 Jahren meldete die DDR-Volkskammer »Vollgenossenschaftlichkeit« in der Landwirtschaft Seite 4/5

Kollateralschaden: Bienen leiden unter Pestiziden und monotonen Kulturlandschaften. Dabei geht ohne sie wenig Seite 6

Die andere Grüne Revolution: In Ku-ba ist Ökolandbau in Familienhand auf dem Vormarsch Seite 7 jungeWelt

Die Tageszeitung

l a n d & w i r t s c h a f t Beilage der Tageszeitung junge Welt Mittwoch,4. August 2010, Nr. 179

Die Autorin ist beim Naturschutzbund Deutschland (www. nabu.de) Fachreferentin für Agrogentechnik und Biodiversität.

Es ist genug für alle daVerfügbarkeit von Lebensmitteln ist keine Frage weiterer Ertragssteigerung. Minimierung von Nachernteverlusten und weniger Fleischproduktion wären entscheidender Fortschritt. Von Steffi Ober

Fortsetzung auf Seite zwei O

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Die Fotos in dieser Beila-ge zeigen Migranten aus Mexiko bei der Feldar-beit in den USA

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Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 junge Welt 2 l a n d & w i r t s c h a f t

Bekämpft wird das Problem mit noch höheren Dosierungen und noch giftigeren Mischungen.

Bei all dem wird der Boden, die wich-tigste Ressource für Lebensmittelproduk-tion und Lebensmittelsicherheit, stiefmüt-terlich behandelt. Erosion, Überweidung, die Abkehr von vielfältigen Fruchtfolgen haben seine Fruchtbarkeit weltweit dra-matisch reduziert. »Bodenverschlechte-rung in all ihren Formen stellt eine Gefahr für die Lebensmittelproduktion und den Lebensunterhalt in ländlichen Gebieten dar, vor allem in den ärmsten Regionen der Entwicklungsländer«, hieß es 2008 in einem UN-Bericht.

Die Landwirtschaft ist für 70 Prozent des weltweiten Süßwasserverbrauchs verant-wortlich und trägt erheblich zur Wasserver-schmutzung bei. Fast drei Viertel des aus-gebrachten Düngers werden nicht von den Pflanzen aufgenommen, sondern gelangen in das Grundwasser, in Flüsse und Seen. Dort führen Stickstoff und Phosphat zu Überdüngung und erheblichen Schädigun-gen der Ökosysteme. In einigen Regionen besteht bereits heute akuter Wassermangel. Der Weltagrarbericht warnt deshalb vor zu-nehmenden gesellschaftlichen, aber auch zwischenstaatlichen Konflikten bis hin zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Kriegen um Wasser. Trotzdem importieren die sehr gut mit Wasser versorgten Län-der des Nordens weiter sogenannte Cash-Crops (Marktfrüchte) wie Mais, Soja und Baumwolle aus wasserarmen Regionen Afrikas und Lateinamerikas – und tragen so maßgeblich zur Verschärfung des Man-gels bei. Getreide- und Eiweißpflanzen-importe werden zudem überwiegend zur Viehfütterung eingesetzt.

Gretchenfrage GentechnikWelche Agrarforschung brauchen wir angesichts dieser noch latenten Konflik-te? Die einseitig auf Ertragssteigerung fixierte Herangehensweise in den Indu-striestaaten hat offensichtlich versagt. Die meisten Hungernden wohnen in den Entwicklungsländern auf dem Land, das sie eigentlich ernähren könnte, während in der wohlhabenderen Stadtbevölke-

rung auch in Entwicklungsländern eher Fehl- und Überernährung um sich greifen. Wenn man als Hauptziel der Wissenschaft die Sicherung des Menschenrechts auf Nahrung setzt, liegt es auf der Hand, daß eine eigenständige Ernährungsforschung gleichberechtigt zur Agrarforschung ge-fördert werden müßte. Denn Ernährung ist weit mehr, als kalorisch satt zu werden. Die staatlich finanzierte Agrarforschung hat die Pflege traditioneller Anbausyste-me und Kulturen völlig vernachlässigt. Überliefertes Wissen und viele regionale Sorten sind so zum Teil unwiederbring-lich verlorengegangen. Dabei kann ge-rade die Förderung und Nutzung der ge-netischen Vielfalt bei Pflanzen dank der Fähigkeit zur Anpassung an verschiedene Bedingungen wesentlich zur Ernährungs-sicherung beitragen.

Die Gretchenfrage des 21. Jahrhunderts lautet: »Wie hältst du es mit der Gen-technik?« Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag entschieden: Gentechnik kann – und soll – zur Siche-rung der Welternährung beitragen. Bun-desforschungsministerin Annette Schavan (CDU) verkündet diesen Glaubenssatz in jeder Diskussion zur Pflanzenforschung. Mit Gentechnik könne man das Saatgut am besten optimieren, sagen deren Befür-worter. Doch welchen Anteil hat das Saat-gut an der Verfügbarkeit von Nahrung und Einkommen in der Landwirtschaft? Urs Niggli, Direktor des Forschungsinsti-tutes für biologischen Landbau in Frick (Schweiz), beziffert den Einfluß des Saat-gutes auf den Ertrag mit sechs bis neun Prozent, Biotech-Lobbyverbände dage-gen mit bis zu 40 Prozent.

Bemerkenswert ist aber die Aussage eines Vertreters der Gesellschaft für Tech-nische Zusammenarbeit (GTZ), einer der staatlichen Entwicklungshilfeorganisa-tionen in Deutschland. Auf einer Veran-staltung zum Beitrag der Agrarforschung zur Welternährung im Bundestag erklärte er, Nachernteverluste bzw. deren Vermei-dung hätten einen überragenden Einfluß auf die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, den er mit 40 bis 70 Prozent bezifferte.

Gigantische VerlusteNachernteverluste entstehen durch natür-liche Prozesse wie Atmung oder Verdun-stung ebenso wie durch mechanische Be-schädigung oder Schädlinge und Krank-heiten. Interessanterweise hängen diese

Faktoren eng mit dem Anbau zusammen, zum Beispiel über die Düngung, die Be-wässerung und den Grad des Schädlings-befalls im Erntegut. Früher ging man da-von aus, daß hohe Nachernteverluste aus fehlendem Wissen der Bauern resultieren. Doch inzwischen ist deutlich geworden, daß gerade Hochertragssorten viel emp-findlicher auf Schädlinge reagieren, viel mehr Pflege brauchen – und die Bauern mit den neuen Anbausystemen alleinge-lassen wurden. Das Problem wurde und wird bislang vor allem mit dem Einsatz von Pestiziden zur Schädlingsbekämp-fung im Erntegut »gelöst«.

Nach einer Studie des auf den Philip-pinen ansässigen Internationalen Reisfor-schungsinstituts IRRI (das zur o.g. Bera-tungsgruppe CGIAR gehört) betragen die Nachernteverluste bei Reis in Südostasien zwischen zehn und 37 Prozent. Sie fallen bei der Ernte, beim Dreschen, während des Trocknens, bei Lagerung und Trans-port an. Weltweit werden die Nachernte-verluste bei Körnerfrüchten auf rund ein Drittel der Gesamtmenge geschätzt. Bei Gemüse und Obst dürften sie aufgrund schlechter Infrastruktur (Kühlhäuser, Transportmittel, Straßen) in vielen Län-dern weit höher liegen.

Bei der FAO ist das Problem bereits Mitte der 70er Jahre identifiziert wor-den. Sie hat ein eigenes Programm da-gegen erstellt. Die GTZ unterstützt das

entsprechende Forschungsnetzwerk »Information Network on Post harvest Operations«. In der deutschen Entwick-lungshilfe wird das Thema dagegen noch immer wenig beachtet – vielleicht auch aus Enttäuschung darüber, daß bisheri-ge technische Lösungen oft lediglich zu »Maschinenfriedhöfen« in den so »un-terstützten« Ländern führten. Daß häufig eher sozioökonomische als technologieo-rientierte Ansätze erforderlich sind, wird weiter häufig übersehen.

WegwerfgesellschaftHinzu kommt, daß in Europa 30 Prozent aller Lebensmittel weggeworfen werden. In den USA sind es gar unglaubliche 50 Prozent. Betrachtet man also die Ge-samtmenge der verfügbaren Nahrungs-mittel, wäre eine Versorgung aller Men-schen theoretisch problemlos möglich. Und sie wäre es auch ohne weitere Er-tragssteigerungen. Darauf zu verzich-ten, wäre zudem umweltpolitische und gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit, denn heute werden für die Erzeugung ei-ner pflanzlichen Kalorie zehn Kalorien an fossilen Energien verbraucht. Nachhaltig wäre dagegen nur eine ressourcenscho-nende und -erhaltende Landwirtschaft. Eine Ökologisierung wird inzwischen sogar in einer vom »Think Tank« der Deutschen Bank, DB Research, veröf-fentlichten Studie unter dem Titel »Le-bensmittel – eine Welt voller Spannung« angemahnt. Darin wird den Kleinbauern eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Welternährung zugeordnet. Der Bioöko-nomierat der Bundesregierung verkün-det dagegen, weitere Ertragssteigerungen seien erforderlich, um die Ernährung von neun Milliarden Menschen (Schätzung für das Jahr 2050) und die Erzeugung von Bioenergie und Biomasse für die Indu-strie sicherzustellen.

Neben dem Konflikt zwischen dem An-bau von Nahrungsmitteln und dem von Biomasse etwa für die Gewinnung von Kraftstoffen oder Energie wird der wach-sende Fleischkonsum immer mehr zum Problem. Die Zahl der Nutztiere, die Milch, Fleisch und Eier liefern, wird bis 2050 vor-aussichtlich auf 30 Milliarden anwachsen. Dies würde bedeuten, daß für einen großen Teil der Menschheit weiter nicht genug Nahrung zur Verfügung stünde. Denn zur Produktion einer tierischen Kalorie werden bis zu neun pflanzliche gebraucht. Also wäre ein Wandel im Ernährungsverhalten – und in der Struktur der Agrarwirtschaft der Industriestaaten – dringend nötig. Es wür-de beispielsweise viel ausmachen, wenn hierzulande jeder die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung be-rücksichtigen würde, wonach ein Fleisch-konsum von 20 Kilogramm pro Kopf und Jahr gesund wäre. Derzeit verbraucht laut Statistik in Deutschland jeder Einwohner 80 Kilogramm.

CGIAR, Beratungsgrup-pe für internationale Agrarforschung: www.cgiar.org

Internationales Reisfor-schungsinstitut: www.irri.org

Information Network on Post-harvest Operations: www.fao.org/inpho

Die vom Deutsche-Bank-»Think Tank« ver-öffentlichte Studie im Internet: www.db.com/ mittelstand/downloads/Lebensmittel_250909.pdf. Aus diesem Dokument stammt auch die Aussa-ge zur Zahl der Schäd-lingsresistenzen im Artikel.

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land&wirtschaft erscheint als Beilage der Tageszei-tung junge Welt im Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin. Redaktion: Jana Frielinghaus (V. i. S. d. P.); Anzeigen: Belinda Wolff; Gestaltung: Mi-chael Sommer.

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junge Welt Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 3l a n d & w i r t s c h a f t

Man muß kein Bauer sein, um mit Ackerland Geld zu verdienen«, hieß es in einem Beitrag der Wo-

chenzeitung Die Zeit vom 11. Februar 2010, der sich mit einem Trend beschäf-tigte, über den in den letzten zwei Jahren viel geschrieben und diskutiert wurde, ohne daß es seither zu einer Trendwen-de gekommen ist. Die Rede ist von der rasanten Aneignung des Produktions-mittels Boden durch Investoren und – seit der Preisexplosion im Nahrungs-mittelbereich 2008 – durch finanzstarke Länder mit prekärer Eigenversorgung, international unter dem Begriff Land Grabbing bekannt. Die Berichterstat-tung in den Medien vermittelt den Ein-druck, daß es vor allem die Regierungen Chinas, Südkoreas und der Golfstaaten seien, die diese Landumverteilung vor-antreiben. Eine repräsentative Analyse des Londoner International Institute for Environment and Development (IIED) zeigte aber am Beispiel von Äthiopi-en, Ghana, Madagaskar und Mali, daß dort 90 Prozent der Flächen an private Investoren vergeben wurden. Auch in anderen Ländern dürften Privatkäufer dominieren. Insgesamt wurden laut Schätzungen der in Spanien ansässigen Nichtregierungsorganisation (NGO) GRAIN von 2006 bis Herbst 2009 zwi-schen 22 und 50 Millionen Hektar Land in Ländern des Südens gekauft oder gepachtet. Das entspricht einem Viertel bis der Hälfte der Ackerfläche der Euro-päischen Union.

NeokolonialismusDie treibende Kraft hinter dieser Ent-wicklung ist das Profitstreben der In-vestoren. Eine Binsenweisheit, die an dieser Stelle wiederholt wird, um an das damit verbundene Potential an krimi-neller Energie zu erinnern, zumal genau dies beispielsweise von der Welternäh-rungsorganisation (FAO) schöngeredet wird. FAO, Weltbank, die staatliche und staatsnahe deutsche Entwicklungshilfe und andere erkennen bei diesen Trans-aktionen zwar Risiken, halluzinieren aber gleichzeitig »Chancen« für die ländliche Bevölkerung des Südens. So schlagen Weltbank und FAO allen Ern-stes vor, die Ernährung der ländlichen Bevölkerung im globalen Süden durch die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Verpackungsindustrie zu sichern. Die Werbesprüche auf den Websites der In-vestmentfonds zeigen deutlich, worum es geht: »Die rasant wachsende Welt-bevölkerung, Land- und Wasserknapp-heit – all das sind Punkte, die für über-durchschnittlich gute Perspektiven der Agrarwirtschaft sprechen«, frohlockt etwa die zur Deutschen Bank gehören-de Fondsgesellschaft DWS. Besonders vielversprechend für die Anleger ist da-bei die kontinuierlich zunehmende Flä-chenkonkurrenz zwischen Nahrungs-mittel- und Agrotreibstoffproduktion, die die Nahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkt in die Höhe treibt.

Was Almuth Ernsting von der bri-tischen »Biofuelwatch«-Kampagne vor drei Jahren voraussah, ist inzwischen bittere Realität. Damals schrieb sie: »Karten, Länder und Kontinente werden in ›Gebiete‹ eingeteilt, die darlegen, für welche unterschiedlichen Monokultur-Plantagen sie ›passend‹ sind. (…) Wei-den und ertragsgeringe Agrarflächen werden für Effizienz und Treibstoff-

produktion geopfert. Experten nehmen wenig Rücksicht auf ›soziale Faktoren‹ wie die lästige Tatsache, daß das Land vielleicht das Zuhause von Millionen Menschen ist.« Laut FIAN, einer NGO, die sich für das Menschenrecht auf Nahrung einsetzt, leben allein in Afrika südlich der Sahara 60 Millionen Noma-den, deren Weideland zu diesen Flächen zählt. Ernsting fährt in ihrem 2007 pu-blizierten Text fort: »Die Karten zei-gen eine furchterregende Ähnlichkeit zu denen, die die Europäer während des ›Gerangels um Afrika‹ 1880 ge-zeichnet haben. Mit wissenschaftlicher Billigung, Unterstützung von den Re-gierungen, vielen NGOs und der UNO werde neue Partnerschaften zwischen der Biotech-Industrie, Ölfirmen und Agrarkonzernen geschlossen. Diese in-vestieren Milliarden von Dollar, zuver-sichtlich, daß ihnen der Zugang zu Land und die Kontrolle der Versorgungsket-ten sicher sind.«

Dementsprechend beeilen sich die Re-gierungen von Ländern des Südens mit der Schaffung neuer Gesetze, um den Bedürfnissen der Planer und Investoren gerecht zu werden und die gewünschten Handlungsspielräume zu schaffen. Vor-reiter war Mexiko, das im Zuge seiner neoliberalen Reformen bereits Anfang der 1990er Jahre die verfassungsmäßi-gen Hürden für die Privatisierung von Gemeindeland beseitigt und damit die Grundlage für Landkäufe bzw. -nutzun-gen auch durch ausländische Investoren geschaffen hatte. In Madagaskar gibt es seit 2008 ein Gesetz, das ausländischen Investoren erlaubt, große Landflächen bis zu 99 Jahr lang, zu pachten. Auf den Philippinen bemüht man sich um eine Verfassungsänderung, die auslän-dischen Investoren das 100prozentige Eigentum an erworbenem Land ermög-lichen soll.

Selbst den Institutionen des politi-

schen Mainstreams wird angesichts der Dynamik des Prozesses mulmig. Die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), das Londoner IIED und andere zählen in ihren Ar-beitspapieren alle wesentlichen mit dem Land Grabbing verbundenen Risiken auf. Gleichzeitig weist das IIED den Begriff jedoch vehement zurück, weil dies den angeblichen Chancen, die mit dem euphemistisch als »Auslandsdirek-tinvestition« bezeichneten Landraub verbunden sind, nicht gerecht würde. Die vom IIED und anderen Institutio-nen identifizierten »Entwicklungschan-cen« bestehen in der Produktivmachung vermeintlich ungenutzter Flächen, in der Schaffung von Arbeitsplätzen, im angeblichen Technologietransfer in die Landwirtschaft des »Gastgeberlandes« und in der Miternährung von dessen Bevölkerung.

Dabei schreien die Risiken, allen vor-an die Zerstörung der Umwelt durch industriemäßige Landwirtschaft und die Vertreibung lokaler Gemeinschaften, förmlich nach einem globalen Mora-torium für große Landtransaktionen. Doch das Rezept der offiziellen Politik besteht in der Propagierung freiwilliger Selbstverpflichtungen, auf deren Basis Agrarkonzerne und Finanzinstitutionen von einer profit- und spekulationsori-entierten Gewinnmaximierung Abstand nehmen sollen.

Folgenlose AnalysenBei der Weltbank ist es zudem gängige Praxis, kritische Einschätzungen und die formulierten Politikempfehlungen voneinander zu entkoppeln. Ihr jüng-ster Bericht, dem Vernehmen nach der bislang umfassendste zu diesem The-ma, zeichnet ein ernüchterndes Bild bezüglich der propagierten Chancen. Der Entwurf des Reports, der im Au-

gust veröffentlicht werden soll, wurde vergangene Woche der Financial Times zugespielt. Deren am 27. Juli erschie-nenem Bericht zufolge konzentrier-ten sich die Investoren auf Länder mit schwacher Landgesetzgebung, und die im Zusammenhang mit den Landkäufen versprochenen Arbeitsplätze und Infra-strukturinvestitionen blieben weitestge-hend aus. Im Report der Weltbank wird deshalb Spekulation als das Schlüssel-motiv für diese Transaktionen identifi-ziert. Wenn von den neuen Eigentümern überhaupt Steuern gezahlt würden, seien diese niedriger als die von den Kleinbauern entrichteten. Die in den freiwilligen Richtlinien der FAO und anderer Institutionen empfohlenen Kon-sultationen mit der lokalen Bevölkerung waren schwach und oberflächlich und in einigen Ländern mit Rechtsverlet-zungen verbunden. Häufig entstanden Landrechtkonflikte. Bemühungen, die Investitionen in eine breitere Entwick-lungsstrategie des »Gastgeberlandes« einzubinden, gab es so gut wie nie.

Unbeschadet dieser katastrophalen Bilanz setzt die Weltbank auf eine »Land Transparancy Initiative« dem Vorbild der »Extractive Industry Transparency Initiative« (EITI) der Bergbauindustrie. Acht Jahre nach ihrem Start wurde EITI indes lediglich von drei Ländern, näm-lich Aserbaidschan, Liberia und Ostti-mor umgesetzt. Ein weiteres Problem ist, daß eine solche Initiative nur fi-nanzielle Aspekte erfaßt. Umweltfragen und solche der Ernährungssouveränität bleiben außen vor. Ein globales Mora-torium für großflächige Landtransak-tionen – so lange, bis sanktionierbare »minimale Menschrechtsprinzipien« eingeführt worden sind, wie sie von Oli-vier de Schutter, UNO-Berichterstatter für das Recht auf Ernährung, gefordert werden – wären deshalb das Gebot der Stunde.

Der Autor ist promo-vierter Agrarwissen-schaftler, lebt in Potsdam und betreibt den Blog www.welt-ernaehrung.deZudem ist er Beirat der Tübinger Informations-stelle für Militarisierung e.V.

Schönredner bei der FAOLandnahme durch private Investoren in Afrika und Lateinamerika erreicht dramatische Dimensionen. UN-Ernährungsorganisation, Weltbank und Entwicklungspolitiker betonen »Chancen«. Von Peter Clausing

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Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 junge Welt 4 l a n d & w i r t s c h a f t

Sozialistischer Frühling« im Dorf. Diese Wortprägung tauch-te erstmals in einem Leitartikel des Neuen Deutschland vom

20. März 1960 auf. Tatsächlich fühlten sich damals Hunderttausende Bauern vor den Kopf gestoßen, weil man sie in die neuen Landwirtschaftlichen Produktions-genossenschaften (LPG) gedrängt hatte. »De Appel is riep«, hatte der Rostocker SED-Bezirkssekretär Karl Mewis Mitte Januar den widerstrebenden Kavelsdorfer Bauern im Kreis Ribnitz-Damgarten zu-gerufen. Der Satz wurde zum Leitspruch für Agitationstrupps in den Dörfern.

Die Kollektivierung in der Landwirt-schaft war seit Mitte der 50er Jahre er-klärtes Ziel der SED. War mit der Boden-reform von 1945/46 zunächst eine erste Nachkriegsproduktionsgrundlage für die Landwirtschaft geschaffen worden, so ging es nun um eine Erhöhung der Produk-tivität, mit der man das Land langfristig von Lebensmittelimporten unabhängig machen wollte. Die SED vertrat damals den Standpunkt: Ein sozialistischer Ent-wicklungspfad muß auch die Landwirt-schaft einschließen. Arbeiter und Bauern sollten gemeinsam eine maschinelle Groß-produktion gestalten, genossenschaftliche Betriebe den Bauern eine Zukunft sichern.

Friedrich Engels als PateDas Konzept fußte auf Überlegungen von Friedrich Engels in seiner Schrift »Die Bauernfrage in Frankreich und Deutsch-land« (1894): »…Erstens ist der Satz des französischen Programms unbedingt rich-tig: daß wir den unvermeidlichen Unter-gang des Kleinbauern voraussehn, aber keineswegs berufen sind, ihn durch Ein-griffe unsrerseits zu beschleunigen. Und zweitens ist es ebenso handgreiflich, daß, wenn wir im Besitz der Staatsmacht sind, wir nicht daran denken können, die Klein-bauern gewaltsam zu expropriieren (einer-lei, ob mit oder ohne Entschädigung), wie wir dies mit den Großgrundbesitzern zu tun genötigt sind. Unsre Aufgabe gegen-

über dem Kleinbauer besteht zunächst dar-in, seinen Privatbetrieb und Privatbesitz in einen genossenschaftlichen überzuleiten, nicht mit Gewalt, sondern durch Beispiel und Darbietung von gesellschaftlicher Hil-fe zu diesem Zweck.« Engels weiter: »Die Hauptsache bei alledem ist und bleibt die, den Bauern begreiflich zu machen, daß wir ihnen ihren Haus- und Feldbesitz nur ret-ten, nur erhalten können durch Verwand-lung in genossenschaftlichen Besitz und Betrieb. Es ist ja grade die durch den Ein-zelbesitz bedingte Einzelwirtschaft, die die Bauern dem Untergang zutreibt. Beharren sie auf dem Einzelbetrieb, so werden sie unvermeidlich von Haus und Hof verjagt, ihre veraltete Produktionsweise durch den kapitalistischen Großbetrieb verdrängt. (…) wir (…) bieten den Bauern die Mög-lichkeit, den Großbetrieb selbst einzufüh-ren, nicht für kapitalistische, sondern für ihre eigne gemeinsame Rechnung.«

Als Engels dies schrieb, begann in der Landwirtschaft das Maschinenzeitalter. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahr-hunderts bekam die Agrarproduktion in Großbetrieben und auf größeren Bauern-höfen ein neues Gesicht. Als die SED sich 1946 ein Programm gab, stand zunächst je-doch eine antifaschistisch-demokratische Umgestaltung mit einer Bodenreform und der Wiederaufbau der kriegsgeschädigten Landwirtschaft im Vordergrund. Als Fern-ziel wurde eine sozialistische Umformung der Gesellschaft avisiert. Zur Zukunft der Mittelschichten in Stadt und Land hieß es recht unbestimmt: »Der Sozialismus (…) beseitigt das durch die Ausbeutung ge-schaffene Kapitaleigentum, die Klein- und Mittelbesitzer aber befreit er von der Ge-fahr, durch die Kapitalhyänen verschluckt zu werden; er sichert den werktätigen Bau-ern und den Gewerbetreibenden auf neuer Grundlage eine bessere Existenz«.

Nachdem zwei deutsche Staaten entstan-den und im Frühjahr 1952 die Stalinschen Vorschläge für Schritte zur deutschen Wiedervereinigung vom Westen abgelehnt worden waren, erklärte die SED abrupt das Fernziel zum Nahziel, die Bildung

der LPG besonders betonend. Die Dinge nahmen ihren Lauf, zunächst als freiwil-lige Entscheidung, dann obrigkeitsstaat-lich vorangetrieben, zeitweise mit rigidem Zwang verbunden. 1958, beim V. Parteitag, hielt die SED die Zeit für gekommen, den Übergang zum Sozialismus zu forcieren. Das galt insbesondere für das Dorf. Man wußte: Die Genossenschaften konnten nur erfolgreich sein, wenn die stabil wirt-schaftenden fähigen Bauern mitmachten. »Vollgenossenschaftlichkeit« wurde zum Ziel. Um Einzelbauern den Schritt zu er-leichtern, besann man sich wieder auf den beinahe schon vergessenen LPG-Typ I, der noch einer losen Kooperation gleichkam. Zugleich erklärte man, es dürften nun wei-tere Genossenschaften neben der beste-henden LPG im Dorf gebildet werden. Das Konzept schien aufzugehen. Als der Kreis Eilenburg Mitte Dezember 1959 den Voll-zug der Vollgenossenschaftlichkeit melde-te, sah sich das Zentralkomitee (ZK) der SED in seinem Kurs bestätigt.

»Vollgenossenschaftlich«Am 4. März meldete der Bezirk Rostock als erster die »Vollgenossenschaftlich-keit«. Neubrandenburg folgte am 12., Schwerin am 29. März. Am 14. April endete die Kampagne im Bezirk Karl-Marx-Stadt. Mit wenigen Ausnahmen waren nunmehr alle Bauern in den LPG. Mitte 1959 hatten die LPG 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Bewirtschaftung, nun waren es 85 Prozent. Die restliche Fläche verteilte sich auf Staatsgüter und andere öffent-liche Betriebe sowie auf die verbliebe-nen 12 000 Einzelbauern. Noch 1959 kam die Hälfte der landwirtschaftlichen Bruttoproduk tion aus Einzelbetrieben, aus den LPG nur ein Drittel. 1960 tra-ten beinahe 300 000 bäuerliche Höfe in die Genossenschaften ein. Das waren zwei Drittel aller Höfe, die die Jahre seit 1952 überdauert hatten. Im Unterschied zu den Vorjahren handelte es sich um wirtschaftsstabile, überwiegend mittel-

bäuerliche Höfe. Diese hatten es mit immensem Fleiß der ganzen Familie, mit mehr oder weniger Traktorenhilfe der Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS), nicht zuletzt aber dank des gesicherten Absatzes der Agrarprodukte zu einigem Wohlstand gebracht.

Nun, 1960, hieß es, der Sozialismus habe in Stadt und Land gesiegt. Dabei war die Bildung von LPG zunächst nur ein juristischer Akt: die Konstituierung genossenschaftlicher Produktionsver-hältnisse auf dem Papier – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die offizielle Lo-sung hieß 1961/62 mit Recht: Aufnahme des genossenschaftlichen Wirtschaftens – und dann, etwa ab 1962/63: »gute ge-nossenschaftliche Arbeit«. Eine neue Produk tionsweise sollte her, sprich der Übergang zu einer von der Wissenschaft geleiteten, mit industrieähnlichen Me-thoden betriebenen landwirtschaftlichen Erzeugung im großen Maßstab.

Widerstrebende BauernDie DDR-Politik zur Vergenossenschaf-tung befand sich in einem mehrfachen Dilemma: Erstens fehlten weitgehend die volkswirtschaftlichen Voraussetzun-gen für den generellen Übergang zur Großproduktion. Zweitens waren auch deshalb die Vorbehalte der Bauern gegen einen LPG-Eintritt hoch: Sie hatten täg-lich die volkswirtschaftlichen Engpässe bei Mineraldünger, Traktoren, Maschi-nen, Baumaterialien vor Augen. Es gab viele weitere Hemmnisse: keine fachlich gebildeten Leiter, keine erfahrenen Bau-ern, geringe Anreize zu eigenverantwort-licher produktiver Arbeit. Dazu kamen Mißwirtschaft und die Selbstbereiche-rung einzelner beispielsweise durch ille-gale Viehverkäufe – und nicht zuletzt der chronische Arbeitskräftemangel. Den LPG waren riesige Flächen aufgehalst worden. Dies war eine Folge der Enteig-nung von Großbauern und Junkern – und der Abwanderung etwa jedes zweiten Neubauern aus der Landwirtschaft.

Sozialistischer Frühling?Vor 50 Jahren wurde in der DDR Vollzug gemeldet: Die flächendeckende Zusammenführung der Bauern in Genossenschaften war abgeschlossen. Von Siegfried Kuntsche

Der Autor ist emeri-tierter Professor für Agrargeschichte. Sein Beitrag basiert auf ei-nem Vortrag, den er auf einer der Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg am 24. April in Kyritz gehalten hat.

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junge Welt Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 5l a n d & w i r t s c h a f tBemerkenswert ist in diesem Zusam-

menhang, mit welcher Klarheit ZK-Mit-glied Karl Mewis bereits im März 1960 widerstrebendes Verhalten und Schwie-rigkeiten benannte. Auf dem März-Ple-num der Partei führte er aus: »In vie-len Dörfern hat es Konflikte gegeben, die wir gar nicht richtig sahen, wo auf der einen Seite der Züchter oder der gute Landwirt erfolgreich individuell arbeitete, 20 000, 30 000, 40 000 Mark Überschuß im Jahr hatte, und auf der anderen Seite die LPG gezwungen war, sich auf kleinsten Flächen ohne Vieh mühselig durchs Leben zu quälen.« So-phia Krzykus, Mitbegründerin der CDU im mecklenburgischen Kreis Grimmen und engagierte Bäuerin, beschrieb das Dilemma der erfolgreichen Selbständi-gen: »Am meisten graut uns ja vor der Uneinigkeit und vor denen, die saufen, anstatt zu arbeiten.«

Drittens ist der gesamtdeutsche Rah-men in Rechnung zu stellen. In der Bundesrepublik hatte die Verfügbar-keit moderner Produktionsmittel einen steilen Aufstieg von Flächen- und Ar-beitsproduktivität bewirkt. Die »Grüne Woche« in Westberlin übte alljährlich eine faszinierende Anziehungskraft aus. Daß die Modernisierung vor allem zum Nutzen der größeren Höfe geschah und mit zunehmender Kreditbelastung ver-bunden war, übersahen viele DDR-Bür-ger. Das Verschwinden Zehntausender kleiner Bauernstellen wurde im Westen als marktwirtschaftlich bedingtes »Wan-dern des Bodens zum besseren Wirt« dargestellt. Manchem Bauern in der DDR schien der von der SPD propagier-te »Dritte Weg« zwischen Kapitalismus und Sozialismus plausibel. Auch die professionelle Negativberichterstattung der westlichen Radiostationen verfehlte nicht ihre Wirkung, vor allem die des Westberliner RIAS, der mittels eines ausgedehnten Informantennetzes aus vielen Ecken der DDR berichtete. Im März und April 1960 erschienen täglich in der führenden BRD-Zeitung Die Welt an hervorgehobener Stelle Nachrichten über die LPG-Kampagne.

Belagerungszustände1960 fand nur eine Minderheit von sich aus den Weg in die LPG, die meisten Bau-ern gaben fortgesetztem politisch-ideolo-gischem Druck nach. Die Bezeichnung »sozialistischer Frühling« war also ein Euphemismus. Die in der DDR-Volkskam-mer gebrauchte Wendung »Vollendung der Bauernbefreiung« dürften viele als blan-ken Hohn empfunden haben.

Gelang es nicht, Bauern von der Vor-teilhaftigkeit des genossenschaftlichen Weges zu überzeugen, so wurden sie von Agitatoren hart bedrängt – vielfach mit grobschlächtigen Argumenten. Einzelne Dörfer und Höfe wurden tagelang regel-recht belagert. Hartnäckig widerstreben-den Bauern wurde juristische Verfolgung angedroht. Es kam zu Gesetzesverletzun-gen, polizeilichen Übergriffen und Ver-haftungen. Als Folge des Psychoterrors erlitten Bauern Nervenzusammenbrüche. Es gibt auch – allerdings nicht verbürgte – Berichte, daß Landwirte ihrem Leben ein Ende setzten.

Für viele Vorgänge gibt es jedoch eindeu-tige Quellenzeugnisse. So berichtete der Sekretär des Rates des Kreises Glauchau, im Auftrag des SED-Kreissekretärs sei man in Brigaden eingesetzt gewesen, um 100 kleinere und 17 Großbauern für die LPG zu gewinnen. Dafür seien Funktionä-re und 85 Arbeiter aus Meeraner Industrie-betrieben in vier Gemeinden aktiv gewe-sen. Die Arbeiter waren für Wochen von der Arbeit freigestellt, um von sieben Uhr morgens bis zum späten Abend zu werben, jeweils zu zweit. Ein Diplomlandwirt und Mitarbeiter der SED-Bezirkleitung Leip-zig berichtete in einem 1985 publizierten Erinnerungsband, eine Familie sei 18mal

aufgesucht worden, bis der Bauer die Un-terschrift gab.

Sophia Krzykus schildert in dem bereits zitierten Brief an Angehörige die Ereignis-se in ihrem Dorf in Mecklenburg im März 1960: »Die Grimmener Polizei hat sich das Ziel gesetzt, die Schönenwalder zu übertölpeln – Verzeihung: zu überzeugen. Im ganzen Februar haben wir keine Ruhe mehr bekommen. Wenn sie sonntags mit 18 Mann ankommen, will das schon was heißen. (…)«

Kapitulation und FluchtIm Weißbuch der Bundesregierung von April 1960 sind Dutzende Berichte ge-flüchteter Bauern abgedruckt, die man nicht einfach beiseite schieben kann. Ein Beispiel: Richard Vorrath aus Paulinen aue im Kreis Nauen schreibt: »Einige Bauern und ich haben sich widersetzt. Nunmehr wurden unsere Namen einen ganzen Tag lang dauernd durch Lautsprecher verkün-det, und wir wurden zu Staatsfeinden er-klärt. (…) Um Ruhe zu haben, unterschrieb ich den Beitritt zur LPG.«

Eine umfassende historische Analyse der Vergenossenschaftlichung in der DDR fehlt bislang. Nur wenige Falluntersu-chungen und Mentalitätsanalysen liegen vor. Vermutlich verlief die Gewinnung zögernder Einzelnbauern nicht überall so konfliktgeladen wie in den zitierten Darstellungen. Das Wort »Zwangskollek-tivierung« jedenfalls beinhaltet eine unzu-

lässige Pauschalisierung. Es entstand als Kampfformel im Kalten Krieg. Aber auch die griffige Benennung »Kollektivierung« ist bedenklich, assoziiert sie doch Ähnlich-keiten zu dem gewaltsamen Prozeß in der Sowjetunion.

Nach Abschluß der Kollektivierung ver-ließen viele Bauern die DDR. Die BRD-Statistik weist aus, daß 1953 und 1960/61 besonders viele auswanderten. 1953 verlor die DDR 11 600 Personen aus dem Bau-ernstand. 1952 waren es noch unter 3 000 gewesen. In den 50er Jahren sank die Zahl der Republikfluchten von Landwirten – 1959 waren es weniger als 1 700. Demge-genüber waren es 1960 rund 5 600 und 1961 nochmals 4 300 Personen. Eine kon-krete Ursachenforschung ist derzeit nicht möglich, da die Akten aus dieser Zeit noch nicht zugänglich sind.

Gemessen an der Gesamtzahl der Ab-gewanderten und Flüchtigen war der An-teil der Bauern gering, was mit ihrer be-sonderen Verbundenheit mit ihrem Hof zusammenhängen dürfte. Zudem konnte, wer realistisch war, nicht damit rechnen, in der westdeutschen Landwirtschaft neu beginnen zu können.

Nach dem »sozialistischen Frühling« trat 1961/62 ein Rückschlag in der Markt-produktion ein. Zwar waren die Witte-rungsbedingungen damals in ganz Mittel-europa schlecht. Doch auch das forcierte Zusammenlegen von Flächen trug zu den schlechten Erträgen bei: Störungen in der Fruchtfolge konnten nicht ausbleiben. In

erster Linie erklärt sich der Rückschlag aber aus der mangelnden Identifikation der neuen Mitglieder mit der LPG. Erst 1963 zeigten sich Tendenzen einer Stabi-lisierung.

LangzeitwirkungenZehntausende fanden erst eine positive Einstellung zur LPG, als sie an deren Gestaltung teilhatten. Nach einer Konso-lidierungsphase setzte 1965 ein Produk-tionsanstieg ein. Dank der zugeführten Produktionsmittel, der Gestaltung eines neuen leistungsfördernden Preissystems für Agrarerzeugnisse, der Zuführung wissenschaftlich gebildeter Fach- und Hochschulabsolventen und wohl nicht zuletzt auch des zunehmenden Engage-ments war nun ein Wachstumstempo zu verzeichnen, das es vorher nie gegeben hatte und das auch danach nicht mehr er-reicht wurde. Entsprechend wuchsen die Familieneinkommen, wozu die individu-elle Nebenwirtschaft nicht unwesentlich beitrug.

Durch Bauernkongresse und die Wahl von Landwirtschaftsräten mit Beschluß-kompetenz fühlten sich LPG-Bauern in die Entscheidung von Agrarfragen einbezogen. In den Genossenschaften selbst erfuhren viele den Nutzen der ge-meinsamen Selbstbestimmung. An vie-len Stellen traten durch zunehmenden Maschineneinsatz Arbeitserleichterun-gen ein. Erstmals in ihrem Leben hatten Bauern und Bäuerinnen Urlaub und eine geregelte Arbeitszeit. Sie erlebten durch Kindergärten, Gemeinschaftsküchen, Dienstleistungseinrichtungen eine Ver-besserung ihrer Lage. Erfolgserlebnisse überlagerten nun die Schrecknisse von 1960. Ende der 60er Jahre wurden viele Postulate des Volkskammerbeschlusses vom 25. April 1960 zum Aufbau des Sozialismus auf dem Lande Realität. Nicht zuletzt gehörten Ausbeutungsver-hältnisse der Vergangenheit an. Es bil-deten sich leistungsfähige Großbetriebe heraus, die eine stabile Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gewähr-leisteten. Spricht man heute mit frühe-ren Genossenschaftsbauern, so sagen die meisten: Der genossenschaftliche Weg war richtig. Die positive Antwort verbindet sich aber zumeist mit einer Kritik an Mangelwirtschaft, an staatli-chem Dirigismus und dem Diktat von Parteileitungen, am Hineinzwängen in die LPG und an der administrativen betrieblichen Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion.

Ende der 1950er Jahre begann in der DDR die bis dahin größte Um-wälzung der ländlichen Strukturen. Unter dem Motto »Vom Ich zum Wir« wurde der Zusam-menschluß der Einzel-bauern – viele hatten sich ab 1945 mit Boden-reformland und in harter Arbeit eine Existenz auf-gebaut – propagiert und massiv vorangetrieben. Schon am 25. April 1960 verkündete der Staats-ratsvorsitzende Walter Ulbricht vor der Volks-kammer den offiziellen Abschluss der Gründung der LPGen. 400 000 Einzelbauern waren im Zuge der Kampagne den Genossenschaften beige-treten und hatten Land, Maschinen und Vieh ein-gebracht.

Am 25. April 2010 wurde im brandenburgischen Kyritz ein Denkmal für die »Opfer der Zwangs-kollektivierung« ent-hüllt. Der Bauernbund, der das Denkmal initiiert hatte, beklagte anschließend eine »Verklärung der SED-Diktatur« durch die Landesregierung von SPD und Linkspartei. Das Potsdamer Kabinett hatte keinen Vertreter zu dessen Einweihung entsandt.

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Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 junge Welt 6 l a n d & w i r t s c h a f t

Über das weltweite Bienen-sterben wird mittlerweile auf den Titelseiten der Zeitungen berichtet. An den vielfältigen

Gründen für die existentielle Bedrohung von Bienen und Imkern hat sich nichts geändert. Vor allem die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft, Monokulturen und der weitgehende Ver-zicht auf vielfältige Fruchtfolgen verur-sachen einen immer größeren Einsatz von Herbiziden, Insektiziden und Fun-giziden. Für Bienen sind diese Produk-te der Chemieindustrie oft tödlich. Ein trauriger Höhepunkt in Deutschland war das durch ein Beizmittel für Mais aus-gelöste Bienensterben am Oberrhein im Jahr 2008.

Ein weiteres Problem ist der fehlge-steuerte Boom bei nachwachsenden Roh-stoffen. Denn dadurch kommen Stille-gungsflächen wieder unter den Pflug, die damit als Rückzugsraum und Weide für Bienen und andere Insekten ausfallen. Zugleich wird der Pflanzenanbau bei-spielsweise zur Energiegewinnung zum Einfallstor für die Gentechnik, da man weniger Widerstand von seiten der Ver-braucher erwartet.

Für Ökosysteme und Landwirtschaft sind Bienen von großer Bedeutung: 35 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel-produktion hängen nach Angaben der Er-nährungsorganisation der Vereinten Na-tionen (FAO) von Bestäubern ab. Imker werden für diese Leistung in Mitteleuro-pa nur in Ausnahmefällen entlohnt.

Mindestens 30 Quadratkilometer be-weidet ein Bienenvolk. Alles, was in sei-nem Flugkreis passiert, hat Einfluß auf Vitalität und Gesundheit der Bienen, Menge und Qualität der erzeugten Pro-dukte und damit auf die Wirtschaftlich-keit der Imkerei. Die Entscheidungen der Landwirte, unter starken Vorgaben der Agrarpolitik getroffen, verändern unsere Kulturlandschaft dramatisch – und damit auch viele Faktoren, die über die Zukunft der Bienenhaltung entscheiden.

6 000mal giftiger als DDTAuf dem Weltkongreß der Imker im Sep-tember 2009 in Montpellier fand erst-mals ein freierer Informationsaustausch zur Pestizidproblematik statt. Der aus-richtende französische Imkerverband hatte nach schlechten Erfahrungen dafür gesorgt, daß die »Apimondia« erstmals seit langer Zeit ohne die Bayer AG als Sponsor und Aussteller veranstaltet wur-de. Auf dem Kongreß stellte Jean-Marie Bonmatin vom staatlichen französischen Forschungslabor CNRS eine Arbeit vor, bei der die Bienentoxizität verschiede-

ner Pflanzenschutzmittel relativ zu DDT verglichen wurde. Er konnte zeigen, daß die Wirkstoffe aus der Gruppe der Neo-nikotinoide Clothianidin und Imidaclo-prid 6 000- bis 7 000mal toxischer sind als DDT. Von beiden Wirkstoffen wur-den 2008 allein in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 25 und 100 Tonnen abgesetzt1. Der Anwendungsbereich von Clothianidin beschränkt sich nicht nur auf Mais- und Rapssaatgut. Auch zahlreiche Getreidesorten und Zuckerrüben werden standardmäßig damit gebeizt. Imidaclo-prid wird in mehr als 100 Ländern und in mehr als 65 verschiedenen Kulturen eingesetzt2.

Auf der »Apimondia« berichteten auch kanadische Wissenschaftler über Zusam-menhänge zwischen dem Bienensterben und der Verbreitung von Pestiziden. Das Team um Professor Madeleine Chagnon von der Universität Montreal etwa hatte die Bienengesundheit im Maisanbau im Bundesstaat Quebec untersucht3. Cha-gnon verglich Völkerverluste und das Vorhandensein von Krankheitserregern in drei Agrarlandschaften: Bio-Maisanbau, konventioneller Maisanbau mit geringer Intensität und intensiver konventioneller Maisanbau. In allen untersuchten Völ-kern stieg die Zahl der Viren und ande-rer Krankheitserreger mit der Nähe zum konventionellen Maisanbau erheblich an. Eine mögliche Ursache für dieses Phä-nomen scheint die Tatsache zu sein, daß es bei Bienen nicht nur ein individuelles Abwehrsystem gibt: Sie haben als Super-organismus ein »soziales Immunsystem«, das über bestimmte Verhaltensmuster funktioniert, die wiederum von einem funktionierenden zentralen Nervensy-stem abhängen. Es könnte also zu den nicht tödlichen Effekten von Pestiziden gehören, daß dieses soziale System ge-stört wird.

In den letzten Jahren wurden auch die-se subletalen Effekte vielfältig untersucht, beispielsweise in einem Forschungspro-jekt zur Qualität der Informationsübertra-gung beim sogenannten Schwänzeltanz unter dem Einfluß von Neonikotinoiden4. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, daß der Informationsaustausch über Trachtquellen immer schlechter wurde, wenn diese Nervengifte im Spiel waren. Ein Volk, dessen Flugbienen aufgrund

falscher »Auskünfte« herumirren, wird sich sicher nicht optimal entwickeln kön-nen. Schließlich ist auch im menschlichen Leben mit Überraschungen zu rechnen, wenn man einen volltrunkenen Zeitge-nossen nach dem Weg fragt.

Darüber hinaus scheinen bestimmte Viren ihre Entstehung möglicherweise sogar einer Destabilisierung des Genoms der Bienen durch Pestizide zu verdanken. Diese Vermutung äußerte Eyal Maori von der Hebrew University in Jerusalem auf der »Apimondia«. Er konnte zeigen, daß IAP-Viren (Israeli acute paralysis virus) genetisches Material des Wirts, also der Biene, enthalten5.

Verheerend: BeizmittelVerursacher der verheerenden Schäden in Baden und Bayern im Jahr 2008 war das von Bayer CropScience produzier-te Insektizid Clothianidin. Die durch die Maisbeizung ausgelösten Schäden wur-den seinerzeit als nicht vorhersehbarer »Unfall« deklariert. Tatsächlich aber war der Zusammenhang lange vorher bekannt, denn das Problem war bereits im Jahr 2000 in Italien aufgetreten und von der Universität Udine und von Bayer Crop Science erforscht worden – ohne daß Imker oder Landwirte informiert wurden oder daß es gar zu Konsequenzen in der Zulassung geführt hatte.

Inzwischen wurde in einigen Ländern ein Zulassungsstopp für dieses Insektizid erreicht. Dennoch wird die Diskussion weiterhin gezielt auf Staubentwicklung und Abrieb verengt und so die Maschi-nentechnik beim Ausbringen des Saatgu-tes als »Hauptverursacher« des Bienen-sterbens dargestellt. Dabei ist bis heute nicht untersucht, ob sich das Gift im Bo-den anreichert und dann in Folgekulturen zum Problem wird. Ebensowenig ist ge-klärt, inwieweit Neonicotinoide infolge ihrer hervorragenden Wasserlöslichkeit von Bienen, die als Wasserholerinnen tä-tig sind, in den Bienenstock transportiert werden. Zudem können die Gifte über Pflanzensaftausscheidungen ( Guttation) in den Körper der Bienen kommen: Vincenzo Girolami von der Universität Udine (Italien) und Klaus Wallner vom Bieneninstitut der Uni Hohenheim haben im Guttationswasser von Pflanzen Beiz-

mittelkonzentrationen gemessen, die für Bienen und viele andere Nichtzielorga-nismen hochtoxisch sind6.

Diese und andere aktuelle Untersu-chungen zeigen, daß die vor einer Zulas-sung von Beizmitteln vorgeschriebenen Testverfahren vollkommen unzureichend sind. Die Imkerverbände fordern deshalb ein vollständiges Verbot dieser Substan-zen. Denn Grundlage der Zulassung von Clothianidin als Beizmittel war die An-nahme, daß der gesamte ausgebrachte Wirkstoff mit dem Saatgut in den Boden kommt, dort weitgehend bleibt und damit für Bienen keine Gefahr sei.

Manipulierter PollenImker gehören zu den entschiedensten Gegnern der Agrogentechnik, denn sie haben bei deren Verbreitung unabsehbare Folgen zu tragen. So belegten Untersu-chungen des Molekularbiologen Hannes Kaatz von der Universität Halle-Witten-berg, daß Bienen, die an einem überall vorkommenden pilzähnlichen Parasiten erkrankt waren, bei der Fütterung mit Genmaispollen eine signifikant schlech-tere Konstitution aufwiesen als jene, die mit konventionellem Maispollen gefüttert wurden. Kaatz sieht Bedarf, der Sache weiter auf den Grund zu gehen – doch dafür stehen keine Forschungsgelder zur Verfügung.

Wenn im weiteren Umfeld einer Im-kerei genmanipulierte Kulturen ange-baut werden, tragen Bienen Pollen von solchen Feldern in den Honig ein. Dies bringt die Imker von zwei Seiten in Be-drängnis. Zum einen, weil 80 Prozent der Verbraucher gentechnisch veränderte Bestandteile in der Nahrung ablehnen. Zum anderen, weil solche Honige oder auch Blütenpollen die Verkehrsfähigkeit verlieren können und teuer entsorgt wer-den müssen, etwa, wenn Gentechnikkon-strukte hineingelangt sind, die aus dem Versuchsanbau stammen oder in der EU nicht zugelassen sind.

Ein Verstoß gegen die Meldepflicht von mit Genpflanzen kultivierten Flächen ist derzeit nicht einmal strafbewehrt. Im-ker müssen auf gerichtlichem Wege die Klärung von Fragen erzwingen, denen der Gesetzgeber bislang aus dem Wege geht – im Interesse der Agrarindustrie.

Kollateralschaden BienensterbenImker existenziell bedroht. Zunehmender Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und monotone Fruchtfolgen wesentliche Ursachen. Gentechnik verschärft Probleme. Von Walter Haefeker

Der Autor ist Imker in Bayern, Präsident des Europäischen Berufsim-kerbundes (EPBA) und Vorstandsmitglied im Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund (www.berufsimker.de)

Eine ausführlichere Fassung dieses Beitrags erschien im Kritischen Agrarbericht 2010: http://www.kritischer-agrar-bericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2010/Haefeker.pdf

Die Printausgabe des Berichts (19,80 Euro zzgl. Porto) kann beim AbL-Verlag (Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm, Tel. 0 23 81/49 22 88, [email protected]) be-stellt werden

Anmerkungen

1 Bundesamt für Verbraucher-schutz und Lebensmittelsi-cherheit (2009): Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse der Meldungen gemäß § 19 Pflanzenschutzge-setz für das Jahr 2008

2 Bayer AG: Pressemitteilung vom 28. Oktober 2009

3 M. Chagnon, M. Boily and G. Beaunoyer (2009): Impacts of pesticides used in Quebec (Canada) corn fields on honeybee colonies. Vortrag auf der »Apimondia« 2009 in Montpellier, Frankreich

4 E.C.Yang et al. (2008): Ab-normal Foraging Behavior Induced by Sublethal Dosage of Imidacloprid in the Honey Bee (Hymenoptera: Apidae). In: Journal of Economic Ento-mology 101 (6), S. 1743–1748

5 E. Maori et al. (2009): Israeli acute paralysis virus (IAPV): Turning reciprocal host-virus dynamics into an applicative. In: Insect Molecular Biology, Vol. 18 (1), S. 55–60

6 V. Girolami et al. (2009): Translocation of Neoni-cotinoid Insecticides From Coated Seeds to Seedling Guttation Drops: A Novel Way of Intoxication for Bees. In: Entomological Society of America, Vol. 102 (5), S. 1808–1815

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junge Welt Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 7l a n d & w i r t s c h a f t

Kubas Landwirtschaft befindet sich in einer wichtigen Phase, auch wegen der Schlüsselpo-sition, die ihr im Rahmen der

weiteren gesellschaftlichen Entwicklung beigemessen wird. Staatspräsident Raul Castro sprach von einer »Frage der na-tionalen Sicherheit«. Angesichts der rund 1,5 Milliarden US-Dollar, die derzeit noch jährlich für Lebensmittelimporte ausgege-ben werden müssen, überrascht es nicht, daß dem Ziel der Ernährungssouveränität so hohe Priorität eingeräumt wird. Und Kuba hat günstige Voraussetzungen, um dieses Ziel zu erreichen – trotz wetterbe-dingter Ernteverluste (im Jahr 2008 wur-de zum Beispiel ein Drittel der gesamten Ernte durch Hurrikans vernichtet). Denn das Land verfügt über optimale natürli-che Rahmenbedingungen und die nötige Infrastruktur für schnelle Wissensvermitt-lung. Daß dies mit einer umweltverträg-lichen und damit wirklich nachhaltigen Produktionsweise möglich ist, haben die über 200 000 kleinbäuerlichen Famili-enbetriebe unter Beweis gestellt, die auf inzwischen 41 Prozent der Ackerfläche be-reits 70 Prozent des landwirtschaftlichen Bruttoinlandsprodukts erzeugen. Rund die Hälfte von ihnen betreibt Biolandbau.

Diese »Revolution der Nachhaltigkeit« wird von progressiven Agrarwissenschaft-lern bewundert und fand im Mai bei der diesjährigen Verleihung des als »Grüner Nobelpreis« betrachteten Goldman Envi-ronmental Prize an Humberto Rios La-brada internationale Anerkennung. Auch wenn Rios, Koordinator für Lokale Land-wirtschaftliche Innovation am Nationalen Institut der Landwirtschaftswissenschaf-ten, zu bedenken gibt, daß Kubas land-wirtschaftliches System »noch immer auf industriellen Prinzipien basiert«, kann er sich nicht vorstellen, daß man in nennens-wertem Umfang zur Nutzung von Agro-chemie zurückkehren wird, die die kubani-sche Landwirtschaft in den 1980er Jahren beherrschten – schon aus Kostengründen.

Die Gefahr für eine nachhaltige Land-wirtschaft in Kuba kommt aus einer ande-ren Ecke. Einerseits hat sich die kubani-sche Biotechnologie in den vergangenen Jahrzehnten große Verdienste sowohl bei der Versorgung der Bevölkerung mit Arz-neimitteln als auch bei der Unterstützung biologischer Anbaumethoden in der Land-wirtschaft erworben, letzteres insbesonde-re durch die Praxiseinführung stickstoff-bindender Bodenmikroben als biologische Düngemethode (z. B. Azospirillium rhizo-bium) und durch die Produktion von Bio-

pestiziden in den landesweit 220 Centros de la Reproducción de los Entomofages y Entomopatógenos (Zentren zur Vermeh-rung von Insektenfressern und Lebewesen, die bei Insekten Krankheiten verursachen). Andererseits verfügt das Flaggschiff der kubanischen Biotechnologie, das renom-mierte Zentrum für Gentechnik und Bio-technologie (CIBG) in Havanna, über ei-ne Abteilung für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, die verstärkt von sich reden macht. In diesem Jahr wurde auf ihr Be-treiben erstmals auf 2 600 Hektar in der Provinz Sancti Spíritus Genmais angebaut. Carlos Borroto, stellvertretender Direktor des CIBG und wohl einer der einflußreich-sten Gentechnikbefürworter in Kuba, ver-kündete vor einiger Zeit, es sei politischer Wille, die Grüne Gentechnik zu nutzen.

Die seit kurzem entbrannte Diskussi-on zu diesem Thema ist zumindest da-durch gekennzeichnet, daß Befürworter und Gegner der Gentechnik noch ernsthaft miteinander reden. Immerhin würdigte Borroto auf der diesjährigen Buchmesse in Havanna in einem überfüllten Saal das dort vorgestellte erste in Kuba erschienene gentechnikkritische Buch einen wichtigen Beitrag zur Debatte. Und auf einen Bei-trag in der Online-Zeitschrift Rebelión ant-

wortete er ausführlich. Narciso Aguilera Marín, Mitglied der Asociación Cubana de Técnicos Agrícolas y Forestales (ACTAF), hatte in Rebelión am 16. Mai unter dem Titel »Ökologischer Alarm gegen die Ver-breitung von transgenem Mais in Kuba« vor den Risiken der Gentechnik gewarnt. Aber Borrotos Argumentation ähnelt den stereotypen Antworten der Agrarkonzer-ne: Die Technologie sei sicher, alles werde strengstens kontrolliert, und Gentechnik sei zur Ertragssteigerung dringend nötig. Der einzig neue – und sicher zutreffende Hinweis des CIBG-Direktors ist der, daß in Kuba keine Profitinteressen hinter der Gentechnik stünden.

Die Frage ist, ob nicht auch wissen-schaftlicher Ehrgeiz ausreichen könnte, um allen verfügbaren persönlichen Einfluß geltend zu machen, um begründete Beden-ken gegen die Risikotechnologie zu unter-drücken. Die unkontrollierte Ausbreitung von Genmaispollen dürfte in Kuba kaum leichter zu verhindern sein als anderswo. Gleichermaßen unklar ist, welchen Beitrag die gentechnische Veränderung einzelner Merkmale (zum Beispiel die Resistenz ge-gen den Maisschädling Palomilla) tatsäch-lich für die Ernährungssouveränität leisten könnte, und ob eine Vielfalt lokal angepaß-ter Sorten nicht besser geeignet wäre, ins-besondere auch von Witterungsunbilden verursachte Schäden zu begrenzen. Denn eine weitere Gefahr der Nutzung gentech-nischer Sorten, ist die damit verbundene Verringerung der Artenvielfalt.

Unabhängig davon macht jedoch die Transformation der industriell geprägten Landwirtschaft Kubas in eine, die von hoch produktiven, nachhaltig wirtschaften-den bäuerlichen Betrieben bestimmt wird, Fortschritte. Denn auch für diese Entwick-lung existiert der politische Wille. Kuba verfügt über erhebliche Flächenreserven, deren landwirtschaftliche Nutzung durch das 2008 erlassene Gesetz Nr. 259 erleich-tert wird. Mit diesem Gesetz ermöglichte die kubanische Regierung Familien, die in die Landwirtschaft wechseln wollen, die Bewirtschaftung von bis zu 13,42 Hektar Land. Inzwischen sind nach Angaben des kubanischen Wirtschaftsministers Marino Murillo 920 000 Hektar Land zur Bewirt-schaftung übergeben worden.

Aber rund die Hälfte dieser Fläche wird derzeit nicht oder nur ungenügend genutzt.

Hier gilt das Gleiche wie bei anderen Bo-denreformprojekten: Die Übertragung von Landnutzungsrechten ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für landwirtschaftliche Produktion. Denn die Landwirte brauchen über das Produktions-mittel Boden hinaus Landtechnik, Geräte, Materialien, Transport- und Lagermög-lichkeiten. Entsprechend kritisch waren die Stimmen auf dem 10. Kongreß des Na-tionalen Kleinbauernverbandes (ANAP), der am 15. und 16. Mai 2010 in Havanna stattfand, aber auch auf einem Koopera-tiventreffen am 5. Juni 2010. In der digi-talen Ausgabe von Juventud Rebelde, der Zeitung des kommunistischen Jugendver-bandes, wird am 8. Juni Yuniel Gonzalez, ein junger Bauer, zitiert. Er kritisierte die bürokratischen Hürden bei der Beschaf-fung von Material und Gerätschaften in deutlichen Worten. Unterdessen kündigte Wirtschaftsminister Murillo an, daß die Landwirte in der Mehrzahl der 169 Land-kreise Kubas die Möglichkeit bekommen sollen, ihren Bedarf durch direkten Einkauf zu decken. Bislang sind aufwendige An-trags- und Genehmigungsverfahren nötig. Generell ist die Beseitigung bürokratischer Hürden im Bemühen, die landwirtschaft-liche Produktion durch die Förderung von Initiative und Verantwortung anzukurbeln, ein probates Mittel. Bleibt zu hoffen, daß mit diesen Maßnahmen nicht eine schlei-chende allgemeine Privatisierung der Wirt-schaft eingeleitet wird.

Der Autor ist promo-vierter Agrarwissen-schaftler (siehe auch Seite 3)

Zur Landwirtschaft in Kuba siehe auch Beitrag des Autors in jW vom 5. Mai, Seite 3

Revolution der NachhaltigkeitIn Kubas Landwirtschaft ist derzeit viel in Bewegung. Ökolandbau auf dem Vormarsch. Von Peter Clausing

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Mittwoch, 4. August 2010, Nr. 179 junge Welt 8 l a n d & w i r t s c h a f t

Der Leiter der »Grünen Wo-che«, Diplomlandwirt Hans-Jürgen Petersen, hat Anfang der 90er Jahre begonnen,

»Agrarkrimis« zu schreiben. Er fiktio-nalisierte darin (Vor-)Fälle bei der Pri-vatisierung der ostdeutschen Landwirt-schaft. Inzwischen ist der im ländlichen und bäuerlichen Milieu angesiedelte Kri-minalroman ein beliebtes Subgenre des »Regionalkrimis«. Im neuen »Deutsch-land der Regionen« (und der Standort-konkurrenz) wirbt bald jedes Gebiet mit Ge-schichten dieser Art. Al-lein im Kehdinger Land an der Elbmündung leben heute 20 Krimiautoren. Einer ist der Biobauer Thomas B. Morgenstern. Aus seinem Buch »Tod eines Milchbauern« ist wirklich viel über das bäuerliche Wirtschaf-ten in einer Marsch- und Moorgegend zu erfahren. Morgensterns Ermittler ist ein Milchkontrolleur, den er bereits mit seinem ersten Krimi »Der Milch-kontrolleur« eingeführt hatte.

Von Milchwirtschafts-problemen handelt auch »Mord im Bergwald« von der Reisejournalistin und Krimiautorin Nicola Förg: Es geht um Bauern, die wegen des Preisver-falls ihre Molkerei boy-kottieren. Alle machen mit – bis auf einen moder-nen Projektemacher, der, von der Erfolglosigkeit kollektiven Widerstands überzeugt, den anderen als Streikbrecher gilt – und ermordet wird. Mit den Ermitt-lungen ist eine Kommissarin betraut, die aus dem Dorf stammt. Und während ihr Bruder auf Seiten der Streikenden steht, muß sie gegen die Leute ermitteln. Dabei stoßen zwei Logiken aufeinander: eine dörfliche Beziehungs- und eine städtische Staatslogik.

Bei »Das Geheimnis von Vennhues« von Stefan Holtkötter, dessen Handlung in einem Münsterländer Moordorf nahe der holländischen Grenze angesiedelt ist, könnte man auch von zwei Wertesystemen sprechen, die im Dorf kollidieren, als ein Polizist aus der Stadt dort ermittelt. Seine Eltern leben in dem (Tat-)Ort. Sie und auch die anderen Dörfler versteifen sich darauf, daß der Mörder nicht aus ihrer Ge-meinschaft kommt, sondern von draußen. Und der Kommissar merkt bei seinen Be-fragungen, daß man nicht innerhalb und außerhalb zugleich sein kann. In seinem neuesten Moordorfkrimi »Bauernjagd« thematisiert der Autor »die Folgen des um sich greifenden Höfesterbens« – ak-tuell wegen der fallenden Milchpreise, was im Münsterland u. a. um ihr Erbe betrogene Bauern und zerfallende Dorf-gemeinschaften hinterläßt.

Kürzlich zeigte die ARD einen Film von Gunter Scholz: »Der Fall Harry Wörz« – kein Krimi, sondern eine Dokumentation,

obwohl es darin um einen Beinahe-Mord ging – an einer in einem süddeutschen Dorf lebenden Polizistin. Sie ist heute ein Pflegefall. Der von ihr getrennt im Ort lebende Ehemann, ein Installateur, wurde 1998 als Täter zu 11 Jahren Haft verurteilt. Nach zwei Wiederaufnahmeverfahren ließ man ihn jedoch 2001 wieder frei, 2009 wurde er freigesprochen. Nun fällt der Verdacht auf den verheirateten Vorge-setzten der Polizistin, die zur Tatzeit ein Verhältnis mit ihm hatte. Das Besondere

an diesem Fall ist das Dorf: Nahezu alle seine Bewohner standen hinter Wörz und hielten ihn für unschuldig – von Anfang an. Hier kam wahrscheinlich wirklich der Täter von außen.

Nicht so in »Todesmuster« von Norbert Horst, dessen Kommissar Kirchenberg Blutspuren in einer stillgelegten Mine na-he eines Dorfes in Nordrhein-Westfalen nachgehen soll. Von der Leserschaft wird an Horsts Romanen der nüchtern-unpa-thetische, authentische Stil geschätzt, was offenbar einiges damit zu tun hat, daß der Autor im Hauptberuf selbst Kriminal-hauptkommissar ist.

2007 bekam »Tannöd«, der histo-rische Dorfkrimi von Andrea Maria Schenkel, gleich mehrere Literaturprei-se. Er handelt von der Ermordung der Bewohner eines bayrischen Einödhofes, die sich isoliert hatten, aber auch isoliert wurden im Dorf – bis dahin, daß einer aus der Dorfgemeinschaft dazu getrie-ben wurde, sie zu töten. Der Geschichte liegt ein authentischer Fall zugrunde. Die Autorin erklärte in einem Interview: »Ich wollte dafür keinen Erzähler, kei-nen Detektiv haben. Ich wollte die Leute aus dem Dorf die Geschichte selber er-zählen lassen.«

Auffallend ist, daß es offenbar viele Frauen gibt, die irgendwann von der Stadt aufs Land gezogen sind – und dort nun

Regional- oder Dorfkrimis schreiben. Ge-nannt sei die Kölner Reiseverkehrskauf-frau Cäcilia Balandat, die an der Elbe im Obstanbaugebiet »Altes Land« bei Ham-burg lebt, wo auch ihre Romane spielen. Für ihren letzten – »Verratenes Dorf« – machte sie aus dem realen Widerstand der dortigen Obstbauern gegen die Ent-eignung ihrer Ländereien durch das nahe EADS-Airbus-Werk einen »Agrarkrimi«. In »Tatort Altes Land« dagegen dringt sie in die Szene der Erntehelfer aus Po-

len und der Türkei ein. Im Mittelpunkt stehen jedoch erneut die Obstbauern; die Konfliktlinie verläuft zwi-schen denen, die Saisonar-beiter legal beschäftigen, und den anderen, die sie schwarz arbeiten lassen.

Von diesem ländlichen Proletariat handelt auch eine in der Kölner Börde spielen-de Geschichte: »Der Erd-beerpflücker« von Monika Feth. Die Journalistin kon-zentrierte sich darin jedoch auf eine »Mädchen-WG«. Von den Erntehelfern ist für sie und ihre drei Hauptfi-guren nur einer interessant (aber gefährlich) – deren Mörder.

Das ist bei dem im Keh-dinger Land lebenden Re-gionalkrimiautor Wilfried Eggers ganz anders: In seinem Roman: »Paragraf 301« verschlägt es einen von Scheidungsklagen ge-langweilten Rechtsanwalt nach Anatolien, als ihn ein mit ihm befreundeter alevi-tischer Agrarbetriebshelfer bittet, sich für einen anderen

von Auslieferung in die Türkei bedrohten Bekannten zu verwenden. Auf den Hö-fen zwischen Elbe und Weser arbeiten mittlerweile viele ehemalige Industrie-»Gastarbeiter«: legal und illegal, auf Dau-er und saisonal. Beim Paragraphen 301« handelt es sich um ein türkisches Gesetz, das Beleidigung des »Türkentums« unter Strafe stellt. Der Autor ist selbst Rechts-anwalt, und die junge Welt nannte das Buch einen »großen Wurf«. Bei einem weiteren Roman von Eggers spricht sein Verlag von einem »Bauernkrimi«. Auch in diesem – »Die Tote, der Bauer, sein An-walt und andere« – stößt man auf gründli-che Milieustudien.

Dies ist nur eine kleine Auswahl von Agrar- und Dorfkrimis. Das Dorf ist bedroht, es bietet immer weniger Ein-heimischen eine Existenzgrundlage. In manchen Regionen kommt auf drei Dör-fer nur noch ein Bauer. In den Romanen sind Morde häufig Ausdruck der Gefähr-dung dieses Soziotops. In einem Blog-Eintrag schreibt Reinhard Jahn über den Regionalkrimi, in ihm sei die »Heimat (...) Handlungsraum für eine Kriminal-geschichte, in der es gemäß der Gat-tungsgesetze um die Aufklärung eines Verbrechens geht, so daß die bestehende Ordnung wieder hergestellt wird«. Die-ses Happy-End, das ist der utopische Gehalt dieser Erzählungen.

»Durcheinander ist gesund«Mord statt Idylle. Agrar- und Dorfkrimis haben Hochkonjunktur. Geschrieben werden sie von Bauern, Juristen, Kriminalisten, Exstädterinnen. Wirtschaftsthriller sind ebenso dabei wie Milieustudien. Von Helmut Höge

Literatur (Auswahl):

Thomas B. Morgenstern: Tod eines Milchbauern. Piper Verlag, München 2010, 268 S., 8,95 EuroNicola Förg: Mord im Bergwald, Piper Verlag, München 2010, 219 S., 8,95 Euro

Stefan Holtkötter: Bauernjagd. Ein Mün-sterlandkrimi, Piper Ver-lag, München 2010, 284 S., 9,95 Euro

Cäcilia Balandat: Ver-ratenes Land. MCE-Ver-lag, Drochtersen 2010, 315 S., 11,90 Euro

Wilfried Eggers: Para-graf 301, grafit-Verlag, Dortmund 2008, 475 Sei-ten, 19,90 Euro (Rezensi-on in jW vom 19.11.2009: http://www.jungewelt.de/2009/11-19/055.php – nur mit Onlineabo)

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