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Selektivität und Backup-Schutz in Niederspannungsnetzen Definition der Selektivität: Zusammenarbeit in Reihe liegender Schaltgeräte (Leistungsschalter, Sicherungen) zum gestaffelten Abschalten. Es muss das der Kurzschlussstelle am nächsten liegende, vorgeordnete Schaltgerät abschalten. Die anderen im Leitungszug liegenden Schaltgeräte bleiben eingeschaltet. Selektivität begrenzt die Auswirkungen eines Fehlers räumlich und zeitlich auf ein Mindestmaß. Der Nachweis der Selektivität ist in den Normen IEC 60364-7-710 bzw. DIN VDE 100-710 und -718 gefordert. Bei zwei in Reihe geschalteten Schutz- geräten besteht volle Selektivität, wenn im Fehlerfall nur das unmittelbar vor dem Fehlerfall befindliche Schutzgerät abschaltet. Zwei Arten von Selektivität werden unterschieden: Teilselektivität lt. IEC 60947-2, VDE 660-101: Überstromselektivität von zwei Überstromschutzeinrichtungen in Reihe, wobei bis zu einem gegebe- nen Überstromwert die Schutzeinrichtung auf der Lastseite den Schutz übernimmt, ohne dass die andere Schutzeinrichtung wirksam wird. Volle Selektivität lt. IEC 60947-2, VDE 660-101: Überstromselektivität von zwei Überstromschutzeinrichtungen in Reihe, wobei die Schutzeinrichtung auf der Lastseite den Schutz übernimmt, ohne dass die andere Schutzeinrichtung wirksam wird. Selektivit ätsar t en Stromselektivität Selektives Abschalten durch Staffelung der unverzögerten Kurzschlussschnellauslöser I i -Leistungsschalter mit I i -Charakteristik. Zeitselektivität Staffelung der einstellbaren Auslösezeiten (t sd im S-Teil) der Kurzschlussauslöser. Dies gilt für Standard- als auch für optionale Kennlinien. Leistungsschalter mit LSI-Charakteristik: Einsatz häufig in Hauptverteilungen und Übergängen mit Geräten unterschiedlicher Hersteller notwendig. Dynamische / Energie-Selektivität: Selektivität basierend auf der Betrachtung der Durchlassenergie des nach- geordneten Geräts und der Auslöseenergie des vorgeordneten Schutzorgans. Selektivit ätsbes timmung Nach IEC 60947-2, Anhang A und VDE 660-101 ist die Bestimmung bzw. der Nachweis der gewünschten Selektivitätsart in zwei Zeitbereiche aufgeteilt. 15 – 1 15 – Selektivität und Backup-Schutz Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

Kap 15 Selektivitaet Und Backup Schutz V23 END V2

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  • Selektivitt und Backup-Schutz in Niederspannungsnetzen

    Definition der Selektivitt:Zusammenarbeit in Reihe liegender Schaltgerte (Leistungsschalter,Sicherungen) zum gestaffelten Abschalten. Es muss das der Kurzschlussstelleam nchsten liegende, vorgeordnete Schaltgert abschalten. Die anderen imLeitungszug liegenden Schaltgerte bleiben eingeschaltet. Selektivittbegrenzt die Auswirkungen eines Fehlers rumlich und zeitlich auf einMindestma.

    Der Nachweis der Selektivitt ist in den Normen IEC 60364-7-710 bzw. DINVDE 100-710 und -718 gefordert. Bei zwei in Reihe geschalteten Schutz-gerten besteht volle Selektivitt, wenn im Fehlerfall nur das unmittelbar vordem Fehlerfall befindliche Schutzgert abschaltet.Zwei Arten von Selektivitt werden unterschieden: Teilselektivitt lt. IEC 60947-2, VDE 660-101: berstromselektivitt von

    zwei berstromschutzeinrichtungen in Reihe, wobei bis zu einem gegebe-nen berstromwert die Schutzeinrichtung auf der Lastseite den Schutzbernimmt, ohne dass die andere Schutzeinrichtung wirksam wird.

    Volle Selektivitt lt. IEC 60947-2, VDE 660-101: berstromselektivitt vonzwei berstromschutzeinrichtungen in Reihe, wobei die Schutzeinrichtungauf der Lastseite den Schutz bernimmt, ohne dass die andereSchutzeinrichtung wirksam wird.

    Selektivittsarten Stromselektivitt

    Selektives Abschalten durch Staffelung der unverzgertenKurzschlussschnellauslser Ii-Leistungsschalter mit Ii-Charakteristik.

    ZeitselektivittStaffelung der einstellbaren Auslsezeiten (tsd im S-Teil) derKurzschlussauslser. Dies gilt fr Standard- als auch fr optionaleKennlinien.Leistungsschalter mit LSI-Charakteristik: Einsatz hufig inHauptverteilungen und bergngen mit Gerten unterschiedlicherHersteller notwendig.

    Dynamische / Energie-Selektivitt:Selektivitt basierend auf der Betrachtung der Durchlassenergie des nach-geordneten Gerts und der Auslseenergie des vorgeordnetenSchutzorgans.

    SelektivittsbestimmungNach IEC 60947-2, Anhang A und VDE 660-101 ist die Bestimmung bzw. derNachweis der gewnschten Selektivittsart in zwei Zeitbereiche aufgeteilt.

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    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

  • Zeitbereich 100 ms:Der Zeitbereich 100 ms kann durch Kennlinienvergleich im L- bzw- S-Bereicherfolgen. Unter Beachtung der Toleranzen, erforderlichen Schutzeinstellungen,Darstellung im gleichen Mastab etc.Zeitbereich < 100 ms:In der Norm ist die Selektivitt in diesem Bereich durch Prfung nachzuweisen.Da der Zeit- und Kostenaufwand sehr hoch ist, wenn unterschiedliche Gertein Energieverteilungen eingesetzt werden, sind die Selektivittsgrenzwertemeist nur von namhaften Gerteherstellern verfgbar. Daher werden in derPraxis hufig die jeweiligen Durchlassstrme mit den Ansprechstrmen bzw.die Durchlassenergien der Schutzgerte verglichen. Dies setzt natrlich voraus,dass die Werte der Gertehersteller vorliegen und entsprechend exakt betrach-tet werden.

    KennlinienvergleichFr den Kennlinienvergleich stehen drei Diagrammarten zur Verfgung: Zeit-Strom-Diagramm Durchlasstrom-Diagramm Durchlassenergie-Diagramm

    Traditionell werden wegen der Betrachtung ber mehrere Grenordnungenhinweg die Kennlinien und deren Vergleich blicherweise auf doppelt logarith-mischem Papier durchgefhrt. Alle Kennlinien wenn nicht bereits vomHersteller vorgegeben mssen fr eine sichere Selektivittsbestimmung miteinem Toleranzband versehen werden.Bei Schaltgerten sind nach IEC 60947-2 / VDE 0660-101 fr den unverzger-ten berstromauslser 20 % Toleranz zu bercksichtigen.Fr den elektromechanischen berlastauslser sind die teilweise erheblichreduzierten Ansprechzeiten bei betriebswarmem Zustand in Rechnung zu stel-len.

    SelektivittsgrenzwertbestimmungGrundstzlich knnen alle Selektivittsgrenzwerte zwischen zweiSchutzgerten durch Messungen bzw. Tests ermittelt werden. Insbesonderebei der Beurteilung im Kurzschlussfall sind solche Messungen aufgrund derschnellen Schaltvorgnge bei der Verwendung strombegrenzenderSchutzgerte nahezu unumgnglich. Diese Messungen knnen jedoch einenbetrchtlichen Aufwand verursachen, weshalb viele Hersteller entsprechendeSelektivittstabellen ihrer Schaltgerte verffentlichen.

    TIPP:Bei Benutzung der Software Simaris design werden alle Kriterien fr Siemens-Produkte automatisch bercksichtigt.

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  • Selektivitt in Strahlennetzen

    Selektivitt in Reihe liegender SicherungenDie Einspeiseleitung und die von der Sammelschiene eines Verteilers abgehen-den Abzweige fhren unterschiedliche Betriebsstrme und haben daher auchverschiedene Querschnitte. Sie werden somit blicherweise mit Sicherungenunterschiedlicher Bemessungsstrme geschtzt, welche aufgrund ihres unter-schiedlichen Ansprechverhaltens eine Selektivitt ermglichen.

    Selektivitt in Reihe liegender Sicherungen gleicher BetriebsklasseDie Selektivitt bei Verwendung von Sicherungen gleicher Betriebsklasse z. B. gL bzw. gG ist grundstzlich ber den gesamten berstrombereich biszum Bemessungsschaltvermgen gewhrleistet (volle Selektivitt), wenn sichdie Bemessungsstrme um den Faktor 1,6 oder mehr unterscheiden. Beihohen Kurzschlussstrmen sollten die Stromwrmewerte (I2t-Werte) vergli-chen werden. Im dargestellten Beispiel wre auch eine 160-A-NH-Sicherung zueiner 100-A-NH-Sicherung voll selektiv.

    Selektivitt in Reihe liegender LeistungsschalterEine Selektivitt kann durch Staffelung der Ansprechstrme der unverz-gerten berstromauslser (I-Auslser) erreicht werden. Voraussetzunghierfr ist: Stromstaffelung bei verschieden hohen Kurzschlussstrmen

    Die Kurzschlussstrme sind bei einem Kurzschluss an den jeweiligenEinbaustellen der Leistungsschalter ausreichend unterschiedlich.

    Stromstaffelung bei unterschiedlich eingestellten I-AuslsernDie Bemessungsstrme und damit die I-Auslser-Werte des vor- undnachgeordneten Leistungsschalters unterscheiden sich entsprechend.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

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    Beispiel: Selektivitt in Reiheliegender NH-Sicherungengleicher Betriebsklasse.

  • 5-Sekunden-Abschalt- und -LeitungsschutzbedingungenUnter Bercksichtigung der 5-Sekunden-Abschaltbedingung nach IEC60364-4-41/DIN VDE 0100-410 oder der 5-Sekunden-Leitungsschutz-bedingung nach IEC 60364-4-43/DIN VDE 0100-430 (wenn derLeitungsschutz nicht anders sichergestellt werden kann) ist es imAllgemeinen erforderlich, die I-Auslser-Einstellung kleiner Ik min -20 %zu whlen, um beim kleinsten Kurzschluss an den Eingangsklemmendes nachgeordneten Leistungsschalters Q1 eine Abschaltung inner-halb der geforderten Zeit sicherzustellen.

    ber den Kennlinienvergleich bei der Stromstaffelung lsst sich nur eineTeilselektivitt nachweisen, da die zu Recht oft gestrichelte Kennlinien-darstellung im Bereich < 100 ms aufgrund der komplizierten dynami-schen Schalt- und Auslsevorgnge eine Selektivittsaussage nichtzulsst.

    Selektivitt durch Leistungsschalterkoordination (dynamische Selektivitt)Bei schnellen Vorgngen, z. B. im Kurzschlussfall, haben beimZusammenwirken von in Reihe geschalteten Schutzgerten, insbesonderebei Verwendung vom Strombegrenzern, die dynamischen Vorgnge imStromkreis und in den elektromechanischen Auslsern einen wesentli-chen Einfluss auf das Selektivittsverhalten. Schaltet das nachgeordnetestrombegrenzende Schutzgert so schnell ab, dass der Durchlassstromzwar den Ansprechwert des vorgeordneten Schutzgertes kurzzeitig

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

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    Beispiel: Stromselektivitt von zwei in Reihe liegenden Leistungsschaltern beiverschieden hohen Kurzschlussstrmen.

  • berschreitet, diese Zeit aber nicht ausreicht, um den mechanischtrgen Auslser zu entklinken, so besteht ebenfalls Selektivitt.

    Hinweis:Der Durchlassstrom ist abhngig vom Stokurzschlussstrom und denStrombegrenzungseigenschaften.

    Selektivittsgrenzen von zwei in Reihe liegenden LeistungsschalternFr jede Schalterkombination lsst sich ein maximaler Kurzschlusswert die Selektivittsgrenze ermitteln, bis zu dem der nachgeordneteLeistungsschalter schneller und alleine selektiv abschaltet.Die Selektivittsgrenze kann weit ber dem Ansprechwert des unverz-gerten berstromauslsers im vorgeordneten Leistungsschalter liegen.

    Unabhngig davon sind die Selektivitt im berlastfall durch denKennlinienvergleich und die Auslsezeiten nach den einschlgigenVorschriften zu berprfen.Mit der dynamischen Selektivitt im Kurzschluss ist im Allgemeinen nureine Teilselektivitt erreichbar. Diese kann ausreichend sein (volleSelektivitt), wenn der maximale Kurzschlussstrom an der Stelle desnachgeordneten Schutzgerts kleiner ist als die ermittelteSelektivittsgrenze.Die Bercksichtigung der dynamischen Selektivitt ist eine guteMglichkeit, bei Teilselektivitt, wie sie bei der Stromstaffelung aufgrundder Abschaltbedingung meist entsteht, volle Selektivitt nachzuweisen,ohne Schaltgerte mit kurzverzgerten berstromauslsern einsetzen zumssen.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

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    Einzustellende Verzgerungszeit des elektromagneti-schen kurzverzgerten S-Auslsers fr selektivenKurzschlussschutz.

  • Selektivitt durch kurzverzgerte berstromauslser (Zeitstaffelung)Ist eine Stromstaffelung nicht mglich und lsst sich diese auch durcheine Schaltgerteauswahl nach Selektivittstabellen (dynamischeSelektivitt) nicht erreichen, kann Selektivitt durch Zeitstaffelung vonkurzverzgerten berstromauslsern ermglicht werden. Hierzu werdensowohl die Auslseverzgerungen als auch die entsprechendenAnsprechstrme gestaffelt.

    Zeitstaffelung bei annhernd gleich hohen Kurzschlussstrmen Der vorgeordnete Leistungsschalter erhlt kurzverzgerte berstromaus-lser (S), damit im Fehlerfall nur der nachgeordnete Leistungsschalterden vom Fehler betroffenen Anlagenteil vom Netz trennt. ZurSicherstellung der Selektivitt bei annhernd gleich hohenKurzschlussstrmen an den Einbaustellen kann die Zeitstaffelung einge-setzt werden. Hierzu werden sowohl die Auslseverzgerungen als auchdie Ansprechstrme der berstromauslser gestaffelt.

    Hinweis:Im dargestellten Beispiel ist neben dem bersichtsplan mit vier in Reiheliegenden Leistungsschaltern das dazugehrige Staffeldiagramm darge-stellt. Die notwendige Staffelzeit, bei der alle Toleranzen bercksichtigtwerden, hngt vom Arbeitsprinzip des Auslsers und von der Bauart desLeistungsschalters ab.

    Elektronische S-AuslserBei elektronischen kurzverzgerten berstromauslsern (S-Auslsern) isteine Staffelzeit von etwa 70 bis 100 ms von Leistungsschalter zu Leis-tungsschalter ausreichend, um auch alle Toleranzen zu bercksichtigen.

    AnsprechstromDer Ansprechstrom des kurzverzgerten berstromauslsers solltemindestens auf das 1,45-Fache (zweimal je 20 % Toleranz, wenn vomHersteller nicht anders angegeben) des Werts des nachgeordnetenLeistungsschalters eingestellt werden.

    I-Auslser zustzlichUm die Kurzschlussbeanspruchung bei sattem Kurzschluss amLeistungsschalter herabzusetzen, kann man die vorgeordnetenLeistungsschalter neben den kurzverzgerten zustzlich mit unverzger-ten elektromagnetischen berstromauslsern versehen. DerenAnsprechstrom muss so hoch gewhlt werden, dass die Auslser nur beiunmittelbarem, sattem Kurzschluss ansprechen und im Normalfall nichtdie selektive Staffelung stren.

    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    15 6 Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

  • Zeitverkrzte Selektivitts-SteuerungUm bei der Reihenschaltung mehrerer Leistungsschalter unerwnschtlange Auslsezeiten zu vermeiden, ist fr Leistungsschalter eine mikro-prozessorgefhrte zeitverkrzte Selektivitts-Steuerung (ZSS) entwickeltworden. Diese Steuerung ermglicht eine Reduzierung der Auslse-verzgerung auf max. 50 ms fr die der Kurzschlussstelle vorgeordnetenLeistungsschalter.

    In der Grafik ist das Prinzip und die Funktionsweise der ZSS dargestellt.Ein Kurzschluss am Punkt K1 wird von Q1, Q3 und Q5 erfasst. Beiaktivierter ZSS werden durch entsprechende KommunikationsleitungenQ3 durch Q1 und Q5 durch Q3 vorbergehend gesperrt. Da Q1 keinSperrsignal erhlt, lst er bereits nach 10 ms aus.Ein Kurzschluss am Punkt K2 wird nur von Q5 erfasst; da er keinSperrsignal erhlt, lst er bereits nach 50 ms aus. Ohne ZSS wrde dieAuslsung erst nach 100 ms erfolgen.

    Selektivitt zwischen Leistungsschalter und SicherungBei Selektivittsbetrachtungen mit Sicherungen ist in den Zeit-Strom-Kennlinien eine zulssige Toleranz von 10 % in Stromrichtung zubercksichtigen.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    Selektivitt von dreiin Reihe liegendenLeistungsschalternmit Begrenzung derKurzschlussbean-spruchung durcheinen zustzlichen I-Auslser im Leis-tungsschalter Q3.

    Prinzipdarstellungder zeitverkrztenSelektivitts-Steuerung (ZSS) vonin Reihe oderparallel liegendenLeistungsschaltern.

  • Leistungsschalter mit nachgeordneter SicherungSelektivittsverhltnisse bei LI-Auslsern und Sicherungen mit sehrniedrigem BemessungsstromIm berlastbereich bis zum Ansprechstrom Ii des unverzgerten ber-stromauslsers ist Teilselektivitt gegeben, wenn die Sicherungskennliniemit ihrem oberen Toleranzband die Auslsekennlinie des voll vorbelaste-ten, thermisch verzgerten berlastauslsers (L) nicht berhrt. Dabei ist wenn vom Hersteller nicht anders angegeben fr den betriebs-warmen Zustand eine Verringerung der Auslsezeit bis auf 25 % zubercksichtigen.

    Volle Selektivitt bei Verwendung von Leistungsschaltern ohne kurzverz-gerte berstromauslser ist gegeben, wenn der Durchlassstrom derSicherung ID nicht den Ansprechstrom des unverzgerten berstromaus-lsers erreicht. (Siehe Strombegrenzungsdiagramm fr NH-Sicherungenin Seip, Gnther G. (Hrsg.): Elektrische Installationstechnik, 4. Aufl.,Erlangen, 2000, Kap. 4, Abschnitt 4.1.1.) Dies ist allerdings nur bei einerSicherung zu erwarten, deren Bemessungsstrom im Vergleich zumBemessungsdauerstrom des Leistungsschalters sehr niedrig ist.

    Selektivittsverhltnisse bei LSAuslsern und Sicherungen grererBemessungsstrmeAufgrund der dynamischen Vorgnge in elektromagnetischen Auslsernist auch absolute Selektivitt mit Sicherungen erreichbar, deren ID kurz-zeitig den Ansprechstrom bersteigen. Eine sichere Selektivittsaussageist hier jedoch wiederum nur durch Messungen bei I mglich. AbsoluteSelektivitt erreicht man beim Einsatz von Leistungsschaltern mit kurzver-zgerten berstromauslsern (S-Auslser), wenn sich die Kennlinien ein-schlielich ihrer Toleranzen nicht berhren. Im Allgemeinen reicht in derPraxis ein Sicherheitsabstand von 100 ms der Soll-Kennlinien.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    SelektivittzwischenLeistungsschalterund nachgeordne-ter Sicherung imberlastbereich.

  • Selektivitt zwischen Sicherung und nachgeordnetem LeistungsschalterSelektivittsverhltnisse im berlastbereich:Fr Selektivitt im berlastbereich ist zwischen dem unterenToleranzband der Sicherung und der Kennlinie des stromabhngig verz-gerten berlastauslsers ein Sicherheitsabstand von tA 1 s erforderlich.

    Fr den Kurzschlussfall muss bercksichtigt werden, dass nach demAnsprechen der Auslser im Leistungsschalter auch noch whrend derLichtbogenzeit beim Ausschalten die Sicherung weiter aufgeheizt wird.Nherungsweise liegt die Selektivittsgrenze dort, wo einSicherheitsabstand zwischen dem unteren Toleranzband der Sicherungund der Ansprechzeit des unverzgerten berstromauslsers bzw. derVerzgerungszeit des kurzverzgerten berstromauslsers von 70 msunterschritten wird.

    Selektivittsverhltnisse im KurzschlussbereichEine sichere und meist auch hhere Selektivittsgrenze fr denKurzschlussbereich lsst sich im I2t-Diagramm ermitteln. Verglichen wirdin diesem der Maximalwert des Durchlass-I2t-Werts des Leistungsschaltersmit dem Minimalwert des Schmelz-I2t-Werts der Sicherung. Da es sich umMaximal- und Minimalwerte handelt, entfallen die Toleranzen.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    SelektivittzwischenLeistungsschaltermit LS-Auslserund nachgeordne-ter Sicherung;Kurzschlussstrom-bereich.

    Selektivitt zwi-schen Sicherungund nachgeord-netemLeistungsschalter;berlastbereich.

  • Selektivitt bei parallelen EinspeisungenVerbesserung der Selektivitt bei parallelen Einspeisungen:Bei parallelen Einspeisungen auf eine Sammelschiene ergibt sich imfehlerbehafteten Abzweig der Summenkurzschlussstrom Ik, der sich ausden Teilkurzschlussstrmen Ik Teil in den einzelnen Einspeisungen zusam-mensetzt und die Strombasis im Staffeldiagramm bildet. Dies gilt bei allenFehlerarten.

    Zwei gleiche EinspeisungenTritt im Abzweig nach dem Leistungsschalter Q1 ein Kurzschluss auf, flietdarber der Summenkurzschlussstrom Ik von beispielsweise 20 kA,-whrend die Einspeiseschalter Q2 und Q3 bei mittig an der Sammel-schiene angeordnetem Abzweig und gleich langen Einspeiseleitungenjeweils nur die Hlfte davon, nmlich 10 kA, fhren.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    SelektivittzwischenSicherung undnachgeordnetemLeistungsschalter;Kurzschlussfall.

    Beispiel mit Abzweig in Sammelschienenmitte: Selektivitt bei zwei gleichzeitigeinspeisenden Transformatoren gleicher Leistung.

  • Zustzliche Stromselektivitt bei Transformator-ParallelbetriebIm Staffeldiagramm ist daher die Auslsekennlinie der LeistungsschalterQ2 und Q3 auf die Strombasis des Leistungsschalters Q1 zu beziehen. Dasich der Summenkurzschlussstrom im Idealfall (ohne Bercksichtigungder Laststrme in den anderen Abzweigen) bei Anordnung des Abzweigsin der Sammelschienenmitte gleichmig auf jede Einspeisung aufteilt,kann die Auslsekennlinie der Leistungsschalter Q2 bzw. Q3 optimal umden Kennlinien-Verschiebungsfaktor 2 im Strommastab nach rechts biszur Linie Ik, der Basis fr diesen Fehlerfall, verlegt werden. Dadurchergibt sich neben der Zeitselektivitt zustzlich auch Stromselektivitt.

    Wird nicht mit der verschobenen Kennlinie, sondern mit der deseinzelnenSchalters gearbeitet, muss der exakte Kurzschlussstrom (Auf-teilung) bercksichtigt werden, der ber den Schalter fliet. Bei nichtsym-metrischer Ausfhrung und Anordnung der Einspeisungen und Abzweigean den Sammelschienen ist die Kurzschlussstromaufteilung je nachImpedanzverhltnis der Einspeiseleitungen unterschiedlich. Dies ist frSicherungsabzweige besonders mit hoher Absicherung, z. B. von 630 Abis 1.000 A, von besonderer Bedeutung.Es ist dabei darauf zu achten, dass der Sicherheitsabstand von 100 mszwischen der Auslsekennlinie des S-Auslsers und der Schmelzzeit-Strom-Kennlinie der NH-Sicherung nicht nur bei Parallelbetrieb, sondernauch bei Einzelbetrieb der Transformatoren gegeben ist. Soll auch beiBetrieb mit einem Transformator und bei allen Kurzschlussstrmen (1- bis3-polig) Selektivitt erreicht werden, ist die Einstellung der Auslser vonLeistungsschalter Q1, Q2 und Q3 zu beachten.

    TIPP:Aus Kostengrnden sollte auch bei kleineren und mittleren Sicherungs-Bemessungsstrmen nicht auf S-Auslser bei den Einspeise-Leistungs-schaltern verzichtet werden.

    Drei gleiche EinspeisungenDie Selektivittsverhltnisse werden bei Parallelbetrieb von dreiTransformatoren grundstzlich durch die zustzlich gewonneneStromselektivitt gnstiger als bei zwei Einheiten, denn der Kennlinien-Verschiebungsfaktor liegt zwischen 2 und 3. Auch hierbei werden zurErzielung eindeutiger Selektivittsverhltnisse fr den Leistungsschalterin den Einspeisungen LS-Auslser bentigt. Darber hinaus sind zustz-lich noch I-Auslser zur Erfassung eines Fehlers zwischen Transformatorund Einspeiseschalter gem der nachfolgenden Grafik erforderlich.Hierfr mssen die S-Auslser der Leistungsschalter Q1 bis Q3 auf einenWert Ik, aber

  • Durch die I-Auslser wird dann nur der fehlerbehafteteTransformatorabzweig hoch- und niederspannungsseitig abgeschaltet.Die Leistungsschalter in den gesunden Einspeisungen bleiben in Betrieb.

    ber Kuppelschalter parallel geschaltete EinspeisungenKuppelschalter sollen folgende Schutzaufgaben im Fehlerfall lsen: Unverzgerte Auslsung bei Fehlern im Bereich der Sammelschiene

    und Entlastung der Abzweige von den Wirkungen hoher Summen-

    Kurzschlussstrme

    Auswahl der LeistungsschalterDie Auswahl der Schaltgerte der Abzweige sowie dieSelektivittsverhltnisse werden wesentlich davon bestimmt, ob alsKuppelschalter Leistungsschalter mit Nullpunktlschung, also ohneStrombegrenzung, oder mit Strombegrenzung eingesetzt werden.Strombegrenzende, schnell abschaltende Kuppelschalter entlasten dieabgehenden Stromkreise von den Wirkungen hoher unbegrenzterSummen-Stokurzschlussstrme Ip und lassen damit die Verwendungleichter gebauter und kostengnstigerer Leistungsschalter zu.

    Einstellung der berstromauslser in KuppelschalternUm eindeutige Selektivittsaussagen bei relativ kleinenKurzschlussstrmen, z. B. in den Abzweigen der Unterverteiler, zu erhal-ten, sollten die berstromauslser in Kuppelschaltern mglichst hocheingestellt werden.

    Bei zwei Einspeisungen:Bei zwei Einspeisungen fliet ber den Kuppelschalter Q3 je nachFehlerort (linker oder rechter Sammelschienenabschnitt oder -abzweig)jeweils nur der zugehrige Teilkurzschlussstrom (z. B. Ik Teil 2).

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    Selektivitt bei drei gleichzeitigeinspeisenden Transformatoren.

  • Bei drei Einspeisungen mit Fehler: Bei drei Einspeisungen sind die Verhltnisse unterschiedlich, je nachdem,welcher der beiden in der Grafik a und b dargestellten Abzweige fehler-behaftet ist.

    Im mittleren Schienenabschnitt:Bei einem Fehler im Abzweig des mittleren Schienenabschnitts (a) flieenber die Kuppelschalter Q4 und Q5 etwa gleich groe Teilkurzschluss-strme.

    Im ueren Schienenabschnitt:Bei einem Fehler im Abzweig des ueren Schienenabschnittes (b)flieen ber den Kuppelschalter Q4 zwei Teilkurzschlussstrme.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    Kurzschlussaufteilung ber denKuppelschalter Q3 bei zwei EinspeisungenQ1 und Q2.

    Aufteilung der Kurzschlussstrme fr die Einstellung des berstromauslsers in den Kuppelschaltern Q4 und Q5 bei drei Einspeisungen und Fehlern a und b in den Abzweigen verschiedener Schienenabschnitte

  • Rechnergesttzte SelektivittsuntersuchungGenaue Werte der Kurzschlussstrme, die ber die Kuppelschalter flieen,sind eine Voraussetzung fr die optimale Einstellung der berstromaus-lser. Sie geben Aufschluss ber das selektive Verhalten bei einer Vielzahlunterschiedlich hoher Fehlerstrme und werden ber einRechnerprogramm ermittelt und entsprechend ausgewertet.

    Selektivitt und UnterspannungsschutzTritt ein Kurzschluss auf, bricht an der Kurzschlussstelle die Netzspannungauf eine Restspannung zusammen, die vom Fehlerwiderstand abhngt.Bei sattem Kurzschluss wird der Fehlerwiderstand und damit auch dieSpannung an der Kurzschlussstelle praktisch zu null. Im Allgemeinentreten aber bei Kurzschlssen Lichtbgen auf, die erfahrungsgemBogenspannungen von etwa 30 V bis 70 V besitzen. Diese Spannung,ausgehend vom Fehlerort, steigt in Richtung Energiequelle im Verhltnisder dazwischen liegenden Impedanzen an.

    Die nachfolgende Grafik zeigt die Spannungsverhltnisse in einer kurz-schlussbehafteten Niederspannungs-Schaltanlage bei sattem Kurzschluss.Bei einem Kurzschluss an der Stelle K1 (a) sinkt dieBemessungsbetriebsspannung Ue an der Sammelschiene desUnterverteilers auf 0,13 x Ue, an der Sammelschiene des Hauptverteilersauf 0,5 x Ue. Den Fehler schaltet der unmittelbar davor liegendeLeistungsschalter Q1 aus. Seine Gesamtausschaltzeit beansprucht je nachSchaltergre und -typ bis 30 ms bei Nullpunktlschern, bei strombe-grenzenden Leistungsschaltern hchstens 10 ms.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    Spannungsverhltnisse einer kurzschlussbehafteten Niederspannungs-Schaltanlage mit Haupt- und Unterverteiler.

  • Bei einem Kurzschluss an der Stelle K2 (b) schaltet der LeistungsschalterQ2 aus. Er ist mit einem kurzverzgerten berstromauslser (S) verse-hen. Die Verzgerungszeit betrgt mindestens 100 ms. Whrend dieserZeit ist die Bemessungsbetriebsspannung an der Sammelschiene desHauptverteilers auf 0,13 x Ue abgesunken. Sinkt die Bemessungs-betriebsspannung auf den 0,7- bis 0,35-fachen Wert und dauert dieSpannungsverminderung lnger als etwa 20 ms, schalten alleLeistungsschalter ab, die mit einem Unterspannungsauslser versehensind. Ebenso fallen alle Schtze ab, wenn die Bemessungs-Steuerspeisespannung lnger als 5 ms bis 30 ms unter 75 % ihresBemessungswerts zusammenbricht.

    Ausschaltverzgerung fr Schtze und UnterspannungsauslserDamit der selektive berstromschutz nicht vorzeitig unterbrochen wird,sind Unterspannungsauslser und Schtze mit Ausschaltverzgerungerforderlich. Bei Leistungsschaltern mit Strombegrenzung, derenGesamtausschaltzeit hchstens 10 ms betrgt, kann darauf verzichtetwerden.

    Selektivitt in Maschennetzen

    In einem Maschennetz bestehen zwei Selektivittsaufgaben: Es darf nur das kurzschlussbehaftete Kabel aus dem Netz getrennt

    werden. Bei einem Kurzschluss an den Klemmen eines Einspeisetransformators

    darf nur die Fehlerstelle aus dem Netz herausgetrennt werden.

    KnotenpunktsicherungenIn einem Niederspannungs-Maschennetzwerden normalerweise Kabel gleichenQuerschnitts und damit NH-Sicherungen derBetriebsklasse gL gleichen Typs undBemessungsstroms in den Knotenpunkten desNetzes verwendet.Bei einem Kurzschluss (K1) auf demMaschennetzkabel flieen die Kurzschluss-strme Ik3 und Ik4 zur Fehlerstelle. Der Kurz-schlussstrom Ik3 aus dem Knotenpunkt a setztsich aus den Teilstrmen Ik1 und Ik2zusammen, die je nach den Impedanzver-hltnissen sehr unterschiedlich sein knnen.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    Kurzschlussbehaftetes Kabelmit seinen zwei Einspeise-knotenpunkten a und b.

  • Zulssiges StromwerteverhltnisSelektivitt der Sicherungen im Knotenpunkt a ist gegeben, wenn dievom Summenstrom Ik3 durchflossene Sicherung F3 durchschmilzt und dievom Teilkurzschlussstrom Ik1 oder Ik2 durchflossene Sicherung F1 oder F2betriebsbereit bleibt.

    Hinweis:Bei Siemens-NHSicherungen (400 V, bis 400 A) liegt das fr hoheKurzschlussstrme zulssige Stromverhltnis Ik1 /(Ik1+Ik2) bei 0,8.

    Leistungstransformatoren im MaschennetzEinspeiseschalterIn einem vermaschten Netz im Mehrstrangbetrieb, d. h. mit Speisungber mehrere Mittelspannungsleitungen und Transformatoren, soll beieinem Fehler in einer Umspannstation oder in einerMittelspannungsleitung die Rckspeisung vom Niederspannungsnetz zurStrstelle verhindert werden. Dazu wurde frher ein Maschennetzrelais(Rckleistungsrelais) auf der Niederspannungsseite der Transformatoreneingesetzt.Heutzutage verwendet man fr diese Aufgabe Niederspannungs-Leistungsschalter mit elektronischen Auslsern, die z. B. einen S-Auslsermit einer I2t-Kennlinie besitzen.

    Tritt an der Oberspannungsseite des Transformators (Stelle K1) oderzwischen Transformator und Maschennetzschalter (Stelle K2) oder aufdem Kabel (Stelle K3) ein Kurzschluss auf, spricht auf der Ober-spannungsseite die HH-Sicherung an; auf der Unterspannungsseite flietzur Fehlerstelle ber den Niederspannungs-Leistungsschalter mit I2t-Kennlinie im S-Auslser eine Rckleistung.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    Beispiel fr ein vermaschtes Netzmit Mehrstrangeinspeisung.

  • Da ber diesen Leistungsschalter die Summe der Kurzschlussstromanteilealler anderen Transformatoren fliet, lst dieser Schalter aufgrund der I2t-Kennlinie ausreichend schnell und somit selektiv aus.

    Schutz von Kondensatoren

    Kondensatoreinheiten mssen nach IEC 60358/VDE 00560-4 dauernd frden Betrieb mit einem Strom geeignet sein, dessen Effektivwert das 1,3-fache des Stroms nicht bersteigt, der bei sinusfrmiger Bemessungs-spannung und Bemessungsfrequenz fliet. Aufgrund dieser Dimen-sionierung wird bei Kondensatoreinheiten in den berwiegendenAnwendungsfllen auf einen berlastschutz verzichtet.

    Kondensatoren in oberschwingungsbehafteten NetzenNur in Netzen mit groen Oberwellenerzeugern (z. B. Generatoren undstromrichtergespeiste Antriebe) knnen die Kondensatoren berlastetwerden. Die Kondensatoren bilden mit der Reihenschaltung ausTransformator-und Kurzschlussreaktanz des bergeordneten Netzes einenParallelschwingkreis. Es kommt zu Resonanzerscheinungen, wenn dieEigenfrequenz dieses Schwingkreises mit der Frequenz eines vomStromrichter erzeugten Oberschwingstroms bereinstimmt oder indessen Nhe liegt.

    Verdrosselte KondensatorenZum Vermeiden von Resonanzen mssen die Kondensatoren verdrosseltwerden. (siehe: Seip, Gnther G. (Hrsg.): Elektrische Installationstechnik,4. Aufl., Erlangen, 2000, Kap. 1, Abschnitt 1.6). An die Stelle des reinen

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

    Prinzipschaltbild der Einspeisung einer Maschennetz-Station.

  • Kondensators tritt ein LC-Schwingkreis, dessen Resonanzfrequenz unter-halb der im Laststrom vorhandenen Oberschwingung mit der niedrigstenOrdnungszahl (250 Hz) liegt. Hierdurch wird die Kondensatoreinheit fralle im Laststrom auftretenden Oberschwingungsstrme induktiv undkann so mit der Netzreaktanz keinen Resonanzkreis mehr bilden.

    Einstellwerte des berlastrelaisWerden zum Schutz gegen berstrme thermisch verzgerte berlast-relais eingesetzt, kann der Auslsewert auf das 1,3- bis 1,43-fache desKondensator-Bemessungsstroms eingestellt werden, da unter Berck-sichtigung der zulssigen Kapazittsabweichung der Kondensatorstromdas 1,1 1,3 = 1,43-fache des Kondensator-Bemessungsstroms betragenkann.Bei wandlerbeheizten berlastrelais oder -auslsern wird wegen desvernderten bersetzungsverhltnisses der Wandler durch die Ober-schwingungen ein hherer Sekundrstrom flieen. Dadurch knnenFrhauslsungen auftreten.

    Absaugen der Oberschwingungen durch FilterkreiseEine andere Mglichkeit besteht darin, das bergeordnete Netz weitge-hend durch Filterkreise von Oberschwingungen zu befreien. (siehe: Seip,Gnther G. (Hrsg.): Elektrische Installationstechnik, 4. Aufl., Erlangen,2000, Kap. 1, Abschnitt 1.6.3, 1.6.4). Die Filterkreise sind ebenfallsReihenresonanzkreise, die jedoch im Gegensatz zu den verdrosseltenKondensatoren genau auf die Frequenzen der abzusaugenden Ober-schwingungsstrme abgestimmt sind. Die Impedanz wird dadurchannhernd null.

    KurzschlussschutzZum Kurzschlussschutz werden in Kondensatoreinheiten am hufigstenNH-Sicherungen der Betriebsklasse gL eingesetzt. Um ein Ansprechen derSicherungen im berlastbereich und beim Schalten der Kondensatoren zuverhindern, whlt man einen Sicherungs-Bemessungsstrom vom 1,6- bis1,7-fachen Wert des Bemessungsstroms der gleichzeitig geschaltetenKondensatorstufen.

    TIPP:Sicherungen, Sicherungslasttrennschalter, Kondensatoren und Schtzesind bei der Planung aufeinander abzustimmen. Empfehlenswert dabeiist, geprfte Komplettbaustze zu verwenden.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik

  • Backup-Schutz

    Definition des Backup-Schutzes:Zusammenwirken von zwei aufeinander abgestimmter, in Reihegeschalteter berstromschutzeinrichtungen an Stellen, an denen einGert (z. B. Leitungsschutzschalter) im Schadensfall den prospektivenKurzschlussstrom allein nicht zu schalten vermag. Tritt ein entsprechendhoher Kurzschlussstrom auf, entlastet die vorgeordnete berstromschutz-einrichtung die nchstliegende nachgeordnete und verhindert so derenbermige Beanspruchung. Die vorgeordnete Schutzeinrichtung mussein entsprechendes Schaltvermgen besitzen. Die Schutzwirkung lsstsich durch Versuche ermitteln. Nach der Abschaltung sind beideberstromschutzeinrichtungen voll funktionsfhig.

    DIN EN 60947-2 A1 erlaubt auch den vorgeordneten Schutz (Backup-Schutz) eines Schaltgerts durch eines der vorgeordneten Schutzgertemit dem entsprechenden Bemessungsaussschaltvermgen Icn, wenndadurch sowohl der Abzweig als auch das nachgeordnete Schutzgertgeschtzt wird. Das heit, durch den Backup-Schutz darf dasBemessungsausschaltvermgen Icn des nachgeordnetenLeistungsschalters kleiner sein als der Kurzschlussstrom an derEinbaustelle. Ein Freiheitsgrad bei der Anlagenprojektierung, der vorallem dem wirtschaftlichen Aufbaut zugute kommt und darber hinausden Komponentenschutz optimiert.

    Praktisch bedeutet das, dass an einer Netzstelle mit einem mglichenKurzschlussstrom von z. B. 50 kA auch ein kostengnstiges Schutzgertmit nur 20 kA Kurzschluss-Ausschaltvermgen eingesetzt werden kann,wenn es durch ein vorgeordnetes Schutzgert Backup-geschtzt wirdund die Kombination ein Ausschaltvermgen von 50 kA hat.

    Die Bewertung des Backup-Schutzes fr die Leistungsschalter und fr dieLeitungsschutzschalter erfolgt teilweise in Anlehnung an dieSchaltleistungsprfung zur Bestimmung von Icn nach DIN VDE 0660 Teil101 bzw. nach IEC 947-2.

    Hinweis:Die Grenzwerte fr die Selektivitt und den Backup-Schutz knnen ausden entsprechenden Tabellen der Hersteller abgelesen werden.

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    15 Selektivitt und Backup-Schutz

    Grundlagen der Niederspannungs-Schalttechnik