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Kapitel 12 Topologische Grundlagen 12.1 Topologische Grundbegrie Wir wollen in diesem und in den nächsten Abschnitten die Konvergenztheorie, wie wir sie für metrische Räume entwickelt haben, verallgemeinern. Dabei werden wir Räume betrachten, die gerade noch soviel Struktur tragen, dass wir von stetigen Funktionen, Grenzwerten, Kompaktheit etc. sprechen können. 12.1.1 Beispiel (Metrische Räume). Sei X, d ein metrischer Raum; vgl. Definition 3.1.1. Weiters sei O die Menge aller oenen Teilmengen von X. Dabei haben wir eine Teilmenge O von X gemäß Definition 5.1.4 oen genannt, wenn es zu jedem x O ein > 0 gibt, sodass die -Kugel U ( x) = {y X : d(y, x) < } ganz in O enthalten ist. Wir haben in Beispiel 5.1.5 bzw. in Proposition 5.1.6 gesehen, dass , X ∈O, dass für O 1 , O 2 ∈O auch O 1 O 2 ∈O, und dass mit O i ∈O, i I für eine beliebige Indexmenge I auch iI O i ∈O. Wir nehmen diese aufgezählten Eigenschaften als Ausgangspunkt unserer angestrebten Verallgemeinerung. 12.1.2 Definition. Sei X eine nichtleere Menge und T⊆P(X) ein System von Teilmengen von X. Erfülle T die Eigenschaften: (01) ∅∈T , X ∈T . (02) Aus O 1 ,..., O n ∈T folgt für beliebiges n N, dass n i=1 O i ∈T . (03) Aus O i ∈T , i I , mit einer beliebigen Indexmenge I folgt iI O i ∈T . Dann heißt T eine Topologie auf X. Die Elemente von T heißen oene Mengen, und man nennt (X, T ) einen topologischen Raum. 12.1.3 Bemerkung. Mittels Vollständiger Induktion sieht man sofort, dass (O2) äquivalent zu der Tatsache ist, dass aus O 1 , O 2 ∈T auch O 1 O 2 ∈T folgt.

Kapitel 12 Topologische Grundlagen - TU Wien · 2015. 8. 24. · 12.1 Topologische Grundbegri e 417 Da fU (x) : > 0g eine Filterbasis von U (x) ist, stimmt diese Bedingung mit der

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  • Kapitel 12

    Topologische Grundlagen

    12.1 Topologische GrundbegriffeWir wollen in diesem und in den nächsten Abschnitten die Konvergenztheorie, wie wirsie für metrische Räume entwickelt haben, verallgemeinern. Dabei werden wir Räumebetrachten, die gerade noch soviel Struktur tragen, dass wir von stetigen Funktionen,Grenzwerten, Kompaktheit etc. sprechen können.

    12.1.1 Beispiel (Metrische Räume). Sei 〈X, d〉 ein metrischer Raum; vgl. Definition 3.1.1.Weiters sei O die Menge aller offenen Teilmengen von X. Dabei haben wir eine TeilmengeO von X gemäß Definition 5.1.4 offen genannt, wenn es zu jedem x ∈ O ein � > 0 gibt,sodass die �-Kugel U�(x) = {y ∈ X : d(y, x) < �} ganz in O enthalten ist.Wir haben in Beispiel 5.1.5 bzw. in Proposition 5.1.6 gesehen, dass ∅, X ∈ O, dass fürO1,O2 ∈ O auch O1 ∩ O2 ∈ O, und dass mit Oi ∈ O, i ∈ I für eine beliebige Indexmenge Iauch

    ⋃i∈I Oi ∈ O.

    Wir nehmen diese aufgezählten Eigenschaften als Ausgangspunkt unserer angestrebtenVerallgemeinerung.

    12.1.2 Definition. Sei X eine nichtleere Menge und T ⊆ P(X) ein System von Teilmengenvon X. Erfülle T die Eigenschaften:(01) ∅ ∈ T , X ∈ T .(02) Aus O1, . . . ,On ∈ T folgt für beliebiges n ∈ N, dass ⋂ni=1 Oi ∈ T .(03) Aus Oi ∈ T , i ∈ I, mit einer beliebigen Indexmenge I folgt ⋃i∈I Oi ∈ T .

    Dann heißt T eine Topologie auf X. Die Elemente von T heißen offene Mengen, und mannennt (X,T ) einen topologischen Raum.12.1.3 Bemerkung. Mittels Vollständiger Induktion sieht man sofort, dass (O2) äquivalentzu der Tatsache ist, dass aus O1,O2 ∈ T auch O1 ∩ O2 ∈ T folgt.

  • 414 12 Topologische Grundlagen

    12.1.4 Beispiel.

    (i) Wir haben oben daran erinnert, dass die Menge O aller offenen Mengen eines metri-schen Raumes 〈X, d〉 die Axiome (01)-(03) erfüllt. Damit ist (X,O) ein topologischerRaum. Man sagt, O ist die von der Metrik d induzierte Topologie. Wir schreiben auchT (d) für O.

    (ii) Ist Y = Rp versehen mit der Metrik d2, so heißt die von d2 induzierte Topologie T (d2)Euklidische Topologie. Die Metriken d1 und d∞ induzieren ebenfalls die EuklidischeTopologie.

    (iii) Das Mengensystem T := P(X) erfüllt klarerweise (01)-(03), und ist somit eineTopologie auf X. Man spricht von der diskreten Topologie. Diese Topologie wirdübrigens von der diskreten Metrik induziert; siehe Beispiel 3.1.5.

    (iv) Sei T := {∅, X}. Wieder sind (01)-(03) trivialerweise erfüllt. Man spricht von derKlumpentopologie.

    (v) X = [−∞,+∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞,+∞]} ist ebenfalls eintopologischer Raum, wie man sich leicht überzeugen kann.

    Eines unserer Ziele wird es sein, Konvergenz gegen einen Punkt oder Stetigkeit bei einemPunkt für unsere Räume zu verallgemeinern. Dazu benötigen wir ein Analogon zum Begriffder �-Kugel.

    12.1.5 Definition. Sei (X,T ) ein topologischer Raum und x ∈ X. Eine Menge U ⊆ X heißtUmgebung von x, wenn es eine offene Menge O ∈ T mit x ∈ O ⊆ U gibt. U(x) bezeichnedie Menge aller Umgebungen von x, also den sogenannten Umgebungsfilter von x.

    Der Begriff Filter ist ein allgemeines mengentheoretisches Konzept.

    12.1.6 Definition. Sei M eine nichtleere Menge. Dann heißt ein Mengensystem F ⊆ P(M)ein Filter, wenn

    (F1) F , ∅ und ∅ < F,(F2) F1, F2 ∈ F⇒ F1 ∩ F2 ∈ F,(F3) F1 ∈ F, F1 ⊆ F2 ⊆ M ⇒ F2 ∈ F.Ist (X,T ) ein topologischer Raum, so ist der Umgebungsfilter U(x) tatsächlich ein Filter:

    (F1): Es gilt X ∈ U(x), und jede Menge U ∈ U(x) enthält x und ist damit nicht leer.(F2): Aus U1,U2 ∈ U(x) folgt die Existenz von O1,O2 ∈ T mit x ∈ O1 ⊆ U1 und

    x ∈ O2 ⊆ U2, und somit x ∈ O1 ∩ O2 ⊆ U1 ∩ U2, wobei wegen (O2) sicherlichO1 ∩ O2 ∈ T , und daher U1 ∩ U2 ∈ U(x).

  • 12.1 Topologische Grundbegriffe 415

    (F3): Aus U1 ∈ U(x) und U1 ⊆ U2 ⊆ X folgt die Inklusion x ∈ O ⊆ U1 für ein gewissesO ∈ T , und somit x ∈ O ⊆ U2 bzw. U2 ∈ U(x).

    Die passende Verallgemeinerung des Systems aller �-Kugeln um einen festen Punktin einem metrischen Raum für topologische Räume ist der Begriff der Filterbasis desUmgebungsfilters.

    12.1.7 Definition. Sei M eine nichtleere Menge und F ein Filter. Dann heißt ein Mengen-system B ⊆ F eine Filterbasis von F, wenn man zu jeder Menge F ∈ F ein B ∈ B findet,sodass B ⊆ F.

    12.1.8 Definition. Man sagt ein topologischer Raum (X,T ) erfüllt das erste Abzählbar-keitsaxiom (ABI), wenn für jedes x ∈ X der Umgebungsfilter U(x) eine Filterbasis beste-hend aus abzählbar vielen Mengen hat.

    12.1.9 Beispiel.

    (i) Klarerweise ist ein Filter eine Filterbasis von sich selbst.

    (ii) Für einen topologischen Raum (X,T ) und x ∈ X ist {O ∈ T : x ∈ O} eine Filterbasisvon U(x).

    (iii) Sei 〈X, d〉 ein metrischer Raum und T (d) die von der Metrik erzeugte Topologie. Fürx ∈ X ist {U�(x) : � > 0} eine Filterbasis von U(x):U�(x) ist eine Umgebung, weil alle offene �-Kugeln offen sind; vgl. Beispiel 5.1.5,(iii). Ist U ∈ U(x) beliebig, so gibt es eine offene Menge O ∈ T (d), sodass x ∈ O ⊆ U.Aus der Definition offener Mengen in metrischen Räumen folgt U�(x) ⊆ O ⊆ U fürein gewisses � > 0. Damit ist obiges Mengensystem eine Filterbasis.

    Auf ähnliche Weise sieht man, dass {K�(x) : � > 0} oder auch {U�n(x) : n ∈ N},wenn (�n)n∈N eine Nullfolge aus (0,+∞) ist, eine Basis des Umgebungsfilter U(x) ist.Insbesondere erfüllt jeder metrische Raum das erste Abzählbarkeitsaxiom.

    12.1.10 Lemma. Sei (X,T ) ein topologischer Raum, und sei für jeden Punkt x ∈ X eineFilterbasisW(x) von U(x)1 gegeben. Eine Menge O ⊆ X ist genau dann offen, also O ∈ T ,wenn

    ∀x ∈ O⇒ O ∈ U(x) , (12.1)bzw. genau dann, wenn

    ∀x ∈ O ∃W ∈ W(x) : W ⊆ O . (12.2)

    Beweis. Für feste x ∈ X und O ⊆ X bedeutet die Tatsache ∃W ∈ W(x) : W ⊆ O gemäßder Definition einer Filterbasis nicht anderes als O ∈ U(x). Also sind (12.1) und (12.2)äquivalent.

    1 Es ist nicht ausgeschlossen, dassW(x) = U(x).

  • 416 12 Topologische Grundlagen

    Ist O ∈ T und x ∈ O, so folgt daraus O ∈ U(x); vgl. Beispiel 12.1.9, (ii). Gilt umgekehrtO ∈ U(x) für alle x ∈ O, so gibt es wegen der Definition von U(x) zu jedem x ∈ O eineoffene, x enthaltende Teilmenge Ox von O, und daher

    O =⋃

    x∈O{x} ⊆

    x∈OOx ⊆ O .

    Als Vereinigung der offenen Mengen Ox muss O nach (O3) selber offen sein. q

    Nun können wir den Grenzwert eines Netzes auch für topologische Räume definieren.

    12.1.11 Definition. Sei (I,�) eine gerichtete Menge und (xi)i∈I ein Netz in X, wobei(X,T ) ein topologischer Raum ist. Man sagt, dass dieses Netz gegen einen Punkt x ∈ Xkonvergiert, in Zeichen xi

    i∈I−→ x, falls∀U ∈ U(x) ∃i0 ∈ I : ∀i � i0 ⇒ xi ∈ U ,

    also falls in jeder beliebigen Umgebung ab einem gewissen Index alle Glieder xi des Netzesenthalten sind.

    12.1.12 Fakta.

    1. Offenbar konvergieren in jedem topologischen Raum konstante Netze (xi)i∈I , xi = xfür alle i ∈ I, gegen x.

    2. IstW(x) eine Filterbasis von U(x), so ist die Konvergenzbedingung aus Definition12.1.11 äquivalent zu

    ∀W ∈ W(x) ∃i0 ∈ I : ∀i � i0 ⇒ xi ∈ W ,da einerseits wegenW(x) ⊆ U(x) diese Bedingung sicherlich eine Konsequenz ausder in Definition 12.1.11 ist, und da andererseits aus U ∈ U(x) die Existenz einesW ∈ W(x) mit W ⊆ U folgt, und dann mit der gegenwärtigen Bedingung, dassxi ∈ W ⊆ U für alle i � i0 mit einem gewissen i0 ∈ I.

    3. Ist (xi( j)) j∈J ein Teilnetz von (xi)i∈I , also i : J → I, wobei auch (J,�J) eine gerichteteMenge ist, mit

    ∀i ∈ I ∃ j0 ∈ J : ∀ j �J j0 ⇒ i( j) � i ,und konvergiert (xi)i∈I gegen x, so konvergiert auch (xi( j)) j∈J gegen x. Um das zusehen, sei U ∈ U(x) und i0 ∈ I, sodass i � i0 ⇒ xi ∈ U. Ist nun j0 ∈ J, sodassj �J j0 ⇒ i( j) � i0, so folgt auch xi( j) ∈ U für alle j �J j0.

    12.1.13 Bemerkung. Wir sehen nun aus Fakta 12.1.12, dass diese Definition der Konver-genz mit der in metrischen Räumen konform geht. In der Tat haben wir x = limi∈I xi ineinem metrischen Raum 〈X, d〉 genau dann, wenn

    ∀� > 0 ∃i0 ∈ I : ∀i � i0 ⇒ xi ∈ U�(x) .

  • 12.1 Topologische Grundbegriffe 417

    Da {U�(x) : � > 0} eine Filterbasis von U(x) ist, stimmt diese Bedingung mit der aus Fakta12.1.12, 2, überein.Wir sehen insbesondere, dass die Konvergenz nicht von der konkreten Metrik, sondern nurvon der von ihr erzeugten Topologie abhängt; vgl. Beispiel 12.3.11.

    Wir haben in der Definition der Konvergenz absichtlich nicht die Schreibweise x = limi∈I xiverwendet, denn es kann sein, dass x nicht der einzige Grenzwert ist.

    12.1.14 Beispiel.

    (i) Man betrachte eine Menge X mit mindestens zwei Elementen versehen mit derKlumpentopologie. Dann ist U(x) = {X} für alle x ∈ X. Damit konvergiert aber jedesNetz gegen jeden Punkt x ∈ X.

    (ii) Sei X = [−∞,+∞) versehen mit der Topologie T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞,+∞]};vgl. Beispiel 12.1.4, (v). Ein Netz (xi)i∈I aus [−∞,+∞) konvergiert gegen ein x ∈[−∞,+∞) bzgl. T< genau dann, wenn x ≥ lim supi∈I xi, wobei

    lim supi∈I

    xi = infk∈I

    supI3i�k

    xi (∈ [−∞,+∞]) .

    Insbesondere sind mit x auch alle t ≥ x Grenzwerte von (xi)i∈I. Also sind auch aufdiesem Raum Grenzwert nicht eindeutig.

    Man muss eine zusätzliche Eigenschaft vom gegebenen topologischen Raum fordern,damit Grenzwerte eindeutig sind.

    12.1.15 Definition. Ein topologischer Raum (X,T ) heißt T2-Raum (oder Hausdorff-Raum),wenn gilt:

    (T2) Zu je zwei Punkten x, y ∈ X, x , y, gibt es disjunkte offene Mengen Ox und Oy,sodass x ∈ Ox, y ∈ Oy.

    x

    y

    Oy

    Ox

    Abbildung 12.1: Zweites Trennungsaxiom (T2)

    Man sieht unmittelbar, dass diese Eigenschaft zu der Tatsache äquivalent ist, dass eszu zwei verschiedenen Punkten x, y zwei Umgebungen U ∈ U(x), V ∈ U(y) gibt mitU ∩ V = ∅.

  • 418 12 Topologische Grundlagen

    12.1.16 Beispiel. Die von einer Metrik d auf einer Menge X induzierte Topologie istHausdorff. Sind nämlich x, y ∈ X, x , y, so gilt d(x, y) > 0. Setze � := 13d(x, y) undbetrachte die Umgebungen

    U := U�(x), V := U�(y) .

    Angenommen es wäre z ∈ U ∩ V , dann erhielten wir den Widerspruch

    d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) < 13

    d(x, y) +13

    d(x, y) =23

    d(x, y) .

    Der Beweis der Eindeutigkeit des Grenzwertes eines Netzes wird nun fast wörtlich vommetrischen Fall übertragen.

    12.1.17 Lemma. Sei (xi)i∈I ein konvergentes Netz in einem topologischen (T2)-Raum. Dannist der Grenzwert von (xi)i∈I eindeutig.

    Beweis. Wären x, y zwei verschiedene Grenzwerte, so wähle man disjunkte UmgebungenU ∈ U(x) und V ∈ U(y). Dann wähle man i1 ∈ I und i2 ∈ I mit i � i1 ⇒ xi ∈ U undi � i2 ⇒ xi ∈ V . Da I gerichtet ist, gibt es ein i ∈ I, i � i1, i � i2, und somit xi ∈ U ∩ V ,was aber ein Widerspruch zu U ∩ V = ∅ ist. q

    12.2 Abgeschlossene Mengen12.2.1 Definition. Sei (X,T ) ein topologischer Raum. Eine Menge A ⊆ X heißt abge-schlossen, wenn Ac offen ist.

    12.2.2 Lemma. Sei X eine Menge. Ist T eine Topologie auf X und bezeichnet A die Mengealler abgeschlossenen Mengen in (X,T ), so gilt:(A1) ∅ ∈ A, X ∈ A.(A2) Aus A1, . . . , An ∈ A folgt für beliebiges n ∈ N, dass A1 ∪ . . . ∪ An ∈ A.(A3) Aus Ai ∈ A, i ∈ I, folgt ⋂i∈I Ai ∈ A.Beweis. Die Axiome (A1) - (A3) gehen bei Komplementbildung genau in die Axiome(O1) - (O3) über. q

    12.2.3 Definition. Sei (X,T ) ein topologischer Raum, und sei B ⊆ X. Die Menge

    B :=⋂{

    A ⊆ X : A abgeschlossen, A ⊇ B}

    (12.3)

    heißt der Abschluss von B. Wenn man explizit klarstellen will, bezüglich welcher Topologieder Abschluss gebildet wird, dann schreibt man für B auch B

    T.

    Gilt C ⊆ B ⊆ X und B ⊆ C, so heißt C dicht in B. Ist C dicht in X, so sagt man kurz, C istdicht.

  • 12.2 Abgeschlossene Mengen 419

    12.2.4 Lemma. Sei (X,T ) topologischer Raum und B ⊆ X. Dann ist B die kleinsteabgeschlossene Menge, die B umfasst.

    Beweis. Wegen (A1) ist die Menge, über die in (12.3) der Durchschnitt gebildet wird, nichtleer. Wegen (A3) ist B abgeschlossen. Ist A abgeschlossen und A ⊇ B, so kommt A auf derrechten Seite von (12.3) vor, also gilt A ⊇ B. q12.2.5 Lemma. Sei (X,T ) topologischer Raum. Dann gilt:

    (i) Für B ⊆ X gilt B ⊆ B.(ii) Ist C ⊆ B ⊆ X, so folgt C ⊆ B.

    (iii) Für C, B ⊆ X folgt C ∪ B = C ∪ B.(iv) Eine Menge B ⊆ X ist genau dann abgeschlossen, wenn B = B.

    Beweis.

    (i) Folgt unmittelbar aus der Definition.

    (ii) Wegen B ⊇ B ⊇ C ist B eine abgeschlossene Menge, die C umfasst, und da C diekleinste derartige Menge ist, gilt B ⊇ C.

    (iii) Die Menge C ∪ B ist eine abgeschlossene Menge, die C ∪ B umfasst. Also giltC ∪ B ⊆ C ∪ B.Andererseits folgt aus C ⊆ C ∪ B, dass C ⊆ C ∪ B, und genauso B ⊆ C ∪ B. Damitgilt auch C ∪ B ⊆ C ∪ B.

    (iv) B = B gilt genau dann, wenn B die kleinste abgeschlossene Menge ist, die B enthält.Somit ist das genau dann der Fall, wenn B abgeschlossen ist. q

    Wenn man sich an die Definition von Abschluss und abgeschlossener Menge in metrischenRäumen zurück erinnert, so haben wir dort einen Zugang über Häufungspunkte gewählt. InProposition 12.2.7 werden wir sehen, dass auch in allgemeinen topologischen Räumen derAbschluss bzw. der Begriff der abgeschlossenen Menge auf ähnliche Weise charakterisiertwerden kann. Davor wollen wir ein kanonisches Netz konstruieren, das gegen einengegebenen Punkt konvergiert.

    12.2.6 Lemma. Sei (X,T ) topologischer Raum, B ⊆ X und x ∈ X, sodass U ∩ B , ∅ füralle U ∈ U(x). Wir versehen die Menge

    I = {(y,U) : U ∈ U(x), y ∈ U ∩ B} ,

    mit der Relation (y1,U1) � (y2,U2) :⇔ U1 ⊇ U2. Ist (xi)i∈I das Netz definiert durch xi := y,wenn i = (y,U), so konvergiert es gegen x.

  • 420 12 Topologische Grundlagen

    Beweis. Die Relation � ist offensichtlich reflexiv und transitiv. Sind (z,V), (y,U) ∈ I,so folgt U ∩ V ∈ U(x). Voraussetzungsgemäß gibt es ein b ∈ U ∩ V ∩ B, und daher(z,V), (y,U) � (b,U ∩ V). Somit ist (I,�) gerichtet.Definitionsgemäß ist immer xi ∈ B. Da zu U ∈ U(x) und beliebigen y ∈ U ∩ B aus i =(z,V) � (y,U) folgt, dass xi = z ∈ V ⊆ U, sehen wir, dass (xi)i∈I gegen x konvergiert. q12.2.7 Proposition. Sei (X,T ) topologischer Raum, B ⊆ X, x ∈ X undW(x) eine beliebigeFilterbasis von U(x). Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

    (i) x ∈ B.(ii) Für alle U ∈ U(x) gilt B ∩ U , ∅.

    (iii) Für alle W ∈ W(x) gilt B ∩W , ∅.(iv) Es gibt ein Netz (xi)i∈I mit xi ∈ B, sodass x ein Grenzwert davon ist.

    Beweis. Laut Definition ist x < B zur Existenz einer abgeschlossenen Menge A mit x <A, A ⊇ B äquivalent. Da die offenen Mengen genau die Komplemente der abgeschlossenensind, ist das äquivalent zur Existenz einer Menge O ∈ T mit x ∈ O, O ∩ B = ∅. Geht manzu den Negationen über, so erhalten wir, dass

    (x ∈ B)⇔ (∀O ∈ T , x ∈ O⇒ B ∩ O , ∅) .

    Man erkennt sofort, dass die rechte Seite zu (ii) äquivalent ist. (ii)⇔ (iii) folgt unmittelbaraus der Tatsache, dassW(x) eine Filterbasis von U(x) ist, und (ii)⇒ (iv) erhalten wir ausLemma 12.2.6.Gilt schließlich (iv) und ist U ∈ U(x), so folgt xi ∈ U ∩ B für alle i � i0 mit einem gewisseni0. Also haben wir U ∩ B , ∅. qIn Analogie zum Begriff des Häufungspunktes / isolierten Punktes einer Menge in metri-schen Räumen in Definition 5.1.7 definieren wir:

    12.2.8 Definition (*). Sei (X,T ) topologischer Raum und B ⊆ X. Ein x ∈ X heißtHäufungspunkt von B, wenn

    (B \ {x}) ∩ U , ∅ für alle U ∈ U(x) .

    Ein x ∈ B heißt isolierter Punkt von B, wenn es ein U ∈ U(x) gibt, sodass U ∩ B = {x}.Man erkennt leicht, dass x ∈ X genau dann isoliert ist, wenn {x} ∈ T .12.2.9 Bemerkung (*). Aus Proposition 12.2.7 erkennt man sofort, dass x genau dannHäufungspunkt von B ist, wenn x ∈ B \ {x}, bzw. wenn (xi)i∈I → x für ein Netz aus B \ {x};vgl. Lemma 5.1.12.Man erkennt auch leicht aus Proposition 12.2.7, dass B mit der Vereinigung von B und derMenge aller Häufungspunkte von B übereinstimmt.

  • 12.2 Abgeschlossene Mengen 421

    12.2.10 Bemerkung. Ist 〈X, d〉 ein metrischer Raum, B ⊆ X und nimmt man alsW(x) dieMenge aller offenen �-Kugeln um x, so sieht man durch einen Vergleich von Proposition12.2.7 und (5.1), dass x ∈ B genau dann, wenn x ∈ c(B). Also stimmt der Abschluss inmetrischen Räumen mit dem topologischen Abschluss überein.Der Grund, warum man in metrischen Räumen das Auslangen mit Folgen findet, daherx ∈ B genau dann, wenn xn → x für eine Folge aus B, ist die Gültigkeit des ersten Abzähl-barkeitsaxioms. In der Tat, kann man unter der Voraussetzung (ABI) die Konstruktion inLemma 12.2.6 folgendermaßen abändern:Ist W(x) = {Wn : n ∈ N} eine abzählbare Filterbasis von U(x), und wählen wir xn ∈B∩W1∩· · ·∩Wn, so erhält man eine Folge (xn)n∈N in B, sodass zu vorgegebenem U ∈ U(x)ein N ∈ N mit WN ⊆ U existiert, und daher

    xn ∈ W1 ∩ · · · ∩WN ∩ · · · ∩Wn ⊆ U für alle n ≥ N .Also konvergiert (xn)n∈N für n→ ∞ gegen x.Genauso wie die abgeschlossenen Mengen via Komplementbildung den offenen Mengenentsprechen, ist das duale Analogon des Abschlusses das sogenannte Innere.

    12.2.11 Definition. Das Innere B◦ einer Teilmenge B eines topologischen Raumes (X,T )ist definiert durch

    B◦ =⋃{O ∈ T : O ⊆ B} .

    12.2.12 Fakta.

    1. Man sieht unmittelbar, dass x ∈ B◦ ⇔ B ∈ U(x). Ähnlich wie beim Abschluss siehtman, dass B◦ die größte in B enthaltene offene Menge ist. Damit ist B genau dannoffen, wenn B = B◦.

    2. Da die Komplemente von den offenen Mengen genau die abgeschlossenen Mengensind, besteht folgender Zusammenhang mit dem Abschluss von Mengen.

    (Bc

    )c=

    (⋂{A ⊆ X : A abgeschlossen, A ⊇ Bc

    })c

    =(⋂{

    Oc ⊆ X : O offen, O ⊆ B})c

    = B◦ .

    Die Begriffsbildung, welche der des Häufungspunktes einer Folge entspricht, ist die desHäufungspunktes eines Netzes.

    12.2.13 Definition (*). Sei (X,T ) ein topologischer Raum und (xi)i∈I ein Netz in X. Dannheißt x ∈ X Häufungspunkt von (xi)i∈I , falls

    ∀U ∈ U(x)∀i ∈ I ∃ j ∈ I : i � j ∧ x j ∈ U .Man beachte, dass im Allgemeinen die Menge der Häufungspunkte eines Netzes (xi)i∈Inicht mit der Menge der Häufungspunkte der Bildmenge {xi : i ∈ I} übereinstimmt; vgl.Definition 12.2.8. Als Beispiel betrachte man dazu einfach konstante Netze.

  • 422 12 Topologische Grundlagen

    12.2.14 Bemerkung (*). Vergleicht man das mit Proposition 12.2.7, so ist x Häufungs-punkt von (xi)i∈I genau dann, wenn er im Schnitt aller Mengen der Form

    {x j : j ∈ I, i � j} ,also in ⋂

    i∈I{x j : j ∈ I, i � j} (12.4)

    enthalten ist.Offenbar ist ein Limes eines Netzes auch Häufungspunkt. Die Umkehrung gilt im Allge-meinen nicht, wie man z. B. bei Folgen in R schon unschwer erkennen kann.

    Eine alternative Charakterisierung von Häufungspunkten verwendet das Konzept vonTeilnetzen.

    12.2.15 Lemma (*). Der Punkt x ist Häufungspunkt von (xi)i∈I genau dann, wenn x Limeseines Teilnetzes (xi(k))k∈K ist.

    Beweis. Ist (xi(k))k∈K ein Teilnetz, so gibt es zu i0 ∈ I ein k0 ∈ K, sodass i0 � i(k) für allek � k0. Also gilt

    {xi : i ∈ I, i0 � i} ⊇ {xi(k) : k ∈ K, k0 � k} ,und damit ⋂

    i0∈I{xi : i ∈ I, i0 � i} ⊇

    k0∈K{xi(k) : k ∈ K, k0 � k} . (12.5)

    Ist nun x Limes von (xi(k))k∈K , so ist er insbesondere Häufungspunkt dieses Teilnetzes, undwegen (12.5) ein Häufungspunkt von (xi)i∈I .Ist umgekehrt x Häufungspunkt von (xi)i∈I , so betrachte die Menge

    K = {( j,U) : j ∈ I,U ∈ U(x), x j ∈ U}versehen mit der Relation ( j1,U1) � ( j2,U2) :⇔ j1 � j2 ∧ U1 ⊇ U2.Sind ( j1,U1), ( j2,U2) ∈ K, und ist j′ ∈ I mit j1, j2 � j′, so gibt es wegen der Voraussetzungzu der Umgebung U3 = U1 ∩ U2 von x ein j3 ∈ I mit j′ � j3 und x j3 ∈ U3. Also gilt( j1,U1), ( j2,U2) � (i3,U3), und wir sehen, dass (K,�) eine gerichtete Menge ist.Setzen wir i( j,U) = j, so ist (xi( j,U))( j,U)∈K ein gegen x konvergentes Teilnetz von (xi)i∈I . q

    12.2.16 Lemma (*). Ein Netz (xi)i∈I konvergiert genau dann gegen x, wenn x Häufungs-punkt eines jeden Teilnetzes von (xi)i∈I ist.

    Beweis. Konvergiert (xi)i∈I gegen x, so auch jedes Teilnetz, und daher ist x Häufungspunktdieses Teilnetzes.Ist (xi)i∈I nicht gegen x konvergent, so gibt es eine Umgebung U von x, sodass

    ∀i ∈ I ∃ j ∈ I, i � j : x j < U .Dieses Faktum stellt sicher, dass (K,� |K×K) mit K = {i ∈ I : xi < U} eine gerichtete Mengeist, wobei das Teilnetz (xi)i∈K den Punkt x offenbar nicht als Häufungspunkt hat. q

  • 12.3 Stetige Abbildungen 423

    12.3 Stetige Abbildungen12.3.1 Definition. Seien (X,T ) und (Y,O) topologische Räume und f : X → Y eineAbbildung. Ist x ∈ X, so heißt f stetig im Punkt x, wenn gilt:

    Für alle V ∈ U( f (x)) existiert ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V .Die Abbildung f heißt stetig, wenn sie in jedem Punkt x ∈ X stetig ist.12.3.2 Beispiel.

    (i) Sei (X,T ) topologischer Raum. Die Abbildung idX : (X,T ) → (X,T ) ist stetig,denn ist x ∈ X und V ∈ U(idX x) = U(x), so erfüllt U = V ∈ U(x) die BedingungidX(U) = V ⊆ V .

    (ii) Seien (X,T ), (Y,O) topologische Räume und sei a ∈ Y . Die konstante Abbildung

    f :{

    (X,T ) → (Y,O) ,x 7→ a .

    ist stetig, denn ist x ∈ X und V ∈ U( f (x)) = U(a), so erfüllt U = X ∈ U(x) dieBedingung f (U) = {a} ⊆ V .

    (iii) Sei X versehen mit der diskreten Topologie T = P(X), und sei (Y,O) irgendeintopologischer Raum. Dann ist jede Abbildung f : (X,P(X))→ (Y,O) stetig. In derTat gilt für x ∈ X, V ∈ U( f (x)), dass U = {x} ∈ U(x) die geforderte Inklusionf (U) = { f (x)} ⊆ V erfüllt.

    Zieht man in Betracht, dass in einem metrischen Raum die �-Kugeln eine Umgebungsbasisum einen Punkt bilden, so ist das im folgenden Lemma auftretende Kriterium (ii) für dieStetigkeit eine unmittelbare Verallgemeinerung des wohlbekannten � - δ Kriteriums ausDefinition 6.1.1.Bei Funktionen auf metrischen Räumen haben wir auch gesehen, dass die Stetigkeit ineinem Punkt x auch durch die Implikation

    xn → x⇒ limn→∞

    f (xn) = f (x)

    charakterisiert werden kann. Man hat in allgemeinen topologischen Räumen eine ähnlicheCharakterisierung, wobei man jedoch nicht mehr mit Folgen das Auslangen findet, siehe(iii) im folgenden Lemma.

    12.3.3 Lemma. Seien (X,T ), (Y,O) topologische Räume, f : X → Y eine Abbildung,x ∈ X, und seienW(x) bzw. W( f (x)) beliebige Umgebungsbasen von x in (X,T ) bzw. vonf (x) in (Y,O). Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

    (i) f ist im Punkt x stetig.

    (ii) Für jedes V ∈ W( f (x)) existiert ein U ∈ W(x) mit f (U) ⊆ V.

  • 424 12 Topologische Grundlagen

    (iii) Für jedes gegen x konvergente Netz (xi)i∈I in X folgt, dass das Netz ( f (xi))i∈I gegenf (x) konvergiert.

    Beweis.

    (i)⇒ (ii) : Sei V ∈ W( f (x)). Dann ist auch V ∈ U( f (x)) und daher gibt es U′ ∈ U(x) mitf (U′) ⊆ V; vgl. Definition 12.3.1. Nun ist W(x) Umgebungsbasis von x. GemäßDefinition 12.1.7 gibt es ein U ∈ W(x) mit U ⊆ U′ und infolge f (U) ⊆ V .

    (ii)⇒ (i) : Sei V ∈ U( f (x)), und wähle W ∈ W( f (x)) mit W ⊆ V . Dann gibt es U ∈W(x) ⊆ U(x) mit f (U) ⊆ W ⊆ V . Nach Definition 12.3.1 ist f somit in x stetig.

    (i)⇒ (iii) : Konvergiert (xi)i∈I gegen x, und ist V ∈ U( f (x)), so existiert wegen der Stetig-keit ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V . Wegen der Konvergenz findet man ein ein i0 ∈ I,sodass i � i0 ⇒ xi ∈ U und damit auch f (xi) ∈ V . Also konvergiert ( f (xi))i∈I gegenf (x).

    (iii)⇒ (i) : Wäre f nicht bei x stetig, so gäbe es eine Umgebung V von f (x), sodassf (U) ∩ Vc , ∅, oder äquivalent U ∩ f −1(Vc) , ∅, für alle U ∈ U(x). Nach Lemma12.2.6 gibt es ein Netz (xi)i∈I in f −1(Vc), welches gegen x konvergiert. Andererseitsist aber f (xi) ∈ Vc für alle i ∈ I, womit ( f (xi))i∈I sicherlich nicht gegen f (x)konvergieren kann. q

    12.3.4 Bemerkung. Mit einer Konstruktion ähnlich wie in Bemerkung 12.2.10 sieht man,dass, wenn X das erste Abzählbarkeitsaxiom erfüllt, also insbesondere in metrischenRäumen, die Stetigkeit bei x mit Hilfe von Folgen dadurch charakterisiert werden kann,dass aus xn → x auch limn→∞ f (xn) = f (x) folgt.12.3.5 Beispiel. Sei (X,T ) ein topologischer Raum. Eine Abbildung f : X → [−∞,+∞)heißt in einem Punkt x ∈ X halbstetig von oben oder oberhalbstetig, falls f im Punkt xstetig ist, wenn man [−∞,+∞) mit der Topologie T< = {[−∞, a) : a ∈ [−∞,+∞]} versieht;vgl. Beispiel 12.1.4, (v). f heißt halbstetig von oben bzw. oberhalbstetig auf X, wenn fbei allen x ∈ X halbstetig von oben ist, also wenn f : X → [−∞,+∞) stetig ist, wobei[−∞,+∞) die Topologie T< trägt.In Beispiel 12.1.14, (ii), haben wir gesehen, dass ein Netz (ξi)i∈I in [−∞,+∞) gegen einξ ∈ [−∞,+∞) bezüglich T< genau dann konvergiert, wenn ξ ≥ lim supi∈I ξi. Aus Lemma12.3.3 erkennen wir somit, dass f in x genau dann von oben halbstetig ist, wenn

    f (x) ≥ lim supi∈I

    f (xi)

    für alle gegen x konvergente Netze (xi)i∈I aus X.Eine Funktion f : X → (−∞,+∞] heißt in einem Punkt x ∈ X halbstetig von untenoder unterhalbstetig, falls f im Punkt x stetig ist, wenn man (−∞,+∞] mit der TopologieT> = {(a,+∞] : a ∈ [−∞,+∞]} versieht. Offenbar ist diese Eigenschaft zur Halbstetigkeitvon oben der Funktion − f bei x und somit auch zu f (x) ≤ lim infi∈I f (xi) für alle gegen xkonvergente Netze (xi)i∈I aus X äquivalent.

  • 12.3 Stetige Abbildungen 425

    12.3.6 Satz. Seien (X,T ), (Y,O) topologische Räume, und sei f : X → Y. Dann sindfolgende Aussagen äquivalent:

    (i) f ist stetig.

    (ii) f −1(O) ∈ T für jede offene Menge O ∈ O; also die Urbilder von offenen Mengensind offen.

    (iii) Die Urbilder von abgeschlossenen Mengen sind abgeschlossen.

    (iv) Für jede Teilmenge B ⊆ X gilt f (B) ⊆ f (B).Beweis.

    (i)⇒ (ii) : Sei O ∈ O. Ist x ∈ f −1(O), so gilt f (x) ∈ O. Da O offen ist, erhalten wir O ∈U( f (x)). Infolge gibt es eine Umgebung U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ O, bzw. äquivalentdazu U ⊆ f −1(O). Mit Lemma 12.1.10 folgt f −1(O) ∈ T .

    (ii)⇒ (iii) : Sei A abgeschlossene Teilmenge von Y . Dann ist (A)c offen und wegen (ii)gilt (

    f −1(A))c

    = f −1(Ac) ∈ T .Also ist f −1(A) abgeschlossen.

    (iii)⇒ (iv) : Wegen f (B) ⊇ f (B) gilt f −1( f (B)) ⊇ B. Da nach Voraussetzung f −1( f (B))abgeschlossen in (X,T ) ist, folgt f −1( f (B)) ⊇ B und daher f (B) ⊇ f (B).

    (iv)⇒ (i) : Sei x ∈ X und V ∈ U( f (x)) gegeben. Wir müssen ein U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ Vkonstruieren. Dazu setze man W := f −1(V). Dann gilt f (Wc) = f ( f −1(Vc)) ⊆ Vc unddaher f (Wc) ⊆ f (Wc) ⊆ Vc.Aus Proposition 12.2.7 erhalten wir wegen V ∈ U( f (x)) und V ∩ Vc = ∅, dass f (x) <Vc und wegen obiger Inklusion infolge x < Wc. Also gilt x ∈ (Wc)c = W◦, womitU := W◦ ∈ U(x). Dabei ist U ⊆ W = f −1(V) und daher f (U) ⊆ f (W) ⊆ V . q

    Bedingung (ii) in Satz 12.3.6 lässt sich kurz durch f −1(O) ⊆ T beschreiben, wobei wir füreine Abbildung f : X → Y die Schreibweise

    f −1(C) :={f −1(C) : C ∈ C

    } ( ⊆ P(X)) ,

    und später auchf (B) :=

    {f (B) : B ∈ B

    } ( ⊆ P(Y)) ,für B ⊆ P(X) bzw. C ⊆ P(Y) verwenden.12.3.7 Lemma. Seien (X,T ) und (Y,O) topologische Räume, wobei (Y,O) das Hausdorff-sche Axiom (T2) erfülle. Ist D eine dichte Teilmenge von X, und sind f , g zwei stetigeFunktionen von X nach Y, sodass f |D = g|D, dann folgt f = g.

  • 426 12 Topologische Grundlagen

    Beweis. Angenommen f (x) , g(x) für ein x ∈ X \D. Wegen der Hausdorff-Voraussetzunggibt es O1,O2 ∈ O mit O1 ∩ O2 = ∅ und f (x) ∈ O1, g(x) ∈ O2. Da f und g stetig sind,gibt es U1,U2 ∈ U(x), sodass f (U1) ⊆ O1, g(U2) ⊆ O2. Wegen U1 ∩ U2 ∈ U(x) folgtU1 ∩ U2 ∩ D , ∅, und wir erhalten den Widerspruch

    ∅ , f (U1 ∩ U2 ∩ D) = g(U1 ∩ U2 ∩ D) ⊆ O1 ∩ O2 = ∅ . qAlternativ kann man argumentieren, dass es zu x ∈ X \ D wegen Proposition 12.2.7 eingegen x konvergentes Netz (xi)i∈I in D gibt. Die Netze

    (f (xi)

    )i∈I und

    (g(xi)

    )i∈I konvergieren

    wegen Lemma 12.3.3 gegen f (x) bzw. g(x). Andererseits sind(f (xi)

    )i∈I und

    (g(xi)

    )i∈I

    identisch und haben wegen Lemma 12.1.17 denselben Grenzwert; also f (x) = g(x).

    12.3.8 Lemma. Seien (X,T ), (Y,O), (Z,R) topologische Räume und f : X → Y, g : Y → ZFunktionen. Ist f stetig in einem Punkt x ∈ X und ist g stetig im Punkt f (x), so ist g ◦ fstetig im Punkt x. Insbesondere ist g ◦ f stetig, wenn f , g es sind.Beweis. Sei W ∈ U((g ◦ f )(x)). Da g stetig im Punkt f (x) ist, gibt es V ∈ U( f (x)) mitg(V) ⊆ W. Da f stetig im Punkt x ist, gibt es U ∈ U(x) mit f (U) ⊆ V . Insgesamt gilt

    (g ◦ f )(U) = g( f (U)) ⊆ g(V) ⊆ W . q12.3.9 Definition. Seien (X,T ) und (Y,O) topologische Räume, und sei f : X → Y . Dannheißt f ein Homöomorphismus von (X,T ) nach (Y,O), wenn f bijektiv ist und wennf (T ) = O gilt. Zwei topologische Räume (X,T ) und (Y,O) heißen homöomorph, wenn eseinen Homöomorphismus von (X,T ) nach (Y,O) gibt.12.3.10 Lemma. Seien (X,T ), (Y,O), (Z,R) topologische Räume.

    (i) Eine Bijektion f : X → Y ist genau dann ein Homöomorphismus, wenn sowohl f alsauch f −1 stetig sind.

    (ii) Sind f : X → Y und g : Y → Z Homöomorphismen, so ist auch g ◦ f : X → Z einHomöomorphismus.

    (iii) Für eine weitere Topologie T ′ auf X ist die Abbildung idX : (X,T ) → (X,T ′) istgenau dann ein Homöomorphismus, wenn T = T ′.

    Beweis.

    (i) Für ein bijektives f gilt f (T ) = O genau dann, wenn f −1(O) ⊆ T und f (T ) ⊆ O.(ii) Folgt unmittelbar aus (i) und Lemma 12.3.8.

    (iii) Das folgt unmittelbar aus idX(T ) = T . q12.3.11 Beispiel.

    (i) Die Abbildung tan : (−π2 , π2 )→ R ist ein Homöomorphismus, wenn man (−π2 , π2 ) undR jeweils mit der Euklidischen Topologie versieht.

  • 12.4 Basis, Subbasis 427

    (ii) Ist eine gegebene Menge X mit zwei verschiedenen Metriken d1 und d2 versehen, dieaber äquivalent sind, also es gibt α, β > 0, sodass für alle x, y ∈ Y

    αd1(x, y) ≤ d2(x, y) ≤ d1(x, y) , (12.6)so zeigt man leicht mit Hilfe der Charakterisierung der Stetigkeit in metrischenRäumen durch Folgen (siehe Proposition 6.1.4), dass dann idX : (X, d1) → (X, d2)und idX : (X, d2)→ (X, d1) beide stetig sind. Also induzieren diese Metriken dieselbeTopologie: T (d1) = T (d2). Siehe dazu auch Übungsbeispiel 5.1.

    (iii) Sei X ein Vektorraum versehen mit zwei Normen ‖.‖1 und ‖.‖2. Sind diese äquivalent(vgl. Definition 9.2.1), so sieht man sofort, dass die jeweils induzierten Metrikenebenfalls äquivalent sind. Somit stimmen die Topologien, die von den zu ‖.‖1 und ‖.‖2gehörigen Metriken erzeugt werden, überein.

    (iv) Man betrachte C versehen mit der euklidischen Metrik d2 und mit der chordalenMetrik χ. Es ist wohlbekannt, dass zn → z in C bezüglich d2 genau dann, wenn zn → zbezüglich χ. Also ist die Abbildung idC als Abbildung von (C, d2) nach (C, χ) undauch als Abbildung von (C, χ) nach (C, d2) stetig. Somit gilt T (d2) = T (χ), obwohldie beiden Metriken nicht äquivalent im Sinne von (12.6) sind.

    (v) Man betrachte einerseits C ∪ {∞} versehen mit der chordalen Metrik χ. Andererseitssei S die Oberfläche der Kugel mit Durchmesser 1 im R3, die so auf die Ebene R2 zuliegen kommt, dass ihr Südpol den Nullpunkt berührt. Wir versehen S mit d2:

    d2((α, β, γ)T , (ξ, η, ζ)T ) =√

    (α − ξ)2 + (β − η)2 + (γ − ζ)2 .Die Stereographische Projektion σ : S → C ∪ {∞} ist bekannterweise eine Isometrie,also χ(σ(x), σ(y)) = d2(x, y). Somit sind σ und σ−1 stetig, und σ ist infolge einHomöomorphismus.

    12.4 Basis, SubbasisWir betrachten nun eine feste Menge X und die Mengex(X) aller möglichen Topologien aufX. Die Elemente T von x(X) sind also Teilmengen von P(X), und daher x(X) ⊆ P(P(X)).Wir sagen eine Topologie T1 ist gröber als eine Topologie T2 bzw. T2 feiner als T1, wennT1 ⊆ T2. Aus Satz 12.3.6 erkennt man leicht, dass T1 genau dann gröber als T2 ist, wennid : (X,T2)→ (X,T1) stetig ist.12.4.1 Lemma. IstTi, i ∈ I, eine Familie von Topologien, so ist auch ∩i∈ITi eine Topologie.In der Tat, ist dieser Schnitt die feinste Topologie, die gröber als alle Ti, i ∈ I, ist.Für ein Mengensystem C ⊆ P(X) ist

    T (C) =⋂{T ∈ x(X) : C ⊆ T } (12.7)

    die gröbste Topologie, die C enthält.

  • 428 12 Topologische Grundlagen

    Beweis. Wir müssen nachweisen, dass ∩i∈ITi die Axiome (O1) - (O3) erfüllt. Die Mengen∅, X sind in allen Ti enthalten, da diese ja Topologien sind. Also sind diese Mengen auchim Schnitt enthalten. Es folgt (O1). Aus O1,O2 ∈ ∩i∈ITi folgt O1,O2 ∈ Ti, i ∈ I, undsomit O1 ∩ O2 ∈ Ti, i ∈ I. Also gilt O1 ∩ O2 ∈ ∩i∈ITi, und daher (O2); vgl. Bemerkung12.1.3. Sind O j ∈ ∩i∈ITi, j ∈ J, so folgt für jedes i ∈ I, dass O j ∈ Ti, j ∈ J, und weiter⋃

    j∈J O j ∈ Ti. Nun gilt das wieder für alle i ∈ I, also⋃

    j∈J O j ∈ ∩i∈ITi, und somit (O3).Klarerweise ist ∩i∈ITi in allen Ti enthalten. Ist andererseits T ⊆ Ti, i ∈ I, so auchT ⊆ ∩i∈ITi. Also ist der Schnitt die feinste in allen Ti enthaltene Topologie.Offenbar enthält der Schnitt T (C) von Mengensystemen, die alle C enthalten, wieder C.Ist andererseits T ⊇ C eine Topologie, so gehört T zur Menge auf der linken Seite von(12.7) und daher T ⊇ T (C). Also ist T (C) die gröbste Topologie, die C enthält. q12.4.2 Definition. Sei (X,T ) ein topologischer Raum.� Ein Mengensystem B ⊆ P(X) heißt Basis von T , wenn B ⊆ T und wenn es für alle

    O ∈ T und x ∈ O ein B ∈ B mit x ∈ B ⊆ O gibt.� Ein Mengensystem C ⊆ P(X) heißt Subbasis von T , wenn C ⊆ T und wenn es für

    alle O ∈ T ,O , X, und x ∈ O endlich viele C1, . . . ,Cn ∈ Cmit x ∈ C1∩· · ·∩Cn ⊆ Ogibt.

    � Man sagt ein topologischer Raum (X,T ) erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom(ABII), wenn T eine abzählbare Basis besitzt.

    12.4.3 Bemerkung. Sei O ⊆ X und B ⊆ P(X). Die Tatsache, dass es zu jedem x ∈ O einB ∈ B gibt mit x ∈ B ⊆ O, lässt sich kurz folgendermaßen anschreiben:

    O =⋃

    B∈B, B⊆OB .

    12.4.4 Bemerkung. Offensichtlich ist C ⊆ P(X) genau dann eine Subbasis von T , wenndas Mengensystem E aller endlichen Schnitte von C samt X, also

    E := {X} ∪{ n⋂

    i=1

    Ci : n ∈ N, C1, . . . ,Cn ∈ C}

    eine Basis von T abgibt. Klarerweise enthält E das Mengensystem C. Der Grund, warumman X extra in E hineingeben muss, ist der, dass wir in Definition 12.4.2 für Subbasis nurverlangen, dass es zu jedem offenen O ungleich X und x ∈ O Mengen C1, . . . ,Cn ∈ C gibtmit x ∈ C1 ∩ · · · ∩Cn ⊆ O.12.4.5 Beispiel.

    (i) Ist (Y, d) ein metrischer Raum, so folgt aus der Definition der von d induziertenTopologie T (d) sofort, dass

    {U�(x) : x ∈ Y, � > 0}eine Basis von T (d) ist.

  • 12.4 Basis, Subbasis 429

    (ii) Die Euklidische Topologie T (d2) auf R hat die Menge aller offenen Intervalle

    {(a, b) ⊆ R : a, b ∈ R, a < b}

    als Basis. Da man zu a < x < b aus R wegen der Dichteeigenschaft von Q (siehe Satz2.8.3) sicherlich s, t ∈ Q findet, sodass a < s < x < t < b, ist auch

    {(s, t) ⊆ R : s, t ∈ Q, s < t}

    eine Basis von T (d2). Also erfüllt (R,T (d2)) das zweite Abzählbarkeitsaxiom (ABII).(iii) Ähnlich zeigt man, dass {[−∞, a) : a ∈ Q} eine Basis der Topologie T< := {[−∞, a) :

    a ∈ [−∞,+∞]} auf [−∞,+∞) ist; vgl. Beispiel 12.1.4, (v). Insbesondere gilt auchhier das zweite Abzählbarkeitsaxiom.

    (iv) Wegen (a, b) = (a,+∞) ∩ (−∞, b) folgt damit unmittelbar, dass

    {(a,+∞) ⊆ R : a ∈ R} ∪ {(−∞, b) ⊆ R : b ∈ R}

    eine Subbasis von T (d2) auf R ist.(v) Betrachte den Rp versehen mit d∞. Da dort für die �-Kugeln

    U�(x) = (ξ1 − �, ξ1 + �) × · · · × (ξp − �, ξp + �)

    gilt, wobei x = (ξ j)pj=1, folgt, dass die Menge

    {(a1, b1) × · · · × (ap, bp) : a j, b j ∈ R, a j < b j, j = 1, . . . , p}

    aller p-dimensionalen Quader eine Basis von T (d∞) abgibt. Wegen T (d∞) = T (d2)(siehe Beispiel 12.3.11) ist diese Menge trivialerweise auch eine Basis von T (d2).Ähnlich wie für R sieht man, dass auch

    {(s1, t1) × · · · × (sp, tp) : s j, t j ∈ Q, s j < t j, j = 1, . . . , p}

    eine abzählbare Basis von T (d2) ist.12.4.6 Satz. Ist B ⊆ P(X) Basis einer gegebenen Topologie T auf X, so erfüllt B:(B1) Ist B1, B2 ∈ B, x ∈ B1 ∩ B2, so existiert B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊆ B1 ∩ B2.(B2)

    ⋃B∈B B = X.

    Außerdem ist T die gröbste Topologie, die B enthält, also T = T (B).Ist C ⊆ P(X) Subbasis einer gegebenen Topologie T auf X, so ist T die gröbste Topologie,die C enthält, also T = T (C).

  • 430 12 Topologische Grundlagen

    Beweis. Wegen B ⊆ T muss T (B) ⊆ T . Ist andererseits O ∈ T , so folgt aus der Tatsache,dass B eine Basis ist, zusammen mit Bemerkung 12.4.3

    O =⋃

    B∈B, B⊆OB . (12.8)

    Wegen B ⊆ T (B) und wegen (O3) ist jede dieser Mengen auch in T (B), also T ⊆ T (B).Aus (12.8) angewandt auf O = X sieht man unmittelbar, dass (B2) erfüllt ist. Für B1, B2 ∈B ⊆ T gilt B1∩B2 ∈ T . Aus B1∩B2 = ⋃{B ∈ B : B ⊆ B1∩B2} folgt für jedes x ∈ B1∩B2die Existenz eines B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊆ B1 ∩ B2. Also gilt auch (B1).Ist schließlich C ⊆ P(X) eine Subbasis von T , so folgt aus Bemerkung 12.4.4, dass E eineBasis von T ist, und daher T = T (E). Wegen C ⊆ E gilt T (C) ⊆ T (E). Ist andererseitsE ∈ E, so gilt E = X oder E = C1 ∩ · · · ∩ Cn für C1, . . . ,Cn ∈ C ⊆ T (C). Aus (O1) bzw.(O2) folgt dann E ∈ T (C), und daher E ⊆ T (C). Somit gilt auch T (E) ⊆ T (C), undinsgesamt T = T (E) = T (C). q12.4.7 Lemma. Seien (X,T ) und (Y,O) topologische Räume und f : X → Y eine Abbil-dung. Ist C eine Subbasis von O, so ist f genau dann stetig, wenn f −1(C) ⊆ T .Beweis. Aus der Stetigkeit folgt unmittelbar f −1(C) ⊆ f −1(O) ⊆ T .Ist umgekehrt f −1(C) ⊆ T , so prüft man leicht nach, dass

    O′ := {O′ ⊆ Y : f −1(O′) ∈ T }die Axiome (O1) - (O3) erfüllt, also eine Topologie ist. Da laut Voraussetzung C ⊆ O′,muss auch O = T (C) ⊆ O′, und daher f −1(O) ∈ T für alle O ∈ O. qWir wollen nun den umgekehrten Weg wie in Satz 12.4.6 gehen.

    12.4.8 Satz. Erfüllt B ⊆ P(X) die Axiome (B1) und (B2), so ist B eine Basis von T (B).Außerdem stimmt T (B) mit dem System T aller Mengen O ⊆ X der Bauart

    O =⋃

    B∈VB

    mit einem (von O abhängigen) TeilsystemV ⊆ B überein; also T (B) = T , wobeiT = {O ⊆ X : ∃V ⊆ B, O =

    B∈VB} . (12.9)

    Für C ⊆ P(X) ist C eine Subbasis von T (C). Außerdem stimmt T (C) mit dem System{O ⊆ X : ∃V ⊆ E, O =

    B∈VB} (12.10)

    überein, wobei

    E := {X} ∪{ n⋂

    i=1

    Ci : n ∈ N, C1, . . . ,Cn ∈ C}

    die Axiome (B1) und (B2) erfüllt.

  • 12.5 Initiale Topologie 431

    Beweis.

    Wir zeigen zunächst, dass T definiert in (12.9) eine Topologie auf X ist. In der Tatgilt

    ∅ =⋃

    B∈∅B ∈ T ,

    und wegen (B2)X =

    B∈BB ∈ T .

    Also ist (O1) erfüllt. Die Bedingung (O3) folgt aus⋃

    i∈I

    ( ⋃

    B∈ViB)

    =⋃

    B∈⋃i∈IViB .

    Es bleibt (O2) zu zeigen. Seien also O1 =⋃

    B∈V1 B, O2 =⋃

    B∈V2 B gegeben. Jedesx ∈ O1 ∩ O2 liegt somit in einem B1 ∈ V1 und einem B2 ∈ V2. Nach (B1) gibt esein B ∈ B mit x ∈ B ⊆ B1 ∩ B2 ⊆ O1 ∩ O2. Wir erhalten (vgl. Bemerkung 12.4.3)

    O1 ∩ O2 =⋃

    B∈VB ,

    wobeiV := {B ∈ B : B ⊆ O1 ∩ O2}; also O1 ∩ O2 ∈ T . Offensichtlich gilt B ⊆ T . Ist x ∈ O ∈ T , so folgt aus (12.9), dass x ∈ B ⊆ O für

    ein gewisses B ∈ B. Also ist B Basis von T , und wegen Satz 12.4.6 ist damit T diegröbste Topologie T (B), die B umfasst.

    Für C ⊆ P(X) sieht man unmittelbar, dass X ∈ E und dass mit E1, E2 ∈ E auchE1 ∩ E2 ∈ E. Insbesondere erfüllt E (B1) und (B2). Nach dem oben gezeigten ist EBasis von T (E), wobei T (E) mit der Topologie in (12.10) übereinstimmt. WegenBemerkung 12.4.4 bedeutet das, dass C eine Subbasis von T (E) ist, und aus Satz12.4.6 folgt damit schließlich T (C) = T (E). q

    12.5 Initiale TopologieMit dem Konzept Basis und Subbasis können wir auf einer gegebenen Menge ausgezeich-nete Topologien definieren, die gewisse Eigenschaften haben.

    12.5.1 Satz. Seien X eine Menge, (Yi,Ti), i ∈ I, topologische Räume und fi : X → Yi, i ∈ I,Abbildungen.

    X

    (Yk,Tk)

    fk(Y j,T j)

    f j

    (Yi,Ti)f i

  • 432 12 Topologische Grundlagen

    Dann existiert genau eine Topologie T auf X mit folgender Eigenschaft:(IN1) T ist die gröbste Topologie auf X, sodass fi : (X,T )→ (Yi,Ti) für alle i ∈ I stetig

    ist.

    Diese Topologie heißt initiale Topologie bezüglich der fi. Für sie gelten auch folgendebeiden Eigenschaften:

    (IN2)⋃

    i∈I f −1i (Ti) ist eine Subbasis von T .(IN3) Ist (Y,O) ein beliebiger topologischer Raum und f : Y → X, so ist f : (Y,O) →

    (X,T ) genau dann stetig, wenn alle Abbildungen fi ◦ f : (Y,O) → (Yi,Ti), i ∈ I,stetig sind.

    Beweis.

    Ist T ′ eine beliebige Topologie auf X, so ist fi : (X,T ′)→ (Xi,Ti) genau dann stetig,wenn f −1i (Ti) ⊆ T ′. Also sind alle fi genau dann stetig, wenn

    i∈If −1i (Ti) ⊆ T ′ . (12.11)

    Nach Lemma 12.4.1 gibt es eine gröbste Topologie T = T (⋃i∈I f −1i (Ti)), die (12.11)erfüllt. Damit ist aber auch T die gröbste Topologie, sodass alle fi stetig sind. Alsogilt (IN1).

    Wegen Satz 12.4.8 ist⋃

    i∈I f −1i (Ti) Subbasis von T , und es gilt auch (IN2). Sei f : (Y,O) → (X,T ), wobei T die initiale Topologie der fi, i ∈ I, ist. Im Falle

    der Stetigkeit von f sind auch alle fi ◦ f : (Y,O) → (Yi,Ti) als Zusammensetzungstetiger Abbildungen stetig.

    Seien umgekehrt alle fi ◦ f stetig, es gelte also ( fi ◦ f )−1(Ti) ⊆ O. Dann folgtf −1( f −1i (Ti)) ⊆ O und damit

    f −1(⋃

    i∈If −1i (Ti)) ⊆ O .

    Da⋃

    i∈I f −1i (Ti) eine Subbasis von T ist, folgt aus Lemma 12.4.7, dass f stetig ist.Die initiale Topologie T hat also die Eigenschaft (IN3). q

    12.5.2 Bemerkung (*). Die initiale Topologie T ist in der Tat die einzige Topologie T ′mit der Eigenschaft (IN3). Um das einzusehen, sei T ′ eine weitere Topologie auf X mitdieser Eigenschaft.Da die Abbildung idX : (X,T ′) → (X,T ′) trivialerweise stetig ist, folgt aus (IN3) ange-wandt auf T ′, dass alle fi ◦ idX : (X,T ′) → (Yi,Ti) stetig sind. Aus (IN1) folgt T ⊆ T ′.Für idX : (X,T ) → (X,T ′) sind andererseits alle fi ◦ idX = fi : (X,T ) → (Yi,Ti) stetig.Mit (IN3) angewandt auf T ′ folgt die Stetigkeit von idX : (X,T )→ (X,T ′), und daher giltauch T ′ ⊆ T .

  • 12.5 Initiale Topologie 433

    12.5.3 Lemma. Mit der Notation aus Satz 12.5.1 sei (x j) j∈J ein Netz in X. Dieses kon-vergiert bzgl. T gegen ein x ∈ X genau dann, wenn ( fi(x j)) j∈J für alle i ∈ I gegen fi(x)konvergiert.

    Beweis. Konvergiert (x j) j∈J gegen x bzgl. T , so folgt aus der Stetigkeit der fi mit Lemma12.3.3, dass

    (fi(x j)

    )j∈J gegen fi(x) konvergiert.

    Konvergiere umgekehrt(fi(x j)

    )j∈J gegen fi(x) für alle i ∈ I. Für ein U ∈ U(x) mit U , X

    und O ∈ T mit x ∈ O ⊆ U folgt aus der Tatsache, dass ⋃i∈I f −1i (Ti) eine Subbasis von Tist (vgl. (IN2) aus Satz 12.5.1), und Definition 12.4.2, dass

    x ∈ f −1i1 (O1) ∩ · · · ∩ f −1im (Om) ⊆ O ,wobei i1, . . . , im ∈ I, O1 ∈ Ti1 , . . . ,Om ∈ Tim . Also folgt fik(x) ∈ Ok für k = 1, . . . ,m. LautVoraussetzung gibt es zu jedem k = 1, . . . ,m einen Index jk ∈ J, sodass j � jk immerfik(x j) ∈ Ok nach sich zieht. Ist nun j0 ∈ J derart, dass j0 � jk, k = 1, . . . ,m, so folgt fürj � j0 jedenfalls fik(x j) ∈ Ok, k = 1, . . . ,m, und daher

    x j ∈ f −1i1 (O1) ∩ · · · ∩ f −1im (Om) ⊆ O ⊆ U . qDie Konstruktion der Initialen Topologie ist assoziativ.

    X

    Y j

    (Z j,l,T j,l)g j,l

    (Z j,k,T j,k)g j,k

    fj

    Yi

    (Zi,l,Ti,l)gi,l

    (Zi,k,Ti,k)gi,k

    f i

    gjl ◦ fj

    g jk ◦ f j

    gil ◦ fi

    g ik ◦ f i

    Abbildung 12.2: Veranschaulichung der Assoziativität der Initialtopologiebildung

    12.5.4 Korollar. Seien X, Yi, i ∈ I, topologische Räume und fi : X → Yi, i ∈ I, Abbildungen.Weiters seien zu jedem i ∈ I eine Indexmenge Ji und topologische Räume (Zi, j,Ti, j) undAbbildungen gi, j : Yi → Zi, j gegeben. Für jedes i ∈ I versehen wir Yi mit der initialenTopologie Ti bezüglich der Abbildungen gi, j, j ∈ Ji.Unter diesen Voraussetzungen stimmt die initiale Topologie T1 auf X bezüglich der Abbil-dungen fi : X → Yi, i ∈ I, mit der initialen Topologie T2 auf X bezüglich der Abbildungengi, j ◦ fi : X → Zi, j, i ∈ I, j ∈ Ji, überein.

  • 434 12 Topologische Grundlagen

    Beweis. Ist T irgendeine Topologie auf X, so ist wegen (IN3) angewandt auf die (Yi,Ti)die Tatsache, dass alle Abbildungen fi : X → Yi, i ∈ I, stetig sind, dazu äquivalent, dassalle Abbildungen gi, j ◦ fi : X → Zi, j, i ∈ I, j ∈ Ji, stetig sind.Also stimmt die gröbste aller Topologien, welche die erste Bedingung erfüllen, – wegen(IN1) ist das T1 – mit der gröbsten aller Topologien, welche die zweite Bedingung erfüllen,– wegen (IN1) ist das T2 – überein. q

    12.6 Spur- und Produkttopologie12.6.1 Definition. Sei (Y,T ) ein topologischer Raum und X ⊆ Y . Weiters sei ι : X → Ydie kanonische Einbettung, ι(x) = x. Die initiale Topologie auf X bezüglich der Abbildungι heißt die Spurtopologie von T auf X und wird bezeichnet als T |X. Man spricht von(X,T |X) als einem Teilraum von (Y,T ).

    12.6.2 Fakta.

    1. Wegen Satz 12.5.1 ist ι−1(T ) = {O∩ X : O ∈ T } ⊆ P(X) eine Subbasis für T |X. Nunerfüllt diese Menge selbst schon (O1) − (O3), also gilt

    T |X = {O ∩ X : O ∈ T } . (12.12)

    Daraus erhält man leicht, dass der Umgebungsfilter U|X(x) eines Elementes x ∈ Xbezüglich T |X übereinstimmt mit

    U|X(x) = {U ∩ X : U ∈ U(x)} .

    2. Aus (12.12) erhält man auch, dass das System A|X der in (X,T |X) abgeschlossenenMengen gegeben ist durch A|X = {A ∩ X : A ∈ A}. Somit gilt für B ⊆ X

    BT |X

    = BT ∩ X . (12.13)

    3. Erfüllt (Y,T ) das Axiom (T2), so folgt aus (12.12), dass auch (X,T |X) dieses Axiomerfüllt.

    4. Aus (IN3) erhalten wir, dass eine Funktion f : (Z,O)→ (X,T |X) genau dann stetigist, wenn f : (Z,O)→ (Y,T ) stetig ist.

    5. Ist (x j) j∈J ein Netz in X und x ∈ X, so folgt aus Lemma 12.5.3, dass (x j) j∈J genaudann gegen x bzgl. T konvergiert, wenn (x j) j∈J bzgl. T |X gegen x konvergiert.

    6. Ist schließlich X ⊆ Z ⊆ Y , so gilt wegen Korollar 12.5.4

    T |X = (T |Z)|X . (12.14)

  • 12.6 Spur- und Produkttopologie 435

    12.6.3 Beispiel. Sei 〈Y, d〉 ein metrischer Raum, und sei X ⊆ Y versehen mit der Ein-schränkung von d|X×X. Klarerweise ist 〈X, d|X×X〉 ein metrischer Raum. Wir wollen unsvergewissern, dass die von d|X×X auf X erzeugte Topologie genau die Spurtopologie ist, dievon T (d) auf X induziert wird.Ist nämlich O ∈ T (d) und x ∈ O ∩ X, so gibt es ein � > 0 mit UY� (x) ⊆ O. Daraus folgt,dass die �-Kugel UX� (x) = U

    Y� (x) ∩ X um x bezüglich d|X×X in O ∩ X enthalten ist. Also ist

    jede Menge aus T (d)|X offen bezüglich d|X×X.Ist umgekehrt P ∈ T (d|X×X), so wähle man für jedes x ∈ P ein �x > 0, sodass die �x-KugelUX�x(x) = X ∩ UY�x(x) in X in P enthalten ist. Es folgt

    P =⋃

    x∈P

    (X ∩ UY�x(x)

    )= X ∩

    x∈PUY�x(x) .

    Somit ist P der Schnitt einer in Y offenen Menge und X, also P ∈ T (d)|X.12.6.4 Lemma. Seien (X,T ), (Y,O) topologische Räume und A1, . . . , Am ⊆ X Teilmengenmit A1 ∪ · · · ∪ Am = X, wobei entweder alle Ak, k = 1, . . . ,m, abgeschlossen oder allediese Teilmengen offen sind.Sind fk : Ak → Y für k = 1, . . . ,m stetige Funktionen, wobei die Ak mit der Spurtopologieversehen sind, sodass f j und fk auf A j ∩ Ak für alle j, k ∈ {1, . . . ,m} übereinstimmen, dannist auch die Funktion f1 ∪ · · · ∪ fm : X → Y2 stetig.Beweis. Seien A1, . . . , Am ⊆ X alle abgeschlossen. Der offene Fall ist ähnlich zu beweisen.Für ein abgeschlossenes F ⊆ Y gilt zunächst

    ( f1 ∪ · · · ∪ fm)−1(F) = f −11 (F) ∪ · · · ∪ f −1m (F) .

    Wegen der Stetigkeit von fk : Ak → Y ist f −1k (F) abgeschlossen in der Spurtopologie T |Ak ,und somit von der Bauart C∩Ak für eine in X abgeschlossene Menge C. Als Schnitt zweierin X abgeschlossener Mengen ist f −1k (F) in X abgeschlossen.Als Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Mengen ist dann auch ( f1 ∪ · · · ∪ fm)−1(F)abgeschlossen. Da F beliebig war, ist somit f1 ∪ · · · ∪ fm stetig. q12.6.5 Definition. Seien (Xi,Ti), i ∈ I, topologische Räume, und sei X := ∏i∈I Xi. Dieinitiale Topologie auf X bezüglich der Familie πi : X → Xi der kanonischen Projektionen

    πi((xk)k∈I

    )= xi

    nennt man die Produkttopologie der Ti auf X und wird bezeichnet mit ∏i∈I Ti.12.6.6 Fakta.

    1. Für ein O ⊆ Xi giltπ−1i (O) =

    k∈IOk ,

    2 Das ist die (wohldefinierte) Funktion, die für k = 1, . . . ,m auf Ak mit fk übereinstimmt.

  • 436 12 Topologische Grundlagen

    wobei Ok = Xk, k , i, und Oi = O ist. Wieder mit (IN2) und Bemerkung 12.4.4erhält man daraus, dass die Mengen der Gestalt

    k∈IOk , (12.15)

    wobei Ok ∈ Tk, k ∈ I, und für alle k ∈ I bis auf endlich viele Ok = Xk gilt, eine Basisfür

    ∏i∈I Ti bilden.

    2. Die kanonischen Projektionen πi : X → Xi bilden offene Mengen aus ∏k∈I Tk aufoffene Mengen aus Ti ab, also sind sie offene Abbildungen.Um das einzusehen, sei zunächst i ∈ I fest. Dann gilt für Basismengen der Gestalt(12.15) offenbar πi(

    ∏k∈I Ok) = Oi. Also ist das Bild unter πi einer jeden Menge aus

    dieser Basis offen in (Xi,Ti). Da jede offene Menge in ∏k∈I Tk Vereinigung vonBasismengen ist, folgt die Behauptung.

    3. Weiters sieht man leicht mit Hilfe der Basis bestehend aus Mengen der Form (12.15),dass für einen Punkt (xi)i∈I ∈ X die Mengen

    i∈IUi ,

    wobei Ui ∈ U(xi), i ∈ I, und Ui = Xi für alle bis auf endlich viele i, eine Umgebungs-basis bezüglich

    ∏i∈I Ti bilden.

    4. Aus Lemma 12.5.3 folgt, dass für ein Netz (x j) j∈J und einen Punkt x aus∏

    i∈I Xi,also x j = (ξ j,i)i∈I und x = (ξi)i∈I mit ξ j,i, ξi ∈ Xi,

    x jj∈J−→ x ⇔ ξ j,i

    j∈J−→ ξi für alle i ∈ I . (12.16)

    5. Aus (12.16) folgt, dass für abgeschlossene Ai ⊆ Xi, i ∈ I, das Produkt ∏i∈I Ai ⊆∏i∈I Xi ebenfalls abgeschlossen ist. Alternativ kann man das auch daraus folgern,

    dass ∏

    i∈IAi =

    i∈Iπ−1i (Ai)

    als Durchschnitt von Urbildern abgeschlossener Mengen unter stetigen Funktionenselber wieder abgeschlossen ist.

    12.6.7 Bemerkung. Wendet man diese Konstruktion der Produkttopologie etwa auf diezwei Räume (X1,T1) und (X2,T2) mit I = {1, 2} an, so bilden insbesondere alle Mengen derBauart O1 ×O2 mit O1 ⊆ X1,O2 ⊆ X2 eine Basis der Produkttopologie T1 ×T2. Außerdemsind alle Mengen A1 × A2 für abgeschlossene A1 ⊆ X1, A2 ⊆ X2, ebenfalls abgeschlossen.12.6.8 Beispiel. Seien 〈X1, d1〉 und 〈X2, d2〉 zwei metrische Räume, und sei d : X1×X2 → Rdefiniert als d

    ((x1, x2), (y1, y2)

    )= max(d1(x1, y1), d2(x2, y2)), vgl. Fakta 8.7.8. Wir wissen

    schon, dass d eine Metrik auf X1 × X2 ist, und dass U�((x1, x2)) = U�(x1) × U�(x2).

  • 12.7 Finale Topologie* 437

    Die von dieser Metrik erzeugte Topologie T (d) stimmt mit der Produkttopologie vonT (d1) und T (d2) überein. Um das einzusehen, sei O ⊆ X1 × X2. Diese Menge ist in T (d)genau dann, wenn

    ∀(x1, x2) ∈ O⇒ ∃� > 0 : U�((x1, x2)) = U�(x1) × U�(x2) ⊆ O ,

    was aber äquivalent zu

    ∀(x1, x2) ∈ O⇒ ∃O1 ∈ T (d1),O2 ∈ T (d2) : (x1, x2) ∈ O1 × O2 ⊆ O

    ist. Da die Mengen der Form O1 × O2 eine Basis von T (d1) × T (d2) darstellen, bedeutetdas genau O ∈ T (d1) × T (d2).Folgendes Korollar samt Beweis funktioniert übrigens auch für Funktionen mit Werten ineinem normierten Raum.

    12.6.9 Korollar. Sei (X,T ) ein topologischer Raum, und f , g : X → R (C), sowie λ, µ ∈R (C). Sind f und g stetig, so auch λ f + µg und f g. Gilt zusätzlich f (x) , 0 für alle x ∈ X,so ist auch 1f stetig.

    Beweis. Die Funktion (x, y) 7→ λx + µy, R × R→ R ist bekannterweise stetig. Nach (IN3)angewandt auf R × R ist a 7→ ( f (a), g(a)), X → R × R ebenfalls stetig. λ f + µg ist nun alsZusammensetzung dieser Funktionen ebenfalls stetig.Der Beweis für f g und 1f verläuft analog. q

    12.7 Finale Topologie*12.7.1 Satz. Seien X eine Menge, (Yi,Ti), i ∈ I, topologische Räume und fi : Yi → X, i ∈ I,Abbildungen.

    X

    (Yi,Ti)fi

    (Y j,T j)f j

    (Yk,Tk)

    fk

    Dann existiert genau eine Topologie T auf X mit der Eigenschaft:(FI1) T ist die feinste Topologie auf X, sodass alle Abbildungen fi : (Yi,Ti) → (X,T ),

    i ∈ I, stetig sind.Diese Topologie heißt finale Topologie bezüglich der fi. Sie ist gegeben durch

  • 438 12 Topologische Grundlagen

    (FI2) T = {O ⊆ X : f −1i (O) ∈ Ti für alle i ∈ I},und erfüllt:

    (FI3) Ist (Y,O) ein topologischer Raum und f : X → Y, so ist f : (X,T ) → (Y,O) stetiggenau dann, wenn alle Abbildungen f ◦ fi : (Yi,Ti)→ (Y,O), i ∈ I, stetig sind.

    Beweis.

    Wir betrachten die durch (FI2) definierte Menge T ⊆ P(X). Es gilt

    f −1i (O1 ∩ . . . ∩ On) = f −1i (O1) ∩ . . . ∩ f −1i (On)

    undf −1i

    (⋃

    j∈JO j

    )=

    j∈Jf −1i (O j) .

    Sind also O1, . . . ,On ∈ T bzw. O j ∈ T , j ∈ J, so folgt, da die Ti Topologien sind,O1 ∩ . . . ∩ On ∈ T und ⋃ j∈J O j ∈ T . Also erfüllt T die Axiome (O2) und (O3).Wegen f −1i (∅) = ∅ und f −1i (X) = Yi gilt auch (O1).Definitionsgemäß gilt f −1i (T ) ⊆ Ti, womit alle fi : (Yi,Ti) → (X,T ) stetig sind.Ist T ′ eine Topologie auf X, sodass alle fi stetig sind, so folgt f −1i (O) ∈ Ti für alleO ∈ T ′, also O ∈ T . Somit gilt T ′ ⊆ T , und T erfüllt (FI1). Klarerweise gibt eshöchstens eine Topologie mit der Eigenschaft (FI1).

    Sei T die finale Topologie bezüglich der fi, und sei f : X → Y . Ist f stetig, so istauch f ◦ fi : (Yi,Ti)→ (X,T )→ (Y,O) als Zusammensetzung stetiger Abbildungenstetig. Ist umgekehrt f ◦ fi stetig für alle i, so gilt

    f −1i ( f−1(O)) = ( f ◦ fi)−1(O) ⊆ Ti, i ∈ I ,

    und wir erhalten f −1(O) ⊆ T , womit f stetig ist. q12.7.2 Bemerkung. Die Finale Topologie ist die einzige Topologie auf X, die (FI3) erfüllt.Um das einzusehen, sei T ′ eine weitere Topologie auf X mit der Eigenschaft (FI3).Da die Abbildung idX : (X,T ′) → (X,T ′) trivialerweise stetig ist, folgt aus (FI3) ange-wandt auf T ′, dass alle idX ◦ fi : (Yi,Ti)→ (X,T ′) stetig sind. Aus (FI1) folgt T ′ ⊆ T . FüridX : (X,T ′)→ (X,T ) sind andererseits alle Abbildungen idX ◦ fi = fi : (Yi,Ti)→ (X,T )stetig. Mit (FI3) angewandt auf T ′ folgt die Stetigkeit von idX : (X,T ′) → (X,T ), unddaher auch T ⊆ T ′.12.7.3 Bemerkung. Das Finale Topologie Bilden ist assoziativ; also es gilt ein Korollar12.5.4 entsprechendes Resultat.

    12.7.4 Beispiel. Sei (Y,T ) ein topologischer Raum und ∼ eine Äquivalenzrelation auf Y .Weiters sei π : Y → Y /∼ die kanonische Projektion, π(x) = [x]∼. Die finale Topologie aufY /∼ bezüglich π heißt Quotiententopologie und wird bezeichnet als T /∼.

  • 12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T1)* 439

    Ist A ⊆ Y , so heißt A gesättigt bezüglich ∼, wenn x ∈ A die Inklusion [x]∼ ⊆ A nach sichzieht. Offenbar sind alle Mengen der Bauart π−1(B) mit B ⊆ Y /∼ gesättigt, und A ist genaudann gesättigt, wenn π−1(π(A)) = A. Somit stellt A 7→ π(A) eine bijektive Abbildung vonallen gesättigten Teilmengen von Y auf alle Teilmengen von Y /∼ dar, wobei B 7→ π−1(B)ihre Umkehrung ist.Eine Menge P ⊆ Y /∼ ist per definitionem genau dann offen in (Y /∼,T /∼), wenn π−1(P)offen in (Y,T ) ist. Insbesondere ist O 7→ π(O) eine Bijektion von allen gesättigten offenenTeilmengen von Y auf T /∼. Entsprechendes gilt für abgeschlossene Mengen.12.7.5 Proposition. Sei f : (X,T )→ (Y,V) eine stetige Abbildung. Bezeichne mit ∼ dieÄquivalenzrelation x ∼ y :⇔ f (x) = f (y), und seien π : X → X /∼, ι : f (X) → Y, diekanonische Projektion bzw. Einbettung. Weiters sei g : X /∼ → f (X) die Bijektion mitι ◦ g ◦ π = f .Dann ist g : (X /∼,T /∼)→ ( f (X),V| f (X)) stetig, und folgende Aussagen sind äquivalent:

    (i) g ist ein Homöomorphismus von (X /∼,T /∼) auf ( f (X),V| f (X)).(ii) Für jede bezüglich ∼ gesättigte offene Menge O ⊆ X ist f (O) offen in ( f (X),V| f (X)).

    (iii) Für jede bezüglich ∼ gesättigte abgeschlossene Menge A ⊆ X ist f (A) abgeschlossenin ( f (X),V| f (X)).

    Beweis. Nach Satz 12.5.1,(IN3), bzw. Fakta 12.6.2 ist auch f : (X,T ) → ( f (X),V| f (X))stetig. Somit können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit Y = f (X) und ι = idYannehmen.Jede Abbildung g : X/∼ → Y mit g ◦ π = f muss g([x]∼) = f (x) für x ∈ X erfüllen.Betrachten wir das als Definition, so ist die Wohldefiniertheit davon zu zeigen. Diesefolgt aber unmittelbar aus der Definition von von ∼, da [x]∼ = [y]∼ immer x ∼ y unddamit f (x) = f (y) nach sich zieht. Also gibt es ein solches g und dieses ist eindeutig.Außerdem ist g injektiv, da aus f (x) = g([x]∼) = g([y]∼) = f (y) per definitionem x ∼ ybzw. [x]∼ = [y]∼ folgt. Wegen g(X/∼) = f (X) = Y ist g sogar bijektiv.Die Stetigkeit von g folgt unmittelbar aus Satz 12.7.1, (FI3), da X/∼ die finale TopologieT /∼ bzgl. π trägt und da g ◦ π = f stetig ist.Die Funktion g ist nun genau dann Homöomorphismus, wenn noch g−1 stetig ist, alsowenn g(P) ∈ V für alle P ∈ T /∼. Nach Beispiel 12.7.4 durchläuft π−1(P) alle offenen undgesättigten Teilmengen von X. Zudem gilt

    g(P) = g ◦ π(π−1(P)) = f (π−1(P)) ,woraus man sofort die Äquivalenz von (i) und (ii) erkennt. Die Äquivalenz von (i) und (iii)zeigt man genauso. q

    12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T1)*Der Begriff der Getrenntheit zweier Teilmengen eines topologischen Raumes, welchen wirjetzt einführen wollen, entspricht dem der Disjunktheit zweier Mengen aus der Mengen-lehre. Dabei gibt es eine schwächere und eine stärkere Version.

  • 440 12 Topologische Grundlagen

    12.8.1 Definition. Sei (X,T ) ein topologischer Raum und seien A, B Teilmengen von X.Dann heißen A und B getrennt, wenn A ∩ B = A ∩ B = ∅.A und B heißen in (X,T ) getrennt durch offenen Mengen, wenn es disjunkte offene MengenOA,OB gibt, sodass A ⊆ OA, B ⊆ OB. Dazu sagen wir auch, dass sich A und B durch offeneMengen trennen lassen.

    12.8.2 Fakta.

    1. Offenbar sind getrennte Mengen und auch durch offenen Mengen getrennte Mengendisjunkt.

    2. A∩B = A∩B = ∅ ist äquivalent zu B ⊆ Ac und A ⊆ Bc, und daher auch zur Existenzoffener Mengen OA und OB, sodass B ⊆ OB, A ∩ OB = ∅ und A ⊆ OA, B ∩ OA = ∅.

    3. Insbesondere sind A und B sicher dann getrennt, wenn sie durch offene Mengengetrennt sind. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.

    4. Für A, B ⊆ X und C := A ∪ B gilt für den Abschluss von A in C bzgl. der Spurto-pologie T |C bekannterweise AT |C = A ∩ C = A ∪ (B ∩ A). Entsprechendes gilt fürB.

    Insbesondere sind disjunkte Mengen A und B genau dann getrennt, wenn A und Bbeide in A ∪ B bzgl. der Spurtopologie abgeschlossen sind. Durch Komplementbil-dung in A ∪ B erkennt man dann auch, dass disjunkte Mengen A und B genau danngetrennt sind, wenn A und B beide in A ∪ B bzgl. der Spurtopologie offen sind.Somit sehen wir auch, dass A und B in C = A ∪ B (versehen mit T |C) genau danngetrennt sind, wenn sie dort durch offene Mengen getrennt sind.

    5. Aus dem letzten Punkt erkennen wir, dass die Eigenschaft getrennt zu sein, nur vonder Spurtopologie auf A ∪ B abhängt. Insbesondere gilt für A, B ⊆ Y ⊆ X, dass Aund B genau in (Y,T |Y) getrennt sind, wenn sie es in (X,T ) sind.Die Eigenschaft getrennt durch offene Mengen zu sein, hängt dagegen ganz wesent-lich von dem betrachteten topologischen Raum ab.

    Für eine weitere Charakterisierung der Eigenschaft durch offene Mengen zu sein, sieheBemerkung 12.9.2.

    12.8.3 Definition. Ein topologischer Raum (X,T ) erfüllt das erste Trennungsaxiom (T1),wenn gilt:

    (T1) Je zwei verschiedene einpunktige Mengen lassen sich trennen.

    Das schon bekannte Trennungsaxiom (T2) bedeutet im Gegensatz dazu, dass sich je zweiverschiedene einpunktige Mengen durch offene Mengen trennen lassen. (T2) ist somitstärker als (T1).

    12.8.4 Lemma. Ein topologischer Raum (X,T ) erfüllt genau dann (T1), wenn einpunktigeMengen abgeschlossen sind.

  • 12.8 Zusammenhang und Trennungseigenschaft (T1)* 441

    Beweis. Sei x ∈ X. Nach Fakta 12.8.2, 2, gibt es zu y ∈ {x}c eine offene Umgebung von y,die x nicht enthält, bzw. ganz in {x}c enthalten ist. Wegen Lemma 12.1.10 ist {x}c offen.Sind umgekehrt einpunktige Mengen abgeschlossen, so gilt für verschiedene x, y ∈ X, dassauch {x} und {y} in {x, y} abgeschlossen sind. Gemäß Fakta 12.8.2, 4, sind diese Mengendann getrennt. q

    Eins zu eins kann man den Begriff einer zusammenhängenden Menge auf topologischeRäume verallgemeinern; vgl. Definition 6.2.2.

    12.8.5 Definition. Eine Teilmenge E eines topologischen Raumes (X,T ) heißt zusam-menhängend, wenn man E nicht als Vereinigung zweier nichtleerer getrennter Mengenschreiben kann.

    Aus Fakta 12.8.2, 5, erhalten wir

    12.8.6 Lemma. Sei (X,T ) ein topologischer Raume und E ⊆ X. Die Eigenschaft, zusam-menhängend zu sein, hängt nur von der Spurtopologie auf E ab. Insbesondere gilt fürE ⊆ Y ⊆ X, dass E genau dann in (Y,T |Y) zusammenhängend ist, wenn E es in (X,T ) ist.Das wichtige Resultat Proposition 6.2.4 lässt sich unmittelbar auf topologische Räumeübertragen, wobei man fast denselben Beweis nehmen kann, man muss nur Folgen durchNetze ersetzen. Wir wollen diesen Beweis aber etwas anders führen.

    12.8.7 Proposition. Seien (X,T ) und (Y,O) topologische Räume, und sei f : X → Y einestetige Funktion. Ist E ⊆ X zusammenhängend, so auch f (E).Beweis. Mit f : X → Y ist auch f |E : E → f (E) stetig, wobei E und f (E) jeweilsmit der Spurtopologie versehen sind. Wäre f (E) nicht zusammenhängend, so hätten wirf (E) = A ∪ B mit in f (E) abgeschlossenen und disjunkten A, B , ∅. Daraus ergibt sichaber im Widerspruch zur Voraussetzung

    E = f |−1E (A) ∪ f |−1E (B) ,wobei f |−1E (A), f |−1E (B) , ∅ in E abgeschlossenen und disjunkt sind. qFolgender recht trivialer Sachverhalt ist jedoch sehr nützlich.

    12.8.8 Lemma. Sei E eine zusammenhängende Teilmenge eines topologischen Raumes(X,T ). Weiters seien A, B ⊆ X getrennt, sodass E ⊆ A ∪ B. Dann folgt entweder E ⊆ Aoder E ⊆ B.Beweis. Offensichtlich sind A ∩ E und B ∩ E als Teilmengen zweier getrennter Mengengetrennt. Wegen E = (A ∩ E) ∪ (B ∩ E) und da E zusammenhängend ist, folgt A ∩ E = ∅oder B ∩ E = ∅ bzw. E ⊆ B oder E ⊆ A. Beides gleichzeitig kann nicht der Fall sein, dagetrennte Mengen immer disjunkt sind. q

    Damit können wir auch das im letzten Kapitel bewiesene Resultat Lemma 11.3.1 über dieVereinigung von zusammenhängenden Mengen in allgemeinen topologischen Räumen miteinem etwas kürzeren Beweis versehen.

  • 442 12 Topologische Grundlagen

    12.8.9 Korollar. Ist (Ei)i∈I eine Familie bestehend aus zusammenhängenden Teilmengeneines topologischen Raumes, sodass für ein gewisses k ∈ I und allen i ∈ I die Mengen Ekund Ei nicht getrennt sind3, so ist auch E :=

    ⋃i∈I Ei zusammenhängend.

    Beweis. Sei E = A ∪ B mit getrennten A und B. Nach Lemma 12.8.8 folgt für jedes i ∈ Iimmer entweder Ei ⊆ A oder Ei ⊆ B. Sei ohne Beschränkung der Allgemeinheit Ek ⊆ A.Wäre Ei ⊆ B für nur ein i ∈ I, so wären Ek und Ei im Widerspruch zur Voraussetzunggetrennt. Somit muss E ganz in A enthalten sein, und infolge B = ∅. q12.8.10 Korollar. Mit E ist auch jede Teilmenge C eines topologischen Raumes mit E ⊆C ⊆ E zusammenhängend.Beweis. Sei C = A ∪ B mit getrennten A und B. Aus Lemma 12.8.8 erhalten wir E ⊆ Aoder E ⊆ B. Im ersten Fall folgt aus C ∩ B ⊆ E ∩ B ⊆ A ∩ B = ∅, dass E ⊆ A und daherB = ∅. Im zweiten Fall schließt man entsprechend auf A = ∅. qDas folgende Korollar 12.8.11 ist eine unmittelbare Verallgemeinerung von Lemma 11.3.5auf topologische Räume.

    12.8.11 Korollar. Sei (X,T ) ein topologischer Raum. Ist ∼⊆ X × X die Relation auf Xdefiniert durch

    x ∼ y⇔ ∃ E ⊆ X : x, y ∈ E, E ist zusammenhängend ,so ist ∼ eine Äquivalenzrelation. Für ein x ∈ X ist die Äquivalenzklasse [x]∼ die größtezusammenhängende Menge, die x enthält. Schließlich ist [x]∼ abgeschlossen.

    Beweis. Da die einpunktige Menge {x} zusammenhängend ist, ist ∼ reflexiv. Die Symme-trie ist klar. Aus x ∼ y, y ∼ z folgt x, y ∈ E und y, z ∈ F für zusammenhängende E und F.Gemäß Korollar 12.8.9 ist dann E ∪ F zusammenhängend, wobei x, z ∈ E ∪ F. Also ist ∼ein Äquivalenzrelation. Schließlich ist für x ∈ X die Menge

    [x]∼ =⋃

    x∈EE ist zusammenhängend

    E ,

    wegen Korollar 12.8.9 zusammenhängend. Klarerweise ist diese Menge dann auch diegrößte zusammenhängende Menge, die x enthält. Wegen Korollar 12.8.10 ist sie auchabgeschlossen. q

    12.9 Trennungseigenschaften (T3) und (T4)Wir wollen dieses Kapitel mit der einfachen Bemerkung starten, dass in (T2) Räumeneinpunktige Mengen {x} abgeschlossen sind. Das folgt aus der Beobachtung, dass es zuy ∈ {x}c wegen (T2) eine Umgebung gibt, die x nicht enthält, bzw. ganz in {x}c enthaltenist. Wegen Lemma 12.1.10 ist {x}c offen.

    3 Diese Voraussetzung ist sicher dann erfüllt wenn Ek mit allen Ei einen nichtleeren Schnitt hat.

  • 12.9 Trennungseigenschaften (T3) und (T4) 443

    12.9.1 Definition. Man sagt, dass sich zwei disjunkte Mengen A und B in einem Topo-logischen Raum getrennt durch offenen Mengen sind, wenn es disjunkte offene MengenOA,OB gibt, sodass A ⊆ OA, B ⊆ OB. Dazu sagen wir auch, dass sich A und B durch offeneMengen trennen lassen.Ein topologischer Raum (X,T ) heißt regulär, falls er neben dem Axiom (T2) noch dasTrennungsaxiom (T3) erfüllt:

    (T3) Abgeschlossene Mengen A und einpunktige Mengen {x} mit x < A lassen sich durchoffene Mengen trennen, also ∃Ox,OA ∈ T : x ∈ Ox, A ⊆ OA, Ox ∩ OA = ∅.

    x

    AOA

    Ox

    Abbildung 12.3: Drittes Trennungsaxiom (T3)

    Ein topologischer Raum (X,T ) heißt normal, falls er neben dem Axiom (T2) noch dasTrennungsaxiom (T4) erfüllt:

    (T4) Disjunkte abgeschlossene Mengen A und B lassen sich durch offene Mengen trennen,also ∃OA,OB ∈ T : A ⊆ OA, B ⊆ OB, OA ∩ OB = ∅.

    A

    BOB

    OA

    Abbildung 12.4: Viertes Trennungsaxiom (T4)

    Offenbar ist das Axiom (T2) äquivalent dazu, dass sich je zwei verschiedene einpunktigeMengen durch offene Mengen trennen lassen. Da einpunktige Mengen in (T2)-Räumenabgeschlossen sind, folgt aus normal auch regulär. Im Allgemeinen gilt aber nicht dieUmkehrung.

    12.9.2 Bemerkung. Zwei disjunkte Mengen A und B – die Disjunktheit ist äquivalent zuA ⊆ Bc – lassen sich genau dann durch offene Mengen trennen, wenn es ein offenes O gibt,sodass

    A ⊆ O ⊆ O ⊆ Bc . (12.17)

  • 444 12 Topologische Grundlagen

    In der Tat folgt aus A ⊆ OA, B ⊆ OB, OA ∩ OB = ∅, dass A ⊆ OA ⊆ OcB ⊆ Bc unddaraus A ⊆ OA ⊆ OA ⊆ OcB ⊆ Bc. Andererseits folgt aus (12.17) unmittelbar A ⊆ O, B ⊆O

    c, O ∩ Oc = ∅.

    Zusammen mit Beispiel 12.1.9, (ii), folgt aus Bemerkung 12.9.2

    12.9.3 Korollar. Das Axiom (T3) ist äquivalent zur Tatsache, dass man zu dem Punkt xund jedem offenen O 3 x ein offenes P mit x ∈ P ⊆ P ⊆ O finden kann, bzw. äquivalent zurTatsache, dass man zu einer beliebigen Umgebung U ∈ U(x) eines beliebigen Punktes xeine Umgebung V ∈ U(x) mit V ⊆ U finden kann.12.9.4 Bemerkung. Im Gegensatz zu (T4) vererben sich die Axiome (T2) und (T3) aufTeilräume: Ist Y ⊆ X und (X,T ) ein topologischer Raum, der (T2) bzw. (T3) erfüllt, soerfüllt (Y,T |Y) auch (T2) bzw. (T3).Um das einzusehen, erfülle X zunächst das (T2). Sind dann x , y ∈ Y und Ox,Oy ∈ Tdisjunkt mit x ∈ Ox bzw. y ∈ Oy, so folgt x ∈ Ox ∩ Y ∈ T |Y , y ∈ Oy ∩ Y ∈ T |Y . Also erfülltY auch das Axiom (T2).Gilt (T3) auf X, und ist x ∈ Y und W eine Umgebung von x in Y , so haben wir in Fakta12.6.2 gesehen, dass W = U ∩ Y für eine Umgebung U von x in X. Wegen (T3) gibt es eineUmgebung V von x in X mit V ⊆ U. Infolge ist V ∩ Y eine Umgebung von x in Y mit

    x ∈ V ∩ YT |Y = V ∩ YT ∩ Y ⊆ V ∩ Y ⊆ U ∩ Y = W .Also gilt (T3) auch auf Y .

    12.9.5 Bemerkung. Ähnlich zeigt man, dass sich die Axiome (T2) und (T3) von topologi-schen Räumen (Xi,Ti) auf den Produktraum (∏i∈I Xi,

    ∏i∈I Ti) vererben.

    12.9.6 Beispiel. Metrische Räume sind normal.Dazu seien A und B zwei disjunkte, abgeschlossene Mengen. Zu a ∈ A gibt es ein �a > 0mit U2�a(a) ⊆ Bc. Entsprechend wählt man �b für b ∈ B. Nun setze

    OA :=⋃

    a∈AU�a(a) und OB :=

    b∈BU�b(b) .

    Ist c ∈ OA ∩ OB, so gibt es a ∈ A, b ∈ B mit c ∈ U�a(a) ∩ U�b(b). Ohne Beschränkung derAllgemeinheit sei �a ≥ �b. Es folgt d(a, b) ≤ d(a, c) + d(c, b) < 2�a, was aber b ∈ U2�a(a)implizieren würde. Das ist ein Widerspruch zur Wahl von �a. Also gilt A ⊆ OA, B ⊆ OBund OA ∩ OB = ∅.

    12.10 Das Lemma von Urysohn*12.10.1 Lemma. Sei Mk = { l2k : l = 0, . . . , 2k} und M =

    ⋃∞k=0 Mk. Weiters sei (X,T ) ein

    topologischer Raum, und jedem r ∈ M sei eine offene Menge Or ∈ T zugeordnet, sodassaus r, s ∈ M, r < s die Inklusion Or ⊆ Os folgt und O0 = ∅,O1 = X gilt. Die durch

    f (x) := inf{r ∈ M : x ∈ Or} ,

  • 12.10 Das Lemma von Urysohn* 445

    definierte Abbildung f : X → [0, 1] ist dann stetig, wobei f auf ⋂r∈M,r>0 Or den Wert Nullund auf X \⋃r∈M,rtOr

    c.

    Schließlich folgt f (⋂

    r∈M,r>0 Or) ⊆ {0} und f (X \⋃

    r∈M,r

  • 446 12 Topologische Grundlagen

    Angenommen, wir haben für k ∈ N ∪ {0} und alle r ∈ Mk offene Or definiert, sodassOr ⊆ Os für alle r < s, r, s ∈ Mk. Dann definieren wir für t = l2k+1 ∈ Mk+1 \ Mk, alsol ∈ N \ 2N, l < 2k+1, die Menge Ot folgendermaßen:Wegen r := l−12k+1 , s :=

    l+12k+1 ∈ Mk folgt aus Or ⊆ Os, dass die abgeschlossenen Mengen

    Or,Ocs disjunkt sind. Wie oben für A und B leiten wir aus dem (T4) die Existenz eineroffenen Menge Ot mit Or ⊆ Ot ⊆ Ot ⊆ Os her.Infolge haben wir induktiv für alle r ∈ M = ⋃k∈N Mk offene Mengen definiert, sodassOr ⊆ Os für alle r < s, r, s ∈ M. Definieren wir nun noch O0 und O1 um, indem wirO0 := ∅ sowie O1 := X setzen, so sind alle Voraussetzungen von Lemma 12.10.1 erfüllt.Wegen A ⊆ ⋂r∈M,r>0 Or erfüllt die stetige Funktion aus diesem Lemma f (A) ⊆ {0} undwegen Or ⊆ Bc, r < 1, r ∈ M bzw. B ⊆ X \⋃r∈M,r

  • 12.10 Das Lemma von Urysohn* 447

    Wir werden in Lemma 12.13.9 sehen, dass der Raum Cb(X,R) aller reellwertigen,beschränkten und stetigen Funktionen auf X versehen mit ‖.‖∞ ein Banachraum ist.Wegen

    ∞∑

    j=0

    ‖h j‖∞ ≤∞∑

    j=0

    13

    (23

    ) j = 1 (12.18)

    konvergiert die Reihe∑∞

    j=0 h j dort absolut; vgl. Definition 9.3.1. Gemäß Fakta9.3.2 konvergiert somit

    ∑∞j=0 h j in Cb(X,R) bzgl. ‖.‖∞, also gleichmäßig, gegen eine

    g ∈ Cb(X,R), wobei aus (12.18) die Abschätzung ‖g‖∞ ≤ 1 folgt.Schließlich ist g eine Fortsetzung von f , denn für x ∈ A gilt

    ∣∣∣ f (x) −n∑

    j=0

    hn(x)∣∣∣ ≤

    (23

    )n+1 n→∞−→ 0 .

    Ist allgemeiner f : A → R beschränkt und nicht die Nullfunktion, so wenden wirdas gezeigte auf f‖ f ‖∞ an. Nach Multiplikation der resultierenden Funktion auf X mit‖ f ‖∞ erhalten wir die gewünschte Fortsetzung von f . Im Falle f = 0 setzen wireinfach g = 0.

    Sei nun f : A→ R unbeschränkt. Da R vermöge φ : R→ (−1, 1) homöomorph zu(−1, 1) ist, können wir das bewiesene auf φ◦ f : A→ (−1, 1) anwenden und erhalteneine Fortsetzung r : X → [−1, 1] davon.Wegen A ⊆ r−1(−1, 1) sind die abgeschlossenen Mengen A und r−1{−1, 1} disjunkt.Eine Anwendung von Korollar 12.10.2 ergibt eine stetige Funktion s : X → [0, 1]mit s(A) ⊆ {1} und s(r−1{−1, 1}) = {0}.Die ebenfalls stetige Funktion r · s : X → [−1, 1] nimmt nun offensichtlich dieWerte ±1 nicht an, also r · s : X → (−1, 1), und stimmt auf A mit φ ◦ f überein.Die Funktion g : X → R definiert durch g = φ−1 ◦ (r · s) : X → R ist die gesuchteFunktion. q

    12.10.5 Bemerkung. Aus der Gültigkeit des Fortsetzungssatz von Tietze auf einem to-pologischen Raum (X,T ) folgt sofort das Lemma von Urysohn, Korollar 12.10.2, da fürdisjunkte und abgeschlossene Mengen A, B die Funktion f : A ∪ B → [−1, 1] definiertdurch f = 1B − 1A wegen Lemma 12.6.4 stetig ist, und daher eine stetige Fortsetzungg : X → [−1, 1] hat. Die Funktion 12(g + 1) hat dann die in Korollar 12.10.2 verlangtenEigenschaften.Andererseits folgt aus der Gültigkeit des Lemma von Urysohn, Korollar 12.10.2, auf einemtopologischen Raum (X,T ), dass dieser das Axiom (T4) erfüllt. Sind nämlich A, B ⊆ Xabgeschlossen und disjunkt, und ist f : X → [0, 1] wie in Korollar 12.10.2, so folgt fürdie offenen Menge f −1(−∞, 12) und f −1(12 ,+∞), dass A ⊆ f −1(−∞, 12), B ⊆ f −1(12 ,+∞),f −1(−∞, 12 ) ∩ f −1( 12 ,+∞) = ∅.

  • 448 12 Topologische Grundlagen

    12.11 KompaktheitBei metrischen Räumen haben wir in Definition 5.2.6 den Begriff der Kompaktheit mitHilfe von Folgen eingeführt. Für allgemeine topologische Räume wollen wir anders starten.Wir werden weiter unten sehen, dass dieser Zugang zur Kompaktheit in metrischen Räumenzu dem schon bekannten Konzept äquivalent ist.

    12.11.1 Definition. Eine Teilmenge K eines topologischer Raum (X,T ) heißt kompakt,wenn jede offene Überdeckung von K, alsoV ⊆ T mit

    V∈VV ⊇ K ,

    eine endliche Teilüberdeckung besitzt, es also V1, . . . ,Vn ∈ V gibt mitV1 ∪ . . . ∪ Vn ⊇ K .

    Eine Teilmenge A ⊆ X heißt relativ kompakt, wenn A ⊆ X kompakt ist. Der Raum (X,T )heißt lokalkompakt, wenn jeder Punkt x eine kompakte Umgebung besitzt.

    Sei C eine Familie von Teilmengen einer Mengen X, also C ⊆ P(X). Wir sagen, dass Cdie endliche Durchschnittseigenschaft hat, wenn für je endlich viele C1, . . . ,Cn ∈ C stetsC1 ∩ . . . ∩Cn , ∅ gilt.12.11.2 Proposition. Sei (X,T ) ein topologischer Raum und K ⊆ X. Dann sind folgendeAussagen äquivalent:

    (K1) K ist kompakt.

    (K2) K betrachtet als Teilmenge von (K,T |K) ist kompakt.(K3) Jede Familie bzgl. T |K abgeschlossener Teilmengen von K mit der endlichen Durch-

    schnittseigenschaft hat nichtleeren Durchschnitt.

    (K4) Jedes Netz (xi)i∈I in K hat ein gegen ein x ∈ K konvergentes Teilnetz.Beweis.

    (K1)⇒ (K2): Sei V ⊆ T |K eine offene Überdeckung von K in (K,T |K). Zu V ∈ Vexistiert ein UV ∈ T mit UV ∩ K = V , womitU := {UV : V ∈ V} ⊆ T eine offeneÜberdeckung von K ist. Es gibt also UV1 , . . . ,UVn mit UV1 ∪ . . . ∪ UVn ⊇ K undfolglich

    V1 ∪ . . . ∪ Vn = (UV1 ∩ K) ∪ . . . ∪ (UVn ∩ K) = (UV1 ∪ . . . ∪ UVn) ∩ K = K .

    (K2)⇒ (K1): Sei K als Teilmenge von (K,T |K) kompakt. Für eine ÜberdeckungU ⊆ Tvon K ist

    V := {U ∩ K : U ∈ U}eine offene Überdeckung von (K,T |K). Daher existiert eine endliche Teilüberde-ckung {U1 ∩ K, . . . ,Un ∩ K}, und wir erhalten U1 ∪ . . . ∪ Un ⊇ K.

  • 12.11 Kompaktheit 449

    (K2)⇒ (K3): Sei C eine Familie in (K,T |K) abgeschlossener Teilmengen von K mit derendlichen Durchschnittseigenschaft. Aus

    ⋂C∈CC = ∅ folgt

    C∈CK \C = K ,

    wobei die K \C in (K,T |K) offen sind. Also gibt es eine endliche Teilüberdeckung,(K \ C1) ∪ . . . ∪ (K \ Cn) = K, und wir erhalten C1 ∩ . . . ∩ Cn = ∅, was aber derendlichen Durchschnittseigenschaft widerspricht.

    (K3)⇒ (K2): Sei V ⊆ T |K eine offene Überdeckung von K. Würde V keine endlicheTeilüberdeckung besitzen, so wäre (K \ V1) ∩ . . . ∩ (K \ Vn) , ∅ für jede endlicheAuswahl V1, . . . ,Vn ∈ V. Also hätte C = {K\V : V ∈ V} die endliche Durchschnitts-eigenschaft, und nach Voraussetzung wäre der Schnitt aller Mengen K \ V, V ∈ Vnichtleer. Damit wäreV aber keine Überdeckung.

    (K3)⇒ (K4): Sei (xi)i∈I ein Netz in K. Für i ∈ I ist Ci = {xk : k � i} ∩ K abgeschlossenin (K,T |K). Dabei hat {Ci : i ∈ I} die endliche Durchschnittseigenschaft, denn sindi1, . . . , in ∈ I und ist i ∈ I mit i � i1, . . . , in, so gilt

    ∅ , {xk : k � i} ⊆ {xk : k � i1} ∩ · · · ∩ {xk : k � in} .Nach Voraussetzung gibt es ein x ∈ ∩i∈ICi.Jetzt sei J = {( j,U) : j ∈ I,U ∈ U(x), x j ∈ U} versehen mit der offensichtlichreflexiven und transitiven Relation

    ( j,U) � (k,V) :⇔ j � k ∧ U ⊇ V .Für ( j1,U1), ( j2,U2) ∈ J sei k ∈ I mit k � j1, j2. Wegen x ∈ {x j : j � k} gibt es einx j ∈ U1 ∩ U2 mit j � k, und infolge ( j,U1 ∩ U2) � ( j1,U1), ( j2,U2). Also ist Jgerichtet.

    Mit xi( j,U) := x j erhalten wir ein Teilnetz (xi( j,U))( j,U)∈J von (xi)i∈I , da für jedes i0 ∈ Idie Beziehung (i0, X) ∈ J gilt und da ( j,U) � (i0, X) immer i( j,U) = j � i0 = i(i0,U)nach sich zieht.

    Zu V ∈ U(x) gibt es ein k ∈ I mit xk ∈ V . Für ( j,U) � (k,V) folgt dann xi( j,U) = x j ∈U ⊆ V und somit die Konvergenz dieses Teilnetzes gegen x.

    (K4)⇒ (K3): Hat C = {Ci : i ∈ I} die endliche Durchschnittseigenschaft, so sei E(I) dieMenge aller endlichen Teilmengen von I gerichtet durch die Relation M1 � M2 :⇔M1 ⊆ M2.Für M ∈ E(I) sei xM irgend ein Punkt aus ∩i∈MCi. Man beachte, dass nach Voraus-setzung dieser Schnitt nicht leer ist. Das Netz (xM)M∈E(I) hat wegen (K4) ein gegenein x ∈ X konvergentes Teilnetz (xM( j)) j∈J.Ist k ∈ I, so gibt es wegen {k} ∈ E(I) ein j0 ∈ J mit M( j) ⊇ {k} für alle j � j0,und somit xM( j) ∈ ∩i∈M( j)Ci ⊆ Ck. Also liegt das ebenfalls gegen x konvergente Netz

  • 450 12 Topologische Grundlagen

    (xM( j)) j∈J� j0 in der abgeschlossenen Menge Ck. Mit Proposition 12.2.7 folgt darausx ∈ Ck, und, da k ∈ I beliebig war, auch dass der Schnitt aller Ck’s x enthält unddamit nicht leer ist. q

    12.11.3 Bemerkung (*). Wegen Lemma 12.2.15 ist die Bedingung (K4) zu der Tatsacheäquivalent, dass jedes Netz einen Häufungspunkt in K hat.

    12.11.4 Satz (*). Ein Netz (xi)i∈I in einer kompakten Menge K ⊆ X konvergiert genaudann gegen ein x ∈ X, wenn x der einzige Häufungspunkt von (xi)i∈I ist.Beweis. Wenden wir nun Lemma 12.2.16 an, und beachten, dass Häufungspunkte vonTeilnetzen von (xi)i∈I auch Häufungspunkte von (xi)i∈I sind (vgl. Lemma 12.2.15), soerhalten wir aus Bemerkung 12.11.3 das behauptete Ergebnis. q

    12.11.5 Definition (*). Eine Teilmenge A eines topologischen Raumes (X,T ) heißt ab-zählbar kompakt, wenn jede unendliche Teilmenge von A einen Häufungspunkt in Ahat.Eine Teilmenge A eines topologischer Raum (X,T ) heißt folgenkompakt, wenn jede Folgein A eine gegen ein x ∈ A konvergente Teilfolge hat.12.11.6 Bemerkung (*). Ist M ⊆ A unendlich, so gibt es sicher eine injektive Funktionx : N→ M, also eine Folge xn = x(n) mit paarweise verschiedenen Folgengliedern.Ist A folgenkompakt, so gilt x = limk→∞ xn(k) für eine Teilfolge (xn(k))k∈N und ein x ∈ A. Fürjede Umgebung U von x gibt es somit einen Index k0 ∈ N, sodass xn(k) ∈ U für alle k ≥ k0.Da die Folgenglieder alle verschieden sind, enthält U sicherlich einen Punkt y := xn(k) ∈ M,der ungleich x ist. Also hat M einen Häufungspunkt in A; vgl. Definition 12.2.8. Somitfolgt für eine Teilmenge eines topologischen Raumes aus der Eigenschaft folgenkompaktdie Eigenschaft abzählbar kompakt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.Ist A kompakt, so folgt wegen Proposition 12.11.2 x = limi∈I xn(i) für ein Teilnetz (xn(i))i∈Iund ein x ∈ A. Für jede Umgebung U von x gibt es somit einen Index i0 ∈ I, sodassxn(i) ∈ U für alle i � i0.Da die Folgenglieder alle verschieden sind, gibt es höchstens ein n0 ∈ N, sodass xn0 = x.Die Teilnetzeigenschaft bedingt die Existenz eines i1 ∈ I, sodass aus i � i1 immern(i) ≥ n0 + 1 und xn(i) ∈ U folgt. Für solche i liegt der Punkt y := xn(i) ∈ M in U und istungleich x. Also hat M einen Häufungspunkt in A; vgl. Definition 12.2.8. Somit folgt auchaus kompakt abzählbar kompakt. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen auch hier nicht.Überraschenderweise gilt im Allgemeinen weder, dass kompakt folgenkompakt impliziert,noch, dass folgenkompakt kompakt impliziert. Für metrische Räumen werden wir in Satz12.13.3 sehen, dass alle drei Begriffe äquivalent sind.

    12.11.7 Lemma. Für ein topologischen Raum (X,T ) und A, A1, . . . , Am ⊆ X gilt:(i) Ist A kompakt und B ⊆ A abgeschlossen in (A,T |A), dann ist B kompakt.

    (ii) Sind A1, . . . , Am kompakt, so auch A1 ∪ . . . ∪ Am.(iii) Ist (X,T ) Hausdorff und A kompakt, so ist A abgeschlossen.

  • 12.11 Kompaktheit 451

    Beweis.

    (i) Die Menge A \ B ist offen in (A,T |A). Also existiert O ∈ T mit O ∩ A = A \ B. SeiU eine Überdeckung von B aus in X offenen Mengen, dann überdecktU ∪ {O} ganzA. Daher gibt es U1, . . . ,Un ∈ U mit U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ O ⊇ A. Es folgt

    U1 ∪ · · · ∪ Un = U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ (O ∩ B)︸ ︷︷ ︸=∅

    ⊇ (U1 ∩ B) ∪ . . . ∪ (Un ∩ B) ∪ (O ∩ B)= (U1 ∪ . . . ∪ Un ∪ O) ∩ B ⊇ B .

    (ii) SeiU eine Überdeckung von A1∪ . . .∪Am aus in X offenen Mengen. Dann überdecktU jedes Ai, also existieren für i = 1, . . . ,m offene U i1, . . . ,U ini mit

    U i1 ∪ . . . ∪ U ini ⊇ Ai ,und es folgt ⋃

    k,i

    U ik ⊇ A1 ∪ . . . ∪ Am .

    (iii) Sei A kompakt, und sei x < A. Da (X,T ) Hausdorff ist, gibt es zu jedem Punkty ∈ A offene Umgebungen Uy ∈ U(y), Vy ∈ U(x), mit Uy ∩ Vy = ∅. Klarerweise ist{Uy : y ∈ A} eine offene Überdeckung von A. Daher gibt es y1, . . . , yn ∈ A, sodassbereits Uy1∪ . . .∪Uyn ⊇ A gilt. Die Menge Vy1∩ . . .∩Vyn ist als endlicher Durchschnittvon Umgebungen von x ebenfalls eine Umgebung von x, und es gilt

    A ∩ (Vy1 ∩ . . . ∩ Vyn) ⊆ (Uy1 ∪ . . . ∪ Uyn

    ) ∩ (Vy1 ∩ . . . ∩ Vyn)

    = ∅ .Also ist x ein innerer Punkt von Ac. Nach Lemma 12.1.10 ist Ac offen und daher Aabgeschlossen. q

    12.11.8 Lemma. Sei f : (X,T ) → (Y,O) stetig und A ⊆ X kompakt. Dann ist auchf (A) ⊆ Y kompakt.Beweis. Für eine ÜberdeckungU ⊆ O von f (A) ist auch f −1(U) eine Überdeckung von A,die wegen der Stetigkeit von f aus offenen Mengen besteht. Es gibt also U1, . . . ,Un ∈ U,sodass

    f −1(U1) ∪ . . . ∪ f −1(Un) ⊇ A .Wendet man darauf f an, dann folgt U1 ∪ . . . ∪ Un ⊇ f (A). qNimmt man die Charakterisierung (K4) aus Proposition 12.11.2 her, so kann man Lemma12.11.8 auch ganz ähnlich wie in Proposition 6.1.13 beweisen. Ist nämlich (yi)i∈I ein Netzin f (A), und wählt man zu jedem i ∈ I ein xi ∈ A, sodass f (xi) = yi, so hat das Netz(xi)i∈I nach (K4) ein gegen ein x ∈ A konvergentes Teilnetz (xi( j)) j∈J. Aus Lemma 12.3.3schließen wir, dass (yi( j)) j∈J =

    (f (xi( j))

    )j∈J gegen f (x) =: y konvergiert. Also hat jedes Netz

    aus f (A) ein gegen ein y ∈ f (A) konvergentes Teilnetz. Nach (K4) aus Proposition 12.11.2ist f (A) somit kompakt.

  • 452 12 Topologische Grundlagen

    12.11.9 Beispiel. Wir betrachten [−∞,+∞) versehen mit T< := {[−∞, a) : a ∈ [−∞,+∞]}wie in Beispiel 12.1.4, (v).Sei K ⊆ [−∞,+∞) nichtleer, und sei (xn)n∈N eine monoton wachsende Folge aus K mitGrenzwert sup K (∈ [−∞,+∞]); vgl. Beispiel 3.3.4 im Fall sup K < +∞. Im Fall sup K < Kergibt {[−∞, xn) : n ∈ N} eine Überdeckung von K, welche keine endliche Teilüberdeckungbesitzt. Infolge muss eine kompakte Teilmenge K nach oben beschränkt sein und sogar einMaximum haben.Hat umgekehrt K ein Maximum s, so gilt für jedes Netz (xi)i∈I aus K

    lim supi∈I

    xi = infk∈I

    supI3i�k

    xi ≤ s .

    Gemäß Beispiel 12.1.14, (ii), konvergiert (xi)i∈I gegen s ∈ K in ([−∞,+∞),T

  • 12.12 Satz von Tychonoff* 453

    (ii) Erfüllt X das Axiom (T3), und sind A ⊆ X kompakt, B ⊆ X abgeschlossen mitA ∩ B = ∅, so lassen sich A und B durch offene Mengen trennen.

    (iii) Ist (X,T ) kompakt und Hausdorffsch, so ist (X,T ) sogar normal.Beweis.

    (i) Zu jedem y ∈ A gibt es zwei disjunkte offene Mengen Qy 3 y und Py 3 x. Klarerweiseist dann {Qy : y ∈ A} eine Überdeckung von A. Wegen der Kompaktheit gibt esy1, . . . , yn ∈ A, sodass A ⊆ Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn := OA. Für Ox := Py1 ∩ · · · ∩ Pyn gilt dann

    Ox ∩ OA = Ox ∩ (Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn) ⊆ (Py1 ∩ Qy1) ∪ · · · ∪ (Pyn ∩ Qyn) = ∅ .

    (ii) Zu jedem y ∈ A gibt es wegen (T3) zwei disjunkte offene Mengen Qy 3 y und Py ⊇ B.Dann ist {Qy : y ∈ A} eine Überdeckung von A. Wegen der Kompaktheit gibt esy1, . . . , yn ∈ A, sodass A ⊆ Qy1∪· · ·∪Qyn := OA. Außerdem gilt für OB := Py1∩· · ·∩Pyn

    OB ∩ (Qy1 ∪ · · · ∪ Qyn) ⊆ (Py1 ∩ Qy1) ∪ · · · ∪ (Pyn ∩ Qyn) = ∅ .

    Also lassen sich A und B durch offene Mengen trennen.

    (iii) Da jede abgeschlossene Teilmenge von X nach Lemma 12.11.7 kompakt ist, folgt aus(i), dass X regulär ist, also gilt (T2) und (T3). Nach (ii) ist X dann sogar normal. q

    12.12 Satz von Tychonoff*Der Übersicht halber schreiben wir in diesem Abschnitt die Elemente von X =

    ∏i∈I Xi als

    Funktionen f : I → ⋃i∈I Xi mit f (i) ∈ Xi.12.12.1 Lemma. Seien (Xi,Ti), i ∈ I, topologische Räume, und sei X := ∏i∈I Xi mit derProdukttopologie

    ∏i∈I Ti versehen. Ein Netz ( fλ)λ∈Λ hat f ∈ X genau dann als Häufungs-

    punkt, wenn für alle endlichen J ⊆ I das Element f |J Häufungspunkt von ( fλ|J)λ∈Λ in∏i∈J Xi ist.

    Beweis. Da die Mengen der Bauart⋂

    i∈J π−1i (Oi) mit offenen Umgebungen Oi von f (i) undendlichen J ⊆ I eine Umgebungsbasis von f abgeben, ist gemäß Def