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Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes 1 Kapitel 2 – Voraussetzungen und Entstehung des kennzeichenrechtlichen Schutzes Inhalt: Einführung – Markenfähigkeit – dreidimensionale Marken – Markeninhaber- schaft – Benutzungszwang – absolute und relative Schutzhindernisse – Prioritäts- grundsatz – Benutzungsmarken – notorisch bekannte Marken

Kapitel 2 – Voraussetzungen und Entstehung des ...€¦ · 1. die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Patentamt geführte Regis-ter (§ 4 Nr. 1 MarkenG), 2. ... MarkenR

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  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Kapitel 2 – Voraussetzungen und Entstehung des kennzeichenrechtlichen Schutzes

    Inhalt: Einführung – Markenfähigkeit – dreidimensionale Marken – Markeninhaber-schaft – Benutzungszwang – absolute und relative Schutzhindernisse – Prioritäts-

    grundsatz – Benutzungsmarken – notorisch bekannte Marken

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Die drei Markenkategorien des § 4 MarkenG

    Möchte man die Voraussetzungen des Markenschutzes bestimmen, dann ist zu-

    nächst die Erkenntnis wichtig, dass der Markenschutz und das Markenrecht auf ver-

    schiedenen Wegen entstehen können.

    Merke! Nach § 4 MarkenG entsteht der Markenschutz durch

    1. die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Patentamt geführte Regis-ter (§ 4 Nr. 1 MarkenG),

    2. Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen inner-halb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat (§ 4 Nr. 2

    MarkenG), oder

    3. die im Sinne des Artikels 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des

    gewerblichen Eigentums notorische Bekanntheit einer Marke (§ 4 Nr. 3 Mar-kenG).

    Vertiefung: Die mit Abstand größte Bedeutung in der Praxis hat die Entstehung des Marken-

    schutzes durch Eintragung. Selbst bekannte Marken mit einem hohen Grad an Ver-

    kehrsgeltung, die unter § 4 Nr. 2 MarkenG fallen, schützen sich meist zusätzlich

    durch eine Eintragung.

    Hinweis: Aufgrund der überragenden praktischen Bedeutung der Entstehung des Marken-

    schutzes durch Eintragung eines Zeichens als Marke sollen in diesem Kapitel zu-

    nächst die Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse der eingetragenen Mar-

    ken dargestellt werden. Anschließend wird kurz auf die Marken nach § 4 Nr. 2 und 3

    MarkenG eingegangen werden. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem kurzen

    Überblick über das Eintragungsverfahren.

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    Die materiellen Schutzvoraussetzungen

    Im ersten Teil dieses Kapitels geht es um die Frage, welche Zeichen überhaupt als

    Marke geschützt werden können. Es geht also um die materiellen Voraussetzungen,

    unter denen ein Zeichen schutzfähig ist.

    Merke! § 3 MarkenG beantwortet die Frage, was als Marke geschützt werden kann und wel-

    che grundlegenden Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen.

    Gesetzeswortlaut § 3 MarkenG: (1) Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personen-namen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltun-

    gen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Auf-

    machungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden,

    die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjeni-gen anderer Unternehmen zu unterscheiden. (2) Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen,

    1. die durch die Art der Ware selbst bedingt ist,

    2. die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder

    3. die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.

    § 3 MarkenG enthält somit die grundlegende Bestimmung der Markenfähigkeit.

    Hinweis: Es werden im Folgenden zunächst die allgemeinen Voraussetzungen des § 3 Mar-

    kenG erläutert. Dann wird kurz die Frage beantwortet werden, wer überhaupt Inhaber

    einer Marke sein kann, bevor der Nichtakzessorietätsgrundsatz dargestellt wird. Da-

    nach werden die absoluten und relativen Schutzhindernisse besprochen.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 MarkenG

    Nach § 3 Abs. 1 MarkenG können Marke alle Zeichen sein, die geeignet sind, Waren

    oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Betriebe zu un-

    terscheiden.

    Merke! § 3 Abs. 1 MarkenG enthält also zwei wesentliche Voraussetzungen für den Mar-kenschutz.

    Erstens muss es sich überhaupt um ein Zeichen handeln. Zweitens muss diesem Zeichen in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen eine abstrakte Unterscheidungseignung zukommen.

    Merke! Die Voraussetzungen des § 3 MarkenG gelten für alle Marken i.S.d. § 4 MarkenG.

    Dagegen gelten für geschäftliche Bezeichnungen (§ 5 MarkenG) und geografische

    Herkunftsangaben (§§ 126 ff. MarkenG) besondere Voraussetzungen, die später er-

    läutert werden.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Der Begriff des Zeichens in § 3 Abs. 1 MarkenG

    § 3 Abs. 1 MarkenG enthält keine Definition des Begriffs „Zeichen“. Der Begriff wird vielmehr vorausgesetzt und nur durch eine nicht abschließende, exemplarische

    Aufzählung konkretisiert und illustriert.

    Das Wesen eines Zeichens besteht darin, dass es in verkürzter Form bestimmte In-

    formationen vermittelt. Im Falle einer Marke soll das Zeichen vor allem Informationen

    über die betriebliche Herkunft einer Ware oder Dienstleistung vermitteln.

    Das Zeichen muss sinnlich wahrnehmbar sein, wobei es ausreicht, wenn dies nur mittels Hilfsmitteln möglich ist.

    Vertiefung: Das Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit gilt nur für die Registermarke i.S.d. § 4 Nr. 1 MarkenG, vgl. § 8 Abs. 1 MarkenG. Bei Benutzungsmarken i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG gibt es kein Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit.

    Das Zeichen muss sich begrifflich von den Waren oder Dienstleistungen, für die es

    verwendet wird, unterscheiden lassen („Abstrahierbarkeit“). Es darf also nicht mit der Ware identisch sein. Diese begriffliche Unterscheidbarkeit wird auch als Selbst-ständigkeit des Zeichens umschrieben.

    Merke! Der BGH fordert, dass das Zeichen zwar nicht physisch, aber doch gedanklich von der Ware bzw. Dienstleistung abstrahierbar sein muss (vgl. BGH GRUR 2008, 71 ff. – Fronthaube).

    Beispiel zur Selbstständigkeit des Zeichens: Eine von der Grundform eines Gabelstaplers abweichende Gestaltung genügt den

    eben genannten Anforderungen. Denn da die Gestaltung nicht zwingend ist und von

    der technisch bedingten Grundform abweicht, kann diese besondere Form zumindest

    gedanklich von der Ware „Gabelstapler“ unterschieden werden und kann der Identifi-

    zierung eines ganz bestimmten Produkts dienen (vgl. BGH GRUR 2004, 502 ff. –

    Gabelstapler II).

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Einheitlichkeit und Bestimmtheit des Zeichens

    Die frühere Rechtsprechung zum alten § 1 WZG (Warenzeichengesetz) verlangte als

    zusätzliche Vorrausetzung die Einheitlichkeit der Marke.

    Einheitlichkeit der Marke bedeutet, dass sie mit einem Blick überschaubar sein muss und einen geschlossenen Gesamteindruck vermitteln muss. Daran sollte es beispielsweise bei einem Text, der aus zahlreichen Sätzen besteht, fehlen.

    Am Kriterium der Einheitlichkeit wird heute nicht mehr festgehalten, da es für die Abgrenzung der Markenfähigkeit nicht taugt oder jedenfalls keinen zusätzlichen

    Nutzen bringt.

    Es war immer und ist auch heute noch unstrittig, dass mehrgliedrige Zeichen als

    Marke geschützt werden können, z.B. ein Werbeslogan, der aus mehreren Wörtern

    besteht.

    Für die Frage der materiellen Schutzfähigkeit kommt es aber nur darauf an, ob das

    Zeichen aus Sicht der einschlägigen Verkehrskreise (noch) geeignet ist, eine be-

    stimmte Ware oder Dienstleistung einem bestimmten Betrieb zuzuordnen.

    Ist dieses Erfordernis erfüllt und sind auch die weiteren Voraussetzungen der materi-

    ellen Schutzfähigkeit erfüllt, dann kann es nicht mehr auf ein Kriterium der Einheit-

    lichkeit ankommen.

    Beispiel (vgl. BPatG GRUR 2009, 1060 ff. – Trüffelpralinen): Die Schutzfähigkeit der folgenden Wortfolge kann nicht aufgrund fehlender Einheit-lichkeit des Zeichens versagt werden. „Die Vision: EINZIGARTIGES ENGAGEMENT IN TRÜFFELPRALINEN

    Der Sinn: Jeder weiß WAS wann zu tun ist und was NICHT zu tun ist

    Der Nutzen: Alle tun das RICHTIGE zur richtigen Zeit”.

    Es muss aber geprüft werden, ob dem Zeichen möglicherweise die abstrakte Unter-

    scheidungseignung i.S.d. § 3 Abs. 1 MarkenG oder die relative Unterscheidungskraft

    i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.

    Merke! Stets beachtet werden muss aber das Kriterium der Bestimmtheit. Der Gegenstand

    des Markenschutzes muss eindeutig definiert werden. Markenschutz für abstrakte

    Konzepte, die zahlreiche unterschiedliche Varianten umfassen, ist nicht möglich.

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    Zeichenformen – Teil 1

    Nachdem der Begriff des Zeichens geklärt wurde, soll nun der Frage nachgegangen

    werden, welche Zeichenformen nach dem Gesetz zugelassen sind.

    Merke! Das Gesetz lässt grundsätzlich jede Zeichenform zu. Die Aufzählung in § 3 Abs. 1 MarkenG ist nicht abschließend, sondern nur beispielhaft. Der EuGH lehnt einen numerus clausus an Markenformen ausdrücklich ab (vgl.

    EuGH GRUR Int. 2002, 842 ff. – Philips).

    Neben den in § 3 Abs. 1 MarkenG genannten Formen sind auch neue und neuartige

    Formen zulässig.

    Zulässig sind insbesondere auch Kombinationen aus den in § 3 Abs. 1 MarkenG ge-

    nannten Formen, sog. Mischformen. Große praktische Bedeutung haben Kombinati-

    onen aus Abbildungen und Wörtern (Wort-Bild-Marken).

    Im Folgenden soll kurz auf die wichtigsten Zeichenformen eingegangen werden:

    Wörter: Wörter sind die klassischen Zeichenformen. Grundsätzlich kann jedes Wort

    eine Marke sein. Unerheblich ist, ob es ein deutsches oder fremdsprachiges

    Wort ist oder ein reiner Kunstbegriff. Die Marke kann auch aus mehreren Wör-

    tern oder gar mehreren Sätzen bestehen (vgl. dazu unten).

    Wird das Wort in fremden Schriftzeichen dargestellt (z.B. in chinesischen),

    sollten Sie die Wortmarke von der Bildmarke abgrenzen.

    Personennamen: Personennamen sind in § 3 Abs. 1 MarkenG ausdrücklich genannt und daher

    als Marke schutzfähig. Unerheblich ist, ob es sich um den eigenen Namen des

    Geschäftsinhabers handelt oder um den Namen einer dritten Person. Sogar

    reine Fantasienamen sind möglich. Der Anmelder der Marke muss auch nicht

    nachweisen, dass er zur Führung und Verwendung dieses Namens berechtigt

    ist. Stattdessen hat der wahre Namensträger die Möglichkeit, nach § 13 Abs. 2

    Nr. 1 i. V. m. § 51 Abs. 1 MarkenG die Löschung zu verlangen.

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    Zeichenformen – Teil 2

    Buchstaben: Wie sich aus § 3 Abs. 1 MarkenG ergibt sind auch einzelne Buchstaben mar-

    kenfähig. Erstrecht sind auch Buchstabenkombinationen schutzfähig und zwar

    unabhängig davon, ob sie aussprechbar sind oder einen erkennbaren Sinnge-

    halt haben.

    Zahlen: Auch Zahlen sind uneingeschränkt markenfähig. Dies gilt auch für Zahlenbrü-

    che oder andere mathematische Ausdrücke. Wird die Zahl als Wort ausge-

    schrieben, dann liegt jedoch eine Wortmarke vor.

    Abbildungen: Abbildungen aller Art sind als Marke schutzfähig. Ein graphisch gestalteter

    Schriftzug ist eine kombinierte Wort-/Bildmarke. Auch Bilder der Ware selbst

    oder ihrer Verpackung können Bildmarken sein. Gleiches gilt für Abbildungen

    von lebenden oder verstorbenen Personen (vgl. BGH GRUR 2008, 1093 ff. –

    Marlene-Dietrich-Bildnis).

    Hörzeichen: Hörzeichen sind ebenfalls markenfähig. Dabei ist es unerheblich, ob es sich

    um musikalische Melodien, gesprochene Sprache oder beliebige sonstige Ge-

    räusche handelt.

    Die Markenfähigkeit von Hörzeichen trägt dem Umstand Rechnung, dass sie

    als Erkennungsmittel in der Radio- und Fernsehwerbung eine erhebliche Be-

    deutung erlangt haben.

    Gerade bei Hörzeichen muss aber in einem späteren Schritt immer genau ge-

    prüft werden, ob mangels graphischer Darstellbarkeit das absolute Schutzhin-

    dernis des § 8 Abs. 1 MarkenG eingreift (dazu unten mehr)!

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    Zeichenformen – Teil 3

    Dreidimensionale Gestaltungen: Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 3 Abs. 1 MarkenG können auch

    dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer

    Verpackung geschützt werden. Problematisch ist in diesen Fällen aber oft die

    Frage, ob die dreidimensionale Gestaltung die nötige abstrakte Unterschei-

    dungskraft und eine Selbstständigkeit aufweist, also zumindest gedanklich von

    der Ware oder Dienstleistung abstrahiert werden kann. Dies wird vom BGH im

    Regelfall aber unterstellt (vgl. BGH GRUR 2010, 138 ff. – ROCHER-Kugel).

    Nicht erforderlich ist, dass das Zeichen dauerhaft und fest mit der Ware ver-

    bunden ist.

    Auch die Verpackung selbst kann das eintragungsfähige Zeichen sein.

    Beispiel: Die besondere Flaschenform in der ein Likör abgefüllt und verkauft wird, kann

    als dreidimensionale Marke geschützt werden (vgl. BGH GRUR 2001, 56 ff. –

    Likörflasche).

    Die Marke kann sich auf die gesamte Verpackung beziehen (vgl. die Likörfla-

    sche im obigen Beispiel) oder auf einen Teil der Verpackung beschränkt sein,

    z.B. auf das Flaschenetikett.

    Sonstige Aufmachungen: Unter Aufmachung ist im Gegensatz zum Produkt selbst und seiner Verpa-

    ckung sog. Produktbeiwerk zu verstehen. Dieses kann von der Ware völlig losgelöst sein.

    Beispiele für sonstige Aufmachungen sind regelmäßig wiederkehrende Gestal-

    tungsmerkmale in Geschäftsdrucksachen, Aufsteller in Geschäften, die in al-

    len Filialen identische Gestaltung der Geschäftsräume.

    Auch die sog. Positionsmarken sollen hierzu zählen. Positionsmarken sind

    dadurch gekennzeichnet, dass ein bestimmtes Element in immer gleicher Po-

    sition und Größe auf einem bestimmten Warenteil angebracht wird.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Zeichenformen – Teil 4

    Beispiele für Positionsmarken: - Ein roter Absatzstreifen im Schuh

    - Die Anbringung eines ! auf Bekleidungsstücken

    - Eine Zick-Zack-Line auf Sportschuhen

    Zwar ist die Schutzfähigkeit von Positionsmarken umstritten. Dieser Streit be-

    zieht sich jedoch auf die Frage, ob ein mangels konkreter Unterscheidungs-

    kraft ein absolutes Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt.

    Farben und Farbzusammenstellungen: § 3 Abs. 1 MarkenG nennt als zulässige Markenformen ausdrücklich auch

    Farben und Farbzusammenstellungen. Dennoch ist dieser Punkt nicht unprob-

    lematisch.

    Handelt es sich bei der Farbzusammenstellung um eine Bildmarke, dann gel-

    ten keine Besonderheiten: Die Schutzfähigkeit ist unproblematisch gegeben.

    Umstritten war aber die Schutzfähigkeit isolierter oder konturloser Farben. Der

    BGH hat inzwischen die Möglichkeit eines sog. abstrakten oder absoluten

    Farbschutzes im Grundsatz anerkannt (vgl. BGH GRUR 1999, 730 ff. – Farb-

    marke magenta/grau). Durch die gleichrangige Nennung der Farbmarken ne-

    ben Wort- und Bildmarken in § 3 Abs. 1 MarkenG hat der Gesetzgeber deut-

    lich gemacht, dass für Farbmarken grundsätzlich keine anderen Vorausset-

    zungen gelten sollen, als für alle anderen Marken auch.

    Bei konturlosen Farben ist jedoch besonders genau zu prüfen, ob die Voraus-

    setzungen des § 8 MarkenG vorliegen (dazu unten mehr).

    Bei einer konturlosen Mehrfarbenmarke verlangt der BGH Angaben zur sys-

    tematischen Anordnung der Farben.

    Geruchsmarken: Geruchsmarken können eine abstrakte Unterscheidungskraft haben.

    Ihre Schutzfähigkeit scheitert jedoch regelmäßig am absoluten Schutzhinder-

    nis des § 8 Abs. 1 MarkenG: Sie sind nicht graphisch darstellbar (vgl. EuGH

    GRUR 2003, 145 ff. – Sieckmann).

    Gleiches gilt für Geschmacksmarken.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Zeichenformen – Teil 5

    Weitere Markenformen: Noch nicht endgültig entschieden ist die Schutzfähigkeit von Bewegungs-marken, z.B. dem Bewegungsablauf beim Öffnen der Flügeltüren eines Sportwagens.

    Bejaht hat der BGH hingegen die Schutzfähigkeit von Tastmarken (vgl. BGH GRUR 2007, 148 ff. – Tastmarke). Das Problem lag aber auch hier wie-

    der weniger in der abstrakten Unterscheidungskraft i.S.d. § 3 Abs. 1 MarkenG,

    als vielmehr bei der Frage der graphischen Darstellbarkeit nach § 8 Abs. 1 MarkenG. Dafür genügt aber nach Ansicht des BGH die hinreichend bestimm-te Angabe der maßgeblichen Eigenschaften des Gegenstands, durch dessen

    Berühren die Sinneswahrnehmungen ausgelöst werden, die sich als Hinweis

    auf die Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimm-

    ten Unternehmen eignen sollen. Die mit dem Erfordernis der grafischen

    Darstellbarkeit verfolgten Zwecke gebieten es dagegen nicht, dass (auch) die

    Sinnesempfindungen als solche, die über den Tastsinn ausgelöst werden, be-

    zeichnet werden (vgl. BGH GRUR 2007, 148 ff. – Tastmarke).

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    Abstrakte Eignung zur Unterscheidung

    § 3 Abs. 1 MarkenG fordert die abstrakte Eignung des Zeichens irgendwelche Waren oder Dienstleistungen zweier beliebiger Unternehmen voneinander zu unter-

    scheiden.

    Es kommt also nur darauf an, ob das Zeichen überhaupt geeignet ist, zur Kenn-zeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu dienen.

    Merke! Die Prüfung der Markenfähigkeit hat abstrakt zu erfolgen, d.h. es ist ohne Bezug zu

    den konkret angemeldeten Waren oder Dienstleistungen alleine darauf abzustellen,

    ob das Zeichen als solches geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unter-

    nehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden (vgl. EuGH

    GRUR 2002, 804 ff. – Philips/Remington und BGH GRUR 2004, 502 ff. – Gabelstap-

    ler II).

    Vertiefung: Erst bei der Prüfung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kommt es darauf an, ob das Zei-

    chen gerade für die Waren oder Dienstleistungen, für die es angemeldet wird, unter-

    scheidungskräftig ist.

    Klausurtaktik: Die Kriterien für die abstrakte Unterscheidungseignung i.S.d. § 3 Abs. 1 MarkenG

    sind sehr weit. Daher wird die abstrakte Unterscheidungseignung fast nie ver-neint werden können!

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Der Benutzungszwang

    Eine weitere Voraussetzung für die Schutzfähigkeit eines Zeichens ist die Benutzung

    dieses Zeichens.

    Für nicht eingetragene Marken i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG erklärt sich dieses Erforder-

    nis von selbst. Denn die erforderliche Verkehrsgeltung kann erst durch Benutzung

    des Zeichens erworben werden.

    Der Benutzungszwang gilt aber auch für eingetragene Marken i.S.d. § 4 Nr. 1 Mar-

    kenG. Zwar entsteht hier das formelle Markenrecht bereits mit der Eintragung der

    Marke. Jedoch hängen die Wahrnehmung der daraus resultierenden Rechte und

    letztlich auch die Rechtserhaltung vom tatsächlichen Gebrauch der Marke im Ge-

    schäftsverkehr ab.

    Allerdings gilt zugunsten des Markeninhabers eine Benutzungsschonfrist von 5 Jahren. Während dieser Zeit hat eine Nichtbenutzung der Marke keine negativen Konsequenzen.

    Merke! Das Gesetz normiert keine ausdrückliche Pflicht zur Benutzung. Vielmehr knüpft das Gesetz an die Überschreitung der Benutzungsschonfrist bestimmte negative

    Folgen.

    Der Benutzungszwang hat also eher den Charakter einer Obliegenheit und stellt keine Rechtspflicht dar.

    So kann nach § 25 Abs. 1 MarkenG der Markeninhaber im Falle einer Nichtbenut-

    zung nach Ablauf der Schonfrist seine Ansprüche aus §§ 14, 18 ff. MarkenG nicht

    mehr geltend machen.

    Die Anforderungen an die Benutzung ergeben sich aus § 26 MarkenG. Danach muss die Marke im Inland für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetra-

    gen ist, ernsthaft benutzt werden, es sei denn, es liegen ernsthafte Gründe für die

    Nichtbenutzung vor.

    Bei der Frage, ob eine ernsthafte Nutzung vorliegt, muss man sich an der Herkunfts-

    funktion der Marke orientieren, d.h. die Marke muss zur Unterscheidung von Waren

    oder Dienstleistungen verwendet werden (vgl. BGH GRUR 2006, 150 ff. – NORMA)

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Beispiel für (k)eine Benutzung i.S.d. § 26 MarkenG: Ein Lebensmitteldiscounter hat sich das Zeichen „NORMA“ als Marke für bestimmte

    Waren schützen lassen. Dieses Zeichen wurde aber nicht auf den besagten Waren

    selbst angebracht oder im Zusammenhang mit diesen verwendet, sondern wurde nur

    in Schaufenstern, auf Einkaufstüten und in Werbeprospekten angebracht.

    Der BGH sah hierin keinen hinreichenden Bezug zu den einzelnen Waren, für die

    das Zeichen eingetragen wurde. Durch diese Verwendung wird das Zeichen nicht zur

    Unterscheidung der Waren des Markeninhabers von Waren anderer Herkunft ver-

    wendet. Die ausschließliche Verwendung des Zeichens als Unternehmenskenn-zeichen genügt nicht, wenn es nicht zugleich auch als Marke für die konkret vertriebenen Waren verwendet wird. Somit fehlte es in diesem Fall an einer ernsthaften Benutzung i.S.d. § 26 MarkenG.

    Vertiefung: Gerechtfertigt wird der Benutzungszwang mit dem Zweck der Marke, der Unterschei-

    dung von Waren und Dienstleistungen nach ihrer betrieblichen Herkunft zu dienen.

    Wird die Marke längere Zeit nicht ernsthaft benutzt i.S.d. § 26 MarkenG, dann läuft

    dieser Zweck leer. Es überwiegt dann das Interesse der Allgemeinheit und der ande-

    ren Gewerbetreibenden, dieses Zeichen frei zu geben, um es anderweitig nutzen zu

    können. Gleichzeitig soll dadurch verhindert werden, dass wahllos Zeichen als Mar-

    ken registriert und damit der anderweitigen Benutzung entzogen werden, obwohl

    keinerlei praktisches Bedürfnis dafür besteht, weil diese Marken ohnehin nicht im

    Geschäftsverkehr genutzt werden.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Rechtsinhaber des Markenrechts

    Noch nicht besprochen wurde bisher die Frage, wer überhaupt Inhaber des Marken-

    rechts sein kann.

    Eine Regelung hierzu findet sich in § 7 MarkenG. Nach § 7 MarkenG können Inhaber von eingetragenen und angemeldeten Marken

    sein:

    Natürliche Personen (§ 7 Nr. 1 MarkenG) Juristische Personen (§ 7 Nr. 2 MarkenG) Personengesellschaften, sofern sie mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Rech-

    te zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen (§ 7 Nr. 3 MarkenG)

    Unter § 7 Nr. 3 MarkenG fallen unstrittig OHG und KG. Dagegen fällt die GbR nach dem Gesetzeswortlaut und der amtlichen Begründung

    nicht unter diese Regelung.

    Merke! Nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der GbR wird nun auch die Markenfähig-

    keit der GbR bejaht. Die GbR fällt somit auch unter § 7 Nr. 3 MarkenG.

    Beachte! Über ihren Wortlaut hinaus gilt diese Regelung auch für nicht eingetragene Marken!

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Die Selbstständigkeit der Marke – Nichtakzessorietätsgrundsatz

    Nach dem früheren WZG lag die wesentliche Funktion der Marke darin, Waren im

    Hinblick auf ihre betriebliche Herkunft voneinander zu unterscheiden. Kurz: Es ging

    um den Schutz vor Herkunftstäuschungen.

    Dieser Schutzzweck hatte Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der Marke und

    dem dahinterstehenden Geschäftsbetrieb.

    Zum einen konnte ein Warenzeichenrecht überhaupt nur dann erworben werden,

    wenn auch ein Geschäftsbetrieb existierte, vgl. § 1 WZG.

    Zum anderen durfte das Warenzeichenrecht nur zusammen mit dem Geschäftsbe-

    trieb übertragen werden, vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 WZG.

    Existenz und Inhaberschaft eines Warenzeichenrechts waren also akzessorisch zum

    Geschäftsbetrieb.

    Merke! Im MarkenG besteht nun keine Akzessorietät mehr zwischen der Marke und dem Geschäftsbetrieb des Markeninhabers. Die Marke und das Markenrecht sind unabhängig von der Existenz eines Geschäfts-

    betriebes. Auch der Rechtsübergang der Marke auf einen anderen Markeninhaber ist

    unabhängig von der Übertragung des Geschäftsbetriebes möglich.

    Beachte! Der Grundsatz der Nichtakzessorietät gilt bei der Registermarke i.S.d. § 4 Nr. 1 Mar-

    kenG. Anders ist dies bei der Benutzungsmarke i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG. Hier wird

    das Markenrecht erst durch Benutzung erworben, so dass eine Entstehung des Mar-

    kenrechts ohne einen Geschäftsbetrieb, der das Zeichen tatsächlich verwendet, nicht

    denkbar ist. Ähnliches gilt für die Notorietätsmarke i.S.d. § 4 Nr. 3 MarkenG. Auch

    hier ist die Entstehung eines Markenschutzes ohne die Existenz eines Unterneh-

    mens des Markeninhabers nicht denkbar. Anders als die Benutzungsmarke erfordert

    die Notorietätsmarke nur die notorische Bekanntheit im Inland, nicht aber ein inländi-

    sches Unternehmen des Markeninhabers.

    Das Prinzip der freien Übertragbarkeit des Markenrechts gilt dagegen für alle Markenkategorien des § 4 Nr. 1 bis 3 MarkenG.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Schutzfähigkeit dreidimensionaler Marken i.S.d. § 3 Abs. 1 MarkenG

    Wiederholung: § 3 Abs. 1 MarkenG nennt dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form

    einer Ware oder ihrer Verpackung ausdrücklich als schutzfähig.

    Wie bei allen anderen Zeichen muss auch bei dreidimensionalen Gestaltungen die

    abstrakte Unterscheidungskraft und die Selbstständigkeit des Zeichens gegeben

    sein.

    Diese Selbstständigkeit des Zeichens gegenüber der Ware setzt voraus, dass das

    Zeichen nicht mit der Ware identisch ist, sondern zumindest gedanklich von ihr ge-

    trennt werden kann.

    Dementsprechend verlangte der BGH früher, dass das Zeichen kein funktionell not-

    wendiger Bestandteil der Ware sein darf, sondern über die technische Grundform

    hinausreichende Elemente aufweisen muss, die zwar nicht physisch, aber doch ge-

    danklich von der Ware abstrahiert werden können und die Identifizierungsfunktion

    der Marke erfüllen können (vgl. BGH GRUR 2004, 506 ff. – Stabtaschenlampe II).

    Der BGH hält zwar auch heute an diesen Kriterien fest, er sieht sie aber nicht mehr

    als Problem des § 3 Abs. 1 MarkenG. Vielmehr wird diese Problematik heute unter

    § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eingeordnet.

    Merke! Nach heutiger Rechtsprechung sind dreidimensionale Gestaltungen grundsätzlich abstrakt markenfähig i.S.d. § 3 Abs. 1 MarkenG (vgl. BGH GRUR 2010, 138 ff. – ROCHER-Kugel).

    Die im Zusammenhang mit dreidimensionalen Marken stehenden Problem- und

    Streitpunkte werden von der Rechtsprechung (erst) im Rahmen des § 3 Abs. 2 Mar-

    kenG und des § 8 MarkenG diskutiert.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Besondere Schutzhindernisse bei dreidimensionalen Marken, § 3 Abs. 2 Mar-kenG

    § 3 Abs. 2 MarkenG enthält zusätzliche Schutzhindernisse für dreidimensionale Mar-

    ken.

    Die zusätzlichen Anforderungen des § 3 Abs. 2 MarkenG gelten für alle (dreidimen-

    sionalen) Markenarten des § 4 MarkenG.

    Merke! § 3 Abs. 2 MarkenG kann auch für die Form der Verpackung von Waren gelten. Vo-

    raussetzung dafür ist, dass es sich um Waren handelt, die aus mit der Art der Ware zusammenhängenden Gründen gewöhnlich verpackt vermarktet werden. Dies gilt insbesondere für Waren, die in körniger, pudriger oder flüssiger Konsistenz herge-

    stellt werden und daher ihrer Art nach keine eigene Form aufweisen.

    Unter diesen Voraussetzungen ist i.R.d. § 3 Abs. 2 MarkenG die Verpackung der

    Ware mit der Form der Ware gleichzusetzen. Denn in diesen Fällen, in denen die

    Ware selbst keine eigene Form hat, verleiht ihnen erst die Verpackung die äußere

    Form (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 ff. – Henkel).

    Vertiefung: Zweck der Vorschrift ist es, zu verhindern, dass der Markeninhaber unter Umge-hung anderer gesetzlicher Wertungen (insbesondere des Patent- und Urheberrechts)

    einen zeitlich unbegrenzten Markenschutz für Merkmale erlangt, die nicht in erster

    Linie der Kennzeichnung des Produkts dienen, sondern den Kern ihrer physischen

    Beschaffenheit ausmachen.

    Die systematische Stellung der Regelung des § 3 Abs. 2 MarkenG ist eigentlich

    falsch. Denn § 3 Abs. 2 MarkenG betrifft nicht die abstrakte Markenfähigkeit i.S.d. § 3

    Abs. 1 MarkenG, sondern konkrete Schutzausschließungsgründe. § 3 Abs. 2 Mar-

    kenG hat also eher Ähnlichkeit zu § 8 Abs. 2 MarkenG, als zu § 3 Abs. 1 MarkenG.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    19

    Der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

    Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind solche Zeichen nicht schutzfähig, die aus-

    schließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist.

    Durch die Art der Ware selbst bedingt ist eine Form, die funktionell notwendi-ger Bestandteil der Ware ist und die deshalb jedes generische Produkt dieser Gattung aufweist (vgl. BGH GRUR 2001, 334 ff. – Gabelstapler I).

    Merke!

    Die Form darf also nicht ausschließlich aus Merkmalen bestehen, die für die

    Warenart wesensnotwendig sind, um ihren Zweck zu erfüllen. Dies kann nur ange-

    nommen werden, wenn die Merkmale die Grundform der Warengattung ausmachen,

    für die Schutz beansprucht wird (vgl. BGH GRUR 2010, 138 ff. – ROCHER-Kugel).

    Beispiele: Verneint wurden diese Voraussetzungen und damit die Anwendbarkeit des § 3

    Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die Kugelform einer Praline mit einer unregelmäßigen

    raspeligen Oberfläche. Denn Pralinen haben zwar häufig eine Kugelform, werden

    aber dennoch in den verschiedensten Formen angeboten. Die Kugelform ist also

    nicht funktionell notwendiger Bestandteil einer Praline und sie ist auch nicht we-

    sensnotwendig für eine Praline (vgl. BGH GRUR 2010, 138 ff. – ROCHER-

    Kugel).

    Verneint wurden diese Voraussetzungen auch im Falle der Fahrerkabine eines

    Gabelstaplers, die die Form eines abgerundeten Fünfecks hat. Eine fünfeckige

    Fahrerkabine ist nicht wesensnotwendig für einen Gabelstapler. Nicht jeder Ga-

    belstapler hat eine fünfeckige Fahrerkabine; vielmehr kann diese Form mehr oder

    weniger willkürlich gewählt werden (vgl. BGH GRUR 2004, 502 ff. – Gabelstapler

    II).

    Hinweis: Für die Beurteilung der obigen Voraussetzungen ist ein objektiver Maßstab anzule-gen, d.h. es ist auf die abstrakten Gattungsmerkmale abzustellen. Es kann aber er-

    gänzend auf die Verkehrsauffassung zurückgegriffen werden.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

    Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen nicht schutzfähig, die aus-

    schließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung

    erforderlich ist.

    § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist im Hinblick auf das Allgemeininteresse auszulegen,

    Formen frei verwenden zu können, deren wesentliche Merkmale einer technischen

    Funktion entsprechen und gewählt wurden, um diese zu erfüllen (vgl. BGH GRUR

    2010, 231 ff. – Legostein). Damit soll verhindert werden, dass Hersteller über das

    Markenrecht und unter Umgehung der Wertungen des Patentrechts technische Lö-

    sungen zeitlich unbegrenzt für sich monopolisieren können und dadurch Wettbewer-

    ber daran hindern können, bei der Gestaltung ihrer Produkte bestimmte technische

    Lösungen einzusetzen (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 ff. – Philips/Remington).

    Merke! Entscheidend ist, ob die Gestaltung alleine der technischen Wirkung zuzuschreiben

    ist oder ob die Form darüber hinausgehende, nicht technische Gestaltungsmerkmale

    oder eine individualisierende Formgebung aufweist (vgl. BGH GRUR 2010, 231 ff. –

    Legostein).

    Unerheblich ist, ob die Mitbewerber durch eine andere Gestaltung dieselbe technische Wirkung erzielen könnten.

    Hinweis: Für die Beurteilung ist auch hier ein objektiver Maßstab anzulegen, da der Verkehr

    regelmäßig nicht selbst beurteilen kann, ob eine bestimmte Gestaltung technisch

    notwendig ist.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    21

    Beispiel:

    Der Antragsteller will folgende Taschenlampe als dreidimensionale Marke schützen

    lassen:

    Der BGH ging davon aus, dass die Form der Taschenlampe nicht zur Erreichung ei-

    ner technischen Wirkung i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderlich ist. Er führte

    aus:

    „Die technische Grundform einer Taschenlampe erfordert einen Beleuchtungskörper

    zur Aufnahme der Lichtquelle (Birne) und ein Batteriefach. Dagegen weist die ange-

    meldete Marke einen zylinderförmigen Schaft, den zylinderförmig gegenüber dem

    Schaft vergrößerten Kopf, den konischen Übergang zwischen Schaft und Taschen-

    lampenkopf, die Dreiteilung des Taschenlampenkopfes durch zwei umlaufende Ein-

    kerbungen, zwei umlaufende Riffelungen im mittleren Kopfteil der Taschenlampe

    sowie eine gegenüber dem Schaft verkleinerte zylindrische Verschlusskappe auf.

    Diese Merkmale dienen weder der Ermöglichung einer technischen Wirkung noch

    der Erzielung bestimmter Eigenschaften. Mitbewerber werden daher bei der Gestal-

    tung ihrer Produkte auch nicht bei der Wahl technischer Lösungen oder Eigenschaf-

    ten, mit denen sie ihre Produkte versehen wollen, behindert.“

    (vgl. BGH GRUR 2004, 506, 507 – Stabtaschenlampen II).

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    22

    Der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG

    Nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sind solche Zeichen nicht schutzfähig, die aus-

    schließlich aus einer Form bestehen, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.

    Wert meint hier den ästhetischen Wert, den die Form der Ware verleiht.

    Merke! Der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG kann also nur dann vorlie-

    gen, wenn der Verkehr alleine im ästhetischen Gehalt der Form den wesentlichen

    Wert der Ware sieht und es daher ausgeschlossen ist, dass der Form neben ihrer

    ästhetischen Wirkung auch die Funktion eines Herkunftsnachweises zukommen

    kann.

    Davon kann in der Regel nur ausgegangen werden, wenn der Verkehr in der ästheti-

    schen Formgebung selbst die eigentliche handelbare Ware sieht.

    Beispiel: So ist bei Kunstwerken, die der Verkehr ausschließlich nach ihrem ästhetischen und künstlerischen Gehalt wertet, die eigentümliche Formgebung dem Markenschutz

    nicht zugänglich, wenn nach der Verkehrsauffassung das Kunstwerk erst durch diese

    Formgebung entsteht und die handelbare Ware selbst darstellt.

    Verneint wurde der Ausschlusstatbestand bei der ästhetisch besonderen Gestaltung

    der Fronthaube eines Kfz. Der Nutzwert der Fronthaube als technisch bedingtes

    Bauteil tritt nie völlig hinter dem ästhetischen Wert zurück.

    Beachte! Stellt dagegen in den Augen des Verkehrs nicht allein die ästhetische Formgebung

    die eigentliche Ware dar, sondern erscheint sie nur als eine Zutat zu der Ware, deren

    Nutz- oder Verwendungszweck auf anderen Eigenschaften beruht, steht sie der Ein-

    tragung der Form als Marke auch dann nicht entgegen, wenn es sich um eine ästhe-

    tisch besonders gelungene Gestaltung handelt (vgl. BGH GRUR 2008, 71 ff. – Front-

    haube).

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    23

    Das Kriterium der Ausschließlichkeit in § 3 Abs. 2 MarkenG

    § 3 Abs. 2 MarkenG stellt nach seinem eindeutigen Wortlaut nur dann ein Schutz-hindernis dar, wenn das Zeichen „ausschließlich aus einer Form“ besteht, die nach den Nr. 1 – 3 nicht schutzfähig ist.

    Aus dem Kriterium der Ausschließlichkeit folgt im Umkehrschluss, dass das Vorhan-densein weiterer schutzfähiger Elemente das Schutzhindernis überwinden kann. Denn dann besteht das Zeichen nicht mehr ausschließlich aus einer Form, sondern aus der Form und diesem anderen schutzfähigen Element.

    Konsequenz: Das Hinzufügen einer Wort- oder Bildmarke kann die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 2 MarkenG ausschließen und somit die Eintragungsfähigkeit der Marke

    begründen.

    Das gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So hat der EuGH im Zusammenhang mit

    § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG klargestellt, dass dieses Schutzhindernis schon dann ein-

    greift, wenn „die wesentlichen funktionellen Merkmale der Form nur der technischen

    Wirkung zuzuschreiben“ sind (EuGH GRUR 2002, 804 ff. – Philips).

    Das bedeutet, dass dieses Schutzhindernis nicht einfach dadurch umgangen werden

    kann, dass weitere, zusätzliche Merkmale hinzugefügt werden. Zusätzliche, aber unwesentliche Elemente müssen hier außer Betracht bleiben.

    Beispiele: Die auf der Oberseite eines LEGO-Spielbausteins angebrachten Noppen sind zur

    Erreichung einer technischen Wirkung i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforder-

    lich, nämlich zur Verbindung der einzelnen LEGO-Steine. Diese dreidimensionale

    Form ist daher nicht schutzfähig.

    Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann auch nicht einfach da-

    durch umgangen werden, dass für die Noppen unterschiedliche Formen in Frage

    kommen (z.B. runde oder eckige Noppen). Die Form der Noppen ist ein unwe-

    sentliches Element, das außer Betracht bleiben muss (vgl. BGH GRUR 2010,

    231 ff. – Legostein).

    Eine nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähige Form kann nicht einfach da-

    durch „schutzfähig gemacht werden“, dass sie anders eingefärbt wird (vgl. In-

    gerl/Rohnke, MarkenR, 3. Aufl. 2010, § 3, Rn. 46).

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    24

    Absolute und relative Schutzhindernisse – Überblick

    Liegen die Voraussetzungen des § 3 MarkenG vor, dann steht zunächst nur fest,

    dass ein bestimmtes Zeichen grundsätzlich als Marke schutzfähig sein kann.

    Dennoch können der Eintragung der Marke (vgl. § 4 Nr. 1 MarkenG) Hindernisse

    entgegenstehen.

    Merke! Man unterscheidet absolute und relative Schutzhindernisse. Die absoluten Schutz-

    hindernisse sind in § 8 MarkenG genannt. Sie sind im Eintragungsverfahren von

    Amts wegen zu berücksichtigen.

    Dagegen begründen die relativen Schutzhindernisse der §§ 9 – 13 MarkenG nur

    Löschungsansprüche eines Dritten gegen den Inhaber der neu eingetragenen Marke.

    Hinweis: Entsprechend dem Aufbau des Gesetzes werden nun zunächst die absoluten

    Schutzhindernisse dargestellt.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    25

    Die absoluten Schutzhindernisse des § 8 MarkenG

    Die absoluten Schutzhindernisse dienen dem öffentlichen Interesse. Daher sind sie im Eintragungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.

    § 8 MarkenG dient dazu, den von § 3 Abs. 1 MarkenG eröffneten, sehr weiten Be-

    reich schutzfähiger Zeichen einzuschränken. Wie Sie oben schon gesehen haben, ist

    § 3 Abs. 1 MarkenG aufgrund seiner sehr lockeren Voraussetzungen bei der Frage

    der Schutzfähigkeit einer Marke fast nie ein Hindernis. Wenn die Eintragung einer

    Marke scheitert, dann liegt dies in der Praxis regelmäßig an § 8 MarkenG.

    Merke! § 8 MarkenG ist die zentrale Vorschrift der materiellen Schutzfähigkeitsprüfung!

    § 8 MarkenG gilt schon nach systematischer Stellung und Wortlaut nur für Register-

    marken i.S.d. § 4 Nr. 1 MarkenG.

    Beachte! § 3 Abs. 1 MarkenG ist zwingend vor § 8 MarkenG zu prüfen!

    Weiterhin ist § 8 Abs. 2 MarkenG zusätzlich neben § 3 Abs. 2 MarkenG zu prüfen.

    Denn der Prüfungsmaßstab des § 3 Abs. 2 MarkenG deckt sich nicht mit dem des

    § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG.

    Merke! Die Aufzählung in § 8 Abs. 2 MarkenG ist abschließend!

    Liegt auch nur eines der Eintragungshindernisse vor, ist die Eintragung zu versagen.

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    26

    Nicht graphisch darstellbare Zeichen, § 8 Abs. 1 MarkenG

    Nach § 8 Abs. 1 MarkenG sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die sich

    nicht graphisch darstellen lassen.

    Gesetzeswortlaut § 8 Abs. 1 MarkenG: (1) Von der Eintragung sind als Marke schutzfähige Zeichen im Sinne des § 3 aus-geschlossen, die sich nicht graphisch darstellen lassen.

    Das Erfordernis rechtfertigt sich aus dem Bestimmtheitserfordernis. Außerdem ist graphische Darstellbarkeit erforderlich, um die Marke überhaupt im Markenregis-ter eintragen zu können. Daraus folgt aber auch, dass die graphische Wiedergabe der Marke selbst nicht notwendig ist. Es genügt, wenn die Marke mit graphischen Symbolen hinrei-chend eindeutig umschrieben werden kann.

    Unproblematisch ist die graphische Darstellbarkeit bei Wort- und Bildmarken.

    Anders ist es bei Marken, die nicht visuell wahrnehmbar sind, also z.B. Hörmarken.

    Merke! Ein Zeichen, das als solches nicht visuell wahrnehmbar ist, kann dennoch eine Mar-

    ke sein, wenn es insbesondere mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen gra-

    phisch dargestellt werden kann und die Darstellung klar und eindeutig, in sich abge-

    schlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist (vgl. EuGH

    GRUR 2003, 145 ff. – Sieckmann).

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    27

    Beispiele für (nicht) graphisch darstellbare Zeichen: Daraus folgt, dass Geruchs- oder Geschmacksmarken nicht schutzfähig sind,

    da sie sich nicht graphisch darstellen lassen (vgl. EuGH GRUR 2003, 145 ff. –

    Sieckmann).

    Dagegen sind Hörmarken schutzfähig, da sie sich z.B. in Notenschrift eindeutig graphisch darstellen lassen (vgl. EuGH GRUR 2004, 54 ff. – Shield Mark/Kist).

    Eine konturlose Farbmarke ist nur dann graphisch darstellbar, wenn sie in ei-nem international anerkannten Kennzeichnungscode (z.B. PAL oder Pantone)

    ausgedrückt wird. Bei einer Farbkombinationsmarke muss zusätzlich die syste-

    matische Anordnung der Farben angegeben ist (vgl. BGH GRUR 2007, 55 ff. –

    Farbmarke gelb/grün II).

    Nach Ansicht des BGH sind auch Tastmarken graphisch darstellbar und zwar durch Angabe der maßgeblichen Eigenschaften des Gegenstands, durch dessen

    Berühren die Sinneswahrnehmungen ausgelöst werden (vgl. BGH GRUR 2007,

    148 ff. – Tastmarke).

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 MarkenG

    § 8 Abs. 2 MarkenG enthält eine abschließende Aufzählung von Schutzhindernissen.

    Verschaffen Sie sich einen ersten Überblick, indem Sie zunächst einmal das Gesetz

    lesen:

    Gesetzeswortlaut § 8 Abs. 2 MarkenG: (2) Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken, 1.denen für die Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt,

    2.die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Be-

    zeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes,

    der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Er-

    bringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Wa-

    ren oder Dienstleistungen dienen können,

    3.die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen

    Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten

    zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind,

    4.die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit

    oder die geographische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen,

    5.die gegen die öffentliche Ordnung oder die gegen die guten Sitten verstoßen,

    6.die Staatswappen, Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen oder

    Wappen eines inländischen Ortes oder eines inländischen Gemeinde- oder weite-

    ren Kommunalverbandes enthalten,

    7.die amtliche Prüf- oder Gewährzeichen enthalten, die nach einer Bekanntma-

    chung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesgesetzblatt von der Eintra-

    gung als Marke ausgeschlossen sind,

    8.die Wappen, Flaggen oder andere Kennzeichen, Siegel oder Bezeichnungen

    internationaler zwischenstaatlicher Organisationen enthalten, die nach einer Be-

    kanntmachung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesgesetzblatt[2] von

    der Eintragung als Marke ausgeschlossen sind,

    9.deren Benutzung ersichtlich nach sonstigen Vorschriften im öffentlichen Inte-

    resse untersagt werden kann, oder

    10.die böswillig angemeldet worden sind.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    29

    Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

    Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausge-

    schlossen, denen für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wer-

    den soll, jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

    Bei § 3 Abs. 1 MarkenG kommt es nur darauf an, ob die Marke überhaupt geeignet

    ist, als Kennzeichen für Waren oder Dienstleistungen zu dienen (sog. abstrakte Un-

    terscheidungskraft). Bei § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geht es dagegen um die kon-krete Unterscheidungskraft.

    Definition:

    Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder

    Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen

    aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2009, 952 ff. – DeutschlandCard).

    Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wird schon durch eine ganz geringe Unterscheidungskraft überwunden.

    Beispiele: Bei Wortmarken genügt jede merklich erkennbare Abweichung von der Aus-

    drucksweise, die im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise

    für die Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung und ihrer wesentlichen Merk-

    male verwendet wird.

    Bei dreidimensionalen Marken genügt jede merklich erkennbare Abweichung von

    den üblichen Waren.

    Hinweis: Ob das Zeichen im konkreten Fall die nötige Unterscheidungskraft hat, bemisst sich

    nach der Verkehrsauffassung. Dabei ist der normal informierte, angemessen auf-

    merksame und verständige Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder

    Dienstleistungen zugrunde zu legen.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    30

    Merkmalsbeschreibende Angaben, § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

    Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausge-

    schlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr

    zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wer-

    tes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Er-

    bringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren

    oder Dienstleistungen dienen können.

    Dieses Eintragungshindernis erfasst also Zeichen, an denen ein Freihaltebedürfnis

    besteht, weil ihr Gebrauch der Allgemeinheit ungehindert offen stehen soll.

    Jeder Mitbewerber ist darauf angewiesen, den Verkehr über Art, Beschaffenheit,

    Menge oder Herkunft seiner Produkte informieren zu können. Daher dürfen die dazu

    notwendigen Zeichen oder Angaben nicht im Interesse einzelner Unternehmer mo-

    nopolisiert werden.

    Beispiele für nicht schutzfähige Angaben: Die Bezeichnung „Lotto“ für Glücksspiele (vgl. BGH WRP 2006, 1130 ff.)

    „Vakuumverpackt“ als Bezeichnung der Art.

    Liter, Kilogramm, Pfund als Bezeichnungen der Menge

    „forte“, , extra“, „retard“, „Depot“ als Beschaffenheitsangaben für Pharmazeuti-

    ka (vgl. BGH GRUR 1994, 122 ff.) sowie „CottonLine“ für Textilien (vgl. BGH

    GRUR 1996, 68 ff.)

    Die neuere Rechtsprechung verwendet den Begriff des Freihaltebedürfnisses nicht

    mehr. Vielmehr wird im Zusammenhang mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von merk-

    malsbeschreibenden Angaben gesprochen. Dies entspricht auch besser dem Geset-

    zeswortlaut, der von „bezeichnen“ spricht.

    Merke! Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG muss das Zeichen ausschließlich aus beschreibenden Angaben bestehen. Daraus folgt, dass solche Zeichen eintra-gungsfähig sind, bei denen entweder ein bestimmter Bestandteil oder die Ge-samtkombination schutzfähig ist.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    31

    Üblich gewordene Bezeichnungen, § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG

    § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG enthält ein Schutzhindernis für Marken, die ausschließlich

    aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in

    den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Waren

    oder Dienstleistungen üblich geworden sind.

    Bei der Beurteilung ist zwischen den verschiedenen Waren und Dienstleistungen zu

    unterscheiden. Denn ein und dasselbe Zeichen kann für bestimmte Waren oder

    Dienstleistungen zu einer verkehrsüblichen Bezeichnung geworden sein, für andere

    Waren oder Dienstleistungen aber noch Unterscheidungskraft besitzen.

    Dann ist es nur für solche Waren oder Dienstleistungen eintragungsfähig.

    Merke! Entscheidend ist also, ob das Zeichen gerade für die Produkte, für die es eingetra-

    gen werden soll, zu einer üblichen Bezeichnung geworden ist.

    Beispiel (nach Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, 9. Aufl., § 53, Rn. 12): Die Bezeichnung „Diesel“ ist für Motoren oder Treibstoffe nicht schutzfähig, da sie im

    Verkehr zur Bezeichnung bestimmter Motor- bzw. Treibstofftypen üblich ist. Ganz

    anders ist es, wenn die Bezeichnung „Diesel“ für Jeanshosen verwendet wird. Hier

    besteht kein schützenswertes Freihaltebedürfnis der Mitbewerber, da die Bezeich-

    nung „Diesel“ für Jeanshosen nicht üblich ist. Vielmehr werden damit nur ganz be-

    stimmte Hosen mit ganz bestimmter betrieblicher Herkunft bezeichnet.

    Vertiefung: Das Eintragungshindernis muss selbstverständlich zum Zeitpunkt der Eintragung vor-

    liegen! Entwickelt sich das Zeichen erst nach Eintragung als Marke zu einer üblichen,

    beschreibenden Angabe, dann greift § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht ein. Auch eine

    Löschung nach § 50 Abs. 1 MarkenG ist dann nicht möglich. In Frage kommt dann

    nur eine Löschung wegen Verfalls nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn die dafür

    nötigen weiteren Voraussetzungen gegeben sind.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    32

    Überwindung der Schutzhindernisse der § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 3 MarkenG

    Nach § 8 Abs. 3 MarkenG finden die § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 3 MarkenG keine Anwen-

    dung, wenn die Marke Verkehrsdurchsetzung erlangt hat.

    Gesetzeswortlaut: (3) Absatz 2 Nr. 1, 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn die Marke sich vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung infolge ihrer Benutzung für die Wa-

    ren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat. Dabei muss die Verkehrsdurchsetzung mindestens 50 Prozent erreicht haben. Denn die Eintragung einer Marke, der eigentlich ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2

    Nr. 1 – 3 MarkenG entgegensteht, kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn mindes-

    tens die Hälfte der beteiligten Verkehrskreise in dem Zeichen einen bestimmten Her-

    kunftshinweis sieht.

    In räumlicher Hinsicht muss diese Verkehrsdurchsetzung im gesamten Bundesge-biet erreicht werden. Denn auch die Marke genießt im gesamten Bundesgebiet Schutz.

    Merke! Die Verkehrsdurchsetzung muss für das Zeichen in der Form bestehen, wie es jetzt

    angemeldet wird. Weiterhin muss die Verkehrsdurchsetzung gerade für den Anmel-

    der bestehen, d.h. die beteiligten Verkehrskreise müssen das Zeichen mit dem An-

    melder in Verbindung bringen.

    Vertiefung: Die Verkehrsdurchsetzung i.S.d. § 8 Abs. 3 MarkenG muss unterschieden werden

    von der Verkehrsgeltung i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG. Letztere erfasst Kennzeichen, die

    eigentlich eintragungsfähig wären, aber nicht eingetragen wurden. Der Grad der Be-

    kanntheit und Akzeptanz im Verkehr muss hier entsprechend geringer sein. Weiter-

    hin können durch Verkehrsgeltung auch Markenrechte an Zeichen entstehen, denen

    eigentlich ein Schutzhindernis entgegensteht.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    33

    Täuschende Zeichen, § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG

    Ein absolutes Schutzhindernis besteht gem. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG für Zeichen,

    die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder

    die geographische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen.

    Merke! Entscheidend ist, ob es durch den Inhalt des Zeichens zu einer Irreführung kom-men kann. Unerheblich ist, ob die Art der Verwendung des Zeichens zur Irrefüh-rung geeignet ist.

    Der Zeicheninhalt wird im Wesentlichen geprägt durch die Waren und Dienstleistun-

    gen, für die der markenrechtliche Schutz begehrt wird.

    Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG führt im Anmeldeverfahren aber

    nur dann zu einer Zurückweisung der Anmeldung, wenn die Eignung zur Täu-schung ersichtlich ist, vgl. § 37 Abs. 3 MarkenG. Diese Ersichtlichkeit ist gege-ben, wenn keine Benutzungsform denkbar ist, in der das Zeichen ohne Täu-schung verwendet werden könnte.

    Merke! Ist für die zu schützenden Waren eine Markenbenutzung möglich, die nicht irrefüh-

    rend ist, dann greift § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nicht ein!

    Beispiel (nach Eisenman/Jautz, Grundriss Gewerbl. Rechtsschutz u. Urheberrecht, Rn. 259): Die Abbildung eines Kuhkopfes oder eines Butterfasses ist eine täuschende Marke,

    wenn die Marke nur für Margarine anstatt echter Butter verwendet wird.

    Vertiefung: § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG soll verhindern, dass eine täuschende Marke überhaupt

    erst eingetragen wird. Dagegen kann in der täuschenden Verwendung einer (ord-

    nungsgemäß) eingetragenen Marke ein Verstoß gegen § 5 UWG liegen.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    34

    Die Schutzhindernisse der § 8 Abs. 2 Nr. 5 - 8 MarkenG

    Die in den § 8 Abs. 2 Nr. 5 – 8 MarkenG geregelten Schutzhindernisse dienen alle-

    samt der Wahrung der öffentlichen Ordnung.

    So sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG solche Zeichen nicht schutzfähig, die gegen

    die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Hierbei können sowohl ge-

    setzliche als auch außergesetzliche Wertungen berücksichtigt werden. Aufgrund der

    Konturlosigkeit der Vorschrift darf sie nur zurückhaltend und nur in eindeutigen Fällen

    angewendet werden.

    Merke! Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist genauso auszulegen, wie sonst auch im

    deutschen öffentlichen Recht.

    Ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, ist immer in Bezug auf die konkreten

    Waren oder Dienstleistungen zu beurteilen, für die das Zeichen angemeldet wird.

    Entscheidend für die Beurteilung ist die Verkehrsauffassung, wobei es genügt, dass

    ein erheblicher Teil des Verkehrs die Verwendung des Zeichens für die betreffenden

    Produkte als anstößig und nicht bloß als geschmacklos empfindet.

    Vertiefung: Da die Fälle der gesetzwidrigen Zeichen vornehmlich von § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG

    erfasst werden, beschränkt sich der Anwendungsbereich der Nr. 5 im Wesentlichen

    auf die Verstöße gegen die guten Sitten.

    Tipp: Die Schutzhindernisse der § 8 Abs. 2 Nr. 6, 7, 8 MarkenG sind weitestgehend

    selbsterklärend und haben zudem eine eher geringe Bedeutung.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    35

    Benutzungsverbote im öffentlichen Interesse, § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG

    § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG enthält ein Schutzhindernis für Zeichen, deren Benutzung

    im öffentlichen Interesse nach anderen als kennzeichenrechtlichen Vorschriften un-

    tersagt ist.

    Zu diesen anderen Vorschriften zählen vor allem lebensmittelrechtliche Vorschriften.

    Die Bedeutung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG liegt dabei in

    Folgendem: Diese anderen gesetzlichen Vorschriften enthalten i.d.R. zwar Benut-

    zungsverbote für bestimmte Bezeichnungen, aber keine Eintragungsverbote. § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG will als „Gelenkvorschrift“ diese Benutzungsverbote durch ein Eintragungsverbote ergänzen (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. § 8, Rn. 292).

    Merke! § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG greift nur ein, wenn keine Benutzung des Zeichens denk-

    bar ist, die nicht gegen das gesetzliche Verbot verstößt.

    Beachte! Das Benutzungsverbot muss im öffentlichen Interesse bestehen. Daher werden zivilrechtliche Unterlassungsansprüche, die nur im Interesse der konkret Betroffenen

    bestehen, nicht von § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG erfasst.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    36

    Bösgläubige Markenanmeldung, § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG

    § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG enthält ein Schutzhindernis für Marken, die bösgläubig

    angemeldet worden sind.

    Dieses Schutzhindernis stellt eine besondere Ausprägung des Schutzes vor

    Rechtsmissbrauch dar.

    Die Bösgläubigkeit muss bei der Anmeldung ersichtlich sein, vgl. § 37 Abs. 3 MarkenG. Daher hat dieses Schutzhindernis eher geringe Bedeutung, weil die Bös-gläubigkeit in vielen Fällen nicht ohne weiteres ersichtlich ist.

    Der Begriff der Bösgläubigkeit entspricht nicht dem des deutschen Zivilrechts. Eine eindeutige Definition besteht nicht, vielmehr ist der Begriff einzelfallbezogen zu

    bestimmen.

    Merke! Nach der Rechtsprechung des BGH liegt Bösgläubigkeit vor, wenn der Anmelder das

    Zeichen nicht als Marke im Sinne eines Herkunftsnachweises verwenden will, son-

    dern bloß die formale Rechtsstellung als Inhaber des Markenrechts zum Zwecke der

    rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einsetzen will (vgl.

    BGH GRUR 2009, 780 ff. – Ivadal).

    Bei dieser Beurteilung kommt es ausschließlich auf die Ziele und Motive des Anmel-

    ders im Zeitpunkt der Anmeldung an.

    Beispiele: Da die Marke nicht akzessorisch zu einem Geschäftsbetrieb ist, liegt in der Mar-

    kenanmeldung durch eine Privatperson für sich genommen noch keine Bösgläu-

    bigkeit.

    Eine sittenwidrige und damit bösgläubige Anmeldung liegt vor, wenn die Anmel-

    dung in Kenntnis der Tatsache, dass ein Dritter beabsichtigt, die angemeldete

    Bezeichnung zu benutzen und mit dem Ziel erfolgt, diese geplante Benutzung zu

    sperren (vgl. BPatG GRUR 2006, 1032 ff – E 2). Das gilt v.a. dann, wenn der

    Anmelder die Marke selbst gar nicht nutzen könnte.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    37

    Die relativen Schutzhindernisse der §§ 9 – 13 MarkenG

    Die relativen Schutzhindernisse dienen nur dem privaten Interesse des Inhabers eines kollidierenden älteren Zeichens. Sie werden daher nicht von Amts wegen berücksichtigt, sondern müssen von dem betroffenen Zeicheninhaber geltend gemacht werden.

    Merke! Die relativen Schutzhindernisse betreffen die Fälle, in denen die einzutragende Mar-

    ke mit älteren Zeichenrechten oder sonstigen Rechten kollidiert.

    Ausgangspunkt ist also der Prioritätsgrundsatz des § 6 MarkenG, wonach das ältere

    Recht grundsätzlich Vorrang hat.

    Die relativen Schutzhindernisse sind als Löschungsgründe ausgestaltet, vgl. nur den Wortlaut der §§ 9, 11, 12, 13 MarkenG. Der Inhaber des kollidierenden älte-

    ren Zeichens kann gem. § 51 Abs. 1 MarkenG eine Klage auf Löschung gegen den

    Anmelder erheben.

    Die relativen Schutzhindernisse der §§ 9-12 MarkenG berechtigen den Inhaber des

    älteren Zeichenrechts gem. § 42 Abs. 2 MarkenG auch zum Widerspruch im Rahmen

    des Eintragungsverfahrens (dazu später mehr!).

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    38

    Relatives Schutzhindernis des § 9 MarkenG – Teil 1

    § 9 MarkenG enthält ein relatives Schutzhindernis für den Fall, dass die neu einge-

    tragene Marke mit einer eingetragenen oder angemeldeten älteren Marke kollidiert.

    Gesetzeswortlaut § 9 MarkenG: 1) Die Eintragung einer Marke kann gelöscht werden,

    1.wenn sie mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem

    Zeitrang identisch ist und die Waren oder Dienstleistungen, für die sie einge-

    tragen worden ist, mit den Waren oder Dienstleistungen identisch sind, für die

    die Marke mit älterem Zeitrang angemeldet oder eingetragen worden ist,

    2.wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder

    eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlich-

    keit der durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für

    das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Ge-

    fahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden,

    oder

    3.wenn sie mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem

    Zeitrang identisch oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen

    eingetragen worden ist, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke mit äl-

    terem Zeitrang angemeldet oder eingetragen worden ist, falls es sich bei der

    Marke mit älterem Zeitrang um eine im Land bekannte Marke handelt und die

    Benutzung der eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wert-

    schätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer

    Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.

    (2) Anmeldungen von Marken stellen ein Eintragungshindernis im Sinne des Absat-

    zes 1 nur dar, wenn sie eingetragen werden.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    39

    Relatives Schutzhindernis des § 9 MarkenG – Teil 2

    § 9 Abs. 1 MarkenG enthält drei Kollisionstatbestände. Nr. 1 – Identitätsschutz: Die neu eingetragene Marke ist mit einer prioritätsälte-

    ren Marke identisch und wurde auch für identische Waren/Dienstleistungen wie

    die ältere Marke eingetragen.

    Nr. 2 – Verwechslungsschutz: Zwischen der neu eingetragenen Marke und ei-ner prioritätsälteren Marke wird beim Publikum eine Verwechslungsgefahr her-

    vorgerufen, da sowohl die beiden Marken identisch oder ähnlich sind, als auch

    die Waren/Dienstleistungen.

    Nr. 3 – Bekanntheitsschutz: Es handelt sich bei der prioritätsälteren Marke um eine im Inland bekannte Marke, diese ist mit der neueingetragenen Marke iden-

    tisch oder ähnlich, die prioritätsjüngere Marke wurde jedoch (im Unterschied zu

    oben) für nicht ähnliche Waren/Dienstleistungen angemeldet und nutzt die Unter-

    scheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise aus oder beeinträchtigt

    diese.

    Vertiefung: Die Löschungsgründe des § 9 MarkenG gelten zum einen für alle eingetragenen

    deutschen Marken, zum anderen als Schutzverweigerungs- und Schutzentziehungs-

    gründe auch für in Deutschlang geschützte IR-Marken, vgl. §§ 107, 114, 119, 124

    MarkenG.

    Als entgegenstehende Marken kommen die eingetragenen prioritätsälteren deut-

    schen Marken als auch IR-Marken in Betracht, die in Deutschland Schutz genießen,

    vgl. §§ 112, 116, 124 MarkenG.

    Gemeinschaftsmarken sind über § 125b Nr. 1 MarkenG gleichgestellt.

    Hinweis: Die § 9 Abs. 1 Nr. 1 – 3 MarkenG finden sich wortgleich in § 14 Abs. 2 Nr. 1 – 3 Mar-

    kenG. Daher werden sie später i.R.d. § 14 MarkenG noch genauer dargestellt.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    40

    Notorisch bekannte Marke als relatives Schutzhindernis, § 10 MarkenG

    Liegt eine notorisch bekannte Marke vor, dann müssen Sie auch an das relative

    Schutzhindernis des § 10 MarkenG denken.

    Gesetzeswortlaut § 10 MarkenG: (1) Von der Eintragung ausgeschlossen ist eine Marke, wenn sie mit einer im In-land im Sinne des Artikels 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft notorisch bekannten

    Marke mit älterem Zeitrang identisch oder dieser ähnlich ist und die weiteren Voraus-

    setzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 3 gegeben sind.

    (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Anmelder von dem Inhaber der notorisch bekannten Marke zur Anmeldung ermächtigt worden ist

    Hinweis: Auf der nächsten Karteikarte erfahren Sie einige Details zu dieser Regelung!

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    41

    Notorisch bekannte Marken als relatives Schutzhindernis, § 10 MarkenG

    Auch eine in Deutschland bekannte notorische Marke i.S.d. Art. 6 PVÜ (vgl. § 4 Nr. 3

    MarkenG) stellt ein relatives Schutzhindernis dar, wenn einer der Kollisionstatbe-

    stände des § 9 Abs. 1 MarkenG vorliegt.

    Dies gilt unabhängig davon, ob diese notorischen Marken selbst eingetragen sind.

    Beachte! Die Anmeldung einer Marke, die mit einer notorisch bekannten Marke kollidiert, ist

    gem. § 37 Abs. 4 MarkenG von Amts wegen zurückzuweisen, wenn die Notorietät amtsbekannt ist und einer der Kollisionstatbestände der § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG vorliegt.

    Dies ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die relativen Schutzhindernisse

    gerade nicht von Amts wegen berücksichtigt werden, sondern geltend gemacht wer-

    den müssen. Damit soll das DPMA die Möglichkeit haben von sich aus schon im Ein-

    tragungsverfahren gegen offenkundige Fälle der Markenverletzung vorzugehen.

    Vertiefung: § 10 MarkenG stellt dann kein Schutzhindernis dar, wenn der Anmelder der neuen

    Marke vom Inhaber der prioritätsälteren notorisch bekannten Marke zur Anmeldung

    ermächtigt worden ist, vgl. § 10 Abs. 2 MarkenG.

    Merke! Die § 37 Abs. 1, 4 MarkenG i.V.m. § 10 MarkenG haben Vorrang vor dem absoluten

    Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG.

    Die bloße Kollision mit einer älteren notorisch bekannten Marke ist daher kein abso-

    lutes Schutzhindernis!

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    42

    Agentenmarken als relatives Schutzhindernis, § 11 MarkenG

    Gesetzeswortlaut § 11 MarkenG: Die Eintragung einer Marke kann gelöscht werden, wenn die Marke ohne die Zu-stimmung des Inhabers der Marke für dessen Agenten oder Vertreter eingetragen

    worden ist.

    Nach § 11 MarkenG besteht also ein relatives Schutzhindernis, wenn die Marke ohne

    die Zustimmung des Inhabers der Marke für dessen Agenten oder Vertreter einge-

    tragen worden ist.

    Agent in diesem Sinne kann jeder Absatzmittler sein, der gegenüber seinem Ver-

    tragspartner die Pflicht hat, dessen Interessen wahrzunehmen.

    Merke!

    Aus § 11 MarkenG ergibt sich nur, dass derartige Marken gelöscht werden können.

    Der Löschungsanspruch folgt dagegen aus den §§ 51, 55 MarkenG.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    43

    Durch Benutzung erworbene Marken, § 12 MarkenG – Teil 1

    § 12 MarkenG betrifft das Verhältnis der jetzt einzutragenden Marke zu einer zwar

    prioritätsälteren, aber nicht eingetragenen Marke.

    Gesetzeswortlaut § 12 MarkenG: Die Eintragung einer Marke kann gelöscht werden, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer Marke im

    Sinne des § 4 Nr. 2 oder an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 er-

    worben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im

    gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen.

    Hinweis: Ein praktisches Prüfungsschema zu § 12 MarkenG lernen Sie auf der nächsten Kar-

    teikarte!

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    44

    Durch Benutzung erworbene Marken, § 12 MarkenG – Teil 2

    Nach § 12 MarkenG kann der Inhaber einer prioritätsälteren, nicht eingetragenen

    Marke i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG gegen die Eintragung einer prioritätsjüngeren Marke

    vorgehen.

    Gleiches gilt für prioritätsältere geschäftliche Bezeichnungen i.S.d. § 5 MarkenG.

    Die prioritätsältere, durch Benutzung erworbene Marke muss aber im gesamten

    Bundesgebiet Geltung beanspruchen.

    Merke! Das relative Schutzhindernis besteht nur, wenn der Benutzung der jüngeren Marke

    im gesamten Bundesgebiet ein Unterlassungsanspruch des Inhabers der nicht einge-

    tragenen älteren Marke nach §§ 14, 15 MarkenG entgegen stehen würde.

    § 12 MarkenG hat also folgende Prüfungsvoraussetzungen:

    1. Bestehen eines älteren, nicht eingetragenen Markenrechts

    2. Geltung dieser prioritätsälteren Marke im gesamten Bundesgebiet

    3. Vorliegen aller Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach

    §§ 14, 15 MarkenG

    4. Geltung dieses Unterlassungsanspruchs im gesamten Bundesgebiet

    § 12 MarkenG ergänzt also die Ansprüche aus §§ 14, 15 MarkenG um einen Lö-schungsanspruch. Dieser kann mittels Löschungsklage (§§ 51, 55 MarkenG) oder im Widerspruchsver-

    fahren (§ 42 Abs. 2 MarkenG) geltend gemacht werden.

    Vertiefung: Der „für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgebliche Tag“ ist der Anmeldetag

    i.S.d. § 6 MarkenG.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    45

    Sonstige ältere Rechte als relative Schutzhindernisse, § 13 MarkenG – Teil 1

    § 13 MarkenG enthält einen Auffangtatbestand, wenn der eingetragenen Marke „sonstige Rechte“ entgegenstehen. Um sich einen Überblick zu verschaffen, lesen Sie zunächst den Gesetzeswortlaut. Dann sind auch die Ausführungen auf der

    nächsten Karteikarte verständlicher.

    Gesetzeswortlaut § 13 MarkenG: (1) Die Eintragung einer Marke kann gelöscht werden, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag ein sonstiges, nicht in

    den §§ 9 bis 12 aufgeführtes Recht erworben hat und dieses ihn berechtigt, die Be-

    nutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-

    land zu untersagen.

    (2) Zu den sonstigen Rechten im Sinne des Absatzes 1 gehören insbesondere:

    1.Namensrechte,

    2.das Recht an der eigenen Abbildung,

    3.Urheberrechte,

    4.Sortenbezeichnungen,

    5.geographische Herkunftsangaben,

    6.sonstige gewerbliche Schutzrechte.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    46

    Sonstige ältere Rechte als relative Schutzhindernisse, § 13 MarkenG – Teil 2

    Nach § 13 Abs. 1 MarkenG kann die Eintragung einer Marke gelöscht werden, wenn

    ein anderer ein prioritätsälteres Recht inne hat, das nicht in den §§ 9 – 12 MarkenG

    genannt ist, und dieses Recht ihn berechtigt, die Benutzung der Marke im gesamten

    Bundesgebiet zu verbieten.

    § 13 MarkenG hat also den Charakter eines Auffangtatbestandes.

    § 13 Abs. 2 MarkenG enthält eine nicht abschließende, exemplarische Aufzählung

    solcher „sonstiger Rechte“ i.S.d. § 13 Abs. 1 MarkenG.

    Beachte! Wollen Sie in der Klausur mit § 13 MarkenG arbeiten, müssen Sie beachten, dass

    sich der erforderliche Unterlassungsanspruch des Inhabers des älteren Rechts – mit

    Ausnahme der geografischen Herkunftsangaben i.S.d. § 15 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG –

    aus anderen Gesetzen als dem MarkenG ergibt.

    Merke! § 13 Abs. 1 MarkenG hat also folgende Prüfungsvoraussetzungen:

    1. Bestehen eines älteren Rechts, das nicht in §§ 9 – 12 MarkenG genannt ist 2. Bestehen eines Unterlassungsanspruchs aufgrund dieses Rechts 3. Geltung dieses Unterlassungsanspruchs für das gesamte Bundesgebiet

    Vertiefung: Diese sonstigen Rechte i.S.d. § 13 MarkenG können nicht im Widerspruchsverfahren

    gelten gemacht werden (vgl. § 42 Abs. 2 MarkenG), sondern nur mittels Löschungs-

    klage (vgl. §§ 51, 55 MarkenG).

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    47

    Entstehung des Markenschutzes bei Marken nach § 4 Nr. 2 und 3 MarkenG

    Bevor im letzten Teil dieses Kapitels auf das Eintragungsverfahren eingegangen

    wird, soll noch kurz erläutert werden, wie der Markenschutz bei Marken nach § 4

    Nr. 2 und 3 MarkenG entsteht.

    Es handelt sich hierbei um Marken, die durch Benutzung im Inland Verkehrsgeltung

    erlangt haben, § 4 Nr. 2 MarkenG, und um notorisch bekannte Marken, § 4 Nr. 3

    MarkenG.

    Hinweis: Die Ausführungen hierzu sind bewusst kurz gehalten, da die praktische Bedeutung

    im Vergleich zu den eingetragenen Marken nach § 4 Nr. 1 MarkenG relativ gering ist.

    Außerdem gelten die gesamten obigen Ausführungen zu § 3 MarkenG auch für Mar-

    ken nach § 4 Nr. 2 und 3 MarkenG.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    48

    Die nicht eingetragene Marke i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG

    Zwischen den in § 4 MarkenG genannten Markenformen besteht kein Rangverhält-

    nis. Die nicht eingetragene Marke – auch Benutzungsmarke genannt – steht daher

    gleichberechtigt neben der eingetragenen Marke i.S.d. § 4 Nr. 1 MarkenG.

    Die Marken nach § 4 Nr. 2 MarkenG unterscheiden sich nur hinsichtlich der Entste-

    hung von den eingetragenen Marken nach § 4 Nr. 1 MarkenG, nicht aber bezüglich

    der Rechtsfolgen und der aus dem entstandenen Markenrecht folgenden Ansprüche.

    Merke! Die Voraussetzungen des § 3 MarkenG gelten auch für nicht eingetragene Marken

    i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG.

    Dagegen gilt das Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit nach § 8 Abs. 1 Mar-

    kenG hier nicht, da § 8 MarkenG schon aufgrund seiner systematischen Stellung nur

    für eingetragene Marken gilt.

    Es muss aber in jedem Fall das Bestimmtheitserfordernis beachtet werden!

    Vertiefung: Die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 MarkenG gelten für Benutzungsmarken

    nicht unmittelbar. Wie oben bereits dargestellt können die Eintragungshindernisse

    der § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 3 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung überwunden werden.

    Der für die Verkehrsgeltung i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG erforderliche Maßstab ist daher

    in den Fällen, in denen bezüglich der nicht eingetragenen Marke ein Schutzhindernis

    nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 3 MarkenG eingreifen würde, an den für die Verkehrsdurch-

    setzung i.S.d. § 8 Abs. 3 MarkenG geltenden Maßstab anzugleichen um sinnwidrige

    Ergebnisse zu vermeiden.

    Die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 4 – 9 MarkenG können auf Benutzungs-

    marken nach § 4 Nr. 2 MarkenG entsprechend angewendet werden.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

    49

    Entstehung des Markenschutzes bei nicht eingetragenen Marken

    Bei den Marken i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG entsteht das Markenrecht durch Benutzung

    des Zeichens und die daraus folgende Verkehrsgeltung.

    Beachte! Entscheidend bei § 4 Nr. 2 MarkenG ist nicht die Benutzung der Marke, sondern die

    Erlangung von Verkehrsgeltung. Der Markenschutz entsteht nur dann, wenn die Be-

    nutzung in der Folgezeit auch zur Verkehrsgeltung geführt hat.

    Die entscheidende Frage ist also: Welcher Grad an Verkehrsgeltung ist erforder-lich, damit das Markenrecht entsteht? Die Rechtsprechung lehnt es ab, hierfür konkrete Richtwerte vorzugeben.

    Merke! Der notwendige Grad an Verkehrsgeltung bemisst sich nach den Besonderheiten

    des jeweiligen Einzelfalls.

    Als allgemeine Leitlinie kann festgehalten werden: Je größer die Unterscheidungs-

    kraft des Zeichens ist, desto geringer ist der notwenige Grad an Verkehrsgeltung und

    umgekehrt.

    Tipp: Man unterscheidet zwischen Zeichen mit originärer Unterscheidungskraft und solchen ohne, also solchen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Während bei der ersten Gruppe von der Rechtsprechung ein Bekanntheitsgrad von ca. 20 Pro-zent als ausreichend angesehen wird, müssen Zeichen ohne originäre Unter-scheidungskraft einen Bekanntheitsgrad von mindestens 50 Prozent erreichen. Dies ist erforderlich, um Widersprüche zu § 8 Abs. 3 MarkenG zu vermeiden.

    Im Rahmen der Abwägung spielt das Freihaltebedürfnis der Mitbewerber wohl keine Rolle mehr. Anders als bei eingetragenen Marken kann der Schutzbereich einer Benutzungs-marke regional oder lokal begrenzt sein, wenn die Verkehrsgeltung nur hier er-reicht wurde.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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    Notorisch bekannte Marken i.S.d. § 4 Nr. 3 MarkenG

    Nach § 4 Nr. 3 MarkenG schützt das Markengesetz auch notorisch bekannte Marken

    i.S.d. Art. 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ).

    § 4 Nr. 3 MarkenG verweist dabei nicht generell auf die PVÜ, sondern nur auf den

    Begriff der notorischen Bekanntheit. Die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen der

    PVÜ müssen daher nicht vorliegen.

    Merke! Im Unterschied zu § 4 Nr. 2 MarkenG hängt der Schutz notorisch bekannter Marken

    nicht von einer Benutzung im Inland ab. Es genügt eine im Ausland erworbene Be-

    kanntheit. Der Hauptanwendungsbereich des § 4 Nr. 3 MarkenG betrifft daher aus-

    ländische Marken, die im Inland zwar bekannt sind, aber nicht benutzt werden.

    Es reicht aus, dass die notorische Bekanntheit in einem wesentlichen Teil des In-

    lands besteht (vgl. EuGH GRUR 2008, 70 ff. – Nieto Nuño).

    Merke! Der notwendige Grad der inländischen Bekanntheit richtet sich ebenso wie bei den

    Benutzungsmarken i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG nach den Umständen des Einzelfalles.

    Die Anforderungen an den notwendigen Bekanntheitsgrad müssen hier aber höher

    sein als bei den Benutzungsmarken und auch höher als bei der Verkehrsgeltung

    i.S.d. § 8 Abs. 3 MarkenG. Denn der Markenschutz ist bei notorisch bekannten Mar-

    ken weder von einer Eintragung noch von einer Benutzung im Inland abhängig. Da-

    her ist ein Markenschutz nur gerechtfertigt, wenn der Bekanntheitsgrad bei mindes-

    tens 60 – 70 Prozent liegt.

  • Prof. Dr. Inge Scherer MarkenR – Kapitel 2 – Voraussetzungen / Entstehung des Markenschutzes

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