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KATHOLISCHE KIRCHE CHANIA gg. Griechenland file:///D|/web/Institut%20für%20Menschrechte/Alte%20Seite/docs/98_1/98_1_06.htm[03.03.2010 17:33:06] NL 1998, S. 19 (NL 98/1/6) KATHOLISCHE KIRCHE CHANIA gegen Griechenland Urteil vom 16. Dezember 1997 Rechtspersönlichkeit einer Religionsgemeinschaft und Recht auf Zugang zu einem Gericht Art. 6 (1) EMRK Art. 9 EMRK Art. 14 EMRK Art. 1 1.ZP EMRK Sachverhalt: Die Römisch-Katholische Kathedrale der Jungfrau Maria befindet sich in Chania (Diözese Kreta). Im Juni 1987 zerstörten zwei Personen die Friedhofsmauer. Die Pfarre brachte daraufhin eine Klage ein, mit dem Feststellungsbegehren, sie sei die Eigentümerin der zerstörten Mauer. Außerdem begehrte sie die Wiedererrichtung der Mauer. Der Klage wurde stattgegeben. Die Gegenpartei brachte ein Rechtsmittel ein und behauptete, der Pfarre fehle es an Rechtspersönlichkeit, folglich sei sie nicht parteifähig. Die zweite Instanz folgte dieser Ansicht: Die Katholische Kirche und ihre Pfarren bedürfen - als nicht anerkannte Religionsgemeinschaft - zur Erlangung der Rechtspersönlichkeit einer bürgerlich-rechtlichen Organisationsform. Ein von der Bf. eingebrachtes Rechtsmittel blieb erfolglos. Rechtsausführungen: n Die Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (hier: Recht auf Zugang zu einem Gericht), Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) und Art. 9 EMRK (Recht auf Glaubensfreiheit) sowie Art. 1 1.ZP EMRK (Recht auf Achtung des Eigentums). n Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 (1) EMRK: Die Rechtspersönlichkeit der Katholischen Kirche und der einzelnen Pfarrkirchen wurde seit der Staatsgründung Griechenlands weder durch die Gerichte noch in der Verwaltungspraxis in Frage gestellt. Die Bf. konnte begründeterweise auf diese rechtliche Situation vertrauen. Mit der Feststellung, der Bf. fehle es an Rechtspersönlichkeit, wird sie daran gehindert, in Zukunft als Verfahrenspartei auftreten zu können. Dadurch wurde der Bf. das Recht auf Zugang zu einem Gericht verweigert. Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (einstimmig). n Zur behaupteten Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 6 (1) EMRK: Anders als die Griechisch-Orthodoxe Kirche (oder aber auch die Jüdische Gemeinde) wird die Bf. durch Formalitäten und spezielle Prozeduren daran gehindert, gerichtliche Schritte zur Verteidigung ihres Eigentums zu setzen. Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 6 (1) EMRK (einstimmig). n Keine gesonderte Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 9 EMRK und Art. 1 1.ZP EMRK, jeweils auch iVm. Art. 14 EMRK (einstimmig). n Entschädigung nach Art. 50 EMRK: 5.000.000,-- GrD für materiellen Schaden, 5.908.000,-- GrD für Kosten und Auslagen (einstimmig). Anm.: Die Kms. hatte in ihrem Ber. v. 3.9.1996 eine Verletzung von Art. 9 EMRK iVm. Art. 14 EMRK (18:10 Stimmen), jedoch keine Verletzung von Art. 9 EMRK

KATHOLISCHE KIRCHE CHANIA gg. · PDF fileKATHOLISCHE KIRCHE CHANIA gegen Griechenland Urteil vom 16. Dezember 1997 Rechtspersönlichkeit einer Religionsgemeinschaft und Recht auf Zugang

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KATHOLISCHE KIRCHE CHANIA gg. Griechenland

file:///D|/web/Institut%20für%20Menschrechte/Alte%20Seite/docs/98_1/98_1_06.htm[03.03.2010 17:33:06]

NL 1998, S. 19 (NL 98/1/6)

KATHOLISCHE KIRCHE CHANIA gegen Griechenland

Urteil vom 16. Dezember 1997

Rechtspersönlichkeit einer Religionsgemeinschaftund Recht auf Zugang zu einem Gericht

Art. 6 (1) EMRK

Art. 9 EMRK

Art. 14 EMRK

Art. 1 1.ZP EMRK

Sachverhalt:Die Römisch-Katholische Kathedrale der Jungfrau Maria befindet sich in Chania (Diözese Kreta).Im Juni 1987 zerstörten zwei Personen die Friedhofsmauer. Die Pfarre brachte daraufhin eineKlage ein, mit dem Feststellungsbegehren, sie sei die Eigentümerin der zerstörten Mauer.Außerdem begehrte sie die Wiedererrichtung der Mauer. Der Klage wurde stattgegeben. DieGegenpartei brachte ein Rechtsmittel ein und behauptete, der Pfarre fehle es anRechtspersönlichkeit, folglich sei sie nicht parteifähig. Die zweite Instanz folgte dieser Ansicht: DieKatholische Kirche und ihre Pfarren bedürfen - als nicht anerkannte Religionsgemeinschaft - zurErlangung der Rechtspersönlichkeit einer bürgerlich-rechtlichen Organisationsform. Ein von der Bf.eingebrachtes Rechtsmittel blieb erfolglos.

Rechtsausführungen:n Die Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (hier: Recht aufZugang zu einem Gericht), Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) und Art. 9EMRK (Recht auf Glaubensfreiheit) sowie Art. 1 1.ZP EMRK (Recht auf Achtungdes Eigentums).n Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 (1) EMRK:Die Rechtspersönlichkeit der Katholischen Kirche und der einzelnen Pfarrkirchenwurde seit der Staatsgründung Griechenlands weder durch die Gerichte noch inder Verwaltungspraxis in Frage gestellt. Die Bf. konnte begründeterweise aufdiese rechtliche Situation vertrauen.Mit der Feststellung, der Bf. fehle es an Rechtspersönlichkeit, wird sie darangehindert, in Zukunft als Verfahrenspartei auftreten zu können. Dadurch wurdeder Bf. das Recht auf Zugang zu einem Gericht verweigert. Verletzung von Art. 6(1) EMRK (einstimmig).n Zur behaupteten Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 6 (1) EMRK:Anders als die Griechisch-Orthodoxe Kirche (oder aber auch die JüdischeGemeinde) wird die Bf. durch Formalitäten und spezielle Prozeduren darangehindert, gerichtliche Schritte zur Verteidigung ihres Eigentums zu setzen.Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 6 (1) EMRK (einstimmig).n Keine gesonderte Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 9EMRK und Art. 1 1.ZP EMRK, jeweils auch iVm. Art. 14 EMRK (einstimmig).n Entschädigung nach Art. 50 EMRK:5.000.000,-- GrD für materiellen Schaden, 5.908.000,-- GrD für Kosten undAuslagen (einstimmig).Anm.: Die Kms. hatte in ihrem Ber. v. 3.9.1996 eine Verletzung von Art. 9 EMRKiVm. Art. 14 EMRK (18:10 Stimmen), jedoch keine Verletzung von Art. 9 EMRK

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KATHOLISCHE KIRCHE CHANIA gg. Griechenland

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(einstimmig) festgestellt. Keine gesonderte Prüfung von Art. 6 (1) EMRK alleineund iVm. Art. 14 EMRK (17:11 Stimmen); keine gesonderte Prüfung vonArt. 1 1.ZP EMRK alleine und iVm. Art. 14 EMRK (21:7 Stimmen).

P.R.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format).