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politik 30 DFZ 12 · 2013 DFZ: Korruption im Gesundheitswesen – immer wieder ein Thema, man denke nur an das Thema Transplantationsmedizin. Wie stehen Sie als Präsident des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) zu diesem Thema? » Uwe Breuer: Alle Parteien beschäſtigen sich mit dem ema. Der VDZI kann daher nicht die Augen davor verschließen, son- dern Antworten geben. Aus diesem Grund haben wir aktuell eine Informationsbroschüre an die Mitglieder versendet, um diese zu ihrem eigenen Schutz zu sensibilisieren und aufzu- klären: Was ist rechtens und was nicht? DFZ: Gibt es bei den Zahntechnikern Unsicherheiten? » Wenn etwas passiert, was als Korruption klassifiziert werden kann, geschieht dies ja meist nicht vorsätzlich, sondern in Unkenntnis der Rechtslage. Da Zahntechniker Künstler sind, wollen sie sich damit auch nicht beschäſtigen. Deshalb diese Aulärungsbroschüre an unsere Kollegen. DFZ: Das Thema „Korruption“ und die Positionierung des VDZI (siehe Kasten) innerhalb eines Papiers sorgten jedoch für Verstimmungen in der zahnärztlichen Welt. » Die Gesundheitshandwerker haben gemeinsame Auffassun- gen, auch wenn sie dabei jeweils differenzierter im Einzelfall argumentieren würden. Jene Gesundheitshandwerke, die im Rahmen der ambulanten Versorgung als Hilfsmittelerbringer direkten Kontakt zum Patienten haben, wollen mithelfen bei der Problematik, dass im ländlichen Raum kaum noch Augen- ärzte und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte anwesend sind. Dadurch ist die Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet. Hier wird Bezug genommen auf § 28 Abs. 1 des Fünſten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V). Die zahnärztliche Versorgung ist darin nicht geregelt und daher in dieser Frage nicht betroffen. DFZ: Im Positionspapier „Erwartungen und Fordrungen der Gesund- heitshandwerke“ das der VDZI mit unterschrieben hat, wird gefor- dert „Umgehungstatbestände, wie sie bei Zahnärzten durch die Praxislaborregelung und Eigenbelegabrechnung gegeben sind, auszuschließen“. Wie darf man diese Formulierung verstehen? Ist der VDZI gegen Praxislabore in zahnärztlicher Hand? » Wir sind nicht gegen Praxislabore als Hilfsbetriebe für die zahnärztliche Praxis in der zahnärztlichen Praxis. Ein gene- Im Interview: Präsident des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) Uwe Breuer Kein Generalverdacht gegen Praxislaborbetreiber Handwerk hat in Deutschland bekanntlich goldenen Boden. Stimmt das auch? Zwar treibt es auch im Zeitalter der Digitalisierung immer noch viele junge Menschen zu einem Meisterhandwerk, doch die konkrete Berufsausübung scheint anspruchsvoller zu werden. Auch bei den Zahntechnikern ist der Trend erkennbar: Gab es nach offiziellen Zahlen der Berufsgenossenschaft vor gut zehn Jahren noch knapp 9000 Auszubildende, waren es 2011 noch rund 6400. Dabei stehen rund 8600 Zahn- technikerbetriebe und rund 65.000 Beschäftigte für wirtschaftliche Relevanz und wohnortnahe Versorgung der Patienten in Deutschland. Zahnärzte und Techniker müssen hier „Hand in Hand“ arbeiten – aktuell schien die vertrauensvolle Zusammenarbeit gestört, denn deutsche Zahnärzte sahen sich in einem Positionspapier der Techniker der Korruption bezichtigt – das Magazin Der Freie Zahnarzt sprach mit dem Präsidenten des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI), Uwe Breuer, über die aktuelle Lage in seinem Berufsstand. Uwe Breuer © F1online / thinkstockphotos.com

Kein Generalverdacht gegen Praxislaborbetreiber

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DFZ: Korruption im Gesundheitswesen – immer wieder ein Thema, man denke nur an das Thema Transplantationsmedizin. Wie stehen Sie als Präsident des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) zu diesem Thema?» Uwe Breuer: Alle Parteien beschäftigen sich mit dem Thema.

Der VDZI kann daher nicht die Augen davor verschließen, son-dern Antworten geben. Aus diesem Grund haben wir aktuell eine Informationsbroschüre an die Mitglieder versendet, um diese zu ihrem eigenen Schutz zu sensibilisieren und aufzu-klären: Was ist rechtens und was nicht?

DFZ: Gibt es bei den Zahntechnikern Unsicherheiten?» Wenn etwas passiert, was als Korruption klassifiziert werden

kann, geschieht dies ja meist nicht vorsätzlich, sondern in Unkenntnis der Rechtslage. Da Zahntechniker Künstler sind, wollen sie sich damit auch nicht beschäftigen. Deshalb diese Aufklärungsbroschüre an unsere Kollegen.

DFZ: Das Thema „Korruption“ und die Positionierung des VDZI (siehe Kasten) innerhalb eines Papiers sorgten jedoch für Verstimmungen in der zahnärztlichen Welt.

» Die Gesundheitshandwerker haben gemeinsame Auffassun-gen, auch wenn sie dabei jeweils differenzierter im Einzelfall argumentieren würden. Jene Gesundheitshandwerke, die im Rahmen der ambulanten Versorgung als Hilfsmittelerbringer direkten Kontakt zum Patienten haben, wollen mithelfen bei der Problematik, dass im ländlichen Raum kaum noch Augen-ärzte und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte anwesend sind. Dadurch ist die Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet. Hier wird Bezug genommen auf § 28 Abs. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V). Die zahnärztliche Versorgung ist darin nicht geregelt und daher in dieser Frage nicht betroffen.

DFZ: Im Positionspapier „Erwartungen und Fordrungen der Gesund-heitshandwerke“ das der VDZI mit unterschrieben hat, wird gefor-dert „Umgehungstatbestände, wie sie bei Zahnärzten durch die Praxislaborregelung und Eigenbelegabrechnung gegeben sind, auszuschließen“. Wie darf man diese Formulierung verstehen? Ist der VDZI gegen Praxislabore in zahnärztlicher Hand?» Wir sind nicht gegen Praxislabore als Hilfsbetriebe für die

zahnärztliche Praxis in der zahnärztlichen Praxis. Ein gene-

Im Interview: Präsident des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) Uwe Breuer

Kein Generalverdacht gegen Praxislaborbetreiber

Handwerk hat in Deutschland bekanntlich goldenen Boden. Stimmt das auch? Zwar treibt es auch im Zeitalter der Digitalisierung immer noch viele junge Menschen zu einem Meisterhandwerk, doch die konkrete Berufsausübung scheint anspruchsvoller zu werden. Auch bei den Zahntechnikern ist der Trend erkennbar: Gab es nach offiziellen Zahlen der Berufsgenossenschaft vor gut zehn Jahren noch knapp 9000 Auszubildende, waren es 2011 noch rund 6400. Dabei stehen rund 8600 Zahn-technikerbetriebe und rund 65.000 Beschäftigte für wirtschaftliche Relevanz und wohnortnahe Versorgung der Patienten in Deutschland. Zahnärzte und Techniker müssen hier „Hand in Hand“ arbeiten – aktuell schien die vertrauensvolle Zusammenarbeit gestört, denn deutsche Zahnärzte sahen sich in einem Positionspapier der Techniker der Korruption bezichtigt – das Magazin Der Freie Zahnarzt sprach mit dem Präsidenten des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI), Uwe Breuer, über die aktuelle Lage in seinem Berufsstand. Uwe Breuer

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reller Korruptionsverdacht gegen zahnärztliche Praxislabore hat nie bestanden.

DFZ: Perspektiven für die Zusammenarbeit zwischenZahntechnikern und Zahnärzten in Deutschland?» Der VDZI sagt „Ja“ zum Thema Freiberuflichkeit des Zahnarz-

tes und „Nein“ zur Vergewerblichung. Für die Existenzsiche-rung des Status des freien Berufs gegen aktuelle europäische Vorstöße ist die klare Grenzziehung zum gewerblichen Han-deln bei den Zahnärzten zwingend notwendig. Faire Zusam-menarbeit setzt einen fairen Wettbewerb voraus, in dem die Qualität und Leistungsfähigkeit des zahntechnischen Labo-ratoriums und die Auftragsvergabe des Zahnarztes stimmen müssen. Zahntechniker und Zahnärzte sollten auf Augenhöhe miteinander sprechen und verhandeln – das ist unser Prin-zip! Weder wollen wir in die orale Mundhöhle hinein noch die Arbeitsteilung der beiden Berufe hinterfragen, wichtig ist dabei aber, dass dies beide Seiten so sehen.

DFZ: Wie schätzen Sie Angeboteder Industrie ein (Stichwort Fräszentren)?» Sehr kritisch! Denn: Nur, wo Zahnarzt und der Zahntech-

nikermeister zusammenarbeiten, kann für den Patienten die

optimale Versorgung erreicht werden. Hier hat die Industrie ein klares Defizit.

DFZ: Sie sind vor Ort und dürften sich auch persönlich ein Bild machen. Gibt es sie oder gibt es sie nicht, die „sehr gute Zusam-menarbeit“ zwischen Zahnärzten und Zahntechnikern?» Es hat sich viel verändert, das Praxislabor hat sich verändert,

die Industrie kommt hinzu und natürlich auch, was man in Deutschland an Steuern und Sozialabgaben zu stemmen hat, belastet das Zahntechnikerhandwerk. Positiv ist allerdings nach wie vor die hohe Nachfrage an wohnortnaher, hochwertiger und individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimm-ter Arbeit des örtlichen Meisterlabors. Ausland oder Industrie – die wissen nicht, wie der Patient aussieht.

DFZ: Wie attraktiv ist der WirtschaftsstandortDeutschland für deutsche Zahntechniker?» Ich würde nie online Zahnersatz bestellen, ohne zu wissen, wo

er genau herkommt, das ist meine persönliche Meinung dazu – und so denken auch die meisten Patienten.

Die Fragen stellte Eva Britsch

Positionierung der GesundheitshandwerkerKorruption ist in allen gesellschaftlichen Bereichen ein ThemaBeispielsweise versucht man im Journalismus über das Presserecht die Neutralität von Beiträgen zu gewährleisten. Was auf den ersten Blick meist recht einfach zu sein scheint, hält selten der Lebenspra-xis stand. Ist ein Journalist beispielsweise schon deshalb bestech-lich, weil er sich auf einem Termin ein Glas Wasser spendieren lässt? Sicher nicht, aber die Grenzen sind fließend.

Die gezielte Vorteilsnahme im Gesundheitswesen verbinden viele mit Wochenendtrips auf Kosten der Pharmabranche, gut dotierten Referententätigkeiten oder klinischen Studien, die von der Industrie finanziert werden – unverhältnismäßig profitieren je nach Blickwinkel der Arzt, die Pharmabranche, der Lobbyist, der Patient oder die Industrie.

Im März 2013 haben „die Gesundheitshandwerke“, also der Zen-tralverband der Augenoptiker, die Bundesinnung der Hörgeräte-akustiker, der Zentralverband der Orthopädieschuhtechnik, Ortho-pädie, Technik, Bundesinnungsverband sowie der Verband Deut-scher Zahntechniker-Innungen unter der Überschrift „Erwartungen und Forderungen der Gesundheitshandwerke“ ein Positionspapier verabschiedet, in dem die Interessengruppen sich zum Festzu-schusssystem äußern oder eine „leistungsgerechtere Koopera-tion im höchsten Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen“ (Gemeinsamer Bundesausschuss) fordern.

Differenziert nehmen die Verbände hier auch Stellung zum The-ma „Korruption“. Eine „verstärkte Korruptionsbekämpfung“ sei weiterhin vonnöten, wobei das Papier die Verbesserungen in die-sem Bereich durch das Versorgungsstrukturgesetz, das in der ver-gangenen Legislaturperiode verabschiedet wurde, betont. In dem Papier heißt es:

„Fehlanreize im Gesundheitswesen können zu Fehlverhalten der verschiedenen Akteure führen. Beispielsweise kann mone-täres Gewinnstreben eines Arztes oder Krankenhauses die strik-te medizinische Bedarfsorientierung bei der Therapiewahl über-lagern, wodurch nichtnotwendige oder nichtadäquate Therapie-mittel und Medizinprodukte eingesetzt werden.“

In der zahnärztlichen Welt sorgten die Zeilen: „Insbesondere die klare Vergewerblichung bei Zahnärzten durch eine unhaltba-re rechtliche Überdehnung des zahnärztlichen Praxislaborbegriffs muss in diesem Regelungszusammenhang konsequent unterbun-den werden“, verbunden mit der Forderung, dass „die Unterbin-dung einer Beteiligung von Vertrags(zahn-)ärzten an Unterneh-men der Leistungserbringer“ ausgeweitete werden müssten, um „Umgehungstatbestände, wie sie bei Zahnärzten durch die Praxis-laborregelung und Eigenbelegabrechnung gegeben sind“ auszu-schließen, für Irritationen.

Auf der Hauptversammlung des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Herausgeber dieses Magazins, verabschiede-ten die Delegierten im Oktober nach einer Diskussion zum Thema einen Antrag, in dem die „Übertragung von originär zahnärztlichen Kompetenzen auf Heil-Hilfsberufe (z. B. Zahntechniker) als Aufwei-chung des Approbationsvorbehaltes“ abgelehnt wird.

Aktuellen Berichten zufolge könnte Bestechung im Gesundheits-wesen künftig Straftatbestand sein. Während der Koalitionsverhand-lungen war die Verankerung im Strafgesetzbuch Thema zwischen Union und SPD. Damit hätte sich der sozialdemokratische Regie-rungspartner durchgesetzt, denn die Union plädierte lediglich für eine Regelung durch das Sozialgesetzbuch.

Der neue Straftatbestand solle dann nicht nur für Ärzte, sondern für alle Heilberufe gelten.

Eva Britsch