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Kernkräfte

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Page 1: Kernkräfte

DIE NATURWISSENSCHAFTEN ~'5. Jahrgang 30. April x937 Heft x8

Kernkr/iffe. Von P. JORDAN, Rostoek.

Inhalt : Einleitung. § I. Die Bindungsenergien der Kerne. § 2. Potentialtopf and Austauschkrait. § 3. Das Deuteron. § 4. Streuung yon Neutronen an Protonen. § 5. Die Wechselwirkung Proton -- Proton. § 6. Die Betakr~fte. § 7. Die Elementarl~nge.

Einleitung. Bei der Erforschung der Ato,mkerne und ihrer Reaktionsgesetze stehen wir einer an- deren Problemlage gegenfiber, als seinerzeit beim Eindringen in die Gesetzm~Bigkeiten der Elelc- tronenhi~llen der A%ome. Als die BOHRsche Deutung des Balmer-Spektrums den ersten Zugang zum Verstgndnis der inneratomaren Dynamik er6ffnete, waren die Gesetze der Quantenphysilc erst in den ersten Andeutungen bekannt: der besondere Reiz, der damals so viele Forscher auf das Gebiet der Atomforschung lockte, lag gerade darin begrtin- det, dab die r~tselhaften Quantenerscheinungen offensichtlich eine beherrschende Rolle in der Atonldynamik spielten und dab die Aufkl~rung der Atomprobleme Hand in Hand gehen mugte mit der Aufdeckung der Geheimnisse dieser Quanten. Angesichts der Schwierigkeiten, die durch die paradoxe Neuartigkeit der Quanten- erscheinungen gegeben waren, bedeutete es eine flit den Fortsehri t t der Forschung wesentliche Erleichterung, dab andererseits jedenfalls das Kra]t~esetz bekannt war, das die Wechseh~rkungen der Elektronen und Kerne regelt: n~mlich das COULOMBsche Gesetz. Zwar hat bekanntlich die feinere Erforschung der Atomspektren noch eine Erg~tnzung hinsichtlich des Kraftgesetzes zwischen Elektronen gebracht: auger der Ladung besitzt das Elektron noch den zu weiteren Wechselwir- kungskr~tften Anlag gebenden Spin. Abet sein Einilug bedeutet doch nur eine geringe Korrektion gegentiber der COVLOMBSChen Wechselwirkung.

Bei der heutigen Eriorschung der Kerne da- gegen steht uns die Quantenmechanik (Wellen- mechanik) ,/on vornherein als fertiges Gedanken- instrument zur Verfiigung; seitdem wir wissen, dab Protonen und Neutronen die Bausteine der Kerne sind, dfirfen wir tiberzeugt sein, dab die noch un- gel6sten Fragen betreffs der relativistischen Quan- tenmechanik ffir den Kernbau keine merkliche Rolle spielen. Denn die (dutch die Massende]elcte gegebenen) Bi~ungsenergien tier Kerne sind ja klein gegenfiber der Ruhenergie 2~Ic~ eines dieser Kernbausteine, und folglich k6nnen sich diese im Kern nut mit geringen Geschwindigkeiten v << c be- wegen. Ganz unbekannt sind uns aber zun~tehst die (nichtelektrischeni) KrO, Jte, welche die Be-

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standteile der Kerne zusammenhalten. Ihre Er- forschung ist deshalb das wesentlichste grund- s~ttzliche Ziel der Kernphysik.

In dieser Zeitschrift hat der Verfasser schon vor einiger Zeit tiber , ,Fortschritte der Theorie der Atomkerne" berichtet (5). Inzwischen haben neue Ergebnisse das damalige Igild der Dinge so wesent- lich weiterentwickelt, dab eine abermalige Be- trachtung des Gegenstandes lohnend erseheint. Das damals Gesagte soll jetzt nicht ausftihrlich wiederholt werden; deshalb ~drd es itir den Leser des gegenw~rtigen Berichtes - - obwohl dieser in sich abgeschlossen ist - - zwar nicht er]orderlich, aber doch ni~tzlich sein, den frfiheren Bericht, oder s tat t dessen die entsprechenden Abschnitte meiner ,,Anschaulichen Quantentheorie" (6), vorher ge- lesen zu haben.

§ I. Die Bindungsenergien der Kerne. Man kann die in den Atomkernen vorliegende Form yon Materie grob als eine Art homogenerFli2ssiglzeit kenn- zeiehnen; jeder einzelne' Kern ist ein ,,Tr6p/chen" dieser Flfissigkeit. Die schwereren, teilchenreichen Kerne haben n~Lmlich eine recht scharf definierte Oberfl~che - - relativ viel sch~rfer definiert, als bei den Atomen selbst, deren elektrische Ladungs- wolke bekanntlich nut eine sehr verschwommene Grenze besitzt. Man kennt die Radien der Kerne recht gut - - besonders bei den c~-Strahlern sind sie aus den Zerfatlswahrscheinlichkeiten sehr genau zu ermitteln ~. Man hat eine Proportionalit~it zwi- schen Kernvolum und Teilchenzahl (Atomgewicht) festgestellt. Man wird also aueh nicht daran zwei- ~eln, dab im tnnern eines schweren Kerns eine konstante r~umliche Teilchendichte besteht. Nur an der OberflS.che ist eine Auflockerung zu linden, die den stetigen Obergang zu der verschwindenden Teilchendichte augerhalb des Kerns vermit te l t ; bei den leichten Kernen atlerdings wird ein groBer Tell oder schlieglich sogar das gauze Kernvolum in diesem Sinne zur ,,Oberfi~che" zu rechnen sein.

Die Rubnassen yon Proton und Neutron sind, in Atomgewichten ausgedrtickt, etwas gr6Ber

als i : Proton: 1,oo76, Neutron : ~,oo89.

Die ffir das Proton angegebene Zahl ist natfirlich nicht zu verwechseln mit dem Atomgewicht des H-Atoms, welches noch um das , ,Atomgewicht" des Elektrons - - n~tmlich o,ooo55 - - gr613er ist (also den ~Tert 1,oo81 hat). Die bekannte Tat- sache, dab alle h6heren Atome nahezu ganzzahliges

1 Die trfiher angenommenen Werte erfahren alter- dings nach BE~HE (8) eine Korrektion auf Grund der neuen BoI~Rschen Ideen zur Kerntheorie.

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Atomgewicht haben, bedeutet nun, dab die Bin- dungsenergie pro Teilchen in allen F~tlen nahezu denselben Wert hat : drficken wit diese Bindungs- energie pro Teilchen durch den entsprechenden Massendefekt (in Atomgewichten gemessen) aus, so bekommen wit also einen Durchschnittswert yon etwa %o083.

Aber nicht nnr hinsichtlich der r~umlichen Teilchendichte und hinsichtlich der Bindungs- energie (oder ,,Verdampfungsw~rme", wie man an- schaulich sagen k6nnte) erweisen sich die Kerne als Tr6pfchen einer immer gleichartigen ,,Kern- flfissigkeit". Sondern auch das Anteilsverhdltnis yon Protonen und Neutronen ist nahezu konstant : die leichteren Kerne haben vorwiegend gleich viel oder fast gleich viel Protonen und Neutronen, und bei den schwereren Kernen tr i t t zwar allmg~hlich ein l~berge~dclat der Neutronen fiber die Protonen ein, doch w~chst das Anteilsverh~ltnis nicht h6her, als bis etwa 1,6. Dieses Anwachsen kann aber ats Folge der CovLo~iBschen Abstoflung der Protonen gedeutet werden, welche offenbar den Kern auJ- loekert und dadurch bei zunehmender Kernladung die Kerne mit etwas gr6gerem Neutronenanteil stabiler werden l~Bt gegenfiber den ,,ideMen" Kernen mit gleich vieI Neutronen und Protonen. Wir sind also berechtigt, uns vorzustellen, dab die ,,eigentlichen" KernkrAfte, welche den Zusammen- halt des Kernes bedingen, bei Abwesenheit der auflockernden Coulomb-Kr~fte stets Ifir gleiche Anzahl yon Protonen und Neutronen die gr6Bten Bindungsenergien ergeben wfirden.

Diese Tatsachen legen folgende Schlfisse nahe. Die KrMte zwischen den Kernbausteinen werden von analoger Art sein wie die ho~6opolaren Valenz- krgJte der Chemie; also sog. ,,Austauschkr~tfte", ffir die es eine Absdttigung gibt. Dies ist die natfir- lichste NI6glichkeit, die Existenz der besprochenen ,,Kernflfissigkeit" zu deuten. Die weitere Tatsache, dab diese Kernflfissigkeit i m ,,idealen" Falle aus gleich vielen Neutronen und Protonen besteht, kann dann auf zwei verschiedene Weisen erkl~rt werden: Entweder gibt es nur zwischen je einem Proton und Neutron eine Bindungskraft, wahrend Protonen unter sich und Neutronen unter sich keine - - oder jedenfalls nur viel geringere - - Bin- dungskr~fte haben. Oder aber es besteht ffir ein Neutronenpaar und ffir ein Protonenpaar eine (praktisch) gleich grofle Bindung; diese darf dann yon ~hnlicher Gr6Benordnung sein, wie die zwi- schen einem Proton und einem Neutron.

Auf die Entscheidung zwischen diesen beiden M6glichkeiten ist sehr viel Mfihe verwandt worden. Ziin~chst schien die erste, die v o n NAJORANA ent- wickelt worden war, den Vorzug zu verdienen; sie ist in meinem frfiheren Bericht (5) ausffihrlich er- 6rtert worden. Eine Entscheidung wurde versucht durch ausgedehnte Untersuchungen betreffs der theoretischen Berechnung der Bindungsenergien der Kerne, wobei natfirlich eine fiber die obigen Bemerkungen wesenttich hinausgehende Genauig- keit zu erstreben war. Einerseits sind, wie im

frfiheren Bericht ausgeffihrt, die Bindungsenergien der schweren Kerne theoretisch berechnet worden. Andererseits haben neuere Untersuchungen sich mit den leichtesten Kernen ausffihrtich besch~f- figt (7), deren Bindungsenergien empirisch gut bekannt sind; die fraglichen Atomgewichte (ffir die neutralen Atome einschl, der Elektronen) sind:

~H: 2,oi47, all: 3,oi7I, 3He: 3,oi74, ~He: 4,oo4o.

Es hat sich aber gezeigt, dab diese lVlassen, wenn man sie theoretisch modellm~Big berechnet, nicht empfindlich genug sind gegenfiber den inter- essierenden Modifikationen des Energieansatzes, um eine eindeutige Entscheidung zu erm6glichen: Die SchluBfolgerungen der verschiedenen Verfasser s t immten nicht fiberein.

Inzwischen ist jedoch die Frage experimentell entschieden worden. \¥ir wollen im folgenden eine Obersicht der Tatsachen geben, die uns einen unmittetbaren Einblick in die Weehselwirkungs- gesetze der Kernbausteine geben: es scheint, dab die theoretische Berechnung yon Kernbindungs- energien mehr zur Prfifung und Best~tigung anderweitig begrfindeter Ans~tze als zur feineren Entscheidung fiber noch off erie M6gtichkeiten ge- eignet ist. Im ganzen ist das ]3ild der Kernkr~fte heute noch nicht in alien Einzelheiten geM~rt; aber wit kSnnen doch bereits die wichfigsten dies- bezfiglichen Fragen zuverl~ssig beantworten. SchlieBlich werden wir den Zusammenhang mit den Gesetzm~Bigkeiten der fl-StraMung betrachten und auch Stellung nehmen zu der yon amerikani- schen Verfassern gegenw~rtig vertretenen Idee eines ,,universellen" Wechselwirkungsgesetzes der sehweren Teilchen.

§ 2. PotentialtopJ und Austausehkralt. Die Tat- sache, dab die Kerndurchmesser gr6Benordnungs- m~Big nicht wesenttich fiber io -la bis IO-12cm hinausgehen, :and die vielseitigen Erfahrungen, die erkennen lassen, dab der Kern auBerhalb seiner Oberil~che nut elektromagnefische Kraffwirkungen zeigt - - also die Coulomb-Kraft und die gering- ffigige Wirkung des magnetischen Kernmomentes-- l~13t uns erschliegen, dab die Kernkr~fte nnr sehr geringe Reichweite haben kSnnen; bei einem wesentlich fiber lO- 1~ cm hinausgehenden Teilchen- abstand mfissen sie praktisch unmerklich sein.

Das einfachste 13ild, das wir uns yon der Wechselwirlcungsenergie V(r) zwisehen einem Proton and einem Neutron im Abstand r machen k6nnen, ist dann das eines ,,Potentialtop]es": Ist der Ab- stand r der beiden Teilchen gr6fler als ein gewisses r o, so ist die potentielle Energie der Wechselwir- kung Null. Ist dagegen r kleiner als r o, so haben ~dr eine gewisse negative E n e r g i e - V 0, die abet konstant Ifir alle W e r t e r < r 0 ist. In dieser ideali- sierten Vorstellung haben wir bei r = r 0 eine senlcreeht abfallende , ,Potentialwand", und natfir- Iich kSnnen wit in Wirldichkeit start dessert nur

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JORDA~ : KernkrAfte.

einen Potentialabhang yon groBer, abet endlicher Steitheit haben. Aber es macht ffir die meisten Rechnnngen nichts aus, wie wir die genaue Form dieses steilen Abhangs annehmen; und etwas Sicheres fiber die genaue Form wissen wir nicht.

Wenn wir uns nicht entschlossen h~tten, uns die Bindungskraft Pro ton- -Neut ron als valenz- ~hnliche ,,Austausehkraft" vorzustetlen, so mtiBten wir obiges Bild des Potentialverlaufs komplizieren durch di6 zusi~tzliche Einfiihrung ether starken Abstol3ungskraft, die bet Erreichung eines noch unterhalb yon r 0 gelegenen Minimalabstandes r00 (> o, abet < r0) einsetzen mfigte. Auch aus diesem Bride (nach welchem die Kernbausteine, grob gesagt, undurchdringliche Kugeln w~ren) k6nnten wir verstehen, dab eine gewisse konstante Teilchendichte im Kerninnern besteht. Erfreu- ticherweise s indes nicht nur geftihlsm~gige Grfinde, die uns zur Ablehnung dieser M6glichkeit ver- anlassen. Sondern es gibt einen unmit te lbaren empirischen t3eweis daffir, dab es sieh in Wirk- lichkeit um eine Austausehkraft -- und nicht um eine gewShnliche -- handelt.

Bekanntlich kann ein ?-Lichtquant, das aus dem Kern eines Atoms kommt, unter Umst~nden bereits in der eigenen Elektronenhfille dieses Atoms ein Elektron lichtelektrisch ausl6sen. Die genauere Untersuchung dieses ,,inneren Photo- effekts" hat nun ergeben, dab die ?-Strahlung der verschiedenen Kerne keineswegs fiberwiegend eine DipolstraMung ist; vielmehr spielt Quadrupol- strah.lun~ eine ungef~hr ebenso groBe Nolle wie Dipolstrahlung. Nach BLOCH and GAMow (9) ist nun abet theoretiseh Iestzustellen: W~ren die Protonen in den Kernen dutch gewShnliche Kr~fte gebunden, so miiBte die Dipolstrahlung um einen Faktor der Gr6Benordnung io ~ his io ~ starker auf- treten als die Quadrupolstrahlung; dagegen macht die Annahme yon AustauschkrSften verst~ndlich, dab die St~rke der Dipolstrahlung auf gleiche Gr6i3enordnung mit der Quadrupolstrahlung herab- gemindert wird.

Was nun das Wort ,,Austauschkraff" eigent- lieh bedeutet, das k6nnen wir uns folgendermaBen verst~ndlich machen: Es handelt sich um eine Kraft, die vom Drehim~uls der beiden Teilchen (relativ zu ihrenl gemeinsamen Schwerpunkt) ab- h~ngt. Es set V(r) die Wechsetwirkungsenergie ffir den Fall, dab die Drehimpuls-Quantenzahl l gleich Null ist. Dann haben wir fiir alle gerad- zahligen Werte yon 1 dieselbe Potentialfunktion V(r); aber flit ungerade Werte yon 1 haben wir start dessert die en~egengesetzte Wechselwirkungs- energie --V(r). An Stelle der Anziehung, die wir bet l = o angenommen hatten, und die wir dann bet allen geraden Werten l = e, 4, 6 . . . wieder- finden, ergibt sich also bet l = I, 3, 5 . . . . eine A bsto fiung.

Danach kann man sich fibrigens ungef~hr den- ken, weshalb man bet Annahme einer Austausch- kraft bereits mit einem einJacheren Potential- verlenf V(r) die Inkompressibilit~t der Kernflfissig-

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keit verstehen kann: Bet gew6hnlicher, von I un- abh~ngiger Wechselwirkung brauchen wir ein V(r), das (ffir verschiedene Werte r) teils Anziehnng, tells AbstoBung ausdrfickt. Bet der Austausch- kraft dagegen kommen wir mit einem V(r) aus, das stets <= o ist; denn je~zt sorgt die Abh~Lngigkeit yon 1 daffir, dab wir trotzdem teils Anziehung, teils AbstoI3ung erhalten.

Es fragt sich nun aber, welchen EinfluB die Spinrichtung yon Proton und Neutron auf ihre Wechselwirkung hat. Hier gibt es zwei besonders einfache M6glichkeiten, deren eine yon HEISEN- BERG und deren andere y o n ~([AJORANA vor- geschlagen worden ist. In meinem frfiheren Be- richt (5) ist die exakte formelm~Bige Fassung beider M6glichkeiten erl~utert. In praktisch aus- reichender Approximation kann man yon diesen beiden Fallen folgendes sagen. Nach MAJORA~AS Vorsteltung ist die ~VechseIwirkung der beiden Teilchen unabh~ngig yon der SpineinsteIlung; parallele und antiparallele Spins (also Gesamt- spinmoment i bzw. o) geben dieselbe Wechsel- wirkung. Naeh HEISEXBERG dagegen sollten diese beiden FMle entgegengesetzte Wechselwirkung geben : Wenn V(r) die Energie ffir den Fall / = o und parallele Spins ist, sollte bet I = o und antiparallelen Spins eine Abstoflung --V(r) zustande kommen. Die Erfahrung zeigt, dab in Wirklichkeit die Wechselwirkungsenergie eine Summe aus einem ,,MAJoRANAschen" und einem kleineren ,,HEtsEN- B~RGschen" Anteit sein mug.

§ 3. Das Deuteron. Die wichtigsten und zu- verlAssigsten Aufschltisse betreffs der Wechsel- wirkung Neut ron- -Pro ton verdanken wir der Untersuchung des Deuterons ~H, dessen in Atom- gewichten ausgedrfickte Masse (ohne das zu- geh6rige Elektron) gleich 2,o142 ist. Die Bin- dungsenergie des Deuterons ist also auff~llig klein, n~mlieh (gem~B den oben angegebenen Massen- werten) nu t o, oo2 3 gegenfiber der fiir h6here Kerne (schon yon *He an!) geltenden mitt leren Bindungsenergie o,oo8 3 ffir jeden Kernbaustein. In Millionen Elektronvolt ausgedrfickt, ist die ]~in- dungsenergie gleicla 2,15. Ihre Kleinheit zeigt nach WIGNER [vgl. dazu (3)] an, dal3 die innere kinefische Energie des Deuterons fast ebenso groB ~de die (negative) potentielle ist: die Tiefe V o des PotentiaItopfes ist sehr viel gr613er als diese Bin- dungsenergie. Danaeh ergeben einfache Rech- nungen, dab V 0 in roher Ann~herung gteich

h 2 v0 16 Mr~

sein muB, wenn M die Protonmasse ist. Ffir r 0 = 2 . IO -~3cm beispielsweise ergibt das V 0 = 26 Millionen Elektronvolt.

Der hier betrachtete Grundzustand des Deu- terons ist natfirlich, bet Anwendung der spektro- skopisehen Bezeiehnungsweisen, ein I S-Zustand (Hauptquantenzahl n = I, Drehimpulsquantenzahl I = o). Und zwar weiB man aus spektroskopi- schen und thermodynamischen Feststellungen, dab

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dabei die beiden Spinrichtungen parallel stehen, so dab es sich genauer um einen Triplett-S-Zustand I3S~ handelt.

Gibt es Anregungszustdinde des Deuterons? Einfache theoretische Abschatzungen auf Grund der besprochenen Verh~ltnisse zeigen (3), dab es P-, D - , . . . - Z u s t A n d e des Deuterons nieht geben kann; hat die Relativbewegung eines Protons und eines Neutrons eine yon Null verschiedene Dreh- impulszahl l, so macht die Zentrifugalkraft e iu Zusammenhalten der beiden Teilchen unm6glich, Analog ist auch ein S-Zustand mit einer Haupt- quantenzahl gr6Ber als I unm6glich. Es bleibt nnr die M6glichkeit eines Zustandes i1S0, der sich lediglich durch anfiparallele Spineinstellung vom Grundzustand unterscheideii wfirde. W~re die MAJORANASche Hypothese (Unabh~Lngigkeit der Weehselwirkung yore Spin) richtig, so k6nnte nur die sehwaehe magnetisehe Spinwechselwirkung einen Energieuntersehied zwisehen I8SI und I IS0 be- dingen, und dieser Umstand h~tte nur eine Gr6Ben- ordnnng yon IOO Volt (3). Das widersprieht aber der Erfahrung, so dab wir, wie schon oben gesagt, neben der ,,MAJORANASChen" VCechselwirkung auch noch eiiie ,,HEIStgNBI~RGsche" erkennen.

§ 4. S~reuung von Neutronen an Protonen. Die Aiinahme, dab (yon den zwar weitreiehenden, aber sehr sehwachen magnetischen Spinwirkungen abgesehen) eine Wechselwirkuiig zwischen Neu- tron und Proton nur fiber Entfernungen yon etwa r o = 2 - i o -~3 cm merkbar ist, l~i3t bereits wich- tige Folgerungen ziehen. Ein Neutron mug da- nach, um dutch ein Protoii aus seiner Flug- r ichtung abgelenkt zu werden, diesem sehr nahe- kommen: klassisch-kot respondenzm~Big k6nnen wir schgtzen, dab ffir ein Neutron mit dem Im- puls p der Drehimpuls relativ zum (ruhenden) Proton, also auch, was offenbar dasselbe ist, die Drehimpuls-Summe beider Teilchen relativ zum Schwerpunkt, nicht merMieh gr6Ber als Pro sein da~f, wenn eine ~Vechselwirkung zustande kommeii soil. t?,ei den bislang experimentelI benutzten Neutronen, deren Energien nnterhaib 4 Millionen Elektronvolt liegen, bleibt aber p r o noch unter- halb h/2~, also unterhalb des kleinsten yon Null versehiedenen Wertes, den der in bekannter Weise gequantelte Drehimpuls annehmen kann. Folglieh wird eine Streuung nut dann eintreten k6nnen, wenn das Neutron relativ zum Proton den Dreh- impuls Nul l hat. Eine einfache mathematische Folgerung daraus ist, dab die Streuung im staff- stischen Mittel kugelsymmetriseh verlaufen mug in dem mit dem Sehwerpunkt Neutron-Proton mit- bewegten Koordinatensystem.

Es ist deshalb ein sehr bedenklicher Punkt, dab diese kugelsymmetrisehe Richtungsverteilung ktirzlich auf Grund neuer Exper!mente bestritten worden ist (IO), freilich im W'iderspruch mit vielen anderen Untersnchungen, vor Mlem yon FERMI und seinen Mitarbeitern (14), die allerdings mehr indirekt vertahren. Wit mfissen diesen Punkt un- aufgekl~rt lassen,

Kernkr~[te. [ Die Natur- [wissenschaiten

K6nnten wir uns bei einem Experiment der Streuung yon Neutronen durch Protonen kiinst- ]ieh beschr~nken auf den Fall, dab die Spin- richtungen parallel stehen, so w~re der Streu- querschnitt aus unserer oben besprochenen Kennt- nis des Deuterons zu berechnen; es ergXbe sic h

h e i

Q zeM E + ½ E o ; d a b e i ist E 0 die Energie des stoBenden .Neutrons, und E i s t d ie Bindungsenergie des Deuterons. Aber tats~chlictl sind bei jedem Streuvorgang die F~lle paralleler und antiparMleler Spins im Ver- h~Itnis 3: i der statistischen Gewichte gemischt; und die Erfahrung zeigt, dal3 Q gegeben ist dutch

h2 [ 3 I

Darin bedeutet E ' einen Energiewert von e t w a 12o ooo Volt.

Es liegt nahe, zu vermuten, dab dieses E ' die ]3indungsenergie ftir den oben erwogenen Sin- gulett-S-Zustand itS0 sei, der also dann tats/tch- lich existieren wfirde. Aber die mathematische Theorie der Streuung zeigt, dab dieser SchluB nicht zwangsl~ufig ist: Im Streuquerschnitt kann ein solcher Energiewert E" auftreten, ohne dab es einen zugeh6rigen station~ren Zustand wirklich gibt; man spricht dann von einem ,,virtuellen" Niveau. Tats~chlieh zeigen anderweitige Erfah- rungen, dab es sich um ein solehes ,,virtuelles" Niveau handelt, so dab das Deuteron auBer seinem Grundzustand keinerlei weiteres diskretes Energie- niveau besitzt.

Diese Entscheidung ergab sich aus der Unter- suchung der Ein]angung yon Neutronen durch Protonen. Bei schneller Relativbewegung yon Proton und Neutron kann das Proton wegen seiner Ladung ein Liehtquant ausstrahlen derart, dab sich ein Deuteron bildet. (Nach den bekannten Auswahlregeln mug dann im Anfangszustand l = I, und die Spins mfissen parallel sein.) Bei kleineren Relativgeschwindigkeiten dagegen spielt die durch die Ladung bedingte Ausstrahlung prak- tisch keine Rolle; start dessen kann abet, wenn l = o ist und wenn zun~chst antiparallele Spin- stellung besteht, ein Umklappen der Spinrichtung stattfillden, dem eine magnetische Dipolstrahlung entspricht. Naturgemfi.B werden langsame Neu- tronen, etwa in Paraffin, gegenfiber diesem Ein- fangprozeB eine yon der Gesehwindigkeit un- abhO~ngige mittlere Lebensdauer haben. Experi- ment und Theorie sind, wie FERMI (II) (12) ge- zeigt hat, aueh in diesem Punkte in quanti tat iver l~bereinstimmung. Die bei der Einfangung yon Neutronen durch Protonen emittierte y-Strahlung ist auch experimentell unmit telbar nachgewie- sen (lea).

§ 5, Die Weehsetwirkurcg Proton--Proton. Was wir in § 2 fiber die \Vechselwlh-kung yon Neutron und Proton ausgeffihrt haben, ist sinngem~B auch auf die Wechselwirkung zwischen Protonen zu fibertragen. Nur kommt bier neben der nicht-

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elektrischen, erst bei Abst~nden der GrSBen- ordnung IO- iacm merklichen Wechselwirkung auch die CouLo~IBsche wesentlich in Betracht.

Die Streuung yon Protonen an Protonen riihrt in erster Linie yon den Coulomb-Kr~ften her, und dieser Anteil ist mathematisch exakt berechenbar : es gilt im wesentlichen die beriihmte RUTHXRFORD- sche Stre*e/ormel, allerdings mit ether Ab~nderung, die davon herrtihrt, dab streuendes und gestreutes Teilchen in diesem Falle ununterscheidbar gleich sind. Ftir die Bestimmung der dadurch ein- tretenden Ab~nderung ist es nach MoT'r wesent- lich, dab die Protonen der Fermi-Statistik unter- worfen sind und den Spin 1/2 haben.

Wenn es nun eine nichtelektrische ,,Kern- kraft" zwischen Protonen gibt, so wird die ,,Cou- LOMBsche" Streuung iiberlagert werden yon ether Anomalie. Diese zeigt sich nur bet ,,zentralen" St6gen (Drehimpuls Null) und auch nut dann, wenn eine hinreichend groBe Geschwindigkeit ein sehr enges Zusammentreffen der beiden Protonen trotz der COULOMBschen Abstogung erlaubt.

Eine solche Anomalie ist nun tats~chlich yon T U V : E , HEYDENBURG und HA~STAO (13) sicher- gestellt. Die sorgfgltige theoretische Auswertung ihrer Ergebnisse durch BREIT, CO~DON und PRESenT (14) zeigt, dab die gefundenen ]?:ffekte vollst~ndig erklgrt werden k6nnen durch einen Potentialtopf derart, dab mit etwa % = 2 . 8 • io - ~ cm ffir r >> r 0 das Coulomb-Potential, ffir r < r 0 dagegen ein konstantes negatives Potential vom Betrage IO, 3 Millionen Elektronvolt an- genommen wird. Man kann diesen Potentialtopf in bestimmter \¥eise deformieren, ohne dab die ~'bereinstimmung mit dem ]~xperiment verloren geht, doch sind bet vorgegebener Gestalt des Topfes die Mage fest bestimmt.

Die obige FesLstellung, dab nur bet einem Drehimpuls I = o eine nichtetektrische Streuung zustande kommt, ist noch dahin zu erg~nzen, dab die Spinrichtungen antiparallet sein miissen. Die genannten amerikanischen Verfasser kommen zu dem Ergebnis, dab der f~ir diesen Fall nach- gewiesene Potentialtopf als vSllig gleich angenom- men werden kann mit demjenigen Potentialtopf, der bet der Neutron-Proton-%%~echselwirkung im,,vir- tuellen" Zustand I ~Sobesteht. Esist darandiektihne Vermutung gekntipft worden (15), dab fiir die nicht- elektrischen Kernkr~fte zwischen den ,,schweren Teilchen" ein universelles, die 3 F~tlle Neutron- Proton, Proton-Proton, Neutron-Neutron einheit- lich nmfassendes Gesetz gelte. Es mul3 aber betont werden, dab wit empirisch zun~chst noch gar nichts dartiber wissen, in welchem Anteilsverh~ltnis die Proton-Proton-Kraft sich aus ,,1VIAJOl~ANAscher", ,,HEIsENBERGscher" und wohl auch gew6hnlicher (also nieht Austausch-) Kraft zusammensetzt.

§ 6. Die Betakr~/te. Es ist schon im frtiheren Bericht erl~utert worden, dab die /~-Strahhmg in ether engen Beziehung zur Frage der Kern- kr~fte steht. So wie die COVLO~aBsche Wechsel- wirkung zweier Ladungen der statische Grenzfall

der elektromagnetischen Strahlungs-W'echselwir- kung zweier (bewegter) Ladungen ist - - quanten- physikMisch beschreiben wir ja diese Wechsel- wirkung als wechselseitige Zustrahlung yon Licht- quanten -- , so ergibt sich auch aus der durch die ~-Strahlung vermittelten Wechselwirkung zweier schwerer Teilchen im statischen Grenzfall eine ganz bestimmte Kraft zwischen den Teilchen. Kennt man die der /~-Strahlung zugrunde liegenden Ge- setze ausreichend, so ist diese Kraft nach quanten- mechanischen Regeln berechenbar, also jedenfalls v611ig festgelegt.

Das primdre Naturgesetz, von welchem die Kernkr~fte sekund~r abh~ngen, steckt also in der Festlegung derjenigen Wechselwirkungsenergie, welche die Ursache der fl-Strahlung ist. FERMI hat in seiner den Ausgangspunkt aller Unter- suchungen zur Theorie des fl-Zerialls bildenden Abhandlung [vgl. (5)] vorgeschlagen, diese Wech- selwirkung einfach als proportional mit dem Pro- dukte der 4 Wellenamplituden ~N, ~o,, %, ~0 n an- zusetzen ; V~, %vp, ~o,, % sollen in dieser Reihenfolge die DE BROGLIEschen Wellen fiir die vier beim fl-ProzeB vorkommenden Teilchen: Neutron (vor dem ProzeB); Proton, Elektron und Neutrino (naeh dem ProzeS) sein.

Natiirlich erfordert das damit Gesagte noch eine Pr~zisierung: jede dieser Wellenfunktionen mul3 ja gemgt3 der DIRAcschen Wellengleichung aus vier verschiedenen Komponenten bestehen. Und nun gibt es mehrere verschiedene M6glich- keiten (16), ein lorentzinvariantes Wechselwir- km~gsgesetz aufzustellen derart, dab die Wechsel- wirkungsenergie linear in den 4 Komponenten yon V.¥ und ebenso in denen yon YJe, yon %v~ nnd yon % ist. Je nachdem, wie man diese ~Vechsel- wirkungsfunktion aufbaut, bekommt man auch verschiedene Spinabh~ngigkeit der KernkrS~fte.

Empirische Kriterien f~r den richtigen Aufbau der Wechselwirkungsfunktion ergeben sich aus den Auswahlregeln der fl-Strahlung. Nach FERMI sind die $-Prozesse einzuteilen in ,,erlaubte" und in ,,nicht erlaubte", wobei die letzteren etwa ioomal kleinere Intensit~ten (unter sonst gleichen Verhg]tnissen) zeigen. Die zur Kennzeichnung der , ,erlaubten" ~berg~nge dienende Auswahl- regel IMlt abet naturgemXB verschieden aus je nach der Wahl der Wechseiwirkungsfunktion. Beispielsweise bekommt man, wenn diese Funk- t ion - - u n d folglich dann auch die Kernkr~fte - - als unabh~ngig yon der Spineinstellung (also wie nach MAJORANA) angenommen werden, nach FERMI die Auswahlregel: ,,Der Kernspin bleibt bet der /~-Umwandlung unge~ndert." Nach GA~ow und T~;LLER (17) entspricht das aber in der Tat nicht der Erfahrung. Trotz der damit gegebenen Einschr'~nkung der in Betracht zu ziehenden M6glichkeiten ist aber eine abschlieBende Klar- stellung noch nicht erreicht, weil noch andere Komplikationen hinzu kommen.

Die genauere Untersuchung der Intensit(~ts- verteilung in den /5-Spektren hat gezeigt, dab der

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urspr i ing l i che A n s a t z e iner m i t ~0 N ~e % ~, pro- p o r t i o n a l e n W e c h s e l w i r k u n g s f u n k t i o n n o c h ver - besse rungsbed t i r f t i g is t . M a n h a t d e s h a t b e inen a l lgeme ine ren A n s a t z

K o n s t . ~o~v~op cgt~ dt ~

in B e t r a c h t gezogen - - obwohl seiner Durchf t ih - r u n g (auBer i m FnRMIschen Spezialfal l a = b = o) gewisse g runds~ tz l i che Schwie r igke i t en en tgegen- s tehen , die zu t i b e r w i n d e n n o c h ke in W e g be- k a n n t ist.

N a c h KO~OPINSKI u n d UI~LENBECK ( iTa) w e r d e n die /~-Spektren e rheb l i ch besse r da r - gestel l t , w e n n wir die FERMIsche A n n a h m e a = b = o e r se tzen d u r c h a = o, b = I. Die d u r c h die H6henstrahlung ausge l6s ten Schauer s ind n a c h H ~ I S E ' N B ~ ebenfa l l s aus den Gese tzm~Bigke i t en zu v e r s t e h e n , welche den fi-Zerfatl behe r r schen . Diese Schauer m a c h e n a b e t eher noch e inen e twas grSBeren W e r t ffir s = a + b , n a m l i c h s - = 2 oder s = 3 wahr sche in I i chL

Vor a l l em aber h a t s ich gezeigt, d a b de r F n I ~ I s c h e A n s a t z a =--b = o v im zu schwache K e r n k r ~ f t e l iefer t : M a n muB unbed ing~ s > o, u n d zwar e twa gleieh 2 ode r 3 w~ihlen, d a m i t m a n K e r n k r M t e in der r i ch t igen GrSi3enordnung be- k o m m t . Dies soll i m n ~ c h s t e n P a r a g r a p h e n n ~ h e r b e s p r o c h e n werden .

I n z w i s c h e n set noch h e r v o r g e h o b e n , d a b die be sp rochene Theor ie des fl-Zerfalls - - abgesehen y o n de r n o c h b e s t e h e n d e n U n g e w i g h e i t bezi ig- l ich der g e n a u e n F o r m der W e c h s e l w i r k u n g s f u n k - t i on - - a u c h ft~r die B e a n t w o r t u n g al ler we i t e r en F ragen , die be t re f f s des fl-ZerfMls ges te l l t w e r d e n kSnnen , e ine U n t e r l a g e l iefert . Beispielsweise k a n n m a n auch die geringffigige y - S t r a h l u n g t heo re t i s ch be rechnen , welche infolge der B r e m - sung des f l -E tek t rons i m Cou lomb-Fe ld des be- t r e f f e n d e n Kernes e n t s t e h t , u n d welche z .B . b e i m R a E . expe r imen te l l f aBbar i s t (18).

§ 7. Die ElementarMnge. Der i m ob igen Aus- d r u c k de r ftir den fl-Zerfall v e r a n t w o r t l i c h e n W e c h s e l w i r k u n g s f u n k t i o n s t e h e n d e Zah len fak to r , ftir den wir zun~chs t e in i ach , , K o n s t . " geschr ieben h a t t e n , muB na t i i r l i ch e inen ganz b e s t i m m t e n W e r t h a b e n , d a m i t die f l - Intensi t~t ten a u c h d e m A b s o l u t w e r t n a c h r i ch t ig h e r a u s k o m m e n . M a n s c h r e i b t a m b e s t e n m i t s = a + b:

K o n s t . = g, = g ~ ,

wobei m. die Masse des E l e k t r o n s ist. D a n n h a t n~ ml i ch g eine y o n de r W a h l yon a u n d b u n a b - h~ngige Dimension M D , u n d auch de r Zahlwert ftir g wi rd y o n a, b g rSBenordnungsm~Big u n - a b h ~ n g i g :

g ~ i o -~° G r a m m real cmK

Ausftihrlicher soll hier auf die Schauer und ihre Deutung nach HEtSENBERG nicht eingegangen werden, weil voraussichtlich demnXchst ein besonderer Aufsatz fiber den Gegenst~nd in dieser Zeitschrift erscheinen wird.

I n dieser .Fermi-Konstanten g h a b e n wir eine neue Naturkonstante v o r uns, d e r e n g e n a u e r e r Z u s a m m e n h a n g m i t d en sons t igen die A t o m p h y s i k b e h e r r s c h e n d e n N a t u r k o n s t a n t e n n o c h u n b e k a n n t ist. Wi r w e r d e n noch sehen, was gegenw~r t ig dazu zu sagen ist .

W e n n zwei schwere Te i l chen h i n r e i c h e n d wel t v o n e i n a n d e r e n t f e r n t sind, so wi rd m a n d u r c h eine StSrungsrechnung e r m i t t e l n k 6 n n e n , welches die aus d e r f i -S t r ah lnng r e su l t i e r ende K e r n k r a f t ist . Es k o m m t dabe i n a c h q u a n t e n m e c h a n i s c h e n Rege ln auf die m6gl i chen Prozesse e ther wechsel- se i t igen Z u s t r a h l u n g a n - - m6glieh u n t e r Vor- a u s s e t z u n g e n t s p r e c h e n d e r E n e rg i ezu fu h r . H a n - de l t es sich u m ein P r o t o n u n d ein Neutron, so is t eine f l -Emiss ion des P r o t o n s u n d nach fo lgende f i -Absorp t ion des N e u t r o n s m6g l i ch : Das P r o t o n g ib t e in E l e k t r o n u n d e in N e u t r i n o ab, die v o m N e u t r o n wieder v e r s c h l u c k t werden . D a n a c h h a b e n d a n n zugleich a u c h P r o t o n n n d N e u t r o n ihre Orte vertauseht, d a aus d e m P r o t o n e in N e u t r o n u n d aus d e m N e u t r o n ein P r o t o n geworden ist. Die Kra f t , die sich als s t a t i s c h e r Grenzfa l l dieser \Vechse lwi rkung ergib t , ist , wie m a n s ich d e n k e n k a n n , t a t s ~ c h l i c h e ine reine AustauschkraJt, n n d de r P o t e n t i a l v e r l a u f V(r) s ieh t so aus (19):

g~( h l~ \ ~ / " (2s + 2)!

V(r) = -- a3ch(2r)~,+~ ;

fiir s = 2 oder s = 3 b e k o m m t m a n Mso ein m i t r -9 bzw. r - i ~ p ro p o r t i o n a l e s Po t en t iM. D as g ib t in der T a t e inen P o t e n t i a l t o p f m i t sehr steiIer, f a s t s e n k r e c h t e r W a n d , wobei der R a d i u s r 0 g rSBenordnungsm~Big gegeben i s t d u t c h

u m ro ~ I ° -~a c m zu e rha l t en , h ~ t t e m a n s = 3 zu w~hlen . A b e t dieser P o t e n t i a l t o p f h a t d en Fehler , unendlich tie] zu sein.

Das zeigt uns , d a b diese B e s t i m m u n g de r Ke rn - k r a f t doch n o c h unzuI~ng l i ch ist. Sie f i ih r t auge r - d e m ja zu d e m Ergebn i s , d a b zwischen N e u t r o n - N e u t r o n oder P r o t o n - P r o t o n Iceine K e r n k r a f t b e s t e h t , weft in d iesen F~l len die oben b e s p ro ch en e Z u s t r a h l u n g n i c h t mSgl ich w~re. N~an muB des- h a l b die S t 6 r u n g s r e c h n u n g zu t~Sheren A p p r o x i m a - t i o n e n w e i t e r t r e i b e n ; u n d n a c h IWA~ENKO u n d SoI<OLOW (I9) h a t das e inen a n s c h a u l i c h e n S inn : E n t s p r e c h e n d de r HEISENB~R~sehen Theor ie d e r Schauer der kosmischen S t r a h l u n g s ind auch v im kompl iz i e r t e re Z u s t r a h l u n g e n d e n k b a r : e in schwe- res Te i l chen k a n n ja , w e n n gent igend E n e rg i e zu r Verf f igung s teh t , ein ganzes Schauer v o n Elek- t ronen , P o s i t r o n e n u n d N e u t r i n o s emi t t i e r en .

Das e rg ib t Zusa tzg l ieder a u c h in der K e r n - k r a f t ; u n d m a n b e k o m m t a u c h eine P r o t o n - P r o t o n - u n d eine N e u t r o n - N e u t r o n - K r a f t . I m m e r - h i n b l e i b t es en tgegen der o b e n e r w ~ h n t e n H y p o - t he se a m e r i k a n i s c h e r Verfasser wohI ansgeschlos- sen, d a b die P r o t o n - P r o t o n - K r a f t dieselbe wie die P r o t o n - N e u t r o n - K r a f t set, da ihr Z u s t a n d e k o m m e n

Page 7: Kernkräfte

Heft 18. ] 30. 4. I937j

FRANKENBERG" , ,Umweg-Zweckmggigkeit" (Paratelie). 279

wesent l ich anders is t : die ein]achste Zus t rah lung zwischen zwei Protonen b e s t e h t o f fenbar aus e inem Elek tronenpaar n n d zwei Neut r inos . Obr igens k a n n m a n sich die F rage vorlegen, ob auch z~dschen e inem Ele]ctron u n d e inem schweren Tei lchen n ich te lek t r i sehe I i rMte auf t re ten , q?ats~chlich sQllte das im Pr inz ip der Fal l sein; a b e t diese IKr~Lfte s ind n u t ganz schwach (2o).

E ine sukzessive Durchf f ih rung der S t6rungs- r e chnung ffir zwei sehwere Tei lchen e rg ib t nach tWANENKO-SOKOLOW ftir V(r) eine unendl iche

Po tenz re ihe yon 7 - beg innend mi t e inem Gliede

p ropor t iona l " " '(r°]~'+~]. Man k6nn te sich denken, \ r ] ]

dab diese Po tenz re ihe im E n d e f f e k t wirkl ich einen P o t e n t i a l t o p f endl icher Tiefe erg~be; aber es is t v o r d e r h a n d n ich t zu sehen, wie m a n das wirkl ich aus rechnen k6nnte .

I m m e r h i n wer fen diese Ergebnisse einiges L ich t an t die FxRMIsche N a t u r k o n s t a n t e g. Ih re Be- d e u t u n g is t wohl am bes t en da raus zn en tnehmen , dab m a n aus ihr eine K o n s t a n t e yon der Dimens ion einer Liinge bi lden kann, welche anschaul ich den Wi rkungs rad iu s der K e r n k r M t e b e d e u t e t ; e twa m i t s = 3 n a c h obiger Formel , also:

5

r o = i n@ c/ ~ I o - ~ 3 c m .

Bekannf l i ch i s t ffir das EIelctron ein Radius % e ~

- - , u n d das e rg ib t zu be rechnen aus r° ~ m c 2

r 0 ~ lO - i s cm. Ffir das Proton f~ltt der ,,eIek- t r i s che" Radius , d. h. der ohne Rf icks icht auf die K e r n k r M t e be rechne te , e n t s p r e c h e n d kleiner aus:

~2 M c ~ ~ io -16 cm. Aber j e t z t h a b e n wir gelernt ,

dab der , ,Radius <̀ des P ro tons u n d des Neut rons , wenn die in d iesem Fal l en t s che idenden n ich t - e lek t r i schen K e r n k r M t e b e a c h t e t werden , eben/alls r 0 ~ io - la cm ist. Zwei v6llig versehiedene Er- /ahrungsreihen ff ihren uns also auf eine Na tu r - k o n s t a n t e r 0 ~ io -~8 cm; und der V e r d a c h t wird rege, dab hier t iefere ZusammenhS.nge auf ihre E n t - deckung war ren . Viel le icht da r t m a n ve rmu ten , dab in e inem neuen, kf inf t igen Kap i t e l der P h y s i k die E lemen ta r l~nge ro ~, Io -1~ cm eine ~hnliche grundsXtzl iche End b e h e r r s c h e n d e Rolte spielen wird, wie die K o n s t a n t e n c und h in h e u t e schon b e k a n n t e n Kapi te ln ,

Sind wi t be rech t ig t , den R a u m Ms ins kle inste als Kontinuun~ zu deu ten? Oder s ind vie l le icht

der fo r t sch re i t enden Ver fe inerung r~umlicher Mes- sungen b e s t i m m t e na turgese tz l iche Sch ranken auf- er legt ?

Die neues te E n t w i c k l u n g der K e r n p h y s i k sche in t zu der H o f f n u n g zu berecht igen, dab diese F r ag en bere i t s angre i fbar zu w e rd en beginnen,

Literatur : Zusammen]assende Beriehte: 1. C. F. v. WEIZSXCKER,

Die Atomkerne. Leipzig 1937. - - 2. E. BRETSC~ER, Kernphysik. Berlin 1936. - - 3. H. A. BERNE U. R. F. BACHER, Rev. Mod. Phys. 8, 82 (1936). - - 4. S. FLi3OGE U. A. KEEBS, Physik. Z. 38, 13 (1937). -- 5. P- JORDAN, Naturwiss. 24, 209 (I936). - - 6. P. JORDAN, Anschau- Iiche Ouantentheorie. Berlin 1936.

Kernbindungsenergien: Betreffs der h6heren Kerne (Fermi-Methode) vgl. die Zitate in 5. Berechnungen zur Bindungsenergie yon ~t{, all, ~He, aHe: 7. H. DOLCH, Z. Physik I00, 4oi (1936). -- C. ECKART, Physic. Rev. 44, l°9 (1933). - - E. FEENBERG; E. FEENBERG n. KNIPP; E. FEENBERG U. S. S. SHARE, Physic. Rev. 47, 850, 857 (1935); 48 , 906 (I935); 49, 273 (1936); 50, 253 (1936). - - J. B. FISK, L. I. SCI-IIFF u. W. SHOCKLEY, Physic. Rev. 50, 748 (1936). - - It. S. W. MASSEY U. C. B. O. MOttR, Proc. roy. Soc. Lond. A 152, 693 (1935). -- P. M. MORSE, I. B. FISK U. L. I. SCHIFF, Physic. Rev. 5 o, lO9O (t936). - - R. D. PRESENT, Physic. Rev. 48, 919 (1935); 49, 640 (1936); 50, 635, 870 (1936). - - L. H. TI~O~As, Physic. Rev. 47, 9o3 (1925)- - - L. A. YOUNG Physic. Rev. 48, 913 (1935).

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,,Umweg-Zweckm~it3igkeit" (Paratelie). VO]l G. YON IPRANK:ENBiERG, H a n n o v e r - W i e s e n a u .

, ,Zweck" bedeute£ ursprf ingl ich eine yon einem W o r t e , ,Zweckm~Bigkei t" j eden sinnvolle~ Zu- denkenden Wesen vorgestellte und gewolt te Wirkung. sammenhang, jedes Vorbere i t e t se in auf kfinft ige Es f inden sich aber in der be l eb t en N a t u r zahl- M6gl ichkei ten zu vers tehen , - - o h n e zu priifen, ob reiche E in r i ch tungen , die offens icht l ich ebenfal ls ein Hi rn es e r sonnen habe . ,,Zweckm~.f3ig" h a t auf ein Ziel, n~ml ich die E r h a l t u n g der Art , ge- h e u t e Ifir den Biologen die B e d e u t u n g yon ,,er- r i ch t e t sind. So ge langte m a n d a m n , u n t e r dem ha l tungsgem~B" oder , , sy s t emerha l t end" .