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KINDER BRAUCHEN MEHR! Konzept für eine Kindergrundsicherung Erfurt, 28.10.2010

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KINDER BRAUCHEN MEHR!

Konzept für eine Kindergrundsicherung

Erfurt, 28.10.2010

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Gliederung

I. Armut und die Folgen für Kinder

II. System monetärer Familienförderung

III. Kritik

IV. Lösung: Kindergrundsicherung

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I. Armut - die Folgen für Kinder

Jedes 6. Kind (17,3 %) ist armutsgefährdet – das bedeutet, sie leben in einem Haushalt dessen Nettoäquivalenzeinkommen unter 60 % des Medians liegt.

Von 13,6 Millionen Kindern in Deutschland sind daher 2,4 Millionen Kinder arm/armutsgefährdet.

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I. Armut - die Folgen für Kinder

Eltern/Erwachsene

Kind

Was kommt beim Kind an ?

Materiell(Kleidung, Wohnen, Nahrung, Partizipation u.a.)

Sozial (Soziale Kompetenz, Soziale Kontakte u.a.)

Gesundheitlich(physisch und psychisch)

Kulturell(kognitive Entwicklung, Sprache, Bildung, kult. Kompetenzen u.a.)

Lebenslage Kind

Wohlergehen Benachteiligung Multiple Deprivation

Quelle: Hock/Holz/Wüstendörfer 2000

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I. Armut - die Folgen für Kinder

Lebenslagentyp 6 Jahre (1999) (N=893) 10 Jahre (2003/2004)

Arme Kinder Nicht arme Kinder

Arme Kinder Nicht arme Kinder

Wohlergehen 23,6 % 46,4 % 15,1 % 47,5 %

Benachteiligung 40,3 % 39,8 % 46,5 % 41,9 %

Multiple Deprivation

36,1 % 13,7 % 38, 4 % 10, 6 %

Gesamt 100,0 % 100,0% 100,0 % 100,0 %

Quelle: Zusammenstellung von Gerda Holz auf Basis der Daten der AWO-ISS-Studie, vgl Hock u.a. 2000; Holz u.a. 2006

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II. System monetärer Familienförderung

1. Kinder im SGB II

2. Kinderzuschlag

3. Kindergeld

4. Kinderfreibetrag

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1. Kinder im SGB IIRegelsätze

nach den Plänen der Bundesregierung werden die Regelsätze für Kinder nicht mehr vom Erwachsenregelsatz abgeleitet, sondern auf eine eigene Berechnungsgrundlage gestellt (Referenzgruppe: unterstes Einkommensquintil der Familienhaushalte mit einem Kind / Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 )

voraussichtliche Höhe der Kinderregelsätze ab dem 01.01.2011:

0-5 jährige 215 Euro

6-13 jährige 251 Euro

Ab dem 14. Lebensjahr 287 Euro

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1. Kinder im SGB IIBildungspaket

Der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Bildungsbedarf von Kindern und Jugendlichen soll ab dem 01.01.2011 über das "Bildungspaket" abgedeckt werden.

Das Bildungspaket beinhaltet folgende Sach- und Geldleistungen:- Mitgliedsbeiträge in Vereinen, Musikschulen etc.(120 Euro pro Jahr)

- Schulbasispaket (100 Euro, 70 Euro zu Schuljahresbeginn, 30 Euro im Laufe des Schuljahres)

- Zuschuss zu Kita- und Schulausflügen (30 Euro pro Jahr)

- Zuschuss zu Kita- und Schulmittagessen (2 Euro pro Tag)

- Angemessene Lernförderung (Nachhilfe)

Von den Leistungen des Bildungspakets sollen künftig nicht nur die Kinder im SGB II profitieren, sondern auch die Kinder, deren Eltern den Kinderzuschlag erhalten.

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2. Kinderzuschlag

seit 01.01.2005 zeitgleich mit Einführung ALG II /

Reform 01.10.2008

soll verhindern, dass Eltern allein aufgrund des Bedarfs ihrer Kinder in den (unterstützenden) ALG II-Bezug rutschen

beträgt pro Kind bis zu maximal 140 Euro pro Monat, Kindergeld und Wohngeld werden nicht verrechnet

gleichzeitiger Bezug von Kinderzuschlag und ALG II/Sozialgeld ist ausgeschlossen

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3. Kindergeld

im Einkommensteuergesetz § 62ff. geregelt

seit dem 01.01.10 für das erste und das zweite Kind 184 Euro, für das dritte Kind 190 Euro und für vierte und weitere Kinder 215 Euro monatlich

auf den ersten Blick einkommensunabhängige Zahlung an alle Familien

Kindergeld als verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des kindlichen Existenzminimums ("vorgezogene Steuerrückzahlung")

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4. Kinderfreibetrag

Pro Jahr Pro Monat

Freibetrag für das sächliche Existenzminimum

4.368 Euro 364 Euro

Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung (BEA)

2.640 Euro 220 Euro

insgesamt 7.008 Euro 584 Euro

Zielgruppe:Eltern mit Jahreseinkommen oberhalb von ca. 67.000 Euro(= 8 % aller Eltern mit Kindern) / Entlastung bis zu 277 Euro pro Monat

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III. Kritik

Aktuelles System ist intransparent, bürokratisch und sozial ungerecht, weil...

... gutverdienende Familien ca. 100 Euro mehr pro Monat erhalten (ca. 277 Euro durch Freibetrag) als Normal-verdiener (184 Euro Kindergeld).

... Kindergeld auf Sozialgeld angerechnet wird. Faktisch erhalten Kinder im SGB II-Bezug kein Kindergeld.

... neu berechnete Regelsätze immer noch nicht realen Bedarf von Kindern abdecken (Herausnahme regelbedarfsrelevanter Ausgabenpositionen, intransparente Verteilungsschlüssel, unvollständige Vermeidung von Zirkelschlüssen).

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III. Kritik

... die Höhe des neuen Bildungspakets deutlich zu niedrig ist und durch dessen Gewährung als Sachleistung Kinder stigmatisiert und die Elternautonomie eingeschränkt wird.

... den Kinderzuschlag nur 30 % aller anspruchsberechtigten Familien erhalten, da zu kompliziert und zu starre Einkommensgrenzen.

... das Ehegattensplitting nur traditionelle Ehen fördert – unabhängig davon, ob dort Kinder leben oder nicht.

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III. Kritik

Aktuell leben mehr als 2,4 Millionen Kinder in Armut. Kinderarmut hat vielfältige Ursachen und führt zu zahlreichen

Benachteiligungen in vielen Lebenslagen. Wir brauchen daher eine Politik, die Kinder in den Mittelpunkt

stellt und einen kindzentrierten Blick auf die Armut.

Recht auf Bildung, Teilhabe und Gesundheit

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IV. Lösung: Kindergrundsicherung

1. Bündnis

2. Leistung

3. Zielgruppe

4. Finanzierung

5. Forschungsstand

6. ... das heißt?

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1. Bündnis

Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie e.V. Deutscher Kinderschutzbund e.V. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Evangelischer Kirchenkreis Jülich (NRW) Pro Familia e.V. Verband berufstätiger Mütter e.V. Zukunftsforum Familie e.V. Prof. Dr. Hans Bertram (HU Berlin) Prof. Dr. Walter Hanesch (Hochschule Darmstadt) Prof. Dr. Ernst-Ulrich Huster (Ev. FH Bochum) Prof. Dr. Heiner Keupp (LMU München) Prof. Dr. Ronald Lutz (FH Erfurt) Prof. Dr. Stefan Sell (FH Koblenz) Prof. Dr. Margherita Zander (FH Münster)

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2. Leistung

Grundlage der Höhe der Leistung ist das gegenwärtige kindliche Existenzminimum (Existenzminimumbericht der Bundesregierung 2008)

Pro Jahr Pro Monat

sächliches Existenzminimum 3.864 Euro 322 Euro

Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung (BEA)

2.160 Euro 180 Euro

insgesamt 6.024 Euro 502 Euro

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3. Zielgruppe

Die Kindergrundsicherung ersetzt alle bislang pauschalen Leistungen. Sie soll an alle Kinder ausgezahlt werden, unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern, unabhängig von Zahl und Alter der Kinder.

Die Leistung einer Kindergrundsicherung sollen auch junge Menschen, die sich noch in der Ausbildung befinden und diese vor Vollendung des 27. Lebensjahres begonnen haben, erhalten.

Die Kindergrundsicherung soll der Besteuerung unterliegen. Die Kindergrundsicherung schmilzt mit steigendem Einkommen ab, während Familien ohne oder mit geringem Einkommen die volle Summe erhalten.

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4. Finanzierung

Kindergrundsicherung:

Bruttokosten: ca. 111,0 Mrd. Euro pro Jahr

- 43,9 Mrd. Euro (Wegfall bisheriger Leistungen)

- 7 Mrd. Euro (Wegfall Ehegattensplitting)

- 30,5 Mrd. Euro (Rückfluss durch Einkommenssteuer)

= 30 Mrd. Euro Nettokosten

Bisher: 43,9 Mrd. Euro für familienbezogene Maßnahmen+ 77,0 Mrd. Euro für ehebezogene Maßnahmen= 120,9 Mrd. Euro pro Jahr

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4. Finanzierung

Maßnahmen Einsparungen/ Einnahmen

Rücknahme des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsleistungen (Wachstumsbeschleunigungsgesetz)

Pro Jahr ca. 1 Milliarde Euro

Rücknahme des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Luxusgüter (z.B. Kunstgegenstände, Renn- und Reitpferde, Außer-Haus-Essen, Bergbahnen)

Pro Jahr ca. 1 Milliarde Euro

(gesamtes System der ermäßigten Steuersätze kostet pro Jahr ca. 20 Milliarden Euro)

Einführung Vermögenssteuer Ab 500 000 Euro mit einem Schwellenwert von 1% ca. 16 Milliarden Euro pro Jahr (DIW 2002)

Erweiterung Erbschaftssteuer Ab einem Freibetrag von 250 000 Euro ca. 3,6 Milliarden Euro pro Jahr (DIW 2002)

Wegfall aufstockender Leistungen bei Zahlung von Mindestlohn

Ca. 3 Milliarden Euro pro Jahr

Moderate Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 46%

Ca. 1,9 Milliarden Euro pro Jahr (IG BCE 2010)

zusätzliche Einsparungen/ Einnahmen von rund 27 Mrd. Euro

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5. Forschungsstand

"Vom Kindergeld zu einer Grundsicherung für Kinder"

Dr. Irene Becker / Prof. Richard Hauser

Hans-Böckler-Stiftung, Projektende: August 2010

Abschlussbericht: deutlicher Anstieg des Familieneinkommens im

unteren / mittleren Einkommensbereich Abbau verdeckter Armut durch Überwindung von

Zugangshürden Armutsquote bei Kindern u. 15 J. sinkt auf 3 %

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5. Forschungsstand

Brutto aktuell Netto aktuell Netto mit Kindergrundsicherung

1.500 2.048 (inkl. Sozialtransfers)

2.387 (+ 16,5%)

1.500 (verdeckte Armut)

1.519 2.195 (+ 44,5%)

3.000 2.454 2.868 (+ 16,9%)

6.000 4.260 4.589 (+ 7,7%)

9.000 6.186 6.341 (+ 2,5%)

Monatliches Einkommen in Euro, Ehepaar, 2 Kinder unter 6 Jahren

Quelle: vereinfachte Darstellung nach Becker/Hauser 2010, S.58

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5. Forschungsstand

Brutto aktuell Netto aktuell Netto mit Kindergrundsicherung

1.000 1.668(inkl. Sozialtransfers)

2.013 (+ 20,6%)

1.000 (verdeckte Armut)

1.151 1.819 (+ 58,0%)

1.500 1.611 2.134 (+ 32,5%)

2.000 1.785 2.255 (+ 26,3%)

3.000 2.366 2.714 (+ 14,7%)

Monatliches Einkommen in Euro, Alleinerziehende/r, 2 Kinder unter 6 Jahren

Quelle: vereinfachte Darstellung nach Becker/Hauser, 2010, S. 51

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6. ... das heißt

Alle bisherigen Förderleistungen werden durch EINE

Leistung für ALLE Kinder ersetzt. So könnte ...

... Kinderarmut bekämpft werden,

... die Familienförderung sozial gerechter und transparenter werden,

... Teilhabe- und Bildungschancen für alle Kinder verbessert werden,

... die Beantragung für alle Eltern einfacher werden,

... nur EINE Behörde zuständig sein,

... Politik und Verwaltung Ausgaben besser kalkulieren und planen.

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Vielen Dank!