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Sonntag Aktuell, 20. Oktober 2013 9 LEBEN Welcher Fluch ist öffentlich erlaubt? Verd . . . r Mist! Ich erspare allen Lesern, was ich wirklich gebrüllt habe. Aber ich war sehr laut! Meine Güte. Es war ein an und für sich gemütlicher Samstagnach- mittag. Meine Frau und ich planten den Abend, da kam von meiner besseren Hälfte der nette Vorschlag, heute ein schönes Rinderfilet zu braten. Ökolo- gisch korrekt. Für die passende Weinaus- wahl sind wir in den Keller. Und da lag sie, die kleine Flasche Sassicaia. Wer den Namen kennt, sagt nun: Ahhh! Für alle anderen: Das ist einer der berühmtesten Weine Italiens. In dem Film „Sideways“, einem Muss für Weinfans, spielt der Wein eine der Hauptrollen. Eigentlich kann ich mir so eine gute Fla- sche ja nicht leisten. Aber als Stuttgarts einziger Zwei-Sterne-Koch Martin Öxle seine Speisemeisterei verlassen hat, verkaufte er seinen Weinkeller. Damals habe ich das halbe Fläschchen gesehen, mich an den Film erinnert – und gekauft. Den Preis habe ich verdrängt. Gut fünf Jahre Vorfreude gab’s dafür. Ich habe im- mer auf den passenden Anlass gewartet, wie im Film. Spontan haben wir be- schlossen: Der Wein selbst ist Anlass ge- nug. Wir strahlten am Abend, ich öffnete die Flasche, schenkte ein und brüllte! Korken sind ein Wunder der Natur, aber halt natürlich. Da schält man die Rinde von den Korkeichen, stanzt die Pfropfen aus, reinigt und behandelt sie; in diesem Prozess kann sich unter Mithilfe von Mikroorganismen und Chlor sogenanntes 2,4,6-Trichloranisol bilden. Ist dem so, ist der Wein futsch. Er stinkt. Die Korkindustrie in Portugal und anderen Ländern strengt sich gewaltig an, um das Problem zu reduzieren, ganz aus der Welt zu schaffen ist es aber nicht. Und nun? Ein Winzer sagte mir: Mit einfacher Frischhaltefolie lasse sich das Problem eventuell beheben. Ich habe also eine ganze Menge davon in meine kleine Flasche gestopft und gewartet. Allerdings zu lange. Nach einer Woche schmeckte der Wein nach Folie, und er war oxidiert und – schrecklich. Ich wollte die Mär dennoch aufklären, bei der Weinbauschule in Weinsberg sagten mir die Experten, dass der Versuch durchaus funktionieren könne. Den Wein in eine Karaffe, Frischhaltefolie dazu, an dieser würde sich das Trichlor- anisol ablagern. Dies wäre kein chemi- scher, sondern ein physikalischer Vorgang. Nun warte ich. Seither gab’s bei mir lei- der keinen Wein mehr mit Kork, also mit Korkschmecker. Der Vorteil ist: Ich freue mich schon drauf und werde keinesfalls laut fluchen! Den Sassicaia wollte ich übrigens zum Kochen nehmen, aber davon haben mir die Experten abgeraten. Trichloranisol verflüchtigt sich erst bei sehr hohen Temperaturen – und ich wollte nicht auch noch beim Verzehr einer Soße laut fluchen müssen. Frischhaltefolie gegen Korkschmecker VON MICHAEL WEIER GENUSS-SACHE Mit Geschmack durchs Leben. VON DOROTHEE SCHÖPFER Man möchte dort eigentlich nicht lange bleiben. Wer einen U-Bahnhof betritt, will so schnell wie möglich einsteigen und wegfah- ren. Haltestellen im Untergrund sind Transit- orte. Gebaut, um Menschenströme zu fassen, zu lenken und weiterzubewegen. Und hier soll es architektonische Juwelen geben? Aber sicher. Micha Pawlitzki hat mit seinen Fotos den Beweis angetreten, dass die unterirdi- schen Haltestellen mitunter eine Augenwei- de sind. Für jeden sichtbar und von kaum jemandem wahrgenommen. Wer die Ästhetik der U-Bahnhöfe erfassen möchte, braucht nicht nur ein geschultes Au- ge, er muss auch manches ausblenden. Das Gedränge, die ein- und ausfahrenden Bahnen und vor allem die vielen wartenden Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs. Sie verstellen den Blick. Wie paradox – sind doch unter- irdische Haltestellen für den Transport von Menschen gebaut und ohne sie so funktions- los wie undenkbar. Doch das ist der Trick. Micha Pawlitzki ist ein mehrfach ausge- zeichneter Naturfotograf aus der Ausburger Gegend. Menschenleere Landschaften, Küs- ten, Wüsten, das sind seine Motive. Er hat Städte wie Tokyo und Vancouver porträtiert. „Aber ich arbeite nicht dokumentarisch“, sagt er, „und ich will, dass nichts von dem ablenkt, was ich sehe.“ Die Abwesenheit von Körpern und Gesichtern ist das Markenzeichen von Pawlitzki. So verwundert es nicht, wenn in seinem neuen Fotoband „Unter/Grund. Deut- sche U-Bahnstationen“ (Edition Panorama, 48 Euro) kein Mensch zu sehen ist. Dafür aber ein ästhetisches Panoptikum von unterirdischen Haltestellen, allesamt so elegant wie modern. Sie leuchten in zartem Blau oder in warmem Rot, sie beeindrucken mit feiner Linienführung und langen Foto- bändern an der Wand. Sie zeigen die Vielfalt der Formensprache moderner Architektur und schmücken sich mit Kunst. In Duisburg etwa gestaltete der bekannteste deutsche Gegenwartskünstler Gerhard Richter die Station König-Heinrich-Platz. „Tempel der Mobilität“ nennt der Fotograf Pawlitzki folgerichtig die unterirdischen Haltestellen. 18 Monate lang ist Micha Pawlitzki in die Tiefe des öffentlichen Nahverkehrs abge- taucht und hat das gesamte U-Bahn-Netz in Deutschland optisch recherchiert. Nur die schönsten Haltestellen kamen für seine Por- träts infrage: „Nicht alle Haltestellen sind eine Augenweide. Aber je jünger sie sind, desto besser sehen sie aus.“ Tagsüber hatte er sich notiert, wo er am Abend die Kamera auf- stellen wollte. Kurz vor Betriebsschluss oder früh am morgen, noch vor der ersten Fahrt, hat er seine Aufnahmen gemacht. „Dann musste es schnell gehen: Mehr als zwei oder drei Minuten hatte ich selten Zeit.“ So sind die Menschen außen vor geblieben und haben den Blick freigegeben auf eine über- raschend harmonische und cleane Welt unter der urbanen Oberfläche. In den großen europäischen Metropolen ist die Untergrundbahn seit 150 Jahren unter- wegs. In Stuttgart ist die U-Bahn dagegen noch relativ jung: Erst in den sechziger Jahren hat man mit dem Bau eines unter- irdischen Netzes begonnen. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) als Bauherr haben schon früh begriffen, dass U-Bahn-Stationen auch eine Art Visitenkarte der Stadt sind, erzählt Peter Krauß, bald 30 Jahre mit der Planung und dem Bau von Haltestellen bei den Stuttgarter Straßenbah- nen befasst. Die oberirdischen Stationen ha- ben die eigenen Leute geplant, mit der Kon- zeption der U-Haltestellen wurden Architek- ten betraut. Die Station am Schlossplatz mit dem hellen hohen Gewölbe zum Beispiel hat Günter Behnisch entworfen. „Jede Haltestel- le in Stuttgart sieht anders aus. Und es sind auch immer andere Architekten beteiligt“, erzählt Krauß. Warum dieser Aufwand für einen Funk- tionsbau, einen Durchgangsort, der in der Erde verschwindet? Repräsentation ist das eine: „Manche Haltestellen sind auch für die Stadtpolitiker wichtig. Die Haltestelle ist die Haustür zum System, die Schnittstelle. Und auf die müssen wir Wert legen, wenn wir für Fahrgäste attraktiv sein wollen“, sagt Planer Krauß. Insofern sei eine U-Bahn-Haltestelle mit sogenannter Wohlfühlqualität auch eine Art Lockmittel, um Autofahrer in die Bahn zu bekommen. Die ästhetisch ansprechende Gestaltung ist aber auch ein Kostenfaktor. Damit spare man Geld, sagt SSB-Mann Krauß. „Je hochwertiger das Ambiente, desto weniger Vandalismus gibt es.“ Der Stuttgarter Haltestellen-Chefplaner legt großen Wert auf Übersichtlichkeit. Deshalb gibt es möglichst keine Stützen zwischen den Bahnsteigen, die den Blick nach gegenüber verhindern. Nicht einseh- bare Nischen sollen vermieden werden. Das Sicherheitsgefühl unter der Erde ist größer, wenn die Haltestelle hell und aufgeräumt ist, wenn Sauberkeit davon kündet, dass sich jemand für diesen Ort zuständig fühlt. Dass die Haltestellen in Stuttgart ziemlich sauber sind, ist dem Fotografen Pawlitzki aufgefallen. Aber auch, dass am frühen Mor- gen in Duisburg eine fröhlichere Stimmung in der Bahn herrscht als etwa bei den Anzug- trägern in München. Und dass sich in Berlin am späten Nachmittag sehr viele U-Bahn- Fahrer an einer Bierflasche festhalten, die sie noch nicht einmal trinken. Manchmal war ihm mulmig bei seinen nächtlichen Gängen durch die Unterwelt. Oft genug ist er schrä- gen Existenzen begegnet, und immer wieder fiel ihm auf, dass die Sicherheitskräfte ein Auge für Obdachlose zudrückten. Nur das große Schweigen ist ihm auch nach diesen 18 Monaten im Untergrund noch ein Rätsel: Warum verfallen die Menschen beim Warten auf die U-Bahn in ein kommuni- katives Loch? Schön ist es im Untergrund Jeder nutzt sie, doch kaum einer schaut hin: U-Bahnhöfe sind verkannte Wegmarken großstädtischen Bauens. Micha Pawlitzki hat sie fotografiert. Verreisen: Asterix und Obelix zieht es in einem neuen Comic nach Schottland zu den Pikten. Seite 14 Verhalten: Wie kleine und große Kinder voneinander lernen. Seite 11 Vergnügen: Kindertheater und Herbstfeste am Sonntag. Seite 12/13 Verzaubern: Der schräge Magier Dan Sperry im Porträt. Seite 14 Verlieben: Welchen Sternzeichen Herzensfreuden bevorstehen. Seite 16 Verpacken: Was Handyhüllen über ihre Besitzer aussagen. Eine Typologie. Seite 10 FOTO: EHAPA/ALBERT RENÉ Frankfurter Westend: Der Naturfotograf Micha Pawlitzki entdeckt architektonische Schönheiten in den unterirdischen Bahnhöfen Deutschlands. FOTOS: MICHA PAWLITZKI /EDITION PANORAMA Stuttgart-Zuffenhausen:Kirchtalstraße. U-Bahn-Halt in Hannover. Eleganz in Blau: Hauptbahnhof in Essen. Sauberkeit sorgt für das nötige Sicherheitsgefühl

Kinder voneinander lernen. Seite11 Vergng en: Kindertheater ......Hl fte der nette Vorschlag, heute ein schn es Rinderfilet zu braten. kolo-gisch korrekt. Fr die passende Weinaus-wahl

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Page 1: Kinder voneinander lernen. Seite11 Vergng en: Kindertheater ......Hl fte der nette Vorschlag, heute ein schn es Rinderfilet zu braten. kolo-gisch korrekt. Fr die passende Weinaus-wahl

Sonntag Aktuell, 20. Oktober 2013

9LEBEN

Welcher Fluch ist öffentlich erlaubt? Verd . . . r Mist! Ich erspare allen Lesern, was ich wirklich gebrüllt habe. Aber ich war sehr laut! Meine Güte. Es war ein an und für sich gemütlicher Samstagnach­mittag. Meine Frau und ich planten den Abend, da kam von meiner besseren Hälfte der nette Vorschlag, heute ein schönes Rinderfilet zu braten. Ökolo­gisch korrekt. Für die passende Weinaus­wahl sind wir in den Keller. Und da lag sie, die kleine Flasche Sassicaia. Wer den Namen kennt, sagt nun: Ahhh! Für alle anderen: Das ist einer der berühmtesten Weine Italiens. In dem Film „Sideways“, einem Muss für Weinfans, spielt der Wein eine der Hauptrollen.

Eigentlich kann ich mir so eine gute Fla­sche ja nicht leisten. Aber als Stuttgarts einziger Zwei­Sterne­Koch Martin Öxle seine Speisemeisterei verlassen hat, verkaufte er seinen Weinkeller. Damals habe ich das halbe Fläschchen gesehen, mich an den Film erinnert – und gekauft. Den Preis habe ich verdrängt. Gut fünf Jahre Vorfreude gab’s dafür. Ich habe im­mer auf den passenden Anlass gewartet, wie im Film. Spontan haben wir be­schlossen: Der Wein selbst ist Anlass ge­nug. Wir strahlten am Abend, ich öffnete die Flasche, schenkte ein und brüllte!

Korken sind ein Wunder der Natur, aber halt natürlich. Da schält man die Rinde von den Korkeichen, stanzt die Pfropfen aus, reinigt und behandelt sie; in diesem Prozess kann sich unter Mithilfe von Mikroorganismen und Chlor sogenanntes 2,4,6­Trichloranisol bilden. Ist dem so, ist der Wein futsch. Er stinkt.

Die Korkindustrie in Portugal undanderen Ländern strengt sich gewaltigan, um das Problem zu reduzieren, ganzaus der Welt zu schaffen ist es abernicht. Und nun? Ein Winzer sagte mir:Mit einfacher Frischhaltefolie lasse sichdas Problem eventuell beheben. Ich habealso eine ganze Menge davon in meinekleine Flasche gestopft und gewartet.Allerdings zu lange. Nach einer Wocheschmeckte der Wein nach Folie, und erwar oxidiert und – schrecklich. Ichwollte die Mär dennoch aufklären, beider Weinbauschule in Weinsberg sagtenmir die Experten, dass der Versuchdurchaus funktionieren könne. DenWein in eine Karaffe, Frischhaltefoliedazu, an dieser würde sich das Trichlor­anisol ablagern. Dies wäre kein chemi­scher, sondern ein physikalischerVorgang.

Nun warte ich. Seither gab’s bei mir lei­der keinen Wein mehr mit Kork, also mit Korkschmecker. Der Vorteil ist: Ich freue mich schon drauf und werde keinesfalls laut fluchen!

Den Sassicaia wollte ich übrigens zum Kochen nehmen, aber davon haben mir die Experten abgeraten. Trichloranisol verflüchtigt sich erst bei sehr hohen Temperaturen – und ich wollte nicht auch noch beim Verzehr einer Soße laut fluchen müssen.

Frischhaltefoliegegen Korkschmecker

VON MICHAEL WEIER

GENUSS­SACHE

Mit Geschmackdurchs Leben.

VON DOROTHEE SCHÖPFER

Man möchte dort eigentlich nicht langebleiben. Wer einen U­Bahnhof betritt, will soschnell wie möglich einsteigen und wegfah­ren. Haltestellen im Untergrund sind Transit­orte. Gebaut, um Menschenströme zu fassen,zu lenken und weiterzubewegen. Und hiersoll es architektonische Juwelen geben? Abersicher. Micha Pawlitzki hat mit seinen Fotosden Beweis angetreten, dass die unterirdi­schen Haltestellen mitunter eine Augenwei­de sind. Für jeden sichtbar und von kaumjemandem wahrgenommen.

Wer die Ästhetik der U­Bahnhöfe erfassenmöchte, braucht nicht nur ein geschultes Au­ge, er muss auch manches ausblenden. DasGedränge, die ein­ und ausfahrenden Bahnenund vor allem die vielen wartenden Nutzerdes öffentlichen Nahverkehrs. Sie verstellenden Blick. Wie paradox – sind doch unter­irdische Haltestellen für den Transport vonMenschen gebaut und ohne sie so funktions­los wie undenkbar. Doch das ist der Trick.

Micha Pawlitzki ist ein mehrfach ausge­zeichneter Naturfotograf aus der AusburgerGegend. Menschenleere Landschaften, Küs­ten, Wüsten, das sind seine Motive. Er hatStädte wie Tokyo und Vancouver porträtiert.„Aber ich arbeite nicht dokumentarisch“, sagter, „und ich will, dass nichts von dem ablenkt,was ich sehe.“ Die Abwesenheit von Körpernund Gesichtern ist das Markenzeichen vonPawlitzki. So verwundert es nicht, wenn inseinem neuen Fotoband „Unter/Grund. Deut­sche U­Bahnstationen“ (Edition Panorama,48 Euro) kein Mensch zu sehen ist.

Dafür aber ein ästhetisches Panoptikumvon unterirdischen Haltestellen, allesamt soelegant wie modern. Sie leuchten in zartemBlau oder in warmem Rot, sie beeindruckenmit feiner Linienführung und langen Foto­bändern an der Wand. Sie zeigen die Vielfaltder Formensprache moderner Architektur

und schmücken sich mit Kunst. In Duisburgetwa gestaltete der bekannteste deutscheGegenwartskünstler Gerhard Richter dieStation König­Heinrich­Platz. „Tempel derMobilität“ nennt der Fotograf Pawlitzkifolgerichtig die unterirdischen Haltestellen.

18 Monate lang ist Micha Pawlitzki in dieTiefe des öffentlichen Nahverkehrs abge­taucht und hat das gesamte U­Bahn­Netz inDeutschland optisch recherchiert. Nur dieschönsten Haltestellen kamen für seine Por­träts infrage: „Nicht alle Haltestellen sindeine Augenweide. Aber je jünger sie sind,desto besser sehen sie aus.“ Tagsüber hatte ersich notiert, wo er am Abend die Kamera auf­stellen wollte. Kurz vor Betriebsschluss oderfrüh am morgen, noch vor der ersten Fahrt,hat er seine Aufnahmen gemacht. „Dannmusste es schnell gehen: Mehr als zwei oderdrei Minuten hatte ich selten Zeit.“ So sinddie Menschen außen vor geblieben und

haben den Blick freigegeben auf eine über­raschend harmonische und cleane Welt unterder urbanen Oberfläche.

In den großen europäischen Metropolenist die Untergrundbahn seit 150 Jahren unter­wegs. In Stuttgart ist die U­Bahn dagegennoch relativ jung: Erst in den sechzigerJahren hat man mit dem Bau eines unter­irdischen Netzes begonnen.

Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) alsBauherr haben schon früh begriffen, dassU­Bahn­Stationen auch eine Art Visitenkarteder Stadt sind, erzählt Peter Krauß, bald30 Jahre mit der Planung und dem Bau vonHaltestellen bei den Stuttgarter Straßenbah­nen befasst. Die oberirdischen Stationen ha­ben die eigenen Leute geplant, mit der Kon­

zeption der U­Haltestellen wurden Architek­ten betraut. Die Station am Schlossplatz mitdem hellen hohen Gewölbe zum Beispiel hatGünter Behnisch entworfen. „Jede Haltestel­le in Stuttgart sieht anders aus. Und es sindauch immer andere Architekten beteiligt“,erzählt Krauß.

Warum dieser Aufwand für einen Funk­tionsbau, einen Durchgangsort, der in derErde verschwindet? Repräsentation ist daseine: „Manche Haltestellen sind auch für dieStadtpolitiker wichtig. Die Haltestelle ist dieHaustür zum System, die Schnittstelle. Undauf die müssen wir Wert legen, wenn wir fürFahrgäste attraktiv sein wollen“, sagt PlanerKrauß. Insofern sei eine U­Bahn­Haltestellemit sogenannter Wohlfühlqualität auch eineArt Lockmittel, um Autofahrer in die Bahnzu bekommen. Die ästhetisch ansprechendeGestaltung ist aber auch ein Kostenfaktor.Damit spare man Geld, sagt SSB­MannKrauß. „Je hochwertiger das Ambiente, destoweniger Vandalismus gibt es.“

Der Stuttgarter Haltestellen­Chefplanerlegt großen Wert auf Übersichtlichkeit.Deshalb gibt es möglichst keine Stützenzwischen den Bahnsteigen, die den Blicknach gegenüber verhindern. Nicht einseh­bare Nischen sollen vermieden werden. DasSicherheitsgefühl unter der Erde ist größer,wenn die Haltestelle hell und aufgeräumt ist,wenn Sauberkeit davon kündet, dass sichjemand für diesen Ort zuständig fühlt.

Dass die Haltestellen in Stuttgart ziemlichsauber sind, ist dem Fotografen Pawlitzkiaufgefallen. Aber auch, dass am frühen Mor­gen in Duisburg eine fröhlichere Stimmungin der Bahn herrscht als etwa bei den Anzug­trägern in München. Und dass sich in Berlinam späten Nachmittag sehr viele U­Bahn­Fahrer an einer Bierflasche festhalten, die sienoch nicht einmal trinken. Manchmal warihm mulmig bei seinen nächtlichen Gängendurch die Unterwelt. Oft genug ist er schrä­gen Existenzen begegnet, und immer wiederfiel ihm auf, dass die Sicherheitskräfte einAuge für Obdachlose zudrückten.

Nur das große Schweigen ist ihm auchnach diesen 18 Monaten im Untergrund nochein Rätsel: Warum verfallen die Menschenbeim Warten auf die U­Bahn in ein kommuni­katives Loch?

Schön ist es im UntergrundJedernutzt sie, dochkaumeiner

schaut hin:U­Bahnhöfe

sindverkannteWegmarken

großstädtischenBauens.Micha

Pawlitzki hat sie fotografiert.

Verreisen: Asterix und Obelix zieht es in einem neuen Comic nach Schottland zu den Pikten. Seite 14

Verhalten: Wie kleine und große Kinder voneinander lernen. Seite 11

Vergnügen: Kindertheater und Herbstfeste am Sonntag. Seite 12/13

Verzaubern: Der schräge Magier Dan Sperry im Porträt. Seite 14

Verlieben: Welchen Sternzeichen Herzensfreuden bevorstehen. Seite 16

Verpacken: Was Handyhüllen über ihre Besitzer aussagen. Eine Typologie.Seite 10

FOTO:EHAPA/A

LBERTRENÉ

FrankfurterWestend:DerNaturfotografMichaPawlitzki entdeckt architektonische Schönheiten in den unterirdischenBahnhöfenDeutschlands. FOTOS:MICHAPAWLITZKI /EDITIONPANORAMA

Stuttgart­Zuffenhausen: Kirchtalstraße.U­Bahn­Halt inHannover.

Eleganz inBlau:Hauptbahnhof inEssen.

Sauberkeit sorgt für das nötigeSicherheitsgefühl