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T Viele Menschen würden nie Unternehmer werden wollen. Dabei kann es, bei aller Verantwortung, großen Spaß machen, eine Firma zu leiten T Wer nur aufs Geld aus ist, sagt Verena Delius, sollte es besser gar nicht erst als Unternehmer versuchen. Man muss schon mit Herzblut dabei sein STEFFEN FRÜNDT er zu dem Land will, wo die Pandas woh- nen, muss nicht bis nach China fliegen. Er betritt einfach ein unscheinbares Büro- haus in der Torstraße in Berlin-Mitte. Treppe hoch, vierter Stock. Jetzt noch durch eine Tür – und schon blickt der Be- sucher in gutmütige Bärenaugen. Wände, Schreibtische, Fensterbänke – das Büro ist voller putziger Pandas. Und auch die Computerbildschirme, vor denen die 60 Angestellten hocken, sind bevölkert von Eukalyptusfressern. Denn dies ist die Zen- trale von Panfu, einem Internetportal für Kinder, in dem sich alles um Pandas dreht. Die Leute, die hier arbeiten, denken sich den ganzen Tag lang Panda-Abenteu- er und Lernspiele aus und programmieren sie für den Computer. Dazwischen steht Verena Delius. Stimmt gar nicht. In Wirk- lichkeit steht die 31-Jährige nicht, sondern flitzt dauernd zwischen den Schreibti- schen hin und her. Schaut Grafikerin Mo- nika über die Schulter, die gerade die Sze- nerie für ein Rätsel um einen goldenen Schlüssel entwirft. Fragt Programmierer Martin, was das Sockenspiel macht. Zwi- schendurch guckt sie immer wieder auf ei- ne Wand, die von oben bis unten mit gel- ben, grünen und blauen Haftzetteln be- klebt ist, auf denen steht, woran die Pan- fu-Leute gerade arbeiten. Verena Delius muss den Überblick behalten. Sie ist die geschäftsführende Gesellschafterin. Mit anderen Worten: Sie ist der Boss. „Und das“, sagt sie, „macht großen Spaß!“ Eine Familie von Unternehmern Chef sein – das würden viele gerne. Wer hat als Kind schon davon geträumt, ein kleiner Angestellter zu sein, der die ganze Arbeit macht und trotzdem nichts zu sa- gen hat? Da hätte doch jeder lieber sein ei- genes Unternehmen. Jetzt sollte norma- lerweise die Stelle kommen, wo steht, dass aber nicht jeder Chef sein kann und man sich das überhaupt bloß nicht so einfach vorstellen soll. Ein Firmeneigentümer hat es nämlich auch schwer mit der ganzen Verantwortung, dem Risiko und so. Doch die Wahrheit ist: Unternehmer sein ist su- per. Jeder kann es werden – auch wenn es manchmal beschwerlich ist. W Schule: Deutsche Lehrbücher stellen Unternehmer zu negativ dar Seite 82 Gründer: Unternehmer zu werden wird einfacher Seite 83 Interview: Die erfolgreiche Unter- nehmerin Nicola Leibinger-Kammüller im Gespräch mit vier Gymnasiastinnen aus Ditzingen bei Stuttgart Seite 84 Familienunternehmen: Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft Seite 86 Wohlstand: Warum ein Land ohne Unternehmer scheitern muss – das Beispiel DDR Seite 87 Pleiten: Das Auf und Ab gehört für Unternehmer dazu Seite 88 Die Texte dieses Spezials, eine PDF-Version von „Kinderleicht Unternehmertum“ sowie ausgewählte Texte der bisherigen Ausgaben ab morgen unter welt.de/kinderleicht INHALT Verena Delius hat ihr erstes Unter- nehmen im Alter von 20 Jahren aufge- macht, gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester. Für sie war das damals eine großartige Sache, aber so außerge- wöhnlich nun doch wieder nicht. Denn Unternehmen zu gründen liegt bei ihr in der Familie. Ihr Vater ist ein Biele- felder Textilunternehmer in der neun- ten Generation, also genauso wie schon sein Ururururururgroßvater. Ih- re Mutter hat sich eine Firma für In- neneinrichtung und Raumausstattung aufgebaut. „Am Abendbrotstisch sprachen meine Eltern immer über offene Rechnungen, Mitarbeitermoti- vation – mit solchen Themen sind wir aufgewachsen“, erzählt Verena. Ihr Taschengeld verdiente sie sich damit, für Mutters Firma Werbemit- tel zu verpacken oder andere kleine- re Arbeiten zu erledigen. Ansonsten tat sie das Gleiche wie die anderen Kinder in ihrem Alter. Sie ging zur Schule, machte Abi. Und dann schrieb sie sich für ein Studium ein, Betriebswirtschaftslehre an der Uni- versität St. Gallen in der Schweiz. Gründerin von Papas Gnaden Zur ersten eigenen Firma kam es eigent- lich nur wegen des Hauses am Bach. Di- rekt am Ufer der Lutter, die sich durch die Bielefelder Innenstadt schlängelt, stand seit Urzeiten ein kleines Häuschen, das die Delius-Schwestern schon immer ge- liebt hatten. Als es eines Tages leer stand, kaufte es ihr Vater. Und sagte: „Ihr könnt es mieten. Aber nur, wenn ihr eine Idee habt, wie man ein Geschäft daraus macht.“ Die Schwestern grübelten eine Weile. Dann beschlossen sie: „Wir machen eine Sushi-Bar auf !“ Sie schrieben auf ein Blatt Papier, wie hoch ihre Ausgaben sein würden und wie viel Geld sie einnehmen könnten. Vater Delius nickte den Busi- nessplan ab. Dann druckten die Jungun- ternehmerinnen Speisekarten am Compu- ter aus, kauften sich bei Ikea und anders- wo eine einfache, aber praktische Einrich- tung zusammen. Fisch gab’s beim Groß- händler. Am schwierigsten war die Sache mit dem Koch. Wenn sie ernsthaft ein paar Ostwestfalen dazu bringen wollten, rohen Fisch zu essen, dann musste der schon wirklich lecker zubereitet sein. Am Ende fanden sie in Berlin einen 60 Jahre alten Sushi-Meister, der bereit war, es mit den Mädels zu versuchen. „Der Tag der Eröffnung war das Aufregendste, was ich bis dahin erlebt hatte“, erzählt Verena. Obwohl sie Werbung in der Zeitung ge- macht hatten, ließen sich zwar nur acht Kunden blicken, die meisten Tische blie- ben leer. Aber egal: „Ich war 20, und wir hatten unseren eigenen Laden!“ Natürlich war Verena Delius Unterneh- merin von Papas Gnaden. Die Wahrheit KINDERLEICHT + WELT AM SONNTAG, 19. DEZEMBER 2010 SEITE 81 über Unternehmertum ist nämlich auch: Jeder, der will, darf in Deutschland eine Firma gründen. Aber er braucht dazu Startkapital, oft sogar sehr viel. Wer keines hat, kann es sich von einer Bank leihen. Aber die Banken häufig keines raus, weil sie Angst haben, es nicht zurückzubekom- men, und weil Bankangestellte oft Men- schen mit wenig Fantasie sind. „Ich glaube nicht, dass uns Mädels damals irgendeine Bank einen Kredit für das Restaurant und die übrigen Kosten gegeben hätte“, glaubt Verena Delius. Dabei hielt sich ihre Sushi- Bar sechs Jahre lang und brachte genug ein, um den Koch und alle Rechnungen zu bezahlen: „Mehr aber auch nicht. Reich wurden wir nicht damit.“ Verena Delius schloss ihr Studium ab und tingelte erst mal mit Freunden durch Südamerika, drei Monate lang. „Erst mal Luft holen und runterkommen. Das hat gutgetan!“ Was nicht bedeutet, dass ihr auf den Gipfeln der Anden die große Er- leuchtung kam, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Zurück in Deutschland, fing sie bei einer Versicherung an, ausge- rechnet. „Ich hatte Finanzen studiert – al- so fing ich ein Traineeprogramm bei der Münchner Rück an“, erinnert sie sich. Doch die eineinhalbjährige Ausbildung bei dem milliardenschweren Versiche- rungskonzern wurde zu einem frustrieren- den Erlebnis. Fast vom ersten Tag an war Verena ungeduldig, weil sie immer irgend- welche Ideen hatte und ihr alles nicht schnell genug voranging. Sie war voller Ideen – und lief damit dauernd gegen die Wand. „Ich merkte, dass eigene Ideen in Wirklichkeit gar nicht erwünscht waren.“ In dieses Angestelltendasein passte die Unternehmertochter einfach nicht, sie war zur Selbstständigkeit erzogen worden. „Seither steht für mich fest: Großkonzern – das brauche ich nicht noch mal!“ Scheitern – und dennoch nicht aufgeben Dann schon lieber ein kleiner Laden, aber dafür etwas zu sagen haben. Beziehungs- weise: viele kleine Läden. Das war die Idee zu ihrer zweiten Firma. Gemeinsam mit einer Studienfreundin wollte sie in deut- schen Innenstädten kleine Salatbars eröff- nen, an denen sich die Leute selbst ihren Teller zusammenstellen können. Eine Art gesunde Fast-Food-Kette also. In New York gab es so was damals schon an jeder Ecke, wie Verena auf einer Amerikareise aufgefallen war: „Aber in Deutschland war das vollkommen neu.“ Eine Idee abzukup- fern, die bei anderen funktioniert hat, ist nicht die schlechteste Unternehmensstra- tegie. Einige der reichsten Menschen der Welt sind auf diese Weise zu ihrem Geld gekommen. Verena Delius gründete mit ihrer Freundin also die Yummy Salads AG. Sie hatten vier Investoren gefunden. Ver- mögende Privatleute, die an die Idee glaubten und den beiden dafür das Start- kapital gaben. Solche Beteiligungen sind gerade für junge Gründer oft eine gute Al- ternative zu den fantasielosen Bankern. Die Idee war da, das Geld auch. Trotz- dem gibt es heute überall McDonald’s und Burger King, aber nirgendwo einen Yum- my Salads. Die zweite Firma in Verena De- lius’ Leben fiel nämlich den ängstlichen Vermietern zum Opfer, sagt sie. Ge- schäftsmodell, Logo, Ladendesign – alles war fertig. „Aber wir haben in den A-La- gen einfach keine Flächen bekommen. Wir haben es praktisch in jeder deutschen Großstadt probiert. Aber wenn in einer Fußgängerzone etwas frei wurde, vermie- teten die Hausbesitzer lieber an Tchibo, Häagen-Dazs oder Kamps.“ Nach einem Jahr gaben die Unternehmerinnen auf und machten Yummy wieder dicht. Das gelie- hene Geld war futsch. „Es ist wichtig, sich von Fehlschlägen nicht entmutigen zu las- sen“, sagt Verena Delius, die schon bei ih- ren Eltern mitbekommen hatte, dass man als Unternehmer immer wieder Momente erlebt, in denen es nicht so gut läuft. Eine Sushi-Bar, die keine Gewinne abwirft, eine Salatkette, die keiner will. Das alles gehört zum unternehmerischen Risiko: „Wer et- was wagt, verliert auch mal. Auch das kann eine wertvolle Erfahrung sein.“ Gut, dass Verena nicht aufgegeben hat. Denn ab diesem Moment wurde alles, was sie in die Hand nahm, ein Erfolg. Nach dem Salatfiasko erinnerte sie sich ihres Fi- nanzenstudiums und gründete, selbstbe- wusst nach sich selbst benannt, die Firma Delius Capital. Die Idee der Fondsgesell- schaft war, grob gesagt, die: Sie konzipier- te sogenannte Fonds und finanzierte da- mit Großprojekte wie Containerschiffe. Die Gewinne, die die Schiffe einfuhren, gingen zurück an die Investoren. Das funktionierte sehr gut, und Verena Delius verdiente selbst nicht schlecht dabei. Die Firma gibt es immer noch, sie wird heute von Verena Delius’ Mann Lutz geleitet. Die Zukunft liegt im Internet Denn als Delius 25 war, entdeckte sie das Internet für sich. Der Besitzer einer On- line-Partnervermittlung überredete sie, in das Geschäft mit einzusteigen. „Da habe ich Online gelernt. Mir war gleich klar, dass im Internet die Zukunft liegt.“ In Hamburg baute sie für einen großen Medi- enkonzern ein Lernportal im Internet auf, kam später zum Pandaportal. Und dann kamen die Kinder in ihr Le- ben. „Wenn es um Kinder geht, ändert sich alles. Plötzlich geht es nicht mehr nur ums Geschäft, du wirst viel ethischer und über- legst genau, was du verantworten kannst.“ Heute trägt Verena Delius Verantwortung für viele. Für ihre Söhne John und Henry, die erst drei beziehungsweise ein halbes Jahr alt sind und unter der Woche von ei- ner Kinderfrau großgezogen werden. Für die 60 Mitarbeiter von Panfu, die teils selbst Familien haben und deren Arbeits- platz davon abhängt, dass Verena Delius keinen Mist baut. Und für die Kunden, Kinder eben, die nicht zu viel Zeit vorm Computer verbringen und ihren Eltern nicht zu viel Geld aus der Tasche ziehen sollen: „Es ist schwierig, immer allen ge- recht zu werden.“ Trotzdem will Verena Delius nie mehr etwas anderes sein als Unternehmerin. Ums Geld geht es ihr dabei gar nicht: „Ich will etwas Neues erschaffen. Eine Firma, die das Leben der Menschen bereichert. Einen Arbeitsplatz, zu dem die Mitarbeiter gerne gehen,“ sagt sie. Und sie will beson- ders jungen Frauen als Vorbild dienen, dass sie von ihrem Leben beides, Kind und Karriere, verlangen können: „Es ist mehr in euch, als ihr denkt!“ Geht doch! Verena Delius gründete schon mit 20 Jahren ihre erste Firma. Jetzt ist sie 31und kann sich gar nichts anderes mehr vorstellen, als Chefin zu sein 8 Seiten Spezial UNTERNEHMERTUM KINDERLEICHT Antworten für alle, die Wirtschaft verstehen wollen Verena Delius ist 31 Jahre alt und Unternehmerin aus Leidenschaft – schon seit über zehn Jahren JANNIS CHAVAKIS „Kinderleicht“, die mehrfach preisgekrönte Serie der „Welt am Sonntag“, gibt es demnächst auch in Buchform. Im März erscheinen im Hanser-Verlag die „Kinder- leicht“-Folgen über Gerechtigkeit und Globalisierung, weitere Ausgaben sind in Planung. Die Bücher kosten jeweils 12,90 Euro und können schon jetzt unter 0800/066 05 55 vorbestellt werden. „Kinderleicht“: Bald auch im Buchhandel! W

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Page 1: KINDERLEICHT - familienunternehmen.de · Teller zusammenstellen können. Eine Art gesunde Fast-Food-Kette also. In New York gab es so was damals schon an jeder Ecke, wie Verena auf

T Viele Menschen würden nieUnternehmer werden wollen.Dabei kann es, bei allerVerantwortung, großen Spaßmachen, eine Firma zu leiten

T Wer nur aufs Geld aus ist, sagt Verena Delius, sollte es bessergar nicht erst als Unternehmerversuchen. Man muss schon mitHerzblut dabei sein

STEFFEN FRÜNDT

er zu dem Land will, wo die Pandas woh-nen, muss nicht bis nach China fliegen. Erbetritt einfach ein unscheinbares Büro-haus in der Torstraße in Berlin-Mitte.Treppe hoch, vierter Stock. Jetzt nochdurch eine Tür – und schon blickt der Be-sucher in gutmütige Bärenaugen. Wände,Schreibtische, Fensterbänke – das Büro istvoller putziger Pandas. Und auch dieComputerbildschirme, vor denen die 60Angestellten hocken, sind bevölkert vonEukalyptusfressern. Denn dies ist die Zen-trale von Panfu, einem Internetportal fürKinder, in dem sich alles um Pandas dreht.

Die Leute, die hier arbeiten, denkensich den ganzen Tag lang Panda-Abenteu-er und Lernspiele aus und programmierensie für den Computer. Dazwischen stehtVerena Delius. Stimmt gar nicht. In Wirk-lichkeit steht die 31-Jährige nicht, sondernflitzt dauernd zwischen den Schreibti-schen hin und her. Schaut Grafikerin Mo-nika über die Schulter, die gerade die Sze-nerie für ein Rätsel um einen goldenenSchlüssel entwirft. Fragt ProgrammiererMartin, was das Sockenspiel macht. Zwi-schendurch guckt sie immer wieder auf ei-ne Wand, die von oben bis unten mit gel-ben, grünen und blauen Haftzetteln be-klebt ist, auf denen steht, woran die Pan-fu-Leute gerade arbeiten. Verena Deliusmuss den Überblick behalten. Sie ist diegeschäftsführende Gesellschafterin. Mitanderen Worten: Sie ist der Boss. „Unddas“, sagt sie, „macht großen Spaß!“

Eine Familie von Unternehmern

Chef sein – das würden viele gerne. Werhat als Kind schon davon geträumt, einkleiner Angestellter zu sein, der die ganzeArbeit macht und trotzdem nichts zu sa-gen hat? Da hätte doch jeder lieber sein ei-genes Unternehmen. Jetzt sollte norma-lerweise die Stelle kommen, wo steht, dassaber nicht jeder Chef sein kann und mansich das überhaupt bloß nicht so einfachvorstellen soll. Ein Firmeneigentümer hates nämlich auch schwer mit der ganzenVerantwortung, dem Risiko und so. Dochdie Wahrheit ist: Unternehmer sein ist su-per. Jeder kann es werden – auch wenn esmanchmal beschwerlich ist.

WSchule: Deutsche Lehrbücher stellenUnternehmer zu negativ dar Seite 82

Gründer: Unternehmer zu werdenwird einfacher Seite 83

Interview: Die erfolgreiche Unter-nehmerin Nicola Leibinger-Kammüllerim Gespräch mit vier Gymnasiastinnenaus Ditzingen bei Stuttgart Seite 84

Familienunternehmen: Das Rückgratder deutschen Wirtschaft Seite 86

Wohlstand: Warum ein Land ohneUnternehmer scheitern muss – dasBeispiel DDR Seite 87

Pleiten: Das Auf und Ab gehört fürUnternehmer dazu Seite 88

Die Texte dieses Spezials, einePDF-Version von „Kinderleicht

Unternehmertum“ sowie ausgewählteTexte der bisherigen Ausgaben ab morgen unter welt.de/kinderleicht

INHALT

Verena Delius hat ihr erstes Unter-nehmen im Alter von 20 Jahren aufge-macht, gemeinsam mit ihrer kleinenSchwester. Für sie war das damals einegroßartige Sache, aber so außerge-wöhnlich nun doch wieder nicht. DennUnternehmen zu gründen liegt bei ihrin der Familie. Ihr Vater ist ein Biele-felder Textilunternehmer in der neun-ten Generation, also genauso wieschon sein Ururururururgroßvater. Ih-re Mutter hat sich eine Firma für In-neneinrichtung und Raumausstattungaufgebaut. „Am Abendbrotstischsprachen meine Eltern immer überoffene Rechnungen, Mitarbeitermoti-vation – mit solchen Themen sindwir aufgewachsen“, erzählt Verena.Ihr Taschengeld verdiente sie sichdamit, für Mutters Firma Werbemit-tel zu verpacken oder andere kleine-re Arbeiten zu erledigen. Ansonstentat sie das Gleiche wie die anderenKinder in ihrem Alter. Sie ging zurSchule, machte Abi. Und dannschrieb sie sich für ein Studium ein,Betriebswirtschaftslehre an der Uni-versität St. Gallen in der Schweiz.

Gründerin von Papas Gnaden

Zur ersten eigenen Firma kam es eigent-lich nur wegen des Hauses am Bach. Di-rekt am Ufer der Lutter, die sich durch dieBielefelder Innenstadt schlängelt, standseit Urzeiten ein kleines Häuschen, dasdie Delius-Schwestern schon immer ge-liebt hatten. Als es eines Tages leer stand,kaufte es ihr Vater. Und sagte: „Ihr könntes mieten. Aber nur, wenn ihr eine Ideehabt, wie man ein Geschäft darausmacht.“ Die Schwestern grübelten eineWeile. Dann beschlossen sie: „Wir macheneine Sushi-Bar auf!“ Sie schrieben auf einBlatt Papier, wie hoch ihre Ausgaben seinwürden und wie viel Geld sie einnehmenkönnten. Vater Delius nickte den Busi-nessplan ab. Dann druckten die Jungun-ternehmerinnen Speisekarten am Compu-ter aus, kauften sich bei Ikea und anders-wo eine einfache, aber praktische Einrich-tung zusammen. Fisch gab’s beim Groß-händler. Am schwierigsten war die Sachemit dem Koch. Wenn sie ernsthaft ein

paar Ostwestfalen dazu bringen wollten,rohen Fisch zu essen, dann musste derschon wirklich lecker zubereitet sein. AmEnde fanden sie in Berlin einen 60 Jahrealten Sushi-Meister, der bereit war, es mitden Mädels zu versuchen. „Der Tag derEröffnung war das Aufregendste, was ichbis dahin erlebt hatte“, erzählt Verena.Obwohl sie Werbung in der Zeitung ge-macht hatten, ließen sich zwar nur achtKunden blicken, die meisten Tische blie-ben leer. Aber egal: „Ich war 20, und wirhatten unseren eigenen Laden!“

Natürlich war Verena Delius Unterneh-merin von Papas Gnaden. Die Wahrheit

KINDERLEICHT8

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Abgezeichnet von: Abgezeichnet von:

W E L T A M S O N N T A G , 1 9 . D E Z E M B E R 2 0 1 0 S E I T E 8 1

über Unternehmertum ist nämlich auch:Jeder, der will, darf in Deutschland eineFirma gründen. Aber er braucht dazuStartkapital, oft sogar sehr viel. Wer keineshat, kann es sich von einer Bank leihen.Aber die Banken häufig keines raus, weilsie Angst haben, es nicht zurückzubekom-men, und weil Bankangestellte oft Men-schen mit wenig Fantasie sind. „Ich glaubenicht, dass uns Mädels damals irgendeineBank einen Kredit für das Restaurant unddie übrigen Kosten gegeben hätte“, glaubtVerena Delius. Dabei hielt sich ihre Sushi-Bar sechs Jahre lang und brachte genugein, um den Koch und alle Rechnungen zubezahlen: „Mehr aber auch nicht. Reichwurden wir nicht damit.“

Verena Delius schloss ihr Studium abund tingelte erst mal mit Freunden durch

Südamerika, drei Monate lang. „Erst malLuft holen und runterkommen. Das hatgutgetan!“ Was nicht bedeutet, dass ihrauf den Gipfeln der Anden die große Er-leuchtung kam, was sie mit ihrem Lebenanfangen sollte. Zurück in Deutschland,fing sie bei einer Versicherung an, ausge-rechnet. „Ich hatte Finanzen studiert – al-so fing ich ein Traineeprogramm bei derMünchner Rück an“, erinnert sie sich.

Doch die eineinhalbjährige Ausbildungbei dem milliardenschweren Versiche-rungskonzern wurde zu einem frustrieren-den Erlebnis. Fast vom ersten Tag an warVerena ungeduldig, weil sie immer irgend-

welche Ideen hatte und ihr alles nichtschnell genug voranging. Sie war vollerIdeen – und lief damit dauernd gegen dieWand. „Ich merkte, dass eigene Ideen inWirklichkeit gar nicht erwünscht waren.“In dieses Angestelltendasein passte dieUnternehmertochter einfach nicht, sie warzur Selbstständigkeit erzogen worden.„Seither steht für mich fest: Großkonzern– das brauche ich nicht noch mal!“

Scheitern – und dennoch nicht aufgeben

Dann schon lieber ein kleiner Laden, aberdafür etwas zu sagen haben. Beziehungs-weise: viele kleine Läden. Das war die Ideezu ihrer zweiten Firma. Gemeinsam miteiner Studienfreundin wollte sie in deut-schen Innenstädten kleine Salatbars eröff-nen, an denen sich die Leute selbst ihrenTeller zusammenstellen können. Eine Artgesunde Fast-Food-Kette also. In NewYork gab es so was damals schon an jederEcke, wie Verena auf einer Amerikareiseaufgefallen war: „Aber in Deutschland wardas vollkommen neu.“ Eine Idee abzukup-fern, die bei anderen funktioniert hat, istnicht die schlechteste Unternehmensstra-tegie. Einige der reichsten Menschen derWelt sind auf diese Weise zu ihrem Geldgekommen. Verena Delius gründete mitihrer Freundin also die Yummy Salads AG.Sie hatten vier Investoren gefunden. Ver-mögende Privatleute, die an die Ideeglaubten und den beiden dafür das Start-kapital gaben. Solche Beteiligungen sindgerade für junge Gründer oft eine gute Al-ternative zu den fantasielosen Bankern.

Die Idee war da, das Geld auch. Trotz-dem gibt es heute überall McDonald’s undBurger King, aber nirgendwo einen Yum-my Salads. Die zweite Firma in Verena De-lius’ Leben fiel nämlich den ängstlichenVermietern zum Opfer, sagt sie. Ge-schäftsmodell, Logo, Ladendesign – alleswar fertig. „Aber wir haben in den A-La-gen einfach keine Flächen bekommen. Wirhaben es praktisch in jeder deutschenGroßstadt probiert. Aber wenn in einerFußgängerzone etwas frei wurde, vermie-teten die Hausbesitzer lieber an Tchibo,Häagen-Dazs oder Kamps.“ Nach einem

Jahr gaben die Unternehmerinnen auf undmachten Yummy wieder dicht. Das gelie-hene Geld war futsch. „Es ist wichtig, sichvon Fehlschlägen nicht entmutigen zu las-sen“, sagt Verena Delius, die schon bei ih-ren Eltern mitbekommen hatte, dass manals Unternehmer immer wieder Momenteerlebt, in denen es nicht so gut läuft. EineSushi-Bar, die keine Gewinne abwirft, eineSalatkette, die keiner will. Das alles gehörtzum unternehmerischen Risiko: „Wer et-was wagt, verliert auch mal. Auch daskann eine wertvolle Erfahrung sein.“

Gut, dass Verena nicht aufgegeben hat.Denn ab diesem Moment wurde alles, wassie in die Hand nahm, ein Erfolg. Nachdem Salatfiasko erinnerte sie sich ihres Fi-nanzenstudiums und gründete, selbstbe-wusst nach sich selbst benannt, die FirmaDelius Capital. Die Idee der Fondsgesell-schaft war, grob gesagt, die: Sie konzipier-te sogenannte Fonds und finanzierte da-mit Großprojekte wie Containerschiffe.Die Gewinne, die die Schiffe einfuhren,gingen zurück an die Investoren. Dasfunktionierte sehr gut, und Verena Deliusverdiente selbst nicht schlecht dabei. DieFirma gibt es immer noch, sie wird heutevon Verena Delius’ Mann Lutz geleitet.

Die Zukunft liegt im Internet

Denn als Delius 25 war, entdeckte sie dasInternet für sich. Der Besitzer einer On-line-Partnervermittlung überredete sie, indas Geschäft mit einzusteigen. „Da habeich Online gelernt. Mir war gleich klar,dass im Internet die Zukunft liegt.“ InHamburg baute sie für einen großen Medi-enkonzern ein Lernportal im Internet auf,kam später zum Pandaportal.

Und dann kamen die Kinder in ihr Le-ben. „Wenn es um Kinder geht, ändert sichalles. Plötzlich geht es nicht mehr nur umsGeschäft, du wirst viel ethischer und über-legst genau, was du verantworten kannst.“Heute trägt Verena Delius Verantwortungfür viele. Für ihre Söhne John und Henry,die erst drei beziehungsweise ein halbesJahr alt sind und unter der Woche von ei-ner Kinderfrau großgezogen werden. Fürdie 60 Mitarbeiter von Panfu, die teils

selbst Familien haben und deren Arbeits-platz davon abhängt, dass Verena Deliuskeinen Mist baut. Und für die Kunden,Kinder eben, die nicht zu viel Zeit vormComputer verbringen und ihren Elternnicht zu viel Geld aus der Tasche ziehensollen: „Es ist schwierig, immer allen ge-recht zu werden.“

Trotzdem will Verena Delius nie mehretwas anderes sein als Unternehmerin.Ums Geld geht es ihr dabei gar nicht: „Ichwill etwas Neues erschaffen. Eine Firma,die das Leben der Menschen bereichert.Einen Arbeitsplatz, zu dem die Mitarbeitergerne gehen,“ sagt sie. Und sie will beson-ders jungen Frauen als Vorbild dienen,dass sie von ihrem Leben beides, Kindund Karriere, verlangen können: „Es istmehr in euch, als ihr denkt!“

Gehtdoch! Verena Delius gründete schonmit 20 Jahren ihre erste Firma.Jetzt ist sie 31 und kann sichgar nichts anderes mehrvorstellen, als Chefin zu sein

8 Seiten SpezialUNTERNEHMERTUMKINDERLEICHTAntworten für alle, die Wirtschaftverstehen wollen

Verena Delius ist 31 Jahrealt und Unternehmerinaus Leidenschaft – schonseit über zehn Jahren

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„Kinderleicht“, die mehrfach preisgekrönteSerie der „Welt am Sonntag“, gibt es demnächst auch in Buchform. Im März erscheinen im Hanser-Verlag die „Kinder-leicht“-Folgen über Gerechtigkeit undGlobalisierung, weitere Ausgaben sind in Planung. Die Bücher kosten jeweils 12,90 Euro und können schon jetzt unter0800/066 05 55 vorbestellt werden.

„Kinderleicht“: Bald auch im Buchhandel!

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Page 2: KINDERLEICHT - familienunternehmen.de · Teller zusammenstellen können. Eine Art gesunde Fast-Food-Kette also. In New York gab es so was damals schon an jeder Ecke, wie Verena auf

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Abgezeichnet von: Abgezeichnet von:

W E LT A M S O N N TA G N R . 5 1 1 9 . D E Z E M B E R 2 01082 KINDERLEICHT

T Krupp, Henkel, Quandt: ImWirtschaftsunterricht bekamendeutsche Schüler lange nurhistorische Figuren präsentiert

T Was fehlte, sind Vorbilder, dieLust auf Unternehmertummachen: junge Gründer kleinerFirmen. Langsam ändert sich das

TOBIAS KAISER

Als im Sommer 2010 die Fußball-Welt-meisterschaft in Südafrika stattfindet,ist das auch in Deutschland unüberseh-bar: In den Büros laufen die Fernseher,Fußballfans treffen sich zum gemeinsa-men Fußballschauen auf Plätzen, und inParks und viele Autobesitzer haben sichFähnchen mit den deutschen National-farben in die Autofenster geklemmt. Be-sonders enthusiastische Fans haben so-gar schwarz-rot-goldene Außenspiegel.Das hatte es noch nicht gegeben: Spie-gelhüllen in den Farben der National-mannschaft. Die schwarz-rot-goldenenStrümpfe sind echte Hingucker, sindschnell ausverkauft und werden von denFans liebevoll Spiegel-Socke oder Au-ßenkondom genannt.

Besonders Marvin Andrä freut sichüber den Erfolg der bunten Stoffhüllen.Der 28-Jährige verkauft die Spiegel-strümpfe in Deutschland, für den jungenUnternehmer ein Riesengeschäft. Hätteer allerdings auf seine Lehrer gehört – erwäre nie Unternehmer geworden. „Wirhaben in der Schule gelernt, wie mansich um eine Stelle bewirbt und wie maneine Bewerbung schreibt“, erinnert ersich. „Aber selbstständig werden unduns selbst unseren Job schaffen, dasschien etwas zu sein, was für uns garnicht möglich ist.“

Besondere Persönlichkeiten

Dass Unternehmertum für ihn und seineMitschüler gar nicht infrage käme – daslasen sie ganz besonders in ihren Schul-büchern. Andrä erinnert sich noch gutdaran, dass die Unternehmer, die in denBüchern auftauchten, entschieden an-ders waren als er und seine Freunde.„Wenn in den Schulbüchern Unterneh-mer auftauchten, hatten sie viel Geld,trugen Anzüge und fuhren dicke Autos“,sagt er. Gegen schöne Autos hatte er garnichts einzuwenden, aber die Büchervermittelten unterschwellig: Unterneh-mer sein, das könnt ihr nicht. „Unter-nehmer wurden dargestellt, als seien siekeine normalen Menschen, als sei es et-was Unnatürliches, eine Firma zu grün-den“, sagt Andrä. „Da wurde unterschie-den: Es gibt normale Menschen und esgibt Unternehmer.“

Das liegt auch an den Beispielen, de-nen Schüler in den Büchern begegnen.Dort tauchen häufig die historisch be-deutenden Gründer großer Firmen auf:Friedrich-Karl Henkel etwa, der Gründergleichnamigen Konzerns, der Persil undden Pritt-Klebestift herstellt. Anhandder Lebensläufe solcher Menschen stel-len Schulbücher gerne große gesell-schaftliche Veränderungen dar, etwa dieAusbreitung der Industrie am Ende des19. Jahrhunderts oder den Wiederaufbauder zerstörten deutschen Wirtschaftnach dem Zweiten Weltkrieg. Das istsinnvoll, weil Geschichte so anschaulichbeschrieben wird. Aber Kinder und Ju-gendliche können sich nur schwer vor-stellen, einen Großkonzern zu gründen– zumal die Zeiten, die beschrieben wer-den, weit in der Vergangenheit liegen.

Susanne Grindel, die am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig die In-halte von Schulbüchern aus verschiede-nen Ländern untersucht und vergleicht,kann das bestätigen: „In deutschenSchulbüchern kommen häufiger als inanderen Ländern Großindustrielle vor.Unternehmer zu werden, wird inDeutschland als größerer Schritt darge-stellt und als ein Unterfangen, das mitgroßen Mühen verbunden ist und nurbesonderen Persönlichkeiten gelingt.“Die Folge: Der Unterricht vermittelt,dass Selbstständigkeit mühsam und be-schwerlich ist und dass Jugendliche dieFinger davon lassen sollten.

Autowaschen als Unternehmen

Dabei geht es auch anders. SusanneGrindel und ihre Kollegen haben bei Un-tersuchungen festgestellt, dass es inSchulbüchern aus anderen europäischenLändern viel selbstverständlicherscheint, ein Unternehmen zu gründen.Etwa in Schweden: „Schwedische Schul-bücher animieren geradezu zum Unter-nehmertum“, sagt Grindel. „In schwedi-schen Schulbüchern wird der eigene Be-trieb als etwas dargestellt, was relativeinfach gegründet werden kann. Jungs,die Autos waschen, um ihr Taschengeldaufzubessern, werden manchmal schonals Unternehmer dargestellt.“

Neben den Büchern ist allerdingsauch der Unterricht dafür verantwort-lich, dass die Schüler wenig Wirtschafts-

wissen aus der Schule mitnehmen. Inden meisten Schulen unterrichten Leh-rer Wirtschaft nämlich nur selten als ei-genes Fach. Wirtschaftliche Themenwerden vielmehr in Häppchen auf meh-rere Fächer verteilt – oft taucht Wirt-schaft in Gemeinschaftskunde auf, inder Sachkunde, in Politik, in Erdkundeund in Geschichte.

Was unterrichtet wird, entscheidendie Bundesländer. Und selbst wennWirtschaft auf dem Lehrplan steht,heißt das nicht, dass auch Wirtschaftunterrichtet wird. So war es bei auchMarvin Andrä: „Immer wenn es eigent-lich um wirtschaftliche Themen gehensollte, haben wir letztlich doch wiederüber Politik gesprochen.“

Marvin Andrä sagt heute, zehn Jahrenach seinem Abitur, dass ihn die Schulezu wenig auf das Leben nach der Schulevorbereitet hat: Steuern, Geldanlage, All-tag im Betrieb – alles kein Thema imUnterricht. Vielleicht, weil die Lehrerbequem waren, vielleicht, weil sie ande-re Themen wichtiger und interessanterfanden – vielleicht aber auch schlicht,

weil sie vom Wirtschaftsleben einfachnicht viel wussten: „Es kann sein, dassich in der Schule so wenig über Wirt-schaft gelernt habe, weil meine Lehrerimmer nur in der Schule waren“, über-legt Andrä. „Erst in der Grundschule,dann im Gymnasium, dann auf der Uniund dann gleich wieder zurück an dieSchule zum Unterrichten. Die haben ihr

ganzes Leben lang in einer Parallelweltgelebt, die mit dem Wirtschaftssystemnichts zu tun hat.“

Allmählich scheint sich daran etwaszu ändern. Schulbuchforscherin Grindelhat bemerkt, dass Unternehmer heutehäufiger in den Schulbüchern auftau-chen: „In den vergangenen zehn Jahrenhaben sich die Schulbücher deutlich ver-ändert. Wirtschaft kommt dort sehr vielhäufiger vor.“ Etliche neu erschieneneSchulbücher, die heute zum Einsatzkommen, behandeln nicht mehr nur glo-balisierte Konzerne – sondern zuneh-mend auch kleinere Firmen.

Schulbücher kritisieren das System

Auch der Ton der Autoren hat sich geän-dert. Vor 15 oder 20 Jahren wurden inpädagogischen Büchern Unternehmen –und Unternehmer – häufig als Ausbeuterund Umweltzerstörer dargestellt. Einkritischer Grundton gegenüber derWirtschaft und ihren Vertretern galt alsangemessen. So steht in einem 1994 ver-öffentlichten Politikbuch für das Gym-nasium folgender Satz, der gleich das ge-samte wirtschaftliche System inDeutschland kritisiert: „Hauptmerkmaldes Kapitalismus ist der Besitz der Pro-duktionsmittel durch die Kapitaleigen-tümer. Ihnen stehen die Arbeitnehmergegenüber, die ihre Arbeitskraft an dieKapitaleigentümer verkaufen müssen,um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.Hierdurch entwickelt sich eine sozialeund materielle Abhängigkeit der Arbeit-nehmer von den Kapitalbesitzern.“

Seit dieses Buch erschienen ist, hatsich viel verändert, sagt Forscherin Su-sanne Grindel: „Deutsche Schulbüchersind nicht einseitig geschrieben. Sie sindnicht wirtschaftsfeindlich, und die Auto-ren schimpfen auch nicht auf Unterneh-mer.“ Vielmehr scheinen die Pädagogenheute die Wirtschaft zu respektieren,ohne ihr Handeln zu beschönigen. Dennin den Unterrichtsmaterialien tauchenauch die Schattenseiten der Wirtschaftauf: Ausbeutung von Arbeitskräften,Umweltzerstörung oder Entlassungen.

Der europäische Wettbewerb hilft

Experten machen für diese Veränderungauch die Europäische Kommission inBrüssel verantwortlich. Sie hat vor eini-gen Jahren gefordert, dass Schüler imUnterricht mehr darüber lernen sollen,wie sie selbst Unternehmer werden kön-nen und wie man sich mit einer Ge-schäftsidee selbstständig macht. Lehr-pläne wurden deshalb geändert, undSchulbuchautoren schreiben heute mehrüber Wirtschaft und darüber, wie manunternehmerisch denkt und handelt –nicht nur in Deutschland, sondern auchin unseren Nachbarländern. Denn keinLand will sich vorwerfen lassen, dass esseine Schüler schlechter ausbildet alsdie übrigen Länder in Europa.

Marvin Andrä hatte diesen Anstoßvon außen nicht gebraucht. „Ich wollteschon immer Unternehmer werden“,sagt er von sich. Bereits in der Oberstufemachte er sich selbstständig und halfHandwerkern bei Computerproblemen.Um seinen Betrieb führen zu können,musste er sich viel selbst beibringen undwälzte abends Bücher über Firmengrün-dungen, Steuern und Buchhaltung. AmWochenende besuchte er Kurse und Se-minare von Wirtschaftsverbänden, umseine Wissenslücken zu füllen.

Hätte es ihm damals geholfen, wennSelbstständigkeit ein Thema in derSchule gewesen wäre? „Ich habe in derSchule nichts darüber gelernt, was Un-ternehmer tun oder wie man ein Unter-nehmen gründet“, erinnert sich MarvinAndrä. „Das war gar kein Thema. Viel-leicht hätte es sogar geholfen, wenn inder Schule negativ über Unternehmergesprochen worden wäre – das hättemich unter Umständen zum Nachden-ken angeregt.“

Bange machen gilt nicht

Deutsche Schulbücher und Lehrer schrecken Schüler davon ab,Firmen zu gründen. In anderen Ländern machen sie Mut dazu

280 Möbelhäuser besitzt Ingvar Kam-prad. Der inzwischen 84-jährige Ikea-Gründer hat die Möbelwelt auf denKopf gestellt: Günstig wollte er sein,daher kaufte er früh bei Zu-lieferern in billigenLändern ein. Daherließ er Kunden Sofasselbst zusammenbau-en: Unmontiert lassensich die Dinge platz-und damit geldspa-rend lagern. Kampradselbst brachte seineIdee Reichtum: seinVermögen wird auf 30 Milliarden Frankengeschätzt.

CLUB DERVISIONÄRE (1)

Ingvar Kamprad hat dasBilly-Regal erfunden

Lehrer Lämpel ausWilhelm Buschs

„Max und Moritz“

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So greifen SchulbücherWirtschafts-themen auf

Page 3: KINDERLEICHT - familienunternehmen.de · Teller zusammenstellen können. Eine Art gesunde Fast-Food-Kette also. In New York gab es so was damals schon an jeder Ecke, wie Verena auf

NEUSEELÄNDER HABEN'S LEICHTER:

Hürden für Unternehmensgründer

QUELLE: WELTBANK

leicht mittel schwer

Zahl der erforderlichen Verwaltungsakte

Mindestdauer der Verwaltungsakte

Kosten der Verwaltungsakte (in Prozent des nationalen Pro-Kopf-Einkommen)

105Tage

15Tage1

Tag

Neusseeland Deutschland Haiti

0,4

4,8

212

1 9 212

T Deutschland schafft es iminternationalen Vergleich dergründerfreundlichsten Ländernur auf Platz 88

THOMAS HEUZEROTH

Günter Faltin machtseinen StudentenHoffnung, wann im-mer er nur kann: „Eswar noch nie einfa-cher, ein Unterneh-men zu gründen“,

sagt der Hochschullehrer von der FreienUniversität Berlin, der zahlreiche Exis-tenzgründer beraten hat. „Das kann heu-te eigentlich jeder, ohne viel Geld undFachwissen.“ Doch eines braucht es injedem Fall: eine gute Idee. Am besten ei-ne, die noch niemand vorher hatte.

Vor allem das Internet habe die Spiel-regeln neu geschrieben, sagt der Wissen-schaftler, der selbst auch Unterneh-mensgründer ist. Beispiel Handel: Werheute im Internet verkauft, kann dasweitgehend automatisch mit einer Soft-ware machen, einschließlich Abrech-nung, Nachbestellung und sonstige Bü-roarbeiten. Keine teure Büroeinrichtung,keine Personalsuche. Faltin: „Selbst der

reine Gründungsakt ist heute ein Kin-derspiel. Das war früher alles viel kom-plizierter und vor allem auch teurer.“

Es wird einfacher

Deutschland ein Paradies für Unterneh-mensgründer? Nicht ganz, heißt es in ei-ner aktuellen Studie, die von der Welt-bank, einer internationalen Entwick-lungsorganisation aus der amerikani-schen HauptstadtWashington, erar-beitet wurde. Un-ter 183 Ländernschafft es Deutsch-land nur in dieMitte, auf Platz 88.Am einfachsten istes, in Neuseeland eine Firma zu grün-den. Auch Australien, Kanada und Singa-pur gehören zu den Staaten, die ihrenGründern entgegenkommen. Nirgendwoanders geht es so unkompliziert zu.Während Neuseeländer und Kanadiersich nach nur einem Verwaltungsakt„Chef“ nennen können, sind in Deutsch-land im Durchschnitt neun Verwaltungs-akte erforderlich. Je nach Gewerbe kanndas hierzulande zu einem Irrlauf durchdie Institutionen werden: Finanzamt,Gewerbeamt, Kammer, Arbeitsamt, Sozi-alversicherung, Berufsgenossenschaft,Gesundheitsamt.

Im Grunde rühmen sich heute fast al-le Länder, ihren Unternehmensgründernmöglichst viele Steine aus dem Weg zuräumen. Tatsächlich haben in den ver-gangenen sieben Jahren drei von vierStaaten die Gründung erleichtert, imDurchschnitt dauert es heute 34 Tage,bis eine Firma loslegen kann. 2004 wa-

ren es noch fast 50 Tage. „Ein Unterneh-men zu gründen ist in allen Regionender Erde einfacher geworden“, heißt esdaher auch in der Weltbank-Studie.

Was natürlich nicht heißt, dass esüberall mit rechten Dingen zugeht. Nachwie vor lässt sich in vielen Ländern dieGründung lediglich mit „Speed Money“

– einem ziemlich beschönigendem Be-griff für „Bestechungsgeld“ – noch be-schleunigen.

Weltweit hat sich eine goldene Regelherausgebildet, die es den Politikern ein-fach macht, Gründer zu unterstützen: Jeschneller es geht, und je billiger es wird,desto eher melden sie eine Firma an. Dä-

nemark und Slowenien verlangen für dieAnmeldung überhaupt kein Geld mehr.In Deutschland immerhin haben „fast al-le Kommunen inzwischen Anlaufstelleneingerichtet, die den Gründern die Be-hördengänge abnehmen“, sagt JohannEekhoff, Präsident des Instituts für Mit-telstandsforschung (IfM) in Bonn.

Ein Euro reicht

Dass Gründer in Deutschland schnellerund günstiger zu Chefs werden, liegt vorallem an Großbritannien. Weil das Landdeutsche Gründer mit offenen Armenaufnahm, eilten sich die Politiker hierzu-lande vor zwei Jahren eine neue Unter-nehmensform einzuführen, die Bürgernbei der Firmengründung weniger Geld(„Stammkapital“) abverlangte. Man ei-nigte sich daher auf die „Unternehmens-gesellschaft (haftungsbeschränkt)“, dieseit der Einführung Ende 2008 zu einemgroßen Erfolg wurde. Heute gibt es mehrals 40 000 dieser Gesellschaften, dieumgangssprachlich als „Mini-GmbH“bezeichnet werden.

Während Gründer einer GmbH nachwie vor 25 000 Euro Stammkapital nach-weisen müssen, gibt es die eigene Unter-nehmensgesellschaft deutlich billiger:für einen Euro nämlich.

SchnellerChef werden Kosten und Zeit spielen beiGründern die größte Rolle

Trotz aller Erleichterungen kann

die Unternehmens-gründung in Deutsch-land immer noch zum

Irrlauf werden

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84 WAMS 19. DEZEMBER 2010 WSBE-VP2BELICHTERFREIGABE: -- ZEIT:::BELICHTER: FARBE:

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T Die Firma gehört denLeibingers. Vater Berthold hat dasUnternehmen groß gemacht,Sohn Peter und SchwiegersohnMathias leiten Geschäftsbereiche.Und sie alle hören auf die Tochter

eine Frauensache: Beim „Kinderleicht“-Interview saß auf der einen Seite des Ti-sches Nicola Leibinger-Kammüller, Vor-standschefin von Trumpf. Das Unterneh-men aus dem schwäbischen Ditzingen isteiner der weltweit führenden Herstellervon Werkzeugmaschinen. Auf der anderenSeite nahmen vier Schülerinnen der 10.Klasse am Ditzinger Gymnasium in derGlemsaue Platz: Melanie Ansel, 15, JaninaSchäuffele, 15, Lea Kübler, 15, und LisaEnd, 16. Redakteur Carsten Dierig, der dieMädchen zusammen mit seiner KolleginAnette Dowideit begleitete, war der einzi-ge Mann. Die Schülerinnen sind selbstUnternehmerinnen. Mit ihrer AG entwi-ckeln sie ein Jahr lang ein Produkt, lassenes herstellen und verkaufen es. Ihre Ge-schäftstüchtigkeit bewiesen die vier beimFototermin: Beim Posieren vor einerStanzmaschine gewannen sie Leibinger-Kammüller, die selbst vier Kinder hat, alsAnteilseignerin.

LISA: Haben Sie einen Privatjet?NICOLA LEIBINGER-KAMMÜLLER:Nein!

LEA: Warum verkaufen Sie nicht einenTeil der Firma und leisten sich einen?Das könnten wir, wenn wir wollten. Aberich halte es für wichtig, dass viel Geld inder Firma bleibt, damit wir sie weiterent-wickeln und vergrößern können. Abgese-hen davon denke ich, dass ich mit Linien-flugzeugen auch ans Ziel komme.

JANINA: Die Firma gehört ja nicht Ih-nen allein, sondern der Familie. Müs-sen Sie Ihren Vater fragen, bevor Sieetwas entscheiden?Wir haben verschiedene Rollen. Ich bindie Vorsitzende der Geschäftsleitung,mein Vater leitet den Aufsichtsrat. Der istdazu da, die Geschäftsleitung zu überprü-fen und zu kontrollieren – vor allem beiwichtigen Entscheidungen. Wenn wir zumBeispiel eine Firma kaufen wollen, müs-sen wir dieses Projekt dem Aufsichtsratvorstellen. Und nur, wenn wir das gut er-klären, sagen die Mitglieder Ja.

MELANIE: Läuft das dann so, dass Siebeim Sonntagsessen Ihren Vater fra-gen: Kann ich das so entscheiden?Nein. Aber ich frage ihn schon nach sei-nem Rat. Er ist ja älter als ich und hat –um bei dem Beispiel zu bleiben – schoneinige Firmen gekauft.

JANINA: Ist es Ihnen nicht peinlich, zuIhrem Vater zu gehen und zu sagen:Ich brauche Hilfe?Rat einzuholen heißt nicht, dass man sichhilflos fühlt und etwas nicht kann. Son-dern man erkennt an, dass jemand Erfah-rung hat. Ob ich den Rat annehme, ist janoch eine ganz andere Frage. Ihr fragt jaauch eure Freundin: Wie soll ich es ma-chen, ich hab Ärger mit dem Lehrer, oderder junge Mann da gefällt mir besondersgut. Oder? Aber ob ihr dann auch auf denRatschlag hört, ist eure Entscheidung.

MELANIE: Warum hat Ihr Vater vorfünf Jahren entschieden, dass Sie Che-fin werden und nicht Ihr Bruder?Oder mein Mann, der ja auch Ingenieurin der Firma ist. Um ein Unternehmenzu führen, braucht es mehr als techni-sches Wissen. Man muss vor allem gutmit Menschen umgehen können. Nehmtzum Beispiel Eure Lehrer und stelltEuch vor, wer von denen Schulleiter seinkönnte. Es gibt sicher viele, die fachlichgut sind. Aber um auf die Schüler einzu-

beziehung trennen. Im Zweifelsfall giltimmer: Die Firma geht vor.

MELANIE: Wirkt sich das auf das Le-ben daheim aus?Schon. Angenommen mein Mann will ei-ne Firma kaufen, zum Beispiel in Spanien,und ich würde sagen: „Komm, Mathias,die Firma passt nicht zu uns, und die Spa-nier könnten die nächsten sein, die unterden Rettungsschirm der EU müssen“ – dawäre der Abend weniger vergnügt.

schön, wenn ihr mehr Zeit hättet, auch füreuch selbst. Aber größtenteils schätzensie, was wir machen. Und unsere Tochter,die ist 13, findet es toll, dass ich die Firmaleite und nicht mein Mann.

LISA: Ist das komisch, die Chefin IhresMannes und Ihres Bruders zu sein?Das ist schon manchmal eigenartig, wennman mit jemandem verwandt ist undtrotzdem führen muss. Man muss ja zwi-schen Familienbeziehung und Geschäfts-

Und das geht natürlich nicht. Deshalbmuss man die Besten suchen, also dieje-nigen, die das erstens können und zwei-tens wirklich wollen und sich für das Un-ternehmen einsetzen. Denn unsere Firmaist keine Sozialstation, in der man alleFamilienmitglieder unterbringen kann.Die Firmeninteressen gehen vor. Bei unskann sich keiner tummeln, der meint: Ichheiß doch Leibinger oder Kammüller, al-so gehöre ich hier rein.

MELANIE: Wie wichtig ist es Ihnen,was die Leute von Ihnen denken?Wenn ich jemanden schätze, ist mir sei-ne Meinung über mich und meine Arbeitschon wichtig. Aber in meiner Positionkann ich mich nicht immer danach rich-ten, geliebt zu werden. In der Finanzkri-se mussten wir Kurzarbeit anmelden, wirhaben vorübergehend die Gehälter ge-kürzt. Da wusste ich, dass das vielen der8000 Mitarbeiter nicht gefallen hat.

JANINA: Mussten Sie wegen der Wirt-schaftskrise Mitarbeiter entlassen?Nein, wir haben es unter anderem dankder Kurzarbeit ohne Entlassungen inDeutschland geschafft. Von einigen Leih-arbeitern mussten wir uns allerdingstrennen. Auch das war nicht leicht.

LEA: Haben Sie das mit der Kurzar-beit den Mitarbeitern persönlich ge-sagt?Ja. Und das ist auch ganz wichtig. Wirhaben Betriebsversammlungen gemacht.Da kamen 800 bis 1000 Leute zusam-men, und wir haben es den Mitarbeiternerklärt. Viele von ihnen kenne ich ja auchpersönlich. Und wir haben die Führungs-kräfte und die Mitarbeiter auch immerwieder in kleinen Gruppen informiert.

JANINA: Können Sie bei so was amAbend vorher schlecht einschlafen?Ja, klar. Solche Entscheidungen zu tref-

fen, verursacht schlaflose Nächte. Ichweiß, wie es ist, wenn jemand Kinder hat,die Wohnung abbezahlen muss und soweiter. Man macht sich so eine Entschei-dung nicht leicht. Als Unternehmerschläft man so manches Mal schlecht.Wenn die Weltwirtschaft so wackelt wiezuletzt und man keine Aufträge hat, fragtman sich schon, wie es weitergeht.

LISA: Sie waren im Rat für Innovationund Wachstum bei Angela Merkel. Wa-ren Sie damals aufgeregt?Beim ersten Mal war ich schon ein biss-chen nervös. Ich hatte mich zwar vorbe-reitet, aber dachte: Um Himmels willen,hoffentlich kommen keine Fragen, die ichnicht beantworten kann! Aber ich habedann schnell gemerkt, dass sie gut zuhörtund ein offenes Wort auch einfordert.

LEA: Wir könnten nicht einfach zuKanzlerin gehen und sagen: Wir wol-len kleinere Klassen.Ja. Aber es gibt ja Schülerverbände, El-ternräte oder Lehrerverbände, die Zugangzur Politik haben, Eure Belange vertretenund euer Sprachrohr sind. In dem Fallaber wahrscheinlich eher beim baden-württembergischen Kultusministerium.

LISA: Haben Sie die Handynummervon Frau Merkel?Nein. Und ich würde mich auch nichttrauen, da einfach so anzurufen. Wenn essein muss, kann man kann ja über das Bü-ro um ein Telefonat bitten.

LEA: Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?Ich komme zwischen acht und halb neunin die Firma und stimme mich mit mei-nen Sekretärinnen ab. Dann habe ich Sit-zungen und Mitarbeitergespräche, meis-tens im Halbstundentakt. Ich arbeite sobis abends um acht, und danach habe ichoft auch noch etwas, eine Sitzung unse-rer Stiftung zum Beispiel. Und wenn ichabends keine Veranstaltung habe, nehmeich mir Unterlagen mit nach Hause undsetze mich an den Schreibtisch, gegen-über von meinem Mann. Er leitet bei unsden Werkzeugmaschinenbereich und ar-beitet dann auch noch. Manchmal reichtder Tag einfach nicht aus. Dann wünscheich mir mehr Zeit.

JANINA: Sind Ihre Kinder manchmalsauer, weil Sie so wenig zu Hausesind?Sie sagen manchmal schon, es wäre

JANINA: Und wie ist es bei Ihren Kin-dern? Sind die verwöhnt?Nein. Ich hoffe nicht. Wir bemühen unsjedenfalls, sie so normal wie möglich zuerziehen. Trotzdem erleben sie manchmalKommentare von Klassenkameraden, dieabfällig sagen: Ach, ihr seid ja reich. Dasist wenig angenehm.

LEA: Soll eines Ihrer Kinder spätereinmal Ihr Nachfolger werden?Wenn sie sich für die Arbeit in der Firmaentscheiden, würde mich das auf jedenFall freuen. Der Älteste ist 22 und studiertBetriebswirtschaft, der wäre sicher geeig-net. Aber auch den anderen traue ich daszu. Sie sind aber nicht alleine. Nicht nurich habe vier Kinder, bei meinem Bruderist es auch so. Meine Schwester hat zu-dem zwei – das wären schon zehn Chefs.

Ich wollte mal Journalistin werden, habeauch ein Praktikum bei einer Zeitung ge-macht und fand das ganz toll. Aber dannhabe ich festgestellt, dass die selbstständi-ge Tätigkeit viele Freiheiten gibt. Als Un-ternehmerin kann man viel bestimmen,entscheiden und damit gestalten.

LISA: Hat Ihr Vater bestimmt, dassSie in der Firma anfangen? Er sollsehr streng gewesen sein und Ihnenfrüher verboten haben, in die Discozu gehen.Er war tatsächlich streng, aber er hat mirnicht vorgeschrieben, dass ich in der Fir-ma mitarbeiten soll. Und er hat auchnicht verboten, dass wir in die Disco ge-hen. Ich fand das selber blöd. Zu laut unddieses komische Licht. Ich hab schon ganzfrüh lieber Bach und Mozart gehört.

LISA: Hat sich schon mal jemand überSie lustig gemacht und Ihnen vorge-worfen, dass Sie als Frau gar keine Ah-nung hätten?Lustig gemacht nicht, aber es kamenschon Fragen: Sie sind Sprachwissen-schaftlerin, was verstehen Sie vom Ma-schinenbau? Da halte ich gegen, dass ichmit dem Familienunternehmen aufge-wachsen bin. Mein Vater hat schon im-mer mit uns über die Firma und die Ma-schinen gesprochen. Außerdem habenwir Frauen den Vorteil, dass wir unstrauen zu fragen. Und das mache ich.Wenn ich etwas nicht verstehe, lasse iches mir noch mal erklären. Und wenn essein muss, auch noch mal.

LEA: Können Sie sich vorstellen, Ange-stellte oder Beamtin zu sein?

was wir als Unternehmen in so einer Kri-se tun können, ist, so gute Maschinenwie möglich zu entwickeln, uns in ver-schiedenen Ländern neue Kunden zu su-chen und unsere Mitarbeiter so gut wiemöglich auszubilden. Wenn wir das allestun, dann werden wir diese Krise wohlgut überstehen können.

MELANIE: Wenn die Firma pleitegeht, ist dann Ihr ganzes Geld weg?Ja. Weil wir Gesellschafter sind und unserGeld nun mal in der Firma steckt. Abernoch mal: Es sieht gar nicht danach aus!Im Gegenteil: Zum Glück verkaufen wirunsere Maschinen im Moment sehr gut.

LEA: Die meisten, die im Maschinen-bau was zu sagen haben, sind Männer?Ja.

JANINA: Haben Sie Angst, dass IhreFirma pleitegehen könnte? Im Mo-ment gehen ja ganze Länder bankrott.(seufzt) Nein. Die politische Lage istschon beunruhigend. Aber wir haben kei-ne Schulden bei Banken und sind deswe-gen nicht von ihnen abhängig. Und ichkann mir nicht ständig den Kopf überden Euro zerbrechen – den kann ich oh-nehin nicht beeinflussen. Das Einzige,

gehen und auf die Lehrer, die Eltern unddann noch auf das Ministerium, dabraucht es viel mehr.

LISA: Wann ist man ein guter Unter-nehmer?Man muss unter anderem schnell ent-scheiden können. Wenn man so veranlagtist, immer hin und her zu überlegen, dannist man weniger geeignet. Man muss eineEntscheidung treffen, sie erklären könnenund dann auch dazu stehen. Auch bei un-bequemen Entscheidungen. Und manmuss die Kritik aushalten können.

MELANIE: Müssen Sie sich denn jetztbesonders beweisen, weil Sie die Che-fin geworden sind?Als Tochter eines erfolgreichen Vatersmuss man sich immer beweisen.

Nicola Leibinger-Kammüller

(großes Foto, 2.v.l.) stellt sich

am Firmensitz des Maschinen-

bauers Trumpf den Fragen von

vier Schülerinnen: Lisa End,

Janina Schäuffele, Lea Kübler

und Melanie Ansel (v.l.).

Die 10. Klasse des Ditzinger

Gymnasiums in der Glemsaue

(unten) hatte das Gespräch

gemeinsam vorbereitet

„Man mussschnellentscheidenkönnen“

„Ich wünschemir mehrZeit“

Maschinenbau ist Männersache? Nicht bei Trumpf. Das Unternehmen ist fest inFamilienhand – und die Chefin ist eine Frau: Nicola Leibinger-Kammüller

„Disco fand ich blöd und zu laut“

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Er war Tischlermeister und Spielzeugmacher in Dänemark und hatte eine Idee: Damitdie Klötzchen beim Stapeln nicht rutschen, fräste Ole Kirk Kristiansen Noppen hinein.1949 entstand der erste Legostein aus Kunststoff, 1958 bekam das Familienunternehmenein Patent darauf. Immer wieder gab es Streit mit anderen Firmen, die die Steinchennachahmten – das Problem vieler guter Ideen, die relativ einfach auch von anderenherzustellen sind. Lego hat sich früh ganze Spielwelten einfallen lassen, um sich von derKonkurrenz abzusetzen. Die Bausätze aus denbunten Klötzchen gehören bis heute zu den be-liebtesten Kinder-Weihnachtsgeschenken, sagtder Fachhandel. Zu den Produkten, von denenLego nach eigenen Angaben gerade am meistenverkauft, gehören das Harry-Potter-Schloss Hog-warts – und ein Lastwagen mit Kipp-Container.

CLUB DER VISIONÄRE (2)Ole Kirk Kristiansen hat die Legosteine erfunden

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Das zeigen die Zahlen der größtenKonzerne in Deutschland. Von den 30Unternehmen, die im Deutschen Aktien-index Dax notiert sind, gehören 26 einergroßen Gruppe von Aktionären, alsonicht mehrheitlich einer Familie. Sie ha-ben von 2006 bis 2008 die Zahl ihrer Be-schäftigten in Deutschland um ein hal-bes Prozent gesenkt. Im gleichen Zeit-raum haben die 500 größten Familien-unternehmen ihre Mitarbeiterzahl umvier Prozent erhöht.

Wie eine Familie ein Unternehmenohne Kündigungen durch Jahrzehnteführt, zeigt das Beispiel von Otto Bockim niedersächsischen Duderstadt. Das

Hülsta von Herrn Dieks, der jetzt schonin dritter Generation der Familie gehört,sind viele Familienbetriebe in Deutsch-land langfristig orientiert. Die Eigentü-mer denken in Jahren, Jahrzehnten undvielleicht sogar Generationen. Bei Kon-zernen, deren Aktien an der Börse ge-handelt werden, ist das anders. Die Ma-nager müssen alle drei Monate Zahlenüber Umsätze, Aufträge und Gewinneveröffentlichen. Das zwingt sie zuschnellen Erfolgen. Gehen die Aufträge,müssen sie schnell auch die Kosten sen-ken, damit sie keine Verluste machen.Viele Manager sparen an den Personal-kosten, indem sie Mitarbeiter entlassen.

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Abgezeichnet von: Abgezeichnet von:

W E LT A M S O N N TA G N R . 5 1 1 9 . D E Z E M B E R 2 01086 KINDERLEICHT

T Mehr als die Hälfte allerBeschäftigten im Land arbeitenin einem Familienunternehmen –dort entstehen neueArbeitsplätze, währendGroßkonzerne Stellen abbauen

T Wer für seine Angestelltenverlässlich ist, der kann in Zeitendes Fachkräftemangels punkten:Die Firmen sind begehrteArbeitgeber

INGA MICHLER

Ludger Dieks ist Chauf-feur. Er holt mich amFlughafen in Düsseldorfab, um mich zu seinemChef zu fahren. Galantöffnet er die Tür zu sei-nem Mercedes der E-

Klasse. Das ist natürlich nicht sein Mer-cedes. Er gehört „der Familie“, wie Lud-ger Dieks sagt. Damit meint er die Fami-lie Hüls, die seit Generationen den be-kannten Möbelbauer Hülsta im Münster-land führt. Die mag Ludger Dieks sehrgern. Warum, das erzählt er, währendwir durch Westfalen fahren.

„Feine Menschen sind das“, sagt Dieksüber die Hüls’. Er muss es wissen. Schonseit Jahrzehnten fährt er die Familie,sitzt oft mit bei ihnen am Tisch. Mit 18Jahren trat er in den Dienst des altenHüls. Für ihn und seine Mutter war dasdamals der Rettungsanker. Denn der Va-ter, der in der Möbelfabrik arbeitete, wartödlich verunglückt. Der alte Hüls kampersönlich zum Trauerbesuch, versprachLudgers Mutter, dem Sohn Arbeit zu ge-ben – ein Leben lang. Der alte Hüls istinzwischen tot. Herr Dieks fährt nundessen Söhne und Gäste der Familie.

Die Geschichte von Ludger Diekszeigt, was oft gut funktioniert in Famili-enunternehmen. Häufig gibt es eine engeBindung zwischen Firma und Mitarbei-tern. In Deutschland wird die ganz großeMehrzahl der Unternehmen von Famili-en geführt. Einer neuen Studie im Auf-trag der Stiftung Familienunternehmen

zufolge werden 93 Prozent aller Firmenim Land von Familien kontrolliert – dasheißt, sie gehören zu mindestens derHälfte ein bis drei Familienmitgliedern.Mehr als jeder zweite Beschäftigte (54Prozent) arbeitet in einem Familienun-ternehmen. Allein bei den 500 größtenFamilienunternehmen arbeiteten 2008gut 2,2 Millionen Menschen.

Viele dieser Firmen sind besondersverlässlich für ihre Angestellten. Sie ste-hen auch Krisenzeiten mit Gewinnein-brüchen durch, ohne sofort viele Mitar-beiter zu entlassen. Ein wichtiger Grunddafür ist der langfristige Blick von Fami-lienunternehmern. Wie der Möbelbauer

Unternehmen mit über 4200 Mitarbei-tern ist Weltmarktführer im Bau vonProthesen. Die elektronisch gesteuertenArme und Beine „made in Germany“helfen Kriegsveteranen in aller Welt.Stützapparate aus Duderstadt kommenbei Spätfolgen von Kinderlähmung zumEinsatz. Das Unternehmen ist zudem ei-ner der wichtigsten Sponsoren der Para-lympics, der Olympischen Spiele fürSportler mit Behinderung.

Der Chef heißt Hans Georg Näder. Erführt die Firma in dritter Generationund hat sie groß gemacht. Ich treffe ihnin seinem Berliner Büro am PotsdamerPlatz. Aus großen Fenstern kann manweit über die ganze Stadt schauen. Inden ersten Minuten des Gesprächs wirktder Mann mit dem grauen Wuschelkopfzurückhaltend, beinahe schüchtern.Dann redet er sich warm, lässt sich tra-gen von seiner Begeisterung für Technikund für Menschen. Er berichtet vomLeichtathleten Heinrich Popow und be-ginnt zu schwärmen: „Der Mann zeigt:Du kannst alles schaffen, wenn du dichnur anstrengst.“ Popow war gerade neunJahre alt, als ihm das linke Bein ampu-tiert werden musste. Seinen Traum,Sportler zu werden, gab er trotzdemnicht auf. Bei den Paralympics in Pekinggewann er die Silbermedaille im 100-Me-ter-Lauf – mit einer Prothese, die vonOtto Bock gefertigt wurde.

Das scheinbar Unmögliche möglichmachen, das versprach Näder auch sei-nen eigenen Mitarbeitern in Deutsch-land. Während andere Unternehmen ei-nen großen Teil ihrer Produktion insAusland verlagerten, sagte Näder im Jahr2006 zu, seine Werke in Duderstadt undKönigsee sogar noch auszubauen. AlsGegenleistung sollten die rund 2000 Be-schäftigten künftig 42 statt bisher 40Stunden in der Woche arbeiten – ohneLohnausgleich. Der Pakt funktionierte.Näder investierte zweistellige Millionen-beträge und steigerte die Zahl der Mitar-beiter sogar, während andere FirmenKündigungen schrieben.

Verlässlichkeit für seine Beschäftigtenist nicht nur für Hans Georg Näder einwichtiges Pfund. Spezialisierte Fachkräf-te werden in Deutschland immer knap-per. Nach Schätzungen des VereinsDeutscher Ingenieure (VDI) fehlen lan-

desweit allein 66 000 Ingenieure. Es gibtimmer mehr Alte und immer wenigerNachwuchs im Land. Schon bald werdensich gut ausgebildete Gesellen und Aka-demiker ihren Arbeitgeber aussuchenkönnen. Familienunternehmen habendann einen entscheidenden Vorteil: An-ders als große Konzerne sind sie ohneImageschaden durch die Wirtschaftskri-se gekommen. Bei Umfragen in der Be-völkerung gelten sie als krisenfest undals verlässliche Arbeitgeber.

Kein Wunder, dass einer Studie derStiftung Familienunternehmen zufolgeimmerhin 31 Prozent der Deutschen einehohe Meinung von Unternehmern ha-ben. Die Manager von Konzernen wer-den dagegen nur von 17 Prozent geach-tet. In der Theorie können sich immer-hin 60 Prozent der Erwerbstätigen vor-stellen, einmal selbst Unternehmer zuwerden, sich also selbstständig zu ma-chen. Nur die wenigsten setzen diesenWunsch dann aber auch in die Tat um.Nach Zahlen des Statistischen Bundes-amtes sind nur 9,5 Prozent der Erwerbs-tätigen ihr eigener Chef. Ein Unterneh-men mit eigenen Beschäftigten führensogar nur 4,3 Prozent der Menschen imLand, also nicht mal jeder Zwanzigste.

Da bleibt für findige Gründer mit gu-ten Ideen allemal noch Platz, ihr eigenesFamilienunternehmen aufzubauen. MitGlück und Geschick schaffen sie heuteeine Marke von morgen. Schließlich ha-ben auch die Familien Hüls oder Leibin-ger oder so bekannte Unternehmer wieHaribo-Gründer Hans Riegel oder derErfinder von Playmobil, Horst Brand-stätter, einmal klein angefangen.

Chefs mit

AusdauerNeun von zehn deutschen Firmenwerden von Familien geführt. Bei ihren Mitarbeitern sindFamilienbetriebe beliebt

CLUB DERVISIONÄRE (3)

Levi Strauss hat dieBluejeans erfunden

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Die Jeans, 1873 als grobe Arbeitshosepatentiert, brachte Levi Strauss endlichGlück. Lange hatte er es hartnäckiggesucht: als Auswanderer aus demfränkischen Buttenheim, wo er 1829 alsLöb Strauß geboren worden war. Dassdie Jeans alltagsfein wurde, hat LeviStrauss nicht mehr erlebt: Das geschaherst in den 60er- und 70er-Jahren.

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Familienunternehmerin kapert

Großkonzern: Gegen den W

illen

des dortigen Managements übernahm

Maria-Elisabeth Schaeffler im Jahr

2009 den Reifenbauer Continental

Vater der Playmobil-Männchen:

Horst Brand-stätter führte

die kleinen Plastikfiguren

zum Welterfolg

Unternehmerin des Jahres 2010mit mehr als 100 Angestellten:Alexandra Knauer baut wissen-schaftliche Geräte in Berlin

Quadratisch, praktisch, gut: Alfred Ritter führt den Schokoladenfabrikanten in dritter Generation

Haribo machtKinder froh.Und den 87-jährigen Fir-

menchef eben-so: Hans Riegel

denkt nochnicht ans Auf-

hören

Page 6: KINDERLEICHT - familienunternehmen.de · Teller zusammenstellen können. Eine Art gesunde Fast-Food-Kette also. In New York gab es so was damals schon an jeder Ecke, wie Verena auf

1957 läuft der Trabant P50 vom Band.Er ist dank der Karosserie aus Harz undBaumwolle leicht und rostresistent.

1959 kommt eine modernere Variante,der Trabant 500 kommt auf den Markt.

1963 erhält der Trabant in der Version600 mehr Hubraum. Er hat jetzt 23 PS.

1964 folgt der längere, aber zugleichleichtere Trabant 601.

1968 bekommt der Trabi drei PS hinzu.Weitere Verbesserungen scheitern anpolitischem Widerstand oder wirt-schaftlichen Schwierigkeiten.

1991 wird der letzte Trabi produziert.

Das DDR-Auto Trabant blieb in den 60er-Jahren stehen

Die Trabi-Modelle P 600 (links, mitDachzelt) und P 50

Das 26-PS-Auto

Bär 55PB hieß der erste Stoffbär der Margarete Steiff GmbH – 55 cm groß, aus Plüsch und beweglich.1902 war das – und der Markt für Stofftiere ein sehr kleiner. Ein amerikanischer Einkäufer aber istentzückt. Er bestellt 3000 Stück, und so beginnt der weiche Bär mit der Eroberung der Welt. Dass erTeddy heißt, verdankt er dem damaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt. Um sich vor Nach-ahmern zu schützen, entwickelt die Firma den Kopf im Ohr ihrer Stofftiere, das Markenzeichen bisheute. Margarete Steiff, die Gründerin, hat sich ihren Erfolg hart erkämpft: Seit sie als Mädchenkrank war, sind ihre Beine gelähmt, ihren rechten Arm kann sie nur unter Schmerzen bewegen.

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Margarete Steiff hat das Plüschtier erfunden. Es wurde nach einem US-Präsidenten benannt

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T Der Trabi war ein schlechtesAuto – weil der Hersteller in derDDR nie gezwungen war, einbesseres zu entwickeln

FLORIAN RINKE

Als sich nach dem Mau-erfall die Grenze nachWestdeutschland öff-nete, knatterten balddie Zweitaktmotorender ostdeutschen Tra-bis über die Straßen.

Für die Ostdeutschen, die ihr Land jah-relang kaum verlassen konnten, war daseine aufregende Fahrt. Endlich konntensie wieder Verwandte und Freunde besu-chen, endlich Köln, München oder Ham-burg besichtigen. Doch viele Westdeut-sche lachten über die Trabis, machtenWitze und nannten sie „Plastikbomber“,weil ihre Karosserie aus Kunststoff war.

In Westdeutschland gab es viel mehrAutohersteller, und die hatten über dieJahre bessere Autos entwickelt. Wennder eine Autohersteller etwas Neues er-fand, dann versuchte der andere, bei sei-nem nächsten Fahrzeug wieder etwasbesser zu machen. In der DDR gab esdiese Konkurrenz nicht – und damitauch keinen Antrieb für den Hersteller,das Auto besser zu machen. Der Trabi istein Beispiel dafür, was passiert, wenn eskeine Unternehmer gibt.

Das verlorene Gefühl für Geschmack

Für Karl-Heinz Paqué ist das eineschlimme Vorstellung. Er ist Wirt-schaftswissenschaftler und leitet das In-stitut für internationale Wirtschaft ander Universität in Magdeburg. In seinemBuch „Die Bilanz“ hat er die deutscheEinheit untersucht. Das Ziel der sozialis-tischen Planwirtschaft in Ostdeutsch-land sei Technik ohne Unternehmertumgewesen, schreibt Paqué. Dadurch seiviel Schaden angerichtet worden, denndas Unternehmertum sei dadurch ver-schwunden: „Ein Unternehmer setztneue Ideen in Produkte um, die er dannauf nationalen Märkten anbietet oder in-ternational vertreibt.“ Ohne Unterneh-mertum könne es auf Dauer keinen Fort-schritt geben, so seine These.

Es heißt ja nicht umsonst „Konkur-renz belebt das Geschäft“. In der DDRwar dies jedoch nicht gewollt. Außerdem Trabi gab es nur noch Wartburg.Am Anfang waren die beiden Modelle

auch gar nicht schlecht, sie konnten mitden westdeutschen Autos locker mithal-ten. Doch je länger die Mauer zwischenWest- und Ostdeutschland stand, destogrößer wurden die Unterschiede. Im Os-ten wurden die Autos kaum weiterentwi-ckelt. Da es keine Auswahl gab, konntendie Leute ja sowieso nur diese Wagenkaufen. „Und irgendwann verliert dieBevölkerung ihr Gefühl für Geschmack“,sagt Paqué, der von 2002 bis 2006 FDP-Finanzminister in Sachsen-Anhalt war.Auch die Unternehmer verlernten ohneKonkurrenzsituation vieles, was sie vor-her konnten: „Die Menschen richten sichim System ein, weil der scharfe Wind desWettbewerbs fehlt. Man vergisst einfach,sich anzustrengen, weil man nicht Teildes marktwirtschaftlichen Lebens ist.“

Talente brauchen Förderung

Auch in vielen anderen Ländern gab essozialistische Planwirtschaft: In Polen,Tschechien oder Ungarn seien ähnlicheEntwicklungen zu beobachten. Auch beider tschechischen Automarke Skoda ver-

ebbten mit dem Einzug der Planwirt-schaft Fortschritt und Unternehmer-geist. Zwar ist die Marke inzwischenwieder sehr erfolgreich. „Skoda ist heuteaber auch VW. Da ist nichts mehr drinvon Skoda, obwohl sie jahrzehntelangtechnisch führend waren“, sagt Paqué.

Den Herstellern des Trabis bliebebenfalls irgendwann nichts anderes üb-rig, als ihre Motoren auszutauschen undauf die Motoren des VW-Polo zu setzen.Dabei gab es viele gut ausgebildete Inge-nieure in der DDR. Doch es fehlten dieUnternehmer, die diese Talente weckten.Für Paqué ist dies der Grund, warum dieWirtschaft im Osten zugrunde ging: „Eswar das fruchtbare Zusammenspiel zwi-schen unternehmerischer Initiative undtechnischem Fortschritt, das uns immerwirtschaftlich vorangebracht hat.“

Dass im Osten nach und nach diebreite Produktpalette verschwand, führ-te zu Problemen, als die Grenzen geöff-net und Deutschland wiedervereinigtwurde. Plötzlich mussten ostdeutscheProdukte wieder mit anderen konkurrie-ren – mit Waren aus Westdeutschland,Japan, den USA und dem Rest der Welt.„Es fehlte jedoch einfach die Fähigkeit,diese Produkte auf dem Weltmarkt an-zubieten. Man lebte ja lange wie untereiner Käseglocke“, sagt Paqué.

Krisen brauchen Unternehmer

Das Schlimmste, was abgeschottetenMärkten passieren kann, sei eine Krise inder benachbarten Marktwirtschaft. InKrisen kommt es nämlich immer zuNeuordnungen. Wie Anfang der 70er-Jahre, als die westliche Welt eine Ölkriseerlebte, weil die arabischen Staaten we-niger Öl lieferten. Plötzlich wurde Ben-zin knapp und daher teurer. Die Leutewollten aber weiter Auto fahren – undkauften Wagen, die weniger Benzin ver-brauchten. „Die Unternehmer haben ih-re Produkte systematisch umgestellt“,sagt Paqué: „Diesen Prozess hat der Os-ten nicht mitgemacht. Er ist einfach aufseiner alten Technik sitzen geblieben.“

Auch Rotkäppchen Sekt hat das erlebt.Plötzlich konnten Kunden wechseln zuMumm, Henkell Trocken oder Freixenetstatt wie bisher immer nur die DDR-Marke zu kaufen. Rotkäppchen verkaufte1990 nur noch knapp sieben MillionenFlaschen. Ein Jahr vorher waren es dop-pelt so viele. In der DDR war das Unter-nehmen sicher, nun musste es sich mitden anderen Marken messen. „Der Un-ternehmer in Ostdeutschland war nachdem Mauerfall ja nicht zu blöd, er hatte

nur einfach keine konkurrenzfähigenProdukte, die er anbieten konnte.“ Rot-käppchen Sekt gelang es schließlich, sichzu behaupten – dank beherzter Unter-nehmer: Der angestellte Geschäftsführerstieg als Teilhaber ein, andere folgten.

Zum ersten Mal machte RotkäppchenWerbung, investierte in neue Produkte,kaufte eine Abfüllanlage für Piccolo-Fla-schen. Mit Erfolg: Zehn Jahre späterübernahm Rotkäppchen die Konkurrenz-marke Mumm. Das Beispiel zeigt, dass

der Unternehmergeist in den Osten zu-rückkehrt. „Man merkt, dass heute dieInnovationskraft wieder langsam ent-steht“, sagt Paqué. Für den Trabi aller-dings kam das zu spät. Der letzte rollteam 23. April 1991 vom Band.

Wo kommt der Fortschritt her? Technische Entwicklung braucht den Wettbewerb – und den gibt nur, wenn es Unternehmer gibt

Weihnachtsmann imTrabi: Heute ist der Wagen nur noch für originelle Auftritte gut

DDP IMAGES/DAPD/HARALD TITTEL

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Page 7: KINDERLEICHT - familienunternehmen.de · Teller zusammenstellen können. Eine Art gesunde Fast-Food-Kette also. In New York gab es so was damals schon an jeder Ecke, wie Verena auf

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T Die Eltern waren erfolgreicheUnternehmer. Doch irgendwannkonnte die kleine Brauerei aus derRhön nicht mehr mithalten mitden großen Braukonzernen undihrem Millionenmarketing

T Peter Kowalsky kennt sowohlGelingen als auch Scheitern vonzu Hause. Und noch eines hat ergelernt: Man muss hart arbeiten –aber ein bisschen Glück gehörtauch dazu. Wie bei Bionade

ILEANA GRABITZ

Es gab Zeiten, sagt Peter Kowalsky, dahabe er sich jeden Gang ins Dorf gutüberlegt: An jeder Ecke in dem 3500-Ein-wohner-Ort Ostheim vor der Rhön schie-nen sie ihm, dem Sohn der ortsansässi-gen Brauereifamilie, aufzulauern: „Egalob beim Handwerker, beim Bäcker oderbeim Tankstellenbesitzer – überall hat-ten wir Schulden“, erinnert er sich. „Undsobald einer von uns in die Stadt ging,wurden wir angesprochen, wo denn dasGeld blieb.“ Wie ein Spießrutenlauf musses gewesen sein, und am schlimmsten,sagt Kowalsky, war es in der Weihnachts-zeit – wenn die Kaufleute ihre Jahresab-rechnung machen und wenn jeder selbstGeld brauchte, um Geschenke für die Fa-milie zu kaufen. Da konnte selbst der ge-duldigste Gläubiger recht ungemütlichwerden.

Auch jetzt nähert sich Weihnachten,aber mit solchen Sorgen muss sich derMann mit dem krausen Schopf und denstahlblauen Augen heute nicht mehr her-umplagen: 42 Jahre alt ist er inzwischen,verheiratet, Vater einer 13-jährigen Toch-ter – und in vielen Gegenden Deutsch-lands bekannt als einer, der trotz vielerWidrigkeiten an eine unternehmerischeIdee geglaubt und die Kultbrause Biona-de groß gemacht hat. Noch Ende der90er-Jahre kannte kaum jemand das Er-frischungsgetränk, das wie Bier gebrautwird, aber keinen Alkohol enthält und inGeschmacksrichtungen wie Quitte, Ho-lunder oder Kräuter zu haben ist. Heutekann man die Flaschen mit dem blau-weiß-roten Kronkorken in vielen Städtenlandauf und landab kaufen. Im Jahr 2008wurden 160 Millionen Flaschen diesesGetränks unter die Leute gebracht. ImVergleich zum Weltkonzern Coca-Cola,der den deutschen Markt pro Jahr mitMilliarden Pullen flutet, ist das natürlichein Klacks. Für einen kleinen Betrieb istdas eine beträchtliche Menge.

Krise in der Brauerei

Dass Kowalsky einmal so erfolgreich seinwürde, hätten ihm wohl die wenigstenseiner Schulkameraden zugetraut – zugroß waren die Probleme der Peter-Brau-erei, die schon seit mehr als 180 Jahrenim Familienbesitz ist und Kowalskys El-tern, seinen Großeltern und sogar schonseinen Urgroßeltern ein gutes Leben er-möglicht hatte. Der Mann, der noch im-mer sehr jungenhaft aussieht, kann sichnoch gut an sorglose Zeiten erinnern, alsder elterliche Betrieb gut lief: Als erfolg-reiche Unternehmer waren seine Elternüberall gern gesehene Gäste – „daherwurden wir sehr oft zu Festen eingela-den“, erinnert sich Kowalsky, „für michals Kind war das toll.“

Wer erfolgreich ist, heißt es ja nichtohne Grund, hat viele Freunde. Dass sichdas manchmal schlagartig ändert, wenndas Geschäft mal nicht so gut läuft,mussten auch die Kowalskys erfahren.Denn je älter Peter und sein Bruder wur-den, desto größer wurden auch die Pro-bleme der Brauerei. Das hatte auch damitzu tun, dass einige große deutsche Bier-hersteller wie etwa Krombacher viel Geldausgaben, um im Fernsehen Werbung fürihre Produkte zu machen. Die kleine Pe-

ter-Brauerei konnte da nicht mithalten.Und so verloren viele Kunden der Kowal-skys plötzlich das Interesse an dem Bieraus der fränkischen Provinz.

Was für die Verbraucher nicht mehrals eine Modeentscheidung war, wurdefür Peter Kowalsky und seine Familieschnell zu einer Bedrohung ihrer Exis-tenz. Weil sie immer weniger Bier ver-kaufen konnten, fehlte ihnen das Geld,um ihre Rechnungen zu bezahlen. Umtrotzdem den Alltag zu bestreiten, mach-ten sie Schulden über Schulden undsuchten händeringend nach alternativenVerdienstmöglichkeiten, um die finan-ziellen Löcher zu stopfen – ein täglicherKampf, der viel Kraft kostete.

Dass Kowalsky heute entspannt lä-chelnd in dem Haus seiner Kindheit sit-zen kann und gemeinsam mit seinerMutter und seinem Bruder Millionen Ge-tränkeflaschen quer durch ganz Deutsch-land verschickt, zeigt, wie wechselhaftein Unternehmerleben sein kann. Wienah Auf und Ab manchmal beieinanderliegen. Wie schnell einer aufsteigen kann– und wie schnell einstiger Erfolg auchwieder verfliegt.

Rettung durch Innovation

Dass er heute ist, wo er ist, hat Peter Ko-walsky vor allem seinem Stiefvater Die-ter Leipold zu verdanken: Schon in den80er-Jahren, als Bioprodukte nur verein-zelt in den Läden zu finden waren, hatteder zweite Mann seiner Mutter die Idee, eine chemiefreie Limonade aus na-türlichen Zutaten zu brauen und so derBrauerei eine neue Perspektive zu ver-schaffen. Mehr als zehn Jahre lang tüftel-te der Erfinder an dieser Idee – bis 1996die erste Bionade in der eigenen Brauereiabgefüllt werden konnte.

Der Erfinder hatte seine Arbeit getan,aber nun waren Peter Kowalsky und sei-

ne Mutter dran: Ohnewirklich genau zu wissen,wie man ein neues Pro-dukt am besten verkauft,zogen die beiden los, umihre neue Ware anzuprei-sen. Einfach war das

nicht gerade: Zu Beginn ernteten sie oftverständnislose Blicke von den Geträn-kehändlern, als sie ihre Getränke anbo-ten. Eine Biobrause, dachten die wohl,wo es doch Fanta, Sinalco und Sprite gibt– wer braucht das schon? Kowalsky undseine Mutter glaubten trotzdem an dieIdee des Mannes/Stiefvaters, und dassollte sich auszahlen. Beharrlichkeit

braucht man als guter Unter-nehmer schon: Zehn Jahrelang zogen sie durch dasLand und redeten sich denMund fusselig. Irgendwannkonnten sie den Besitzer ei-

ner Hamburger Szenebarüberzeugen. Dessen Kunden

waren begeistert, erzählten ih-ren Freunden und Kollegen da-

von – und die Glückssträhne derKowalskys begann. Auch dank der

Tatsache, dass sich später Rhön-sprudel, ein anderer Getränkeher-

steller aus der Umgebung, an Biona-de beteiligte, konnte das Unternehmen

in den kommenden Jahren mächtigwachsen.

Arbeiten, wenn die anderen feiern

„Zehn Jahre der belächelte Spinner zusein, der schräge Geschichten erzählt,war nicht schön“, sagt Kowalsky imRückblick auf die schwierigen Anfangs-jahre. Dass er trotzdem weitermachte,habe „auch etwas mit dem Glauben andie eigene Idee und natürlich mit Selbst-bewusstsein zu tun“, meint er. Wie vieleUnternehmersprösslinge lernte auch ervon Kindesbeinen an, dass hartes Arbei-ten einfach dazugehört und dass mannicht bei jedem Problem den Kopf in denSand stecken darf: Kowalskys Eltern wa-ren tagaus, tagein mit der Brauerei be-schäftigt, sie ernährte ja die gesamte Fa-milie. Da war es nur selbstverständlich,dass auch Peter und sein drei Jahre jün-gerer Bruder Stephan anpackten, wo undwann immer Hilfe benötigt wurde.

In den Schulferien, wenn ihre Schulka-meraden in den Urlaub fuhren, halfen dieJungs dabei, Flaschen zu sortieren undKisten zu schleppen. Und als später dasGeld in der Familie knapp wurde, ver-brachten die beiden Brüder jede freie Mi-nute in der Dorfdisco – aber nicht mitTanzen: Mutter und Stiefvater hatten dasLokal auf der Suche nach neuen Einkom-mensquellen gegründet. „Unsere Schul-kameraden kamen zum Trinken, wir ha-ben gearbeitet“, sagt Kowalsky. „Für unswar das völlig normal.“

Harte Arbeit gehört genauso dazu wiedas Festhalten an einer Idee, resümiertder Mann im gestreiften, sauber gebügel-ten Hemd. „Aber auch ein bisschenGlück kann sehr hilfreich sein“, sagt er.Keiner hätte voraussehen können, dassder Bioboom gerade dann einsetzte, alser und seine Familie mit Bionade an denMarkt gingen. „Wir kamen genau zumrichtigen Zeitpunkt, um das Marktpoten-zial auszuschöpfen.“

Garantiert ist gar nichts

Ein paar Jahre lang ging es für die Kowal-skys nur noch bergauf, doch im Alltagmuss der junge Unternehmer immer wie-der erfahren, dass unternehmerischer Er-folg keine Selbstverständlichkeit ist undjeden Tag aufs Neue verdient werdenmuss. So versuchen immer mehr Geträn-kehersteller, den Erfolg von Bionadenachzuahmen. Die Konkurrenz ist alsostark gewachsen. Nach einer kräftigenPreiserhöhung im Jahr 2008 wandtensich außerdem etliche ehemalige Biona-de-Fans von dem Getränk ab – das allessind Probleme, die Peter Kowalsky nichtabstreitet. Er will sie allerdings auchnicht überbewertet sehen. „Rückschlägegehören dazu“, sagt er offen. „Wir wuss-ten immer, dass der gigantische Erfolgs-kurs der vergangenen Jahre nicht derNormalzustand ist.“

Trotz der Widrigkeiten hat sich Kowal-sky auch für die nächste Zukunft einigesvorgenommen: Vor einem Jahr holten erund die Bionade-Miteigentümer die vielgrößere Radeberger Gruppe an Bord, diezum Oetker-Konzern gehört, und grün-deten ein Gemeinschaftsunternehmen.Bionade ist darin der kleinere Gesell-schafter – hat sich aber zum Ziel gesetzt,das Getränk auch in anderen Ländern zueinem Erfolg zu machen.

Das Aufund Abgehörtdazu Peter Kowalsky kommt aus einerBrauerfamilie, die einmalfast pleite war. Da erfand sieein neues Getränk. Nur wolltedas am Anfang niemand haben

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Peter Kowalsky mitden Produkten, dieihm und seiner Fami-lie den Erfolg zu-rückbrachten

Chefredakteur: Jan-Eric PetersRedaktion: Anette Dowideit, Florian Eder,

Olaf Gersemann (ViSdP), Daniel ZwickCreative Director: Brian O’Connor

Layout: Anika Grebe, Manfred Pollmann,Diemo Schwarzenberg

Infografik: Karin SturmAnzeigen: Philipp Zwez (ViSdP),

Stefanie Scheuer([email protected])

IMPRESSUM

Nun, ob Marc Zuckerberg wirklichFacebook so richtig erfunden hat, istAnsichtssache. Zumindest hat er sichauch von anderen anregen lassen. Aberer hat das Unternehmen offiziell ge-gründet. Das war 2004. Zuckerbergwar 19 Jahre alt und Student an deramerikanischen Harvard-Universität.Zwei Jahre später brach er sein Studi-um ab. Anfänglich durften nur Studen-ten Facebook nutzen. Über eine In-

ternetseite tauschten sie Informationendarüber aus, was sie gerade machtenund planten. Später öffnete Zuckerbergsein soziales Netzwerk auch für Nicht-Studenten. Jeder durfte nun mitma-chen, Fotos veröffentlichen und Nach-richten an Mitglieder versenden. DieNutzerzahl wuchs schnell. Heute sindes bereits mehr als eine halbe MilliardeMenschen. Nur Google und Microsoftziehen weltweit mehr Nutzer an alsFacebook. Alle Welt wartet nun aufeinen Börsengang des Unternehmens.Denn bisher ist es im Privatbesitz.Deswegen muss Facebook auch nichtveröffentlichen, wie viel Geld es ver-dient. Schätzungen zufolge wird Zu-ckerberg in diesem Jahr etwa zweiMilliarden Dollar dafür bekommen,dass er Werbung auf Facebook zulässt.

CLUB DERVISIONÄRE (5)

Marc Zuckerberg hat ein soziales Netzwerk erfunden

FRANKA BRUNS/AP;

BIONADE

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Markenzeichen inBlau-Weiß-Rot: derBionade-Kronkorken