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Kirche und Schule in Äthiopien Mitteilungen der Tabor Society e.V. Heidelberg ISSN 1615-3197 Heft 65 / November 2013

Kirche und Schule in Äthiopien · 2018-12-22 · 10 34. Deutscher Evangelischer Kirchentag Hamburg vom 1.-5. Mai 2013 Dreißig Jahre äthiopisch orthodoxe Kirchengemeinde in Köln-Longerich

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Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 64 / November 2011

Kirche und Schulein Äthiopien

MitteilungenderTabor Society e.V. Heidelberg

ISSN 1615-3197

Heft 65 / November 2013

Dieses Mitteilungsblatt ist als Manuskript gedruckt und fürdie Freunde und Förderer der Tabor Society bestimmt.Herausgeber der Zeitschrift ist der Vorstand. Verantwortlichim Sinne des Pressegesetzes ist der Vorstandsvorsitzende.Der Vorstand beruft die Redaktion.Die Tabor Society wurde am 22. März 1976 beimAmtsgericht Heidelberg unter der Nr. 929 insVereinsregister eingetragen. Das Finanzamt Heidelberg hatam 21. 07. 2011 unter dem Aktenzeichen 32489/38078 derTabor Society e.V. Heidelberg den Freistellungsbescheidzur Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer für die Kalen-derjahre 2008, 2009, 2010 zugestellt. Darin wird festgestellt, dass die Körperschaft Tabor Societye.V. nach § 5 Abs.1 Nr.9 KStG von der Körperschaftssteuerund nach § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreitist, weil sie ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstig-ten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AOdient. Die Körperschaft fördert, als allgemein besonders för-derungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zweck, die Ju-gendhilfe. Die Körperschaft ist berechtigt, für Spenden undMitgliedsbeiträge, die ihr zur Verwendung für diese Zweckezugewendet werden, Zuwendungsbestätigungen nach amt-lich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) aus-zustellen.Der Mitgliedsbeitrag für ein Jahr beträgt 20,- EUR;Studenten und Nichterwerbstätige zahlen den ermäßigtenBeitrag von 10,- EUR, er gilt als Spende. Für die Arbeit derGesellschaft werden jedoch Spenden über diesen Betraghinaus dringend gebraucht.Bitte benutzen Sie für Ihre Zahlungen das den Heften von„Kirche und Schule“ beigefügte Formular, auf diesemZahlungsbeleg ist die für die Steuerbehörde notwendigeSpendenbescheinigung bereits aufgedruckt.

Vorstandsmitglieder der Tabor Society:

1. Vorsitzender:Pfr. em. Jan-Gerd BeinkeFurtwängler-Str. 1569121 HeidelbergTel.: 06221 - 9148275

Stellvertr. Vorsitzende und Schriftführerin:Dr. Verena BöllAlaunstr. Str. 5301099 DresdenTel.: 0351- 8014606

Schatzmeisterin:Dorothea GeorgieffIm Steuergewann 268723 OftersheimTel.: + Fax: 06202 - 55052

BeisitzerDr. Kai BeermannSteeler Str. 40245138 EssenTel.: 0201 - 265746Pastor Markus Lesinski Im Sieksfeld 1930966 Hemmingen0171 - 3184995Prälat Martin PischelZwölfling 1445127 Essen Tel.: 0201 - 232574

ISSN 1615-3197http://www.tabor-society.de

Konto der Tabor Society:IBAN:

DE12672500200001303473 BIC: SOLADES1HDBSparkasse Heidelberg

Anschrift der Redaktion von KuS:Annegret Marx u. Dr. Friedrich DworschakGrüneck 4, 52064 Aachen Tel.: 0241 - 75124 Fax: 0241-709 1880E-Mail: [email protected]

Die in „Kirche und Schule“ veröffentlichten Beiträge sind nicht in jedem Fall mit der Meinung der Redaktion identisch.Kosten pro Heft: 5,- €

KIRCHE UND SCHULE IN ÄTHIOPIEN (KuS)

- Mitteilungen der TABOR SOCIETY -Deutsche Gesellschaft zur Förderung orthodoxer Kirchenschulen in Äthiopien e.V. Heidelberg

IM P R E S S U M

Wissenschaftlicher Beirat :Prof. Dr. Peter Bruns, Universität EichstättDr. Getie Gelaye, Universität HamburgProf. Dr. Wolfgang Hahn, Universität WienProf. Dr. Manfred Kropp, Universität MainzDr. Kai Merten, Universität Frankfurt

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 64 / November 2011

INHALTSVERZEICHNIS

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Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Editorial 4Aus dem Vereinsleben der Tabor Society Aus der Vorstandsarbeit Protokoll der Mitgliederversammlung in Frankfurt am 29.9.2012 Kassenprüfungsbericht 2012 Kassenprüfungsbericht 2011

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Mitgliederversammlung und Einladung zum Mäsqälfest 2012Unterstützung der Kirchenschulen

Meldungen aus Deutschland

810

34. Deutscher Evangelischer Kirchentag Hamburg vom 1.-5. Mai 2013 Dreißig Jahre äthiopisch orthodoxe Kirchengemeinde in Köln-LongerichM. Kock: Ansprache zum Jubiläum der Äthiopisch Orthodoxen Gemeinde am 16. Juni 2013

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Meldungen aus Äthiopien

K.Beermann und M. Pischel: Besuch der von der Tabor Society unterstützten Kirchenschulen 17V. Böll: Briefe aus ÄthiopienV. Böll: Abunä Matǝyas (Matias)* - Neuer Patriarch in ÄthiopienM. Lesinski: Die koptisch orthodoxe Kirche vor dem Ende?

Patriarch Tawadros schon zu Beginn seiner Amtszeit gefordert

242930

A. Marx: Eine sehr alte Rose aus Äthiopien F. Dworschak: Die bedrohte Klosteranlage von Waldeba

Artikel

3334

H. und I. Falkenstörfer: Der große Versuch – Äthiopiens waghalsiger Sprung nach vornM. Feuerstein-Tubach: Äthiopienreise Mai / Juni 2013

3540

Rezensionen

V. Böll: MAAZA MENGISTE, Unter den Augen des LöwenV. Böll: BREYER: FRANCIS, Das Königreich Aksum. Geschichte und Archäologie Abessiniens in derSpätantik

4343

V. Böll: BOMBECK: STEFAN, Die Geschichte der heiligen Maria in einer alten äthiopischen HandschriftJ.-G. Beinke: MARIE LUISE KREUTER, Äthiopien – von innen und außen: gestern und heuteJ.-G. Beinke: KAI MERTEN, Das äthiopisch-orthodoxe Christentum - Ein Versuch zu verstehenV. Böll: The Teaching of the Abyssinian Church: as set forth by the doctors of the same. Translated bythe Rev. A.F. Matthew.

44474849

A. Marx: DOROTHEA MCEWAN, The Story of Däräsge Maryam

Seite für Kinder

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Die äthiopische Küche 53

Editorial

Liebe Leser/Innen,

vielleicht haben Sie beim ersten Durchblättern des Heftes Nr. 65 von „Kirche und Schule“ von Äthiopi-en den Eindruck gewonnen, dass hier etliche Beiträge doppelt abgedruckt wurden. Zwei Kassenberichteusw. Hier liegt aber kein Fehler von Redaktion oder Druckerei vor. Im Jahr 2012 ist kein Heft von „Kir-che und Schule“ erschienen. Das vorliegende Heft Nr. 65 soll den Zeitraum von 2 Jahren abdecken.Deshalb enthält es 2 Kassenberichte.

Sinnigerweise können wir diesmal 2 interessante Reiseberichte von vier Mitgliedern der Tabor Societynach Äthiopien veröffentlichen.

Wir gedenken in 2 Nachrufen des verstorbenen berühmten Kirchenlehrers M.Haile Mikael aus MekaneYesus in Este und berichten über 2 Patriarchenwahlen in Äthiopien und Ägypten. Übersetzte Briefe ausÄthiopien, Nachrichten aus den Kirchenschulen und der Vorstandsarbeit schließen diesen Teil des Hef-tes ab.

Der Vortrag von Herrn H. Falkendörfer, Pfr. i.R., auf der Mitgliederversammlung 2011 in Heidelberg„Der große Versuch: Äthiopiens waghalsiger Sprung nach vorn“ soll uns die dramatischen wirtschaftli-chen und sozialen Veränderungen bewusst machen, die sich zur Zeit in der äthiopischen Gesellschaftvollziehen!

Kurzberichte vom letzten Kirchentag; zum 30 jährigen Jubiläum der äthiopisch-orthodoxen Ge-meinde in Köln und Tagungen informieren über Ökumene mit Äthiopiern in Deutschland; neusind in diesem Heft die Kinderseiten und die äthiopischen Kochrezepte; mehrere Buchrezensionenschließen wie immer das Heft ab.Als Herausgeber danke ich allen Autoren für ihre Beiträge für das Heft. Ich danke für die Fotos, die derRedaktion zur Verfügung gestellt wurden, die oft den stärksten Eindruck von Äthiopien machen.Schließlich danke ich Frau Annegret Marx und Herrn Dr. Friedrich Dworschak für die Redaktion desHeftes.

Schließlich möchte ich unseren treuen Spendern herzlich für ihre Hilfsbereitschaft danken, die uns erstdie Möglichkeit gibt, die armen Kirchenschulen in Äthiopien zu unterstützen.

Wir laden auch auf diesem Wege alle Mitglieder und Freunde der Tabor Society zur diesjährigen Mit-gliederversammlung ein am Samstag, dem 16.11.2013 um 16.00Uhr im Gemeindesaal der evang.-me-thodistischen Kirche am Marktplatz in Heidelberg-Neuenheim,Lutherstraße 13a.

Jan-Gerd Beinke, Pfr.em.Vorsitzender der Tabor Society e.V

Heidelberg, den 08.09.2013

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

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34. Deutscher Evangelischer Kirchen-tag Hamburg vom 1.-5. Mai 2013Soviel du brauchst

Seit ihren Anfängen engagiert sich die äthiopischorthodoxe Kirche (EOTC) mit ihren Geistlichenund verschiedenen Gemeinden auch auf denDeutschen Evangelischen Kirchentagen.Während des sog. „Abends der Begegnung“ undim „Markt der Möglichkeiten“ wirken sie re-gelmäßig und berichten so lebendig aus ihrer ei-genen Geschichte und ihrem Leben sowie ausÄthiopien. So auch in Hamburg vom 01.-05.05.13.

Mi 01.05 18:00-22:00 Abend der Begegnung„Soveel as du bruukst!

Zwischen ehrwürdigem Rathaus, historischerSpeicherstadt und moderner HafenCity erwarteteuns norddeutsche Gastfreundschaft. Kirchenge-meinden und Einrichtungen aus der ganzenNordkirche luden zu einer fröhlichen Mischungvon Musik und Schnack, Tanzen und Feiern, Ku-linarischem und Kultur, Spiel und Spaß ein. Wirerlebten typisch Norddeutsches und ferne Län-der. Die Äthiopier hatten ihren Stand in der Näheder neu renovierten St. Katharinenkirche. Es gabMusik zu hören und leckeres Essen, Plakate,kleine Gegenstände sowie hübsche Kleider zuverkaufen.

Do 02.05.- Sa 04.05 10:30-18:30 Markt derMöglichkeiten in der Messehalle A1

Unter dem Titel „Karawanserei – Christen imNahen Osten“ berichteten die orientalisch ortho-doxen Kirchen aus Ägypten, Äthiopien, Armen-ien und Syrien und ihre Vertreter in Deutschlandund Unterstützer wie die TS neben der koptischevangelischen Kirche in Ägypten (Nilsynode),dem Jerusalemverein und dem ÖkumenischenWeltgebetstag in Wort, Bild und Ton aus ihrer ei-genen Heimatkirche und dem Leben in der deut-schen Diaspora. Die Äthiopier hatten einenschönen Eckplatz mit zwei Wänden und zweiTischen. Jeder brachte Sachen mit, sodass unserStand jeden Tag Neuigkeiten hatte: liturgischeGewänder der Priester, Holz- und Metallkreuze,Bücher, Plakate, Ikonen, Kerzen, Körbe, Gebets-stöcke sowie Filme über die EOTC. Pastor Mar-kus Lesinski hatte diesen Bereich im Auftrag desKirchentags organisiert. Mit seiner freundlichen

Unterstützung fanden die von uns mitgebrachtenGegenstände einen passenden Platz. Unsere ganzbesondere Attraktion war Kaffee, der an den dreiNachmittagen vor Ort mit Weihrauch zubereitetwurde. Unser Stand war informativ, beeindruck-end vielseitig und prächtig, sagten viele Be-sucher.

Mit dem Satz „Aha, hier sind die Kopten!“ sindmehrere Leute zu uns gekommen. Mit unserer

Antwort „Nein, sie sind dort, uns gegenüber“überraschten wir immer wieder. Und schon hat-ten wir das erste Thema zum Erklären. AndereThemen waren z.B. Kirchengeschichte, Gottes-dienste, die Gegenstände und ihre Anwendung,Geez und Amharisch. Die TS wurde durch alteKuS-Hefte und Infoblätter sowie mit Kleidungs-stücken im Verkauf dargestellt. Über die Unter-stützung der Klosterschulen wurde mündlichberichtet. Pastor Jan Gerd Beinke war am Frei-tag da und Dr. Verena Böll mit Tochter Lilly amSamstag.

Am Donnerstagnachmittag, dem 02.05., gab esunter dem Titel „Ort der Begegnung“ auf der Wi-ese der Schröderstift Basar mit Köstlichkeitenaus der äthiopischen vegetarischen Küche.

Vom Samstag, dem 04. – 05.05 wurde die Oster-nachtliturgie in der evangelischen Kirche St.Martinus zelebriert. Am Anfang wurde Abba Ge-bre Tsadeq aus Holland gebeten, etwas zur Infor-mation zur äthiopischen Liturgie für die nicht-äthiopischen Kirchentagbesucher zu erklären.Was wir aber zu hören bekamen, war ein unver-

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Meldungen aus Deutschland

Von links nach rechts: Maija Priess, Alganesh Ge-breegziabher, Woinshet Beyene, Verena Böll, AbbaGebre Tsadeq (aus Holland), Tadesse Tilahun, RahelAlemayehu und Markus Lesinski.

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ständlicher Bericht über die Bedeutung der vierElemente dieser Welt. Der Äthiopier, der als Dol-metscher amtieren musste, hatte erheblicheSchwierigkeiten, einen kirchlich-philosophi-schen Text aus dem Amharischen ins Deutschezu übersetzen. Ansonsten lief alles auf Geez undAmharisch wie gehabt. Schade, die Chance,einander kennen zu lernen, war verpasst!

Die Liturgie war jedoch großartig! Sie dauerteinsgesamt bis 5.00 Uhr morgens, wonach es nochleckeres Essen in fröhlicher Stimmung gab.Übrig waren nur noch ein handvoll Nicht-Äthiopier.

So freuen wir uns auf ein Wiedersehen währenddes nächsten Deutschen Evangelischen Kirchen-tags im Jahr 2015 in Stuttgart.

Quellen:

Programmheft des 34. DEKT in Hamburg

Markus Lesinski: Anderes Christentum in derKarawanserei, Christen aus dem Nahen Ostenberichten über ihre existentielle Situationwährend des Kirchentags (Info-Brief)

Dr. Maija Priess, Hamburg

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Dreißig Jahre äthiopisch orthodoxeKirchengemeinde in Köln

Die Einladung zu diesem Fest zitiert Psalm 113mit dem Lob Gottes, aber auch ein Zitat von Her-mann Hesse: „Man muss das Unmögliche versu-chen, um Mögliches zu erreichen“– ein Erzprie-ster aus Äthiopien zitiert Hermann Hesse!Dr. Merawi Tebege, seit 30 Jahren Priester dieserersten äthiopisch orthodoxen hat wahrlich Un-mögliches versucht: Seine Hingabe, die Unter-stützung seiner Frau und vieler, vieler Gemeinde-mitglieder haben sich wahrlich verwirklicht indieser lebendigen Gemeinde und dem Gottes-haus, dessen stolzer Besitzer die äthiopisch or-thodoxe Kirche in Deutschland heute ist.

Die Gemeinde feierte dieses Jubiläum gleich inzwei Veranstaltungen:

Am 16. Juni mit einer großen Festveranstaltungam Samstag, gefolgt vom feierlichen Festgottes-Dr Merawi Tebege © F. Dworschak

Prozession © F. Dworschak

Tanz © F. Dworschak

12 Meldungen aus Deutschland

dienst am Sonntag und einer fröhlichen Prozessi-on durch den Kölner Ortsteil Köln-Longerichund anschließendem Festmahl im Femeindehausder katholischen Gemeinde St. Dionysius.In einer zweiten Veranstaltung am 14. Septemberbegrüßte man das Neue Äthiopische Jahr mit ei-nem Äthiopientag in Zusammenarbeit mit demRautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen derWelt und dem EG-Forum e.V.Die Äthiopier sind wirklich mitten in Köln ange-kommen! Wie kam es dazu? Die Anfänge der äthiopisch orthodoxen Kirchen-gemeinde liegen in den seelsorgerlichen Notwen-digkeiten der frühen 1980er Jahre. Zu dieser Zeitgab es wegen des Bürgerkrieges in Äthiopienhohe Zuzugszahlen von Flüchtlingen. Die inDeutschland aufgenommenen Äthiopier undEritreer waren meistens jung und konnten hier inder Sicherheit ihr privates Leben beginnen.Hochzeiten, Kindtaufen und auch Beerdigungensind für christliche Äthiopier traditionell ohne or-thodoxe Kirche nicht denkbar; das machteschließlich die Anwesenheit eines Priesters dereigenen Kirche in Deutschland notwendig. Durchdie Hilfe der Evangelischen Kirche waren inKöln besonders gute Voraussetzungen gegeben,deshalb konnten Flüchtlinge hier die erste Kir-chengemeinde als einen eingetragenen Vereingründen; der frisch in Heidelberg promovierteDr. Merawi Tebege wurde ihr Pfarrer.Für die junge Familie Tebege mit ihren zweikleinen Kindern bedeutete das ein Riesenwagnis;zunächst einen Verzicht auf das Leben im Hei-matland und eine gute Stelle im Patriarchat, unddann den Aufbau einer Gemeinde in einem Land,das dunkelhäutigen Menschen noch immer vollerVorbehalte gegenübersteht. Das bedeutete auchsehr wenig Geld zum Leben, Auseinandersetzungmit den politischen Verhältnissen, mit Neid undIntrigen unter den im Exil lebenden und am Exilleidenden Menschen aus den Heimatländern. Un-mögliches versuchen...

Das Wagnis gelang aus dem festen Glauben her-aus. Heute ist eine große lebendige Gemeinde inKöln fest zusammengewachsen; darüber hinausgibt es Gemeinden in München, Nürnberg, Wies-baden, Frankfurt, Stuttgart, Berlin und Hamburg:Zentren eines lebendigen geistlichen Lebens undpulsierender äthiopischer Tradition. Zu diesemfestlichen Jubiläum in Köln versammelten sichHohe Gäste. Präses Manfred Kock, der die Ge-

meinde von den frühesten Anfängen begleitethat, beschreibt in seiner Fest-Ansprache die Si-tuation und den Weg der Gemeinde als ein wert-volles Geschenk an die Oekumene in Deutsch-land.

Deshalb hat die Redaktion von „Kirche undSchule in Äthiopien“ sich entschlossen, ausdiesem Anlass den Text der Ansprache von Prä-ses i.R. Manfred Kock abzudrucken. Er gehtdarin auf die Geschichte der Gemeinde ein undhebt in seiner Ansprache hervor, welchen geist-lichen Reichtum die Äthiopier in der Begeg-nung mit den anderen Kirchen einbringen:„Jede Kirche ist für sich allein zu arm. Siebraucht den geistlichen Reichtum der ande-ren.“ Wir möchten dies ergänzen: Mit jedem jungenMenschen aus Afrika der sich aufmacht seineZukunft in Europa zu suchen, verlieren wir einLeben, einen Menschen der mutig ins Ungewis-se ging, der im überalterten und satten Europaseine Fähigkeiten und seine Energie und Res-source hätte einbringen können. Wir sind im-mer noch unermesslich reich an Geld – aberarmselig an Zuversicht und Barmherzigkeit.Für uns allein sind wir zu arm, wir brauchenauch den menschlichen Reichtum der anderen:Wann lernen wir miteinander zu leben und die-se Welt gemeinsam zu gestalten?

Die Redaktion

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Meldungen aus Deutschland

Dieses Heft 65 von KuS entsteht unter dem Ein-druck der Katastrophe in Lampedusa am 3.Okober 2013, bei dem 300 Menschen auch ausEritrea im Mittelmeer den Tod fanden. Es sindnicht ferne Afrikaner, sondern es sind Brüderund Schwestern, Vettern und Cousinen unsererMitchristen und Mitbürger aus Äthiopien undEritrea: ihnen gehört unser Mitgefühl und un-sere Solidarität.

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Ansprache zu Jubiläum der ÄthiopischOrthodoxen Gemeinde am 16. Juni2013

Manfred Kock, Präses i. R.

„Gelobt sei der Name des Herrn von nun an bisin Ewigkeit! Vom Aufgang der Sonne bis zu ihremNiedergang sei gelobt der Name des Herrn.“

Dieser Vers aus dem 113. Psalm steht über derEinladung zum Jubiläum. Er drückt die Freudeder Äthiopischen Gemeinde aus, die hier in die-ser Kirche eine Heimat gefunden hat.

1. So preise ich mit Ihnen den Herrn

und danke für die ehrwürdige Äthiopisch-Ortho-doxe Kirche in unserer Stadt – in unserem Land.

In dieser Kirche hier, die einmal die Lutherkapel-le war, ist die Botschaft Jesu Christi verkündigtworden. Sie hat Freude und Lobpreis und Dank-barkeit ausgelöst für das Glück, das Menschenerfahren durften. Sie hat getröstet in Zeiten vonSehnsucht und Heimweh, von Trauer und Ster-ben.Die Botschaft stärkt bis heute. Sie hilft, dassMenschen Barmherzigkeit üben und sich für Ge-rechtigkeit einsetzen. Auch wenn die Wirkungder Christusbotschaft manchmal schwach zu seinscheint, ist sie immer wieder die Kraftquelle undMitte des Glaubens. Das wird auch künftig sosein.

2. Wie es war

Es gab seit dem Zweiten Weltkrieg immer wiederFlüchtlingswellen – aus Eritrea wegen der Bür-gerkriege, - aus Äthiopien nach dem Sturz HaileSelassies; - nach dem Sturz des Mengistu-Regi-mes.

Die gegensätzlichen Fluchtgründe führten immerwieder zu Spannungen unter denen die hier nachDeutschland gekommen waren - Spannung biszum Zerreißen. Schon die Einweihung der Kir-che fand in einer atemberaubenden Auseinander-setzung statt, Die dabei waren, erinnern sich andie Sprechchöre und Plakate. Etliche fürchteten,die Gemeinde könnte ein Instrument des kommu-nistischen Regimes in Addis Abeba werden.Dr. Merawis Verdienst war es, dass die Kirchesich nie den jeweiligen Strömungen angepasst

hat. Die wichtigste Linie war die Verbindung zurBotschaft Jesu Christi und zur Mutterkirche. Ver-lockungen gab es wohl, Kirche sollte sich einerExilkirche anschließen. Aber: Wer auch immerPatriarch ist - die Verbindung zu ihm und zurSynode in der Heimat wurde und wird gewahrt.Uns, den Partnern, hat das die Zusammenarbeiterleichtert.

3. Ein Ökumenisches Geschenk

Die ehrwürdige alte afrikanische Kirche ist mitden Menschen in unser Land gekommen. Dashilft uns, unser eigenes Kirchenbild nicht zumendgültigen Kirchenbild zu machen. Wir habendurch diese Begegnung etwas Entscheidendesgelernt: Jede Kirche ist für sich allein zu arm. Siebraucht den geistlichen Reichtum der anderen.

Bei der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche erlebenwir zwei wichtige Schwerpunkte: Die Verbin-dung zum Alten Bund und die Wertschätzungder Heilige Taufe.Beides haben auch wir in den westlichen Kir-chen. Aber die Betonung dieser Schwerpunkte inder Äthiopischen Kirche hilft uns zu tieferemVerstehen und zur Bestärkung. Die Verbundenheit zum Bund Gottes mit seinemVolk Israel erinnert daran, wie wir westlichenKirchen mit einer dunklen Tradition belastetsind. Die Äthiopier erinnern sich an die Königinvon Saba und ihre Begegnung mit dem KönigSalomo. Die Verehrung des Tabots als der Nach-bildung der Heiligen Lade, welche die Gebotsta-feln enthielt, ist in jeder äthiopischen Kirche ge-genwärtig. Der Bund Gottes mit Israel ist unge-kündigt.Die Heilige Taufe - Der erste Ausländer, der sichtaufen ließ, war der Kämmerer aus dem Morgen-land. Auf der Heimreise vom Tempelfest in Jeru-salem saß er auf seinem Wagen, las aus der Rolledes Propheten Jesaja aus Philippus, ein ApostelJesu Christi deutete die Worte mit dem Leiden,Sterben und Auferstehen Jesu. Und der Kämme-rer ließ sich taufen. Und in Erinnerung daran undan die Taufe Jesu feiert die Äthiopische Kirchejährlich das Timkatfest. Eindrücklich erinnernsich die Glaubenden an ihre Taufe, die ihr Lebenbestimmt. Auch uns Evangelischen des Westensist die Taufe wichtig. Von Martin Luther ist eineAnekdote überliefert, er habe, als ihm Glaubens-zweifel überkamen, mit Kreide die lateinischenWorte „Baptizatus sum“ – ich bin getauft - auf ei-

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

14 Meldungen aus Deutschland

nen Tisch geschrieben. Aber im Lebensalltagkommt uns die Erinnerung an unsere Taufe oftabhanden. Das Geschenk der Taufe ist uns durch die Äthiopische Kirche wieder neu bewusst ge-worden. Kardinal Walter Kasper hat einmal gesagt: „DieKrise der Ökumene ist nicht etwa ein Zeichen ih-res Misserfolges, sondern im Gegenteil ein Er-gebnis ihres überwältigenden Erfolges. In demMaße nämlich, als wir einander näher gekommensind, spüren wir umso schmerzhafter, ja unerträg-licher das, was uns trennt.“ 1

Die ökumenische Bewegung hat sich an der Visi-on der wachsenden Einheit der Kirchen entzün-det. Der Gebetswunsch Jesu Christi: „Heilige siein der Wahrheit ... damit sie alle eins seien“ (Joh17, 17.21) setzt in den Kirchen immer wiederImpulse, die Gemeinsamkeit zu stärken, damitverwirklicht wird, was sie glauben: die eine heili-ge, allgemeine, apostolische Kirche. Es gilt, dieTrennung der Kirche Jesu Christi in sich gegen-seitig ausschließende Konfessionen zu überwin-den; die bestehenden kirchlichen Verhältnissemüssen von dieser Zukunft her gestaltet werden.Die Kirche als Geschöpf des göttlichen Worteslässt sich nicht mit einer der vorhandenen Kir-chen oder mit deren Gesamtheit gleichsetzen.Die Kirche ist Gegenstand des Glaubens undsichtbare Gemeinschaft zugleich; eine Wirklich-keit, die in der Vielfalt der Kirchen erfahren wer-den kann. In ihrer geschichtlich gewachsenenUnterschiedlichkeit kommt die „vielfältige Gna-de Gottes" (1. Petrus 4, 10) zum Ausdruck. „Wir glauben die eine Kirche“, bekennen rö-misch-katholische, die orthodoxen und evangeli-schen Kirchen. Sie alle glauben, dass sich in derKirche, zu der sie gehören, die Gemeinde JesuChristi verwirklicht. Sie wissen aber auch, dassdie einzelne Kirche zugleich über sich hinaus-weist. „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,4-6) sind die Kennzeichen ihrer Einheit. DerGlaube bekennt die Einheit der Kirche als etwasGegebenes, Geschenktes. Die Einigung der Kir-chen, hat der Schweizer Theologe Karl Barth ge-sagt, kann „nicht gemacht werden, sondern nurim Gehorsam gegen die in Jesus Christus schon

1 Walter Kasper, Gegenwärtige ökumenische Eiszeit undkünftige Perspektiven der Ökumene, Vortrag anlässlichseiner Ehrenpromotion durch die Theologisch-Philoso-phische Hochschule der Pallottiner am 10.5.03 in Val-lendar.

vollzogene Einheit der Kirche gefunden und an-erkannt werden“.2 Das Wesen der Kirche ist unabhängig von ihrerjeweiligen Gestalt und nicht mit soziologischenund ökonomischen Kategorien zu beschreiben.Biblische Bilder wie Leib Christi oder wandern-des Gottesvolk oder Gemeinschaft der Heiligenals Beschreibung von Kirche weisen auf eineüberinstitutionelle Wirklichkeit.

Die eine Kirche existiert im PluralDie Vielfalt ist nicht nur eine Folge menschlicherSünde, sie ist auch ein Kennzeichen göttlichenReichtums. Sie ist ein Ausdruck der verschiede-nen Begabungen, mit denen die Menschen aus-gestattet sind. Auch in der Wahrnehmung derGottesbotschaft und der Weise, mit ihr das Lebenzu gestalten, sind die Menschen unterschiedlich;dem entsprechend brauchen sie wohl auch ver-schiedene kirchliche Lebensorte. Zur Beschrei-bung dessen was die Kirche ist, gehört beides:Einheit und Vielfalt. Schon von der Zeit des Neu-en Testamentes an hat die Kirche im Plural exi-stiert und kann nach evangelischem Verständnisnur im Plural existieren oder mit einer wunderba-ren Formulierung von Fulbert Steffensky: „Keineder Einzelkirchen ist alles... Alle sind sie als Ein-zelkirchen zu eng, zu bescheiden und zu wenig.Am engsten und darum am unerträglichsten sindsie dort, wo sie alles -und der anderen nicht be-dürftig- zu sein glauben. Es ist eine Erleichte-rung, nicht alles sein zu müssen...“ 3

Die christlichen Konfessionen verbindet mehr,als was sie trennt. Sie stimmen darin überein,dass die Kirche Jesu Christi mehr ist als dieSumme einzelner Kirchen4 und sie wissen, dasses zur Einheit konstitutive Elemente gibt: Ge-meinsamkeit im apostolischen Glauben mit derdaraus folgenden Verkündigung und dem ent-sprechenden Dienst in der Welt; die gegenseitigeAnerkennung der Taufe, die zwischen uns inzwi-schen unbestritten ist.Der ökumenische Prozess wird lebendig bleiben,wenn sich in Gemeinden über die Konfessions-grenzen hinweg Menschen zusammentun und ge-meinsam die Heilige Schrift studieren. Als die2 K. Barth, Die Kirche und die Kirchen, ThExh 27 (1935),

Seite 16.3 F. Steffensky, Das Haus, das die Träume verwaltet. Würz-burg 1988, Seite 118.4 So auch in Dominus Iesus, Ziffer 17.

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Meldungen aus Deutschland 15

Schwierigkeiten um die Interpretation der Ge-meinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehreaufbrachen, war ein Fazit, das aus den Differen-zen gezogen wurde: Wir müssen weiter zusam-men die Bibel lesen und erkennen, was sie fürunsere Zeit sagen will. das gemeinsame Einste-hen für Frieden und Gerechtigkeit. Eine so breitegemeinsame Basis in der Friedensarbeit hat es inder gemeinsamen Geschichte noch nicht gege-ben.Heute: das gemeinsame Eintreten für die Ethikdes Lebensschutzes vor allem am Beginn und amEnde des Lebens. Die gemeinsame theologischeArbeit von Menschen der unterschiedlichen Kon-fessionen hat Früchte getragen.Auf diesem Weg sollte sich keine Kirche zuwichtig nehmen. Auch die Kirchen sind Teile dervergänglichen Welt. Das Ziel ist Gottes Reich.Katholizität und Apostolizität der einen Kircheeröffnen den Horizont immer wieder weit, sodass auch tiefe Gräben ihre Schrecken verlieren.Darum können die Kirchen mit bleibenden Diffe-renzen leben, vorausgesetzt sie bewahren sich ei-nen respektvollen Umgang miteinander.Die Kraft für weitere ökumenische Schritteschöpfen die Kirchen aus dem Gebet. Nicht nurin gemeinsamen ökumenischen Wortgottesdien-sten, sondern in allen Gottesdiensten der Konfes-sionen ist das Gebet um die Einheit und für dieMenschen in den jeweils anderen Kirchen uner-lässlich. Von der einen Kirche Christi her zu den-ken heißt im Blick auf das evangelisch-katholi-sche Verhältnis: Wir Evangelischen haben allenGrund, uns zu freuen, wenn es der ÄthiopischenKirche gut geht, und traurig zu sein, wenn es ihr- selbstverschuldet oder ohne eigenes Zutun -schlecht geht. Denn wir sind zusammen stark,aber wir sind auch zusammen schwach.

4. Dank und Segenswunsch

Es ist gut, wenn das Gebet für diese Kirche mitdem Dank beginnt. Dank bewahrt dem Gebet dieKraft. Ohne den Dank - nur als Bitte - verkommtdas Gebet sehr leicht zur Quengelei. Die Erleb-nisse fehlender Erfüllung machen ungeduldigund im Gebet faul. Der Dank aber ist die Quelledes Gebetes.

Eine Kultur des Dankens steht auch am Beginnjeder Erneuerung der Kirche. Denn das Dankge-

bet öffnet die Augen für die Spuren der Gottesge-schenke, die wir im Leben erhalten haben. Undwer wollte nicht diese Spuren im Leben deräthiopischen Gemeinde sehen? Denn auch dasGebäude ist inzwischen ja das Eigentum deräthiopischen Gemeinde. Das Gebet behält nur dann seine Kraft, wenn essich von Unerfülltem hinwendet zu dem, wasGeschenk ist. Darum geht es: Einen Blick be-kommen und behalten, auch für das Unscheinba-re, für das, was im Alltag oft als selbstverständ-lich genommen ist, von dem wir aber alle leben.Vielen Menschen ist Dank zu sagen für die Treueund den Einsatz Ihres Priesters Dr. Merawi Tebe-ge – und allen, die hier gewirkt haben. Sie habengeholfen, dass diese Kirche Heimat und Orientie-rung gewesen ist für zahlreiche Menschen. Zudanken gilt auch allen, die heute mitarbeiten undihre Gaben und Fähigkeiten einbringen.

Präses Kock schloss seine Anprache und segnetedie Gemeinde mit dem Segen Gottes.

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

16 Meldungen aus Deutschland

Präses Manfred Kock © F. Dworschak

Besuch der von der Tabor Society un-terstützten Kirchenschulen

Reisebericht

Nicht nur in den Vorstandssitzungen und denMitgliederversammlungen der Tabor Society(TS) wurde der Wunsch geboren, einmal die fünfKirchenschulen Mekane Yesus in Este, MedhaneAlem in Gondar, Zuramba, Bethlehem und Ma-hedere Maryam zu besuchen und vor Ort zu guk-ken, wie unsere Spendengelder eingesetzt wer-den. Zusammen mit Jörg Genrich beschlossenwir einen Besuch vom 15. bis zum 22. Januar2013. Leider hatte Kai nur eine Woche Zeit. HerrPfarrer Beinke kündigte unseren Besuch bei AtoFisseha, dem äthiopischen Verbindungsmannzwischen der TS und den Kirchenschulen, an.Ato Girma, ehemals Leiter der Äthiopienabtei-lung des Völkerkundemuseums in München,jetzt zurück in Addis Abeba, versprach, uns amFlughafen in Addis Abeba abzuholen und unsmit seinem Auto zu den einzelnen Schulen zufahren. Das war uns sehr lieb, hatten wir dochdadurch nicht das Problem des Weiterkommens.

Am 16. Januar holte uns Ato Girma, wie verspro-chen, zusammen mit seinem Fahrer Tesfaye, dernicht nur gut fahren konnte, wie sich bald her-ausstellte, sondern auch noch sehr sympathischwar, am Flughafen ab, und wir brachen sofort aufnach Bahir Dar durch eine grandiose Landschaft.Unser gestecktes Ziel konnten wir aber nicht er-reichen, so beschlossen wir eine Übernachtung inDebre Markos. Leider war es uns nicht vergönnt,

die dortige große Markos-Kirche betreten zu dür-fen trotz aller Bemühungen Ato Girmas. Amnächsten Morgen fuhren wir weiter über BahirDar, wo wir uns im Garten eines sehr schönenHotels am Tana-See stärkten, nach Este.

Mekane Yesus

Die erste Kirchenschule Mekane Yesus erreich-ten wir am Nachmittag. Sehr herzlich wurden wirvon Ato Fisseha, der zusammen mit Ato Girmaunseren Besuch im einzelnen abgesprochen hat-te, dem Leiter der Schule, Mämher Sissay Asse-fa, den Lehrern und vielen Schülern empfangen.In Mekane Yesus unterrichten drei Lehrer 50Schüler. Nachdem mehrere Fotos gemacht waren, lud unsder Schulleiter in sein Haus ein, wo wir mit ori-entalischer Gastfreundschaft bewirtet wurden.Vorher hatten wir hier, wie später überall, dieGrüße von Pfarrer Beinke und den Mitgliedernder TS übermittelt. Sehr froh waren wir über dieAnwesenheit von Ato Girma, der uns als hervor-ragender Übersetzer zur Seite stand. Ohne ihnhätten wir deren und unsere Anliegen nicht sogut und Erfolg versprechend erörtern können.Seitens der TS hatten wir den Auftrag zu prüfen,wie sich der Wunsch der Schulleitung, eine An-zahl von Webstühlen anzuschaffen, realisierenlassen könnte. Uns erschien die beantragte Sum-me von einigen Tausend Euro zu hoch, auchfragten wir uns, wer das Weben übernehmensoll. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass dieAnschaffung von Webstühlen nicht mehr aktuellsei. Vielmehr hatte man beschlossen, die bereits

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Meldungen aus Äthiopien

Begrüßung durch Lehrer und Schüler von Mekane Yesus © M Pischel

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geplante Bäckerei in die Tat umzusetzen, wofürdie TS bereits 3.000 € überwiesen hatte. Zusätz-lich wurden dafür noch 6.500 € erbeten. Auf un-sere Nachfragen wurde uns versichert, dass manfür das gebackene Brot genügend Käufer findenwürde, da die Menschen in Este mit der Kircheverbunden seien und ihr gern etwas abkaufenwürden, um ihr auch finanziell zu helfen. Auchfür das notwendige Personal in der Bäckerei seibereits gesorgt. Ein Lehrer werde eine entspre-chende Ausbildung absolvieren und dann weiterePersonen schulen. Wir versprachen, das Anliegen dem Vorstand derTS vorzutragen, und erbaten einen entsprechen-den schriftlichen Antrag.

Unser Bemühen, den anwesenden Priestern undMönchen verständlich zu machen, dass die TSnicht alles finanzieren könne aber Hilfe zurSelbsthilfe leisten wolle, traf nicht auf taube Oh-ren. Man sei selbst, so wurde uns versichert, dar-an interessiert, eine gewisse finanzielle Unabhän-gigkeit von Spendengeldern zu erreichen. Wasdas Webstuhl-Projekt betraf, so wolle man zu-nächst davon Abstand nehmen. Gedacht war,junge Diakone und Studenten entsprechend aus-bilden zu lassen, damit diese in ihrer Freizeitzum Unterhalt der Kirchenschule einen gewissenBeitrag leisten. Schließlich bat der Leiter derSchule um drei weitere Hilfen: Das Dach der durch Kaiser Haile Selassie nachder Zerstörung durch die Italiener wieder errich-

teten Klosterkirche bedürfe dringend einer Repa-ratur.Es wurde gefragt, ob der Nachfolger des verstor-benen Lehrers Mämher Haile Mikael, MämherHaile Sion, die gleiche finanzielle Unterstützungwie sein Vorgänger erhalten könnte. Der behinderte Mämher Leykum Endeg in NäfasMechwa benötige auch eine finanzielle Hilfe. Wir versprachen, die Anträge in der nächstenVorstandssitzung der TS zu beraten. Inzwischen war es dunkel geworden. Eine Wei-terfahrt nach Debre Tabor, wo uns Ato FissehasFrau zum Abendessen erwartete, war aufgrundder fortgeschrittenen Zeit, der Dunkelheit undder schlechten Straße nicht mehr möglich. Des-halb beschlossen wir, in Este zu übernachten.Die Mönche schienen damit gerechnet zu haben. Kai, Jörg und ich wurden im Kloster unterge-bracht, Girma und Tesfaye bei einem Priester inEste. Nach einem kurzen Fußmarsch durch dievom Mond erleuchtete äthiopische Nacht er-reichten wir die Klosterkirche und die Klosterge-bäude, wo die Mönche, Lehrer und Schülerwohnten. Zu unserer großen Überraschung wur-de uns hier erneut ein äußerst herzlicher Emp-fang bereitet. Wir kamen uns in biblische Zeitenversetzt vor (s. Joh 13,5 und Lk 7,44). In einemgrößeren Raum, nur von Kerzenschein erleuch-tet, wo Lehrer, Mönche und ältere Schüler ver-sammelt waren, wurden uns zunächst nacheinan-der die Füße und Unterschenkel gründlichst ge-waschen. Gleichzeitig wurden von Mönchen undälteren Schülern Gedichte, Gesänge und exegeti-sche Erläuterungen vorgetragen, von denen wiraber leider nichts verstanden. Unser DolmetscherGirma fehlte uns sehr. Bei den Gesängen wurde immer wieder der kürz-lich verstorbene Lehrer Mämher Haile Mikaelapostrophiert. Sie müssen ihn alle sehr geschätztund verehrt haben. Zum Abschluss gab es nocheinmal Ingera und Wot sowie Geschnetzeltes.Kai bedankte sich in unser aller Namen in her-vorragendem Englisch für den großartigen, uner-warteten Empfang. Anschließend lud uns wohlder Abt oder sein Vertreter ein, den Raum, indem wir bisher saßen, als unseren Schlafraum zubetrachten. Die Stühle und Tische wurden an dieSeite geräumt und drei Schlafmatten ausgebrei-tet. Darauf übernachteten wir in unseren mitge-brachten Schlafsäcken. Gut, dass wir Taschen-lampen bei uns hatten. So konnten wir einiger-

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Student von Mekane Yesus © M Pischel

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maßen unsere Sachen finden und ordnen. DasSanitäre sollten wir, wie uns empfohlen wurde,draußen erledigen. Es wurde noch vereinbart,dass wir am nächsten Tag frühmorgens die Klo-sterkirche anschauen könnten. Anschließendgäbe es beim Leiter der Schule, der jetzt nichtmehr dabei war, in seinem Haus Frühstück. Nach einer etwas unruhigen Nacht wurden wiram nächsten Morgen durch die Kirche geführt.Es ist eine typische äthiopische Rundkirche miteinigen schönen Bildern. An einigen Stellen istsie wirklich reparaturbedürfig. Während wir dieSchäden draußen begutachteten, kam plötzlichein Mönch mit einer großen Handschrift, diewunderbare Miniaturen enthielt. Von den wun-derschönen Bildern waren wir wie verzaubert.Von der herrlichen noch sehr gut erhaltenenHandschrift, die - wie uns die Mönche sagten -dem Kloster von Kaiser Iyasu I. (1682 - 1706)geschenkt worden war, konnten wir uns kaumtrennen. Nach dem Frühstück im Haus des Schulleitersdrückte dieser seine große Dankbarkeit für die

Hilfe der TS aus und bat, die für sie so notwendi-ge Unterstützung fortzusetzen. Wir versprachenihm, das uns Mögliche zu tun, erinnerten abernochmals daran, dass sie selbst die Hilfe zurSelbsthilfe nutzen müssten.Bevor wir Mekane Yesus verließen, hatten wirnoch die Möglichkeit erhalten, an einer Unter-

richtsstunde teilzunehmen. In einem kleinenRaum des Klosters, in dem ein Bild von Prof.Heyer an der Wand hing, den sie bis heute hochverehren, sprach ein Lehrer mit einem Schüler,der an einem Tisch saß, über das Konzil vonNicea. Sechs ältere Schüler saßen etwas entferntauf der Erde und lauschten andächtig des LehrersWorten. Der am Tisch sitzende Schüler las auseiner Handschrift einen Text in Geez vor, derLehrer übersetzte diesen ins Amharische und lie-ferte gleich die Erklärung. Das Konzil wurde hiervon dem Lehrer historisch, exegetisch und dog-matisch erläutert. Dank Girmas Hilfe konntenwir wenigstens etwas verstehen. Der Abschied ist uns richtig schwer gefallen. DieFreundlichkeit der Mönche und Priester, derLehrer und Schüler hat uns tief beeindruckt. Wirwaren uns einig, die Hilfe muss fortgesetzt wer-den. Schön wäre es, wenn man über die bespro-chenen Anträge, die uns mitgegeben wurden,hinaus noch mehr helfen könnte. Die Unterkünf-te für die jüngeren Schüler machten einen er-bärmlichen Eindruck, auch die Gebäude des Klo-sters - bis auf die Sonntagsschule - bräuchteneine dringende Renovierung. Auch fehlt es an sa-nitären Anlagen. Nach einer musikalischen Verabschiedung mitTrommeln und Tanz brachten wir nach DebreTabor auf, das wir dank der Fahrkunst Tesfayesschneller erreichten als erwartet und wo uns im

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Handschrift des Kaiser Iyasu I. (1682 - 1706) © M Pischel

Unterricht in Mekane Yesus © M Pischel

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Haus von Ato Fisseha ein ausgezeichnetes Mit-tagessen von seiner Gattin serviert wurde.

Debre Tabor

An dem Mittagsmahl nahm auch der Ökonomder Kirchenschule von Zuramba, Mäggabi FantaAfework, teil. Er erneuerte die Einladung in sei-ne Kirchenschule. Diese wollten wir Übermor-gen, nach den Timkat-Feierlichkeiten in Gondar,die an das Fest der Taufe Jesu erinnern, besu-chen. Mäggabi Fanta Afework hatte ein von ihmverfasstes, wunderschön geschriebenes Manu-skript „Zemare Mäwaseet“ über Yared und dieäthiopische Kirchenmusik mitgebracht und frag-te, ob die TS für die Drucklegung sorgen könnte.Wir versprachen ihm Prüfung.

Am Nachmittag versammelten wir uns an der ausdem 19. Jahrhundert stammenden großen Yesus-

Kirche oberhalb Debre Tabors und zogen vondort in einer großen, farbenprächtigen Prozessionmit dem Tabot der Kirche zu Fuß und per Autoszu einem großen Platz in Debre Tabor. Auf die-sem trafen sternförmig sieben weitere Prozessio-nen von Kirchen Debre Tabors zusammen. Auchsie hatten ihre in prächtige Stoffe gehüllte, von

Priestern oder Diakonen getragene Tabots mitge-bracht. Auf einem etwas erhöhten Podest in derMitte des Platzes trafen sie zusammen. Der An-drang der vielen Menschen war unwahrschein-lich. Man musste um seinen Standplatz kämpfen,sonst wurde man einfach weggedrängt. Schließ-lich kam auch der Bischof von Debre Tabor,Abuna Endreyas, und hielt eine längere Predigt.Da Girma uns in dem Gedränge abhanden ge-kommen war, fehlte der Übersetzer. Später wur-den die Tabots in aufgestellte Zelte getragen, wosie „bewacht die Nacht bis zur großen Feier amnächsten Tag verbringen sollten“, wie man unssagte.

Timkat in Gondar

Nach einer in einem verhältnismäßig guten, sau-beren Hotel - trotzdem hatten wir zur Vorsichtdie Betten mit unserem von zu Hause mitge-brachten Flohpulver präpariert - verbrachtenNacht fuhren wir am nächsten Morgen sehr frühmit Ato Fisseha, Girma und Tesfaye nach Gon-dar, um in dieser alten Kaiserstadt des 17. und18. Jahrhunderts, einem der religiösen Zentrendes Landes die Hauptfeierlichkeiten des Timkat-Festes zu erleben. Unsere Erwartungen wurdennicht enttäuscht. Hunderte von Menschen hattensich vor und innerhalb des Bades des Kaisers Fa-silidas (1632 - 1667) versammelt. Da das Ein-gangstor zum Bereich des Bades viel zu eng war,war eine Nottreppe über die Umfassungsmaueraus Baumstämmen und Ästen errichtet worden,über die wir in den inneren Bereich gelangten.Dank der Hilfe Ato Fissehas gelang es uns nacheinem fast mörderischen Kampf durch die Men-ge in den innersten Bereich um das große Was-serbecken zu gelangen und unsere sehr gutenPlätze einzunehmen. Wir waren nur wenige Me-ter vom Bischof von Gondar-Nord, Abuna Elssa,

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Abschied von Mekane Yesus © M Pischel

Abuna Endreyas vor den Tabots der Kirchen von De-bre Tabor © M Pischel

Timkat in Gondar © M Pischel

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entfernt. Um das Becken standen zahllose, vorallem junge Menschen, bereit in das Wasser zuspringen. Indem der Bischof ein großes Vortra-gekreuz in das Wasser tauchte, segnete er dieses.Als er das Kreuz wieder herauszog, sprangen vonallen Seiten, sogar aus den Bäumen, die um dasBecken standen, junge Menschen in das Wasserund bespritzten die am Rande Stehenden. Es warfaszinierend. Man konnte sich nicht satt sehen.Für uns erfüllte sich ein Traum.

Leider blieb unsere Freude nicht ungetrübt. Indem Gedränge hatte Jörg seinen Fotoapparat undsein Portemonnaie „verloren“ und damit wir alleschöne bereits gemachte, unersetzliche Fotos ausMekane Yesus. Abschließend sorgten Ato Fisse-ha und Girma dafür, dass wir Abuna Elssa begrü-ßen konnten. Ihn hatten wir bei seinem Deutsch-

landbesuch kennen- und schätzen gelernt. Mitihm hatten wir u. a. in Bottrop eine Grubenfahrtunternommen. Das Wiedersehen war sehr herz-lich. Er war umringt von zahlreichen Priestern,Mönchen und Diakonen. Vor ihm und den vor-beiziehenden Tabots tanzten Debteras. Es wareine bewegende Atmosphäre. Abuna Elssa freutesich sehr, uns wiederzusehen, und wir freutenuns ebenso. Nach den Feierlichkeiten im ummauerten Bezirkdes Bades des Kaisers Fasilidas brauchten wirviel Zeit, um den Platz durch das einzige Torverlassen zu können. Das Gedränge der hinaus-und hereindrängenden Menschen war ungeheuer.Die oben erwähnte Nottreppe war inzwischen zu-sammengebrochen. Als wir endlich unser Autowieder erreicht hatten, hatten wir alle denWunsch, etwas zu trinken, und so landeten wirschließlich in der Dashen Brewery und genossendas wirklich gut schmeckende Bier.Für den Nachmittag vereinbarten wir einen Be-

such der Kirchenschule Medhane Alem GubaeBet (s. „Kirche und Schule“, Heft 64, 2011, S. 15f). Dort empfing uns Like Likawent Gebre EzraHaddis. Die Schule machte einen gepflegten Ein-druck. Der Vorstand der TS hatte uns beauftragtnachzufragen, warum sich die Schule in der letz-ten Zeit nicht mehr gemeldet habe, ob die Hilfeder TS nicht mehr benötigt werde. Dies wurdeenergisch zurückgewiesen und man bat aus-drücklich darum, die Hilfe fortzusetzen, da mandarauf angewiesen sei. Entsprechende schriftli-che Anträge wurden in Aussicht gestellt.Anschließend führte uns Gebre Ezra Haddis zueiner weiteren großen Feierlichkeit mit AbunaElssa und vielen Geistlichen und Gläubigen imSchatten einer großen Kirche. Dank GirmasÜbersetzung konnten wir auch etwas von dendort gehaltenen Reden verstehen. So wurden wir

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Segnung des Wassers durch Abuna Elss © M Pischel

Nach der Segnung des Wassers © M Pischel

Treffen in Medhane Alem © M Pischel

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u. a. feierlich begrüßt und Abuna Elssa bedanktesich in aller Öffentlichkeit für die Hilfe der TSund bat um Fortsetzung, da die finanzielle Hilfefür das Überleben der Kirchenschulen äußerstwichtig sei. Auch wir wurden aufgefordert, etwaszu sagen. Wir bedankten uns für den so freundli-chen Empfang und versprachen, die TS zu unter-richten und weiterhin bemüht zu bleiben, vor al-lem neben der Unterstützung von Lehrern undSchülern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Nachdem Jörg sich einen neuen Fotoapparat ge-kauft hatte, verließen wir Gondar, noch ganz er-füllt und bewegt von den beeindruckenden kirch-lichen Feierlichkeiten und den so freundlichenMenschen. Der Besuch des Timkat-Festes inGondar hat sich wirklich gelohnt!Das Fest klang aus mit einem köstlichen Abend-essen im Hause Ato Fissehas in Debre Tabor.Als wir ziemlich spät in unser Hotel kamen,mussten wir feststellen, dass wir keinen Stromhatten. Aber Jörg kam auf die Idee, den funktio-nierenden Fernsehapparat einzuschalten, so dasswir wenigstens etwas Licht im Zimmer hattenund unser Bett fanden.

Zuramba

Am nächsten Morgen brachen wir - wieder beiherrlichstem Wetter - nach Zuramba auf. DieseKirchenschule liegt zwischen Debre Tabor undWoldiya, leider nicht an der gut asphaltiertenStraße. Es erwartete uns ein längerer Fußmarschdurch eine schöne Landschaft zunächst ziemlichbergab und dann wieder bergauf. Wir durchwan-derten einige kleinere Dörfer. Die Menschen be-gegneten uns sehr freundlich. In einem Dorf bra-che eine junge Mutter ihren kleinen Sohn aufdem Arm und zeigte uns eine fast hühnereigroßeGeschwulst, die dieser hinter dem Ohr hatte. Kairiet ihr, sofort einen Arzt oder ein Krankenhaus

in Debre Tabor aufzusuchen, da die Geschwulstaufgeschnitten werden müsste.

Um die Mittagszeit erreichten wir Zuramba. Äu-ßerlich machte diese auf einer von Bäumen um-standenen großen Wiese gelegene Schule einensehr guten Eindruck. Wir bestaunten zwei größe-re Gebäude. In dem einen befand sich, wie manuns sagte, eine Getreidemühle, die aber nichtfunktioniere. In dem anderen Gebäude befandensich die Unterkünfte für die Schüler und ein gro-ßer Klassenraum. Beides machte einen sehr un-gepflegten Eindruck. Die Schüler waren - wieman uns sagte - zum Ernteeinsatz bei ihren Fami-

lien. Mit den fünf Lehrern trafen wir uns imKlassenraum. Die Schulbänke, auf denen wirPlatz nahmen, verdienen nicht mehr diesen Na-men. Nachdem man uns ein Erfrischungsgetränkgereicht hatte, berichteten die einzelnen Lehrerüber ihre Tätigkeit. Zurzeit hätten sie 45 Schüler.Sie wünschten sich neue Schulbänke und beklag-ten den Wassermangel. Ein Brunnen müsste ge-bohrt werden. Einen geeigneten Platz hätten sieschon gefunden, aber es fehle das Geld (50.000ETB). Die Getreidemühle sei stillgelegt, da derDiesel zu teuer wäre. Sie woanders hin zu verle-gen, eventuell an die Hauptstraße, erschien auchnicht möglich. Deshalb möchten sie aufgrund derErfahrung der Kirchenschule Bethlehem eineBienenzucht eröffnen, um durch den Verkaufvon Honig an etwas Geld zu kommen. Wir versprachen, die Wünsche der TS vorzutra-gen: Brunnen, Bienenzucht und Druckkosten.

Bethlehem

Nach Zuramba waren zwei Vertreter der Kir-chenschule Bethlehem gekommen und hattenzum Dank für die erhaltene Hilfe durch die TS

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Abuna Elssa dankt der Tabor Society © M Pischel

Lehrer der Kirchenschule Zuramba © M Pischel

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einen großen Topf Honig mitgebracht. Die Bie-nenzucht laufe wieder langsam an. Von den ur-sprünglich 40 Bienenvölkern hätten sie wiederzwölf, und sie hofften, demnächst wieder 30 zuhaben. Ein Mann sei für die Bienen abgestellt.Für ein Kilo Honig seien ihnen 30 ETB angebo-ten worden. In Addis Abeba würde man dafürmehr als das Dreifache erhalten können.

Freudig berichteten sie, dass sie jetzt Strom be-kämen. Sie fragten, ob die TS die Kosten für denAnschluss, 5.000 ETB, und die monatliche Ge-bühr, 300 - 400 ETB, übernehmen könnte. Auchwären sie sehr dankbar, wenn die TS es ihnen er-möglichen könnte, für die 140 Schüler und diefünf Lehrer Decken anzuschaffen. Eine Deckewürde 200 ETB kosten. Auch ihnen versprachen wir, die Bitten nachDeutschland mitzunehmen.

Klosterkirche von Zuramba

Nach einem Imbiss brachen wir auf zu der ober-halb der Schule gelegenen berühmten Kirche vonZuramba, die der Hl. Maria und dem Hl. Yaredgeweiht ist. Dass der Aufstieg so beschwerlichist, war nicht zu vermuten. Ohne die Hilfefreundlicher Äthiopier und das unterwegs reich-

lich verabreichte Tala-Bier wäre das Erreichender Kirche kaum möglich gewesen. Aber wirwurden für die große Anstrengung belohnt. DieMalereien aus dem 18. Jahrhundert haben uns inihren Bann gezogen. Man konnte sich nicht sattsehen. Leider war der Innenraum ziemlich dun-kel, und die Malereien waren hinter großen Tü-chern verborgen. Aber hilfreiche Hände versuch-ten, die Vorhänge beiseite zu ziehen. Die ganzeHeilsgeschichte erstrahlte vor unseren Augen.Großartig!

Auch an dieser Kirche wurde uns ein freundli-cher Empfang bereitet. Der Klostervorsteherklagte, dass immer weniger junge Menschen be-reit seien, das harte Klosterleben auf sich zu neh-men. Auch fehle häufig Geld. Diese Klagen ka-men uns sehr bekannt vor. Ist es in unserer Kir-che nicht ähnlich? Wir wurden gebeten, uns da-für einzusetzen, dass die Mönche an dieser Kir-che finanziell genauso behandelt würden wie dieLehrer der Schule. Auch hier wurden wir mit ei-nem kleinen Imbiss verabschiedet. Der Rückmarsch zu unserem Auto an der Straßeverlangte von uns die Mobilisierung aller Kraft-reserven. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit be-schlossen wir, nicht nach Debre Tabor zurückzu-kehren, sondern nach Woldiya weiterzufahrenund dort zu übernachten. Um alle fünf Kirchenschulen zu besuchen, reich-te die eine Woche nicht aus. Die Wünsche vonBethlehem hatten wir erfahren, die der Kirchen-schule Mahedere Maryam nannte uns Ato Fisse-ha. Die Kostenvoranschläge für die notwendigeGebäuderenovierung lägen vor. Er wollte sie unsmitgeben.

Abschied

Nach dem gemeinsamen Frühstück im Hotel inWoldiya trennten sich unsere Wege, Kai, Girmaund Ato Fisseha fuhren mit Tesfaye zurück nachAddis Abeba, Jörg und ich brachen mit einem öf-fentlichen Bus auf nach Lalibela.

Der Besuch der Kirchenschulen war so beein-druckend, dass wir am Ende alle der Meinungwaren, den Mitgliedern der TS eine solche Reiseeinmal anzubieten.

von Kai Beermann und Martin Pischel

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Klosterkirche Zuramba © M Pischel

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Briefe aus ÄthiopienSeit dem Erscheinen von KuS 64 Ende Novem-ber 2011 sind wieder viele Berichte, Dokumenteund Dankesbriefe aus den Kirchenschulen beiFrau Georgieff, Schatzmeisterin des Tabor So-ciety, e.V. in Heidelberg angekommen. JedeSchule berichtet über die Aktivitäten der Kir-chenlehrer und der Schüler. Genannt werdenauch die neu geschriebenen Bücher der Lehrer,sei es zu den Hymnen, zu Qene, der Dichtkunst,zur Liturgie oder zu Hermeneutik. Frau Geor-gieff archiviert die Korrespondenz mit Äthiopienchronologisch. Wir wollen Frau Georgieff andieser Stelle für Ihre unermüdliche und detaillier-te Arbeit unseren herzlichen Dank aussprechen.

Für die jetzige Ausgabe der Zeitschrift habe icheinen Brief ausgewählt, der exemplarisch für dieäthiopische Kunst der Korrespondenz steht.

Er ist handgeschrieben von Mägabe BerhanätFanta Afäwärq, Lehrer für Zemare, Kirchenge-sang in der Kirchenschule Zuramba (Zur AbbaArägawi Serha Aryam). Mägabe Berhanät FantaAfäwärq schrieb diesen Brief, um den Mitglie-dern der Tabor Society einen guten Jahresanfangzu wünschen und sich herzlich für die ihm zuge-teilte Unterstützung zu bedanken. Die Unterstüt-zung bestand in der Übernahme der Druckkosten(50.000 ETB) für sein neues Buch zum Kirchen-gesang.

Der Brief ist zweisprachig, ein Teil ist auf Geez(Altäthiopisch), ein Teil auf Amharisch verfasst.Wie in den äthiopischen Manuskripten üblichsind die Gebete, Bibelzitaten, heiligen Namenoder die Namen von wichtigen Personen mit ro-ter Tinte geschrieben. Am Anfang des Briefessind über den einzelnen Wörtern kleinere Zeich-nen zu sehen. Diese Zeichen sind äthiopischeNoten. Das äthiopische Notensystem besteht ausvielfältigen Buchstaben und Zeichen, die überden einzelnen Buchstaben geschrieben werden.Das Erlernen dieser einzelnen Zeichen und derentsprechenden Tonart dazu kann Jahre dauern.Es ist charakteristisch für einen Lehrer dieserKirchenschule, den Brief ebenfalls mit Notenversehen zu haben. Es entsteht der Eindruck,Mägabe Berhanät Fanta Afäwärq würde vor ei-nem Publikum stehen und den Inhalt des Briefesvortragen.

Im Folgenden erfolgt eine inhaltliche Zusam-menfassung des Briefes.

Brief Mägabe Berhanät Fanta Afäwärq aus ZurAbba Arägawi Serha Aryam (Zuramba) vom 3.Teqemt 2005 (14. Oktober 2012)

Der Brief beginnt auf Geez mit der Anrufungund der Anrede, beides in rot geschrieben: ImNamen des Vaters, des Sohnes und des HeiligenGeistes, ein Gott. An den verehrten Verein TaborSociety.

Es folgen ein Segenswunsch an Deutschland undder Wunsch für ein gutes Weihnachtsfest und einglückliches Neues Jahr 2013.

Nun wird auf Amharisch der Dank für die ge-währte Hilfe und Unterstützung für Mägabe Ber-hanät Fanta Afäwärq ausgesprochen. Dank dieserHilfe konnte sein seligster Wunsch in Erfüllunggehen, sein Buch gedruckt zu sehen.

Anschließend werden weitere Segenswünscheauf Geez ausgedrückt. Sie sind ausgestattet mitden speziellen Wünschen im Namen der folgen-den Heiligen: des Heiligen Abunä Aragawi, desErzengels Urael, der heiligen Jungfrau Maria unddes Heiligen Yared.

Der Brief schließt mit der Formel des Klostersbzw. der Kirchenschule, in Verehrung Gottes,der Jungfrau und des Kreuzes, des ehrenvollenZur Abba Abunä Arägawi Serha Aryam Klo-sters, Ausbildungsplatz von Zemare und Mäwa-seet, Deggwa und Zema Schülern.

Ein Stempel des Klosters und Kirchenschule ZurAbba Arägawi Serha Aryam (Zuramba) bildetden Abschluss, rechts daneben ist die Unter-schrift von Mägabe Berhanät Fanta Afäwärq zusehen, darunter folgt sein eigener Stempel.

Dr. Verena BöllDresden, den 3.10.2013

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24 Meldungen aus Äthiopien

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NEKROLOG DES GELEHRTEN MÄMHERHAYLÄ MIKAEL, MÄKANÄ IYÄSUS

Nach dem Tod von Mämher Wuhib Sellase Mä-konnen (siehe KuS 64) ist mit Mämher HayläMikael ein weiterer berühmter Exeget gestorben.Mämher Haylä Mikael war Kirchenlehrer an derMäkanä Iyäsus Schule. Er wurde von der TaborSociety seit über 20 Jahren unterstützt. Mitglie-der der Tabor Society, insbesondere Prof. Heyer,Annegret Marx und Dr. Verena Böll, haben sichwiederholt mit ihm getroffen, Interviews geführtund einen Teil seiner Schriften eingesehen.Mämher Haylä Mikael war Lehrer für Andemta,der Hermeneutik für Bibel, Liturgie und Poesie.Ein Bild und ein Aufsatz von ihm wurden in HeftKuS 55 (2002) abgedruckt. Dort berichtet er überdie Geschichte des wunderbaren Kreuzes, seinesHandkreuzes. Im Heft 55 sind das amharischeOriginal, eine englische Übersetzung und einedeutscher Kurzfassung abgedruckt. Das Fotodrucken wir hier erneut ab.

Der Nekrolog aus Äthiopien, verfasst von seinenSchülern und der Gemeinde, ist mit dem Compu-ter geschrieben und umfasst sechs Seiten. In die-sem Nekrolog wird sein Lebensweg ausführlichzusammengestellt. Sein fehlerloser Charakter,seine Weisheit, seine Großzügigkeit und seineGutmütigkeit werden hervorgehoben. MämherHaylä Mikael war ein Gelehrter und Priester füralle, für die Großen und für die Kleinen, für dieGelehrten und die Laien. Er unterstützte die Ge-meinde, indem er bei Feiertagen Essen und Ge-tränke verteilte.

Wir drucken Auszüge aus dem Nekrolog ab undgeben eine kurze Zusammenfassung wieder.

Mämher Haylä Mikael heißt mit vollem TitelMägabi Haddis Mämher Haylä Mikael SahelMaryam. Er wurde am 25. Hedar 1923 (1930) inWollo, Provinz Amara, an der Grenze zu Boräna,geboren. Sein Vater war Ato Sahel MaryamGäbrä Egziabher und seine Mutter WayzäroWällätä Iyäsus. Mit 4 Jahren tritt er ins Klosterein und lernt dort lesen und den 'Dawit' (Psal-men). Er bleibt im Kloster und lernt Qene(Dichtkunst), Somä Deggwa, Meeraf und dasAlte Testament.

Ab 1937 (1944) wird er mit 14 Jahren vom seli-gen Abunä Yeshaq zum Diakon ausgebildet unddanach wird er mit 18 Jahren Mönch im Klosterund erlernt das Priesteramt. Seit 1944 (1951)lernt er auch mit dem seligen Abunä Gäbreel ausDessie.

1947 (1955) zieht er weiter nach Gondär, nachMäkanä Iyäsus, um in den Büchern ausgebildetzu werden. Er nimmt Unterricht bei dem großenGelehrten Mämher Gäbrä Giyorgis und be-herrscht mit 35 Jahren das Neue Testament,Fetha Nägäst, die Auslegung von Weddase Ma-ryam, Qeddase Maryam, den Kalender, denBund und die Geheimlehre. Als Mähmer GäbräGiyorgis 1952 (1960) in die Kathedrale Sion be-rufen wird, wird Mämher Haylä Mikael selberKirchenlehrer in Mäkanä Iyäsus. Er bleibt bis aufkurze Unterbrechungen bis zu seinem Tod andieser Kirchenschule.

Mämher Haylä Mikael unterrichtet nun für diefolgenden 60 Jahre in der Kirchenschule. Er bil-dete unzählige Priester und Gelehrte aus. Er be-saß über 80 Bücher, die jetzt in die Bibliothekder Kirchenschule übergehen. (Zu seinen Schülergehörte auch Erzpriester Dr. Merawi Tebege, derdie äthiopische orthodoxe Kirche in Deutschlandbegründete und in Köln lebt. s. Artikel zum 30jährigen Jubiläum in Köln in diesem Heft. An-merkung der Redaktion.)

Mämher Haylä Mikael schlief am 16. Tahsas2005 (26. Dezember 2012) um 1030 mit 82 Jah-ren für immer ein. Die Beerdigung wurde in Mä-kanä Iyäsus am 18. Tahsas 2005 (28. Dezember2012) durchgeführt. Das Kloster, die Kirchen-schule und die ganze Bevölkerung von Este trau-ern um diesen großen Gelehrten.

Dr. Verena Böll, Dresden, den 3.10.2013

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Der große Versuch

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Abunä Matǝyas (Matias)* - Neuer Pa-triarch in Äthiopien

Der sechste Patriarch Äthiopiens heißt AbunäMatǝyas. Der 72 jährige Erzbischof von Jerusa-lem wird damit Nachfolger von Abunä Pawlos,der am 16. August 2012 verstorben ist.

Abunä Matǝyas wurde am 28. Februar 2013 inAddis Abäba von 808 Wahlberechtigten gewählt.Die große Wahlversammlung bestand aus Erzbi-schöfen, Klostervorstehern, Vertreter der Sonn-tagsschulen und Gemeindemitglieder, darunterauch Frauen. Abunä Matǝyas erhielt 500 der 800abgegebenen Stimmen. In der Wahlsynode warenzuvor insgesamt fünf Kandidaten aufgestellt wor-den, darunter auch Abunä Elsaʿe aus Gondär. Abunä Matǝyas hat ein bewegtes Leben geführtund war insgesamt über 30 Jahre im Ausland, soin Amerika und in Israel. Abunä Matǝyas wurde als Täklä Maryam Asrat1941/42 in Agamä, Nord Tigray, geboren. 1954wurde er zum Diakon geweiht und diente diemeiste Zeit im Chohe Kloster in Tigray. 1962/63wurde er zum Priester geweiht und wurdeMönch. Von 1971/72 diente er bis 1975/76 in derTrinitätskathedrale in Addis Abäba. 1976 wurdeer Sekretär vom Patriarchen Abunä Täklä Hay-manot. 1979 wurde er zum Episkopus geweiht ernahm den Namen Abunä Matǝyas an. Bald dar-auf verließ er das Land und wurde Erzbischof imäthiopischen Kloster in Jerusalem. Aufgrund derpolitischen Verhältnisse in Äthiopien verließ erjedoch seinen Sitz und wanderte ins Exil nachAmerika, wo er als Bischof für die dortigen Aus-landsäthiopiern fungierte. Nach dem Macht-wechsel 1991 in Äthiopien kehrte er 1992 fürkurze Zeit nach Äthiopien zurück. Der neue Pa-triarch Abunä Paulos ernannte ihn nun offiziellzum Erzbischof von Nordamerika und etwas spä-ter, als Kanada zur eigenen Erzdiözese ernanntwurde, zum Erzbischof der Vereinigten Staaten.Im Jahre 2009 wurde er erneut zum Erzbischofvon Jerusalem ernannt und lebte dort für weiterevier Jahre. Für die Weihe des neuen Patriarchenwurde er als einer der fünf Kandidaten aufge-stellt und mit eindeutiger Mehrheit gewählt.Seine feierliche Weihe und Amtseinführung fandin der Dreifaltigkeitskirche in Addis Abäba am 3.März 2013 statt. Zahlreiche Gäste aus dem Aus-land waren anwesend.

Abunä Mathias ist der sechste Patriarch derÄOTK. Die ÄOTK wurde im 4. Jhd. gegründet.Woher kommt diese Diskrepanz? Das hängt mitder Autokephalie der ÄOTK zusammen, die erst1959 erfolgte. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde einkoptischer Mönch, der zum Metropoliten deräthiopischen Kirche in Alexandria bzw. Kairogeweiht worden war, als Oberhaupt nach Äthio-pien geschickt. Diese Konstellation wird mit demBeginn des Christentums in Äthiopien erklärt, dader Bekehrer von König Ezana, Frumentius von

Athanasius von Alexandrien zum Metropoliten(Bischof) von Aksum geweiht wurde. Er erhieltdabei den Namen Abunä Sälama Käsate Berhan.

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Der neue Patriarch, Abunä Matǝyas, nach der Be-kanntgabe seiner Wahl.

Photo courtesy of The Sheba Post

Patriarch Pawlos (1936-2012) photo.oikoumene.org

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Der Ort und die Durchführung der Weihe bliebdie folgenden 1500 Jahre gleich, erst 1949/50konnten offiziell die ersten fünf äthiopische Bi-schöfe in Kairo geweiht werden. Im September1951, nach dem Tod des koptischen MetropolitenAbunä Qerellos, wurde Abunä Basǝlyos zum er-sten äthiopischen Metropoliten geweiht. Er hattedas Recht, äthiopische Bischöfe zu weihen. Nachweiteren intensiven Verhandlungen mit Ägypten,die nicht nur auf kirchlicher Ebene stattfanden,auch Kaiser Haylä Sellase beteiligte sich aktiv,stimmte die koptische Kirche der Selbständigkeitder ÄOTK zu. Am 28. Juni 1959 wurde AbunäBasǝlyos (1883-1970) im Beisein von KaiserHaylä Sellase vom koptischen Patriarchen CyrilVI. in Kairo zum ersten äthiopischen Patriarchengeweiht. Mit ihm begann eine neue Ära deräthiopischen Kirche. Aufstellung der bisherigen Patriarchen derÄthiopisch Orthodoxen Täwahǝdo Kirche:

Patriarch Basǝlyos (1959-1970)Patriarch Tewoflos (1971 – 1976 Gefängnis,1979 ermordet)Patriarch Täklä Haymanot (1976-1988)Patriarch Märqorewos (1988-1991 Abdankungbzw. Flucht, lebt im Exil in Amerika, mit eige-ner Synode, Bischöfen und Gemeinde)Patriarch Pawlos (1992 -2012)Patriarch Matǝyas (2013-)

Im Internet sind auf youtube zahlreiche Videoszu seiner Weihe, Interviews etc. abrufbar, z.B.http://www.youtube.com/watch?v=zU-EIB4rp9pw*Die korrekte Wiedergabe des Namens ist Ma-tǝyas. n der internationalen Presse wird derName meist als Mathias oder Matias geschrie-ben.

Dr. Verena Böll

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Die koptisch orthodoxe Kirche vordem Ende?Patriarch Tawadros schon zu Beginnseiner Amtszeit gefordert

Wohin wird Ägypten, wohin wird auch diekoptisch orthodoxe Kirche in Ägypten, eine derältesten Kirchen weltweit, gehen? Unsicher sindnicht nur die Beobachter und Kommentatoren.Verunsichert sind vor allem auch die koptisch or-thodoxen Christen zusammen mit den koptischevangelischen und koptisch katholischen in ei-nem der Ursprungsländer des Christentums über-haupt. Angesichts der unsicheren politischen Ent-wicklungen nach der Absetzung von PräsidentMohammed Mursi, der der lange verfolgten underneut verbotenen Muslimbruderschaft nahesteht, sagen Kommentatoren auch das „Ende desChristentums in Ägypten“ voraus.Der als 118. Papst von Alexandria und Patriarchauf dem Stuhl des Heiligen Markus durch Los-entscheid ins Amt gekommene junge Bischof Ta-wadros versucht sich angesichts dieser komple-xen, komplizierten und unübersichtlichen Lagevorsichtig und diplomatisch zu verhalten. „Wirhaben einen Papst! Wunderbar! Gott hat wie im-mer den Besten für uns ausgesucht,“ jubelte am

04. November 2012 eine junge Koptin und ver-band – wie auch der Großteil der ca. 10 Millio-nen Gläubigen weltweit – mit dem neuen Kir-chenführer große Hoffnungen. Damit gingen 9Monate zu Ende, in der die koptisch orthodoxeKirche in der unruhigen Zeit der arabischen Um-brüche und des Neuanfangs in der ägyptischenGesellschaft durch den Tod von Patriarch She-nouda III. führungslos war.

Ägypten sucht nach Identität

Seit den Bildern vom Tahrir Platz im Zentrumder ägyptischen Hauptstadt Kairo Anfang 2011werden das Land am Nil und die in ihm lebendenChristen und die in der weltweiten Diaspora voneinem Extrem ins nächste geworfen. Demon-strierten zunächst Muslime und Christen, Alteund Junge, Akademiker und Nichtakademiker,Männer und Frauen gemeinsam unter demSchutz der Armee den Sturz des langjährigenPräsidenten Hosni Mubarak herbei und hofftenauf gesellschaftliche und wirtschaftliche Verbes-serungen, so wurden sie von den Muslimbrüdern,dem ihnen nahe stehenden Präsidenten Moham-med Mursi und anderen muslimischen Kräften,aber auch ausländischen Regierungen enttäuscht.Versprechungen und Veränderungen wurdennicht eingehalten.

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Der daraufhin im Juni/ Juli 2013 auf massive In-tervention des Militärs eingeleitete Machtwech-sel sollte zurückliegende Entscheidungen korri-gieren, politische, gesellschaftliche und wirt-schaftliche Sicherheit gewährleisten. Er wurdevon den beiden führenden Religionsvertreterndes Landes, dem Großscheich der Al-Azar-Uni-versität und dem wenige Monate im Amt befind-lichen koptisch orthodoxen Patriarchen medien-wirksam unterstützt.Seitdem müssen die koptischen, besonders diekoptisch orthodoxen Christen in Angst undSchrecken leben, denn Anschläge vermutlich is-lamistischer Extremisten zerstören Kirchen undGebäude, töten und verletzen Menschen sowohlin Städten als auch Dörfern. Ohne die Hinter-gründe im Einzelnen jeweils aufklären zu könnenoder von Polizeiseite aufklären zu wollen, kannder Eindruck systematischer Verunsicherungnicht ausgeschlossen werden.Diese komplizierte und komplex problematischeLage lässt Patriarch Tawadros in den letzten Wo-chen vorsichtiger und zurückhaltender im Landagieren. Während er im Rahmen von Auslands-besuchen z.B. in Europa moderat, freundlich, of-fen und lebendig, dadurch auch gewinnend aufdie Situation seiner Kirche und ihrer Gläubigenaufmerksam zu machen versteht und den ökume-nischen Kontakt fördert, so hält er sich nun amNil mit öffentlichen Veranstaltungen und Äuße-rungen aus Angst vor Anschlägen oder Unruhenzurück.

Ein Pharmazeut an der Spitze

Große Hoffnung auf Öffnung, gesellschaftlichePartizipation, ökumenische Impulse verbandenund verbinden sich noch immer mit Anba Tawa-dros. Zuletzt arbeitete der innerhalb der koptischorthodoxen Kirche nicht ganz unbekannte, außer-halb jedoch unbekannte Kirchenführer in Da-manhur als Weih- bzw. Assistenzbischof für Bi-schof Pachomius. Eine kleine Bischofsgruppe,der neben anderen Auslandsbischöfen auch AnbaDamian, der Bischof für Norddeutschland (Höx-ter-Brenkhausen) angehörte, hatte Tawadros(Theodor) El Anba Bishoi als Kandidaten vorge-schlagen. Der heute 60 jährige wurde 1952 in ei-ner sehr religiösen Familie nahe der mittelgroßenStadt Mansoura, ca. 120 km nordöstlich von Kai-ro geboren. Bereits als Jugendlicher war er inverschiedenen Funktionen seinem späteren För-derer Bischof Pachomius begegnet, der von ihm,

seinem Umgang mit Jugendlichen und seiner Ge-sprächsbereitschaft begeistert war.

Anba Tawadros lernte während seines Pharma-ziestudiums in Alexandria und seiner Beschäfti-gung als Manager in einer Arzneimittelfabrik aufKleinigkeiten zu achten. Ein berufsbegleitendesStudium am kirchlichen College in Alexandriaund weitere Pharmaziestudien in England schlos-sen sich an.1986 trat er ins Bishoikloster im Wadi Natrunein, in das sich auch sein Vorgänger im Patriar-chenamt, Patriarch Shenouda III. regelmäßig zu-rückzog. 1988 folgte die Mönchs-, 1991 die Prie-ster- und 1997 die Bischofsweihe. Zunächst Assi-stent von Bischof Pachomius in Damanhur, imwestlichen Nildelta, zog es den jungen Bischofu.a. zu Studien in Management und christlicherPädagogik nach Singapur. Besonders eingesetztwurde er im Bereich der Jugendarbeit und kirch-licher Entwicklungsarbeit, im Auftrag der Heili-gen Synode in den Ausschüssen für Glauben, Er-ziehung, Gesetzgebung und Pastorale Diensteund im engeren Beraterkreis von Patriarch She-nouda III. Seine Arbeitsweise und Persönlichkeitzeichnet sich durch hohe Loyalität, Fachkennt-nis, Zurückhaltung und Bescheidenheit aus. Imgesamten Kandidatenverfahren waren ihm nurAußenseiterchancen für das schwierige Amt desPatriarchen eingeräumt worden. Der Losent-scheid eines kleinen Jungen in der überfüllten St.Markus-Kathedrale in Kairo zog ihn dann insRampenlicht und auf die komplizierte ägyptischeBühne.

Tawadros will keinen Religions-Staat und kei-ne Auswanderung

Seit seinem Amtsantritt lehnt Patriarch Tawadrosin Wort, Schrift und Tat einen Religions-Staat inÄgypten ab. Neben Sicherheit und einer sich er-holenden Wirtschaft wünscht sich das Oberhauptin einem Interview „sozialen Frieden in einemStaat, der von seiner Verfassung her geeint, säku-lar und modern sein sollte.“ Immer wieder be-zeichnet er, anders als mancher Kirchenvertreter,in Vergangenheit und Gegenwart Muslime als„Brüder“ der Kopten und ruft zum Dialog undZuhören auf, eine Aufforderung vor allem an diekirchliche und die ägyptische Jugend.

Auch warb und wirbt er für ein Leben und Arbei-ten in Ägypten. Die Kopten erinnert er immerwieder daran, dass sie in der Vergangenheit in

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Respekt und Frieden neben und mit Muslimenlebten. Die Gemeinsamkeit solle auch weiterhingelten. Innerkirchliche Ausbildungszentren sol-len Kirchengliedern, Priestern und Bischöfenhelfen, Sprache, Geschichte und Kultur der Na-tion zu verstehen, in der sie leben und dienen.So zeichnet sich ab, dass Ausbildung auf derGrundlage der reichen Geschichte und Spirituali-tät, die für die Gegenwart neu formuliert werdenmuss, zu den Hauptaufgaben des jungen Hierar-chen gehören werden. Die Kopten erwarten dar-über hinaus, dass sie im neuen Ägypten keineMinderheitenrechte mehr, sondern realistischePerspektiven haben werden. Das Engagement

von Patriarch Tawadros zur Bildung eines natio-nalen Christenrates versucht diesem Ansinnenauch ökumenische und strukturelle Gestalt zuverleihen.Abzuwarten bleibt, ob es dem Patriarchen ge-lingt, zwischen den Gruppen, die sich im Zusam-menhang der neuerlichen Verfassungsdiskussioninnerhalb der eigenen Kirche bilden, zu vermit-teln und weiterhin einend und sanft ermutigendzu leiten. Geistliche Führung wird erhofft undsehnlich erwartet.

Markus Lesinski, ev.-luth. Pastor, z.Z. im Aus-landsdienst der EKD

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Rosa sancta oder heute „Rosa x richardii Rheder“ genannt © A. Marx

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Eine sehr alte Rose aus ÄthiopienIn den Listen des berühmten Kew Royal Botani-cal Garden kann man folgenden Eintrag finden:

Cat. Nr. 26761 Rosa sancta L., Portion of wreathof flowers, als Geber wird Sir Flinders Petrie ge-nannt.

Sir William Flinders Petrie (1853-1942), einerder großen englischen Archäologen, fand bei ei-ner Ausgrabung in Hawara 1888 in einer Schach-tel mehrere aus Rosen gemachte Kränze, dieetwa um 170 n. Chr. datiert wurden. Diese warenso gut erhalten, dass Francois Crépin (1830-1903) der grösste Rosenexperte der damaligenZeit, sie später als Rosa sancta identifizierenkonnte.

Der Botaniker Achille Richard (1794-1852)beschrieb erstmals im Jahre 1848 in einer Floraof Abyssinia diese Rose. Pflanzenmaterial dieserRose, die in der Nähe von Kirchen und Gräbernin Äthiopien wächst, wurde 1895 nach Europagebracht und wird noch heute von Rosenschulenkultiviert. Der Name war, wie es sich später zeigte, „be-setzt“, und deshalb gab ihr der Botaniker AlfredRheder 1922 ihren heutigen lateinischen Namen,Rosa x richardii Rheder, diese ist identisch mitder hier beschriebenen Rosa sancta.Rosa Richardii ist wahrscheinlich eine Kreuzungzwischen den Wildformen Rosa gallica und Rosaphoenicia. Sie entstand vermutlich in Kleinasienoder in Syrien, wo beide Arten wachsen. Rosa xrichardii ist eine prachtvolle Rose mit einer sehrlangen ungewöhnlich ereignisreichen und inter-essanten Geschichte; keine andere Rose kannman als Kulturrose zeitlich so weit zurückverfol-gen. Eine - dazu passende - Geschichte erzählt, dassFrumentios, der erste Bischof Äthiopiens, dieRose aus seinem Heimatland Syrien mitnahm,als er im 4. Jahrhundert das Christentum nachÄthiopien brachte; seitdem wurde sie in derNähe von Kirchen und Klöstern in Äthiopien an-gepflanzt. 1895 wurde Rosa x richardii vonÄthiopien nach Europa gebracht und kam 1902in England in den Handel. Selbst heute nochkann man an mehreren Stellen in Äthiopien dieRosa x richardii finden. Es gibt auch in anderen Ländern Geschichtenvon Heiligen Rosen, an Kirchen, so ist die be-

rühmte Tausendjährige Rose am Dom zu Hildes-heim, von der auch ein Ableger am Dom zu Aa-chen wächst- um nur ein Beispiel zu nennen.Die Rose aus Äthiopien wird in den Beschrei-bungen der Rosenschulen als sehr winterhart be-zeichnet, sie wächst als kleiner Strauch 60-100cm hoch, ist sehr stachelig und trägt einmal imJahr leicht duftende, wunderschöne weiße – zar-trosafarbene einfache Blüten.Zum 30jährigen Jubiläum der Äthiopischen Or-thodoxen Kirche in Köln am 16. Juni 2013 blüh-te neben der Kirche zum ersten Mal ein Rosen-stock der Rosa ‚sancta’ richardii , – ein Stück-chen Äthiopien, erhalten über Jahrhunderte hin-weg, aus einem Ableger kultiviert in Europa: Ichhabe mich sehr darüber gefreut und es als einSymbol verstanden!

Christliche Symbolik

Die Alte Kirche hat lange gezögert, die Rose alschristliches Symbol zu verwenden. HeidnischeVerwendungszusammenhänge verhinderten dieszunächst.

Später wurde die Rose im christlichen Westenallmählich vor allem ein Christussymbol und imMittelalter sogar ein beliebtes Symbol seinerMutter Maria. Zunächst wurden rote Rosen alsSinnbild des blutigen Martyriums der Heiligenverstanden und bald auch auf Jesus in seinemLeiden bezogen. Durch den Rückgriff auf alt-testamentliche Texte, vor allem im Vergleichdurch die christliche Ikonographie mit der Ewi-gen Weisheit mit der in Jericho gepflanzten Rose(Sir 24,14 in der Septuaginta) und durch dieWeissagung des aus der „Wurzel Jesse hervor-kommenden Reises“ (Jes 11,1) konnte die Rosein vielfacher Hinsicht zum Symbol - sowohl fürMaria, wie für ihren Sohn Jesus werden.

Annegret MarxDie WEB-Seite http://www.welt-der-rosen.de/duftro-sen/wildrosen_m.htm#rosa_sancta

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Die bedrohte Klosteranlage von Wal-debaDie Region Waldeba im NW Äthiopiens, inTigre, ist aufgrund ihrer Kloster Tradition vonhöchster Bedeutung für die Äthiopisch Orthodo-xe Kirche, ganz besonders wegen ihrer Eremiten.Eine Tradition von Waldeba berichtet (im BuchDersanä Ura’el ), dass die Hl. Familie auf ihrerFlucht nach Ägypten bis nach Äthiopien kamund sich in Waldeba aufhielt. Nach der Vita hatAbunä Samuel in Waldeba gelebt, das in denWerken vieler Heilige als Ort großer Spiritualitäterwähnt wird.

Die Klöster Waldebas besassen niemals Land-schenkungen; die Mönchsgemeinschaften ver-sorgten sich jedoch selbst und sind so hervorra-gend an die Voraussetzungen der örtlichen Naturangepasst. Von den frühesten Zeiten an unter-streichen alle Quellen das starke Asketentum derEinsiedler und Mönche von Waldeba und erwäh-nen besonders die örtliche qwarf-Wurzel-Ernäh-rung. Getreide wird als weltliche Ernährung an-gesehen und deshalb im zentralen Mönchsgebietnicht angebaut. Anstelle von Getreide ernährtensich die Mönche von den dort wachsenden Pflan-zen.Heute kann ein Mönch erst nach vielen Jahrendes Dienstes in das Einsiedlerleben eintreten,und das nur mit besonderer Erlaubnis. Wer als

Mönch nach Waldeba geht um dort zu leben undzu sterben, geht in der Gewissheit, dass sein Wegzum ewigen Heil führt. Die Klöster in Waldebahaben sich nicht die Aufgabe gesetzt, eine Wild-nis zu kultivieren, ihre Mönche stimmen sich spi-rituell auf den sicheren Tod ein, indem sie ihrLeben vollkommen ihrem Gott weihen. Waldebawird seit Jahrhunderten als eines der führendenMönchs-Zentren in Äthiopien angesehen, bei-spielhaft für sein Asketentum.Die Zentralregierung Äthiopiens will die Infra-struktur ihres Landes verbessern, einen Stau-damm in der Region Waldeba bauen für Stromund Wasser, aber die Mönche und auch die Bau-ern Waldebas lehnen das Projekt ab, da ihre Dör-fer und ihre Klöster, Gräber und heiligen Stättenüberflutet werden und protestieren. Es ist dasklassische Dilemma, das auch wir in Deutsch-land kennen: Die Zentralregierung plant ein In-frastrukturprojekt, die konkret Betroffenen sinddagegen. Auch die Äthiopisch Orthodoxe KircheDeutschlands schließt sich diesem Protest an.Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Ar-beitsgemeinschaft Christlicher Kirchen inDeutschland (ACK) berichtete die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche über die Pläne der äthiopi-schen Regierung, ausländischen Partnern Teiledes Landes zur wirtschaftlichen Nutzung zuübergeben. Der Vorstand der ACK in Deutsch-land schreibt in einem Brief vom 29. Oktober2012 an Bundesentwicklungsminister Niebel undbittet ihn um Mithilfe, wo immer es möglich sei:

„Für den Bau eines Staudamms zur Versorgungder zukünftigen Zuckerrohrplantagen mit Wasserin dem Gebiet von Waldeba soll eine Klosteran-lage beseitigt werden, die für die Äthiopisch-Or-thodoxe Kirche als heilige Stätte gilt und zu denTrägern der äthiopischen Kultur gehört. BeiRealisierung des Staudammprojektes würden hi-storische Kirchen, Gebäude, Einsiedeleien undFriedhöfe zerstört werden. Einige Tausend Mön-che und Nonnen mussten gegen ihren ausdrückli-chen Willen diesen Ort verlassen. Das Anliegen,die Heiligkeit von Waldeba zu respektieren unddie Region entsprechend zu erhalten, da anson-sten die kulturelle Tradition und die christlichenWurzeln des alten Kulturlandes Äthiopien von ir-reparabler Zerstörung bedroht sind, hat sich derVorstand der ACK zu eigen gemacht“.

Dr. Friedrich Dworschak

: http://www.aethiopisch-orthodoxe-kirche.de/

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Hl. Samuel von Waldebba

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Der große VersuchÄthiopiens waghalsiger Sprung nach vornVortrag bei der Tabor Society in Heildelberg am24.09.2011

Das klingt naiv und fern aller Einsicht in die Ge-flechte historischer Kontingenz. Man kann daspotten und beckmessern. Aber das geht am Kernder Sache vorbei. Der Kern ist der Wille, denGeist des Landes umzukrempeln. Eine gewalt-lose Kulturrevolution, wenn man hoch greifenwill. Äthiopien will den Weg in die Moderne vonGrund auf gehen. Wissenschaftlich; technisch; inder Arbeitshaltung und im Umgang mit der Zeit.Strukturell im Zentrum steht das ECBP, das „En-gineering Capacity Building Programme“. Underster Partner in dieser Sache ist Deutschland,vertreten durch die GIZ als Koordinator für CIM,kfw, DAAD und andere. Arbeitsbereiche sindReform der Universitäten und der Ausbildung intechnischen Berufen; Entwicklung einesNormsystems; Ertüchtigung der Privatwirtschaft.Das ECBP ist Symbol, Leitlinie und natürlichauch Anlass zu Scheitern und Kritik. Aber wennein Land, das bei Indikatoren wie Sozialproduktpro Kopf, Kindersterblichkeit, Dichte der medi-zinischen Versorgung, Infrastruktur im unterenBereich der Skalen steht, es überhaupt schaffenkann, dann ist es das heutige Äthiopien. Von„hoher eigener Kraft zu Politikformulierung“spricht man in der Deutschen Botschaft. Von derFähigkeit zu strukturellem Denken redet man beider GIZ und führt das nicht zu Unrecht auf diealte staatliche Tradition des Landes zurück. Ehr-geiz für die Sache, Ernst im Engagement undhohe Planungsqualifikation der Partner lobt manbei UNDP. Auf den ersten beiden Seiten des „Reporter“ vom27.11.2010 stehen drei Schlagzeilen: „TheFrench Connection – French Telecom restruc-tures Ethiopian Telecom Corporation”; “Ger-mans to manage pioneer technology institutes”;“Chinese company erects largest leather factory”.Das heißt: Spitzentechnik und ihre wissenschaft-lichen Grundlagen kommen von da, wo sie en-twickelt wurden: aus Europa. Investitionen kom-men aus Ländern, die in der Gestalt vonWirtschaft und Lohnniveau Äthiopien näher ste-

hen: ganz vorn China, Indien und die Türkei.Der andere große Komplex ist die Aufrüstungder Landwirtschaft durch Investoren und durchBeratung der Kleinbauern. Motiv für den Sprung sind zum einen Armut undRückständigkeit. Zum anderen ist es die äußerstschiefe Handelsbilanz. Exporten von 1,76 Mrd. $stehen Importe von fast 7 Mrd. $ gegenüber. DieInvestitionen in Industrie und Landwirtschaftsollen auch dem Export dienen. Wer in Aussichtstellt, zu exportieren, wird von der Investitions-behörde bevorzugt behandelt.Großer Hoffnungsträger für den Export ist dieelektrische Energie. Bis zum Jahre 2015 soll dieinstallierte Leistung von 2000 Megawatt auf10 000 Megawatt steigen. Ein großer Schritt aufdiesem Wege ist der gerade ohne Rücksicht aufägyptische Bedenken begonnene MillenniumDamm am Blauen Nil, 30 Kilometer vor derGrenze zum Sudan: 145 m hoch und 1800 mlang; ca. 64 mrd cbm Wasserhinhalt. Das ist dop-pelt so viel wie der Tanasee. Größter Damm inAfrika. 5 250 Megawatt installierte Leistung; fastdas Dreifache der bisherigen Leistung. Man sieht die Bewegung. Die Airport Road mitHotels, Apartments, Büro- und Geschäftshäusernbeginnt direkt am Flughafen. Aufbruchsstim-mung liegt in der Luft, aber auch ein Hauch vonImmobilienblase. Hochhäuser fertig und im Roh-bau. Rechts der Straße wird ein ganzer Quadrat-kilometer niedriger alter Hauser abgerissen. Amnördlichen Stadtrand entstehen burgartige Villen,die man hofft gut zu vermieten oder zuverkaufen. Wer etwas Geld hat, leiht sich vielund baut damit.

Das deutsche Flaggschiff

100 Kilometer südwestlich von Addis Abebaliegt Adama, die Hauptstadt des BundeslandesOromiya, kolonialamharisch auch Nazareth ge-nannt. An ihrem Rand der viele Kilometer großeCampus der Adama University (AU). Als ichsage „Die Adama Universität ist das Flaggschiffunter den neuen Universitäten“ nickt HerbertEichele zustimmend. Professor Dr. Dr. h.c. Her-bert Eichele ist Gründungspräsident der neuenUniversität. Eichele war Rektor der Ohm–Hoch-schule in Nürnberg. Er war Präsident der bayri-schen Rektorenkonferenz. Er hat zu Zeiten seineeigene Hochschule „reengineert“, wie er sagt.

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Artikel

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Jetzt hat er in zweieinhalb Jahren aus dem altenTechnical College von Adama die Referenzhoch-schule für alle technische Forschung und Aus-bildung in Äthiopien gemacht. Auf einer blauenTafel im Innenhof des Verwaltungsgebäudesheißt es im ersten Satz über die Ziele der Hoch-schule: „1. Adama University (AU) shall becomea model technical university for Ethiopia empha-sizing economic development & University-en-terprise cooperation according to the GermanParadigm.“

14 000 reguläre Studentinnen und Studenten.Dazu 8000 Wochenend- und Abendstudenten.Die meisten Gebäude – Hörsäle, Labors, Werk-stätten, Studentenheime, eine neue Bibliothek –wurden seit Mitte 2008 hochgezogen. Von ein-heimischen Bauunternehmern unter Assistenzvon Experten der GIZ. Learning by buildingsozusagen.Eichele führt im Eilschritt durch den Compound.„Das war alles Wüste“, sagt er und zeigt aufGrünanlagen und gepflasterte Wege zwischenden Gebäuden. Was machbar ist, ist gemacht:eine neue Zentralbibliothek; Internetanschlussfür alle Studenten; Werkstätten, in denen Berufs-schullehrer die Praxis lernen können. Industrie-praktika für die Ingenieure. Ein neues Promo-tionssystem. Promoviert wird nicht mehr imAusland (zum Beispiel in München, wo einerdann vielleicht Probleme für BMW löst), son-dern in einem „Sandwichsystem“. In Zusam-menarbeit mit einer deutschen Universität überein für Äthiopien relevantes Thema. Zum Bei-spiel darüber, wie man aus Eukalyptusstämmenmit ihrer gedrehten Faser Bretter machen kann.Zwölf solche Promotionen sind bereits imGange.Natürlich ist das alles nicht einfach, und Eichelebetont, wie sehr ihm seine hochschulpolitischeErfahrung jetzt zu statten komme. Denn, klar, esgebe auch Obstruktion. Dem Vernehmen nachhat es sogar Morddrohungen gegeben. VierMonate später war Eichele wieder in Nürnberg,und nicht ganz ohne Krach. Die Benennung einesdeutschen Präsidenten war von Anfang an aufEifersucht gestoßen.

Explosiver Fortschritt/ Land grabbing

Man nennt das land grabbing. Und das ist esauch. Es hat aber auch rationale Gründe. Dasäthiopische Hochland ist zum Bersten voll besie-

delt. Tiefliegende Gebiete sind keineswegs leer.Es leben dort Nomaden und verstreute Siedler.Wirtschaftlich gesehen aber wird das Land nichtoptimal genutzt. Das steht hinter dem, das man jenach Standpunkt 'land grabbing' oder 'AgriclturalInvestment' nennt.

Die Sache hat eine Vorgeschichte. Bei derWende von 1991 führte die neue Regierung dasvon der kommunistischen Regierung eingeführteSystem der genossenschaftlichen Landverteilungfort. Das an einem Ort vorhandene Land wirdvon der Bauerngenossenschaft – Kebele – an dieansässigen Bauern verteilt; in großen TeilenÄthiopiens reicht das meist für einen halben biseinen ganzen, selten für zwei Hektar pro Familie.Reserven für die wachsende Bevölkerung gibt esnicht. Das Land bleibt in Staatsbesitz. Verteiltwerden Nutzungsrechte. Bald nach der Wende von 1991 ging die Regie-rung daran, das System des Kebelelandes durchdie Möglichkeit der Verpachtung von Land anInvestoren zu ergänzen. Das begann auf regio-naler Basis bereits 1996. Seit drei Jahren hat dieBundesregierung in Addis Abeba die Zuteilunggrößerer Einheiten an sich gezogen und im Land-wirtschaftsministerium ein Direktorat „Agricul-tural Investors‘ Support“ geschaffen. Dessen Leiter, Esaias Kebede, ist ein vielbeschäftigter Mann und bietet einen Termin für7.30 Uhr an. Auf dem Flur hängt ein Plakat mitdem Slogan „Ethiopia. A Land of unique oppor-tunity for agricultural investment“. Er nennt Zah-len:111,5 Millionen Hektar Gesamtfläche Äthiopi-ens. Davon 75 Millionen Hektar landwirtschaft-lich nutzbar einschließlich Weideflächen undBewässerung; davon 15 Millionen ungenutzt, da-von 3,7 Millionen für Investitionen vorgesehen;davon 1 bis 1,2 Millionen bereits an 8 300 In-vestoren vergeben. Die sind zum Teil Äthiopier,zum Teil Ausländer. Das Programm hat zwei explosive Probleme:zum ersten ist das ins Auge gefasste Land nichtleer, sondern meist zumindest dünn oder von No-maden zeitweise besiedelt. Den Menschen anden Rändern des Hochlandes gilt es als Reservefür den Bevölkerungszuwachs. „Die Regierungsoll aufpassen, was sie tut“, sagt Dawit, derKönig von Konso im Südwesten Äthiopiens, beieiner Audienz in seiner archaischen Burg ausHolz und Lehm. Die Konso haben durch die

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Aufweichung ihrer auf Familienplanung ange-legten Kultur großen Überschuss an Bevölkerungund sind auf Nahauswanderung angewiesen. InKonso spricht man von der „Bevölkerungs-bombe“.Hier klemmt und spannt es in hohem Maße. Unddas alles berührt noch gar nicht die Umsiedlungaus überbevölkerten Gebieten, die Sache der ein-zelnen Länder ist. Für sie bleibt kaum mehrRaum und der landlose Überhang aus demBevölkerungswachstum von noch immer über 3Prozent im Jahr muss in die Städte abwandern.Seit zwei Jahren haben auch keine Umsiedlungenvon Überbevölkerung mehr stattgefunden, wofürKenner der Lage freilich auch in der Sache lieg-ende Gründe anführen. Die Ansiedlungsgebieteliegen oft 1000 und mehr Meter unterhalb derHeimatdörfer. Das fordert eine ganz andereLandwirtschaft und erzeugt einen entsprechen-den Bedarf an Beratung. Diese Kapazitäten kön-nen wahrscheinlich sinnvoller in den dicht be-siedelten Gebieten eingesetzt werden. Da gibt esarbeitsintensive Möglichkeiten wie Bienenzucht,Obstbau; Weidekontrolle, gezielte Düngung. Me-les Zenawi sagte im Parlament, auch er habefrüher geglaubt, dass der Bauer der Patronagebedürfe. Inzwischen sehe er, dass Eigenanstren-gung viel schaffen könne.Von internationaler Dimension ist das zweiteProblem: Weite Teile des Investitionslandesmüssen bewässert werden. Das Wasser aberkommt zu großen Teilen aus Flüssen, die den Nilspeisen, und da gerät man in Konflikt mit denWasseransprüchen des Sudan und vor allemÄgyptens. 300 Millionen Menschen leben in-zwischen am Nil und in seinem Einzugsbereich.Das reicht nicht für alle, und deshalb können dieunter UN-Ägide geführten Wasserverhandlungennicht zu einem einvernehmlichen Ergebnisführen. Statt dessen redet Ägypten ab und zu voneinem möglichen Krieg um seine alten Wasser-rechte.Und das sind nur die Rahmenprobleme. DennLandwirtschaft ist kein Selbstläufer. Sie will ge-konnt sein und an Klima und Boden angepasst.Falsch dimensionierte Traktoren und Maschi-nen können enorme Mengen an Diesel ver-schwenden. Auf 10 000 Hektar kann das einenUnterschied von eine halbe Million Dollar imJahr ausmachen. Das kostet den Investor Gewinnund den Staat Devisen. Falsche Pflüge könnendas Land zerstören und die Landwirtschaft zum

Raubbau am Boden machen. Falsche Managerund Berater können in den Ruin führen. Eindeutscher Investor, der als Landwirtschaftsbera-ter viel herum kommt, schätzt dass 70 Prozentder Farmen gravierende Probleme haben. Es ma-chen Geschichten von der Art die Runde, dassein äthiopischer Investor auf seinem Land zuersteinmal alle Bäume hat fällen lassen und nunnicht weiß, was er anbauen soll, weil die Klima-bedingungen nicht zulassen, was er ungeprüftvorhatte. Oder von einem anderen, der vieleJahre in London lebte und sich nun, ohne allelandwirtschaftliche Erfahrung, 300 Hektarzuteilen ließ, von denen er nur 15 bebaut, weil erdaran gescheitert ist, das Buschland zu roden.Überraschend kam dazu, dass Affen undWildschweine seine Ernte bedrohen. Oderzwei Investoren stellen fest, dass das Grundwas-ser, mit dem sie bewässern wollten, leicht salzigist. Nun erwägen sie, ihr Land einfach Stück fürStück zu versalzen solange der Vorrat reicht.Sebsibe Demissew, Spezialist für Biodiversität inder Universität Addis Abeba, weist darauf hin,dass Äthiopien überhaupt keinen Landnutzungs-plan habe. Dies führe zu dem, was jetzt imGange sei: die maximale Ausbeutung der natürli-chen Ressourcen. Von einer nachhaltigen Ent-wicklung könne keine Rede sein.Das ist nur die eine Baustelle. Das für Regen-feldbau geeignete Land ist fast durchgehend undbis auf den letzten Quadratmeter von Kleinbau-ern mit Nutzungsflächen zwischen einem halbenund zwei Hektar besetzt. Die Hektarerträge sindniedrig. Expansion ist nicht mehr möglich. Umsodringender ist es, die Qualität der Landnutzungzu verbessern: neue Sorten; Kunstdünger; Futter-anbau statt Weidewirtschaft; Obstanbau undnachhaltige Bienenzucht; Kleindämme; Terras-sierung. Das alles gibt es in mehr oder wenigerbreiten Ansätzen. Jetzt kommt es auf die Quan-tität an. Die Regierung hat 70 000 land-wirtschaftliche Berater ausgebildet. Geld ist da.Die Weltbank hat gerade 50 Millionen Dollar fürdie Qualifizierung der Landwirtschaft bewilligt.Die Frage ist, ob die Struktur in Wirksamkeitumgesetzt werden kann. Kenner zweifeln, ob dietheoretisch ausgebildeten Berater genug prak-tische Wirksamkeit entfalten werden. Land-wirtschaft auf dem Boden selbst ist ein vertracktschwieriges Geschäft.Der indischen Firma Karaturi hat man von 300000 ha 200 000 wieder weg genommen, weil dieSache zu langsam ging.

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Bei Asella wird einTrainingszentrum der deut-schen Landmaschinenindustrie gebaut. Ein Poli-tiker, der mir bei einer Hochzeit gegenüber sitzt,streitet die Kehrseite nicht ab. Aber: „Man musseben einen Preis zahlen.“ Nur eben: wer zahltihn?Learning by building

In einem gläsernen Büro im achten Stock einesBürohauses gegenüber dem Flughafen sitzt Mar-tin Hansen, Leiter der GIZ IS in Äthiopien. DieIS – International Services – ist der gegen Hono-rar arbeitende Consultingzweig der GIZ. Bis2005 hat die GIZ IS in Addis Abeba 11 000Wohnungen gebaut. Daraus kam der Nachfolge-gedanke, sie solle 13 über das ganze Landverteilte Universitäten bauen. Drei sind in-zwischen fertig. Die anderen folgen im Jahr2011. Alle arbeiten bereits mehr oder weniger.Denn man arbeitet nach dem Prinzip, dass manauch Teilbereiche in Betrieb nimmt.

Der Bau selbst ist – so Hansen – das größte Vor-haben zur Förderung der lokalen Wirtschaft“.Äthiopische Firmen wurden beraten, angelernt,und bei guter Performance nach dem internation-alen ISO-Standard zertifiziert. Am Anfang ar-beitete man mit 13 Firmen, heute mit 86. Importevon Material werden zunehmend durch Produk-tion im Lande ersetzt. Dr. Kaba Urgessa, Staatsminister für HigherEducation, ist ein Mann von Souveränität undHeiterkeit. Er lässt durchblicken, dass im Fort-gang des Riesenprojekts vieles noch im Fluss ist.Auch die Endzahl der Studenten. Man werdeeben je nach Bedarf ausbauen oder auch nicht.Klar ist Sinn und Zweck der Sache: „to supportthe economic development we need to have”. Beider GIZ IS nennt man eine Endzahl von 148 000Studenten. Die Frage, wo die alle arbeiten sollen,nennt Herbert Eichele in Adama ein Henne-Ei-Problem. Ohne Fachkräfte wird die Wirtschaftnicht wachsen; ohne Wirtschaft wird man keineAbsolventen brauchen. Dergleichen geht nieohne Ungleichgewicht und Spannung. Meist istzuerst ein Überhang an Absolventen da. „Aberirgendwo muss man anfangen“, meint ein Dozentder Universität von Addis Abeba. Und seinedeutsche Frau, ebenfalls Dozentin, fügt hinzu,das Ganze werde eben in einem ziemlich „unger-man way“ gemacht. Für alle neuen Universitätengilt das Prinzip 70/30; siebzig Prozent der Studi-enplätze für Naturwissenschaft und Technik,

dreißig Prozent für das Übrige. Abgesehen vonder Referenzuniversität Adama darf man den Be-griff Universität hier nicht zu eng nehmen. DieQualifizierung der Lehrkräfte reicht bis hinabzum Bachelor. Rekrutiert wird der Lehrkörperaus Adama und aus den neun alten Universitäten;dazu für 3 000 im Monat zum Beispiel aus Nige-ria, Kenia, Indien und Brasilien; aus Deutschlandkaum, da hier 3 000 Dollar im Monat keine An-ziehungskraft haben. Bis zu einem gewissenGrade, so Urgessa, gelte das auch für Inder undChinesen. Bei letzteren komme hinzu, dass ihreSprachkenntnisse gewöhnlich nicht reichten, umauf Englisch zu lehren.

Schuhe für Aldi

In der Ras Dashen Shoe Factory arbeitet Rein-hold Link vom ded, Mitstreiter im ECBP. DieFabrik ist 25 Jahre alt, hat etwa 80 Beschäftigte.Der Einsatz steht im Rahmen des GIZ-Pro-gramms zur Ertüchtigung der einheimischen Pri-vatwirtschaft. Dazu gehört, dass die Firmen ex-portfähige Produkte herstellen. Link zeigt einenSchuh, den man so nur in Äthiopien würdeverkaufen können: Arbeitsmarkierungen sind zusehen; Schnittflächen sind ungefärbt; Zwirnfädennicht abgeschnitten. So etwas macht den Schuhexportunfähig. Da fängt die engineering capacityan. So geschult betrachte ich meine geradegekaufte Ledermütze: in der Tat, sie hat eineschiefe Naht. Design muss noch völlig importiertwerden.

Die GIZ hat Schuhfabrikanten über EuropäischeMessen geführt. Es sind Kontakte entstanden. AnAldi wurden 40 000 Bootsschuhe geliefert. DieRas Dashen Shoe Factory hat 20 Prozent Expor-tanteil. Die Firma ARA hat in Addis einZweigwerk gegründet. Auf dem Tisch liegt dasMuster eines Arbeitsschuhs. Wenn es klapptwerden in italienischem Auftrag 60 000 Oberle-der für Arbeitsschuhe hergestellt und inRumänien mit Sohlen versehen. Dem ECBP gehtes um Exportfähigkeit und Verlängerung derWertschöpfungsketten auf dem Feldern Leder,Textil, Pharma, Chemie, Landwirtschaft undMetall.Nach der Besichtigung sitzen wir mit dem Ju-niorchef Yared in tiefen Leserseseln aus Indone-sien. Wieso, Äthiopien ist doch ein Vieh- undLederland? – Schon, aber äthiopische Kühe

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laufen zwischen Dornbüschen herum; habenKratzer und Zeckenbisse in der Haut. Nichts fürfeines Leder. Das bremst auch den Export vonLederkleidung. Auch vom Schuhgeschäft gibt esnicht nur Rosiges zu berichten. Von 30 Fabrikensind in den letzten Jahren 21 der chinesischenKonkurrenz erlegen. Yared wirft das nicht denChinesen vor, sondern den äthiopischen Impor-ten. Sie kauften die billigsten chinesischenSchuhe und verkauften sie 30 Prozent unter denäthiopischen Produkten. Das ist ein Wort, auchwenn chinesische Schuhe wie viele andere chine-sische Produkte in schlechtem Rufe stehen.Inzwischen gibt es Schutzzölle, die Yared frei-lich für zu niedrig hält.Es hat, auch im BMZ, Bedenken gegen ein mas-siertes Counterpartprogramm gegeben. Es kom-me vielmehr auf die Wirksamkeit in den institu-tionellen Strukturen an. Inzwischen ist die Zahlder deutschen Experten zurückgegangen. BeimDED von 28 auf sieben. Beim ECBP insgesamtvon etwa 120 in 2008 auf 70 aktuell, darunter 20DAAD-Wissenschaftler für die von deutsch ge-managten Technology Institutes. Als Gründe fürdie Reduzierung werden Probleme bei der Ko-finanzierung genannt. Das kann man auch so in-terpretieren, dass der äthiopischen Seite nichtalle Ausländer das Geld wert waren, das sie kos-ten; denn zwei Drittel der Experten werden ausdem äthiopischen Haushalt mit 70 000 Euro imJahr und mehr finanziert. Fünfzig Deutsche wur-den durch billigere Kräfte von den Philippinenersetzt. Manche Experten klagten seinerzeit, dasssie gar keinen Counterpart hätten oder dass dernicht von ihnen lernen wolle. Schließlich, soSabine Becker von der GIZ, ging der deutscheAnteil zurück, weil in Äthiopien bei Textil undLeder Industriebereiche aufgebaut werden, fürdie es in Deutschland kaum noch passendesKnow How gebe. Da ist einiges gesundgeschrumpft; auch, so die GIZ, weil Deutsche„zunehmend in leitenden strategischen Posi-tionen eingesetzt“ werden.

Experiment mit Maxima

Äthiopien mit seinem ECBP ist insofern ein hochinteressantes Experiment, als hier ein Maximuman Entwicklungswillen der Regierung mit einemMaximum an ausländischer Bereitschaft zurHilfe in Geld und Sachverstand zusammenkom-men. Was hier nicht gelingt, kann überhaupt

nicht gelingen. Letztlich versucht man, den asia-tischen Entwicklungsweg zu gehen: Technik undWissenschaft aus dem Westen, Kapital, woherman es bekommt. Man kann auch sagen, es istauf höherer Ebene die Wiederkehr des techno-kratischen Entwicklungskonzepts der 60er Jahre.Die Kultur hat sich der Entwicklung anzupassenund nicht die Entwicklung der Kultur. Was dasbewirkt, hängt davon ab, wie weit der äthio-pische Entwicklungswille von den politischenMachern in die Breite der Gesellschaft und in dieTiefe der Kultur vordringt.

Da ist es logisch, dass auch das Goethe-Institutin das Problem einsteigt. Zusammen mit der Uni-versität Addis Abeba und der Friedrich-Ebert-Stiftung hat man eine Reihe „Zemenawinet“,Modernität, veranstaltet. Im Programm heißt es:Beschleunigung, Kommunikation, Individualisie-rung, Mobilität – die Moderne hat längst fast alleGesellschaften der Welt erreicht. Dabei kommtes nicht zwangsläufig zu einer Verwestlichung,sondern zu völlig neuen Konstellation von tradi-tionellen und modernen Lebensweisen. WelcheAuswirkungen dieses Zusammenspiel für dieäthiopische Gesellschaft hat, will die öffentlicheVortragsreihe „Perspektiven auf die äthiopischeModerne“ kritisch reflektieren. Aus der Deutschen Botschaft kommt eine andereStimme. Die wirtschaftlich aggressiv puschendePolitik der Regierung gehe fehl, den Menschengenüge das Wenige und sie wollten gar nichtwohlhabend werden. Das Wort vom Kamel, daseher durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Rei-cher in das Reich Gottes kommt, präge vielfachdas Bewusstsein der Menschen (vor allem aufdem Lande, könnte man wahrscheinlich sagen).Das würden die 70 000 Modernisierungsagenten,die nun die Dörfer nach vorn treiben sollen, zuspüren bekommen. Das heißt: Es fehlt eben derberühmte calvinistische Geist, der nach Max We-ber den Kapitalismus hervor gebracht hat. Mankann kulturelle Barrieren eben nicht einfachüberspringen.Die äthiopische Regierung strotzt vor Optimis-mus. Das Wachstumsprogramm für die Jahre2010 bis 2015 nennt stolze Zahlen für die letztenund noch stolzere für die nächsten fünf Jahre:Produktion von Nahrungsmitteln 12/18/39 Mil-lionen Tonnen; Einschulungsquote 69/87/100Prozent; Zugang zu einfacher Gesundheitsver-sorgung 30/90/100 Prozent; Benutzer von

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Verhütungsmitteln 15/55/80 Prozent; Zugang zurStromversorgung 16/41/100 Prozent; Nutzer vonMobiltelefonen 0,56/4/61 Millionen. Die instal-lierte elektrische Leistung soll von jetzt 2 000 auf8 000 Megawatt steigen, das Eisenbahnnetz vonjetzt null (die Djiboutibahn wurde stillgelegt) auf2 395 km. Das Pro-Kopf-Einkommen soll in fünfJahren um die Hälfte auf 355 Dollar steigen.2025 will man ein Middle Income Country sein.Das ist hoch gegriffen. Und aller Erfahrung nachlaufen solche Entwicklungen so, dass am Endevielleicht 25 Prozent der Menschen daran teil ha-ben und 25 Prozent Entwicklungsverlierer sind.

Im August 2012 ist Meles Zenawi gestorben. Essieht nun so aus, als ob die Nachfolge innerhalbdes Regimes bei einer Verschiebung der Machtzu den Nicht-Tigre stattgefunden hat. Neuer Vor-sitzender der regierenden Ethiopian Peoples‘Revolutionary Democratic Front (EPRDF) undneuer Ministerpräsident ist Hailemariam Des-salegn. Er stammt aus dem südlichen Volk derWolayto. Sein Stellverterter ist Amhare. Das isthöchst bedeutsam, weil es Druck aus der Unzu-friedenheit mit der Vormachtstellung derMinderheit der Tigre (ca. 8 Prozent der Bevölke-rung) nimmt.

Helmut und Ilse Falkenstörfer [email protected]

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lich ein Anzeichen ist für ein aufblühendes Wirt-schaftswachstum, wir wissen es nicht. Äthiopienzählt zu den ärmsten Ländern der Welt und wirhaben viel Armut gesehen. Das Land hat aberzweistellige Wirtschaftswachstumsraten vorzu-weisen.Gleich zu Beginn werden wir gewarnt und ma-chen sehr schnell die Erfahrung: die äthiopisch-orthodoxe Kirche ist omnipräsent. Per Lautspre-cher werden Gottesdienste übertragen und die

ganze Umgebung beschallt, das kann bis nachMitternacht gehen und schon früh um 5 Uhr fort-gesetzt werden, je nachdem, welchen Feiertagman begeht. Wir hören, das sei die Reaktion der

Äthiopienreise Mai / Juni 2013

Anlass unserer 3-wöchigen Äthiopienreise wardie „International Conference on Geʽez-SyriacStudies“ in Addis Ababa vom 27.-30. Mai 2013.Für meinen Mann, Jürgen Tubach, war es diezweite Reise nach 40 Jahren, damals als jungerStudent mit Friedrich Heyer, für mich die erste.Wir sind beide Gründungsmitglieder der TaborSociety. Am gleichen Wochenende unserer An-kunft fanden die Feierlichkeiten zum 50. Jahres-tag der OAU statt. Als erstes beeindrucken unsdie klare Luft, die rote Erde und die Hügelland-schaft, wir sind mehr als 2000 m hoch. Über diegut ausgebaute neue Ringstrasse werden wirnach Asco gebracht, den Stadtteil, in dem dieTagung stattfindet im Bildungszentrum derFranziskaner. Die Strasse, der ganze Stolz der Hauptstädter,wurde mit chinesischer Hilfe fertig gestellt.Überhaupt sehen wir nicht nur in der Haupt-stadt, an allen Orten, die wir besuchen – u.a.Gondar, Axum, Lalibela und vor allem auf derStrasse durch das Semien-Gebirge – Anzeicheneiner unglaublich regen Bautätigkeit, Häuser,Hotels, Bürogebäude, Strassen. Ob es tatsäch-

Baustelle in Gondar © M Feuerstein-Tubach

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Kirche auf zunehmende Abwerbungen von Kir-chenmitgliedern durch Fundamentalisten ausAmerika. In Axum erleben wir das aus der Nähe.Kinder, die sich immer wieder um uns gescharthatten, nahmen Reißaus, als sie zwei Amerikanersahen, das seien ganz schlechte Menschen, diesie beschuldigen zu betteln und außerdem woll-ten sie sie davon abhalten, orthodox zu sein. ImÜbrigen klagt niemand über irgendwelche Pro-bleme mit Muslimen, lediglich über die aggressi-ve Werbung der Fundamentalisten und allenfallsnoch über mangelndes Interesse an anderen Kon-fessionen bzw. an Ökumene.Unser erster Ausflug aus Addis ist der Mount Ze-quala, ca. 50 km südlich von Addis, nahe derOrtschaft Bishoftu oder Debre Zeyt, wo der Hei-lige Abbo oder Gäbrä Mänfäs Qeddus verehrtwird. Die Strasse nach Süden ist eine stark be-fahrene Strasse mit mehr Staus als fließendemVerkehr, viel Industrie ist entlang dieser Strasseangesiedelt, Stahlproduktion, chinesische Fir-men, Lagerhallen beispielsweise, und alle Ex-portgüter aus dem fruchtbaren Süden müssenüber diese Strasse. Auch hier wird eine Alternati-ve gebaut, aber es wird noch Jahre dauern, bis esErleichterung gibt. Unser Fahrer, ein Rasta mitdreadlocks, fährt mit uns unter Reggaeklängenauf der Schotterstrasse, die nach Bishoftu ab-zweigt und zum Heiligen Berg führt. Wir kom-men nicht sehr weit. Bald schon hängen die Wol-ken bis über die Erde und ein gewaltiger Regenbricht über uns herein, der rechts und links vonder Strasse tiefe Gräben einreißt. Die Felder wer-den zum See, kein Fahrzeug begegnet uns ge-schweige denn Menschen. Wir beschließen um-zukehren und machen Rast an einem der zahlrei-chen Vulkanseen bei Bishoftu, die offensichtlichZiel von vielen wohlhabenden, überwiegend jun-gen Wochenendeausflüglern aus Addis sind. Wie

zum Trost begegnet uns der Heilige Abbo danachhäufig unterwegs, er ist nicht nur einer der Heili-gen, die fast in jeder Kirche zu finden sind, wirsehen ihn auch am Straßenrand, auf Postern, inMuseen, gut erkennbar an seinen Begleittieren,Löwen und Panther als Zeichen für seinen Wü-stenaufenthalt und bekleidet mit seinem eigenenHaar oder mit dem Tierfell der Asketen. Einschwarzer Rabe ist mit abgebildet, der sein Augeauspickt und so vor dem Verdursten gerettetwird. Schon in Gondar bei der eindrucksvoll ausgemal-ten Kirche Däbrä Berhan Selassie, die zumSchönsten gehört, was ich je gesehen habe mitihrer Engeldecke, sehen wir die ersten Kirchen-schulen und sehr viel mehr noch später in Lalibe-la, mit ihren Schülern unter Bäumen sitzend undliturgische Gesänge singend oder Texte aus Bibeloder Heiligenviten rezitierend und memorierend.Eindrucksvoll, wie dies nach einem Jahrhundertealten Muster geschieht und keine Nachwuchssor-gen zu kennen scheint. Wir fragen einen Diakon,der uns begleitet, was aus diesen jungen Män-nern wird. Außer Diakon, Priester und Däbtära

gibt es für sie keine Beschäftigung und ob dieKirche, selbst eine so mächtige, allgegenwärtigewie die äthiopische so viele Bedienstete brauchtoder gar versorgen kann, erscheint uns höchstzweifelhaft. In Lalibela, wo mittlerweile 50 $ proPerson Eintrittsgeld verlangt wird, und die Kir-chen, um sie vor der starken Erosion zu bewah-ren, mittlerweile unter durch den UNO finanzier-ten Schutzdächern stehen, rechtfertigt sich dieKirche damit, dass sie mehr als 800 Priester inund um Lalibela unterhalte. Wir sind äußerst ge-spannt auf die Kirchenschulen, die die Tabor So-ciety unterstützt, nicht nur darauf, wie das Curri-culum aussieht bei Schulen, die das traditionelle

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Der Heilige Abbo unterwegs im Simien-Gebirge© M Feuerstein-Tubach

Traditionelle Kirchenschule in Gondar© M Feuerstein-Tubach

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Konzept mit einem modernen verbinden und wieder Schulalltag aussieht. Wir fragen uns auch,wie ein Land mit einer so alten literarischen Tra-dition und so großer Ehrfurcht vor dem Bucheine so verheerende Bildungsbilanz hat mit sovielen Analphabeten. Leider ist der Kontakt zuden Tabor-Schulen nicht zustande gekommentrotz eifriger Bemühungen. Vielleicht stimmtendie Kontaktdaten nicht, vielleicht war eineKrankheit oder Reise dazwischen gekommen.Glücklicherweise konnten wir wenigstens ganzam Ende unserer Reise noch die Schwestern inSabata mit der Schule kurz vor Ferienbeginn unddem Waisenhaus für Mädchen besuchen, weil einorthodoxer Priester sich freundlicherweise bereiterklärt hat, uns zu begleiten. Sie hinterlassen bei-de einen guten lebendigen Eindruck.Sehr genossen habe ich die Kaffeezeremonie, an-geboten in Hotels, Restaurants oder auch amStraßenrand, frisch geröstet, zerstoßen, aufge-

kocht und mit Weihrauchduft serviert, war es einherrlicher Genuss für alle Sinne, der zum Ver-weilen und Innehalten nötigte und ein wenig Zeitforderte. Wie schön, dass diese Tradition im Ur-sprungsland des Kaffees lebendig geblieben istund Kaffee wie Weihrauch selbstverständlicheinheimische Produkte sind.Ein Höhepunkt war für uns der Aufstieg zum hei-ligen Berg Asheten – immer wieder beeindruk-kend, welch große Ehrfurcht man in Äthiopienvor heiligen Orten hat – und zur Asheten Ma-ryam Kirche, einer kleinen semi-monolithischenKirche. Der zum Teil beschwerliche Aufstieg zu-erst durch Stadteile und Dörfer Lalibelas unddann durch eine faszinierende Berglandschaft,vorbei an Feldern, die gerade in Erwartung derRegenzeit mit Holzpflug und Ochsen für dieAussaat vorbereitet wurden, wurde belohnt durcheine atemberaubende Aussicht auf dem Tafel-berg, aus dem die Kirche herausgeschnitten wur-

de und einem sehr freundlichen Priester, der uns,wie es ist Äthiopien üblich ist, bereitwillig dieSchätze der Kirche, reich verzierte Handschriften

und Prozessions-kreuze, zeigt.Ein weiterer Höhe-punkt war der Um-zug des tabot amSamstag, den 8.Juni, in Axum, der,so sagt man uns,nur alle 50 Jahrestattfindet. Frühum 5 Uhr strömtes aus allen Rich-tungen zum Bezirkder KathedraleMaryam Sion. Wirreihen uns ein inden langen Pilger-zug und lauschengeduldig der Pre-

digt in der aufkommenden Dämmerung, als derZug zum Halt kommt und Priester und Däbtärasich um den Brunnen aufstellen und im Abstanddie Gläubigen, durch die sich Scharen von Bett-

lern winden und von den Gläubigen einen Obo-lus erhalten. Danach zieht der tabot wieder in dieKirche ein. Die neue Kathedrale, unter Haile Se-lassie in den 60er Jahren errichtet, und das Muse-um durfte ich besuchen, aber als Frau durfte ichnicht einmal in die Nähe der alten Kathedrale ge-langen oder gar in das Gebäude, in dem nachäthiopischer Tradition die Bundeslade aufbe-wahrt wird. Auch hier ist vieles Baustelle, dennfür die Bundeslade wird ein neues Gebäude er-richtet.

Dr. Marion Feuerstein-Tubach, Halle

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Kaffeezeremonie © M Feuerstein-Tubach

Priester der Kirche AshetenMaryam bei Lalibela

© M Feuerstein-Tubach

Umzug des tabot in Axum © M Feuerstein-Tubach

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MAAZA MENGISTE, Unter den Augen des Lö-wen. Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2012. Ausdem Englischen von Andreas Jandl. Gebunden318 Seiten. ISBN 978-3-88423-400-6. € 24, 80.

Maaza Mengiste floh 1975 mit vier Jahren ausÄthiopien. Seitdem lebte sie in Nigeria, Keniaund USA. Sie ist Schriftstellerin und lehrt Creati-ve Writing an der New York University. Sie reistimmer wieder nach Äthiopien, um soziale Pro-jekte durchzuführen. Maaza Mengistes erster Roman führt mitten hin-ein in den Beginn der äthiopischen Revolution.Er beginnt im ersten Teil mit den ansteigendenProtesten gegen Kaiser Haile Sellasie und seinemautokratischen System und beschreibt die Stu-dentenrevolten und die Hungersnot 1973. Der Romanleser begleitet eine Familie facetten-reich durch diese Zeit des politischen und gesell-schaftlichen Umbruchs. Der Vater, Hailu, ist Arztim Prince Mekonnen Hospital (später Black LionHospital), durch die Behandlung von Folterop-fern gerät sein Weltbild immer mehr ins Wanken.Sein Sohn Dawit beteiligt sich an der Revolution,sein anderer Sohn Yonas versucht, sich als Uni-versitätsdozent politisch neutral zu verhalten. DieEhefrau von Yonas, Sara steht dazwischen. DieMutter, Selam, liegt todkrank im Krankenhausund bekommt nur aus der Ferne die Umwälzun-gen mit. Das Krankenhaus wird zur zentralen Stätte imRoman. Als Yonas und Saras Tochter Tizitaschwer verunglückt, wird sie in das gleicheKrankenhaus eingeliefert. Die Atmosphäre imKrankenhaus ist bedrückend. Alle Betten sindbelegt mit Verwundeten des Umsturzes, anderePatienten werden von den Soldaten abgeholt undins Gefängnis gebracht, Folteropfer sollen behan-delt werden und mitten in dieser dichten Situati-on liegt das kleine Mädchen Tizita und kämpftum ihr Leben. Die Familienmitglieder reagierenin dieser Notsituation unterschiedlich, Sara betet,fragt sich nach ihrer Schuld und will rasch zur St.Gabriel Kirche, um Opfer zu bringen und um sie-ben Mal auf den Knien um die Kirche zu krie-chen. Dawit kommt gerade von einer Versamm-lung, wo die nächsten Schritte geplant wurden.Ihn plagen erste Zweifel.Im zweiten Teil des Buches sind drei Jahre ver-gangen, der Umsturz ist vollzogen, die sozialisti-

sche Diktatur ist etabliert, die zemecha wirddurchgeführt. Die einzelnen Familienmitgliederverändern langsam aufgrund des immer stärkerwerdenden Terrorsystems und der Unterdrük-kung, Zensur und Gewalt ihre Einstellungen.Entlang am Alltag der Familie, wieder mit vielenSzenen im Krankenhaus, wird der persönlicheund soziale Leidensdruck anschaulich wiederge-geben. Sara wird noch frommer, Dawit wechseltdie Seiten und geht in den Untergrund.Im dritten Buch wird Hailu vorgeladen und ge-foltert, das Beziehungsgeflecht innerhalb der Fa-milie ändert sich dadurch erneut. Die Situationwird immer bedrohlicher. Am Ende des Romansholen sich die Familienmitglieder ihre Würde ineiner gemeinsamen Aktion wieder. Maaza Mengiste hat einen Roman geschrieben,der das Leben in einer Diktatur hautnah be-schreibt. Die Angst der Menschen ist fast auf je-der Seite spürbar. Möglicherweise ist das Buchder Stein des Anstoßes, der alles in Rollen brin-gen wird. Vielleicht beginnen äthiopische Famili-en damit, über diese Zeit zu reden und eigeneNachforschungen anzustellen. Eine wissenschaft-liche Aufarbeitung der Diktatur ist noch in ihrenAnfängen. Der Roman ist versehen mit einem Nachwort derAutorin (S. 313-315), einem Glossar (S. 316)und einer Bibliographie (S. 317). Im Nachworterläutert Maaza Mengiste ihr Anliegen, das We-sentliche der ersten Revolutionsjahre in Äthiopi-en zu vermitteln. Das ist ihr gelungen.

Im Original: Beneath the Lion’s Gaze, W.W:Norton & Company Inc., New York, 2010.

Dr. Verena Böll

BREYER, FRANCIS: Das Königreich Aksum. Ge-schichte und Archäologie Abessiniens in derSpätantike, Darmstadt: Philipp von Zabern Ver-lag 2012 (Zaberns Bildbände zur Archäologie.Sonderbände der Antiken Welt). ISBN 978-3-8053-4460-9; 160 Seiten, € 29,99.

Ein neues Buch – doch vermittelt es etwas Neu-es? Die Leser von KuS mögen selber entschei-den.

Dr. Verena Böll

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Rezensionen

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BOMBECK, STEFAN, Die Geschichte der heili-gen Maria in einer alten äthiopischen Hand-schrift: Einleitung, kritischer Apparat, Überset-zung, Anmerkungen, Kommentar. Dortmund:Verlag Praxiswissen, 2010. 294 Seiten. ISBN:978-3-86975-029-3. € 29,00

Die Tabor Society unterstützt die Kirchenschuleund das Kloster Bethlehem (Betä Lǝḥem) inÄthiopien. Bethlehem liegt in der Nähe vonDäbrä Tabor, dem Ort, welcher Prof. Heyer 1976als Namensgeber für seinen neu gegründetenVerein wählte. Prof. Heyer besuchte wiederholtdas berühmte Kloster und pflegte einen regenAustausch mit den Kirchenlehrern. In Betlehemfindet bis heute die Ausbildung zum Kirchenge-sang, Zema, statt. Im Besitz dieses Klosters befindet sich eine wun-derschöne Marienhandschrift aus dem 14. Jahr-hundert. Annegret Marx, lange stellvertretendeVorsitzende der Tabor Society und momentanRedakteurin von KuS, hat sich das Manuskriptbei einem Besuch angeschaut und war tief beein-druckt. Sie berichtet darüber Dr. Kai Beermann,Beirat in der Tabor Society, der kurz darauf nachÄthiopien und nach Bethlehem reiste. Dort hat ersich im Jahr 2000 die Mühe gemacht, die Hand-schrift Seite für Seite zweimal abzufotografieren(508 Seiten), da beim ersten Durchgang dieBuchstaben nur undeutlich zu sehen waren. Die-se Fotos der Handschrift zeigte er auch StefanBombeck, Wissenschaftler des Christlichen Ori-ents und ebenfalls Mitglied der Tabor Society,der sich sofort dafür entschied, den Text zu ver-öffentlichen und die kostbare Handschrift be-kannter zu machen. Mit Hilfe eines Forschungs-stipendiums der Fritz Thyssen Stiftung konnte ersich zwei Jahre intensiv der Handschrift widmen.Er übersetzte die Handschrift aus dem Altäthio-pischen (Gǝǝz) ins Deutsche und kommentierteden Text. Das Ergebnis seiner Arbeit liegt nun ingedruckter Form vor. Im vorliegenden Band istdas Original nicht abgedruckt, kann aber auf derWebseite von Bombeck http://www.bombeck.de/stefan.html eingesehen bzw. angefordert werden. Bombeck macht in der Einleitung darauf auf-merksam, dass die Handschrift bzw. ihre Minatu-ren schon einmal fotografiert wurde. DianaSpencer durfte sie ebenfalls 1974 ablichten. Aufihren Fotos beruht die Beschreibung dreier Mi-niaturen der Handschrift durch Stanislaw Cho-jnacki in seinem Buch Major Themes in Ethio-

pian Painting, Wiesbaden 1983, S. 58, 84, 18.Marilyn Heldman, African Zion: the Sacred Artof Ethiopia, New Haven 1993, S. 92, datiert dieHandschrift, von ihr als Dersana Maryam be-zeichnet, in die Zeit 1400-1410 und schreibt siedem Skriptorium Kaisers Dawits (1381-1411) zu. Die bisherigen Beschreibungen bezogen sich bis-lang hauptsächlich auf diese Miniaturen und denkontextuellen Inhalt. Bombeck legt am Anfangseines Buches erstmals eine detaillierte Inhalts-angabe der Handschrift vor (S.11, siehe auchWebseite des Verlags, Leseprobe http://www.praxiswissen-online.de/images/books/9783869750682_leseprobe.pdf). Die Handschrift erzählt die Geschichte Marias.Diese Vita der Gottesmutter sammelt einzelneTexte zu Maria zu einem Gesamtwerk ihres Le-bens, von ihrer Empfängnis über ihre Himmel-fahrt bis zu ihren Wundern (S. 11). Es sind ins-gesamt zwanzig unterschiedliche Texte, die aberchronologisch aufeinander aufbauen. Sie beste-hen größtenteils aus Übersetzungen von Marien-schriften aus dem Griechischen oder Arabischen.Bombeck kommt so aufgrund seiner Analyse desInhalts, die Handschrift selbst lag ihm nicht vor,zu einer Datierung der Handschrift zwischen1380 und 1398.Die Vorlagen der einzelnen Texte werden vonBombeck zusammengetragen (S. 285-290), sodas Protoevangelium Jacobi für das erste Kapitel(Buch der Geburt der Maria). Bombeck schreibtin der Inhaltsangabe die Originalüberschriftender einzelnen Kapiteln, beispielsweise liest es:Nr. 9, S. 230-270, „Predigt, die Kyriakos vonBahnasā hielt, über das Weinen und Klagen derMaria“. Anhand dieser Originalüberschriftenwird die Zuordnung möglich, hier handelt es sichum das berühmte Klagelied Mariens um ihrenSohn am Karfreitag, Laḥa Maryam. Der Textwird Cyraicus, Bischof von Behnesa zugeschrie-ben, basiert jedoch auf dem apokryphen Gama-lielevangelium aus dem 5. oder 6. Jahrhundert,auf koptisch verfasst. Das koptische Original istnicht erhalten, dafür die arabische Übersetzung.Von dieser Vorlage erfolgte die Übersetzung insAltäthiopische zu Beginn des 14. Jahrhunderts.Dem Verfasser der Handschrift (im Text selberist ein Gäbrä Krestos angegeben, S. 156) mussdemnach die Übersetzung schon vorgelegen ha-ben, vielleicht verbirgt sich ja in der Bethlehem-handschrift die älteste Abschrift überhaupt? (S.136-156)

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Der große Versuch

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Der große Versuch

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Ein an dieser Stelle durchgeführter Vergleich derRezensentin zwischen Text und der ÜbersetzungBombecks ergab keinerlei Beanstandungen.Bombeck meistert die schwierige Vorlagesprachlich und grammatikalisch hervorragend. Dank der Forschungen Bombecks kann die wei-tere Forschung die Übersetzungswege, Vorlage,Veränderungen der vorliegenden Texte erfor-schen. Weitere inhaltliche Besonderheiten kön-nen ebenfalls gesondert erforscht werden, wiebeispielsweise das „Buch der Predigt des EngelsAfnin“ in Kapitel 18 (S. 476-481). Es handeltsich hierbei um einen äthiopischen Originaltext,der bislang nur ansatzweise untersucht wordenist (vgl. Gianfranco Fiaccadori „Ripristino

dell’omelia etiopica sull’arcangelo Afnin“, in:Delio V.Proverbio (ed.), Studi orientalistici inmemoria di Emilio Teza, Roma 1998, 45-51).Mit der Veröffentlichung der Handschrift ausBethlehem wurde ein Schritt weiter in die Rich-tung gegangen, die Prof. Heyer bei der Gründungder Tabor Society eingeschlagen hatte. Die Er-schließung der äthiopischen Literatur, die in denKirchenschulen und Klöstern bewahrt wird, warihm immer ein wichtiges Anliegen. Der For-schung öffnet sich Dank Bombecks Buch einweiteres Tor in die altchristliche Literatur unddie Mariologie. Die 12 Miniaturen findet man http://www.bombeck.de/stefan/zqm_farbfotos.pdf Dr. Verena Böll

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MARIE LUISE KREUTER, Äthiopien – von in-nen und außen, gestern und heute, ISBN 978-3-8391-9534-5, Books on Demand, Norderstedt,2010, 33,00 €o, 426 Seiten, Abkürzungsver-zeichnis, Zeittafel, Auswahlbibliographie undFotos.

Jeder der sich mit Äthiopien beschäftigt wird frü-her oder später mit gewissen Themen konfron-tiert: Der Besuch der Königin von Saba bei Kö-nig Salomo (Kebra Negast), die äthiopischen Ju-den (die Falashas), die Verteilung des Nilwassers(Äthiopien und die Kolonisation).Die Historikerin Marie Luise Kreuter hat zu 10derartigen Themen flüssig geschriebene und gutlesbare Studien verfasst, die wertvolle Hinter-grundinformationen, etwa in Ergänzung zu Rei-seführern enthalten.1. Wessen Geschichte ist „äthiopische Geschich-

te“? Geschichte und nationale Identität inAlltag und Politik.

2. Die geschriebene Geschichte im politischenWandel – Universität, Schulbücher, Zeitun-gen.

3. Der „größte Diebstahl der Weltgeschichte“und seine Wirkung.

4. Adua – die Mutter aller Siege in äthiopischer,€opäischer und afrikanischer Perspektive.

5. Yodit – Gudit, die schöne, aber teuflische Kö-nigin – Makedas Antithese und Spiegelbild.

6. Beta Israel – die Juden Äthiopiens und ihrechristlich-orthodoxen Nachbarn.

7. Der sagenhafte Priesterkönig Johannes, derLinkshänder Gragn, der Muslimfreund LijIjasu und Donor Darling Meles Zenawi -vom mittelalterlichen Bündnis gegen den Is-lam zum Bollwerk gegen die Achse des Bö-sen.

8. „Das Kind des Abbay hat Durst nach Wasser“ – die Nutzung des Nilwassers, ein “kolonia-ler Scherz“?

9. Zur Geschichte der Armenier in Äthiopien.10. Deutsch-äthiopische Beziehung – Schlag-

lichter.Zehn interessante Abhandlungen können dasThema „Äthiopien“ natürlich nicht ausschöp-fen. Z.B. fehlt eine Auseinandersetzung mit deräthiopisch-orthodoxen Kirche, ihrem Lebens,ihrem Selbstverständnis und ihrer Rolle alsKulturträgerin der Tigriner und Amharen.Wenn man die 10 Abhandlungen wie Steine ei-nes Mosaiks zusammenschaut, ergibt sich einrealistisches Bild der aktuellen Probleme desheutigen Äthiopien.Ich empfehle das Buch sowohl Äthiopienrei-senden und Menschen, die sich auf einen län-geren beruflichen Aufenthalt in Äthiopien vor-bereiten.

Pfr. em. Jan-Gerd Beinke,10.09.2013

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KAI MERTEN, Das äthiopisch-orthodoxeChristentum - Ein Versuch zu verstehen,ISBN 978-3-643-11645-1, Lit-Verlag, Dr. W.Hopf Berlin 2012, D 48159 Münster, Fresnostr.2, 24,90 EUR, 348 Seiten mit ausführlichem Li-teraturverzeichnis und Register.

Lange Zeit hat die westliche Theologie dieÄthiopisch-orthodoxe Kirche ziemlich negativbeurteilt, obwohl bzw. weil sie diese Kirchekaum kannte. Kai Merten übt in seinem Buch „Das äthiopisch-orthodoxe Christentum, ein Versuch zu verste-hen“ kaum Kritik an der äthiopisch-orthodoxenKirche, obwohl es dafür manche Gründe gäbe.Aber er referiert die Kritik orthodoxer Äthiopieran Entwicklungen in der modernen westlichenTheologie und Ethik. Durch diesen Perspektiven-wechsel vollzieht Kai Merten gleichsam einenWechsel von der abgrenzenden Kontroverstheo-logie zur ökumenischen Theologie, die das Ver-stehen sucht und die Gemeinschaft fördert.Kai Merten will nicht nur eine konfessionskund-lich korrekte Darstellung einer fremden Kircheerarbeiten. Er will zum Verständnis dieser fremd-artigen, einzigartigen Kirche führen, zum Ver-ständnis von Gottesdiensten und Festen, Kir-chenkultur und Mönchtum, frommen Legendenund religiösen Volkspraktiken. Dieses Verständ-nis will der Verfasser erschließen, indem er im-mer wieder neu schildert, wie Äthiopier Gottes-dienst, religiöse Volkspraktiken oder fromme Le-genden erleben, sehen, begründen und verstehen.Indem immer wieder Äthiopier zitiert werden,soll die äthiopisch-orthodoxe Art, zu glauben undzu leben aus sich heraus verständlich werden.Auch hier gilt der religionswissenschaftlicheGrundsatz von W.C. Smith „keine Feststellungüber eine andere Religion ist gültig, wenn sienicht von den Gläubigen jener Religion aner-kannt werden kann.“Kai Merten legt dieses Buch als religionswissen-schaftliche Arbeit vor.Für die Gliederung des Stoffes übernimmt KaiMerten die 7 Dimensionen von Religion gemäßdem Religionswissenschaftler Ninian Smart ((The Phenomenon of Religion).Dimension des Glaubens

1. die Lehre2. die Mythen

3. die ethischen und sozialen Vorstellungen,Dimensionen der praktischen Manifestationdes Glaubenslebens4. die Riten und Praktiken ( z.B. Gebete, Got-tesdienste, Feste)5. die religiösen Gefühle und Erfahrungen(z.B.Mystik)6. die Institutionen7. die Symbole (z.B. Kunst, Musik und Litera-tur).

Zur Beleuchtung des Kontexts der äthiopisch-or-thodoxen Kirche, ohne den eine Kirche nicht ver-standen werden kann, fügt der Verfasser noch 7knappe, aber wertvolle Kapitel zum Kontext deräthiopisch-orthodoxen Kirche an.

Die Religion der Oromodas äthiopische Judentumder äthiopische Islamdie katholische Kirchedie evangelischen Kirchendie ökumenische Bewegungdas äthiopisch-orthodoxe Christentum im Aus-land.

Diese Kapitel runden das Bild von der äthio-pisch-orthodoxen Kirche erst ab, weil sie dasUmfeld beleuchten, in dem die äthiopisch-ortho-doxe Kirche lebt, betet, feiert und handelt undtragen so zum Verständnis der äthiopisch-ortho-doxen Kirche erheblich bei.Das Buch von Kai Merten „Das äthiopisch-or-thodoxe Christentum, Ein Versuch zu verstehen“steht in der Tradition des Buches von FriedrichHeyer „Die Kirche Äthiopiens. Eine Bestands-aufnahme“, Berlin-New York, 1971, dem KaiMerten viel verdankt und das er auch häufig zi-tiert.Während Friedrich Heyer viele mündliche Quel-len erst in mühsamer Feldforschung erschließenmusste, da vor 40 Jahren entsprechende schriftli-che Quellen fehlten, konnte Kai Merten auf vielumfangreichere äthiopistische Literatur und For-schungen zurückgreifen und sie verarbeiten.Dieses Buch sei allen sehr empfohlen, die nacheiner neueren, zuverlässigen Einführung in dasäthiopisch-orthodoxe Christentum suchen unddas Selbstverständnis und die Vollzüge dieserKirche verstehen möchten.

Pfr. em. Jan-Gerd Beinke, Heidelberg,09.09.2013

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THE TEACHING OF THE ABYSSINIANCHURCH, AS SET FORTH BY THE DOCTORS OFTHE SAME. Translated by the Rev. A.F.Matthew. With an introduction by Canon J.A.Douglas, London 1936.

Reverend Austin Frederic Matthew hat sich inden 30er Jahren in Äthiopien aufgehalten. Er hatdas Dokument als das einzige authentische Aus-sagen zur Lehre der ÄOTK genannt.John Albert Douglas hat ein Vorwort zu derÜbersetzung geschrieben. Es war zu dem Zeit-punkt, als die italienische Armee Äthiopien be-setzt hatte und Haylä Sellase im Exil in Englandwar. Er beschreibt die Veränderung, die inner-halb der ÄOTK und im Land durch die italieni-sche Invasion erfolgte. Er stellt ferner den Man-gel an wissenschaftlicher Literatur über dieÄOTK, fast alle vorliegenden Bücher seien Wer-ke Reisender gewesen, die sich an der Legendevon Saba oder dem Priestertanz aufgehalten hät-ten, aber nicht in die Tiefe des klösterlichen Le-bens, der Frömmigkeit, der Liturgie und der reli-giösen Praxis der Gläubigen geschrieben hätten.Er beklagt ebenfalls die fehlenden Sprachkennt-nisse der Forschenden. Er bedankt sich daher er-neut bei Reverend Matthew, durch seine Über-setzung hätte er ein authentisches Dokument derabessinischen Christenheit zugänglich gemacht.Er gibt weiter auf fünf Din–A–4 Seiten eine Ein-führung in die Geschichte des Christentums undden Ursachen, wie es zu den „Nationalkirchen“gekommen ist. Interessant sind seine kulturwis-senschaftlichen Ausführungen zur Verbindungvon Kultur, Nation und Religion, durch seineÜberlegungen kommt er zum Begriff „religio-na-tionalities“:„The nationality of the community permeatedand expressed itself in the external characteristicsof its religion“ (S. 2). Um welches Dokument handelt es sich nun? DieÜberschrift lautet: THE ANSWERS GIVEN BY THE DOCTORSOF ETHIOPIA TO THE QUESTIONS WHICHBISHOP GWYNNE OF KHARTUM SENT TOTAFARI MAKONNEN THE HEIR TO THETHRONE OF ETHIOPIA YEAR OF GRACE,1916 (A.D. 1923-1924).Es folgt sofort die erste Frage: QUESTION.What is the teaching given in your churches to

children und unlearned men, firstly, concerningthe Nature of God; secondly, concerning JesusChrist as Man?ANSWER.The teaching given in your church to childrenund unlearned men, concerning in the first place,the Nature of God, is this.Auf den folgenden neun DIN–A–4 Seiten wirddie Lehre ausführlich dargelegt. Fast jede Aussa-ge wird mit Bibelzitaten belegt. Die Antwortenzu den anderen Fragen werden kürzer gehalten,doch jede Antwort wird mit Bibelstellen belegt.Für die Liturgiewissenschaftler sind die Fragenzur Eucharistie besonders, so Frage 25: 25. QUESTION.Who is able to bless the bread and the wine?ANSWER.It is our Lord Jesus Christ Himself who is able tobless the bread and the wine, for He has said,„Without me you are able to do nothing.“Jn.15.5. By His word and help, when the priestwho has received authority to blesses the bread,it becomes truly the Body of the Lord; and whenhe blesses the wine, it becomes truly the Bloodof the Lord……Die letzte Frage lautet60. QUESTION.Do you allow the consecrated bread and wine toremain in order that it may be taken to the sick?ANSWER.We do not consecrate the Eucharist one day andlet it remain until the morrow or the third dayand then give communion; but we consecrate andgive communion on the same day….Dieses Dokument verdient es, näher erforscht zuwerden. Ein Vergleich mit dem Original würdedabei an erster Stelle stehen. Der Absender derFragen, Bischof Llewellyn Gwynne, war der er-ste anglikanische Bischof in Ägypten und Sudan(1920-1946). Die Korrespondenz zwischen Bi-schof Gwynne und der ÄOTK und die Konse-quenzen, die aus den Antworten bei der Missi-onsarbeit im Süden Äthiopiens entstanden sind,sind erst ansatzweise erforscht worden, vgl. Bri-an Fargher, The Origins oft he New ChurchesMovement in Southern Ethiopia, 1927-1944.Studies of Religion in Africa 16, Leiden 1996. Der Tabor Society e.V. liegt Dank der Aufmerk-samkeit von Ernst Bauerochse, Mitglied der Ta-

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Meldungen aus Deutsch- 49

bor Society e.V., eine Kopie vor. Diese Kopiehaben Ernst Bauerochse und seine Frau in den50er Jahren in Äthiopien per Hand abgetippt. Esist geplant, diese Kopie zu digitalisieren

Dr. Verena Böll

Dorothea McEwan, The Story of Däräsge Ma-ryam –The history, buildings and treasures of achurch compound with a painted church in theSemen Mountains, LIT-Verlag, Münster 2013.ISBN978-3-643-90408-9. € 39,90. e-books areavailable at www.litwebshop.de

KuS-Leser haben im vom letzten Heft 64 vomNovember 2011, S. 32-47, eine erste Kostprobediese Buches bekommen, das nach mühevollsterForschung und unendlicher Kleinarbeit und nurin Zusammenarbeit mit vielen anderen Forschernim September 2013 erscheinen konnte.Die auch heute noch schwierig zu erreichendeKirche Däräsge Maryam markiert den Wende-punkt von der “Zeit der Richter – Zemana mesa-fint” zum Beginn eines neuen Äthiopien; hierwird die Entscheidung des Kampfes der Bezirks-fürsten zugunsten Tewodros ihren Höhepunktfinden: Geplant von Ras Webe als Zentrum sei-ner zukünftigen Herrschaft, erhoben zum Asylortwie die Kirche Däbrä Berhan Sellassie in Gon-dar, prachtvoll mit Malerei, kostbarem Kirchen-gerät, Handschriften und Paraphernalien ausge-stattet, bezeugt die Geschichte einen anderenVerlauf: Nicht Ras Webe, sondern der Sieger RasKasa ließ sich als König Tewodros II am 11. Fe-bruar 1855 von Abunä Sälama in dieser Kirchekrönen und setzte in die kostbarste Handschrift,eine illuminierte Offenbarung, seinen Stempel.Dorothea McEwan erschließt einen wichtigenTeil äthiopischer Geschichte, mit der zwei Deut-sche, der Botaniker Georg Wilhelm Schimper(1804-1878) und der Maler Eduard Zander(1813-1868) und der Ägypter später Patriarchvon Äthiopiene Abunä Sälama (von 1841-1867)und weitere europäische Abenteurer, Wissen-schaftler und Missionare verwoben sind.

Das Buch schöpft aus direkten Quellen und ver-mittelt darüberhinaus erstmals eine Vorstellungder Kirchenmalereien insgesamt, die als typischeBeispiele der traditionellen äthiopischen Bildpro-gramme gelten können. Jede Wand wurde mit ei-nem speziellen Objektiv sektionsweise fotogra-fiert und später zu einem Gesamtbild der je ein-zelnen Wand zusammenge-setzt. Ins Buchwur- de für

jede

Wandein her- auszieh-bares Falt- blatt einge-arbeitet, das eine gute Übersicht überdiese prachtvollen und gut erhaltenen Kirchen-wände gibt. Zusätzlich ist jedes Bild zugeordnetund beschrieben, was dem Leser einen immensenZuwachs seiner ikonographischen und hagiogra-phischen Kenntnisse beschert. In dieser Genauig-keit wird man kaum ein vergleichbares Buch fin-den.Es gibt allerdings für viele interessierte Leser inDeutschland einen Nachteil: Als wissenschaftli-ches Buch ist es in englischer Sprache verfasst,die zwar verständlich gehalten ist, die aber nichtjedem Menschen so einfach zur Verfügung steht.Aber es lohnt sich auch hier die Mühe – alleinschon wegen des unglaublich guten und zahlrei-chen Bildmaterials – kurzum: Jeder, der sich mitder Geschichte Äthiopiens befasst und sich fürdie wunderbare Bilderwelt der äthiopischen Kir-chentradition interessiert, ist mit diesem Buchauf das Reichste beschenkt. Abb.: Titel Fold-Out II – Ostwand der Kirche

Annegret Marx

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Diese neue Seite ist für dieKinder und soll ihnen eine Türnach Äthiopien öffnen

Wir fangen mit der Geburt an undfragen: Wie wachsen die Kinder inÄthiopien auf?

Geburt

Besonders auf dem Land haben Familien inÄthiopien häufig viele Kinder. Das halten die El-tern für sehr wichtig, denn die Kinder stärken dieFamiliengemeinschaft. Sie können, wenn sie her-anwachsen, bei der Arbeit helfen und sie versor-gen die Eltern im Alter. In einsamen Gegendenist eine Familie mit vielen Kindern stärker, wennsie zum Beispiel von Feinden angegriffen wird.

Wenn eine Frau ein Kind erwartet, muss sie sichan bestimmte Regeln halten. Diese sollen dafürsorgen, dass das Kind gesund zur Welt kommt.Die Frau darf zum Beispiel keine eng sitzendenGürtel tragen. Schwangere Frauen erhalten oft

auch ein Amulett mit Sprüchen, die alles Bösevon ihr abwenden sollen. Wenn das Kind auf dieWelt gekommen ist, darf es bis zur Taufe niemalsalleine gelassen werden. Nur so ist es nach einerverbreiteten Auffassung vor bösen Geistern si-cher. Viele Menschen glauben, dass Gegenständeaus Eisen oder Stahl in der Umgebung des Kin-des das Baby zusätzlich schützen. Die Angst,dass ein Kind stirbt, ist aber immer vorhanden.Das wird auch daran deutlich, dass es, bis essechs Monate alt ist, keinen Namen erhält. Jun-gen nennt man bis zu diesem Alter allgemeinMamma und Mädchen Mamite. Aus Furcht voreinem frühzeitigen Tod sollen die Kinder, bis sieein Jahr alt sind, auch keine weißen Kleider tra-gen.

Taufe

Zehn Tage nach der Geburt eines Jungen undzwanzig Tage nach der Geburt eines Mädchensbesucht ein Priester die Eltern. Er bringt Weih-rauch und Kreuze mit. Der Zeitpunkt der Taufewird durch den Priester festgelegt: bei Jungenetwa vierzig Tage, bei Mädchen achtzig Tagenach der Geburt. Zur Taufe wird ein großes Fa-milienfest gefeiert. lm Mittelpunkt der Feier stehtdie lange kirchliche Taufzeremonie. Der Priestersalbt das Kind zunächst dreißigmal an verschie-denen KörpersteIlen mit Öl und bläst ihm an-schließend ins Gesicht, um den Empfang desHeiligen Geistes zu versinnbildlichen. Abschlie-ßend folgt die eigentliche Taufe: Das Kind wirddreimal ins Wasser getaucht oder mit Wasser be-netzt. Dazu spricht der Priester die Worte: „Ichtaufe dich auf den Namen des Vaters und desSohnes und des Heiligen Geistes.“ Der Täuflingerhält vom Priester als Zeichen des christlichenGlaubens eine blaue Seidenschnur, die Mateb ge-nannt wird. Sie wird dem Kind um den Hals ge-legt und später noch durch ein Anhängekreuz er-gänzt. Auch in Äthiopien hat jedes getaufte Kindeinen Paten, der es wie sein eigenes Kind beglei-ten soll. Direkt im Anschluss an die Taufe findetdie Konfirmation (oder Salbung) statt. Mit dieserZeremonie wird in der äthiopischen Kirche dieHilfe des Heiligen Geistes bei der Taufe bekräf-tigt.

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Seite für Kinder

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© A. Marx

Erste Pflichten

Bis zum Alter von ungefähr sechs Jahren wach-sen Kinder weitgehend frei auf. Sie spielen in derGemeinschaft mit Gleichaltrigen und werden da-bei von den älteren Geschwistern beaufsichtigt.Als Spielzeug nehmen sie selbst hergestellte

Dinge oder auch ausgedientes Werkzeug, mitdem sie die Aufgaben der Großen nachspielen.

Die Eltern gehen davon aus, dass ihr Verstandnoch nicht reif ist, daher gibt es kaum Strafen. Erst mit der nächsten Altersstufe ändert sich dies.Mit etwa sechs Jahren - wenn die Kinder inDeutschland mit der Schule beginnen - sollen dieJungen und Mädchen in Äthiopien die Pflichtender Erwachsenen kennen lernen und ausüben.Die Mädchen werden in diesem Alter Leja-garadgenannt, was übersetzt „kleine Dienerin“ heißt.Sie müssen der Mutter im Haushalt helfen undihre jüngeren Geschwister versorgen. Bei länge-ren Wegen, zum Markt oder zum Brunnen, sindes neben den Müttern auch die älteren Mädchen,die die kleineren Kinder in der Babytrage auf denRücken nehmen. Die Jungen dieses Alters helfendem Vater bei der Feldarbeit, sie müssen die Ern-te bewachen und das Vieh hüten.Viele Jungenkönnen schwimmen und reiten, außerdem wer-den sie auf die Jagd vorbereitet.

Schule

In Äthiopien gibt es eine gesetzlich festgelegteSchulpflicht für Kinder von sechs bis elf Jahren.Dennoch besucht nur eines von drei Kindern die-ses Alters eine Schule. Mehr als die Hälfte derErwachsenen können weder lesen noch schrei-ben. Gerade in ländlichen Gegenden halten es dieFamilien oft für wichtiger, dass die Mädchen beiden alltäglichen Arbeiten helfen, sodass auf ihre

Schulausbildung verzichtet wird. Auch die Jun-gen gehen, wenn überhaupt, manchmal erst mitelf Jahren zur Schule. Der Unterricht findet oft in der Kirchenschuledes Dorfes statt und wird vom Dorfpriester er-teilt. Bei ihm lernen die Kinder mit Texten ausder Bibel das Lesen. Später müssen sie diese Bi-belstellen noch auswendig lernen. Außerdemwird in der Schule viel gesungen. Nach drei Jah-ren ist die schulische Grundausbildung für diemeisten Kinder abgeschlossen. Wer eine weiterführende Schule besuchen möch-te, muss oft seine Familie verlassen, weil dieWege zu weit sind. In der Kirchenschule folgenzunächst die Ausbildung zum Priester und an-schließend Kirchenmusik, religiöse Dichtungund das Studium der heiligen Schriften undKommentare. Wer die Kirchenschule nach derzweiten oder dritten Stufe abschließt, kann Prie-ster werden oder einen weltlichen Beruf erlernen.

Aus: Bettina Schuhmann-Jung, Girma Fisseha. Christ-liches Äthiopien – Alltag und Feste, Staatliches Muse-um für Völkerkunde, S. 22-25.

Es gibt einen Film, der zeigt wie ein Kind in derÄthiopischen Kirche getauft wird, der Titelheißt: “Wenn sie singen, bebt die Erde!”Man kann ihn hier bekommen:

Aeth.orth.Kirche in DeutschlandDr. Merawi TebegeÜckerather Str. 2

50739 Köln0221-599 [email protected]

Wenn ihr mehr wissen wollt oderauch selbst etwas berichten oderfür unsere Zeitschrift ein Bild ma-len könnt – das wäre toll! Schicktes an:

KuS, Kinderseitez.Hd. Annegret Marx

Grüneck 452064 Aachen

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© A. Marx

Die äthiopische Küche

Essen Sie gern äthiopisch? Können Sie äthio-pisch kochen? Dann helfen Sie uns bei dieserSeite! Wir suchen Menschen aus Deutschlandund Äthiopien, die äthiopisch kochen und dasvielleicht sogar zusammen tun. Wir freuen unsüber jeden Bericht – vielleicht mit Foto? – undbitten unsere Leser/innen herzlich uns ihre eige-nen Erfahrungen mitzuteilen und uns bei dieserKochseite zu unterstützen!

Wir starten mit einem Rezept für Enjera und ei-ner Übersicht über äthiopische Gewürze.

In Äthiopien fanden wir ein Kochbuch mit In-fos und Rezepten “Ethiopian Traditional Reci-pes” (1980) aus dem Ethiopian Nutrition Insti-tute, daraus entnehmen wir die nachstehen-den Informationen. Das Rezept und die wich-tigen Hinweise für den Gebrauch in Deutsch-land, wo man aufgrund der Klimaverhältnissemanches anders machen muss, bekamen wirvon Frau Negatua Ketema aus Köln und dan-ken sehr herzlich dafür!

Im Hochland Äthiopiens wird traditionell Enjeraund Wot gegessen, was in seiner Bedeutung etwavergleichbar ist der Pasta mit Sauce für Italien.

EnjeraEnjera sieht wie ein großer, dünner Pfannkuchenaus und wird aus Sauerteig gemacht. Es kann ausverschiedenen Getreidesorten wie Teff, Gerste,Weizen Mais, Braunhirse oder auch aus Mi-schungen dieser Getreidearten zubereitet werden.Enjera wird mit Wot und Allyich’a gegessen.Enjera hebt man am besten in einem äthiopi-schen Korbgefäß auf, mäsob genannt. In einemKühlschrank kann man enjera zwar länger frisch-halten, sie trocknet aber leicht aus und wird brü-chig, dehalb zerzupft man sie in kleine Stückeund hebt sie vermischt mit Wot (ferfer) oder Al-lyich’a (fitfit) auf. Jede Hausfrau hebt ein biss-chen Injera für das Ansetzen des Vorteiges zurHerstellung des Sauerteiges auf, der ersho ge-nannt wird.Ersho ist ein Sauerteig, der aus Injera und Was-ser angesetzt wird und drei Tage gären muss. Ersho kann man in Deutschland folgendermaßen

herstellen: Man nimmt einen Teelöffel Trocken-hefe und rührt ihn in lauwarmen Wasser an, dasGanze verrührt man mit 1 Tasse Mehl und lässtsie drei Tage in einem zugedeckten Gefäß stehen.

Herstellen von Injera (erprobtes Rezept für dieklimatischen Verhältnisse in Deutschland)

750 g Mehl, Teff oder 1 : 1 vermischt mit Wei-zen, Gerste, Mais oder Hirse6 Tassen Wasser2 Päckchen Hefe oder Trockenhefe

Zubereitung des TeigesLöse in einer großen Schüssel die Hefe in war-mem Wasser auf und gib die Mehlmischung hin-zu. Lasse das Ganze zugedeckt 2-3 Tage stehenbis die Gärung beginnt und sich Wasser an derOberfläche absetzt. Schöpfe dieses Wasser vor-sichtig ab.Erhitze in einem Topf 2 Tassen Wasser, nimmeine Tasse des Hefe-Mehl-Mischung und rühresie in das heiße Wasser ein, setze dies auf einekleine Flamme oder eine warme Kochplatte undrühre ständig bis die Masse dick wird; dann küh-le sie ab und gib sie zurück in die große Schüsselmit dem Teig. Gib noch mehr Wasser hinzu undlass alles ruhen bis die Mischung aufgeht.

Backen der einzelnen Injera-FladenErhitze eine große Pfanne (mit Deckel) auf ca.400 Grad. Nimm ¾ Tasse der Teigmischung undgieße sie langsam in die Pfanne, kreisend vomPfannenrand in Uhrzeigerrichtung zur Pfannen-mitte hin. Lege für 2-4 Minuten den Deckel auf.Die Injera ist fertig, wenn sie sich von der Pfannelöst. Dann nimm sie schnell aus der Pfanne undgib sie zum Auskühlen auf ein sauberes Tuch.

(Im Unterschied zu Pfannkuchen wird Injera nurvon einer Seite gebacken.)

In Äthiopien wird die Injera im metad, einerspeziellen großen Pfanne mit Deckel (akenba-lo) gebacken. In einem deutschen Haushaltkann man eine große beschichtete Pfanne neh-men die praktisch nur mit einem gefettetenKüchenpapier eingerieben wird.

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Die äthiopische Küche

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Anmerkungen:

1.Obwohl es nicht länger gebräuchlich ist, kannman mit dem heißen Wasser auch Öl hinzugeben.Öl verbessert das Aussehen der Unterseite undmacht sie glänzender.2.Teff-Mehl ist das in Äthiopien gebräuchlichsteMehl, in Deutschland kann man Teff-Mehl imBioladen oder Reformhaus kaufen. Man kannaber auch Injera aus Mehl von Gerste, Weizen,Mais, Hirse und Braunhirse herstellen.Die Länge der Gärung des Backteiges hängt vomKima ab: In heißem Klima kann die Injera nocham gleichenTag der Teigzubereitung gebackenwerden.Der Teig sollte niemals länger als drei Tage gä-ren, da er sonst zu sauer wird und Gastritis verur-sachen kann. Außerdem beeinträchtigt die Dauerder Gärung den Nährwert der Zutaten.––––––––––––––––––––––––––––––––––––Die GewürzeFür uns in Deutschland sind die äthiopischen Ge-würze sehr ungewöhnlich, sie sind aber für dentypischen Geschmack der Gerichte sehr wichtig.So ist es schwierig, z.B. Übersetzungen für dieNamen der Gewürze zu finden, die in Äthiopien/Eritrea verwendet werden; so kann z.B. derName bishop’s weed für zwei völlig unterschied-liche Pflanzen verwendet werden und wenn manihn im Deutschen mit Bischofsunkraut übersetzt,ist das ganz sicher falsch und hilft nicht weiter.Im Internet fanden wir dazu eine Seite, die sehrausführlich und hilfreich ist, daraus drucken wirhier wir einen kleinen Teil ab, der Grundsätzli-ches zu den Gewürzen der ostafrikanischen Kü-che bringt:

www.gernot-katzers-spice-pages.com

Ostafrikanische Küchen zeigen einige Parallelenzur indischen Kochtradition: So wird viel mit ge-klärter Butter (niter kibbi) gekocht; anders alsindisches ghi wird das äthiopische Pendant je-doch bereits bei der Herstellung mit Gewürzenaromatisiert und dient weniger als Bratmediumdenn als Würzmittel. Auch die traditionelle Ge-würzmischung berbere (auch berebere geschrie-ben) erinnert stark an indische masalas (sieheKreuzkümmel), und zwar sowohl in der Liste derZutaten als auch in der Herstellung, bei der die

Gewürze z.T. trocken geröstet werden. In Äthio-pien bezeichnet das Wort berbere sowohl ein mit-telscharfes bis scharfes, meist grobes Chilipulverals auch eine auf diesem Pulver basierende Ge-würzmischung (gewürztes berbere). Die Berbere-Mischung ist ziemlich scharf undwird besonders zum Würzen von Lammfleischverwendet; man stellt sie her, indem man ge-trocknete rote Chilies in einer trockenen Pfanneeinige Minuten röstet und sodann langen undschwarzen Pfeffer, Korianderfrüchte, Ingwer,Bockshornklee und auch etwas Ajowan hinzu-fügt; für den aromatischen Geschmack sorgenZimt, Nelken, Piment und Cardamomsamen. Einweiterer Bestandteil, der jedoch in vielen Rezep-ten in für den westlichen Markt geschriebenenKochbüchern fehlt, ist die Weinraute, entwederin Form frischer Blätter oder frischer oder ge-trockneter Früchte. Berbere wird nicht nur zum Kochen verwendet,sondern kann auch mit Wasser, Wein oder Met(tej) zu einer Paste namens awaze oder awaziverarbeitet werden, die man als Tischwürzereicht. Wenn man diese Paste bei erhöhter Tem-peratur trocknet, erhält man ein noch aromati-scheres Gewürz. Manche Berbere-Rezepteschreiben wiederholtes Befeuchten und Trocknenvor, um den Geschmack zu optimieren; gewisseempfindliche Zutaten, wie Rautenblätter oderBasilikum, kommen erst im letzten Arbeitsschrittdazu. Im Nachbaarstaat Eritrea findet man eine ähnli-che Küche; ihr eigenständiger Charakter resul-tiert aus der Verwendung mediterraner Zutaten(z. B. pasta) und Kräuter, die in der italienischenKolonialzeit bekannt wurden. Die Grundwürzeist eine Berbere-Paste, die ähnlich wie die äthio-pische Version hergestellt wird, aber wenigerChili enthält und den typisch eritreischen Ge-schmack durch getrocknete Zwiebeln erhält. Be-kannte eritreische Rezepte sind der Hühnerein-topf tsebhi dorho und das geschmorte Rindfleischsigni oder zigni. Das eritreische Fladenbrot inge-ra besteht, wie sein äthiopisches Gegenstück, ausTeff oder einer Teff–Weizen-Mischung, wird aberweniger fermentiert und schmeckt dadurch we-sentlich milder.

Gesucht wird noch eine gute Quelle zumEinkauf typischer äthiopischer Gewürzmi-schungen!

Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

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Kirche und Schule in Äthiopien, Heft 65 / November 2013

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

wir hoffen, dass Sie mit Interesse die Beiträge dieses Heftes KuS 65 gelesen und Ihnen diese und dievielen Fotos auch gefallen haben. Wie Sie vielleicht wissen, können Sie die Artikel dieses Heftes KuS65 – und auch die der vorangegangenen /ab Heft 45 (1993) – mit farbigen Abbildungen auch im Inter-net abrufen, Sie finden dieses Heft unter http://www.tabor-society.de/Heft-65/KuS-65.htm. Es war und ist nicht unsere Absicht KuS von der Bildfläche verschwinden zu lassen, dazu haben wir inden letzten Jahren zu viel Lust und Leid mit der Redaktionsarbeit erlebt. Die Überzeugungsarbeit desgesamten Vorstandes stimmte uns schließlich um die Redaktion wieder aufzunehmen. Wir möchtenauch in Erinnerung bringen, dass wir keine Profis sind, sondern – wie alle anderen bei der Tabor Socie-ty – dies ehrenamtlich und unentgeltlich tun. Sie helfen uns sehr, wenn Sie Wünsche und Anregungenäußern und natürlich auch Beiträge schicken, wir freuen uns über jeden Kontakt!Ihre Redaktion Dr. Friedrich Dworschak und Annegret Marx

Haben Sie noch alte Äthiopien-Dias?

Wenn die Farben noch gut sind und sie den Aufnahmeort und das Jahr vermerkt haben, können diese eine wichti-ge Hilfe für die Forschung sein! Gerade alte Dias geben Aufschluss über Entwicklungen und Veränderungen anKunstwerken und Landschaften.

Prof. Michael Gervers von der Universität Toronto in Kanada gründete eine wissenschaftliche Datenbank fürKunst und Architektur Äthiopiens, sie besteht seit 1986. Er machte darin die Fotografien seiner zahlreichen For-schungsreisen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Viele seiner Kollegen und engagierte Äthiopienbesucherwie Stanislaw Chojnacki, Paul Henze, Prof. Ewa Balicka-Witakowska und viele andere stellten ebenfalls ihr Bild-material zur Verfügung. Inzwischen umfasst die Datenbank mehrere -Zigtausend Fotos von Kirchen, Klöstern,Landschaften, Ikonen – so z.B. die gesamte Sammlung der Ikonen des Institute of Ethiopian Studies –, zahlreicheFotos von Handschriften und Kircheninnenräumen.Diese Datenbank ist über das Internet leicht zugänglich; über verschiedene Suchoptionen kann man ein Objekt su-chen, meist gibt es mehrere Darstellungen, die wie Dias nebeneinander erscheinen. Durch eine weitere Funktionkann man die kleinen Übersichtsfotos in mittlerer und hoher Auflösung vergrößern und kann auf dem eigenenBildschirm ein Bild sehr genau beobachten. Um die Copyrights der Bildautoren zu wahren, trägt zunächst jedes Bild einen Überdruck mit dem Namen desCopyrighthalters, das für Studienzwecke nicht weiter störend ist. Entschließt man sich, das Bild für eine wissen-schaftliche Arbeit zu verwenden oder zu publizieren, schickt man eine Mail an Prof. Gervers und fragt wegen ei-ner Erlaubnis zur Veröffentlichung an, was meistens kurzfristig möglich ist. Da viele Copyrighthalter auf ihreRechte verzichtet haben um die nicht mit hohen Mitteln geförderte Äthiopien-Forschung zu unterstützen, ist dasin den meisten Fällen kein Problem und man bekommt die Genehmigung kostenlos unter den üblichen Bedingun-gen wie Namensnennung des Bildautors etc.

Die Database MÄZGÄBE SƎ’ƎLAT ist frei zugänglich unter http://128.100.218.174:8080/ethiopia/login.jsp einloggen mit USERNAME: student und PASSWORD: student.

Falls Sie Interesse haben, Ihre Dias für eine Digitalisierung zur Verfügung zu stellen, kontaktieren Sie bitte dieRedaktion unter F. Dworschak/A.Marx Telefon: 0241-75124 [email protected]

Namen von Kräutern und Gewürzen aus Äthiopien

Englisch Amharisch Botanisch Deutsch

Bird’s eye mit’mit’t’a Capsicum annuum Roter Pfeffer Bishop’s weed nech’azmud / ajwain Carum copticum,

Fructus ajowani äth. Kreuzkümmel

Caradamom korreyima Eletteria cardamomum

Cardamom

Cinnamon qerefa Cinnamomum verum Zimt Cloves qirinfud Eugenia caryophyllata,

Caryophyllus aromaticus

Nelken

Coriander dinbilal Coriandrum sativum Koriander Cummin (black) tiqur azmud Nigella sativa Schwarzkümmel Fenugreek abish Trigonella foenum

graecum Bockshornklee

Garlic (dried) dereq nech’ shinkurt Allium ursinum Knoblauch (getrocknet)

Ginger zingibill Zingiber officinale Ingwer Hell Hyel ? ? Leek Baro Allium porrum Lauch, Porree Long pepper timiz Piper longum + P.

retrofractum Langer Pfeffer

Nutmeg gewz Myristica fragrans Muskatnuss Onion (red) qeyy shinkurt Allium cepa Zwiebel, rot Pepper (black) qundo berberrye Peper nigrum Pfeffer, schwarz Pepper (green) qarya Peper nigrum Pfeffer, grün Pepper (Red, unspiced)

berberrye (q’imem yelyellew)

Piper capense, Capsicum annuum

Pfeffer, rot, ungewürzt

Pepper (Red, less seed)

awaze Piper capense, Capsicum annuum

Pfeffer, rot

Pepper (Red, spiced)

berberrye (q’imem yallew)

Piper capense, Capsicum annuum

Pfeffer, rot, gewürzt

Rue t’ena addam Ruta graveolens Raute, Weinraute Sacred Basil (dried)

dereq bessobila Ocimum sanctum Basilikum (getrocknet)

Sacred Basil (fresh)

irt’ib bessobila Ocimum sanctum Basilikum