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KIRCHEN- UND STAATSKIRCHENRECHT...kirchen- und staatskirchenrecht kstkr 20 herausgegeben von markus graulich, heribert hallermann und matthias pulte begrÜndet von ilona riedel-spangenberger

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KIRCHEN- UND STAATSKIRCHENRECHT KStKR 20

HERAUSGEGEBEN VON

MARKUS GRAULICH,HERIBERT HALLERMANN UND MATTHIAS PULTE

BEGRÜNDET VON

ILONA RIEDEL-SPANGENBERGER (†)

2014

Ferdinand Schöningh

76656 Koch.indd 276656 Koch.indd 2 21.07.14 10:2521.07.14 10:25

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Peter Koch

Die Ordenspfarre

Entstehung, Herausforderungen und Perspektiven

2014

Ferdinand Schöningh

76656 Koch.indd 376656 Koch.indd 3 21.07.14 10:2521.07.14 10:25

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Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 Ferdinand Schöningh, Paderborn(Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn)

Internet: www.schoeningh.de

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige

schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig.

Umschlaggestaltung: Evelyn Ziegler, MünchenPrinted in Germany

Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn

Umschlagabbildung:

Josef Gottfried PrechlerGratulationsblatt an Abt Benedikt Abelzhauser

(Gonache auf Pergament, 1716. Stiftsarchiv Seitenstetten)

76656 Koch.indd 476656 Koch.indd 4 21.07.14 10:2521.07.14 10:25

ISBN der Printausgabe 978-3-506-76656-4E-Book ISBN 978-3-657-76656-7

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VORWORT

Diese Arbeit wurde im WS 2013/14 von der Katholisch-Theologischen Fakul-tät der Julius-Maximilians-Universität mit dem Titel „Die Ordenspfarre, Die Formen der Verbindung von Pfarre und Ordensinstitut“ angenommen.

Ein besonders innig herzlicher Dank gebührt meinem Doktorvater Univ.-Prof. Dr. Heribert Hallermann für seine hervorragende und kompetente Be-gleitung. Seine Art der Begleitung zeichnet sich durch ein kontinuierliches und zeitintensives Engagement aus, das weit über das geforderte Maß hinaus-geht und seines Gleichen sucht. Ein solches Engagement ermutigt den Dokto-randen zu einer wissenschaftlich fundierten Durchdringung der Themenstel-lung und fördert das eigenständige Forschen. Prof. Hallermann hat auch das Erstgutachten erstellt, wofür ihm ebenfalls ein besonderer Dank gebührt. Be-danken möchte ich mich auch für die Möglichkeit, als wissenschaftlicher Mit-arbeiter wertvolle Erfahrungen in der Erstellung fallbasierter Lerninhalte zu unterschiedlichen kirchenrechtlichen Fragestellungen zu sammeln.

Das Zweitgutachten hat der Innsbrucker Ordinarius für Kirchenrecht o. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Rees verfasst. Für sein Interesse und die Verfassung dieses Gutachtens sei ihm herzlich gedankt.

Dem am 26. März 2014 verstorbenen Univ.-Prof. em. P. Bruno Primetshof-er C.Ss.R. danke ich ebenfalls. Er hat mir den entscheidenden Impuls gegeben, um mich mit dem Rechtsinstitut der Ordenspfarre intensiver zu beschäftigen. Als ausgewiesener Ordensrechtler und liebenswürdiger Mitbruder war er mir ein wertvoller Gesprächspartner, der mir half, diese komplexe Rechtsmaterie besser fassen zu können.

Mein Dank gilt auch den Doktoranden am Würzburger Lehrstuhl für Kir-chenrecht. Sie haben mich in ihr „Nähkästchen“ schauen lassen und mir für den Fortgang meiner Arbeit wertvolle Tipps gegeben.

Die Graduiertenschule für Geisteswissenschaften der Universität Würzburg hat durch ihr breites Angebot an fachunabhängigen und interdisziplinaren Se-minaren meinen Promotionsverlauf günstig beeinflusst. Dafür sei ein herzli-ches Dankeschön gesagt. Als besonders hilfreich empfand ich die Betreuung durch das Mentorenteam der Graduiertenschule. Diesem Team gehörten Univ.-Prof. Dr. Heribert Hallermann als Erstbetreuer und Univ.-Prof. Dr. Bernhard Heininger sowie Univ.-Prof. Dr. Dominik Burkard als Zweitbetreuer an. Für ihre umsichtige und motivierende Betreuung möchte ich mich aufrich-tig bedanken.

P. lic. theol. Lorenz Voith, Provinzial der Wiener Provinz der Redemptoris-ten, hat mich bestärkt, in Kirchenrecht zu promovieren, um wieder einen in dieser Disziplin versierten Mitbruder zur Verfügung zu haben. Für seine viel-seitige Unterstützung danke ich herzlich. Meinen Mitbrüdern in Würzburg und

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VORWORT 6

Puchheim sei ebenfalls gedankt. Sie haben mein Promotionsunterfangen posi-tiv und mit Interesse begleitet.

P. Franz Hauser C.Ss.R. und Frau Lone-Marie Oppenheim haben die Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen. Ihnen sei für ihre gewissenhafte und genaue Arbeit besonders gedankt. Sr. Maria Anna Stehrer, Priorin des Red-emptoristinnenklosters St. Anna in Ried, und ihren lieben Mitschwestern bin ich zu außerordentlichem Dank verpflichtet. Sie haben mich etliche Wochen in ihrem Kloster beherbergt und mir so die Möglichkeit gegeben, mich unge-stört und produktiv der Fertigstellung meiner Dissertation widmen zu können.

Dem Benediktinerstift Seitenstetten danke ich für die unentgeltliche Zurver-fügungstellung des Titelbildes, das einem Gratulationsblatt an Abt Abelzhau-ser (1687-1717) entnommen ist.

Bei den Diözesen Linz und Gurk-Klagenfurt sowie der Superiorenkonfe-renz der Österreichischen Männerorden und der Ordenskonferenz der Män-nerorden in der Diözese Linz bedanke ich mich für ihre großzügigen Zuschüs-se zur Drucklegung.

Von ganzem Herzen danke ich meiner Familie für ihre ermutigende und wohltuende Begleitung in den letzten Jahren.

Attnang-Puchheim, im Juni 2014 P. Peter Koch C.Ss.R.

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INHALT

VORWORT ....................................................................................................................... 5

ABKÜRZUNGEN ............................................................................................................. 12

EINLEITUNG .................................................................................................................. 17

ERSTES KAPITEL

DIE KLÖSTERLICHE PFARRKIRCHE IN IHRER RECHTSGESCHICHTE

1. Die Pfarre in ihrer rechtsgeschichtlichen Entwicklung ........................................... 23 1.1 Die vorpfarrlichen Organisationsformen ............................................................. 23 1.2 Die rechtsgeschichtliche Entwicklung

von der Landkirche bis zur Pfarre ....................................................................... 25 1.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 26

2. Die verschiedenen Theorien über das Rechtsinstitut der Inkorporation .................. 27 2.1 Die Theorien über den Ursprung der Inkorporation ............................................ 27

2.1.1 Die Lehensrechtstheorie ................................................................................ 27 2.1.2 Die Eigenkirchenrechtstheorie ...................................................................... 29

2.1.2.1 Der klösterliche Eigenkirchenherr ........................................................... 30 2.1.2.2 Der laikale Patron .................................................................................... 32

2.2 Die Theorien über das Wesen der Inkorporation................................................. 34 2.2.1 Die Eigentumstheorie .................................................................................... 35 2.2.2 Die Nutzungstheorie ...................................................................................... 36

2.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 39

3. Die klösterliche Pfarrkirche zwischen Seelsorge und Gewinnstreben .................... 41 3.1 Die ambivalente Haltung gegenüber der Seelsorge durch Klöster ...................... 41 3.2 Die Ausübung der Seelsorge als Garantin materieller Vorteile ........................... 43 3.3 Das Ringen um die bischöflichen Jurisdiktionsrechte ......................................... 48 3.4 Die Aufwertung der Seelsorge gegenüber materiellen Interessen ....................... 49 3.5 Zusammenfassung ............................................................................................... 51

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ZWEITES KAPITEL

DIE ENTWICKLUNG IN DER RECHTLICHEN KONZEPTION DER

ORDENSPFARRE UND DES ORDENSPFARRERS

1. Die Veränderung im rechtlichen Verständnis der Pfarre ......................................... 55 1.1 Die rechtliche Konzeption der Pfarre im CIC/1917 ............................................ 55

1.1.1 Die Pfarre als territorialer Teil der Diözese .................................................. 56 1.1.2 Die Pfarre als juristische Person ................................................................... 59 1.1.3 Die Pfarre als Benefizium ............................................................................. 63

1.1.3.1 Die Errichtung und die Aufhebung des Benefiziums .............................. 64 1.1.3.2 Das Kirchenamt und die Vermögensmasse

als Wesenselemente des Benefiziums .................................................... 65 1.1.3.3 Das Pfarrbenefizium als beneficium saeculare oder religiosum,

amovibile oderinamovibile, curatum und residentiale ........................... 68 1.1.4 Zusammenfassung ........................................................................................ 73

1.2 Der Ansatz zur Neukonzeption der Pfarre durch das II. Vatikanische Konzil ....................................................................................... 73

1.2.1 Die Abschaffung des Benefizialwesens ........................................................ 75 1.2.2 Die Pfarre als Personengemeinschaft ............................................................ 76 1.2.3 Die salus animarum als Grund für die Errichtung, Aufhebung

und Änderung von Pfarren ........................................................................... 82 1.2.4 Zusammenfassung ........................................................................................ 83

1.3 Die Pfarre in der unmittelbaren nachkonziliaren Gesetzgebung ......................... 84 1.3.1 Die Umgestaltung des Benefizialsystems

und die Versorgung der Kleriker ................................................................. 85 1.3.2 Die Umgestaltung des Benefizialsystems

und das bonum animarum ............................................................................. 87 1.3.3 Zusammenfassung ........................................................................................ 90

1.4 Die Redaktionsgeschichte der Normen zur Pfarre und deren rechtliche Konzeption im CIC/1983 ................................................. 90

1.4.1 Die Pfarre als Personengemeinschaft ............................................................ 91 1.4.2 Die Umgestaltung des Benefizialwesens ...................................................... 93 1.4.3 Die Pfarre als juristische Person ................................................................. 100 1.4.4 Zusammenfassung ...................................................................................... 102

1.5 Die Pfarre in der partikularrechtlichen Gesetzgebung der Österreichischen Bischofskonferenz ........................................................... 103

1.5.1 Der Fortbestand des Pfarrbenefiziums ........................................................ 104 1.5.1.1 Das Dekret der Österreichischen Bischofskonferenz

über das bisherige Benefizialrecht: Formale Aspekte .......................... 105 1.5.1.2 Das Dekret der Österreichischen Bischofskonferenz über

das bisherige Benefizialrecht: Inhaltliche Aspekte ............................... 107 1.5.2 Die Pfarre als öffentliche kirchliche Rechtsperson ..................................... 111

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INHALT 9

1.5.3 Zusammenfassung ....................................................................................... 112 1.6 Zusammenfassung: Die Veränderung im rechtlichen Verständnis

der Pfarre ........................................................................................................... 113

2. Die Veränderung im rechtlichen Verständnis des Pfarrers..................................... 115 2.1 Die rechtliche Konzeption des Pfarrers im CIC/1917 ....................................... 116

2.1.1 Die physische Person als Pfarrer ................................................................. 116 2.1.1.1 Der parochus als rector paroeciae und als pastor proprius .................. 116 2.1.1.2 Die Übertragung der paroecia in titulum und

die zugehörigen Eignungskriterien ....................................................... 118 2.1.1.3 Die Pflichten des parochus.................................................................... 120 2.1.1.4 Die Bestellung und die Amtsenthebung des Pfarrers ............................ 125

2.1.2 Die juristische Person als Pfarrer ................................................................ 128 2.1.3 Zusammenfassung ....................................................................................... 132

2.2 Der Ansatz zur Neukonzeption des Pfarrers durch das II. Vatikanische Konzil .............................................................................. 133

2.2.1 Der Pfarrer als pastor proprius ................................................................... 133 2.2.2 Die seelsorglichen Aufgaben des Pfarrers ................................................... 135 2.2.3 Der Pfarrer als Förderer des bonum animarum ........................................... 136 2.2.4 Zusammenfassung ....................................................................................... 139

2.3 Der Pfarrer in der unmittelbaren nachkonziliaren Gesetzgebung ...................... 140 2.3.1 Die Amtseinsetzung des Pfarrers ................................................................ 140 2.3.2 Die Abberufung bzw. die Versetzung des Pfarrers ..................................... 141 2.3.3 Zusammenfassung ....................................................................................... 142

2.4 Die Redaktionsgeschichte der Normen zum Amt des Pfarrers und dessen rechtliche Konzeption im CIC/1983 .............................................. 143

2.4.1 Der Ausschluss der juristischen Person vom Amt des Pfarrers ................... 143 2.4.2 Die Qualifikationen des Pfarrers für den Dienst

am bonum animarum .................................................................................. 147 2.4.3 Die Beständigkeit im Pfarramt .................................................................... 148

2.4.3.1 Die befristete und die unbefristete Anvertrauung des Pfarramtes ...................................................................................... 148

2.4.3.2 Die Festlegung einer Altersgrenze ........................................................ 151 2.4.4 Die Konkretisierung der Teilhabe des Pfarrers

an den tria munera ..................................................................................... 153 2.4.5 Zusammenfassung ....................................................................................... 159

2. 5 Zusammenfassung: Die Veränderung im rechtlichen Verständnis des Pfarrers ..................................................................................................... 160

3. Die Veränderung im rechtlichen Verständnis der Klosterpfarre ............................ 162 3.1 Die Klosterpfarre und der Ordenspfarrer im CIC/1917 ..................................... 163

3.1.1 Die Formen der Verbindung von Ordensgenossenschaft und Pfarre ...................................................... 165

3.1.2 Die Voraussetzungen für die Verbindung von Ordensgenossenschaft und Pfarre............................................................. 168

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INHALT 10

3.1.3 Der Pfarrer und der Pfarrvikar der Klosterpfarre ........................................ 170 3.1.3.1 Der Pfarrer im Fall der incorporatio ad temporalia tantum .................. 170 3.1.3.2 Der Pfarrer und der Pfarrvikar im Fall

der incorporatio pleno iure .................................................................. 171 3.1.3.3 Der Pfarrer im Fall der paroecia religiosis concredita ......................... 176

3.1.4 Die Klosterpfarrkirche ................................................................................ 178 3.1.4.1 Die verschiedenen Formen der Klosterpfarrkirche ............................... 179 3.1.4.2 Der Vorrang des pfarrlichen Eigenlebens unter Wahrung des

klösterlichen Eigenlebens ..................................................................... 180 3.1.4.3 Die Regelungen zur gemeinsamen Nutzung

der Klosterpfarrkirche .......................................................................... 182 3.1.4.4 Die kanonische Visitation der Klosterpfarrkirche ................................. 183

3.1.5 Zusammenfassung ...................................................................................... 186 3.2 Die Aufwertung des Apostolats der Ordensinstitute durch das

II. Vatikanische Konzil .................................................................................... 187 3.3 Die Klosterpfarre in der unmittelbaren

nachkonziliaren Gesetzgebung ........................................................................ 190 3.3.1 Das Ordensinstitut als Träger pastoraler Aufgaben .................................... 191 3.3.2 Der Ordensangehörige als pastoraler Mitarbeiter der Diözese .................... 192 3.3.3 Die Anvertrauung einer Pfarre an ein Ordensinstitut .................................. 194 3.3.4 Zusammenfassung ...................................................................................... 197

3.4 Die Redaktionsgeschichte der Normen zum Apostolat der Ordensinstitute und deren rechtliche Konzeption im CIC/1983 ................ 198

3.4.1 Die Einheit von apostolischem Geist und Ordensgeist ............................... 198 3.4.2 Das Zusammenwirken von Bischof und apostolisch tätigen

Ordensangehörigen ..................................................................................... 200 3.4.3 Der Ordensangehörige als Inhaber eines Kirchenamtes .............................. 203 3.4.4 Die Anvertrauung einer Pfarre an ein Ordensinstitut .................................. 205 3.4.5 Zusammenfassung ...................................................................................... 208

3.5 Zusammenfassung: Die Veränderung im rechtlichen Verständnis der Klosterpfarre ............................................................................................... 208

DRITTES KAPITEL

DIE ORDENSPFARRE UND DER ORDENSPFARRER NACH GELTENDEM RECHT

1. Die Formen der Verbindung von Pfarre und Ordensinstitut .................................. 211 1.1 Die anvertraute Ordenspfarre ............................................................................ 211

1.1.1 Grundsätzliche Bestimmungen zur anvertrauten Ordenspfarre .................. 212 1.1.2 Die Ausfertigung einer schriftlichen Vereinbarung .................................... 218

1.2 Die voll inkorporierte Ordenspfarre .................................................................. 221

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INHALT 11

1.2.1 Das Fortbestehen der vollinkorporierten Ordenspfarre ............................... 221 1.2.2 Die Auflösung des Inkorporationsverhältnisses .......................................... 227

1.3 Die nicht anvertraute und nicht inkorporierte Ordenspfarre .............................. 229 1.4 Zusammenfassung ............................................................................................. 230

2. Der Ordenspfarrer .................................................................................................. 231 2.1 Der Ordenspfarrer zwischen Diözesanbischof und Ordensoberem ................... 232

2.1.1 Der Ordenspfarrer unter der Autorität des Diözesanbischofs ...................... 232 2.1.2 Der Ordenspfarrer unter der Autorität des Ordensoberen ........................... 235 2.1.3 Die Residenzpflicht oder die Verpflichtung zur vita communis .................. 238

2.2 Die Amtsübertragung und die Amtsenthebung des Ordenspfarrers .................. 240 2.2.1 Die Amtsübertragung an den Ordenspfarrer ............................................... 240 2.2.2 Die Amtsenthebung des Ordenspfarrers ...................................................... 246

2.3 Der Ordenspfarrer und sein pastorales Wirken ................................................. 247 2.4 Zusammenfassung ............................................................................................. 251

3. Das Ordensinstitut, die pfarrlichen Ratsgremien und die Baulast .......................... 252 3.1 Die Sonderstellung des Ordensinstitutes im Pfarrgemeinderat ......................... 253 3.2 Die Sonderstellung des Ordensinstitutes im Pfarrkirchenrat ............................. 258 3.3 Die Verpflichtung des Ordensinstitutes in Baulastsachen ................................. 262

3.3.1 Die Verpflichtungen zur Verwaltung der Baulast ....................................... 264 3.3.2 Die Verpflichtung zur Beitragsleistung ....................................................... 264

3.4 Zusammenfassung ............................................................................................. 267

4. Der Mehrwert des apostolischen Propriums für die Ordenspfarre ......................... 268 4.1 Die Vorrangstellung der cura pastoralis gegenüber

dem apostolischen Proprium des Ordensinstitutes ............................................ 268 4.2 Die aus dem apostolischen Proprium resultierenden Stufen

der pastoralen Schwerpunktsetzung .................................................................. 270 4.3 Zusammenfassung ............................................................................................. 272

5. Zusammenfassung: Die Ordenspfarre und der Ordenspfarrer nach geltendem Recht ............................................................................................ 274

6. Ausblick ................................................................................................................. 275

UNIVERSALRECHTLICHE QUELLEN .............................................................................. 278

PARTIKULARRECHTLICHE QUELLEN ............................................................................ 279

LITERATUR ................................................................................................................. 281

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ABKÜRZUNGEN

AA Decretum de apostolatu laicorum Apostolicam Actuositatem AAS Acta Apostolicae Sedis. Rom 1909 ff. ABl Amtsblatt AG Decretum de activitate missionali Ecclesiae Ad Gentes AkKR Archiv für Katholisches Kirchenrecht. (Innsbruck) Mainz 1857 ff.;

Paderborn u.a. 1999 ff. Art. Artikel AVF Ausschuss für Verwaltung und Finanzen Bd. Band, Bände bzw. beziehungsweise c., cc. Canon, Canones CIC/1983 can., cann. Canon, Canones CIC/1917 und Schemata Codicis Cap. Caput, Capitula CD Decretum de pastorali Episcoporum munere in Ecclesia Christus

Dominus CIC/1917 Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus

Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus Praefatione emi. Petri Card. Gasparri et indiceanalytico-alphabetico auctus, Friburgi Brisogoviae-Ratisbonae MCMXIX

CIC/1983 Codex Iuris Canonici Auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus.

Lateinisch-deutsche Ausgabe, hg. im Auftrag der Deutschen Bi-schofkonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz, der Schweizer Bischofkonferenz, der Erzbischöfe von Luxemburg und von Straßburg sowie der Bischöfe von Bozen-Brixen, von Lüttich und von Metz, Kevelaer 52001

CIC/Fontes Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici Authentice inter-

pretando, Codex Iuris Canonici Auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus fontium annotatione et indice analytico-alphabetico auctus, Libreria Editrice Vaticana 1989

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ABKÜRZUNGEN 13

Communicat Communicationes, hg. von der Pontificia Commissio Codici Iuris

Canonici recognoscendo (ab 1984: Pontificia Commissio ad Codi-cem Iuris Canonici Authentice interpredando; ab 1989: Potificium Consilium de Legum Textibus Interpretandis), Vatikanstadt 1969 ff.

DBl Diözesanblatt DDC Dictionnaire de droit canonique. 7. Bd., Paris 1935 – 1965 DVO Durchführungsverordnung. EN Adhortatio Apostolica Evangelii nuntiandi. ES Motu proprio Ecclesiae Sanctae. FASSt Statut für den Finanzausschuss. FN Fußnote. FS Festschrift. G Gesetz. GO Geschäftsordnung. GrNKirchR Grundriss des nachkonziliaren Kirchenrechts, hg. von Joseph Listl,

Hubert Müller und Heribert Schmitz, Regensburg 1980. GS Concilium Vaticanum II, Constitutio pastoralis de Ecclesia in

mundo huius temporis Gaudium et Spes. HdbKathKR2 Handbuch des katholischen Kirchenrechts. Zweite, grundlegend

neubearbeitete Auflage, hg. von Joseph Listl, Hubert Müller und Herbert Schmitz, Regensburg 1999.

HdbVrkK Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche unter be-

sonderer Berücksichtigung der Rechtsverhältnisse in Bayern und Österreich, hg. von Hans Heimerl und Helmuth Pree, Regensburg 1993.

HS Halbsatz. HThK Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen

Konzil, Bd. 1, hg. von Peter Hünermann, Freibrurg-Basel-Wien ²2006.

IurePat Schema de Iure Patrimoniali 1977; Typis Polyglottis Vaticanis

1977.

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ABKÜRZUNGEN 14

iVm in Verbindung mit. Jg. Jahrgang. Joh Johannes. KuR Kirche und Recht. Zeitschrift für die kirchliche und staatliche Pra-

xis, Neuwied 1995 ff. KVBl Kirchliches Verordnungsblatt. LG Constitutio dogmatica de Ecclesia Lumen Gentium. LKStKR I Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Bd. 1, hg. von Axel

Frhr. v. Campenhausen, Ilona Riedl-Spangenberger und P. Reinhold Sebott SJ unter Mitarbeit von Heribert Hallermann, Paderborn-München-Wien-Zürich 2000.

LKStKR II Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Bd. 2, hg. von Axel

Frhr. v. Campenhausen, Ilona Riedl-Spangenberger und P. Reinhold Sebott SJ unter Mitarbeit von Michael Ganster und Heribert Hall-ermann, Paderborn-München-Wien-Zürich 2002.

LKStKR III Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Bd. 3, hg. von Axel

Frhr. v. Campenhausen, Ilona Riedl-Spangenberger und P. Reinhold Sebott SJ unter Mitarbeit von Michael Ganster und Heribert Hall-ermann, Paderborn-München-Wien-Zürich 2004.

LThK2 Lexikon für Theologie und Kirche, 2., völlig neue bearbeitete Auf-

lage, hg. von Josef Höfer und Karl Rahner, Freiburg 1957 – 1967. LThK3 Lexikon für Theologie und Kirche, 3., völlig neue bearbeitete Auf-

lage, hg. von Walter Kaspar u.a, Freiburg-Basel-Rom-Wien 1993 ff. MKCIC Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici unter beson-

derer Berücksichtigung der Rechtslage in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. von Klaus Lüdicke. Loseblattwerk, Essen 1985 ff.

Mon. Germ. Monumenta Germaniae Historica, inde ab anno Christi quingen-

tesimo usque ad annum millesimum et quingentesimum, legum sec-tio III. concilia. tomi II. pars I., hg. von Societas Aperiendis Fonti-bus Rerum Germanicarum Medii Aevi, Hannover 1906.

Mörsdorf L I MÖRSDORF, KLAUS, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Co-

dex Iuris Canonici I, München-Paderborn-Wien 111964. Mörsdorf L II MÖRSDORF, KLAUS, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des

Codex Iuris Canonici II, München-Paderborn-Wien 121967.

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ABKÜRZUNGEN 15

Mörsdorf L III MÖRSDORF, KLAUS, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Co-dex Iuris Canonici III, München-Paderborn-Wien 111979.

MP Motu proprio. MThZ Münchner Theologische Zeitschrift, München 1950 ff. n. nummero. NKD Nachkonziliare Dokumente 1 – 58, Trier 1967 – 1977. Nr. Nummer. OE Decretum de Ecclesiis Orientalibus Catholicis Orientalium Eccle-

siarum. OK Ordenskorrespondenz, Köln 1960 ff. ON Ordensnachrichten, Wien 1961 ff. OT Decretum de institutione sacerdotali Optatam Totius. ÖAKR Österreichisches Archiv für Kirchenrecht, Wien 1950 ff. ÖBK Österreichische Bischofskonferenz. ÖK Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Öster-

reich vom 5. Juni 1933. PC Decretum de accomodata renovatione vitae religiosae Perfectae

caritatis. PCI Pontificia Commissio ad Codicis Canones Authentice Interpre-

tandos; Pontificium Consilium de Legum Textibus Interpretandis. PfKR Pfarrkirchenrat. PfKRO Pfarrkirchenratsordnung. PGO Pfarrgemeinderatsordnung. PGR Pfarrgemeinderat. PO Decretum de presbyterorum ministerio et vita Presbyterorum

ordinis. PO Pfarrordnung. PopDei Schema canonum libri II de Populo Dei; Typis Polyglottis Vaticanis

1977.

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ABKÜRZUNGEN 16

RGBl Reichsgesetzblatt, Wien 1849 – 1918. SC Constitutio de Sacra Liturgia Sacrosanctum Concilium. Schema 1977 Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici recognoscendo, Sche-

mata Canonum novi Codici Iuris Cononici (reservatum), Typis Polyglottis Vaticanis 1977.

Schema 1980 Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici recognoscendo, Schema

Codicis Iuris Canonici iuxta animadversiones S.R.E. Cardinalium, Episcoporum Conferentiarum, Dicasteriorum Curiae Romanae, Universitatum Facultatumque ecclesiasticarum necnon Superiorum Institutorum vitae consecratae recognitum (Patribus Commissionis reservatum), Libreria Editrice Vaticana 1980.

Schema 1982 Pontificia Commissio Codici Iuris Canonici recognoscendo, Codex

Iuris Canonici. Schema novissimum post consultationem S.R.E Cardinalium, Episcoporum Conferentiarum, Dicasteriorum Curiae Romanae, Universitatum Facultatumque ecclesiasticarum necnon Superiorum Institutorum vitae consecratae recognitum, iuxta placita Patrum Commissionis deinde emendatum atque Summo Pontifici praesentatum, e Civitate Vaticana 25. Martii 1982.

SDL Apostolische Konstitution Sacrae disciplinae leges. StGG Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen

Rechte der Staatsbürger (Österreich). TridKons Konzil von Trient. VitCons Schema canonum de institutis vitae consecratae per professionem

consiliorum evangelicorum, Typis Polyglottis Vaticanis 1977. Vol. Volumen. VR Vermögensrat. VVR Vermögensverwaltungsrat. WR Wirtschaftsrat. WRO Wirtschaftsratordnung. ZRG KA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Kanonische

Abteilung, Weimar 1911 ff.

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EINLEITUNG

Das Schwinden personeller und materieller Ressourcen veranlasst Diözesen des deutschen Sprachraums zum Handeln. Die geschichtlich überkommene Pfarrstruktur wird zunehmend in Frage gestellt und es wird nach neuen seel-sorglichen Organisationsformen gesucht, die den zeitbedingten Herausforde-rungen besser gewachsen sein sollen.1 Die strukturellen Veränderungen ma-chen auch vor den Ordenspfarren2 nicht halt. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Formen der Verbindung von Pfarre und Ordensinstitut überhaupt noch zeitgemäß sind. Ist die Ordenspfarre ein Hemmschuh, der den erforderlich gewordenen Umstrukturierungsprozess unnötigerweise erschwert, oder besitzt die Ordenspfarre das Potential, den seelsorglichen Herausforderungen unserer Zeit adäquat zu antworten und so zur Förderung der salus animarum beizutra-gen? Obwohl diese Fragestellungen nicht expliziter Gegenstand dieser Studien sind, durchziehen sie doch implizit – gleichsam wie ein roter Faden – die ein-zelnen Kapitel. Das erste Kapitel handelt über die klösterliche Pfarrkirche in ihrer Rechtsgeschichte. Im zweiten Kapitel wird die Entwicklung der rechtli-chen Konzeption der Ordenspfarre und des Ordenspfarrers dargestellt und das dritte Kapitel widmet sich der Ordenspfarre und dem Ordenspfarrer im gelten-den Recht.3

Die für das Verhältnis von Pfarren4 und klerikalen Ordensinstituten5 oder klerikalen Gesellschaften des apostolischen Lebens grundlegende Norm findet

1 Vgl. H. HALLERMANN, Was ist eine „rechtlich selbstständig bleibende Pfarrei“? Kanonische

Anmerkungen zu laufenden strukturellen Veränderungen in deutschen Diözesen: AkKR 176 (2007) S. 394f.

2 Der Begriff „Ordenspfarre“ wurde gewählt, weil er rechtlich weiter gefasst ist als der klassi-sche Begriff „Klosterpfarre“, der einschränkende Assoziationen wecken kann wie etwa diese, dass eine Pfarre lediglich einem monastischen Orden oder Regularkanonikern anvertraut werden könnte.

3 Die aktuelle kanonistische Literatur, die explizit die Ordenspfarre bzw. Klosterpfarre themati-siert, ist äußerst rar. Einer der wenigen Kirchenrechtlicher, der sich in jüngerer Zeit dieser Thematik angenommen hat, ist Bruno Primetshofer. Die meisten diesbezüglichen Abhand-lungen aber stammen aus der Zeit vor 1970, als dem Rechtsinstitut der Inkorporation noch ei-ne größere Bedeutung beigemessen worden ist. Andere Kanonisten wie etwa Heribert Hall-ermann, Markus Graulich, Francesco D´Ostilio haben über die Pfarre bzw. Ordenspriester Abhandlungen verfasst.

4 Diese Abhandlung berücksichtigt im Besonderen die Situation und das Verhältnis von Pfarren und Ordensinstituten auf dem Gebiet der Österreichischen Bischofskonferenz. Es ist deshalb naheliegend, den in Österreich gebräuchlichen Begriff „Pfarre“ anstelle des Begriffs „Pfarrei“ zu verwenden.

5 Die wörtliche Übersetzung des Begriffs institutum religiosum ins Deutsche heißt Religiosen-institut. Anstelle des Begriffs „Religioseninstitut“ wird in dieser Studie allerdings der im deutschsprachigen Raum übliche Begriff „Ordensinstitut“ verwendet.

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EINLEITUNG

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sich in c. 520 § 1 CIC/19836. Verortet ist dieser Canon im zweiten Teil „Über die hierarchische Verfassung der Kirche“ des zweites Buches „Über das Volk Gottes“ und ist dort näherhin im Kapitel VI „Pfarreien, Pfarrer und Pfarrvika-re“ des Titels III „Über die innere Ordnung der Teilkirchen“ der Sektion II „Über die Teilkirchen und deren Verbände“ zu finden. Nach c. 520 § 1 CIC/1983 besteht die Möglichkeit, Pfarren und klerikale Ordensinstitute oder klerikale Gesellschaften des apostolischen Lebens in der Form miteinander zu verbinden, dass solchen Instituten und Gesellschaften Pfarren zur seelsorgli-chen Betreuung anvertraut werden.

Die in c. 520 § 1 CIC/1983 verwendeten Begriffe institutum religiosum und societas vitae apostolicae bedürfen einer nähren Erklärung, die sich für die Ordensinstitute in c. 607 § 2 CIC/1983 und für die Gesellschaften des aposto-lischen Lebens in c. 731 §§ 1 und 2 CIC/1983 findet. Das Ordensinstitut ist eine societas, deren Mitglieder ein öffentliches Gelübde ablegen und ein brü-derliches Leben in Gemeinschaft führen. Zu den Definitionsmerkmalen der Gesellschaft des apostolischen Lebens zählen: die apostolische Zielsetzung, das brüderliche Leben in Gemeinschaft und die eigene Lebensordnung. Ver-gleicht man die Definitionen dieser beiden Formen der Christusnachfolge, fällt auf, dass das Mitglied eines Ordensinstitutes öffentliche Gelübde ablegt, wo-hingegen das Mitglied einer Gesellschaft des apostolischen Lebens höchstens durch irgendeine Bindung die evangelischen Räte übernimmt, aber kein öf-fentliches Gelübde ablegt, wie es für das Mitglied eines Ordensinstitutes obli-gatorisch ist. Die Ablegung bzw. die nicht Ablegung öffentlicher Gelübde ist demnach das entscheidende Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen beiden Formen der Christusnachfolge. Gemeinsam ist beiden Formen das brüderliche Leben in Gemeinschaft und die apostolische Zielsetzung, die zwar in der Le-galdefinition7 des Ordensinstitutes fehlt, aber dennoch zu vielen dieser Institu-te prinzipiell gehört.8

In c. 520 § 1 CIC/1983 werden die Ordensinstitute und die Gesellschaften des apostolischen Lebens mit dem Attribut clericalis näher bestimmt, womit eine rechtlich relevante Einschränkung vorgenommen wird. Eine Pfarre darf

6 C. 520 § 1 CIC/1983: „Persona iuridica ne sit parochus; Episcopus autem dioecesanus, non

vero Administrator dioecesanus, de consensu competentis Superioris, potest paroeciam committere instituto religioso clericali vel societati clericali vitae apostolicae, eam erigendo etiam in ecclesia instituti aut societatis, hac tamen lege ut unus presbyter sit paroeciae parochus, aut, si cura pastoralis pluribus in solidum committatur, moderator, de quo in can. 517 § 1.“ – „Eine juristische Person darf nicht Pfarrer sein; der Diözesanbischof, nicht aber der Diözesanadministrator, kann mit Zustimmung des zuständigen Oberen eine Pfarre einem klerikalen klösterlichen Institut oder einer klerikalen Gesellschaft des apostolischen Lebens anvertrauen, auch indem er sie an der Kirche des Institutes oder der Gesellschaft errichtet, doch unter der Bedingung, dass ein Priester Pfarrer der Pfarre, oder, wenn die Hirtensorge mehreren solidarisch übertragen wird, Leiter ist, gemäß Canon 517 § 1.“

7 Vgl. c. 607 § 2 CIC/1983. 8 Vgl. D. MEIER, Definition: MKCIC 731/1f und R. SEBOTT, Gesellschaften des apostolischen

Lebens: LKStKR II, S. 101f.

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EINLEITUNG 19

demnach nicht jedem Ordensinstitut und nicht jeder Gesellschaft des apostoli-schen Lebens anvertraut werden, sondern nur solchen, die ihrem ordensrecht-lichen Status gemäß als „klerikal“ zu bezeichnen sind. Der c. 588 § 2 CIC/1983 normiert, was unter einem klerikalen Ordensinstitut zu verstehen ist: Ein Ordensinstitut wird dann als klerikal bezeichnet, wenn es erstens auf-grund des von seinem Stifter angestrebten Zieles oder kraft rechtmäßiger Tra-dition von Klerikern geleitet wird, wenn es zweitens die Ausübung der heili-gen Weihe übernimmt und wenn es drittens von der kirchlichen Autorität als klerikales Ordensinstitut anerkannt ist. Die Bezeichnung „klerikal“ kommt all jenen Gemeinschaften zu, die alle drei in c. 588 § 2 CIC/1983 angeführten Kriterien zugleich erfüllen. Deshalb kann sowohl ein Ordensinstitut als auch eine Gesellschaft des apostolischen Lebens mit dem Attribut „klerikal“ näher bestimmt werden.9 Neben den klerikalen Ordensinstituten und den klerikalen Gesellschaften des apostolischen Lebens kennt der CIC/1983 noch laikale Or-densinstitute und laikale Gesellschaften des apostolischen Lebens. In c. 588 § 3 CIC/1983 findet sich die lediglich negativ abgrenzende Definition, was unter einem laikalen Ordensinstitut bzw. unter einer laikalen Gesellschaft des apos-tolischen Lebens zu verstehen ist. Demnach gelten solche Ordensinstitute und Gesellschaften des apostolischen Lebens im rechtlichen Sinne als laikal, deren eigentümliche, sich aus ihrer Natur, Eigenart oder Zielsetzung ergebende Auf-gabe eine Ausübung der heiligen Weihe nicht einschließt.10 Ausschlaggebend für den klerikalen oder den laikalen Charakter eines Ordensinstitutes oder ei-ner Gesellschaft des apostolischen Lebens scheint in erster Linie die jeweilige Zielsetzung zu sein und daraus resultierend die Frage, ob sich aus der Zielset-zung die Ausübung der heiligen Weihe als notwendige Konsequenz ergibt o-der nicht. Nicht jede Ausübung der heiligen Weihe durch ein Ordensinstitut oder eine Gesellschaft des apostolischen Lebens führt daher zur Ausprägung des klerikalen Charakters im Sinne des c. 588 § 2 CIC/1983, sondern nur die Ausübung der heiligen Weihe, die aus der jeweiligen Zielsetzung resultiert.

Die Säkularinstitute11 werden in c. 520 § 1 CIC/1983 nicht genannt, obwohl sie – wie die Ordensinstitute auch – Institute des geweihten Lebens sind. Dar-aus folgt die rechtliche Konsequenz, dass einem Säkularinstitut eine Pfarre nicht im Sinne des c.520 § 1 CIC/1983 anvertraut werden darf. Nach c. 266 § 3 CIC/1983 wird in der Regel das Mitglied eines Säkularinstitutes durch den Empfang der Diakonenweihe jener Teilkirche inkardiniert, für deren Dienst das Mitglied geweiht ist; das Säkularinstitut als solches ist nicht inkardinati-onsberechtigt. Die Mitglieder der klerikalen klösterlichen Institute und der klerikalen Gesellschaften des apostolischen Lebens werden hingegen in der

9 Vgl. B. PRIMETSHOFER, Ordensrecht auf der Grundlage des CIC 1983 und des CCEO unter

Berücksichtigung des staatlichen Rechts der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz, Freiburg 42003, S. 52.

10 Diskutiert wird auch, ob es Ordensinstitute gibt, die sowohl „klerikal“ als auch „laikal“ sind und deshalb als „gemischt“ bzw. „indifferent“ bezeichnet werden müssten. Vgl. ebd., S. 53f..

11 Vgl. R. SEBOTT, Säkularinstitute: LKStKR III, S. 487f..

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EINLEITUNG

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Regel durch den Empfang der Diakonenweihe dem eigenen Institut bzw. der eigenen Gesellschaft inkardiniert.12 Das Fehlen des Inkardinationsrechts und die damit verbundene Verpflichtung, ihre Kleriker jenen Teilkirchen dienstlich zur Verfügung zu stellen, für die sie geweiht worden sind, schließt die Säku-larnstitute als mögliche Adressaten für die Anvertrauung von Pfarren von vor-hinein aus.

Bei den klösterlichen Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaf-ten des apostolischen Lebens wird zwischen Instituten bzw. Gesellschaften päpstlichen Rechts und Instituten bzw. Gesellschaften bischöflichen Rechts unterschieden.13 Es gibt auch Institute des geweihten Lebens und Gesellschaf-ten des apostolischen Lebens, die der Leitung der Ortsordinarien entzogen sind und als exemte Institute bzw. Gesellschaften allein dem Papst oder einer anderen kirchlichen Autorität unterstehen.14 Exemte Institute bzw. Gesell-schaften sind von daher nicht ohne weiteres päpstlichen Rechts. Da in c. 520 § 1 CIC/1983 keine dieser Formen der Autonomie eigens genannt wird, sind die genannten Unterscheidungen im Hinblick auf die Anvertrauung einer Pfarre an ein klösterliches Institut oder an eine Gesellschaft des apostolischen Lebens ohne Belang. Demnach kann grundsätzlich jedem klerikalen klösterlichen Institut oder jeder klerikalen Gesellschaft des apostolischen Lebens eine Pfarre anvertraut werden. Nach c. 732 CIC/1983 sind die für die Institute des ge-weihten Lebens15 erlassenen Bestimmungen auch für die Gesellschaften des apostolischen Lebens anzuwenden.

Nach der erforderlichen kirchenrechtlichen Präzisierung der Begriffe „kle-rikales klösterliches Institut“ und „klerikale Gesellschaft des apostolischen Lebens“ werden fortan anstelle dieser beiden Begriffe die kirchenrechtlich un-präzisen Begriffe „Ordensinstitut“ bzw. „Orden“ verwendet.16 Die Verwen-dung dieser im Hinblick auf die Leserlichkeit der Untersuchung benutzten vereinfachten Begrifflichkeit wird jedesmal dann aufgegeben, wenn eine Prä-zisierung der beiden Begriffe hilfreich oder notwendig ist.

Im Folgenden soll nun auch der Begriff „Pfarre“ einer kirchenrechtlichen Klärung zugeführt werden, denn bei der Pfarre handelt es sich um jene kirch-lich-verfassungsrechtliche Organisationsform, die einem Ordensinstitut anver-traut werden darf. Durch den Akt der Anvertrauung wird das gegenseitige Verhältnis von Pfarre und Ordensinstitut rechtlich begründet. Die Legaldefini-tion der Pfarre findet sich in c. 515 § 1 CIC/1983, wo sie das sechste Kapitel „Pfarreien, Pfarrer und Pfarrvikare“ des Titels III der Sektion II des Teils II

12 Vgl. c. 266 § 2 CIC/1983 sowie I. RIEDEL-SPANGENBERGER, Inkardination: LKStKR II,

S. 288f. 13 Vgl. c. 589 CIC/1983 und B. PRIMETSHOFER, Ordensrecht, S. 332. 14 Vgl. cc. 586 und 591 CIC/1983. 15 Cc. 578-597 CIC/1983. 16 Im Kontext der Erläuterungen zum CIC/1917 wird anstelle des Begriffs „Ordensinsititut“ der

Begriff „Ordensgenossenschaft“ und im Kontext der rechtsgeschichtlichen Erläuterungen der Begriff „Kloster“ verwendet.

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EINLEITUNG 21

des zweiten Buches „Über das Volk Gottes“ einleitet. Der c. 515 § 1 CIC/198317 nennt als erstes und essenzielles Definitionsmerkmal der Pfarre die certa communitas und nicht wie der CIC/191718 das Territorium. Die in der Legaldefinition durch das Begriffspaar communio christifidelium vorgenom-mene Akzentsetzung betont den personalen Aspekt, der einer Pfarre eigen ist und entspricht den ekklesiologischen Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils. Als legitime Interpretationshilfe der kirchenrechtlichen Bestimmungen über das Verhältnis von Pfarre und Ordensinstitut ist deshalb vorrangig der perso-nale Fokus und nicht der territoriale Fokus zu verwenden. Ein weiteres zentra-les Definitionsmerkmal ist der parochus, der als der pastor proprius der Pfarre bezeichnet wird.19 Wird eine Pfarre einem Ordensinstitut anvertraut, ist der pastor proprius das verbindende Element zwischen der Pfarre und dem Or-densinstitut, denn der Pfarrer bzw. Moderator einer solchen Pfarre muss Mit-glied des mit der Pfarre betrauten Ordensinstituts sein.20 Der Einfachheit hal-ber wird ein solcher Pfarrer im Rahmen dieser Studie künftig als „Ordenspfar-rer“ bezeichnet.

Obwohl die dem Ordensinstitut anvertraute Pfarre in einem besonders en-gen Verhältnis zum Ordensinstitut steht, ändert sich an deren verfassungs-rechtlichem Status innerhalb einer Teilkirche nichts. Eine solche Pfarre bleibt weiterhin eine bestimmte, zu einer Teilkirche gehörende Gemeinschaft von Gläubigen, das heißt, dass sie im Sinne des c. 374 § 1 CIC/1983 eine pars ei-ner Teilkirche gemäß c. 368 CIC/1983 ist und bleibt und nicht etwa dem Or-densinstitut „eingegliedert“ wird um in irgendeiner Weise ein Teil desselben zu werden. Es liegt dennoch nahe, die dem Ordensinstitut anvertraute Pfarre aufgrund der engen personalen Bindung beider Institutionen aneinander als Ordenspfarre bzw. Klosterpfarre zu bezeichnen. Im Unterschied dazu wird die nur einem Ordenspriester und nicht dem Ordensinstitut als solchem anvertrau-te Pfarre nicht als Ordenspfarre bezeichnet.21

17 C. 515 § 1 CIC/1983: „Paroecia est certa communitas christifidelium in Ecclesia particulari

stabiliter constituta, cuius cura pastoralis, sub auctoritate Episcopi dioecesani, committitur parocho, qua proprio eiusdem pastori.“ – „Die Pfarre ist eine in der Teilkirche auf Dauer er-richtete bestimmte Gemeinschaft von Christgläubigen, deren Hirtensorge unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als eigenem Hirten derselben anvertraut wird.“

18 Can. 216 § 1 CIC/1917: „Territorium cuiuslibet dioecesis dividatur in distinctas partes territoriales; unicuique autem parti sua peculiaris ecclesia cum populo determinato est assignanda, suusque peculiaris rector, tanquam proprius eiusdem pastor, est praeficiendus pro necessaria animarum cura.“

19 Vgl. H. HALLERMANN, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge. Ein kirchenrechtliches Handbuch für Studium und Praxis, Paderborn-München-Wien-Zürich 2004, S. 110f und S. 143-146.

20 Vgl. c. 520 CIC/1983. 21 Diese Unterscheidung gilt im Übrigen auch im Hinblick auf den Begriff des Ordenspfarrers.

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ERSTES KAPITEL

DIE KLÖSTERLICHE PFARRKIRCHE IN IHRER

RECHTSGESCHICHTE

Das in drei Abschnitte gegliederte erste Kapitel handelt über die klösterliche Pfarrkirche in ihrer Rechtsgeschichte. Am Beginn der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Pfarre stehen vorpfarrliche Organisationsformen, aus denen sich zunächst die städtische Bischofskirche und später die Landkirche entwi-ckeln. Die klösterliche Pfarrkirche ist rechtsgeschichtlich im germanischen Eigenkirchenwesen zu verorten, wie anhand der Theorien über den Ursprung und das Wesen der Inkorporation gezeigt wird. Das Interesse der Klöster an Pfarrkirchen ist vorerst vorrangig materieller Natur. Erst durch Reformbestre-bungen seitens der kirchlichen Autorität gewinnt seelsorgliches Tun an Bedeu-tung. Die Spannung zwischen Seelsorge und Gewinnstreben ist für lange Zeit ein Charakteristikum der klösterlichen Pfarrkirche.

1. Die Pfarre in ihrer rechtsgeschichtlichen Entwicklung

Das Rechtsinstitut der Pfarre bedurfte einiger Jahrhunderte, um sich zu entfal-ten. Die Pfarre entwickelt sich aus vorpfarrlichen Organisationsformen, die vorerst im städtischen Milieu angesiedelt sind. Diesen Organisationformen stehen Bischöfe vor, die in ihrer Seelsorge durch Presbyter und Diakone un-terstützt werden. Die auf dem Land entstehenden Seelsorgestellen sind an-fänglich noch keine selbstständigen, sondern von der Bischofskirche abhängi-ge Seelsorgeeinheiten, die durch die verstärkte Übertragung von seelsorgli-chen Rechten und Pflichten das Rechtsinstitut der Pfarre generieren.

1.1 Die vorpfarrlichen Organisationsformen

Bis zum 4. Jahrhundert sind pfarrliche Strukturen zur seelsorglichen Organisa-tion unbekannt. Die ersten charismatisch geprägten Gemeinden verdanken sich apostolischen und nachapostolischen Initiativen. Die bischöflich geleitete Ortsgemeinde scheint jene Organisationform zu sein, die die Identität der christlichen Gemeinde zu bewahren vermag und ein missionarisches Potential

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DIE KLÖSTERLICHE PFARRKIRCHE IN IHRER RECHTSGESCHICHTE

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zur Ausbreitung des Glaubens entwickelt. Die ersten christlichen Gemeinden bilden sich zuerst in Judäa, Galiläa und Samarien, später dann im ganzen rö-mischen Reich. Die Städte sind die bevorzugten Orte christlicher Gemeinde-bildung. Diesen Pfarren (παροικία) stehen die Bischöfe (επίσκοποι) als Nach-folger der Apostel vor. Sie werden in ihrer Arbeit von Presbytern (πρεσβύτεροι) und Diakonen (διάκονοι) unterstützt. In einer Stadt und deren Umgebung gibt es nur eine einzige Gemeinde, die von einem Bischof geleitet wird. Das heißt, in einer Stadt kann es nur einen Bischof geben und ein Bischofsitz kann nur in einer Stadt sein. Aufgrund des Bevölkerungswachstums müssen die Städte in regiones unterteilt werden, um weiterhin die seelsorgliche Betreuung der Gläubigen sicherzustellen. Diese Regionen werden als regiones diaconales oder als regiones presbyterales bezeichnet je nachdem, ob ihnen ein Diakon oder ein Presbyter vorsteht. Diese Regionen sind jedoch noch keine selbst-ständigen Seelsorgeeinheiten wie die späteren Pfarren. Aus diesem Grund müssen die Gläubigen zum Empfang der Sakramente weiterhin in die Bischof-skirche kommen.22

Da die Zahl der Christen nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land steigt, werden Diakone und Presbyter in die Vororte gesandt, um im Namen des Bischofs und unter dessen Vollmacht bestimmte seelsorgliche und caritative Aufgaben zu erfüllen. In diesen Vororten werden Oratorien und got-tesdienstliche Versammlungsorte errichtet. Ab dem dritten Jahrhundert gibt es vor allem im Osten des römischen Reiches auf dem Land unabhängigere Seel-sorgestellen. Anfänglich stehen sie noch in Abhängigkeit zum Bischof, entwi-ckeln aber nach und nach eine eigene seelsorgliche Struktur mit bischöflicher Verfassung und erlangen eine relative Eigenständigkeit gegenüber dem Bi-schof der Stadt. Diesen Gemeinden stehen Chorbischöfe oder Landbischöfe vor, die bezüglich ihrer Jurisdiktionsvollmacht23 und ihrer Weihevollmacht24 dem Stadtbischof unterstehen. Die wachsende Zahl der Chorbischöfe und eine mangelnde Kompetenzabgrenzung zwischen Stadtbischöfen und Chorbischö-fen führen schließlich zum Untergang des Instituts der Chorbischöfe. Mit der Betreuung ihrer Seelsorgestellen werden die Presbyter betraut.25

22 Vgl. W. PLÖCHL, Geschichte des Kirchenrechts, I: Das Recht des ersten christlichen Jahrtau-

sends. Von der Urkirche bis zum großen Schisma, Wien-München 21960, S. 54f sowie H. HALLERMANN, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge, S. 24-30.

23 Vgl. I. RIEDEL-SPANGENBERGER, Vollmacht: LKStKR III, S. 843-846. 24 Vgl. ebd., S. 843-846. 25 Vgl. H. HALLERMANN, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge, S. 27-30; W. PLÖCHL, Geschichte

des Kirchenrechts, I: Das Recht des ersten christlichen Jahrtausends. Von der Urkirche bis zum großen Schisma, S. 55-56 sowie W. ZEDINEK, Die rechtliche Stellung der klösterlichen Kirchen, insbesondere der Pfarrkirchen in den ehemaligen Diözesen Salzburg und Passau und ihre Entwicklung bis zum Ausgang des Mittelalters, Passau 1929, S. 17-19.

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DIE PFARRE IN IHRER RECHTSGESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG 25

1.2 Die rechtsgeschichtliche Entwicklung von der Landkirche bis zur Pfarre

Die stetig wachsende Zahl an Gläubigen nach dem Toleranzedikt von Mailand im Jahr 313 führt dazu, dass neben den bischöflichen Ortskirchen neue Struk-turen der Seelsorge entstehen. Die ersten pfarrlichen Organisationsformen ent-stehen in der Mitte des 4. Jahrhunderts durch die Errichtung von Nebenkir-chen. An diesen Nebenkirchen dürfen nur ganz bestimmte gottesdienstliche Funktionen ausgeübt werden. Die entscheidenden Funktionen verbleiben bei der Bischofskirche. Erst ab dem 11. Jahrhundert finden sich in einer Bi-schofstadt mehrere selbstständige Pfarren. In Mittel- und Süditalien begegnet man der Zunahme der Gläubigen mit der Errichtung einer Vielzahl von Bi-schofsitzen. In Norditalien, Spanien, Gallien und Nordafrika hingegen werden von der Bischofskirche, aber nicht vom Bischof, unabhängige Seelsorgezen-tren errichtet. Die in der Regel fest angestellten Priester dieser Zentren neh-men ihre seelsorglichen Aufgaben im Auftrag und unter der Leitung des Bi-schofs wahr. Um den seelsorglichen Erfordernissen zu entsprechen, werden den Landkirchen unterschiedliche seelsorgliche Rechte und Pflichten übertra-gen. Zu den ältesten Rechten zählt das Taufrecht. Die mit einem solchen Recht ausgestattete Kirche wird als Taufkirche oder Urkirche einer Großpfarre bezeichnet.26 Ab dem 5. Jahrhundert dürfen die Priester der Landkirchen pre-digen, für die Gläubigen die Messe feiern, der Eheschließung assistieren, die Sakramente der Kommunion, Buße und Krankensalbung spenden sowie die Toten begraben. Weil zwischen den einzelnen Landkirchen oder Urpfarren ei-ne räumliche Distanz von mindestens vier Meilen gegeben sein muss, entste-hen viele Nebenkirchen und Oratorien, die vom Klerus der Urpfarre seelsorg-lich betreut werden. Im Unterschied zu den Urpfarren dürfen in den Nebenkir-chen und Oratorien an Sonntagen und höheren Feiertagen keine Gottesdienste gefeiert sowie Sakramente gespendet werden.27

Ab dem 8. Jahrhundert wird es üblich, dass der Bischof den Urpfarren das Recht verleiht, den sonntäglichen Hauptgottesdienst zu feiern und das Sakra-ment der Taufe zu spenden. Ein Jahrhundert später werden die Seelsorgerechte ausgeweitet und den Urpfarren das Recht auf Einhebung des Zehents zuge-sprochen.28 Mit diesen Rechten ausgestattet, bilden die Landkirchen oder Ur-

26 Die Taufkirchen der romanischen Länder entsprechen den Urkirchen der Großpfarren bzw.

den Landkirchen der germanischen Länder. In den weiteren Ausführungen wird anstelle des Begriffs „Urkirche der Großpfarren“ der Begriff „Urpfarre“ verwendet. Vgl. H. E. FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte, I: Die Katholische Kirche, Weimar 31955, S. 167-169 sowie H. PAARHAMMER, MKCIC Einleitung vor 515/4.

27 Vgl. H. HALLERMANN, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge, S. 32-35; W. PLÖCHL, Geschichte des Kirchenrechts, I: Das Recht des ersten christlichen Jahrtausends. Von der Urkirche bis zum großen Schisma, S. 352f sowie W. ZEDINEK, Die rechtliche Stellung der klösterlichen Kirchen, S. 18-20.

28 Vgl. H. E. FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte3, I: Die Katholische Kirche, S. 172-176; W. PLÖCHL, Geschichte des Kirchenrechts, I: Das Recht des ersten christlichen Jahrtausends.

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DIE KLÖSTERLICHE PFARRKIRCHE IN IHRER RECHTSGESCHICHTE

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pfarren die Grundstruktur der pfarrlichen Organisation. Ihnen sind größere o-der kleinere Personenverbände wie Hundertschaften, Gaue oder Marktgenos-senschaften zugeordnet. Die zur Landkirche gehörenden Gläubigen sind ver-pflichtet, in dieser Kirche das Wort Gottes zu hören und die Sakramente zu empfangen. Aufgrund dieses Pfarrzwangs müssen sie die Stolgebühren29 und den Zehent an ihrer Landkirche entrichten. Für den zu einer Landkirche gehö-renden Seelsorgesprengel wird allmählich die Bezeichnung parochia verwen-det. Im Mittelalter steigt die Zahl der Landpfarren (parochia rustica). Einer der Gründe für deren Anstieg ist das Bestreben der Landesfürsten, der Grund-herrn und der Klöster, ihre Eigenkirchen in Pfarrkirchen umzuwandeln.30

1.3 Zusammenfassung

Bevorzugte Orte der christlichen Gemeindebildung sind zunächst die Städte. Diesen Gemeinden stehen Bischöfe vor, die von Presbytern und Diakonen in ihrer Arbeit unterstützt werden. Die seelsorgliche und caritative Betreuung der christlich gewordenen Landbevölkerung wird ebenfalls Presbytern und Diako-nen übertragen. Ab dem dritten Jahrhundert bilden sich auf dem Land ver-mehrt Gemeinden, denen vom Stadtbischof abhängige Chorbischöfe oder Landbischöfe vorstehen. Ein Jahrhundert später entwickeln sich die ersten pfarrlichen Organisationsformen, die sich der Errichtung von Nebenkirchen verdanken. Da diese Nebenkirchen von den Bischofskirchen rechtlich abhän-gig sind, dürfen an ihnen nur ganz bestimmte gottesdienstliche Funktionen ausgeübt werden. Erst ab dem 11. Jahrhundert gibt es in einer Bischofsstadt mehrere rechtlich selbständige Pfarren. Die Priester dieser Pfarren nehmen ih-re Aufgaben im Auftrag und unter der Leitung des Bischofs wahr. Die Spen-dung der Taufe und die Feier des sonntäglichen Hauptgottesdienstes zählen zu den ältesten Rechten dieser Pfarren, die durch die Stolgebühren und den Ze-hent finanziell abgesichert werden. Für den zu einer solchen Kirche gehören-den Seelsorgesprengel bürgert sich allmählich die Bezeichnung parochia ein.

Von der Urkirche bis zum großen Schisma, S. 263f sowie A. FEHRINGER, Die Klosterpfarrei. Der Pfarrdienst der Ordensgeistlichen nach geltendem Recht mit einem geschichtlichen Überblick, Paderborn 1958, S. 30.

29 Vgl. M. BENZ, Stolgebühren: LKStKR III, S. 617. 30 Vgl. W. PLÖCHL, Geschichte des Kirchenrechts, I: Das Recht des ersten christlichen Jahrtau-

sends. Von der Urkirche bis zum großen Schisma, S. 353-356; H. HALLERMANN, Pfarrei und pfarrliche Seelsorge, S. 35f; H. PAARHAMMER, MKCIC Einleitung vor 515/4f; W. ZEDINEK, Die rechtliche Stellung der klösterlichen Kirchen, S. 19f sowie A. FEHRINGER, Die Kloster-pfarrei, S. 29.

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THEORIEN ÜBER DAS RECHTSINSTITUT DER INKORPORATION

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2. Die verschiedenen Theorien über das Rechtsinstitut der Inkorporation

Im Focus des zweitens Teils des ersten Kapitels stehen die verschiedenen Theorien über das Rechtsinstitut der Inkorporation. Anhand zweier Theorien – nämlich der Lehensrechtstheorie und der Eigenkirchenrechtstheorie – haben Rechtshistoriker den Versuch unternommen, Licht in den Ursprung dieses Rechtsinstitutes zu bringen. Die plausiblere und wesentlich stärker rezipierte Theorie ist die Eigenkirchenrechtstheorie. Mit Hilfe dieser Theorie lässt sich ebenso die rechtliche Genese des klösterlichen Eigenkirchenherrn und des lai-kalen Patrons klären. Auf der Eigenkirchenrechtstheorie basieren die beiden Theorien über das Wesen der Inkorporation, nämlich die Eigentumstheorie und die Nutzungstheorie. Der gravierendste Unterschied dieser Theorien ma-nifestiert sich in der rechtlichen Zuordnung des Pfarrbenefiziums zur Inkorpo-ration.

2.1 Die Theorien über den Ursprung der Inkorporation

Da sich der Ursprung des Rechtsinstitutes der Inkorporation nicht eindeutig klären lässt, haben sich zwei unterschiedliche Theorien entwickelt. Die eine Theorie verortet den Ursprung der Inkorporation im mittelalterlichen Lehens-wesen. Die andere Theorie sieht in der Inkorporation eine modifizierte Wei-terentwicklung des germanischen Eigenkirchenwesens.

2.1.1 Die Lehensrechtstheorie

Die von Arnold Pöschl entwickelte Lehensrechtstheorie erklärt die Entstehung der Inkorporation aus dem mittelalterlichen Lehenswesen.31 Seiner Auffassung nach hat sich die Inkorporation aus dem frühmittelalterlichen Lehensrecht und der allgemeinen Güterinkorporation entwickelt und ist im 13. Jahrhundert zur vollen Entfaltung gelangt.32

Das Lehensrecht schafft die rechtliche Möglichkeit, einen Teil des eigenen Vermögens an andere Personen zu verleihen. Das nicht verliehene Vermögen ist für den Eigengebrauch des Eigentümers bestimmt und bildet die unveräu-ßerliche Vermögensmasse, das sogenannte Tafelgut. Das verliehene Vermö-gen wird als Lehen bezeichnet und ist grundsätzlich der Nutzung des Eigen-tümers entzogen. Aus diesem Grund hat der Eigentümer am verliehenen Ver-

31 Vgl. L. LAUBENBERGER, Lehenswesen: LKStKR II, S. 708-712. 32 Vgl. A. PÖSCHL, Die Inkorporation und ihre geschichtliche Grundlage, 1. Teil: AkKR 107

(1927) S. 83f.

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DIE KLÖSTERLICHE PFARRKIRCHE IN IHRER RECHTSGESCHICHTE

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mögen lediglich das Obereigentum und nicht das Nutzeigentum. Erst mittels eines eigenen Rechtsaktes – nämlich der allgemeinen Güterinkorporation – kann das Lehen wieder der Nutzung des Eigentümers zugeführt werden. Durch Güterinkorporation kann nicht nur eigenes Vermögen, sondern auch fremdes Vermögen dem eigenen Tafelgut einverleibt werden.33

Nach den Prinzipien der allgemeinen Güterinkorporation sind im späteren Mittelalter kirchliche Institutionen und Kirchenämter inkorporiert worden.34 Nach der Lehensrechtstheorie ist das Rechtsinstitut der Inkorporation nichts anderes als die Weiterentwicklung der allgemeinen Güterinkorporation im kirchlichen Bereich. Inkorporationen werden aus rein wirtschaftlichen Grün-den vorgenommen. Durch die Inkorporation wird einer wirtschaftlich ange-schlagenen Institution neues Vermögen zugeführt. Die inkorporierte Instituti-on dient lediglich als Vermögensobjekt mit dem Zweck, die wirtschaftlich angeschlagene Institution materiell zu sanieren.35 Aus diesem Grund gibt es unzählige Varianten bezüglich der Frage, wem was inkorporiert werden darf. Einmal wird beispielsweise einem Kloster eine Pfarrkirche inkorporiert; das andere Mal wird das Kloster oder das Tafelgut des Abtes einem Domkapitel inkorporiert.36

Pöschl unterscheidet zwischen zwei Formen der kirchlichen Inkorporation, nämlich der incorporatio non pleno iure und der incorporatio pleno iure. Die incorporatio non pleno iure vereinigt lediglich das Nutzeigentum mit einer In-stitution oder einem Kirchenamt. Die incorporatio pleno iure hingegen verei-nigt sowohl das Nutzeigentum als auch das Obereigentum mit einer Institution oder einem Kirchenamt. In der Regel wird das Obereigentum nicht gemeinsam mit dem Nutzeigentum inkorporiert.37

Obwohl Pöschl die von ihm entwickelte Lehensrechtstheorie mit vielen Ur-kunden zu belegen sucht, wird sie kaum rezipiert.38 Lindner konstatiert sogar, dass die Lehensrechtstheorie quellenwidrig und nur Konstruktion sei. Sie ließe sich weder durch Urkunden belegen, noch fände sie in der Literatur eine Stüt-ze.39 Die Mehrheit der sich mit dem Rechtsinstitut der Inkorporation beschäf-tigenden Rechtshistoriker sind Vertreter der Eigenkirchenrechtstheorie.40

33 Vgl. ebd., S. 44-47 und 2. Teil: AkKR 108 (1928) S. 32f sowie D. LINDNER, Zur Inkorporati-

onsfrage: ÖAKR 3 (1952) S. 31f. 34 In der Praxis werden ganze Institutionen inkorporiert, Teile von Institutionen, Kirchenämter

oder lediglich Pfründe. Vgl. A. PÖSCHL, Die Inkorporation und ihre geschichtliche Grundla-ge, 2. Teil: AkKR 108 (1928) S. 24-30.

35 Vgl. ebd., Die Inkorporation und ihre geschichtliche Grundlage, 2. Teil: AkKR 108 (1928) S. 24-28.

36 Vgl. ebd., S. 36, 43 und 66. 37 Vgl. ebd., S. 32f. 38 Vgl. W. PLÖCHL, Geschichte des Kirchenrechts, II: Das Kirchenrecht der abendländischen

Christenheit 1055 bis 1517, Wien 1955, S. 371. 39 Vgl. D. LINDNER, Zur Inkorporationsfrage: ÖAKR 3 (1952) S. 43f. 40 Zu den Vertretern der Eigenkirchenrechtstheorie zählen unter anderem: Hinschius, Stutz,

Scharnagl, Wahrmund, Zedinek und Lindner.

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THEORIEN ÜBER DAS RECHTSINSTITUT DER INKORPORATION

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2.1.2 Die Eigenkirchenrechtstheorie

Die Eigenkirchenrechtstheorie ist die zweite Theorie über den Ursprung der Inkorporation. Nach dieser Theorie liegen die Wurzeln der Inkorporation im germanischen Eigenkirchenwesen, das gegen Ende des 7. Jahrhunderts inner-halb der Kirche an Einfluss gewinnt.

Das Eigenkirchenrecht basiert auf zwei germanischen Rechtsinstituten, nämlich der gewere und dem mundium. Die gewere bedeutet die Herrschaft des Grundherrn über seinen eigenen Grund und Boden und über alles, was auf diesem Grund und Boden steht. Befindet sich eine Kirche auf seinem Grund-stück, ist der Grundherr Eigentümer dieses Gebäudes und wird als Eigenkir-chenherr bezeichnet. In vermögensrechtlicher Sicht kann der Eigenkirchenherr mit seiner Kirche machen, was er will. Er kann sie vererben, verkaufen oder verschenken. Das mundium vervollständigt die Rechte des Eigenkirchenherrn. Durch das mundium bekommt der Eigenkirchenherr ein Schutzrecht über alle sich auf seinem Grund und Boden aufhaltenden Personen. So wird der an der Eigenkirche angestellte Priester zum Eigenpriester des Eigenkirchenherrn und ist von ihm rechtlich völlig abhängig. Der Eigenkirchenherr kann über ihn frei verfügen. Er kann ihn in sein Amt einsetzen und ihn wieder seines Amtes ent-heben, ohne den Bischof kontaktieren zu müssen.41

Obwohl die Päpste und Bischöfe bemüht sind, das Eigenkirchenrecht zu be-seitigen bzw. einzuschränken, bleiben die Erfolge diesbezüglich bescheiden. Das Provinzialkonzil von Toledo des Jahres 655 gesteht dem Erbauer einer Eigenkirche das Recht zu, dass er dem Bischof einen geeigneten Kandidaten für die Priesterweihe präsentieren darf. Diesen Priester darf der Eigenkirchen-herr dann als Seelsorger seiner Kirche einsetzen. Im Gegenzug soll der Eigen-kirchenherr auf andere Rechte verzichten.42 Im Jahr 747 teilt Papst Zacharias (741-752) Kaiser Pippin (714-768) mit, dass das Eigenkirchenrecht nur mehr für Privatoratorien und nicht mehr für Kirchen gilt, die öffentlich zugänglich sind. 43 Diese Einschränkung lässt sich aber nicht durchsetzen. Vom Konzil von Frankfurt 794 wird der Verkauf von Eigenkirchen erlaubt, deren Zerstö-

41 Vgl. W. ZEDINEK, Die rechtliche Stellung der klösterlichen Kirchen, S. 25f. 42 Vgl. Toledo (655) Cap. II. in MANSI 11, Sp. 26: „… Quia ergo fieri plerumque cognoscitur, ut

ecclesiae parochiales, vel sarca monasteria ita quorumdam episoporum, vel insolentia, vel incuria horrendam decidant in ruinam, ut gravior ex hoc oriatur aedificantibus moeror, quam in construendo gaudii extiterat labor, ideo pia compassione decernimus, ut quamdiu earumdem fundatores ecclesiarum in hac vita superstites extiterint, pro eisdem locis curam permittantur habere solicitam, & solicitudinem ferre praecipuam, atque rectores idoneos in iisdem basilicis iidem ipsi offerant episocpis ordinandos. Quod si tales forsan non inveniantur ab eis, tunc quos episcopus loci probaverit Deo placitos, sacris cultibus instituat, cum eorum conniventia servituros. Quod si spretis eisdem fundatoribus, rectores ibidem praesumpserit episcopus ordinare, & ordinationem suam irritam noverit esse, & ordinationem suam irritam noverit esse, & ad verecundiam sui alios in eorum loco, quos iidem ipsi fundatores condignos elegerint, ordinari.“

43 Vgl. A. FEHRINGER, Die Klosterpfarrei, S. 25.