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1 3 wobl Abstract: In der E 5 Ob 63/10s hat der OGH die analoge Anwendung des § 36 WEG auf den Aus- schluss eines Miteigentümers aus der schlichten Miteigentumsgemeinschaft abgelehnt. Gruber möchte in einem kürzlich erschienenen Aufsatz – für die Fälle der Zivilteilung der Liegenschaft- die Zulässigkeit einer solchen Klage mittels eines Analogieschlusses zu § 1210 ABGB be- gründen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Recht auf Ausschluss eines „schlichten“ Miteigentümers aus dem geltenden Recht ableitbar ist und geht dabei auch kritisch auf die von Gruber geäußerte Ansicht ein. Deskriptoren:  Miteigentumsgemeinschaft · Gesellschaft bürgerlichen Rechts · Teilungsklage · Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft · Naturalteilung · Zivilteilung · Ausschluss eines Miteigentümers · Ausschluss eines Wohnungseigentümers · Analogie Normen:  § 7, § 830, § 1210 ABGB · § 3, § 35, § 36, § 37 Abs 5 WEG 2002 · § 22 WEG 1975 · § 9, § 10 WEG 1948 A.  Ausgangslage und Meinungsstand In der E 5 Ob 63/10s 1 hatte sich der OGH ua mit der Frage zu befassen, ob § 36 WEG 2002 ana- log auf die schlichte Miteigentumsgemeinschaft der §§ 825 ff ABGB anwendbar ist. Das Höchst- gericht verneinte dies, weil seiner Ansicht nach keine durch Analogie zu schließende Lücke vor- lag. Vielmehr stelle die Ausschlussklage nach § 36 WEG 2002 bei begründetem WE einen „Aus- gleich“ dafür dar, dass der Aufhebungsanspruch nach § 830 ABGB nicht zustehe. Außerdem komme bei Möglichkeit einer Naturalteilung ohnedies jedem Miteigentümer ein Anteil zu; bei Zivilteilung stehe die Fortsetzung der Gemein- schaft als „WE-Gemeinschaft“ offen. Im Schrifttum war bis dato keine einhellige Auffassung vorherrschend: Teils wird die Mög- lichkeit der klagsweisen Ausschließung von Mit- eigentümern aus wichtigem Grund abgelehnt 2 , teils wird dies im Wege der Analogie bejaht 3 , 1 OGH 31.08.2010, 5 Ob 63/10s in wobl 2011, 82/40. 2 Sailer in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), ABGB 3 (2010) § 843 Rz 7. 3 H.  Böhm in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON 1.00 § 830 Rz 25; für analoge Anwendung des § 22 WEG 1975 (jetzt § 36 WEG 2002) auf „ähnlich strukturierte“ Mit- eigentumsgemeinschaften: Gamerith in Rummel (Hrsg), ABGB 3 (2000) § 830 Rz 21; weiters Klein, Glosse OGH 5 Ob 63/10s in immolex 2011, 279/92; für analoges Her- anziehen des § 10 WEG 1948 auf Miteigentümer, der bereits WE-Bewerber ist, Faistenberger/Barta/Call, Kom- mentar zum WEG 1975 (1976) § 22 Note 72; für Analo- gie zu § 1210 ABGB, außer die Gemeinschaft ist ohnedies zugleich eine Gesellschaft, R. Oberhofer, Die Aufhebung von Miteigentumsgemeinschaften an bebauten Grund- stücken, wobl 1994, 58 (66); für Ausschlussklage de lege ferenda Gschnitzer/Faistenberger/Barta/Eccher, Schuld- recht BT 2 (1988) 335 f. Wohnrechtliche Blätter 25, 1–4 (2012) DOI 10.1007/s00719-011-0032-z Aufsatz ao. Univ.-Prof. Dr. Raimund Pittl, Innsbruck Klage auf Ausschließung eines „schlichten“  Miteigentümers? Online publiziert: 6. Januar 2012 © Springer-Verlag 2011 A. Ausgangslage und Meinungsstand B. Die Auffassung Grubers C. Eigene Stellungnahme I. Analogie zu § 36 WEG 2002? II. Analogie zu § 1210 ABGB? III. Vorzeitige Auflösung von Dauerrechtsverhältnissen aus wichtigem Grund? IV. Klage auf Ausschließung de lege ferenda? D. Ergebnis Inhalt

Klage auf Ausschließung eines „schlichten“ Miteigentümers?

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Page 1: Klage auf Ausschließung eines „schlichten“ Miteigentümers?

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Abstract:  In der E 5 Ob 63/10s hat der OGH die analoge Anwendung des § 36 WEG auf den Aus-schluss eines Miteigentümers aus der schlichten Miteigentumsgemeinschaft abgelehnt. Gruber möchte in einem kürzlich erschienenen Aufsatz – für die Fälle der Zivilteilung der Liegenschaft- die Zulässigkeit einer solchen Klage mittels eines Analogieschlusses zu §  1210 ABGB be-gründen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Recht auf Ausschluss eines „schlichten“ Miteigentümers aus dem geltenden Recht ableitbar ist und geht dabei auch kritisch auf die von Gruber geäußerte Ansicht ein.

Deskriptoren:  Miteigentumsgemeinschaft · Gesellschaft bürgerlichen Rechts · Teilungsklage · Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft · Naturalteilung · Zivilteilung · Ausschluss eines Miteigentümers · Ausschluss eines Wohnungseigentümers · Analogie

Normen:  § 7, § 830, § 1210 ABGB · § 3, § 35, § 36, § 37 Abs 5 WEG 2002 · § 22 WEG 1975 · § 9, § 10 WEG 1948

A.  Ausgangslage und Meinungsstand

In der E 5 Ob 63/10s1 hatte sich der OGH ua mit der Frage zu befassen, ob § 36 WEG 2002 ana-log auf die schlichte Miteigentumsgemeinschaft der §§ 825 ff ABGB anwendbar ist. Das Höchst-gericht verneinte dies, weil seiner Ansicht nach keine durch Analogie zu schließende Lücke vor-lag. Vielmehr stelle die Ausschlussklage nach § 36 WEG 2002 bei begründetem WE einen „Aus-gleich“ dafür dar, dass der Aufhebungsanspruch nach §  830 ABGB nicht zustehe. Außerdem komme bei Möglichkeit einer Naturalteilung ohnedies jedem Miteigentümer ein Anteil zu; bei Zivilteilung stehe die Fortsetzung der Gemein-schaft als „WE-Gemeinschaft“ offen.

Im Schrifttum war bis dato keine einhellige Auffassung vorherrschend: Teils wird die Mög-lichkeit der klagsweisen Ausschließung von Mit-eigentümern aus wichtigem Grund abgelehnt2, teils wird dies im Wege der Analogie bejaht3,

1 OGH 31.08.2010, 5 Ob 63/10s in wobl 2011, 82/40.2 Sailer in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), ABGB3 (2010) § 843 Rz 7.3 H.  Böhm in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON 1.00 § 830 Rz 25; für analoge Anwendung des § 22 WEG 1975 (jetzt §  36 WEG 2002) auf „ähnlich strukturierte“ Mit-eigentumsgemeinschaften: Gamerith in Rummel (Hrsg), ABGB3 (2000) §  830 Rz  21; weiters Klein, Glosse OGH 5 Ob 63/10s in immolex 2011, 279/92; für analoges Her-anziehen des §  10 WEG 1948 auf Miteigentümer, der bereits WE-Bewerber ist, Faistenberger/Barta/Call, Kom-mentar zum WEG 1975 (1976) § 22 Note 72; für Analo-gie zu § 1210 ABGB, außer die Gemeinschaft ist ohnedies zugleich eine Gesellschaft, R. Oberhofer, Die Aufhebung von Miteigentumsgemeinschaften an bebauten Grund-stücken, wobl 1994, 58 (66); für Ausschlussklage de lege ferenda Gschnitzer/Faistenberger/Barta/Eccher, Schuld-recht BT2 (1988) 335 f.

Wohnrechtliche Blätter 25, 1–4 (2012)DOI 10.1007/s00719-011-0032-z

Aufsatz

ao. Univ.-Prof. Dr. Raimund Pittl, Innsbruck

Klage auf Ausschließung eines „schlichten“ Miteigentümers?

Online publiziert: 6. Januar 2012 © Springer-Verlag 2011

A. Ausgangslage und MeinungsstandB. Die Auffassung GrubersC. Eigene Stellungnahme I. Analogie zu § 36 WEG 2002? II. Analogie zu § 1210 ABGB? III. Vorzeitige Auflösung von

Dauerrechtsverhältnissen aus wichtigem Grund? IV. Klage auf Ausschließung de lege ferenda?D. Ergebnis

Inhalt

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woblR. Pittl

wobei sich die Autoren idR auf die von Fasching4 vertretene Auffassung stützen: Dieser führt ua aus, dass die Zulässigkeit der vorzeitigen Auf-lösung von Dauerrechtsverhältnissen unbestrit-ten sei, was bei Mehrpersonengemeinschaften dazu führe, dass ein Gemeinschafter aus wichti-gen Gründen ausgeschlossen werden könne. Im schlichten Miteigentum kenne das Gesetz nur die Auflösung der ganzen Gemeinschaft5, wel-che bei der idR stattfindenden Zivilteilung zur Versteigerung der Liegenschaft führe und damit die Gefahr des Eigentumsverlustes für alle Teil-haber in sich berge. § 10 WEG 1948 sei im Wege einer „sinnvollen Wert- und Interessenabwä-gung“ analog auf den Ausschluss eines Teilha-bers aus wichtigen Gründen aus einer solchen schlichten Miteigentumsgemeinschaft heranzu-ziehen, die keine Naturalteilung zulasse6.

 B.  Die Auffassung Grubers

Jüngst hat sich Gruber7 mit der Thematik aus-einandergesetzt: Dem OGH folgt er insofern, als er eine analoge Anwendung des § 36 WEG 2002 auf die Ausschließung eines Miteigentümers aus einer schlichten Miteigentumsgemeinschaft ablehnt. Allerdings sei die Teilungsklage gem § 830 ABGB mit dem Nachteil verbunden, dass es bei der idR stattfindenden Zivilteilung zu einer Versteigerung der Liegenschaft und damit zu einem Eigentumsverlust der Teilhaber komme, weshalb hier im Gegensatz zu einer Ausschluss-klage ein Rechtsschutzdefizit bestehe8. Das Ver-lustrisiko werde entgegen der vom Höchstgericht vertretenen Auffassung nicht durch die Mög-lichkeit der WE-Begründung gem § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 „entschärft“, weil diese in Ermange-lung einer ausreichenden Zahl WE-tauglicher Objekte scheitern könne und selbst nach einer erfolgreichen WE-Begründung erst Recht die Ausschlussklage gem § 36 WEG 2002 gegen den unliebsamen Mit- bzw Wohnungseigentümer angestrengt werden müsse, was einen zeit- und kostenaufwändigen Umweg darstelle9.

4 Fasching, Urteilsmäßige Rechtsgestaltung im Zivilpro-zeß, JBl 1975, 505 (508 ff).5 Zum Verhältnis zwischen § 830 ABGB und § 2 Abs 2 Z 2 WEG 1975 Pittl/Kogler, Wer kann die Begründung von Wohnungseigentum begehren? wobl 1998, 204 (208 f).6 Fasching, JBl 1975, 505 (508 f).7 Gruber, Ausschlussklage bei (schlichter) Miteigentums-gemeinschaft? NZ 2011, 139.8 Gruber, NZ 2011, 139 (139 f).9 Gruber, NZ 2011, 139 (140).

Entgegen der Ansicht des OGH ortet Gru-ber insofern eine planwidrige Lücke, als „das bei einer Zivilteilung für den Miteigentümer bestehende Rechtsschutzdefizit der Auflösungs-klage … durch die Begründung von WE nur teilweise behoben werden“ könne, „nämlich für die zur Begründung von WE tauglichen Miteigentumsobjekte10.“ Er bejaht in der Folge eine analoge Anwendung des § 1210 ABGB auf den Ausschluss eines Miteigentümers aus einer schlichten Miteigentumsgemeinschaft, weil trotz der Unterschiede zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft fließende Übergänge und zahl-reiche Parallelen bestünden, etwa im GesbR-Recht häufig auf die Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB verwiesen werde, § 1215 ABGB eine Tei-lung nach den Vorschriften des Miteigentums anordne, was in Summe „für einen Analogie-schluss ausreichend tragfähig“ sei11.

 C.  Eigene Stellungnahme

I.  Analogie zu § 36 WEG 2002?

Unbestritten ist, dass die Begründung einer Klage auf Ausschließung eines schlichten Mit-eigentümers im Auslegungsweg ausscheidet, weil dabei der äußerst mögliche Wortsinn des §  830 ABGB überschritten werden müsste; es sind daher die Voraussetzungen für einen all-fälligen Analogieschluss zu prüfen12. Dafür ist das Vorliegen einer Gesetzeslücke erforderlich: Eine solche liegt nach F. Bydlinski vor, wenn sich der Rechtsfall nach dem (bereits ausgeleg-ten) Gesetz nicht beurteilen lasse, jedoch „…rechtlich einer Beurteilung im Sinne der Fest-legung von Rechtsfolgen bedarf“. Es müsse eine „planwidrige Unvollständigkeit“, also ein „nicht gewolltes Manko“ nicht nur aufgrund der posi-tiven Rechtsnormen, sondern der dem Gesetz zugrundeliegenden Wertungen und Zwecke sowie der Rechtsprinzipien vorliegen13.

Jeder Teilhaber einer schlichten Miteigen-tumsgemeinschaft kann gem § 830 Abs 2 ABGB auch grundlos die Aufhebung der schlichten Mit-eigentumsgemeinschaft verlangen. In der WE-Gründungsphase gilt nach Maßgabe des §  37 Abs 5 Satz 1 bereits § 36 WEG 2002 und nicht

10 Gruber, NZ 2011, 139 (141).11 Gruber, NZ 2011, 139 (141).12 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbe-griff2 (1991) 467 f.13 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre2 473.

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3wobl Klage auf Ausschließung eines „schlichten“ Miteigentümers?

mehr § 830 Satz 2 ABGB – der dort genannte Mit-eigentümer muss deshalb von der Mehrheit auf Ausschluss geklagt werden. Im Übrigen ist § 35 Abs 2 WEG 2002 zu beachten, wonach bei (teil-weise) erfolgter WE-Begründung die „reine“14 Teilungsklage nach § 830 ABGB nicht zusteht.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Wort-laut des §  830 ABGB seit Inkrafttreten des ABGB unverändert geblieben ist. In der leg cit ist nur von der „Aufhebung der Gemein-schaft“, nicht von einem Austritt oder Ausschei-den eines Gemeinschafters die Rede. Nicht nur aus der unterschiedlichen Textierung, sondern vor allem aus den Materialien zum WEG 1948 erschließt sich deutlich, dass der Gesetzgeber eine unterschiedliche Behandlung15 von schlich-ter Miteigentumsgemeinschaft und WE-Ge-meinschaft im Hinblick auf deren Auflösung und auf das Ausscheiden von Gemeinschaftern nicht nur beabsichtigt, sondern sogar gesetzlich normiert hat. Bereits gem § 9 WEG 1948 konnte die WE-Gemeinschaft nur mit Zustimmung aller Miteigentümer aufgehoben werden, ein Wohnungseigentümer gem § 10 WEG 1948 aber wegen Verletzung von Gemeinschaftspflichten durch Klage der Mehrheit der übrigen Miteigen-tümer ausgeschlossen werden. Zum einen sollte dadurch die Bestandskraft des WE im Verhält-nis zum schlichten Miteigentum erhöht werden16, zum anderen sollte „…als Gegengewicht gegen den Ausschluss der Teilungsklage eine eigene Klage gegen den Wohnungseigentümer …“ zuge-lassen werden17, um untragbare Zustände zu beseitigen. Es wird deutlich, dass der Gesetzge-ber die Ausschlussklage nur im Zusammenhang mit WE einräumen wollte und eine geringere Bestandskraft und „Attraktivität“ des schlich-ten Miteigentums im Vergleich zum WE bewusst in Kauf genommen hat. Diese Wertung hat der Gesetzgeber im Folgenden nicht aufgegeben, sondern weiter präzisiert: § 37 Abs 5 WEG 2002 und dessen Vorläuferbestimmung §  23 Abs  4 WEG 197518 normieren, ab welchem Stadium der

14 Dazu OGH 03.04.2007, 5 Ob 68/07x in wobl 2008, 108/37 mit Anm R. Oberhofer.15 Vgl dazu wiederum F. Bydlinski, Juristische Methoden-lehre2 475.16 Bericht und Antrag des JA 676 BlgNR 5. GP.17 Bericht und Antrag des JA 676 BlgNR 5. GP.18 Erstmals wurde durch diese im Zuge der WRN 1999 (BGBl I 1999/147, Materialien 2056 BlgNR 20. GP 11) ein-gefügte Norm die Anwendung von WEG-Bestimmungen auf die Gründungsphase von WE gesetzlich positiviert. Die genaue Regelung der Anwendung des § 22 WEG 1975 bzw des § 36 im noch ausführlicheren § 37 Abs 5 WEG

WE-Begründung § 36 WEG 2002 anwendbar ist. Ohne Konnex zur (in Gang befindlichen) WE-Begründung ist § 36 WEG 2002 nicht anwend-bar und kann daher ein Miteigentümer nicht auf Ausschluss geklagt werden.

Eine analoge Anwendung des § 36 WEG 200219 auf die Ausschließung eines Teilhabers aus einer schlichten Miteigentumsgemeinschaft scheidet daher – wie der OGH in der Ausgangsentschei-dung bereits zutreffend ausgeführt hat – man-gels Vorliegens einer planwidrigen Lücke aus.

 II.  Analogie zu § 1210 ABGB?

Damit bleiben freilich noch zwei grundlegende Fragen unbeantwortet: Ist §  1210 ABGB ana-log auf die Ausschließung eines „schlichten Miteigentümers“ anwendbar? Gilt das allge-meine Prinzip über das Recht zur vorzeitigen Auflösung von Dauerschuld- und Dauerrechts-verhältnissen aus wichtigem Grund auch im vorliegenden Fall?

Bei näherer Lektüre des Wortlauts der rele-vanten Normen fällt auf, dass die §§ 1175 ff ABGB über die GesbR regelmäßig von „Mitglied“, die §§ 825 ff ABGB hingegen von „Teilhaber“ spre-chen. Schon Zeiller erwähnt im Zusammenhang mit § 1210 ABGB nur den Gesellschafter, nicht den Gemeinschafter20. Weiters ist anzumer-ken, dass §  1210 ABGB im Gesellschaftsrecht angeordnet ist und dort jeglicher Verweis auf die Geltung des Inhalts dieser Bestimmung im Gemeinschaftsrecht der §§  825  ff ABGB fehlt. Trotz zweier Novellen in jüngerer Zeit21 hat der Gesetzgeber in § 1210 ABGB keine normativen Anpassungen bzw Verweisungen vorgenommen, die Anhaltspunkte für eine andere Wertung erbringen würden. Es ist kein Wille des Gesetz-gebers erkennbar, die unterschiedliche Behand-lung von Gemeinschaft und Gesellschaft – was den Ausschluss von Mitgliedern anbelangt – aufzugeben oder zu modifizieren. Daran ändert auch nichts, dass die Gesellschaft vor allem im Hinblick auf die Struktur ihres Vermögens und ihrer Willensbildung auf der Gemeinschaft

2002 belegen eindeutig, dass der Gesetzgeber gerade keine generelle Anwendung des § 36 WEG 2002 auf die Ausschließung aus einer schlichten Miteigentumsgemein-schaft beabsichtigt hat.19 Unzutreffend ist daher jedenfalls der von Klein in seiner Glosse zur E OGH 5 Ob 63/10s in immolex 2011, 279/92 bejahte Analogieschluss zu § 36 WEG 2002.20 Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (1813) 571.21 BGBl 136/1983 u BGBl 1974/496.

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aufbaut: Wo die unmittelbare Anwendung von Bestimmungen des Miteigentumsrechts gewollt ist – etwa im Bereich der Willensbildung – hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet. Nichts lässt erkennen, dass sich die ratio legis im angesprochenen Sinn verändert hätte. Es liegt eben keine planwidrige Lücke vor, was die Klage auf Ausschließung schlichter Miteigentü-mer (bei drohender Zivilteilung) anbelangt.

Ein im Wege einer Gesetzesanalogie zu § 1210 ABGB begründetes Recht auf Ausschließung und Abschichtung22 eines schlichten Miteigentümers für den Fall der Zivilteilung der Liegenschaft, bei der sich die Anteile der übrigen entsprechend erhöhen, ist daher abzulehnen. Da es sich beim Recht zum Ausschluss nach §  1210 ABGB um einen schwerwiegenden Eingriff handelt23, müss-te dieses mangels abweichender24 Regelung von allen übrigen Miteigentümern ausgeübt werden.

III.  Vorzeitige Auflösung von Dauerrechtsverhältnissen aus wichtigem Grund?

Nicht nur Dauerschuld- sondern auch Dauer-rechtsverhältnisse lassen sich aus wichtigen Gründen vorzeitig auflösen25. Dieses im Wege einer Gesamtanalogie gewonnene Prinzip könnte wiederum nur bei Vorliegen einer planwidri- gen Lücke auf das Ausscheiden eines Gemein-schafters zur Anwendung gelangen, eine sol-che liegt – wie gerade untersucht – aber auch nicht in Teilbereichen vor; es ist in Gestalt des § 830 ABGB eine unmittelbar anwendbare, hier abschließende spezielle Regelung vorhanden. Aus denselben Erwägungen wird man auch ein vorzeitiges Austrittsrecht eines Miteigentü-mers26 ablehnen, wenn dies nicht im Einzelnen rechtsgeschäftlich begründet ist.

Damit ist freilich noch nichts darüber aus-gesagt, ob die vom Gesetzgeber in § 830 ABGB getroffenen Anordnungen heutzutage noch als zweckmäßig empfunden werden.

22 Dazu näher bspw Wittmann-Tiwald in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1215 Rz 11.23 Vgl dazu etwa Jabornegg/Resch in Schwimann (Hrsg), ABGB3 (2006) § 1210 Rz 10.24 Va Mehrheitsprinzip in § 36 WEG 2002.25 Allerdings müssen die Auflösungsgründe bei Dauer-rechtsverhältnissen noch größeres Gewicht haben; die Auflösung könne nur „äußerstes Notventil“ sein: etwa OGH 08.10.2008, 9 Ob 16/08f in wobl 2011, 56/30.26 Vgl dazu auch Gruber, NZ 2011, 139 (139).

 IV.  Klage auf Ausschließung de lege ferenda?

Die Zivilteilung einer Liegenschaft kann – wie dies vor allem Fasching und Gruber begründet aufgezeigt haben – durchaus zu unbefriedigen-den bzw unzweckmäßigen Ergebnissen führen. Dies vor allem, weil es im Zuge der gerichtlichen Feilbietung der Liegenschaft trotz entsprechen-der Erlösbeteiligung idR zum Verlust der Eigen-tumsanteile für alle Miteigentümer kommt, wenngleich diese vom Mitbieten nicht ausge-schlossen sind. Um einen untragbaren Teilhaber loszuwerden, wäre eine Ausschließungsklage das zweifellos gelindere Mittel; die Miteigen-tumsgemeinschaft könnte zudem fortbestehen.

Dies ist freilich eine Entscheidung, welche der Gesetzgeber zu treffen hat: Möchte er die Klage auf Ausschließung eines schlichten Miteigen-tümers zulassen, wäre dazu mE lediglich ein kurzer Zusatz zu § 830 ABGB erforderlich, der wie folgt lauten könnte: „Im Übrigen gilt § 1210 ABGB sinngemäß.“

 D.  Ergebnis

1. Eine Klage auf Ausschließung eines „schlich-ten“ Miteigentümers lässt sich weder durch eine Gesetzesanalogie zu §  36 WEG 2002, zu §  1210 ABGB noch im Wege einer Rechtsanalogie begründen, weil keine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt. Die vom OGH in der E 5 Ob 63/10s vertre-tene Rechtsmeinung ist zutreffend, der von Gru-ber zu §  1210 ABGB gezogene Analogieschluss auf dem Boden des geltenden Rechts abzulehnen.

2. De lege ferenda könnte man erwägen, eine solche Klage zuzulassen, um unbefriedigende und unzweckmäßige Ergebnisse der Zivilteilung zu vermeiden. Ein kurzer Zusatz in § 830 ABGB mit einem Verweis auf § 1210 ABGB wäre dazu ausreichend.

Korrespondenz: ao. Univ.-Prof. Dr. Raimund Pittl, Institut für Arbeits- und Sozialrecht, Wohn- und Immobilienrecht und Rechtsinfor-matik, Universität Innsbruck, Innrain 52, 6020 Innsbruck, E-Mail: [email protected].

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