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Bücher, die man kennen muss KLASSIKER DER WELTLITERATUR

KLASSIKER DER WELTLITERATUR Bücher, die man · 100 ausgewählte Meisterwerke der Weltliteratur von der Antike bis zur Gegenwart † Übersichtlich nach Epochen gegliedert und nach

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100 ausgewählte Meisterwerke der Weltliteratur von der Antike bis zur Gegenwart

Übersichtlich nach Epochen gegliedert • und nach Erscheinungsjahr geordnet

Prägnante Autorenbiografi en•

Darstellung der Werke mit Inhalts-• angabe, Entstehungs- und Wirkungs-geschichte

Der literarische „Grundwort-schatz“ für alle, die mitreden wollen

,!7ID4B1-heifbi!ISBN 978-3-411-74851-8 9,95 3 (D) · 10,30 3 (A)

Bücher, die man kennen muss

KLASSIKER DER WELTLITERATUR

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Bücher, die man kennen muss

KLASSIKER DER WELTLITERATUR

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Duden

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Duden

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DudenverlagMannheim · Zürich

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Es wurde größte Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten Angaben korrekt sind und dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Für im Werk auftretende Fehler können Autor, Redaktion und Verlag aber keine Verantwortung und daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen.

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© Duden 2011Bibliographisches Institut GmbH, Dudenstraße 6, 68167 MannheimE D C B A

Printed in Germany

ISBN 978-3-411-74851-8Auch als E-Book erhältlich unter: ISBN 978-3-411-90303-0

Redaktionelle Leitung Heike PfersdorffRedaktion SinnKron (Christian Horn; Cornelia Heinrich, Claudia Ristau)Herstellung Monika SchochTypografie und Satz Farnschläder & Mahlstedt, HamburgUmschlaggestaltung WohlgemuthPartners Neue Kommunikation, BremenUmschlagabbildung Fotolia/Friday: Bücher, Studio Kauffelt: BücherrückenDruck und Bindung Druckerei C. H. Beck, Bergerstraße 3, 86720 Nördlingenwww.duden.de

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Inhalt

Antike (ca. 2000 v. Chr. bis ca. 500 n. Chr.) 9 Anonym: Gilgamesch-Epos 12 Homer: Ilias, Odyssee 18 Äsop: Fabelsammlung 20 Caesar, Gaius Iulius: Der gallische Krieg 23 Vergil: Aeneis 26 Ovid: Metamorphosen 29 Tacitus, Publius Cornelius: Germania 31 Augustinus, Aurelius: Bekenntnisse 34 Herodot: Historien

Mittelalter (500–1500) 37 Anonym: Beowulf 39 Murasaki Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji 41 Anonym: Tausendundeine Nacht 44 Anonym: Nibelungenlied 47 Gottfried von Straßburg: Tristan 50 Wolfram von Eschenbach: Parzival 53 Chaucer, Geoffrey: Die Canterbury-Erzählungen 56 Dante Alighieri: Die göttliche Komödie

Renaissance (1500–1600) 59 Boccaccio, Giovanni: Das Dekameron 62 Brant, Sebastian: Das Narrenschiff 65 Machiavelli, Niccolò: Der Fürst 68 More, Thomas: Utopia 71 Rabelais, François: Gargantua und Pantagruel 74 Cervantes Saavedra, Miguel de: Don Quijote

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Barock (1600–1720) 77 Grimmelshausen: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch

Aufklärung (1720–1785) 80 Hobbes, Thomas: Leviathan 83 Fielding, Henry: Die Geschichte des Tom Jones, eines Findlings 86 Voltaire: Candide 89 Sterne, Laurence: Leben und Ansichten von Tristram Shandy,

Gentleman 92 Rousseau, Jean-Jacques: Emile oder Über die Erziehung 95 Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft

Sturm und Drang (1765–1790) 98 Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers 101 Bürger, Gottfried August: Münchhausen

Klassik (1786–1832) 104 Defoe, Daniel: Robinson Crusoe 107 Swift, Jonathan: Gullivers Reisen 110 Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften

Zwischen Klassik und Romantik 112 Kleist, Heinrich von: Michael Kohlhaas

Romantik (1798–1835) 115 Arnim, Achim von / Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn 118 Grimm, Jacob und Wilhelm: Kinder- und Hausmärchen 121 Austen, Jane: Stolz und Vorurteil 124 Eichendorff, Joseph Freiherr von:

Aus dem Leben eines Taugenichts 127 Andersen, Hans Christian: Märchen 130 Gogol, Nikolai: Tote Seelen 133 Balzac, Honoré de: Verlorene Illusionen,

Glanz und Elend der Kurtisanen

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137 Brontë, Charlotte: Jane Eyre 140 Brontë, Emily: Die Sturmhöhe 142 Hugo, Victor: Die Elenden

Biedermeier und Vormärz (1815–1848) 145 Heine, Heinrich: Buch der Lieder, Deutschland. Ein Wintermärchen 150 Büchner, Georg: Lenz 153 Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche

Moderne (1850–1968) 156 Melville, Herman: Moby Dick oder Der weiße Wal 159 Beecher Stowe, Harriett: Onkel Toms Hütte 162 Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich 165 Dickens, Charles: Große Erwartungen 168 Dostojewski, Fjodor: Der Idiot 171 Tolstoi, Lew: Krieg und Frieden 174 Mark Twain: Tom Sawyers Abenteuer 177 Storm, Theodor: Der Schimmelreiter 180 Wilde, Oscar: Das Bildnis des Dorian Gray 183 Lagerlöf, Selma: Gösta Berling, Nils Holgersson 186 Fontane, Theodor: Effi Briest 189 Mann, Thomas: Buddenbrooks, Der Zauberberg 193 Proust, Marcel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 196 Joyce, James: Ulysses 199 Babel, Isaak: Die Reiterarmee 202 Fitzgerald, Francis Scott: Der große Gatsby 205 Kafka, Franz: Der Prozess, Das Schloss 210 Woolf, Virginia: Mrs. Dalloway 213 Hesse, Hermann: Der Steppenwolf, Das Glasperlenspiel 218 Döblin, Alfred: Berlin Alexanderplatz 221 Remarque, Erich Maria: Im Westen nichts Neues 224 Roth, Joseph: Hiob, Radetzkymarsch 228 Traven, B.: Das Totenschiff 231 Fallada, Hans: Kleiner Mann – was nun?

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234 Mann, Klaus: Mephisto 237 Steinbeck, John: Früchte des Zorns 240 Orwell, George: Farm der Tiere 243 Machfus, Nagib: Die Midaq-Gasse 246 Camus, Albert: Die Pest 249 Greene, Graham: Der dritte Mann 252 Dürrenmatt, Friedrich: Der Richter und sein Henker 255 Nabokov, Vladimir: Lolita 258 Tomasi di Lampedusa, Giuseppe: Der Leopard 261 Frisch, Max: Homo Faber 264 Aitmatow, Tschingis: Dshamilja 267 Grass, Günter: Die Blechtrommel 270 Solschenizyn, Alexander: Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch 273 Wolf, Christa: Der geteilte Himmel 276 Bulgakow, Michail: Der Meister und Margarita 279 García Márquez, Gabriel: Hundert Jahre Einsamkeit

Gegenwart (ab 1968) 282 Lenz, Siegfried: Deutschstunde 285 Kertész, Imre: Roman eines Schicksallosen 288 Walser, Martin: Ein fliehendes Pferd 291 Eco, Umberto: Der Name der Rose 294 Jelinek, Elfriede: Die Klavierspielerin 297 Kundera, Milan: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins 300 Morrison, Toni: Menschenkind 303 Vargas Llosa, Mario: Das Fest des Ziegenbocks 306 Pamuk, Orhan: Schnee 309 Müller, Herta: Atemschaukel

313 Werkverzeichnis

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Gilgamesch-Epos 9

Anonym

Gilgamesch-Epos OT Scha naqba imuru (»Der alles schaute«) | Entstehungszeit ca. 21.–12. Jahrhundert v. Chr. | Deutschsprachige Erstausgabe 1891 | Form Epos | Epoche Babylonisches Altertum

Das Gilgamesch-Epos, das erste Großepos der Weltliteratur und gleichzeitig das bedeutendste Werk der babylonischen Literatur, war schon zu seiner Zeit berühmt Die besondere Hochschätzung der al-ten Stadt Uruk, die in dem Epos zum Ausdruck kommt, hängt u. a. damit zusammen, dass dort die Schrift so weit entwickelt wurde, dass sie die Gesamtheit der (sumerischen) Sprache auszudrücken vermochte. Uruk ist damit gewissermaßen die Wiege der Weltlite-ratur.

Entstehung Gilgamesch war ein König der mesopotamischen Stadt Uruk, der zwischen 2750 und 2600 v. Chr. (in der »frühdynasti-schen« Epoche) geherrscht haben muss. Kürzere epische Dichtungen über Gilgamesch in sumerischer Sprache liegen aus der 3. Dynastie von Ur (ca. 2000 v. Chr.) vor, deren Herrscher aus Uruk stammten. Unter Verwendung dieses Materials schuf ein Dichter der mittelba-bylonischen Zeit (ca. 1200 v. Chr.) eine zusammenhängende Kompo-sition in akkadischer Sprache: das eigentliche Gilgamesch-Epos. Ein Exemplar dieses auf zwölf Tontafeln in Keilschrift niedergeschriebe-nen Zyklus wurde in der Bibliothek des assyrischen Königs Assurba-nipal (669–627 v. Chr.) gefunden. Ein Fragment eines literarischen Katalogs aus derselben Bibliothek nennt als Verfasser des Epos einen Priester namens Sin-leqe-uninni.

Nachdem der Text mehr als 2000 Jahre verschollen war, wurde er ab 1872 von dem britischen Assyriologen George Smith entdeckt. Zerstörte Teile des Textes werden seither in dem Maße ergänzt, wie an verschiedenen Orten Textfragmente (vor allem der sumerischen Varianten) gefunden werden.

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Antike10

Inhalt Um die Fronherrschaft des Königs Gilgamesch, der zu zwei Dritteln Gott und zu einem Drittel Mensch ist, über die Bewohner Uruks abzumildern, schaffen die Götter einen Gefährten für ihn: den »Tiermenschen« Enkidu. Dieser wird nach einem Zweikampf Gilgameschs Freund. Gemeinsam erleben Gilgamesch und Enkidu Abenteuer: Sie töten den Wächter des Zedernwaldes im Libanon, Chuwawa, und fällen die heilige Zeder. Zurückgekehrt, wird Gilga-mesch von der Liebesgöttin Ischtar aufgefordert, die heilige Hoch-zeit zu vollziehen. Er lehnt das Angebot ab und verhöhnt die Göttin. Daraufhin muss er mit Enkidu gegen den Himmelsstier kämpfen, den sie töten. Aufgrund eines Ratsschlusses der Götterversamm-lung erkrankt Enkidu und stirbt. Gilgamesch trauert um den Freund und wird fortan von der Angst zu sterben umgetrieben. Auf der Suche nach Unsterblichkeit begibt er sich auf eine Reise zu Utna-pischtim, der die Sintflut erlebte und von den Göttern die Unsterb-lichkeit erhielt. Auf dem Weg vollbringt er weitere Heldentaten; we-der Gefahren noch der Rat der Schenkin Siduri, sich auf den Genuss des diesseitigen Lebens zu konzentrieren, können ihn bremsen. Der Fährmann Urschanabi setzt Gilgamesch schließlich über die Todes-wasser zu Utnapischtim über. Dieser berichtet ihm, dass er die Un-sterblichkeit erlangte, als er die Sintflut durch den Bau einer Arche überlebte. Mit Urschanabi kehrt Gilgamesch zurück zur Stadtmauer von Uruk. Sie, die von Gilgamesch gebaut wurde, erweist sich als das Mittel, seinen Namen unsterblich zu machen.

Aufbau Die Abenteuer des Helden bilden einen Kreis, beginnend und endend mit der (ihrerseits annähernd kreisförmigen) Stadt-mauer Uruks. Daran ist als zwölfte Tafel eine Art Epilog angehängt. Ein wichtiges Element der einzelnen Abenteuer sind die großzügig eingearbeiteten Träume der Helden und deren Deutung als Omina.

Wirkung Der Sintflutbericht der Bibel ist offensichtlich von sei-nem mesopotamischen Gegenstück beeinflusst; der Letztere ist aber nicht exklusiv im Gilgamesch-Epos enthalten, sondern auch separat

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Gilgamesch-Epos 11

als Atrachasis-Mythos überliefert, der von der Schöpfung und der Sintflut erzählt. Motive des Gilgamesch-Epos haben spätere Helden-erzählungen beeinflusst, so jene über Herakles, und lassen sich noch in den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht finden.

Nach 2000 Jahren Rezeptionsabriss gelangten das Epos und sein Titelheld erneut zu großer Popularität. Neben den diversen Edi-tionen des Epos selbst wurde der Stoff u. a. in der Oper Gilgamesj (1943/44) von Ture Rangström (1884–1947), in dem Oratorium Gil-gamesch (Uraufführung: 1958) von Bohuslav Martinů (1890–1959) sowie in diversen Romanen (etwa Fluss ohne Ufer, 1949/50, von Hans Henny Jahnn) verarbeitet. Viel Beachtung erfuhr die Neuüberset-zung und Nachdichtung des Epos von Raoul Schrott (Gilgamesch, 2001), in die auch neueste Erkenntnisse eingeflossen sind. Zusam-men mit führenden Assyrologen fertigte er eine philologische Über-setzung an, stellte dieser aber eine zweite, dichterische Fassung ge-genüber, in der er das Epos auch für die heutige Zeit lesbar macht.

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Antike12

Homergriechischer Dichter | * 8. Jh. v. Chr. | † 8. Jh. v. Chr. | vermutlich in Smyrna geboren | Vorbild und Lehrmeister der Antike | gilt als Begründer des abendländischen Epos

Über Homers Person herrschte seit jeher Unsicherheit. Die litera-risch-biografische Erforschung begann im 5. Jh. v. Chr., wobei die Quellen viel Widersprüchliches zutage förderten. Aufgrund sprach-licher Indizien erscheint Smyrna (heute Izmir) als seine Geburtsstadt wahrscheinlich. Anzunehmen ist, dass der nördliche Teil des ioni-schen Kleinasien Homers Heimat war. Als Sterbeort gilt die Insel Ios.

Die sogenannte homerische Frage nach dem Ursprung der Hel-denepen und deren Entstehung kam bereits im Altertum auf. Bis zum 5. Jahrhundert schrieb man Homer neben der Ilias und Odyssee zahlreiche weitere Epen zu, später galt er als deren ausschließlicher Verfasser, bis ihm im Hellenismus die »Chorizonten« (Trennenden) die Autorschaft für die Odyssee absprachen. Im Laufe der Debatte entwickelten sich zwei Hauptrichtungen, die der Unitarier, die eine strenge Einheitlichkeit der Epen vertraten, und die der Analytiker, die beide Epen radikal in einzelne Lieder zerlegten. Hinzu kamen Forscher, die Erweiterungen und Kompilationen mehrerer Kleine-pen annahmen und Homer nur für den »Redaktor« oder Herausge-ber hielten. Wolfgang Schadewaldt leitete 1938 eine durch Kompo-sition und Beziehungsreichtum des Epos begründete Gesamtschau der Ilias ein und konstituierte Homer wieder als ihren Dichter.

Homer, der heute als Schöpfer der beiden ersten und bedeutends-ten griechischen Großepen Ilias und Odyssee gilt, steht am Anfang der griechischen Literatur sowie der abendländischen Tradition des Heldenepos. Bereits im Altertum war Homer ein gerühmter Dich-ter und ein Vorbild und Lehrmeister der Antike. Ab dem 6. Jh. v. Chr. wurden seine Werke durch fahrende Sänger im gesamten griechi-schen Sprachraum verbreitet und rezitiert. Die Ilias und die Odyssee übten maßgeblichen Einfluss auf die griechische Sprache, Literatur und bildende Kunst aus.

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Homer 13

Ilias OT Ilias | Entstehungszeit zweite Hälfte des 8. Jh. v. Chr. | Erstausgabe 1488 | Deutschsprachige Erstausgabe 1584 | Form Epos | Epoche Griechische Antike

Die Ilias gilt als die älteste Dichtung des Abendlandes. Homer verar-beitete darin nicht nur eigenes Gedankengut, sondern schöpfte auch aus Überlieferungen mündlicher Dichtung bis in die kretisch-my-kenische Zeit. Dabei stellte er das Tradierte in einen gänzlich neuen Zusammenhang. Das Epos veranschaulicht die Selbstbeherrschung als höchste Form menschlichen Handelns und gibt Hinweise für das richtige Verhalten gegenüber den Göttern.

Aufbau und Inhalt Der Titel Ilias ist von Ilion abgeleitet, dem zweiten Namen der in Kleinasien gelegenen Stadt Troja, die um 1200 v. Chr. zerstört wurde. Der in 24 Büchern zu ca. 15 000 Hexa-metern gefasste Stoff steht in historischem Bezug zu der Belagerung Trojas und schildert einen Ausschnitt der Kämpfe zwischen griechi-schen Belagerern und trojanischen Verteidigern, eine etwa 50 Tage umfassende Episode des zehn Jahre währenden Trojanischen Krie-ges. In Rückblick und Vorschau wird jedoch ein Bild des gesamten Krieges vermittelt.

Leitthema des Geschehens ist der Zorn Achills, des vortrefflichs-ten Kriegers der Griechen. Darauf konzentrieren sich alle komposi-torischen, sprachlichen und stilistischen Mittel. Ein Streit mit Aga-memnon, dem obersten griechischen Heerführer, entbrennt, als Achill sich weigert, dem troischen Apollonpriester Chryses dessen gefangen genommene Tochter Chryseis zurückzugeben. Als göttli-che Strafe Apollons wird daraufhin das griechische Heer von einer Seuche heimgesucht. Als Sprecher derjenigen, die eine Freilassung der Gefangenen fordern, erzwingt Achill ihre Herausgabe. Zum Ausgleich fordert Agamemnon von Achill die schöne Briseis. Da-raufhin bleibt dieser – seiner Kriegsbeute beraubt – grollend dem Kampf fern. Achills Mutter, die Meergöttin Thetis, erfleht von Zeus die Wiederherstellung der Ehre ihres Sohnes. Zeus beschließt, dass

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