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6 | wksb | 65/2011 TITELTHEMA | * Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig, Hessische Energiespar-Aktion Institut Wohnen und Umwelt GmbH Kleine Geschichte der Dämmstoffe „Erster Teil“ Werner Eicke-Hennig* Bereits unsere frühen Vorfahren dämmten ihre Hütten mit Heu und Stroh. Mit dem Fach- werk- und Massivbau kamen beständigere Baustoffe, allerdings mit geringem Wärmeschutz. Erst die Industrialisierung brauchte „Isolationsstoffe“ für ihre Wärmeanwendungen, das führte zur Herausbildung der Dämmstoffindustrie. Der Hochbau hinkte demgegenüber beim Wärmeschutz lange hinterher. Nach der Energiekrise 1974 entwickelte sich der Markt für bes- ser dämmende und spezialisierte Dämmstoffe wie Glas-, Steinwolle und Hartschaum. Die Dämmstärken wuchsen. Im Hausbau wurde stets um Sinn und Ausmaß von Dämmstoffan- wendungen gerungen. Schöne Fassaden waren wichtiger als Wohnhygiene. Das ändert sich seit einigen Jahren. Heute ist der Hochbau Motor der Dämmstoffanwendungen. Ein exzellenter Start in der Bronzezeit Schon vor 3400 Jahren in der Bronzezeit wiesen die Hütten einen beachtlichen Wärmeschutz auf. Die Dächer deckte man mit Heu und Stroh. Bei 20 bis 30 cm Dicke ergaben sich hier ein veritabler Wärmeschutz um 0,3 W/(m²K). Die tragenden Pfosten der Wände waren beidseitig mit lehm- beworfenen Flechtwerk verkleidet. Dazwischen wärmte ein- gestopftes trockenes Gras gegen die Kälte. Bei 10 cm Dicke und guter Stopfdichte ergab sich ein U-Wert von 0,5 bis 1,0 W/(m²K). Damals lag die Jahresmitteltemperatur um 4 °Cel- sius tiefer und man schützte sich intuitiv gegen die Kälte. Reste dieser „Energiesparwand aus der Bronzezeit“ wurden unlängst von hessischen Archäologen ausgegraben. Die ge- fundenen Siedlungsbauten waren abgebrannt, so dass sich im hartgebrannten Lehmbewurf Graseindrücke auf jeweils einer Seite der Lehmbekleidung des Flechtwerks erhalten hatten. Der Nachbau (Bild 1) zeigte, wie die Graseindrücke entstanden waren. Strohgedeckte Dächer blieben bis ins 18. Jahrhundert üb- lich und noch um 1830 ging die Obrigkeit aus Brandschutz- gründen gegen die immer noch nicht gänzlich verschwun- dene „weiche Bedachung“ vor. Die billigen und warmen Strohdächer waren beliebter als das Ziegeldach. Auch bei den Außenwänden blieb die gute Qualität über fast drei Jahrtausende erhalten. „Das deutsche Haus war ursprüng- lich ein Holzbau, der Baustoff der Germanen war das Holz. (…) Noch im 15. Jahrhundert war das steinerne Haus eine Ausnahme“, schrieb Professor Schäfer in „Deutsche Holz- baukunst“ von 1937. [1] Die haltbarere Holzblockwand löste die bronzezeitliche Flechtwand ab. Je nach Dicke der ver- wendeten Rundstämme oder Balken lag ihr U-Wert bei 0,5 - 0,8 W/(m²K). Zur Fugendichtung dienten Moose und Flechten. Bis dahin wurde die Dämmwirkung der Baustoffe eher gefühlsmäßig genutzt. Da nur Baustoffe wie Holz und Pflanzenfasern zur Verfügung standen, war der Wärme- schutz im Wesentlichen eine Funktion des Baustoffes. Eine Konstruktionsweise zur Erzielung einer Dämmwirkung ist nur bei der „Energiesparwand“ nachgewiesen. Die Mängel der damaligen Bauweisen überwogen: Geringe Beständig- keit, Feuchte im Haus und starke Brandgefahren, statisch geringe Belastbarkeit. Schlechter Wärmeschutz im Fachwerkbau Mit der wachsenden Bevölkerungszahl, den Städtegrün- dungen ab 1100 (Hausbau, Heizung) und den stärkeren wirtschaftlichen Tätigkeiten (Bergbau, Salinen, Glasgewin- nung) wuchs die Holznot. Sie erzwang eine Holzsparbau- weise mit schlechtem Wärmeschutz: Das Fachwerk. Eine 16 cm dicke Fachwerkwand mit Lehmgefachfüllung weist einen U-Wert von nur 1,6 W/(m²K) auf. Die 12 cm dünne Wand besitzt einen U-Wert um nur 1,9 W/(m²K). Mit Feld- steinen oder den vor 1850 noch seltenen Ziegeln ausge- Bild 1: Energiesparwand aus der Bronzezeit

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* Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig, Hessische Energiespar-Aktion Institut Wohnen und Umwelt GmbH

Kleine Geschichte der Dämmstoffe „Erster Teil“

Werner Eicke-Hennig*

Bereits unsere frühen Vorfahren dämmten ihre Hütten mit Heu und Stroh. Mit dem Fach-werk- und Massivbau kamen beständigere Baustoffe, allerdings mit geringem Wärmeschutz. Erst die Industrialisierung brauchte „Isolationsstoffe“ für ihre Wärmeanwendungen, das führte zur Herausbildung der Dämmstoffindustrie. Der Hochbau hinkte demgegenüber beim Wärmeschutz lange hinterher. Nach der Energiekrise 1974 entwickelte sich der Markt für bes-ser dämmende und spezialisierte Dämmstoffe wie Glas-, Steinwolle und Hartschaum. Die Dämmstärken wuchsen. Im Hausbau wurde stets um Sinn und Ausmaß von Dämmstoffan-wendungen gerungen. Schöne Fassaden waren wichtiger als Wohnhygiene. Das ändert sich seit einigen Jahren. Heute ist der Hochbau Motor der Dämmstoffanwendungen.

Ein exzellenter Start in der BronzezeitSchon vor 3400 Jahren in der Bronzezeit wiesen die Hütten einen beachtlichen Wärmeschutz auf. Die Dächer deckte man mit Heu und Stroh. Bei 20 bis 30 cm Dicke ergaben sich hier ein veritabler Wärmeschutz um 0,3 W/(m²K). Die tragenden Pfosten der Wände waren beidseitig mit lehm-beworfenen Flechtwerk verkleidet. Dazwischen wärmte ein-gestopftes trockenes Gras gegen die Kälte. Bei 10 cm Dicke und guter Stopfdichte ergab sich ein U-Wert von 0,5 bis 1,0 W/(m²K). Damals lag die Jahresmitteltemperatur um 4 °Cel-sius tiefer und man schützte sich intuitiv gegen die Kälte. Reste dieser „Energiesparwand aus der Bronzezeit“ wurden unlängst von hessischen Archäologen ausgegraben. Die ge-fundenen Siedlungsbauten waren abgebrannt, so dass sich im hartgebrannten Lehmbewurf Graseindrücke auf jeweils einer Seite der Lehmbekleidung des Flechtwerks erhalten hatten. Der Nachbau (Bild 1) zeigte, wie die Graseindrücke entstanden waren.

Strohgedeckte Dächer blieben bis ins 18. Jahrhundert üb-lich und noch um 1830 ging die Obrigkeit aus Brandschutz-gründen gegen die immer noch nicht gänzlich verschwun-dene „weiche Bedachung“ vor. Die billigen und warmen Strohdächer waren beliebter als das Ziegeldach. Auch bei den Außenwänden blieb die gute Qualität über fast drei Jahrtausende erhalten. „Das deutsche Haus war ursprüng-lich ein Holzbau, der Baustoff der Germanen war das Holz. (…) Noch im 15. Jahrhundert war das steinerne Haus eine Ausnahme“, schrieb Professor Schä fer in „Deutsche Holz-baukunst“ von 1937. [1] Die haltbarere Holzblockwand löste die bronze zeitliche Flechtwand ab. Je nach Dicke der ver-wendeten Rundstämme oder Balken lag ihr U-Wert bei 0,5 - 0,8 W/(m²K). Zur Fugendichtung dienten Moose und Flechten. Bis dahin wurde die Dämmwirkung der Baustoffe eher gefühlsmäßig genutzt. Da nur Baustoffe wie Holz und Pflanzenfasern zur Verfügung standen, war der Wärme-schutz im Wesentlichen eine Funktion des Baustoffes. Eine Konstruktionsweise zur Erzielung einer Dämmwirkung ist nur bei der „Energiesparwand“ nachgewiesen. Die Mängel der damaligen Bauweisen überwogen: Geringe Beständig-keit, Feuchte im Haus und starke Brandgefahren, statisch geringe Belastbarkeit.

Schlechter Wärmeschutz im FachwerkbauMit der wachsenden Bevölkerungszahl, den Städtegrün-dungen ab 1100 (Hausbau, Heizung) und den stärkeren wirtschaftlichen Tätigkeiten (Bergbau, Salinen, Glasgewin-nung) wuchs die Holznot. Sie erzwang eine Holzsparbau-weise mit schlechtem Wärmeschutz: Das Fachwerk. Eine 16 cm dicke Fachwerkwand mit Lehmgefachfüllung weist einen U-Wert von nur 1,6 W/(m²K) auf. Die 12 cm dünne Wand besitzt einen U-Wert um nur 1,9 W/(m²K). Mit Feld-steinen oder den vor 1850 noch seltenen Ziegeln ausge-

Bild 1: Energiesparwand aus der Bronzezeit

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facht, kam man auf miserable Wärmeschutzwerte zwischen 3,2 und 2,5 W/(m²K). Wer konnte, erhöhte die Behaglich-keit mit einer Innendämmung. Die hieß damals Holzpa-neel, meist brusthoch, damit man etwas zum Schutz gegen die Mäuse auf die „hohe Kante legen“ konnte. Für die De-cken reihte man zunächst Balken aneinander. Die Holznot erzwang einen Balkenabstand, der mit Strohlehmwickeln als Brand-, Schall- und Wärmeschutz verfüllt wurde. Über Kellergewölben ergab Sand, später auch Schlacke einen mäßigen Wärmeschutz. Fußböden wurden als nackter, gestampfter Lehmboden, als aufgeständerter Dielenboden oder als Dielenböden mit Sand und Schlacke zwischen La-gerhölzern ausgeführt. Deren U-Werte über 2,0 W/(m²K) sorgten für Fußkälte im Haus und waren eine Quelle für Unterleibserkrankungen.

Erst die Holzbalkendecken mit den o. g. Füllungen ver-besserten den Wärmeschutz auf U-Werte um 1,0 W/(m²K). In den „dunklen Jahrtausenden“ bis eintausend n. Chr. lebten die Menschen hierzulande ohne Fenster. Das zugige Windauge, die Außentür und ein offenes Feuer in der Tenne waren die Lichtquellen. Fenster kamen erst im 14./15. Jahrhundert systematischer auf und hatten dann als

Einscheibenverglasung einen Uw-Wert um 4,8 W/(m²K). Behagliches Wohnen war bis zu Industrialisierung weder möglich noch ein Anspruch. Kälte im Haus wurde nach dem Motto ertragen: „Das ist eben so.“ Eine gewisse Behag-lichkeit boten einzig solche Vorrichtungen wie der Lehn-stuhl mit hohem, wärmendem Rücken und der Alkoven,

eine Einhausung des Bettes, in dem man in Eigenwärme und -geruch schlief. Gegen die Kälte wurde mit der Feuerstelle im Haus ange-heizt. Wilhelm Busch zeichnete die damaligen Wohnverhält-nisse mit seiner „Belagerung von Ofen“. (Bild 2) Das offene Feuer war über Jahrtausende die Wärmequelle im Haus. Das offene Feuer wurde in den Bauernhäusern erst im 18. Jahrhundert abgeschafft, in vielen brannte es in der Ten-ne noch bis ins 20. Jahrhundert hinein. Der Schornstein setzte sich erst im 19. Jahrhundert vollends durch, vorher entließ man den Rauch direkt ins Haus (Rauchhaus). Der Allesbrenner-Ofen kam im 18. Jahrhundert auf. Kenntnisse über Chemie und Physik des Feuers gab es keine. Bis zur Industrialisierung 1850 gab es noch keine qualifi-zierten Dämmstoffe, stattdessen Holz, Heu, Stroh, Stroh-lehm, Sand. Das erste Solarzeitalter nutzt das Holz und die Naturfaser extensiv als Bau- und Brennstoff für alle Anwen-dungen. Schriftlich gefasste Vorschriften für den Wärme-schutz existieren nicht. Der Konstruktionsstoff war auch gleich der Dämmstoff. Die Tabelle 1 zeigt die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gebräuchlichen Hilfsstoffe, die als Dämmstoff eingesetzt wurden. Unserer heutigen Definiti-on des Dämmstoffs entsprechen viele der Stoffe nicht. Zum Einsatz kommen Stroh, Heu, Lehm, Bims, Sand, Holzwol-le, Sägespäne, Holz, Seegras.

Leopold Sautter beschrieb vor 60 Jahren die Entwicklung: „Der Mensch hat ursprünglich seine Behausungen geschaf-fen, um sich vor den Unbilden der Witterung (und dane-ben auch vor Feinden) zu schützen. Das Holz mit seinen zahllosen winzigen Zellen war der von der Natur gegebene Wärmedämmstoff, der das schnelle Abwandern der Wärme des Herdfeuers aus den Blockhäusern verhinderte, der also -wie der Mensch dies zunächst auffasste- das Eindringen der Kälte verminderte. Als später in den Städten wegen der vielen Feuersbrünste Steinhäuser immer mehr aufkamen (auch weil mit dem Eindringen des italienischen Einflusses in der Renaissance-Zeit der Steinbau als vornehmer angese-hen wurde), beachtete man nicht, dass der Stein einen viel geringeren Wärmeschutz gewährt als das Holz. Dies fiel zu-nächst auch nicht sehr auf, weil die Wände der ersten Stein-häuser sehr dick gemacht wurden und damit vergleichs-weise zu den viel dünneren Holzwänden etwa denselben Wärmeschutz gewährten. Als man aber anfing sparsamer zu bauen, dachte man viel mehr an die Standsicherheit der

Stroh, Heu 0,047-0,06 W/(mK) Holz 0,14 W/(mK) Pflanzliche Faserdämmstoffe, Seegras, Strohhäcksel 0,047 W/(mK) Sandschüttung in Decken 0,58-0,68 W/(mK) Strohlehm für Decken und Sparrenzwischenräume 800 kg/m³ 0,70 W/(mK) Strohlehmwickel 0,47 W/(mK) Sägespäne-Holzspäne 0,07-0,093 W/(mK) Strohfaserplatten 140 kg/m³ 0,057 W/(mK) Schilfrohrplatten 200-300 kg/m³ 0,081-0,12 W/(mK) Seegras 55 kg/m³ 0,045 W/(mK)

Tabelle 1: Wärmeleitfähigkeiten von historischen Materialien zur Wärmedämmung

Bild 2: „W. Busch, Die Belagerung von Ofen“

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„Isolier-Effektes“ (Bild 3) für die Wärmeanwendungen in der Industrie. Die alten Lösungen der vorindustriellen Ma-nufakturen, Bündel und Zöpfe aus Stroh, Lehm, Sägemehl, Tierhaaren, hielten den hohen Temperaturen der industri-ellen Dampfmaschinen nicht stand. Für den Einsatz in der Industrie wurden neue Dämmstoffe gebraucht, erfunden und konfektioniert. Gleichzeitig entwickelte sich die Kühl-kette und benötigte feuchteunempfindliche Dämmstoffe. Es entstand eine Dämmstoffindustrie, die den sich öffnen-den industriellen Markt bediente. Die damaligen Dämm-stoffe waren:

• Backkork und expandierter Kork, (1880)• Kieselgur-Aufstrichmassen und Formteile (1880)• Schlackenwolle (1910)• Glaswatte (1931)• Steinwolle (1938)• Asbestwolle (1939)• Hartschäume (1938; 1950)

Gebäude als daran, dass die Steinwände auch einen aus-reichenden Wärmeschutz gewähren müssen. Brennstoff stand zunächst in genügender Menge zur Verfügung und man wusste eben nicht, dass man viel weniger Brennstoff brauchte, wenn die Wände des Hauses wärmedichter wä-ren.“ [2] Wer keinen Begriff von Wärme hat, kann auch den Stellenwert der Wärmeverluste durch die Bauteile seines Hauses nicht begreifen. So ging mit der Holzverknappung auch die Wärmebewahrung im Holzhaus verloren. Ein be-sonderes „Wissen“ hatte in Bezug auf den Wärmeschutz nicht existiert. Zudem wurden die Bauweisen der Bronze-zeit durch die Völkerwanderung ausgelöscht.

Industriealisierung - Motor der Dämm-stoffentwicklungErst das Industriezeitalter brachte die Dämmstoffe. Die Dampfmaschinen und die vielfältigen industriellen Wär-meanwendungen erzeugten einen Bedarf nach speziali-sierten Dämmstoffen, um die hohen Wärmeverluste der Maschinen und damit die Produktionskosten zu senken. Die Jagd nach besseren Wirkungsgraden begann. Im Vor-dergrund standen hitzeunempfindliche Dämmstoffe für die Rohrleitungs- und Kesseldämmung. Das thermodyna-mische Fachwissen, das um die Erfindung der Dampfma-schine entstand, stand nun auch für den Wärmeschutz zur Verfügung. Die Verbesserung der Wirkungsgrade wurde Daueraufgabe, die rationelle Energienutzung „war Beglei-derscheinung der Industrie.“ Der „Wärmeingenieur“ war Maschinenbauer und erlernte die Berechnung von Wär-medurchgang, Wärmeübergangswiderständen, Energie- einsparung durch Wärmeschutz. Seine Aufgabe löste er mit rationalen Rechenmethoden: Die Konstruktion wärme-technischer Anlagen und die Bestimmung des optimalen

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Bild 3: Einsparung durch Rohrleitungsdäm-mung, Berechnung von 1905 [3]

Diatomit-Dämmung (Kieselgurformstücke) einer indust-riellen Dampfrohrleitung. Die Wärmeleitfähigkeit lag bei hohen Temperaturen bei 0,09 W/(mK). Kieselgur wurde und wird in Deutschland u. a. in Hessen abgebaut.

Stopfdämmung aus Schlackenwolle an einem Indust-riekessel. Schlackenwolle war recht schwer und wurde deshalb nach 1945 am Markt gegen die Stein- und Glas-wolle ausgetauscht. Die Wärmeleitfähigkeit lag bei einem Raumgewicht von 200 kg/m³ bei 0,05 W/(mK).

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us über 20-30 km für Baustoffe zu teuer war. Wettbewerbe der Behörden förderten aus Holzspargründen auch die Massivdecke. Bald ersetzten Hohlsteindecken den Holzbal-ken. Letztendlich siegte die Betonplattendecke nach 1945. Die weiche Bedachung verschwandt aus Brandschutz-gründen. Ihr guter Wärmeschutz um 0,2-0,3 W/(m²K) ver-schlechterte sich durch die Ersatzstoffe Lehmwickel, Putz auf Spalierlattung und dünne Putzträger-Dämmplatten um das Fünf- bis Zehnfache.

Wärmeschutz im Hochbau ohne BedeutungDie Industrialisierung brachte die Massivbaustoffe. Sie setzte aber keine neuen wärmetechnischen Standards. Im Hoch-bau kamen Dämmstoffe kaum zum Einsatz. Die Bauord-nungen der Fürstentümer und Städte und des Preußischen Staates schrieben den Wärmeschutz einer „38 cm normal-feuchten Ziegelwand“ als Maß für die Wände und auch für alle anderen Außenbauteile, außer den Fenstern, vor. Mit der etwa ab 1922 gebräuchlichen k-Wert-Berechnung, wurde dieser „natürliche Maßstab“ nicht verändert, son-dern nur numerisch als Wärmedurchlasswiderstand 0,55 m² h °C/kcal ausgedrückt, was einem U-Wert von 1,56

1850: Massivbau verdrängt HolzbauweiseMit dem Massivbau brachte die Industrialisierung ei-nen großen Umbruch in der Bauweise. Die Tradition der Holz bauweise verlor gegen die beständigeren, feuchteun-empfindlichen, nichtbrennbaren, statisch hoch belastba-ren und billigeren Massivbaustoffe. Für den einsetzenden Massenwohnungsbau reichte das verfügbare Holz ohnehin nicht. Deutschland wurde nun in hoher Geschwindigkeit innerhalb eines halben Jahrhunderts im doppelten Wort-sinn massiv um- und ausgebaut. Dörfer und Städte wur-den um ein mehrfaches ihrer Gemarkungsfläche erweitert. Der Zimmermann verlor seine Stellung als „Architekt des Mittelalters“ an den Baumeister und Architekten. Ab dem frühen 19. Jahrhundert setzt sich die Wandbauweise aus Vollziegeln durch. Deutschland wurde seit 1850 Ziegel-land. Seine Anwendung wurde so beherrschend, dass die 38 cm starke Ziegelwand im Bauwesen als „Normalwand“ bezeichnet wurde, abgeleitet vom Normalformat der Stei-ne. Statisch war die 38 cm dicke Wand die Mindest-Anfor-derung und man übernahm sie für den Wärmeschutz als Maßstab. Ab 1850 standen Ziegel durch Maschinenziege-leien kostengünstig zur Verfügung, waren Eisenbahntrans-porte möglich und bezahlbar, wo vormals ein Transportradi-

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Rohrleitungs- und Ventildämmung mit Asbestzöpfen. Asbest wurde in Deutschland schon in den sechziger Jah-ren als Dämmstoff nicht mehr eingesetzt, da Glas- und Steinwolle Gewichtsvorteile hatten. Die Gesundheitsdis-kussion kam erst später. Seine Wärmeleitfähigkeit lag je nach Raumgewicht zwischen 0,07 bis 0,16 W/(mK).

Bild 4: Dämmstoffe bei industriellen Wärme- und Kälteprozessen um 1930

Die Kälteanwendungen sind für die Entwicklung des Dämmstoffmarktes waren von großer Bedeutung, wie sie umgekehrt den Kühlhausbau erst möglich machten. Etwa ab 1880 begann mit Lindes Erfindung der Aufbau der Kühlkette weltweit. Als Problemlöser fungierte hier der Reform-Korkstein von Grünzweig+Hartmann, ein 1898 erfundener mit Pech unter Hitze und Druck im Vakuum behandelter Kork, der 1906 zu expandiertem Kork mit geringerem Raumgewicht und leicht besserer Dämmwirkung weiterentwickelt wurde (EXPANSIT). Seine Wärmeleitfähigkeit lag bei 0,045 W/(mK). Die feuchteunempfindlichen Produkte entsprachen den Be-dürfnissen der Kälteindustrie, bis sie ab 1960 durch die Hartschäume ersetzt wurden. Aus den Bedürfnissen der Kälteindustrie entwickelte sich übrigens 80 Jahre später das Glaser-Verfahren zur Tauwasser berechnung.

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bau im Leben eine einmalige Kraftanstrengung. Zukünftig auftretende Heizkosten wurden und werden bei Bauent-scheidungen nicht einbezogen, wir leben im Augenblick. So blieb der Apell von L. Sautter 1932 ungehört: „Noch wich-

tiger als für die Herstellung ist der Wärmeschutz für die Be-wirtschaftung der Bauten. Es ist unwirtschaftlich, billig zu bauen und dann teuer zu wohnen. Wie bei einer Maschine müssen auch bei einem Bauwerk von vorneherein nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch die spätere Leistung als grundlegend berücksichtigt werden. Der Wärmeschutz beeinflusst die Bewirtschaftung durch den Brennstoffver-bauch und die Unterhaltungskosten des Hauses.“ [9]

Die „Investoren“ sind technische Laien, weder Wärme-transportvorgänge, noch die Einschätzung der Höhe des Heizenergieverbrauchs, noch die Ursachen von Unbehag-lichkeit sind bekannt und Kenntnisse über neue Techniken fehlen. Hygienemängel werden erduldet, weil es überall in allen Häusern zu kalt, feucht oder im Sommer zu heiß ist. Es fehlte auch an einschlägigen Fachleuten im Hochbau. Das Thema „Energetischer Entwurf“ fehlte weitgehend im Berufsbild von Architekt, Bauingenieur, Baumeistern und Bauträgern im Hochbau. Stattdessen stand und steht der künstlerische Entwurf im Vordergrund oder konzentriert sich das Interesse auf geringe Baukosten. Ein Problem der menschlichen Wahrnehmung tritt hinzu: „Der Feuchtig-keitsschutz (...) wurde immer im Bauwesen stark beachtet, weil ja das Eindringen der Feuchtigkeit sichtbare Schäden hervorruft, während das Abfließen der Wärme unsichtbar vor sich geht.“ [10] Wärme und Wärmeverlust waren noch unklare Begriffe. Der „Lehrer der Baukunst“, C. M. Hei-gelin formulierte deshalb 1827 noch rein qualitativ: „Weit wärmer, als verblendete, mit Tapeten versehene und dabei bloß ½ Fuß dicke Riegelwände, sind unverblendete, unta-pezierte, 1 Fuß dicke Backsteinwände… Weit mehr Wärme, als selbst durch die schlechtesten Wände, entflieht durch die Fenster.“ [11] Hier standen noch wichtige Erkenntnisse

W/(m²K) entspricht. Eine Statistik von 1938 zeigt den Zie-gel mit 75 % aller in diesem Jahr vermauerten Wandbild-ner weit vorn. Andere Wandbaustoffe haben bis 1945 nur geringe Chancen. Die „dicken“ Ziegelwände sind etwas wärmer als die Fachwerkwand (U = 1,56 statt 1,9 W/(m²K)), regendichter und haltbarer. „Dicke Wände dämmen gut“ sagt der Volksmund noch heute dazu und meint unbewusst den nur „relativen“ Vorteil gegenüber der Fachwerkwand. Noch 1936 beschrieb Erich Mindner die wenigen bekannten Dämmstoffe: „Als wärmeisolierende Bestandteile kommen hochporöse Stoffe zur Verwendung: Holzwollplatten, Torf-platten, Kokosfasermatten und als bester Stoff Kork und Expansitkork.“ [4] Zur gleichen Zeit widmete H. Balcke in „Die Wärmeschutztechnik“ nur 8 von 112 Seiten dem The-ma: „Der Wärmeschutz im Bauwesen“. Genannt werden Kork- und Torfplatten, Holzwolleleichtbauplatten und lose Füllstoffe. Darunter auch die Glaswolle, die zu dieser Zeit, auf Bitumenpapier gesteppt, als neuartige Matte vermark-tet wird. [5] Erich Raisch, Leiter des Forschungsheimes für Wärmeschutz, stellte zum Stand der Wärmeschutztechnik 1927 fest: „Während jedoch im Laufe der folgenden Jahren (nach 1918 d. Verf.) die Anwendung der Wärmeschutzmittel in der Industrie immer weiter an Boden gewann und heute, kann man wohl sagen, allgemein die notwendige Beach-tung erlangt hat, ist im Bauwesen nach einem vielverspre-chenden Anfang und trotz tatkräftiger Unterstützung von einsichtigen Baufachleuten und Behörden das Verständnis für den Wärmeschutz nicht im gleichen Maße gewachsen, wie es auf Grund der ihm zukommenden Bedeutung nötig wäre.“ [6] Es scheint, als gelte dies noch heute.

Hemmnisse für den Dämmstoffeinsatz im HochbauAnders als in der Industrie, wo als rationaler Handlungsan-satz die Verbesserung der Wirkungsgrade zur Wärmedäm-mung der Kesselanlagen und Rohrleitungen drängte, fehlte dieser Antrieb im Wohnungsbau. Statt baulichem Wärme-schutz, waren hier eingeschränktes Heizen und niedrige Raumtemperaturen die zum Einsatz kommenden Spar-maßnahmen. Bild 5 zeigt die Entwicklung des Heizener-gieverbrauchs von 1900 bis 1957. [7] In denselben Häusern, die um 1970 rund 300 kWh/(m²*a) verbrauchten, wurden noch um 1900 nur 60 - 70 kWh/(m²*a) und um 1957 um 180 kWh/(m²*a) Endenergie verbraucht. Heizen war im-mer ein großer finanzieller Aufwand. Das eingeschränkte Heizen war früher Normalität des Wohnens. Noch Pèclet hielt 15 °C Raumtemperatur für Wohnzimmer für „zweck-mäßig“. [8] Die Höhe des Heizenergieverbrauchs wurde als unabänderlich hingenommen, ebenso die Kälte im Haus. Diese Langmut hatte Ursachen: Bauten sind Infrastruktur und damit Aufwand, der sich überwiegend nie oder nicht in so schnellem Maße wieder erwirtschaftet, wie dies bei Produktionsanlagen durch den Produktabsatz der Fall ist. An den Baukosten wird deshalb gespart, meist ist der Haus-

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Bild 5: Entwicklung des Heizenergiever-brauchs in Wohngebäuden 1900-1957

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aus, bevor man „wärmer“ oder „kälter“, Art und Umfang des Wärmebedarfs von Häusern, erklären und berechnen konnte.

Der Heizungsbau schafft die ErkenntnisseDie nötigen neuen Erkenntnisse entwickelte der Heizungs-bau. Aus dem offenen Feuer im Haus war durch die In-dustrialisierung die Zentralheizung geworden. Deren ver-mehrter Absatz rief nach Regeln für die Dimensionierung. J. Fourier hatte 1822 die theoretischen Grundlagen der Be-rechnung des Wärmeaustausches gelegt. Diese wurden we-nige Jahre später 1828 durch den französischen Physiker J. C. E. Pèclet für den Heizungsbau vereinfacht. Er definierte erstmalig den k-Wert, den er „Durchlässigkeitskoeffizient“

nannte, um die „Anlegung von Heerden, … Dampf- und Warmwasser-Heizungen“ auf eine rechnerische Grundlage zu stellen. Die „Pèclet-Formel“ Wärmemenge W = k * (ti - ta) hatte große Ähnlichkeit mit Isaac Newtons 1701 niederge-schriebenen Formel Quantum Q = A * k * (ti - ta), die auch die sich abkühlende Fläche A integriert hatte. Schon um 1847 prägte Schinz in Deutschland den Begriff „Wärmever-lust durch Transmission“. Ihm war bei einer Untersuchung des Verbesserungspotenzials von Öfen aufgefallen dass „... die Dicke und Leitfähigkeit der Wände des zu beheizen-den Raumes einen unendlich viel größeren Einfluss auf die aufgewendete Wärme habe, als die Oefen.“ [12] 1878 wur-de in der Zeitschrift „Der Rohrleger“ (später unbenannt in „Der Gesundheitsingenieur“) ein Überblick über die Wär-mebedarfsberechnungen der Zeit veröffentlicht. Der „Ver-ein für Gesundheitstechnik“, in dem die Heizungs- und Lüftungsbauer organisiert waren, erörterte die noch offe-nen Fragen 1880 und stellte Forschungsmittel bereit. Eine „Kaiserliche Deutsche Trans- und Emissions-Kommission“ entstand. Doch nicht sie, sondern Hermann Rietschel, ein überragender Professor für Heiz- und Lüftungstechnik, entwickelte die Lösung: Die Berechnung des Wärmedurch-gangs wurde durch die Übergangswiderstände ergänzt und durch umfangreiche Messungen an Bauteilen entstanden

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Bild 6: Peclès Schrift zur Feuerungskunde 1846

genauere Durchlässigkeitskoeffizienten „k“. Im Heizungs-bau schritt man nun schnell voran. Schon 1885 gab es das erste Regelwerk für die Planung von Heizanlagen in öf-fentlichen Gebäuden durch den Preußischen Minister für öffentliche Arbeiten: „Anweisung wegen der Vorbereitung, Ausführung und Unterhaltung der Centralheizungs-Anla-gen in fiskalischen Gebäuden“. Sie schrieb erstmalig eine Berechnung der Gebäudewärmeverluste vor. Dieses Verfah-ren von 1885 kam nach vielfältigen Verbesserungen 1929 als erste DIN 4701 heraus. Die „Regeln für die Berechnung des Wärmebedarfs von Gebäuden und für die Berechnung der Kessel und Heizkörpergrößen von Heizungsanlagen“ hatten den V.D.C.I, Verband der Centralheizungsindustrie als Herausgeber. Dieser hatte in der Vorbereitung recht fruchtbar mit dem 1918 gegründeten „Forschungsheim für Wärmeschutz“ in München zusammengearbeitet. Dessen ehemaliger Leiter Prof. E. Schmidt, besorgte die Zusam-menstellung der Norm, die eine umfangreiche Darstellung von k-Werten aller Bauteile enthielt. Die „Bauphysik“, wie wir sie heute nennen würden, ergänzte damals die Heiz-technik. Beide schufen Berechnungsregeln und Daten-grundlagen für die Bedürfnisse der Heizungsindustrie. Zu einem Entwurfsverfahren für den Hochbau wurde dies lei-der nicht weiterentwickelt.

Für den Anfang des 20. Jahrhundert stellte Raisch den Stand der Wärmetechnischen Berechnungen wie folgt fest: „Die theoretische Physik hatte das ausgedehnte Gebiet der Wärmeübertragung nur in einzelnen Zweigen eingehen-der bearbeitet und erforscht; Die Bedürfnisse der Technik waren dabei jedoch unbefriedigt geblieben, so dass letztere um die Mitte des vergangenen 19. Jahrhunderts daran ging, sich die nötigen Unterlagen selbst zu schaffen und die aus der Erfahrung gewonnen Erscheinungen in mehr oder we-niger zutreffende Formeln zu kleiden. Die wissenschaftli-

Bild 7: Auszug aus den k-Wert-Tabellen der DIN 4701 von 1929 (Einheit: kcal/m² h°C)

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zes im Wohn- und Industriebau“ vor. Mit dieser Publikation existierte nun u. a. eine umfassende und belastbare Darstel-lung der Rechenwerte der Wärmeleitfähigkeit. Den Feuchte-einfluss hatte er umfangreich abgehandelt. Die Diskussion war damit um 1938 weitgehend abgeschlossen. Bild 8 zeigt die damalige grobe Einteilung verschiedener Baustoffe hin-sichtlich ihrer Wärmeleitfähigkeit. Die Definitionsgrenze für Wärmedämmstoffe liegt heute bei ≤ 0,1 W/(mK).

Ende der zwanziger Jahre verfügte man über das Instrumen-tarium, um Wärmeverluste im Hochbau rechnerisch abbil-den zu können. Die Qualitätsprüfung der Hochbaukonst-ruktionen war nun möglich. Gefühlsmäßige Einschätzung wurden durch numerisch exakte Methoden abgelöst. Eine Arbeitshilfe der damaligen Zeit war 1936 der „Rechenstab für Wärme- und Kälteschutz“. Er zeigte immerhin k-Werte herunter bis 0,58 W/(m²K) an und wurde mit einem weitbli-ckendem Text beworben: „Im Kampf gegen die Rohstoffver-schwendung und den Verderb fällt dem Wärmeschutz im Bauwesen eine sehr wichtige Rolle zu. Wir können durch

che Behandlung der einzelnen Probleme trat dabei immer mehr in den Hintergrund, die rein empirische Erforschung der äußerlich zwar einfachen, in Wirklichkeit jedoch recht verwickelten Vorgänge bei der Wärmeübertragung, die in ihrer Gesamtheit nicht übersehen werden konnten, zeitig-te mancherlei Fehlergebnisse und verursachte schließlich zu Beginn dieses Jahrhunderts einen Zustand, der äußerst unbefriedigend und für ein ersprießliches Weiterarbeiten in den einschlägigen technischen Gebieten hinderlich war.“ [13]Hinzu trat das Bedürfnis, die nach dem 1. Weltkrieg ent-standenen neuen Baustoffe und schlankeren Konstruktio-nen zu beurteilen (Ersatzbauweisen).

Für den Hochbau wurden vor allem durch die Professoren Knoblauch, K. Gröber, Hencky, E. Raisch, E. Schmidt und J. S. Cammerer ab 1919 die heute noch gebräuchlichen Rechen-regeln erstellt und die Rechenwerte für die Wärmeleitfähig-keit durch Messung und Diskussion der Feuchtezuschläge geschaffen. Messinstrumente wie das Plattenverfahren zur Messung der Wärmeleitfähigkeitswerte wurden entwickelt und diskutiert. 1921 publizierte K. Gröber erstmalig die „Grundgesetze der Wärmeleitung und des Wärmeübergan-ges“. Zusammen mit Karl Hencky`s zeitgleich vorgelegten Buch „Die Wärmeverluste durch ebene Wände“ lagen nun exakte Berechnungsregeln für den Wärmeverlust vor. Was noch fehlt waren ebenso exakte Rechenwerte der Wärmeleit-fähigkeit der Baustoffe. Unklar war damals der Einfluss der Feuchtigkeit. Die publizierten Wärmeleitfähigkeitswerte ein-zelner Autoren streuten zu stark und waren überwiegend zu günstig, da die Baustoffproben zu trocken waren oder durch das Messverfahren austrockneten. Auch stellte man die Wär-meleitfähigkeiten für Wandbildner noch ohne den Einfluss der Fugen dar, da konnte ein Bimsstein schon einmal die Wärmeleitfähigkeit 0,15 W/(mK) zugeordnet bekommen, wo ihm als Mauerwerk 0,52 W/(mK) gebührten. J. S. Cam merer, ehemaliger Mitarbeiter des Forschungsheims, legte 1936 sein Buch „Konstruktive Grundlagen des Wärme- und Kälteschut-

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Bild 8: Wärmeleitzahlen von Stoffgruppen (nach Cammerer 1936)

Bild 9: Sonderrechenstab für die „Wärmedurchgangszahl“ von 1936

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Medizinische Topografien entstanden aus Gesundheitsbe-richten der Amtsärzte, systematische Hygienemaßnahmen wie die Wasser- und Abwasserversorgung, Pockenimp-fung, eine Gesundheitspolizei wurden eingeführt. In der Forschung sind hier unter vielen die Professoren Max v. Pettenkofer, Louis Pasteur, Rudolf Virchow, Robert Koch, A. Korff-Petersen und C. Flügge zu nennen.

Aus der Erforschung von Wohnverhältnissen und Krank-heit entstand ein Zweig der Hygiene, der sich mit der Wohngesundheit auseinandersetzte. Hieraus entwickelte sich u. a. der Heizungsbau als Teil einer besseren Wohnhy-giene. Die Verdrängung unzureichender Feuerungen und ihr Ersatz durch Zentralheizung mit gleichmäßiger Erwär-mung der Gebäude wurde ein Strang der Hygienediskussi-on in Deutschland. Dr. Abel beschrieb 1927 die Entwicklung der Gesundheitstechnik zwischen 1870 und 1920 so: „Das Zusammentreffen einer Reihe von Umständen wirkte in glücklicher Weise von den siebziger Jahren des vorigen Jahr-hunderts ab auf eine stärkere Beschäftigung mit der wis-senschaftlichen und praktischen Hygiene hin. In München erhielt Pettenkofer 1879 als erster Hygieniker ein eigenes Forschungs- und Unterrichtsinstitut, das zunächst in der Öffentlichkeit allerdings etwas skeptisch als „Hypothesen-palast“ bezeichnet wurde. Bald folgten gleiche Institute an anderen Universitäten, Leipzig, Göttingen, 1885 auch Ber-lin. Die Hygiene wurde Unterrichts- und Prüfungsfach für die Medizinstudierenden, und die Ärzteschaft begann sich in ihrer Gesamtheit immer mehr mit diesem neuen Gebie-te ihrer Wissenschaft zu beschäftigen, besonders seitdem mit der Berufung von Robert Koch 1880 in das 1876 gegrün-dete Reichsgesundheitsamt die Bakteriologie aufblühte und mit ihren Entdeckungen der Erreger wichtiger Infektions-krankheiten ganz neue Gebiete dem hygienischen Han-deln erschloss. In ähnlicher Weise bot der in dieser Zeit kräftig geförderte Ausbau der technischen Hochschulen dem angehenden Ingenieur Gelegenheit, sich auch in ge-sundheitstechnischen Fragen eine vertiefte Ausbildung zu verschaffen; Es sei nur erinnert an das 1885 von Rietschel in Charlottenburg errichtete Laboratorium zur Untersuchung von Heiz- und Lüftungseinrichtungen….“ [16]

Ein Situationsbericht Rudolf Virchows zeigte die verände-rungswürdigen Verhältnisse auf dem Lande im Jahr 1850: „Wohin man kommt, sieht man im Spessart relativ kleine Häuser, die über einem meist ganz überirdischen Keller ein einziges Wohnzimmer mit engem Kämmerlein und eine kleine Küche enthalten…Unter demselben Dache ist häufig auch der Viehstall und die Scheune…. Allein auch hier fehlt noch der Schornstein, und der Rauch strömt von der Küche gewöhnlich durch den Vorplatz und durch die in der Mit-te quer geteilte Tür zum Hause heraus, indem er natürlich alle inneren Räume mit durchdringt.“ [17] Für das städtische Weimar heißt es um 1800 nicht günstiger: „Die Wohnkul-tur in den kleinen, oft nur ein- oder zweistöckigen Wei-marer Bürgerhäusern, bei denen nur das Erdgeschoß aus

wärmedämmende Bauweisen den Brennstoffverbauch sehr erheblich (durchschnittlich um 30 v. H.) einschränken. Da unsere Wohnhäuser die weitverbreitetsten Wärmeerzeu-gungs- und -verbrauchsanlagen Deutschlands sind, können also hier bedeutende Brennstoffmengen eingespart wer-den. Deshalb muss der Architekt von vorn herein den Wär-meschutz der Häuser bestimmen. Der neue Rechenstab erleichtert diese Arbeit.“ [14]

Ganz so einfach war es dann doch nicht. Wärmeverluste berechnen zu können führte nicht automatisch auch zu ei-nem guten Wärmeschutz der Häuser. Das Einsparpotenzial von 30 % blieb unausgeschöpft. Schon 15 Jahre vorher hat-te Prof. Hencky die gleiche Forderung ebenso ergebnislos erhoben: „Die Sparsamkeit beim Brennstoffverbauch im Bauwesen steht und fällt daher mit der Erzielung eines nie-deren Wärmebedarfs durch die bauliche Ausgestaltung und durch richtige konstruktive Wahl der Umfassungswände in wärmetechnischer Hinsicht. (..) Bedenkt man nun, dass das Wohngebäude die verbreiteteste Wärmerzeugungs- und Wärmeverwertungsanlage darstellt, so muss es vom Standpunkt der Brennstoffwirtschaft aus oberstes Gesetz im Bauwesen werden, im weitgehendstem Maße für die Herabminderung des Brennstoffverbrauches Sorge zu tra-gen. Die große Bedeutung dieser Aufgabe geht auch klar aus der Tatsache hervor, dass z. B. in Bayern rund 40 % der gesamten verheizten Brennstoffmenge für Hausbrandzwe-cke Verwendung findet. Neben den Grundsätzen der künst-lerischen Gestaltung, der Festigkeit und der Hygiene sind daher in v o l l e r G l e i c h w e r t i g k e i t die Forderungen der Brennstoff- und Wärmewirtschaft zu verwirklichen. Nicht unerwähnt darf an dieser Stelle bleiben, dass die Ein-sparung an Brennstoff weit vordringlicher und für unseren industriellen Wiederaufbau wichtiger ist als die Einsparung an Baukosten.“ [15]

Das zeigt, dass nun Berechnungsregeln für Bauteile entwi-ckelt waren, keineswegs aber ein neues Anforderungsni-veau für den energetischen Standard der Häuser. Die Phy-siker hatten sich auf die „Regeln“ konzentriert. Eine neue Bauqualität einzufordern war nicht ihre Sache. Das sollte noch weitere 70 Jahre so bleiben. Auch das Niedrigenergie-, das Passiv- und das Sonnenhaus wurden - außerhalb der offiziellen Bauphysik an den Hochschulen - als Standard entwickelt, erkämpft und beworben.

Gesundes Wohnen - HygienedebatteIm 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelt sich die Ge-sundheitspflege zu einem öffentlichen Anliegen. Die Ge-sundheitsvorstellung und -vorsorge war nicht mehr, wie noch im Mittelalter, nur auf das Individuum beschränkt. Die sich entwickelnde Wissenschaft hatte neue Erkenntnis-se zur Hygiene erzeugt und der Staat suchte Wege gegen die Seuchen wie die Cholera, die durch die Bevölkerungs-konzentration in den großen Städten entstanden waren.

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Krankheit. Bücher zum Thema Wohnhygiene zeigten die Alternativen. Sie tragen Titel wie „Das Buch von der gesun-den und praktischen Wohnung“ (1891) oder „Kleinhaus und Mietskaserne - Eine Untersuchung der Bebauung vom wirt-schaftlichen und hygienischen Standpunkte“ (1905), „Das Wohnhaus und seine Hygiene“ (1909) oder „Das gesunde Wohnhaus“ (1902) und 1926 „Die Gesundheitstechnik im Hausbau“. Besonderen Wert legten diese Veröffentlichun-gen auf eine ausreichende Beheizung und Belüftung sowie Wasser- und Abwasserhygiene. Die damals neuen techni-schen Systeme, Zentralheizung, WC, Badeinrichtungen, Lüftungsanlagen, wurden vorgestellt. Der Wärmeschutz konnte noch nicht quantifiziert werden. Trockene Bauten waren das Ziel und dafür sah man den Massivbau mit di-cken Wänden als wichtig an: „Die Folgen des Bewohnens nasser Räume sind so bekannt, dass eine feuchte Wohnung im Volksmunde gleichbedeutend ist mit einer ungesunden Wohnung. (…) Die Baumaterialien sind von hygienischem Interesse insofern, als Temperatur und Grad der Trocken-heit des Hausinnern in gewissem Grade von ihrer Beschaf-fenheit abhängt. (…) Bei der Wahl des Hausmaterials wird das Wärmeleitungsvermögen in erster Linie berücksichtigt werden müssen. (…) Genügende Dicke der Mauern wird schon bedingt durch die Bausicherheit, ist aber auch von günstigem Einfluss auf die Wärmeökonomie des Hauses. Übertriebene Sparsamkeit in den Mauerstärken rächt sich durch großen Kohlenverbrauch.“[21] Hier wurde bereits die Verbindung zwischen energiesparsamen und wohngesun-den Bauten gesehen.

Auf den Punkt brachte dies 1932 Leopold Sautter der in der Weimarer Zeit als eine Art sprachlicher Vermittler zwischen Hygieneforschung und technischer Physik fungierte. Er hob bereits in seiner Kapitelüberschrift die „Bedeutung des Wärmeschutzes für die Gesundheit der Bewohner“ hervor: „Die Wärmedichtheit der Bauten beeinflusst die Gesund-heit der Bewohner sehr. Häufig hat man in der Nähe von Außenwänden ein Kältegefühl, das meist für Zug gehalten wird. Dieser „Zug“ ist aber nicht auf undichte Fenster und Türen zurückzuführen, sondern auf die sehr wärmeleiten-de Außenwand. Diese entzieht nicht nur der Raumluft, son-dern auch dem in der Nähe befindlichen (Wärme ausstrah-lenden) Körper die Wärme. Die Wärmeabgabe des Körpers ist dabei um 8 - 10 v. H. höher, als in Räumen mit wärme-dichten Außenwänden (mit Wärmedämmschicht auf der Innenseite). Solche meist einseitigen Abkühlungen führen auf die Dauer zu Erkältungskrankheiten (Rheumatismus). ...Ähnliche Schäden werden durch kalte Erdgeschoß- und Küchenfußböden hervorgerufen (...). Häufige Schwitzwas-serbildungen können ebenfalls die Gesundheit der Bewoh-ner schädigen (...). Auch im Sommer treten Schäden durch ungenügend wärmedichte Bauweisen auf, besonders in Dachgeschoßwohnungen. Durch die Sonnenbestrahlung werden diese bei fehlendem Wärmeschutz stark überhitzt. Das ist für Erwachsene unerträglich, für Kleinkinder und Säuglinge oft tödlich.“ [22]

Stein gemauert, das Obergeschoß in Fachwerk ausgeführt war, hatte ein relativ niedriges Niveau. Die oft sehr engen, winkligen und dunklen Räume waren nur zum Teil beheiz-bar…“ Und an anderer Stelle: „Von der Bauart der Mehr-zahl dieser Häuser kann sich selbst eine lebhafte Phantasie kaum eine Vorstellung machen. Ich fand neulich ein paar Straßen, wo alte Häuser niedergerissen waren, die Brand-mauern derselben bloßgelegt. Sie sahen aus, als hätten Bi-ber sie gebaut. Steine, Holzlatten, gurtenartiges Flechtwerk mit Lehm bekleidet, bildeten abwechselnd, in verschieden Fächern, ein wüstes Gemenge. Es soll vorgekommen sein, dass aus dem Lehm solcher Mauern die Körner der Stroh-spreu, mit welcher die Lehmmasse gemischt wird, als Ge-treidehalme lustig durch die Tapeten der Zimmer gewach-sen sind.“ [18] Und ein Situationsbericht über die schweren Mängel im Wohnungswesen für Berlin um 1880 schließt so: „Lagen die gesundheitlichen Verhältnisse schon in der Reichshauptstadt derart, so kann man sich leicht vorstellen, wie sie sonst, namentlich auch in kleineren Städten und auf dem Lande zu jener Zeit waren. Einen Anhalt allgemeiner Art gibt schon die Sterblichkeitsstatistik, die 1878 im Reiche noch 26,2 auf 1000 Lebende betrug; 1926 war sie bis auf 11,7 hinabgegangen.“ [19]

Die Hygieniker Prof. Flügge und Prof. Korff-Petersen zeig-ten in den zwanziger und drei ßiger Jahren des 20. Jahr-hunderts große, auf mangelnden sommerlichen wie win-terlichen Wärmeschutz be ruhende, Gesundheitspro ble me in Mietskasernen und „Kleinhäusern“. Schimmelschäden wurden ab 1920 sehr intensiv in der Bauforschung darge-stellt, die Ursachen und Abhilfemaßnahmen diskutiert. Um 1920 wurde erhöhte Sommer-Säuglingssterb lichkeit mit Über hitzungen in den ungedämmten Dachwohnungen verbunden und Unterleibserkrankungen mit ungedämm-ten EG-Dielenböden. Im „Rauchhaus“ waren rheumatische Er krankungen durch die mangelnde Beheizbar keit eine ste-te Geißel. Die Gebäu de aus stat tung damals: Ungedämmte Bauteile mit U-Werten über 1,0 W/(m²K), undich te, ein schei ben-ver glaste Fenster, Ofenhei zung. Vor 70 Jahren las sich das so: In sol chen Woh nun gen wird es (...) zu ei ner star-ken Aus kältung des Fußbo dens und der unteren Wand-teile kommen; und an die sen Stellen, eben so an den dort befindli chen Mö beln, Bet ten usw. muss sich fort gesetzt Was ser dampf aus der für hö he re Tem pera turgra de gesät-tig ten Luft nie der schlagen. Allmählich ent steht auf diese Weise eine Durch feuchtung der kälte sten Wand und der in ihrer Nähe be findlichen Ge brauchs gegen stände; Von den Möbeln lösen sich Fourniere ab, die Betten nehmen ei nen muffigen Ge ruch an, Stiefel und Tapeten zeigen Schimmelbil dung - kurz es bilden sich die Charaktere der „feuch ten Woh nung“ aus. [20] Dieser Diskussionsstrang wurde durch Wohnungs-Enquetes begleitet, die Mosse/Tu-genreich in ihrem umfänglichen Buch „Krankheit und so-ziale Lage“ zusammengefassten wurden. Sie belegten den Zusammenhang von kalten, zugigen, feuchten Bauten und

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derseitig verputzten Ziegelmauer“, heißt es dort, wie schon 70 Jahre vorher in den fürstlichen Bauordnungen. Dies entspreche am Besten den Forderungen der Wärmedäm-mung und Wärmespeicherung. Letztere wendet man in den „Richtlinien“ gegen eine, über die 38 cm starke Ziegelwand hinausgehende Wärmedämmung, mit Bezug auf den Hy-gieniker Korff-Petersen. [27] Der hatte jedoch das genaue Gegenteil gezeigt. Seine Untersuchung an 5 baugleichen Häusern mit unterschiedlichen Außenwänden belegten: Das thermisch ausgeglichenste Klima wurde in einem ge-dämmten Vergleichsgebäude erzielt, das im Thermosbau-Verfahren errichtet wurde. Bei einem Wand-k-Wert von 0,35 W/(m²K) erzielte das Gebäude nicht nur den geringsten Heizenergieverbrauch unter allen 5 Häusern. Die Abküh-lung nach Abstellung der Heizung vollzog sich sollte gar nicht gelingen. Während das stark wärmspeichernde „Ze-menthaus“ (Beton) bei einem Wand-k-Wert von 1,3 W/(m²K) innerhalb 1-2 Stunden von 17 auf 15 °C auskühlte, wurde diese Raumtemperatur bei der Dämmbauweise im Abküh-lungsversuch nicht erreicht. [28] Ähnliches wurde übrigens nach 1990 in den ersten Niedrigenergiehäusern gemessen, deren nächtliche Absenktemperaturen der Innenluft nur 1-2 K betrugen. So wurde schon 1921 die nicht richtig verstande-ne Wärmespeicherung zu falschen Empfehlungen benutzt - von staatlichen Stellen. Die Wärmespeicherung wird noch heute von interessierten Kreisen als „Argument“ gegen die Wärmedämmung geführt. Wie man sieht, hat dies trübe geistige Wurzeln. Den Schwerpunkt der „Kohlensparkampagne“ legte man 1921 auf das Nutzerverhalten. „Heize wirtschaftlich“, „Wär-mewirtschaft in der Küche“ usw. waren die ewigen The-men, die das Verhalten der Verbraucher ändern sollten. Auch die 1934 in Kraft tretende DIN 4110, „Technische Be-stimmungen zur Zulassung neuer Bauweisen“ ging über den Wärmeschutz einer 38 cm dicken Vollziegelwand nicht hinaus, den neue Bauweisen einzuhalten hatten. Schluss-endlich zeigte der Holzbau, wie stark der Maßstab der 38 cm starken Vollziegelwand die Gesellschaft durchdrungen hat. In den eignen „Gütevorschriften für den Holzbau“ des deutschen Zimmererhandwerkes hieß es 1928: „3. Wärme-haltung. Die Außenwände eines Holzhauses sollen densel-ben Wärmeschutz bieten, wie eine eineinhalb Stein starke, beiderseitig verputzte Ziegelvollwand.“ [29]

Die gleichwertige VollziegelstärkeDie Bauphysik der damaligen Zeit entzog sich nicht dem Druck der nun erst 60 Jahre alten Tradition der Ziegel-bauweise. Man ging über die „Normalwand“ nicht hinaus, obwohl man die besseren Techniken und ihre Wirtschaft-lichkeit kannte. In den dreißiger Jahren war der Bewer-tungsmaßstab für die wärmetechnische Qualität von Bau-teilen noch nicht festgelegt. In der Praxis befanden sich der k-Wert, die Wärmeleitfähigkeit und die „gleichwertige Vollziegelstärke“. Mit letzterer legte J. S. Cammerer ein Mo-dell vor, mit dem alle baulichen Konstruktionen auf die wär-

Aus diesen Erkenntnissen, dass „wärmedichtere“ Bauten Kohle beim Bau und der Beheizung sparen, wirtschaftlich sind, die Ökonomie entlasten und auch gesünder sind, er-arbeitete Sautter schon in den dreißiger Jahren einen Vor-schlag für eine DIN „Wärmeschutz im Hochbau“. [23] Er setzte sich jedoch damit nicht durch. Die DIN 4108 soll erst 1952 Wirklichkeit werden.

Massivbau prägt die Wärmeschutzanfor-derungenEin baulicher Fortschritt war mit den realitätsnäheren Re-chenregeln und Baustoffwerten nicht verbunden. Das neu geschaffene Wissen um die Wärmeverluste führte nicht zu besseren Konstruktionen, wie in der Industrie. Es galt nach wie vor, was 1899 im „Deutschen Baukalender“ unter der Überschrift „Umfassungsmauern“ so formuliert wurde: „Um die Kälte abzuhalten, nimmt man bei Wohngebäuden gewöhnl. 1 1/2 Stein, für Bruchsteinmauerwerk min. 42 cm.“ [24] Die „Normalwand“ ist also 38 cm stark, als letzter Stock im Geschosswohnungsbau kann sie auch 25 cm dünn oder in Fachwerk ausgeführt werden. Bei Kleinhäusern bis 2 Stockwerken können die Außenwände, in der klimatisch bevorteilten Küstenregion (Wärmedämmgebiet I), eben-falls 25 cm dünn ausgeführt werden. Der Wärmeschutz der 38 cm dicken Ziegelwand gilt in der Qualität auch für alle anderen Bauteile (außer den Fenstern). „Bildet die Decke von Wohnräumen ganz oder zum Teil zugleich das Dach, so ist sie so auszubilden, dass sie mindestens den gleichen Schutz gegen Witterungseinflüsse bietet wie eine 38 cm starke Normalziegelsteinwand mit inneren Wandverputz (…) Eine Ausstakung der Balken- und Sparrenfelder bei De-cken mit Strohlehm, darüber die Dachhaut und darunter die Schalung und Rohrputz ist als ausreichend anzusehen.“ [25] Auch das Fachwerkhaus wurde nicht angetastet: „Ins-besondere soll in Gegenden, in denen mehrgeschossiger Fachwerkbau bodenständig ist, dieser für Einfamilienhäu-ser, Kleinhäuser und Mittelhäuser -wenn nötig mit der orts-üblichen Bekleidung als Wetterschutz- … zugelassen wer-den.“ Fachwerk war auch für Nebenbauten zulässig, ohne dass besondere Anforderungen an den Wärmeschutz der Ausfachung gestellt wurden. [26]

Energiesparen in der Kohlenkrise 1918Die erste staatliche Richtlinie zum Wärmebedarf von Ge-bäuden entstand durch die Kohlennot nach dem 1. Welt-krieg. Reparationszahlungen und der Verlust der oberschle-sischen Zechen forderten einen sparsameren Umgang mit der Kohle, die im Deutschen Reich einen Anteil von 90 % an allen Energieträgern hatte. Mit den „Richtlinien zur Förderung der Wärmewirtschaft beim Wohnungsbau“ reagierte das Preußische Ministerium für Volkswohlfahrt 1921 auf die Kohlennot. Im Inhalt blieb aber leider alles wie gehabt: „Die Wärmedurchlässigkeit der Außenwände darf auf keinen Fall größer sein, als die einer 38 cm starken, bei-

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Produktanbieter. Auch das Bild 10 war eine „Werbung“ der Firma Torfoleum. Die Kohlenkrise nach dem 1. Weltkrieg führte zu einer ersten Energiespar-Informationskampagne. In Bayern wurde eine Landeskohlenstelle eingerichtet. Ihre „Ausstellung Wärmewirtschaft“ zeigte 1921 in München viele Wandkonstruktionen, die der 38 cm starken Vollzie-gelwand wärmetechnisch überlegen waren. Die beste Kon-struktion aus 12 cm starkem Fachwerk mit Torfmullfüllung und 3 cm starker innerer Gipsdielenbekleidung wies nur 36 % der Verluste der „1 ½-steinigen Normalwand“ auf. Dies widersprach den zeitgleich verabschiedeten „Wärmewirt-schaftlichen Richtlinien“ des Preußischen Staates.Die Ausstellung wurde durch eine von den Professoren Knoblauch, Schachner und Dr. Hencky erarbeitete Bro-schüre begleitet. [31] In ihr wurde ein Wohnhaus auf seine Energiesparmöglichkeiten durchgerechnet. Allerdings vari-iert die Rechnung nur die Kompaktheit (EFH, ZFH, Rei-henhaus) und die Anzahl und Lage der beheizten Zimmer, nicht den Wärmeschutz. Das Einsparmaximum beträgt für diese Maßnahmen 38 %. Bei den Außenwänden des Mo-dellhauses hielt man sich wieder an die 38 cm starke Voll-ziegelwand. Die „technische Physik“ formulierte also nicht

klar, wohin die Reise gehen sollte. Dies klärte die Geschich-te. Der deutsche Hochbau blieb bis nach dem II. Weltkrieg bei der 38 cm starken Vollziegelwand. Noch die Werbekam-pagne „Kohlenklau“ der Nationalsozialisten transportierte die Inhalte des verhaltensorientierten Sparens, wie zum Beispiel das Zusammenlegen beheizter Räume im Mehr-familienhaus, das in der Broschüre von 1921 erstmalig be-rechnet wurde. Interessant geblieben ist die Darstellungsart

metechnische Qualität der 38 cm starken Vollziegelwand umgerechnet und bewertet wurden. Er begründet dies mit „psychologischen Gesichtspunkten“: „Die gleichwer-tige Vollziegelstärke ist heute jedem Architekten, der sich nicht allein auf rein künstlerische Tätigkeiten beschränkt, geläufig, während er nur selten eine genaue Vorstellung von der Begriffsbestimmung der Wärmeleitzahl hat.“ [30] Dieser Maßstab trug viel zur Dominanz der Ziegelbauweise mit ihrem mäßigem Wärmeschutz bei. Er befand sich jahr-zehntelang in allen Anzeigen und Werbemaßnahmen der

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Bild 10: Beispiel der gleichwertigen Vollziegelstärke am Haus am Horn in Weimar

Bild 11: Energiespar - Ausstellung 1921 mit Teil „Die warme Wand“

Bild 12: Darstellung von Wärmeverlusten durch Schraffuren im Grundriss 1921

Bild 13: Energiesparmöglichkeiten durch kompaktes Bauen 1921

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Geringer DämmstoffabsatzEine Dämmstoff-Mengenstatistik gibt es für diese Zeit nicht. Im Jahr 1938 lag der Dämmstoffabsatz des Marktfüh-rers, der Holzwolleleichtbauplatte, bei knapp 1 Mio. m³. Das sind 3 % der heutigen Mengen von ca. 30 Mio. m³. Zusam-men mit den übrigen Dämmstoffen mit kleineren Markt-anteilen werden 1,5 bis 2 Mio. m³ Dämmstoffe pro Jahr her-gestellt worden sein. Die Firma Heraklith stellte selber fest: „Die Einführung des neuen Baustoffes in der Fachwelt war keine leichte Arbeit.“ [33] Die Bewerbung der Dämmstoffe geschah ausschließlich durch die einzelnen Dämmstoff-produzenten selbst. Weder Staat noch Wissenschaft halfen. Verbände der Dämmstoffwirtschaft, gab es noch nicht. So bleibt Dr. E. Raisch`s Hoffnung unerfüllt, wenn er schon 1927 formulierte: „Die zahlenmäßige Veranschaulichung der durch einen guten Wärmeschutz zu erzielenden Erspar-nisse, war zu überzeugend, so dass man doch allenthalben begreifen musste, dass unsere Kohle und die dafür aufzu-wendenden Kosten nicht zu einer unsinnigen Beheizung des Weltalls vergeudet werden sollten.“ [34]

Die Dämmschichtdicken in Decken und zwischen oder unter den Sparren lagen in dieser Zeit bei 2 - 4 cm. Das Bild 14 zeigt das ambionierte Haus am Horn in Weimar, bei dem die neue großformatige Mauerwerksbauweise mit einer Kerndämmung der Wände versehen wurde. Selbst hier, beim „Neuen Bauen“ der Weimarer Zeit waren nur drei Zentimeter Torfplatten das Maß. Noch immer lag es jenseits der Vorstellungswelt, Dämmstärken von 6 oder 10 cm auch nur zu denken, geschweige denn, zu rechnen.

der Verluste. Sie wurden durch die unterschiedliche Länge dichter Schraffuren im Grundriss verdeutlicht.Zwischen Industrialisierung bis zum Ende des II. Welt-krieges gab es, trotz aller Debattenbeiträge, keine wirksa-men Impulse für eine Verbesserung des Wärmeschutzes im Hochbau. Der Hochbau war durch einen geringen Wärmeschutz mit Bauteil-U-Werten zwischen 1,0 und 1,6 W/(m²K) geprägt. Die U-Werte für Fenster liegen noch schlechter zwischen 2,3 und 4,8 W/(m²K). In der Weima-rer Zeit begann mit dem „Neuen Bauen“ eine Zeit des Experimentierens mit neuen Baustoffen und Formen. Die Betonbauweise dringt in den Hochbau vor, das Flachdach wurde entwickelt. Viele Kunststeine wie Schlackensteine, Kunstbims, Zellenbeton (Porenbeton), Gitterziegel und Langlochziegel kamen auf den Markt. Große Steinformate wurden ausprobiert und setzten sich (noch) nicht durch. Leichtbeton- und Schwerbetonwandschalen wurden kom-biniert, Hohlsteindecken entwickelt. Die neuen Wandbaustoffe orientierten sich jedoch wie-der am Wärmeschutz der 38 cm starken Ziegelwand. Bei besserer Wärmeleitfähigkeit wurden die Konstruktionen schlanker, so dass im Effekt wieder ein U-Wert um 1,5 W/(m²K) entstand. Einzig die Betonbauweise mit Stahl- oder Schwerbeton erforderte Dämmstoffe, da bei einer Wärme-leitfähigkeit um 2,1 W/(mK) ein gesundes Wohnen hinter nackten Betonwänden und -decken nicht möglich ist. Des-halb haben die meisten Zementwerke seit den zwanziger Jahren Dämmstofftöchter. Jobst Siedler fasste die Bauwei-sen dieser Zeit in „Die Lehre vom Neuen Bauen“ 1932 zu-sammen. [32]

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Das „Haus am Horn“ in Weimar wurde 1929 erbaut. Es gehörte zu den ambionierten Bauten des „Neuen Bau-ens“. In dieser Zeit wurden nicht nur neue Formen und das Flachdach, sondern auch neue Baumaterialien aus-probiert. Der JURKO-Stein war ein 8 cm starker Schla-ckenbetonstein mit der Wärmeleitfähigkeit um 0,5 W/(mK). Er wurde durch 3 cm Torfplatten ergänzt. Zusam-men ergab sich ein U-Wert von 0,9 W/(m²K), bei einer schlanken Wand von 19 cm Stärke. Die Hälfte der übli-chen Wandstärke, ein um 42 % besserer Wärmeschutz und geringere Baukosten. Die großformatige Wandbau-weise war ein Beitrag zur Rationalisierung des Mauer-werksbaus. Sie konnte sich, trotz aller guten Argumente, damals noch nicht durchsetzen.

Bild 14: Eine typische Dämmstoffdicke für die Zwischenkriegszeit

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Wickelstakung war vor den qualifizierten Dämmstoffen die Dämmung für Steildächer und Holzbalkendecken. Je nach Dicke ergab sich ein Wärmeschutz zwischen 1,4 und 2,0 W/(m²K), letzterer Wert für die dargestellte Steildach-dämmung. Die Wärmeleitfähigkeit lag bei 0,47 W/(mK).

Bild 15-1: Typische Wärmedämmstoffe im Hochbau zwischen 1850 und 1970

Korkdämmung war ein wichtiger Dämmstoff in der Industrialisierung . Die Backkorkplatten besaßen eine Wärmeleitfähigkeit von 0,05 W/(mK). Expandierter Kork (EXPANSIT) lag bei 0,045 W/(mK). Kork wurde beim Erhitzen durch seine Inhaltsstoffe feuchteunempfind-lich, z. T. wurde auch Teer zugesetzt. Er wurde wegen der Feuchteunempfindlichkeit auch erfolgreich zur Innen-dämmung eingesetzt.

Eine pfiffige Lösung: Korksteine als konisch zuge-schnittene Dämmplatten für Kappendecken um 1905. Man beachte das vom Hersteller empfohlene Maß der Dämmstoffstärke von 8 - 10 cm. Leider mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Holzwolleleichtbauplatten gab es unter vielen Markenna-men. Die Holzwolleleichtbauplatte war die am weitesten verbreitete Dämmplatte bis zur Energiekrise 1974. Man könnte sie als „Symbol“ der Dämmstoffe für die Phase 1920 - 1974 bezeichnen. Magnesit macht das Holz verrot-tungsfest und feuchteunempfindlich. Heute beträgt ihr Marktanteil nur noch 1 - 2 %. Ihre Wärmeleitfähigkeit ist Dickenabhängig zwischen 0,093 und 0,15 W/(mK), letzte-res bei Dicken unter 15 mm.

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Der Marktführer für Holzwolleleichtbauplatten HERA-KLITH, abgeleitet aus Herakles (Herkules) und Lithos (Stein), brachte 1939 eine umfassende Anwenderbro-schüre heraus. Die Skizzen wurden begleitet durch de-taillierte Texte und eine Wirtschaftlichkeitstabelle mit Umrechnungsfaktoren für den jeweiligen Klimastandort. Eine hervorragende Qualität in der Information.

Bild 15-2: Typische Wärmedämmstoffe im Hochbau zwischen 1850 und 1970

Die Torfdämmung war ein „Korkaustauschprodukt“. Wäh-rend des 1. Weltkrieges war Deutschland von den Welt-korkmärkten abgeschnitten. Torf wurde als „Torfmull“, lose in Hohlräume geschichtet, z. B. die Holzhäuser von Christoph und Unmack aus der Weimarer Zeit wurden damit ausgerüstet und sind bauschadensfrei geblieben. Torfplatten wurden für die Steil- und Flachdachdämmung sowie für die Innen- und Kerndämmung von Wänden eingesetzt. Da Torf hygroskopisch ist, wurde er mit Was-serglas kernimprägniert oder durch Bitumenpappe vom Innenraum getrennt. Wärmeleitfähigkeit bei 0,05 bis 0,07 W/(mK).

TEKTON-Leichtdiele. Eine Holzwolleleichtbauplatte aus locker verflochtenen Holzbandstreifen mit Zement ge-bunden. Die Stärken in 3,4 und 6 cm, die Wärmeleitfä-higkeit lag bei 0,08 W/(mK). Vertrieben wurde sie von Dyckerhoff & Widmann.

Insulite war eine Holzfaser-Isolier-Platte mit einer Wär-meleitfähigkeit um 0,05 W/(mK). Sie wurde in 0,6 bis 2 cm Stärke vermarktet und als Wärme, Kälte-, Schall-schutz eingesetzt. Ähnliche Produkte: Isotex, Kapag, Lignat, Mando, R.A.-Isolierplatte, Treetex, Tropla-Platte, Atex, Celotex, Gutex, Isodomo usw. Die Herstellung durch Verwebung erforderte keine Bindemittel und ga-rantierte eine bessere Dämmwirkung als bei zementge-bundenen Platten. Sie wurden als Verkleidungsplatten oder unter Linoleumböden benutzt. „In allen Ländern höchster technischer Entwicklung und fortschrittlicher, rationeller Baumethoden, in allen Ländern hochstehen-der Wohnkultur, kennt man INSULITE seit nahezu 20 Jahren“, warb die Herstellerbroschüre selbstbewusst.

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ALFOL hieß ein Produkt aus Aluminiumfolien, das von Dyckerhoff vertrieben wurde. Die Dämmeigenschaften beruhten auf den Reflexionsfähigkeit von ALU, dessen geringer Emissivität und der Vielzahl von Wärmeüber-gangswiderständen, wenn die Folien geknittert wurden (wie im Bild in einem Eisenbahnwaggon) oder als Schich-ten nebeneinander gespannt wurden. Das Produkt gab es auch noch in den fünfziger Jahren. Im Knitterverfahren betrug die Wärmeleitfähigkeit 0,06 W/(mK), im Planver-fahren um 0,05 W/(mK).

Bild 15-3: Typische Wärmedämmstoffe im Hochbau zwischen 1850 und 1970

Dyckerhoff-Dämmstoffe waren Marktöffner für die Be-tonbauweise, die ohne Dämmstoffe bauklimatisch nicht funktioniert. TORFOTEKT war eine gebundene Leicht-bauplatte aus Holzwolle in Dicken ab 1,5 bis 10 cm liefer-bar. Wärmeleitfähigkeit 0,07 W/(mK). Raumgewicht 360 bis 570 kg/m³.

Auf der Torfoleumplatte ist der Putzträger angedeutet, mit dem die Platten versehen werden mussten, da auf ihnen keine Putzhaftung erfolgte.

Telamatten hatten eine Holzwolle- oder Kokosfaserfül-lung und waren zwischen zwei Lagen Bitumenpapier eingesteppt. Dicken: 1 cm, 2 cm und 3 cm. Ihre Wärme-leitfähigkeit lag bei 0,05 W/(mK). Der Hersteller Zorn existierte etwa bis 1970.

Die Zosta oder auch die ARKI-Seegrasmatten wurden in Dicken von 13 und 22 mm geliefert. Sie waren mit bitu-miniertem Papier kaschiert. Ihre Einsatzgebiete lagen bei der Trittschalldämmung, Dachdämmung, sowie der Innendämmung von Außenwänden (verputzt). Die Wär-meleitfähigkeit lag bei 0,04 - 0,045 W/(mK).

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Bild 15-4: Typische Wärmedämmstoffe im Hochbau zwischen 1850 und 1970

Die Firma Grünzweig & Hartmann war schon ab 1910 der führende Dämmstoffhersteller in Deutschland, der seinen Stand immer wieder durch Innovationen sicherte. Der Anzeige von 1927 merkt man noch an, wo der Absatz-schwerpunkt liegt. Vom Korkstein über den expandierten Kork (EX PAN SIT), über Steinwolle (SILLAN) und Harn-stoff- und Polystyroldämmstoffe ging der Weg bis zu neu-en Mineralwoll-Dämmstoffen mit neuen Eigenschaften und Wärmeleitfähigkeiten um 0,032 W/(mK). Glaswolle wurde ab den sechziger Jahren produziert. EXPANSIT-Korkplatten hatten die Wärmeleitfähigkeit 0,045 W/(mK).

Erste Glaswolleprodukte wurden um 1936 in zwei Wer-ken in Deutschland produziert. Das langfaserige Ge-spinst wurde anfänglich auch Glaswatte genannt. Der Markt orientierte sich noch: Die Anwendungen gingen von der Dachziegelabdichtung, Feuerschutzkleidung, dem Fegeschutz von Baumspitzen gegen Wildverbiss über Dämmzöpfe bis zur Dämmanwendung in dünnen Schichten. Die Wärmeleitfähigkeit lag bei 0,045 W/(mK).

Der Langlochziegel war kein Dämmstoff. Er markier-te aber ab 1925 das Suchen nach einer Alternative zum Vollziegel innerhalb der Ziegelbauweise. Seine Wärme-leitfähigkeit lag bei 0,5 - 0,6 W/(mK). Durch die gerin-gere Wandstärke von nur 25 cm ergab sich wieder ein U-Wert um 1,5 W/(m²K). Seine Vorteile bestanden in dem geringeren Materialeinsatz. Der ARISTOS-Stein wurde von Wienerberger vermarktet. Langlochziegel fanden vor allem in Kleinhausbau ihre Anwendung, da ihre Druck-festigkeit für Geschoßbauten nicht ausreichte. Aus die-ser Suche nach besseren Lösungen ging nach 1945 der statisch belastbarere Hochlochziegel als „Sieger“ hervor.

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Kieselgursteine - Diatomith (Industrieanwendungen, hitzebeständig) 500 kg/m³ 0,123-0,2 W/(mK) Kieselguraufstrichmasse 500 kg/m³ 0,09-0,099 W/(mK) Korksteinplatten 170-200 kg/m³ 0,047 W/(mK) Korkplatten expandiert 95-120 kg/m³ 0,04-0,045 W/(mK) Korkschrot normal als Schüttung 0,043 W/(mK) Torfoleumplatten < 250 kg/m³ 0,047 W/(mK) Holzwolleleichtbauplatten 25-35 mm 0,09 W/(mK) Bims-Schwemmstein Ausmauerung zwischen Sparren und Balkendecken, 500-800 kg/m³ 0,16-0,24 W/(mK) Bimskiesfüllung Decken 600 kg/m³ 0,233 W/(mK) Gipsdielen 800 kg/m³ 0,349 W/(mK) Schlackeschüttung in Decken 0,19 W/(mK) Asbest 580 kg/m³ 0,15-0,2 W/(mK) Glaswatte 20 kg/m³ 0,045 W/(mK) Iporka 15 kg/m³ (Hartschaum aus Harnstoff) 0,045 W/(mK)

Tabelle 2: Dämmstoffe 1850 bis 1970

Einige Argumente in der Debatte um den Wärmeschutz vor 1945Die Debatte um das Maß des richtigen Wärmeschutzes war in den zwanziger Jahren reich an Argumenten. Einige ver-dienen hier erwähnt zu werden, weil sie nach der Energie-krise 1974 erneut aufgewärmt und fälschlich gegen einen besseren Wärmeschutz eingesetzt wurden. Andere verdie-nen es nicht, vergessen zu werden.

Die Wirksamkeit von DämmstoffenDer Architekt Bugge aus Norwegen wurde in Deutschland kaum rezipiert und schnell vergessen. Das ist erstaunlich, denn seine Untersuchungen des Wärmedurchgangs er-brachte 1924 nicht weniger, als den Beweis der Wirksamkeit der Dämmstoffe. Daran knüpfte erst nach dem II. Weltkrieg das Fraunhofer Institut in Holzkirchen erstmalig an. Schon der Hygieniker Korff-Petersen hatte an 5 Wohnhäusern in Berlin bewiesen: Das Gebäude mit einem Wand-k-Wert von 0,35 W/(m²K) brauchte für die Aufwärmung von 10 auf 17 °C nur 20 % der Wärmemenge, die das Gebäude in Betonbau-weise mit einem Wand-U-Wert von 1,3 W/(m²K) benötigte. Diese war jedoch nur auf die wenige Stunden währende Aufheizphase der Gebäude gemessen worden.

Der norwegische Architekt Andr. Bugge zeigte 1924 an 27 baugleichen Versuchshäusern, von denen jedes eine ande-re Wandbauart aufwies, die Wirksamkeit der Wärmedäm-mung. [35] Zunächst wurden die rechnerisch ermittelten k-Werte mit den an den Häusern gemessenen k-Werten verglichen. Bild 17 zeigt eine hervorragende Übereinstimmung (Spalte 2

und letzte Spalte 14). Der beste k-Wert lag bei 0,74 W/(m²K) für eine der Holzwände, der schlechteste bei 2,1 W/(m²K), für eine Massivwand aus Beton mit einer Hintermauerung aus Molerstein (Kieselerde mit WLG um 0,15 W/(mK)).

Die Messung des Wärmeverbauchs erfolgte über 2 Jahre von 1920 - 1922. Die Häuser wurden elektrisch beheizt, die Verbräuche konnten somit exakt gemessen werden. Die Raumtemperatur betrug 20 °C. Erfasst wurden auch die Oberflächentemperaturen der Wände. Damit konnte der k-Wert messtechnisch bestimmt werden. Für eine gleichzeiti-ge Kalkulation der Baukosten wurden Ausschreibungen der Wandsystemanbieter eingeholt. Bild 19 zeigt die Ergebnis-se. Das Gebäude mit dem schlechtesten Wärmeschutz der Wand weist auch den höchsten Heizenergieverbauch auf. Er liegt um den Faktor 2,18 über dem Gebäude mit dem besten Wärmeschutz.

Die unteren Kurventeile in der Grafik geben die kalkulier-ten Baukosten an. Auf der Abzisse sind die Häuser mit ihren Ordnungsnummern nach dem gemessenen Wärme-

Bild 16: Die 27 norwegischen Versuchshäuser

Bild 17: Zusammenstellung der k-Werte für die Massivbauten in der Untersuchung

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Die Wärmespeicherung - richtig verstanden

Wer heute die damaligen Untersuchungen um die Wär-mepeicherung nur oberflächlich liest, glaubt möglicher-weise ein neues Argument gegen die Wärmedämmung zu finden. Mit der Frage „Wärmespeichern oder Wärmedäm-men“ haben sie aber nichts zu tun. Den Hygienikern wie Professor Korff-Petersen, ging es darum, bei der damals durch Ofenheizung zeitlich stark eingeschränkten Behei-zung (Periodenheizung), eine gleichmäßigere Tempera-tur in den Räumen zu erzielen. Ein zu starkes Absinken der Temperatur nach Abstellen der Öfen sollte vermieden werden. Hierzu wurden a) Öfen mit Speichermasse und b) speichernde Wandbaustoffe empfohlen. Allerdings nicht die 38 cm starke Ziegelwand. Der auch in den „Richtlinien“ von 1921 falsch zitierte Korff-Petersen sagt hierzu in Aus-wertung seiner Messungen: „Empfehlenswert ist daher, un-ter Berücksichtigung der Brennstoffteuerung besonders bei

verbrauch aufgeführt. Das zweite Haus Nr. 13 wurde dabei zu 100 % gesetzt, weil seine Wandkonstruktion damals in Norwegen üblich ist. Die wärmetechnisch besseren Häuser (Holzhäuser) sind durchweg billiger, als die „Hochverbrau-cher“. Prof. Bugge schreibt dazu „Das wichtigste, was uns die Versuche gelehrt haben, ist folgendes: 1. Holzhäuser sind billiger zu heizen als Steinhäuser und bedeutend billi-ger zu heizen, als Steinhäuser aus 1 ½ Stein starken Außen-wänden. (…) Zieht man in Betracht, dass Holzhäuser mit den geprüften gewöhnlichen Holzwänden durchschnittlich um 15 % billiger zu bauen sind als Steinhäuser, so erhal-ten die mitgeteilten Ergebnisse betreffend das Wärmeiso-lierungsvermögen von Holzwänden eine noch größere Be-deutung.“ Der Begriff „Holzhaus“ ist durch „gut gedämmte Wände“ zu ersetzen, denn nichts anders ist ja im Versuch gemessen worden. Die norwegische Untersuchung zeigt, dass der damalige deutsche Wärmeschutzstandard, mit einem k-Wert um 1,56 W/(m²K), weder wirtschaftlich noch energiesparsam war. Oder anders ausgedrückt: Die noch junge Bautradi-tion des Massivbaus, im Verein mit wirtschaftlichen In-teressensdruck auf die Ministerialbürokratie, zwang den Deutschen einen doppelt so hohen Heizenergieverbauch auf als in Norwegen Standard war. Die Direktheit, mit der in Deutschland ein besserer Wärmeschutz blockiert wurde und gerade jene Wand in den „Richtlinien“ von 1921 staat-licherseits empfohlen wurde, die bei den Osloer Versuchen namentlich durchfiel, ist rational nicht verständlich. Da die-se Geschichte niemals aufgearbeitet wurde, wiederholte sie sich 1977 mit der ersten Wärmeschutzverordnung.Ergänzt wurden diese wertvollen Messungen 1923 durch k-Wert-Messungen an vielfältigen Hochbaukonstruktionen durch Kreüger und Eriksson. [36]

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Bild 18: Beste und schlechteste Wand im norwegischen Versuch

Die Wand mit dem besten k-Wert

0,75 W/(m²K) und dem geringsten

Wärmeverbauch des Versuchshau-

ses.

Wand mit einem k-Wert von 0,8 W/

(m²K). Sie entsprach den damaligen

norwegischen Baugesetzen für Holz-

häuser und wurde deshalb als Bezug

= 100 gewählt.

Die Wand mit dem schlechtesten k-

Wert 2,1 W/(m²K) und dem höchsten

Wärmeverbrauch des Versuchshauses.

Bild 19: Vergleich des Wärmeverbrauchs an 27 Versuchsbauten mit unter-schiedlichem Wärmeschutz der Außenwände

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Herstellung die geringste Menge Kohle gebrauchen, die an-dererseits aber auch eine gute Wärmehaltung bei der Behei-zung des Hauses sichern.“ [39] Dortselbst befand sich unter „5. Kohlenverbauch zur Herstellung der Baustoffe und zur Beheizung der Räume“ eine komplette Berechnung des Kohleneinsatzes für die Herstellung verschiedener Wände, die zeigt, dass die 38 cm starke Vollziegelwand 45 kg Stein-kohle pro m² Herstellungsenergieaufwand benötigt, wäh-rend z. B. eine Schlackenbetonwand mit 24 - 28 kg Kohlen pro m² auskommt. Bild 21 zeigt eine Aufstellung, die Her-stellungs- und Heizenergieaufwand miteinander vergleicht. Sieger ist die gedämmte Holzwand in beiden Disziplinen. Merkwürdigerweise empfahl die selbe Richtlinie dennoch die 38 cm starke Vollziegelwand.

Nach 1974 sollte diese Betrachtung als „Primärenergiebi-lanz“ wiederkehren. Und obgleich die Ergebnisse verblüf-fend klar sind und noch heute für die Wand mit exzellentem Wärmeschutz sprechen, werden diese Fragen immer wieder aufgeworfen. Deshalb hier noch einmal die abschließende Antwort von 1921: „Vergleicht man ferner die Kohlenmenge, die zur Herstellung von 1 qm Mauerwerk erforderlich ist, mit der Kohlenmenge, welche pro Jahr, zur Deckung des Wärmeverlustes durch diesen qm verbrannt werden muss, so stellt sich durchschnittlich heraus, dass die in ein bis zwei Jahren zur Heizung erforderlichen Brennstoffmen-gen den zur Erzeugung des Baustoffs nötigen Mengen etwa gleichkommen.Aus all diesen Betrachtungen geht klar hervor, dass der Ver-minderung des jährlich wiederkehrenden Kohleaufwandes eine erhöhte Bedeutung zukommt. Dabei fällt die Lösung der einen Teilaufgabe, die Verminderung des Wärmebe-darfs überhaupt, dem Architekten, die der anderen, die Ausgestaltung der Heizanlage, dem Heizungsingenieur zu. Während man aber eine schlechte Ofenanlage später und ohne allzu große Kosten durch eine verbesserte Kon-

Kleinhäusern: Innenisolation der Wände bei Dauerheizung mit nichtspeichernden Heizkörpern. “ [37] Leopold Sautter erinnerte noch 1932 daran, dass stark wär-mespeichernde Gebäude größere Heizkörper benötigen. In der Tat kennt die DIN 4701 seit 1929 Zuschläge auf die Heizkörper- und Kesselgröße bei Massivbauten mit aufzu-heizender Masse. Damals war noch klar, woher die Energie im Massenspeicher stammt, es ist teure Heizenergie. Das Kapitel trägt denn auch den Titel: „Wärmeverluste durch Wärmespeicherung“. Das hieraus entnommene Bild 20 zeigt, wie bei gleichem k-Wert die für die Einspeicherung in die Wände erforderliche Wärmemenge bei einer 68 cm star-ken Ziegelwand durch einen viel größeren Heizungsanteil befriedigt werden muss, als bei der gedämmten Wandkon-struktion. [38]

Nach 1974 wird die Wärmepeicherung erneut als Argument gegen besseren Wärmeschutz aktiviert. Nun soll Wärme-speichern wichtiger als wärmedämmen und die Sonne der Wärmespender sein. Ein empirischer Beleg für diese These wurde niemals vorgelegt. Ganz im Gegenteil steht der Ge-genbeweis überall in Deutschland: Unsere 18 Mio. Massiv-bauten haben ja große Speichermassen. Der „Erfolg“ liegt bei einem hohen Heizenergieverbrauch von 20 bis 30 Litern Heizöl pro m² Wohnfläche und Jahr. Das ist das Problem und nicht die Lösung. Die Propagandisten dieser These ha-ben auch nie ein Modellhaus oder ein Planungsinstrument für wärmespeichernde Bauten vorgelegt. Ihnen reichte das Sperrfeuer. Dass die Wärmespeicherung einmal eine „preu-ßische“ Finte für die Ziegelbauweise gewesen ist, ist lange vergessen.

Primärenergieverbrauch von BaustoffenDie Kohlennot nach dem 1. Weltkrieg und später die Kriegs-vorbereitung der Nationalsozialisten rückten den Energie-verbrauch für die Herstellung der Bauten in die Diskussi-on. In der „Richtlinie zur Förderung der Wärmewirtschaft beim Wohnungsbau“ von 1921 hieß es: „Bei der Auswahl der Baustoffe sind solche zu bevorzugen, die einerseits zu ihrer

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Bild 20: Einfluss der Wärmespeicherung (Anheizzeit) auf die Grö-ße des Wärmebedarfs bei Wänden mit gleichem Wärmeschutz

Bild 21: Herstellungsenergieaufwand und jährlicher Wärmever-lust in kg Kohlen pro m² Wandfläche nach Hencky 1921

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Wind einen Druck von 20 kg, Sturm einen solchen von 100 kg pro 1 qm, so dass also aus diesen an einem sehr kleinen Querschnitt angestellten Experiment noch keine Folgerun-gen für den unter Winddruck oder durch Temperaturdiffe-renzen bewirkten Luftdurchgang durch den Stein zu ziehen sind. Später ist dann die Durchlässigkeit der Steine für Luft ge-nauer quantitativ geprüft. Dabei stellte es sich heraus, dass je nach dem Material bei einem Druck von 1 mm Wasser oder von 1 kg pro Quadratmeter nur 5 - 50 Liter Luft pro Stun-de und pro Quadratmeter Wandfläche passiren; dies macht für ein Zimmer mit 14 qm Aussenwand und für mittleren Wind von 3 kg Druck 0,2 - 2,0 cbm stündlicher Luftzufuhr, während der Luftbedarf für ein solches Zimmer mindes-tens 60 cbm pro Stunde beträgt. Ausserdem fand sich, dass die Bekleidung der inneren Wandfläche noch in wechseln-dem, meist aber sehr erheblichen Grade die Durchlässig-keit herabsetzt; und zwar schon ein Anstrich mit Kalk- oder Leimfarbe, noch mehr ein Tapetenüberzug und wiederum mehr ein Oelfarbenanstrich. Ferner wird die Durchlässig-keit wesentlich geändert durch Befeuchtung des Steins; Je nach der Feinheit der Poren tritt hier eine Abnahme um 15 - 90 Procent ein.“ [41]Abschließend bewies Ernst Raisch 1928 in seiner Disser-tation durch Messungen an einem Wand-Versuchsaufbau, dass der Luftdurchgang durch Außenwände keinen nen-nenswerten Beitrag zum Luftaustausch darstellt. [42] Er wies nach, dass zwar die Mauerwerksfugen nicht luftdicht sind, der Innenputz jedoch die luftdichtende Wirkung bringt. Die These von der „Porenlüftung“ durch Wände wurde mit der Doktor-Arbeit von Raisch endgültig wider-legt. Seine Messergebnisse, umgerechnet auf normale Luft-druckverhältnisse:

Ein Schlüsselloch lässt pro Stunde mit 0,6 m³ Luft 60-mal mehr Luft durch als ein Quadratmeter geputzte und ge-weißte Wand. Schon Sautter wies darauf hin, dass es nicht auf einen Luftdurchgang ankomme, sondern auf die Sorp-tion von Wasserdampf in den ersten Millimetern aller inne-ren Bauteilschichten. [43] Diese Feuchteaufnahme sorgt für eine gleichmäßigere Innenluftfeuchte. Das ist ihr einziger Nutzen, der durch Dämmstoffe nicht geschmälert wird.

Tauwasserkriterium für die WohnhygieneMit der k-Wert Berechnung war auch die Berechnung der Temperaturverlaufs in Bauteilen gegeben. Parallel dazu lagen die Taupunkttemperaturen der Luft vor. Die Zusam-

struktion auswechseln kann, ist die Verantwortung des Architekten eine ungleich größere. Denn ein zu geringer Wärmeschutz der Wände verursacht zu seiner Behebung bei nachträglicher Abhilfe einen ganz wesentlich höheren Kostenaufwand, als wenn er von vornherein vorgesehen ist.“ [40]

Luftdurchgang durch Bauteile - Die atmende WandMax von Pettenkofer (1818 -1901) untersuchte besonders die Lüftungserfordernisse in Wohngebäuden. Er schuf ei-nen Maßstab für die Luftqualität mit maximal „1 pro Mil-le Kohlesäuregehalt pro cbm der Zimmerluft“. Seine 1873 geäußerte These von der „atmenden Wand“ war nicht so geglückt und konnte auch im Versuch nie rekonstruiert werden. Eine Kerze durch einen Ziegelstein hindurch aus-zublasen, ist schlicht unmöglich. Doch damit war die These vom Luftdurchgang durch Wände geboren, die seither im-mer wieder untersucht wurde. Sogar Luftdurchlässigkeits-koeffizienten wurden entwickelt. In den zwanziger Jahren setzte man sich damit grundsätzlich auseinander, um die Menge des Luftdurchgangs zu messen. Ziel war es genaue Rechenwerte für die Wärmeleitfähigkeit und die Wärmever-luste zu erlangen. Prof. Flügge schriebt 1902 nach genau-erer Untersuchung und Messungen dazu: „Die Existenz einer solchen Porenventilation wurde durch zwei Experi-ment bewiesen; Erstens wurde gezeigt, dass der Luftwech-sel in einem Zimmer, dessen Fugen, Ritzen und sonstige Undichtigkeiten sorgfältig verklebt werden, immer noch sehr beträchtlich ist, obwohl er sich nunmehr nur durch die Poren der Begrenzungen des Zimmers vollziehen kann. - Derselbe Versuch ist indess später vielfach mit anderem

Erfolg wiederholt worden. Sorgt man für dauernd dichten Verschluss aller Ritzen und Fugen und dichtet ausserdem noch Fussboden und Decke des Zimmers, so sinkt der Luft-wechsel auf 0 herab. Nur bei sehr heftigen Winden ist eine geringfügige Ventilation nachweisbar.Das zweite Experiment bestand darin, dass eine Glasröhre auf die beiden gegenüberliegenden Seiten eines Backstei-nes aufgekittet und dann die übrige Fläche des Backsteins mit Paraffin oder Teer gedichtet wurde. Es gelingt dann durch Einblasen von Luft in das Glasrohr durch den Back-stein hindurch z. B. ein Licht auszublasen. - Nun beträgt aber der Exspirationsdruck beim Blasen leicht 10 - 20 cm Quecksilber = 1300 - 2600 kg pro 1 qm Fläche. Mässiger Wind liefert dagegen nur einen Druck von 1-5 kg, starker

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Konstruktion Luftdurchgang in m³ / m² pro Stunde Einzelner Ziegelstein 0,001 Ziegelwand 38 cm Spritzbewurf außen und Innenputz 1,5 cm

0,05

Ziegelwand 38 cm, nur mit Innenputz, geweißt 0,003 Tabelle 3: Gemessener Luftdurchgang durch Baustoff und Konstruktion Nach [42]

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[8] E. Pèclet, Grundsätze der Feuerungskunde, Weimar 1846

[9] Leopold Sautter in: Jobst Siedler, Lehre vom neuen Bauen, Berlin 1932

[10] Leopold Sautter, Wärmeschutz und Feuchtigkeits-schutz im Hochbau, Berlin 1948

[11] Heigelin, Allgemeines Handbuch der Heizung, Stutt-gart 1827; zitiert nach K. W. Usemann Entwicklung von Heizungs- und Lüftungstechnik zur Wissenschaft, München 1993

[12] Schinz C., Über die Heizung und Ventilation in Fabri-ken, Stuttgart 1861

[13] Erich Raisch, Die in der Wärmeschutztechnik erzielten Fortschritte und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen, in: Feuerungstechnik Heft 28, 1927

[14] Hans Haase, Ein Rechenstab für Wärme- und Kälte-schutz, in: BAUWELT, Heft 45, 1936

[15] Karl Hencky, Die Wärmeverluste durch ebene Wände, München 1921

[16] Prof. Dr. Abel, Die Entwicklung der Gesundheitstech-nik während der letzten 50 Jahre und ihre Einwirkun-gen auf die Gesundheitsverhältnisse in Deutschland, in: Gesundheits-Ingenieur 12,1927

[17] Rudolf Virchow, Die Not im Spessart, Würzburg 1852[18] Klauss Jochen, Alltag im klassischen Weimar, Weimar

1990[19] Prof. Dr. Abel, Die Entwicklung der Gesundheitstech-

nik während der letzten 50 Jahre und ihre Einwirkun-gen auf die Gesundheitsverhältnisse in Deutschland, in: Gesundheits-Ingenieur 12,1927

[20] Flügge C., Untersuchungen über Lüftungseinrichtun-gen in Kleinhäusern, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 96-1922

[21] Kröhnke, Müllenbach, Das gesunde Haus, Stuttgart 1902

[22] Sautter, Leopold, Wärme- und Schallschutz im Hoch-bau, in: Beiheft zur Bauwelt, Berlin 1933

[23 Sautter, Leopold, Zweck und Ziel von Wärmeschutzbe-stimmungen, in: BAUWELT Heft 27, 1941

[24] Deutscher Baukalender 1899, Berlin Kommissions-Verlag 1898

[25] Wärmewirtschaft, 1. Theil, Berlin 1937[26] Jaeckel, Wärmewirtschaft und Bauordnungen in Preu-

ßen, in: Wärmewirtschaft in Städtebau und Siedlungs-wesen, in Haus und Gewerbe, Stuttgart 12, 1935

[27] Kopfermann, Lehrbuch für den wärmewirtschaftlichen Unterricht an den Fachschulen des Baugewerbes, Ber-lin 1923

[28] A. Korff-Petersen, W. Liese, Der Einfluss von Wand-konstruktion und Heizung auf die Wärmeökonomie von Gebäuden in hygienischer und wirtschaftlicher Beziehung, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektions-krankheiten, 93. Band, Berlin 1921

[29] Der deutsche Zimmermeister, Freiburg, Nr. 44, 1928

menschau erklärte die großen Feuchte- und Schimmel-schäden in den Wohnungen der damaligen Zeit. „Wer die schweren bautechnischen, hygienischen und wärmeschutz-technischen Fehler kennt, mit denen zahlreiche Großsied-lungen der letzten Jahre behaftet sind…“, schrieb Cammerer 1936. Hygieniker und Physiker stimmten in den dreißiger Jahren in einer Forderung an die wärmetechnische Qualität der Häuser überein: „Die Schäden derartiger Niederschläge (Tauwasser auf Bauteilen d. Verf.) sind bekannt. Der Wär-meschutz einer Wand muss daher so groß sein, dass die innere Oberflächentemperatur auch bei großer Kälte über dem Taupunkt der Raumluft liegt.“ [44] Hier hielt man 13 °C innere Oberflächentemperatur für ausreichend und ließ auch bei der vorherrschenden Periodenheizung zeit-weiligen Tauwasserausfall auf Wänden, z. B. des Nachts zu. Diese Vorschläge wurden weder in Richtlinien noch in Normen festgeschrieben. Je nach Klimaregion waren sie auf die wärmetechnische Qualität der 38 - 51 cm starken Vollziegelwand hin bemessen und wurden dieser gewisser-maßen nachgeschoben. Damit schuf man eine feuchetetch-nisch sehr fragile Situation. Schon leichte Veränderungen in den Randbedingungen, wie z. B. Zentralheizung statt Einzelöfen, Doppelverglasung statt Entfeuchtung über die kalte Einfachverglasung oder dichtere Bauten, konnten das Gleichgewicht in Frage stellen. Und genau daraus entstand unsere langjährige Schimmeldiskussion.

Teil 2 der „Geschichte“, der in der nächsten Ausgabe er-scheint, zeigt die Entwicklung nach 1945. Über die DIN 4108 mit ihrem Mindestwärmeschutz und jahrzehntelan-ger Stagnation ging es hier für die Dämmstoffe seit der Energiekrise 1974 steil aufwärts. Um das Verständnis der Funktion von Dämmstoffen ringt unsere Gesellschaft aber noch heute.

Hinweis:Viele der im Artikel benutzten historischen Quellen befin-den sich auf einer DVD, die beim Autor für 10 EURO zzgl. MwSt. und Versand zu beziehen ist. Bestellungen unter Mail: [email protected]

Literatur[1] Carl Schäfer, Deutsche Holzbaukunst, Dresden 1937[2] Leopold Sautter, Wärmeschutz und Feuchtigkeits-

schutz im Hochbau, Berlin 1948[3] Grünzweig + Hartmann, Der Korksteinbau, Ludwigs-

hafen 1905[4] Erich Mindner, Wände und Decken, Berlin 1936[5] H. Balcke, Die Wärmeschutztechnik, Halle 1934 und

1949[6] Erich Raisch, Die in der Wärmeschutztechnik erzielten

Fortschritte und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen, in: Feuerungstechnik Heft 28, 1927

[7] Grünzweig + Hartmann, Bauen Sie ein warmes Haus, Ludwigshafen 1967

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in hygienischer und wirtschaftlicher Beziehung, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Berlin 1921

[38] L. Sautter in: J. Siedler, Die Lehre vom neuen Bauen, Berlin 1932

[39] Kopfermann, Lehrbuch für den wärmewirtschaftlichen Unterricht an den Fachschulen des Baugewerbes, Ber-lin 1923

[40] Karl Hencky, Die Wärmeverluste durch ebene Wände, München 1921

[41] C. Flügge, „Grundriss der Hygiene“, Fünfte, sechste und verbesserte Ausgabe, Leipzig 1902

[42] E. Raisch, Die Luftdurchlässigkeit von Baustoffen und Konstruktionsteilen, in: Gesundheits-Ingenieur Heft 30, 1928

[43] Sautter, Leopold, Wärmeschutz und Feuchtigkeits-schutz im Hochbau, Berlin 1948

[44] J. S. Cammerer, Konstruktive Grundlagen des Wärme- und Kälteschutzes im Wohn- und Industriebau, Berlin 1936

[30] J. S. Cammerer, Die gleichwertige Vollziegelstärke als Grundlage für Berechnungen im Bauwesen, in: Der Gesundheits-Ingenieur, 6-1936

[31] Bayrische Landeskohlenstelle, Untersuchungen über die wärmewirtschaftliche Anlage, Ausgestaltung und Benutzung von Gebäuden, München 1821

[32] Jobst Siedler, Die Lehre vom Neuen Bauen, Berlin 1932[33] eigene Berechnung auf Basis: Die Holzwolleleichtbau-

platte, in: Gesundheits-Ingenieur Heft 40, 1939[34] Erich Raisch, Die in der Wärmeschutztechnik erzielten

Fortschritte und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen, in: Feuerungstechnik Heft 28, 1927

[35] Andr. Bugge, Ergebnisse von Versuchen für den Bau warmer und billiger Wohnungen, Oslo und Berlin 1924

[36] Kreüger und Eriksson, Untersuchungen über das Wär-meisolierungsvermögen von Baukonstruktionen, Ber-lin 1923

[37] Korff-Petersen, der Einfluss von Wandkonstruktion und Heizung auf die Wärmeökonomie von Gebäuden

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* Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig, Hessische Energiespar-Aktion Institut Wohnen und Umwelt GmbH

Kleine Geschichte der Dämmstoffe „Zweiter Teil“

Werner Eicke-Hennig*

Gegen die Kälte schützten Menschen ihre Behausungen schon vor Jahrtausenden intuitiv durch Nutzung von Holz und Fasern als Baustoff. Die Industrialisierung brachte mit dem Massivbau haltbarere Bauten, um den Preis eines schlechten Wärmeschutzes. Im Wieder-aufbau nach 1945 diente der „Mindestwärmeschutz“ zur Tauwasserabwehr auf Bauteilen. Mit U-Werten um 1,0 - 1,5 W/(m²K) erzielte man keine Behaglichkeit, die brachte die Zent-ralheizung, um den Preis hoher Heizenergieverbräuche. Die Energiekrise 1973 erzwang eine Entwicklung, die von der Energiekosteneinsparung, über die Ressourcenschonung zum poli-tischen Ziel des Klimaschutzes führte. Dies war der Beginn eines neuerlichen epochalen Um-bruchs: Von der Holzbauweise der Germanen und des Mittelalters, über die Massivbauweise der Industriezeit hin zur Dämmbauweise. Niedrigenergie-, Passiv- oder Sonnenhäuser sind bereits Energiespar-Hauskonzepte, die an erster Stelle überflüssigen Energieverbrauch durch exzellenten Wärmeschutz vermeiden. Durch ihren niedrigen Verbrauch schaffen sie die Vor-aussetzung für die Nutzung der erneuerbaren Energien. Die Bedeutung der Dämmstoffe für die Zukunft unseres Wohnens wird jedoch noch immer unterschätzt.

Die deutsche Wiederaufbauleistung war ohne geschichtli-ches Beispiel. Über 25 Jahre hinweg entstanden konstant 350.000 bis 800.000 Wohnungen pro Jahr, zusammen in Ost und West. Der Schwerpunkt lag auf der schnellen Schaffung von Wohnraum. Deshalb meldeten sich schon 1949 die Hygieni-ker zu Wort. Ihr „Entwurf eines Hy-gienischen Memo-randums“ [1] wies auf die Bedeutung der Wohngesund-heit bei der Lösung der Wohnungsfra-ge hin: „Trockene, warme und ruhige Wohnungen kön-nen nur entstehen, wenn das Mauer-werk zum Wasser-dampft ranspor t von der Innen- zur Außenluft befähigt ist und Fußböden, Wände und Decken ausreichenden Wärme- und Schall-schutz gewährleisten.“ Beim geforderten Wärmeschutz war leider mit der DIN 4110 von 1934 die Vergangenheit das Vorbild: Die 38 cm dicke Vollziegelwand galt wieder

als ausreichend. In der ersten Wiederaufbauphase bis 1950 war das Bauvolumen noch gering. Es dominierten der Trümmerschuttvollziegel und das Spektrum der Mas-sivbaustoffe aus der Vorkriegszeit. Der Ziegelsplittbeton als Trümmerverwertung brachte es auf Wärmeleitfähig-

keiten unter 0,5 W/(mK) und wurde in Leichtbeton-bauteilen und als Ho h l b l o c k s t e i n eingesetzt. Mit dem Lehmbau versuchten drei Lehmbauschulen der Baustoffknapp-heit zu begegnen, blieben aber wegen seiner feuchtetech-nischen und sta-tischen Nachteile erfolglos. Sprich-

wörtlich ist die 25 cm dünne Wiederaufbauwand gewor-den. War sie aus Vollziegeln hergestellt, lag ihr U-Wert bei 2,0 W/(m²K). Die dürftigen Lebensverhältnisse in den noch zerbombten Städten sind in [2] sehr eindringlich be-schrieben.

Bild 1: Baugilde 1949 - So wollen wir Wohnen

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Falsche Energiepolitik nach 1949Der Staat organisierte zwar die Kohlenversorgung, stellte aber keine Anforderungen an eine kohlensparende Bauwei-se. Hausbrand und Kochen verschlangen allein 30 % der Jahreskohlenmengen Deutschlands. Die staatliche Energie-politik orientiert sich an der Energieerzeugung, nicht an der Energieeinsparung und wurde „Kohlepolitik“. Schon bald war jedoch die Kohlenkrise überwunden und Halden zeug-

ten davon, dass die Kohlepolitik der BRD durch die Umstel-lung von Verkehr und Heizung auf Öl überrumpelt wurde. Dies regelten die „sieben Ölschwestern“ der Welt über das Billigöl mit 8 - 10 Pf./Liter. Ab 1950 wurden Wohnungs- und Infrastrukturaufbau durch Bund, Länder und Gemeinden gefördert mit den genannten Rekordmarken.

Städtebau moderner als BauplanungAuf diese Leistung war die Bauforschung falsch vorbereitet. Wie schon vor 1930, als der Hilferuf „Schafft Arbeit in Alt-häusern“ kaum Unterstützung durch begleitende Hinweise der Wissenschaft zur Notwendigkeit einer energetischen Sanierung fand, wurden auch nach 1950 keine neuen Kon-zepte für moderne energiesparende Gebäude vorgelegt. Da waren Städtebau und Verkehrsplanung moderner. Erstere begann z. B. mit dem ECA-Wettbewerb von 1951 Neuland zu betreten. Der brachte moderne Bauweisen voran, hierfür war kurz nach 1945 bereits wieder die geistige Kraft vorhan-den. Nur der Wärmeschutz spielte keine besondere Rolle dabei. Energiesparende Bauten wären ein Beitrag zur Behe-bung der Kohlennot gewesen, es hätten mit den gegebenen Finanzmitteln auch mehr Wohnungen im Wiederaufbau gebaut werden können. Die wenigen Debattenbeiträge zur

Energiesparbauweise wurden von staatlichen Stellen igno-riert. Schon der renommierte J.S. Cammerer hatte 1936 dargelegt, dass eine 17 cm dünne Betonwand mit 8-10 cm Korkdämmung die gleichen Jahresgesamtkosten aus Her-stellungs- und Heizkosten erzeuge, wie eine 38 cm dicke Vollziegelwand, bei einem um 2/3 besseren Wärmeschutz (Preisannahme 1 RPf pro kWh Wärme). [3] Sein Neffe, W. Caemmerer, belegte 1950 am Beispiel von 4 Außenwänden mit k-Werten zwischen 1,56 und 0,99 W/(m²K): Die 38 cm Vollziegelwand war die teuerste Wandbauart (Bild 2). Die Ig-noranz gegenüber den wirtschaftlich günstigeren gedämm-ten Wänden, brachte er auf den Punkt: „Dieses Beispiel sollte zeigen, dass die Forderung nach einer Brennstoffer-sparnis unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit des Bauens unlösbar geknüpft ist an eine Änderung der Bau-weise. Darüber hinaus kann gesagt werden, dass, wie spezi-ell das Beispiel der Leichtbetonwand zeigt, eine Steigerung der Rentabilität zusammen mit einer Senkung des Brenn-stoffbedarfes nur durch die Anwendung neuer Bauweisen möglich sein wird.“ [4] Derselbe Autor legte 1959 noch einmal nach und spitzte auf Grundlage der Analyse von 10 Wandbauarten zu: „Dadurch, dass die Erkenntnisse über die Abhängigkeit der Gesamtkosten vom Wärmeschutz eines Hauses nicht beachtet werden, werden Brennstoffe unnötig vergeudet, deren Kosten im Verlauf von 70 Jahren den Neubaukosten einer Großstadt von ansehnlicher Grö-ße entsprechen.“ (125.000 Wohnungen d. Verf.) [5] Dabei war nur die Wand betrachtet worden bei einem willkürlich festgelegten Best-k-Wert von 0,9 W/(m²K). Welche Größe hätte die ungebaute Stadt bei Betrachtung aller Bauteile gehabt? An eine Änderung der Bauweise zu denken, kam augenscheinlich nach 1945 nicht in Frage. Eine Studie des Instituts für Bauforschung, Hannover, im Auftrag des Bun-deswohnungsbauministeriums, die zu gleichen Aussagen wie Caemmerer kam, blieb unter Verschluss. [6]

Das Bild 3 zeigt eine Aufstellung der Kohlenersparnis, die in einer vom Bauministerium 1951 beauftragten Broschüre erschien. Die Wände mit dem „verbesserten Wärmeschutz“,

Bild 2: Wirtschaftliche Wandbauarten 1950

Bild 3: Frühe Argumente für einen besseren Wärmeschutz

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zeigte um 15 - 20 % geringere Kohlenverbräuche pro m² Wand bei leicht verbesserten U-Werten um 1,26 W/(m²K). „Eine 25 cm dicke Wand aus Mauerziegeln MZ 100 mit ei-ner zusätzlichen 2,5 cm dicken Wärmedämmschicht aus Holzwolleleichtbauplatten ist in den Herstellungskosten billiger als eine 38 cm dicke Wand, sie führt bei der gleichen bebauten Fläche zu größeren Räumen und braucht weniger Brennstoffe für die Beheizung.“ [7]

Kein Bedarf nach FortschrittTrotz dieser Argumente sah die junge Bundesregierung kei-nen Regelungsbedarf und hielt sich aus der wärmetechni-schen Gestaltung der neuen Bauweisen heraus. Die Verant-wortung delegierte man an eine Normkommission. Aus dem Memorandum und der DIN 4110 entwickelte die Arbeits-gruppe „Einheitliche Technische Baubestimmungen“ beim Fachnormenausschuss Bauwesen die erste Norm über den „Wärmeschutz im Hochbau“. Diese DIN 4108 erschien erst-malig 1952 und schrieb einen „Mindestwärmeschutz“ für Bauteile fest. Vor dem Einlassen auf einen Mindeststandard hatte Leopold Sautter schon 1941 gewarnt: „Wegen der großen wirtschaftlichen - volkswirtschaftlichen und privatwirtschaft-lichen- Vorteile und der gesundheitlichen Vorzüge wärme-dichter Bauten, … ist es notwendig, dass für die kommenden großen Bauvorhaben einheitliche und zweckmäßige Richtli-nien für den Wärmeschutz…festgelegt werden. Es ist dabei angebracht, nicht nur den Mindestwärmeschutz festzulegen, weil der Mindestwärmeschutz noch nicht die genannten Vor-teile gewährt, sondern nur als gerade noch zulässige unterste Grenze des Wärmeschutzes gesundheitliche Schädigungen verhütet.“ [8] Genau dieser Fehler wurde nun gemacht. Die DIN 4108 orientierte ihr Anforderungsniveau nach unten, am kleinsten gemeinsamen Nenner in der Normkommis-sion. Ihr Mindestwärmeschutz sollte Gesundheitsgefahren für die Bewohner abwehren und hierzu eine Schädigung der Bausubstanz durch Tauwasser verhindern. Weitere Aspekte wurden nicht einbezogen. „Der Wärmeschutz hat bei Bau-ten, die dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, Bedeutung für die Gesundheit der Bewohner“, lautete ihr erster Satz. Die Wohnhygiene wurde damit einzig am Tau-wasserschutz auf Bauteilen und damit der Schimmelvorsor-ge festgemacht. Physiologische Gesichtspunkte spielten kei-ne Rolle. Die Einhaltung einer Innenoberflächentemperatur der Bauteile von 9,25 °C im Winter wurde die Richtschnur. Sie beschrieb den Taupunkt der Luft bei 20 °C Temperatur und 50 % rel. Feuchte. Ein weitergehender von Prof. Lie-se vorgetragener physiologischer Ansatz forderte: „Unsere Klimabedingungen und Lebensgewohnheiten verlangen ge-mäß dem wärmephysiologischen Anspruch für den norma-len Menschen (…) eine durchschnittliche Raumtemperatur im Winter von 18,5 °C. Dieser Wert setzt weitgehende An-näherung von Luft- und mittlerer Wandtemperatur voraus.“ [9] Diese Anforderung hätte bei -10 °C Außentemperatur und 18,5 °C Innenlufttemperatur einem U-Wert von 0,1 W/(m²K) entsprochen und widersprach damit den damaligen Massiv-

baukonstruktionen. Aber auch ein Kompromiss wurde nicht angestrebt. Erst 40 Jahre später wurden solche U-Werte mit dem Standard des Passivhauses verwirklicht. Es blieb 1950 beim Tauwasserschutz auf Bauteiloberflächen.

Mindestwärmeschutz der DIN 4108 Die Normväter passten hierzu den neuen „Mindestwär-meschutz“ einfach an die vorhandenen Bauweisen mit k-Werten um 1,0 - 1,56 W/(m²K) an: „Im Laufe der Zeit ha-ben sich immer wiederkehrende, wohntechnisch befrie-digende Bauweisen herausgebildet. Da diese Konstruktio-nen für Außenwände von Wohnhäusern in den jeweiligen Klimaverhältnissen wärmetechnisch genügen, so läßt sich der notwendige Grenzwert des Wärmewiderstandes - der natürlich auch für andere Konstruktionen gelten muß - dadurch festlegen, dass der Wärmewiderstand solcher Wän-de gemessen wird. So ist der heute in den Normen festgeleg-te Wert des Mindestwärmewiderstandes von Außenmauern D = 0,55 m²h°C/kcal, so entstanden, dass der Wärmedämm-wert einer erfahrungsgemäß ausreichenden 1 ½ Stein star-ken Vollziegelmauer … ermittelt wurde.“ [10] Hier finden wir den alten Menschheitsfehler wieder, den jeweils aktuell erreichten Entwicklungsstand als den ewigen Zustand zu betrachten. Die Anforderungen der DIN 4108 wurden als Wärmedurchlasswiderstand für drei Wärmedämmgebiete (Kältegebiete) differenziert. Sie forderte nur dort einen leicht stärkeren Wärmeschutz entsprechend 3 - 6 cm Dämmstoff, wo bei Kellerdecken und Durchfahrten eine Abkühlung der Füße drohte. So kam es, das die Decken über Durchfahrten die am besten gedämmten Bauteile im Nachkriegsdeutsch-land wurden, fürwahr ein großer Flächenanteil.

Die Anforderung an die für die Wohnbehaglichkeit so wich-tigen Außenwände, entsprach 1952 je nach Dämmgebiet immer noch der 38 - 51 cm dicken Vollziegelwand. Ausnah-men ließen auch die 25 cm dünne Vollziegelwand und das Fachwerk zu. Nichts Neues also seit 1870. Ungünstig wirkte

Bild 4: Anforderungen an den Mindestwärmeschutz von Bautei-len als Wärmedurchlasswiderstand in m²h°C/kcal, gemäß DIN 4108 von 1952 (Originalausriss)

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sich auch das Fehlen von Anforderungen an die Fenster aus. Das Wirtschaftswachstum brachte eine Vergrößerung der Fensterflächen, die nun bis Mitte der sechziger Jahre noch als einfachverglaste Fenster ausgeführt wurden und den Hei-zenergieverbrauch erhöhten. Nur im Wärmedämmgebiet III (Harz, bayrischer Wald, schwäbische Alp) waren Dop-pelfenster „anzuordnen“. Tabelle 1 zeigt die Anforderungen der DIN 4108 in ihrer geschichtlichen Entwicklung für die wichtigsten Bauteile. Für leichte Bauteile unter 300 kg/m² galten leicht „erhöhte“ Anforderungen, die dem sommerli-chen Wärmeschutz und einer verzögerten Auskühlung nach Heizungsunterbrechung dienen sollten.

Die DIN 4108 schloss eine einhundert jährige Hygienedis-kussion vorläufig ab. Nun war eine Normanforderung an den Wärmeschutz entstanden, die einklagbar war, Pflichtteil des Bauantrages wurde und langsam in die Lehrinhalte der Bau-ausbildungen einfloss. Die DIN beinhaltete neben den An-forderungen auch das Rechenverfahren für den k-Wert sowie die Wärmeleitfähigkeitswerte aller wichtigen Baustoffe. Das brachte Verlässlichkeit. Parallel wurden die Messverfahren und die Zuschläge zu den Messwerten für die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit ebenfalls normativ gefasst (DIN 52612 Teil 1 - 3). Damit war der rechnerische Nachweis auf eine verbindliche Grundlage gestellt. Schrittweise entstan-den nun auch die Dämmstoffnormen. Die DIN 4108 wur-de durch Verbindlichkeitserklärung auch in der damaligen DDR übernommen. Ab 1981 wurde dort auf die WSVO in der BRD mit analogen Vorschriften in der TGL 35424 reagiert, deren Niveau bis 1990 leicht besser war als in der BRD. [11]

Erst 1981 wagten die Normväter einen Sprung bei den Anfor-derungen, aber da war die „Hygienenorm“ längst von den WSVO`s überholt. Die kleine wärmetechnische Nachkriegs-debatte drehte sich bis 1974 nur um graduelle Änderungen. Wärmetechnischen Verbesserungen konnte man sich nur innerhalb der Mauerwerksbauweise vorstellen, wo jedes Dickenwachstum naturgemäß höhere Baukosten erzeugte. Eine Broschüre des Wohnungsbauministeriums sah das so: „Die Notwendigkeit einen verbesserten Wärmeschutz einzu-führen, ist sehr umstritten. Besonders bei der Verwendung üblicher Wandbaustoffe kann es unwirtschaftlich sein, di-ckere Wände herzustellen, d.h. höhere Wärmedurchlasswi-derstände zu wählen, als es der hygienische Wärmeschutz verlangt.“ [12] Nicht auch einmal systemtranszendierend zu denken, kann teuer werden, dieser Fehler wurde auch nach der Energiekrise 1973 wieder gemacht. Auch in dieser jünge-ren Vergangenheit sollten die höheren Baukosten eines 49 cm dicken Leichthochlochziegelmauerwerks gegenüber der 30 cm dicken Bauart „beweisen“, dass ein verbesserter Wär-meschutz unwirtschaftlich sei. Die Anforderungen der DIN 4108 an die Außenwände blieben bis zur Energiekrise auf dem Niveau der Kaiserzeit. Stallwände mussten in Deutsch-land übrigens einen besseren Wärmeschutz aufweisen als Wohnhauswände, da in Ställen eine höhere Luftfeuchte herrscht.

Außenwand Dach, Decke nach oben

Keller Fenster Decken nach unten gegen Außenluft

Flachdach

DIN 4108 von 1952

1,8/1,56/1,39*) 1,4 1,02 - 0,58 1,32

DIN 4108 von 1969

1,80/1,56/1,39*) 1,23 1,02 - 0,58 0,80

Ergänzende Bestimmungen zur DIN 4108: 1974

1,56/1,39**) 0,69 0,83 - 0,52 0,69

Beiblatt DIN 4108: 1975***)

0,65 0,60 0,75 2,6 0,6 0,8

DIN 4108 von 1981****)

1,39 0,76*****) 0,81 - 0,51 0,79

DIN 4108 von 2001****)

0,73 0,71 0,81 - 0,51 0,71

*) Dämmgebiet I, II und III **) Dämmgebiet I/II zusammengelegt, Dämmgebiet III (Harz, Schwäbische Alp usw.) ***) Ab Beiblatt: km,max -Verfahren Gebäudehülle. Beispiel für ein EFH mit A/V 0,8 mit Anforderungswert km,max von 1975: 0,62 m²K/W; für 1977 = 0,85 W/(m²K), für 1984 = 0,66 W/(m²K). Das Beiblatt hatte nur empfehlenden Charakter und kam in der Baupraxis nicht an. ****) Nunmehr durch die WSVO/EnEV`s als Planungsgröße für den Neubau nicht mehr relevant. *****) 0,51-1,39 W/(m²K) bei leichten Bauteilen je nach Flächengewicht und Hinterlüftung

Tabelle 1: Anforderungen der DIN 4108, „Ergänzende Bestimmungen“ von 1974 und des Beiblatts zur DIN 4108 1975, sowie der WSVO 1977 und 1984; umgerechnet auf U-Werte in W/(m²K)

Einige Diskutanten wie die Professoren Schüle und Schä-cke sahen im Mindestwärmeschutz sogar einen Sicher-heitspuffer, da bei noch geringerem Standard ein zeitwei-liger Tauwasserausfall auf Bauteilen vom Putz aufgesaugt würde und daher kein Problem darstelle.

Die eintretende Praxis zeigte dann doch Schäden. 1962 schrieb Sautter: „Obwohl der Mindestwärmeschutz in der DIN 4108 so gewählt ist, dass unter üblichen Verhältnissen sich kein Tauwasser an der inneren Oberfläche der Außen-bauteile bildet (ausgenommen die Fenster), hat die Erfah-rung immer wieder gezeigt, dass nicht nur in Küchen und Bädern mit ihrem hohen Wasserdampfgehalt der Luft, son-dern auch in Schlafzimmern - besonders solchen ohne ei-gene Heizquelle - und in Ecken neben Schränken oder auch hinter Schränken in Wohnräumen in sehr vielen Fällen sich doch Tauwasser bildet.“ [13]

1,56 1,56 1,561,39 1,39

0,73

0,00

0,20

0,40

0,60

0,80

1,00

1,20

1,40

1,60

1,80

1952 1960 1967 1974 1981 2003

W/(m²K)

Bild 5: Anforderungen der DIN 4108 an Außenwände seit 1952 für das Wärmedämm-gebiet II, umgerechnet auf W/(m²K)

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Werbung für begrenzte ZieleDie neue Norm wurden nur sehr langsam bekannt. Des-halb entschloss sich das Ministerium für Wohnungsbau 1958 zur Produktion eines Trickfilmes mit dem Titel „Wär-meschutz im Hochbau“, der durch eine Broschüre begleitet wurde, die den Titel trug „Wärmeschutz - aber richtig“. [14]

DIN 4108 - Schlechte StartbilanzBeide „Werbemaßnahmen“ wiesen u. a. auch auf das, im Wiederaufbau vor allem durch die Betonbauweise entstan-dene, Problem der Wärmebrücken hin, das in der DIN 4108 noch zu allgemein angesprochen war. Die schwachen Anforderungen, im Verein mit Wärmebrücken, die ohne jegliches Problembewusstsein gebaut wurden, führten zu Schimmelschäden in Bauten mit „Mindestwärmeschutz“. Letzteres stellte 1957 die Forschungsgemeinschaft Bauen und Wohnen Stuttgart fest. Ihre Untersuchung „Feuchtig-keitsschäden in Wohnungen“ belegte, dass ein mangelnder Wärmeschutz zu Feuchte- und Schimmelschäden führt. [15] Da der Verfasser Prof. Schüle an der DIN 4108 stark mitgewirkt hatte, anerkannte er zwar die Feuchteschäden

auf Wärmebrücken als baulich verursacht. Alle Schäden auf ungestörten Wandbereichen mit „Mindestwärmeschutz“ wurden dem mangelnden Lüftungsverhalten der Bewoh-ner zugeordnet. Dieses Dilemma, Schuldanteile zwischen baulichem Standard und Nutzerverhalten zu verteilen, durchzieht noch heute die Gerichtsurteile bei Feuchteschä-

Bild 6: Titelbild des Filmes „Wärmeschutz im Hochbau“ von 1958

den. Gegründet ist es letztlich auf den schwachen Anfor-derungen des Mindestwärmeschutzes im Wiederaufbau. Das Niveau wurde nach hinten orientiert festgelegt und war damit fortschrittsfeindlich. Jede spätere bauliche und anlagentechnische Neuerung in der vorhandenen Bausub-stanz erhöhte das latente Schimmelrisiko. Auch generell stand es um die Einhaltung der neuen DIN 4108 nicht gut. Der Wärmeschutz erschien als spezielle Ingenieuraufgabe und kam nicht im allgemeinen Bauschaffen an. In [16] wur-de darauf verwiesen, dass sich der Wärmeschutz bei Bau-ten zwischen 1958 und 1960 sogar verschlechterte. „Das geht auch aus Untersuchungen hervor, die Dipl.-Ing. Lin-demann mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung 1958 und 1960 angestellt hat. Er weist nach, dass eine Steigerung der Güte des Wärmeschutzes in dem fraglichen Zeitraum nicht festgestellt werden kann, in manchen Fällen sogar eine Ver-schlechterung eingetreten ist.“ Wärmedämmung war kein Thema. Das zeigt drastisch, dass von Dr. Helmut Künzel für 1957 beschriebene Beispiel. Das Bundesbauministerium ließ damals durch das Institut für technische Physik, Holz-kirchen erforschen, ob eine Dachbelüftung im Flachdach statt 2,5 cm nur 1,5 cm Dämmstoff ermögliche. Besser kann der geringe Stellenwert der Dämmung in dieser Zeit nicht ausgedrückt werden. [17] Welcher Entwicklungsstand nun erreicht war, zeigt das Bild 7 von 1957: Schon die Aufstel-lung eines Sofas vor einer Wand mit Mindestwärmeschutz konnte einen Schimmelschaden verursachen.

Die Materialien des WiederaufbausSo ging der Wiederaufbau weitgehend im Massivbau mit den alten Baustoffen und energetischen Standards von-statten. Nach wie vor dominierte der Ziegelbau mit hohen Wärmeleitfähigkeiten bis 0,81 W/(mK). 1951 wurde die Maß-ordnung im Hochbau geändert. Die neuen Formate gingen vor allem als Hochlochziegel an den Markt. Der wog nur noch 1200 - 1400 kg/m³ und bot mit einer Wärmeleitfähig-keit um 0,6 W/(mK) auch als 30 cm dünne HLZ-Wand den Wärmeschutz des 38 cm Vollziegelmauerwerks. Mit dieser „Rationalisierung“ gab man sich zufrieden. Der Hoch-lochziegel wurde der Sieger der bautechnischen Entwick-lung der Wiederaufbaujahre nach 1950, gefolgt vom Kalk-sandstein. Hinzu trat die Stahlbetonbauweise mit großen Glasflächen und auskragenden Bauteilen. Ortbetonwände wurden mit 2,5 - 3,5 cm Innendämmung versehen. Ab 1965 gingen die vorgefertigten Betonbauteile an den Markt. Mit der Dreischichtplatte, die 3 - 6 cm Wärmedämmung als Dämmkern aufwies, kam die Zeit des Baus von Großsied-lungen. Damals städtebaulich sehr umstritten (Unwirtlich-keit der Städte), lösten sie doch einen Großteil des Woh-nungsproblems in kurzer Zeit. Der Stahlbeton brachte in der Mischbauweise häufig starke Wärmebrücken mit sich, die eine Quelle von Schimmelschäden wurden (Balkone, OG-Decken, Fensterstürze, Kellerdeckenauflager). Bims-stein aus dem Neuwieder Becken kam verstärkt als Zwei-

Bild 7: Schimmelschaden auf einer Wand mit Mindestwärmeschutz, ohne Dämmung, mit Einscheibenverglasung und ohne Fensterdichtung

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kammer-Hohlblockstein und als Schalenstein zum Einsatz, da er bis zu 75 % Arbeitszeit beim Mauern einsparte. An-dere Leichtbetonsteine, vor allem der Porenbeton, errangen kleinere Marktanteile. Der Vollziegel und der Kalksandvoll-stein verschwanden langsam vom Markt. Die Massivdecken lösten das Holz ab, da das im Krieg erlassene Verbot für Holzbalkendecken in Kraft blieb. Das schuf den Markt für qualifizierte Trittschalldämmstoffe. Flachdächer und Ober-geschoßdecken erhielten 1 - 4 cm Dämmung. Aber auch Sand- und Schlackeschüttungen auf Kellerdecken waren noch nicht über Nacht verschwunden. Die Bauchemie trat mit einer großen Produktvielfalt im Ausbau zur Palette der Bauprodukte hinzu. Sie ersetzte viele Holz- und Metallan-wendungen und verbesserte die Haltbarkeit und Flexibilität mineralischer Produkte.

Die DIN 4108 enthielt 1952 auch eine Liste der Dämmstof-fe. Diese ist noch sehr durch die Produktentwicklung in der Vorkriegszeit geprägt. Enthalten sind 9 Produkte in ver-schiedenen Konfektionen mit ihren damaligen Wärmeleit-fähigkeiten. Das Angebot ist noch überschaubar, alle auch noch heute wesentlichen Dämmstoffe sind jedoch bereits vorhanden.

Hygienedefizite durch Zentralheizung überdecktMangelnder Wärmeschutz war bei den Bewohnern kein Thema, Behaglichkeitsansprüche formulierte man nicht. Auch verbesserte die Existenz jeder bezugsfertigen Neu-bauwohnung die Lebensqualität im Nachkriegsdeutsch-land. Die Herstellung behaglicher Wohnverhältnisse über-nahm die Gebäudeheizung. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung wurden zunehmend die Einzelöfen durch die Zentralheizung ersetzt, die ein komfortableres Heizen ermöglichten. Ölpreise um 10 Pfennig pro Liter taten ihr Übriges. Geringe Innenoberflächentemperaturen durch mangelnden Wärmeschutz konnten zumindest teilweise durch hohe Raumtemperaturen und dauerhaftere Behei-zung von Räumen ausgeglichen werden. Während die Au-ßenbauteile im Winter auf Oberflächentemperaturen um 10 - 15 °C auskühlten, konnte man nun durch Raumtempe-raturen um 20 - 23 °C die bekannte fragile Behaglichkeit erreichen, am Kopf heiß, an den Füßen kalt. Das Verhält-nis zwischen kalten Außenbauteilen und Raumlufttempe-raturen erlebte schon zwei Erschütterungen:

• Durch die Energiepreiskrise ab 1974. Die hohen Heiz-kosten, die eine zentrale Beheizung in ungedämmter Bausubstanz erzeugt, wurden hier erstmalig schmerz-haft spürbar.

• Durch zwei Schimmelwellen. Die Erste nach Einbau der Zentralheizungen in den fünfziger und sechziger Jahren mit Einzug der Thermopane-Verglasung. Die entfeuchtende Verbrennungsluftzufuhr der Zimmer-

Wärmeleitfähigkeit kcal/m h °C W/(mK) Steinige Fasern (Stein, Glas- und Schlackenwolle

0,035 0,04

dito, Platten unter schwimmenden Estrich 0,75 0,09 Bau-Schlackenwolle lose 0,06 0,07 Seegras, Kokosfasern lose 0,035 0,04 Seegras unter schwimmenden Estrich 0,075 0,09 Holzwolleleichtbauplatten 15 mm 0,12 0,14 Holzwolleleichtbauplatten 15 mm-35 mm 0,08 0,09 Holzwolleleichtbauplatten 50 mm und dicker 0,07 0,08 Holzfaserplatten 200 kg/m² 0,04 0,045 Holzfaserplatten 300 kg/m³ 0,05 0,06 Torfplatten 200 kg/m³ 0,04 0,045 Korkplatten 120 kg/m³ 0,035 0,04 Korkplatten 160 kg/m³ 0,038 0,04 Korkplatten 200 kg/m³ 0,04 0,045 Korkparkett 450 kg/m³ 0,055 0,06 Platten aus Wellpappe, bitumengetränkt 0,04 0,045 Kunstharzschaum in Platten und Flocken 0,035 0,04 Tabelle 2: Liste der Dämmstoffe in der DIN 4108 von 1952

öfen fiel weg und hohe Lufttemperaturen führten zu höherer Raumluftfeuchte. Damit stieg auch die Tau-punkttemperatur der Luft an. Die zentrale Beheizung erhöhte zwar auch die Bauteilinnenoberflächentempe-raturen, aber das ging nicht immer gut. Die zweite Wel-le kam durch die Fensterabdichtungen nach 1974 und vor allem durch den Einbau neuer Fenster im Zuge des 4,35 Mrd. DM-Energiespar-Förderprogramms der Bundesregierung ab 1977, das überwiegend zur Fens-tererneuerung und zum Heizungsaustausch genutzt wurde.

Die Schimmelursachen blieben in der Breite der Gesell-schaft unklar, Aufklärung wurde nicht betrieben. Noch heute ist weitgehend unbekannt, dass der Wegfall der Ein-scheibenverglasung und nicht die dichteren Fenster der wesentliche Problemauslöser war. Eine Einscheibenver-glasung hält bei durchschnittlichen Außentemperaturen von 5 - 8 °C die Innenluftfeuchte automatisch auf Werte um 50 - 60 %, erzwingt jedoch die ständige Kondensat-beseitigung vom Fensterbrett. Vor allem nach 1977, mit der durch die Fensteraustausch-Förderung ausgelösten Schimmelwelle, resultieren noch heute Fehlurteile, wie „Energieeinsparung führt zu Schimmelschäden“. Richtig muss es heißen: „Wand und Wärmebrücken kalt und nur das Fenster warm, das konnte nicht gutgehen.“Der Ansatz, die Wohnhygiene durch eine Norm zu ver-bessern, war historisch gewiss sinnvoll. Die Orientierung allein am Tauwasserschutz aber zu kurz gegriffen und die Übernahme der hergebrachten Bauweisen sträflich. Mit dem Mindestwärmeschutz wurden die Neubauten von 1950 - 1970 schon nach 40 Jahren wieder zu energetischen Sanierungsfällen. Die gedanklichen Inkonsequenzen der Wiederaufbauzeit sind die Sanierungsfälle von heute. Wer heute die Wirtschaftlichkeit der wärmetechnischen Instandsetzungen erneut infrage stellt, macht den Fehler von damals noch einmal, indem er nicht erkennt, dass zu kurz springen schon recht bald zu Mehraufwand führt.

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- Steinwolle (1948),- Glaswolle (1939 ff., DDR 1958),- Expandiertes Polystyrol (1950),- Schaumglas (1937 USA, 1962 Vertrieb Europa, etwa 1955

DDR),- Extrudiertes Polystyrol (1948 USA; ab 1963 Vermarktung

in Europa, 1964 BASF, 1980 - 90 weitere Anbieter am Markt, z.B. FCKW-freies XPS),

- Polyurethan (1960),- Zellulose (1980),- Weitere Naturfaserdämmstoffe z.T. nur in neuem Lay-

out ab 1990.

Die Dämmstoffindustrie setzte ab den sechziger Jahren den „Vollwärmeschutz“ gegen den Mindestwärmeschutz der DIN 4108. Der Begriff, den man später allein auf das Wärmedämmverbundsystem anwendete, ging auf Leopold Sautter zurück. Vorerst galt er noch für alle Bauteile und besonders für die Wand. Die Etablierung des Standards war keine leichte Aufgabe, da er bei allen Baubeteiligten

bekannt gemacht werden musste, ohne jeglichen Bündnis-partner. Man hob die bessere Wirtschaftlichkeit, geringere Baukosten und die höhere Behaglichkeit hervor. Auch die kleinere Heizanlage bei besser gedämmten Bauten war bereits ein Kostenargument. Der Vollwärmeschutz stellte keinesfalls das physikalische oder physiologische Optimum des Wärmeschutzes dar. Er entsprach den Wärmepreisen der sechziger Jahre, die mit 0,5 - 0,75 Cent/kWh recht nied-rig lagen. Folglich bewarben die Dämmstoffhersteller den neuen Markt mit 4 - 6 cm, später auch 6 - 8 cm Dämmdi-cken.

1960: Mit dem Vollwärmeschutz auf MarkterweiterungDer Neustart nach 1945 begann mit einem wachsenden Dämmstoffbedarf bei Industrieanlagen. Den Hochbau nahm die Dämmindustrie bis 1960 kaum wahr. Noch 1955 sah Karl Seifert, damaliger Entwicklungschef bei G+H, die Zukunft des neuentwickelten Polystyrols noch allein im Kälteschutz bei Kühlhäusern, dies wegen der geringen Feuchteaufnahme von nur 2 Vol.-%. [18] Aber auch der Hochbau entwickelt nun ab 1950 durch Wiederaufbau und Wirtschaftsaufschwung einen erkennbar höheren Bedarf, worauf sich die Dämm-stoffindustrie ab 1960 einstellte. Den ersten Prospekten sieht man die „technische“ Herkunft noch an. Als Dämmstoffan-wendungen treten im Hochbau hervor:

• Trittschalldämmung,• Flachdach- und Terrassendämmung,• Steildachdämmung,• Obergeschoßdeckendämmung,• Sehr vereinzelt auch Außenwanddämmung.

Das große Neubauvolumen des Wiederaufbaus sicherte einen wachsenden Markt. Vom damaligen Vorstandsvor-sitzenden der Grünzweig und Hartman AG ist der Satz überliefert: „Jungens, es regnet Brei und wir haben zu we-nig Löffel.“ Da stört es in den Anfangsjahren kaum, dass die Dämmstoffdicken durch die DIN 4108 geprägt waren und kaum einmal 2 bis 3 cm überschritten. Die Branche expandierte und baute neue Werke. Marktführer waren in den fünfziger Jahren noch Holzwolleleichtbauplatte und Kork, gefolgt von den Torfplatten. Man fand sie sogar als Trittschalldämmplatten. In dieser Zeit wurden die Produkt-innovationen der Vorkriegszeit fortgesetzt:

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Früher Wiederaufbau: Betondecken zogen einen immensen Bedarf an Trittschalldämmstoffen nach sich. Der wurde zunächst mit Stein- und Glaswolle gedeckt, später übernahm das Polystyrol die Rolle. Neubau von 1951: Bei diesem Verwaltungsbau der Deutschen Lloyd in Bremen wurden 1 cm dicke Trittschalldämmplatten verlegt. In dieser Stärke findet man häu-fig auch die OG-Decken gleich mit gedämmt.

Früher Wiederaufbau: „Solche Fuhren sind keine Seltenheit“ lautet die stolze Bildunterschrift des Unternehmers unter dieser „Fuhre“ Dämm-stoffe. Die GERRIX-Glaswolle war das Produkt der Glaswatte-Gesellschaft in Bergisch-Gladbach, die 1972 mit G+H fusionierte. Beworben wurde die Glaswolle über die Glasfaser-Gesellschaft in Düsseldorf und hieß lange we-gen des Namens des Produktionsverfahrens TEL-Glaswolle.

Bild 8: Frühe Dämmaßnahmen im Hochbau um 1951

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Eine umfassende Wandstudie 1962Leopold Sautter bewies 1962 in einer Studie zum Vollwär-meschutz die Überlegenheit besser gedämmter Wand-bauarten. [19] Er untersuchte den Wärmeschutz von 57 unterschiedlichen Wandbauarten, ihre Wärmeverluste so-wie ihre Baukosten. Dabei lag der zugrunde gelegte Wär-mepreises nur bei 1 - 2 Pf. pro kWh. Es zeigte sich, dass energiesparendere Wände sogar in den Baukosten billiger sein konnten. Auf jeden Fall aber in den Gesamtkosten aus Baukosten und Brennstoffkosten. Das hatte 1922 auch der norwegische Architekt Bugge nachgewiesen (Teil 1). Sautter empfahl den doppelten bis vierfachen Wärmeschutz gegen-

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Der neue Dämmstoff Polystyrol, seit 1950 am Markt. Noch traut man ihm in den sechziger Jahren nicht zu, dass er Nummer drei unter allen Dämm-stoffen im Hochbau wird. Das Prospekt von 1966 zeigt mit 6 cm dicken Platten den damaligen „Vollwärmeschutz“, für den sich die Dämmstoff-wirtschaft einsetzte. Dämmung hieß damals noch „Isolierung“.Polystyrol nahm in der Folge einen Entwicklungsweg, den man so beschrei-ben kann: Es wird wegen vieler baumystischer Ansichten von Architekten und Bauherren nicht geliebt, erhält aber immer wieder den Zuschlag, weil es vergleichsweise billig, von geringem Gewicht, leicht zu verarbeiten und feuchtetechnisch unempfindlich ist. Wegen seiner dampfbremsenden Eigenschaft übernimmt es bei Innendämmungen auch die Funktion der diffusionshemmenden Schicht, sogar in Kühlhäusern. Wenn diese z. B. in-nen mit Fliesen belegt waren gab es bei diffusionsoffeneren Dämmstoffen Feuchteschäden „warmseitig“ unter den Fliesen..

Steinwolle (SILLAN, ab 1956 auch ROCKWOOL) gab es seit 1948 in Deutschland. Der Prospekt stammt von 1957 und beschreibt die großen Mengen als Werbeargument: „In diesen Bauten wurden allein als Tritt-schalldämmschicht unter schwimmenden Estrich 70.000 qm SILLAN-Steinwolle-Bahnen verlegt. Das sind - wenn das vielleicht mehr sagt - 7 ha Gesamtfläche!“ Die Faserdämmstoffe Stein- und Glaswolle sollten bald die Marktführer unter den Hochbaudämmstoffen sein.

Bild 9: Schlaglichter aus den sechziger Jahren

Der „Vollwärmeschutz“ wird die strategische Antwort der Dämmstoffwirt-schaft auf den Mindestwärmeschutz der DIN 4108. Damals kaum unter-stützt durch die Bauforschung, wurde in Broschüren und den Produktda-tenblättern versucht, diesen Standard bei ausführenden Baubetrieben, Architekten und Bauherren zu verankern. Ab 1974 wird der Begriff fast nur noch als Synonym für das Wärmedämmverbundsystem gebraucht. Im Prospekt ist eine frühe Form des WDVS mit Putzträgerschicht dargestellt.

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schlankere Wände wünschte. Kurz vor der Energiekrise wurden bereits Wohnhauswände aus 24 cm Mauerwerk und 2 - 4 cm Innendämmung errichtet, weil einige Bauher-ren bereits durch die Umweltdebatte erreicht wurden. Vor allem wegen der Herstellungskosten äußerer Dämmun-gen blieb die Innendämmung das damals vorherrschende Dämmsystem für die Außenwand, obwohl das Wärme-dämmverbundsystem und die Vorhangfassade schon exis-tierten. Innendämmungen von 2 - 5 cm Dicke aus Torf, Holzwolleleichtbauplatten, Mineralwolle und Polystyrol wurden bis in die siebziger Jahre angewandt. Sie funktio-nierten feuchtetechnisch einwandfrei, Schadensberichte sind nicht publiziert. [20] Diese Funktionsfähigkeit geht auf den nach innen luftdichten Aufbau (Innenputz), die kapilla-re Feuchteverteilung in der Wand und möglicherweise auch die geringeren Dämmdicken zurück.

Fertighäuser erweitern den DämmstoffabsatzSchon seit 1920 am Markt, kam es bei den Fertighäusern ab 1960 zu einem Absatzwachstum, das die Einkommensent-wicklung ermöglichte. Die schnell wachsende Fertighaus-industrie orientierte sich am Mindestwärmeschutz, der für leichte Bauteile „erhöhte“ Werte vorsah. Eine spätere Un-tersuchung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik stellte fest, dass der Mindestwärmeschutz nicht immer eingehal-ten wurde, aber die Tendenz war doch klar: Ein gegenüber dem Massivbau besserer Wärmeschutz mit k-Werten meist unter 1,0 bis 0,5 W/(m²K).

Mit 200.000 bis fast 500.000 m³ Dämmstoffabsatz pro Jahr, überwiegend als Glas- und Steinwolle, bei einem Jah-resabsatz von bis zu 26.000 Häusern, stellten diese Gebäu-de einen Motor für die Dämmstoffanwendungen dar.

Irrtum beim sommerlichen WärmeschutzDie erhöhten Anforderungen an den Wärmeschutz von Leichtbauteilen sollten der Gefahr sommerlicher Überhit-zung begegnen und eine zu schnelle Auskühlung bei ab-gestellter Heizung verhindern. Sie wurden im Bauwesen gründlich missverstanden, so als brächte nur der Massiv-bau einen natürlichen sommerlichen Wärmeschutz. „Die bauliche Masse macht`s“, hieß es fortan irreführend, was jeder sommerliche Wohnversuch in einem ungedämmten Betonbau bewiese. Dieser Irrtum wurde in Folge durch die Bauforschung mittels der aufgestellten Kriterien „Ampli-tudendämpfung“ und „Phasenverschiebung“ und durch Wortwahl noch unterstützt. Man sprach nicht vom „ver-besserten“, sondern vom „erhöhten“ Wärmeschutz. Des Irrtums Ursache: Auf Basis von nur 2 - 6 cm Dämmschich-ten erwärmten sich Leichtbauteile in der Tat zu schnell. Das Problem war der unzureichende Wärmeschutz der DIN 4108, nicht die fehlende Masse. Gebäude mit dicken Dämmschichten weisen dieses Sommerproblem nicht auf. Ihr Vorteil gegenüber massereichen Bauteilen ist,

über der DIN 4108. In seiner Untersuchung brachte eine Bimshohlblockwand mit 5 cm Polystyrol-Innendämmung das Optimum. Nur 55 % der Bau- und Betriebskostensum-me des Mindestwärmeschutzes fielen hier an.

Die Zahlen sprachen wieder einmal für die gedämmte Außenwand mit k-Werten unter 0,5 W/(m²K). Aber das änderte nichts im deutschen Hochbau, die Betriebskosten wurden traditionell nicht in die Bauentscheidungen ein-bezogen. Das hat sich bei Kleininvestoren bis heute kaum verändert. Die damaligen Kostenannahmen zeigten sogar:

Man baute nicht einmal billiger mit traditionellen Wänden. Tradition geht manchmal merkwürdige Wege und nichts wird irrationaler entschieden als die scheinbar so rationalen „Wirtschaftlichkeitsfragen“. Die DIN 4108 blieb bis 1974 bei dem unzureichenden Wärmeschutz. Bild 5 zeigt die extrem langsame Entwicklung für die Wand. Erst die Energiekrise von 1974 sollte hier Bewegung erzeugen. Der Studie von Sautter verdanken wir auch eine umfassen-de Aufstellung der Vorteile gedämmter Konstruktionen, die in Bild 11 wiedergegeben ist.

Ein Klassiker: Innendämmung der WandBis zur Energiekrise 1973 wurden Außenwände innen ge-dämmt, wenn sie gedämmt wurden. Das war bei den Ort-betonwänden zwingend der Fall oder wenn ein Bauherr

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• Hochlochziegel, 30 cm• Baukosten 47,27 DM/m²• Heizkosten über 60 Jahre 126,00 DM/m²• Gesamtkosten: 173,27 DM/m²• k-Wert 1,23 W/(m²K)• Gesamtkosten in Prozent des Mindestwär-

meschutzes: 96 %

• Bimshohlblockwand 24 cm mit 5 cm Poly-styrol-Innendämmung, verputzt

• Baukosten 57,40 DM/m²• Heizkosten über 60 Jahre: 41,15 DM/m²• Gesamtkosten: 98,55 DM/m²• k-Wert 0,48 W/(m²K)• Gesamtkosten in Prozent des Mindestwär-

meschutzes: 55 %

Ähnlich gute Werte erzielten noch 10 weitere Wandbauarten mit Innendämmung.

Bild 10: Kostenvergleich einer wärmetechnisch üblichen und einer wärmetechnisch besseren Wandkonstruktion 1960

Statische Heizkostenberechnung ohne Energiepreissteigerung, 0,14 DM/kg Kohle und 80 % Wirkungsgrad der Feuerungsstätte; die Heizkosten wurden über 60 Jahre.[18]

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Bild 11: Vorteile durch Vollwärmeschutz nach Leopold Sautter 1962

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Innendämmung: In 3 - 6 cm Lieferdicke gab es diese Steinwolldämmung. Zumindest mit 6 cm wäre sie auch heute noch zeitgemäß. Der Verputz sicherte den luftdichten Aufbau. Viele weitere Systeme wie die Innen-putzdämmplatte, die GERRIP-Platte oder Polystyrolplatten waren am Markt. Die Innendämmung war die Dämmung, falls Wände überhaupt gedämmt wurden. Immerhin wurden schon k-Werte um 0,6 W/(m²K) erreicht. Dies war die Empfehlung im „Vollwärmeschutz“.

Sandwicheplatten für den Bürobau: Hier handelt es sich um Schimmel-bildung auf einer Torfplatte. Ein Foto von 1962, das auch zeigt, wie lange sich dieses Kriegsaustauschprodukt für Kork am Markt hielt. Die gezeig-te Platte war in einem Brüstungselement eingebaut, dessen hintere und vordere Metallabdeckung durch Wärmedehnungen Luftspalte bekom-men hatte. Luftundichter Einbau führt zu Schäden. Der Buchautor Prof. Schaupp vermutete damals jedoch die Wasserdampfdiffusion als Scha-densursache. Erst um 1990 gewann die Erkenntnis um den Schadensweg durch konvektiven Feuchtetransport auch in Deutschland an Bedeutung.

Vorhangfassade: Das Foto von 1960 zeigt die Dämmung einer Vorhang-fassade mit 2 cm Dämmplatten aus Steinwolle. Die Platten wurden da-mals noch in Mörtel angesetzt. Da die vorherrschende Wandbekleidung in Deutschland der Außenputz ist und die VHF vergleichsweise teurer, fasste sie im Wohnungsbau nie richtig Fuß. Das WDVS war zu dieser Zeit bereits patentiert, aber noch lange nicht in der Breitenanwendung.

Kerndämmung: Es dauerte lange, bis die Luftschicht in zweischaligem Mauerwerk nicht mehr als Dämmung missverstanden wurde. Statt R 0,18 m²K/W stellten 6 cm Dämmung R = 1,5 m²K/W. Vor allem in Nord-deutschland wuchs so eine weitere Dämmanwendung heran, die lange Jahre durch den Norm-Belüftungszwang für die zweischalige Wand be-hindert wurde, obwohl Dr. Künzel nachwies, dass die belüftete Wand hö-here Feuchten aufwies, als die unbelüfteten Wandschalen.

Bild 12: Dämmsysteme für die Außenwand in den sechziger Jahren

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weisen Fertighäuser eine hohe Wohnzufriedenheit auf, feh-len sommerliche Überhitzungen weitgehend und weisen sie kleine Heizenergieverbräuche auf. Häufig sind die so gering, dass nachträgliche Dämmmaßnahmen sich als un-wirtschaftlich darstellen. Fertighäuser kann man als einen „Großversuch“ über den baulichen Wärmeschutz auffas-sen, der bis heute nicht ausgewertet ist. Es drückt viel aus über die Ausprägung der deutschen Bauforschung, dass sie durch das aufwendige Genehmigungsverfahren der „Fer-tighausliste“ und die in der Anfangsphase des Fertigbaus auftretenden Feuchteschäden auf diesen Bautyp aufmerk-sam wurde, nicht aber durch ein Eigeninteresse am Dämm-

dass sich bei ihnen weniger Bauteilspeicherwärme nachts in die Wohnungen entlädt. Das zeigten Jahrzehnte später die Niedrigenergie- und Passivhäuser. Nicht die fehlende Masse war beim damaligen Leichtbau das Problem, son-dern der grundsätzlich viel zu geringe Wärmeschutz. Beim Massivbau fiel das nicht sofort auf, weil in Hitzeperioden der Massespeicher 2 - 3 Tage brauchte, um sich aufzuladen und erst dann funktionslos zu werden. Dieser schlichte Gedankenfehler zeigte, dass sich die Bauforschung damals mit dem an der hygienischen Untergrenze liegenden DIN-Wärmeschutz so identifizierte, dass ihr sogar Zirkelschlüs-se unterliefen. Richtig hätte es damals heißen müssen: Die Fertighäuser zeigen, dass unser Mindestwärmeschutz keinen ausreichenden sommerlichen Wärmeschutz bietet. Und natürlich: Auch die extremste Amplitudendämpfung am Bauteil verhindert keine Gebäudeaufheizung bei feh-lendem äußeren Sonnenschutz der Fenster.

Auf mehrere hunderttausend Fertighäusern wuchs inner-halb von 20 Jahren der besser gedämmte Teil der Bausub-stanz heran. Das rief nach empirischen Untersuchungen. Heizenergieverbräuche, Behaglichkeit im Winter, sommer-liche Innentemperaturen wären ein interessantes Untersu-chungsfeld gewesen. Hatte nicht schon der norwegische Architekt Bugge 1924 die wärmetechnische Überlegen-heit des Holzbaus behauptet? Bundesregierung, Baufor-schungsinstitute und die Baukonstruktionslehre an den Hochschulen ignorierten den Fertighausbau als Daten-quelle jedoch weitgehend. Auch nach der Energiekrise 1973 unterblieben solche Untersuchungen, obwohl wieder här-ter um den Standard des Wärmeschutzes gestritten wurde. Nach allen eigenen Erfahrungen aus der Energieberatung

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Fertighaus-Detail von 1962. Die Dämmung im Dach ist nur mit 10 mm angege-ben, die der Wand beträgt immerhin 80 mm. Der sommerliche Wärmeschutz für das schwere Steildach hatte 1,41 W/(m²K), der für das Steildach mit nur 100 kg/m² etwa 0,9 W/(m²K) zu betragen. Der gleiche Wert galt für die dargestellte OG-Decke, die aber nur erstaunliche 2,0 W/(m²K) aufweist. Die DIN 4108 war 10 Jahre nach ihrer Einführung immer noch zu wenig bekannt.

Fertighäuser lösten im Massivbau Nachkriegsdeutschland Schockwellen aus. Der massive Wettbewerber stellte ihre Funktionstüchtigkeit in Frage. Die Bau-forschung setzte dem nichts entgegen. In der Folge musste jeder Typ, nach Prü-fung durch das Institut für Bauforschung Hannover, in ein extra geschaffenes „Fertighausverzeichnis“ aufgenommen werden, dass detailliert die technischen Spezifika enthielt. Das „Neckermann-Haus“, wie es im Volksmund hieß, kam trotzdem voran.

Bild 13: Fertighausdetail von 1962

Bild 14: Fertighausabsatz in der BRD zwischen 1961 und 1983 [21]

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Strukturwandel bei den DämmstoffenIn den sechziger Jahren verschwanden Kork und Torf all-mählich vom Markt. Heraklith fand Konkurrenz durch Stein- und Glaswolle, reagierte mit Verbundplatten und verlor in den sechziger Jahren seine Marktführerschaft. Die dänische ROCKWOOL erschien 1956 auf dem deutschen Markt. Die 1968 erfundene ROLLISOL-Randleistenmatte leitete die Marktführerschaft der Mineralwolle ein. Sie brachte den Durchbruch, da sie zeitsparend zu verarbeiten war. Dachdämmstoffe mussten anfänglich noch als Putz-träger vermarktet werden, der Trockenbau war noch nicht üblich. Ab 1960 traten die Hartschäume hinzu. Die BASF-Marke „Styropor“ wurde Synonym für Polystyroldämm-stoff. Polyurethan und das extrudierte Polystyrol (XPS) so-wie Schaumglas gingen ebenfalls an den Markt, errangen aber wegen ihres Preises nur kleine Marktanteile. Wegen ihrer guten Dämmwirkung (PU, XPS), ihren feuchtetech-nischen Besonderheiten und der Druckbelastbarkeit haben sie sich feste Marktanteile geschaffen. Im Steildach wur-de die Glas- und Steinwolle der Marktführer wegen ihrer Handlingvorteile.

Energiekrise verbessert den DämmstoffabsatzIn den sechziger Jahren wurde der Absatz der industriel-len Dämmanwendungen rückläufig. Die Wiederaufbau- und Expansionsjahre der Industrie waren vorüber. Schon 1962 lag der Dämmstoffabsatz im Hochbau höher, als in der „technischen Isolierung“. Diese Entwicklung verlief langsam zugunsten des Hochbaus weiter und erreichte rund 3 - 5 Mio. m³ pro Jahr in den siebziger Jahren. Erst mit

standard. So regte das Fertighaus vor allem die Feuchtedis-kussion in Deutschland an. Man führte die anfänglichen Feuchteschäden auf die Wasserdampfdiffusion zurück, die wirkliche Ursache lag jedoch im konvektiven Transport durch Fugen und Ritzen. Die Fertighausindustrie lernte schnell, die Dampfsperre wurde obligatorisch. 1990 stellte Prof. Schulze vom Fraunhofer Institut für Holzforschung nach einer Befragung und Literaturstudie über Fertighäu-ser fest: „Eines der auffälligsten Ergebnisse der gesamten Befragung war …, dass Schäden, die auf eine unzulässige Tauwasserbildung infolge Wasserdampf-Diffusion bei feh-lender Dampfsperre zurückzuführen waren, anteilmäßig so gut wie nicht existierten.“ Er zeigt nur einen Diffusions-schaden, bei dem die Dampfsperre kaltseitig angebracht wurde.[22]

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1955: „Die Katholiken“ nannten die Bauschaffenden diesen ersten Glaswolle-Dämmstoff auf der Rolle, der auf schwarzes Bitumenpapier gesteppt wurde. Die Glaswolle war noch in langfaseriger Form verar-beitet, noch nicht als Filz. Das Produkt findet man heute noch in 2 - 4 cm Dicke in Dächern und Holzböden. Seine Wärmeleitfähigkeit lag bei 0,045 W/(mK).

1969: „Stabilrohrmatten“ aus Steinwolle und einem Putzträger gab es bis 60 mm Dicke. Ein zwischenliegendes Bitumenpapier wirkte als „Dampfsperre“, die war bei hinterlüfteten Dächern nicht nötig. Die Matten wurden vollflächig und damit wärmebrückenarm unter dem Sparren befestigt. Dieser Prospekt von 1971 zeigt: Der Trockenbau im Dach hatte sich noch nicht voll durchgesetzt. Bei Mattenbreiten über 2 Sparrenfelder und Überkopfanbringung war klar: Hier musste verarbei-tungstechnisch noch etwas Neues kommen. Die Wärmeleitfähigkeit lag bei 0,04 W/(mK).

Schon in der Frühphase der Fertighäuser in den fünfziger Jahren entschieden sich Inves-toren für „Schwedenhäuser“, wenn sie einen besseren Wärmeschutz von 10 - 12 cm haben wollten. Die deutschen Anbieter erkannten in der Breite bereits ab 1990 den Standard des Niedrigenergiehauses als Vermarktungsargu-ment. Kostengünstig war es in der Holzbau-weise schon deshalb umzusetzen, weil man nur den vorhandenen, manchmal 6 - 10 cm breiten funktionslosen Luftraum in der Kons-truktion mit Dämmstoff füllen musste.

Bild 15: Schwedenhäuser bereits ab 1950 gut gedämmt

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1971: „Filzbaumatte mit Randstreifen“ oder „Sillan-Randleistenmatte“ wa-ren die Namen für den Beginn der rationelleren Lösung. Eine Kraftpa-pierhülle umgab einen Kern aus Steinwolle bis 80 mm. Wahlweise konn-te das Produkt auch mit Bitumenpapier als Dampfsperre ausgeliefert werden. Der Prospekt stammt von 1971. Noch kurz vor der Energiekrise, aber auch nach 1977 ist die Dämmdicke weiter aktuell, weil die 1. WSVO i.d.R. nicht mehr Wärmeschutz fordert. Die Wärmeleitfähigkeit lag bei 0,045 - 0,04 W/(mK).

1978 erschien das vorläufige Endprodukt, das auch schon als TEL-Rand-leistenmatte von der Glasfaser-AG vertrieben wurde. Die „Rollisol-Rand-leistenmatte“ bzw. der „Dämmfilz“ bei der Steinwolle revolutionierte die Dachdämmung durch ihre leichte Anbringbarkeit. Sie besteht aus einer diffusionshemmenden Schicht aus aluminiumbeschichteten Papier mit einem Sd-Wert um 30 m und einer Dämmschicht aus Glaswolle. Nach der Energiekrise und der 1. WSVO wurden die Dicken auf 140 mm erwei-tert. Das Produkt hat eine Schwäche: Die Luftdichtheit kann in den Quer-stößen und Anschlüssen an angrenzende Bauteile nur schwer hergestellt werden, weil dort keine Randleiste vorhanden ist. Die Wärmeleitfähigkeit begann mit 0,045 W/(mK) und kam 1984 bei 0,035 W/(mK) an.

Bild 16: Produktentwicklung bei den Steildachdämmstoffen

Mit dem Klemmfilz war ISOVER 1986 wieder Innovationsgeber. Dämm-stoff und Dampfsperre wurden als zwei getrennte Produkte, verarbeitet. Damit reagiert ISOVER schon früh auf die wachsende Bedeutung der Luftdichtheit des Bauens. Andere Hersteller folgten. Ende der achtziger Jahre wurde die „Luftdichtheit der Außenbauteile“ durch das Konzept des Niedrigenergiehauses vorangebracht. Der Abschied in den Dachdecker-richtlinien vom doppelt belüfteten Dach tat ein Übriges. Eine DIN 4108-7 erscheint erstmalig 1996. Damit hat das Starren auf das „Diffusionsteu-felchen“ langsam ein Ende, dass Jahrzehnte in Deutschland dafür gesorgt hatte, dass viele Ursachen von Feuchteschäden fälschlich der Diffusion zugeschrieben wurden, die auf Fugen in der Konstruktion beruhten.

Die Aufsparrendämmung wurde zunächst regional im süddeutschen Raum angewendet. Wegen der dort höheren Sparrenquerschnitte, die man als erhöhten Innenraum nutzte, setzte sich die Dämmung von oben durch. Bei heute höheren Anforderungen fährt sie ihren Vorteil der wär-mebrückenfreien Konstruktion aus. Mit PU oder XPS als Dämmstoff können schon mit 12 cm Dämmdicken die Anforderungen der EnEV 2009 eingehalten werden. Die besten λ-Werte liegen bei PU um 0,22 W/(mK). Schallschutzanforderungen sind besonders bei Hartschäumen zu beachten. Diese Schwäche besitzen Mineralfaserdämmstoffe nicht.

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Millionen m² Außenwanddämmung, was allein 3 Mio. m³ Dämmstoff bei den heutigen Dämmdicken um 10 - 14 cm darstellt. Angefangen hatte man mit 2 - 4 cm Dämmdicken auf der Außenwand. Bei der „Thermohaut“ wird überwie-gend Polystyrol als Dämmstoff eingesetzt (83 %). Steinwolle kommt zum Einsatz, wenn besondere Anforderungen an Brand- oder Schallschutz bestehen. Das WDVS rief zu-nächst viele Vorurteile von der nicht mehr „atmenden Au-ßenwand“ hervor, um die es heute etwas ruhiger geworden ist, da die prognostizierten Schäden nicht eingetreten sind. Aber Vorsicht: In jedem Vortragspublikum sitzt immer noch ein Fragesteller, der die Wasserdampfdiffusion nicht verstanden hat und die anderen melden sich nur nicht mehr zu Wort. Vorurteile leben lange. Unter der Adresse www.energiesparaktion.de wurde diesem Thema deshalb eine Computeranimation gewidmet.

Unterstützung aus der Wohnungswirt-schaftAb 1977 begann die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, ihre Wohnungsbestände systematisch zu dämmen. Ein großer Markt, der allein bei den Genossenschaften, öffent-lichen und ehem. gemeinnützigen Wohnungsbaugesell-schaften 5,1 Mio. Wohnungen umfasst. Bis heute haben manche Gesellschaften ihre Bestände zu 30 und 50 % ge-dämmt, eine gewaltige Leistung unter den Bedingungen des Reallohnabbaus bei ihren Mietern. Das 4,35 Mrd.-DM-Energiesparförderprogramm von Bund und Ländern schaff-te bereits ab 1978 diese zusätzliche Nachfrage. Damals zu Bedingungen, die 1,5 % Zins und 1 % Tilgung entsprachen. Diese haben sich bis heute auf die KfW-Konditionen des Ef-fizienzhausprogrammes verschlechtert, deren Annuität bei 5 - 6 % liegt. Für die auch kurzfristig wünschenswerte Sozi-alverträglichkeit der energetischen Sanierung bestehen also heute schlechtere Bedingungen. Gleichwohl hält die syste-

der Energiekrise wurden Dämmstoffe „aufgewertet“. Stei-gende Energiekosten führten zu einer Energiediskussion und Umweltkrisen erzeugten eine ökologische Bewegung in der Gesellschaft. Das war „Das Ende des Sorglos-Öls“, beschrieb der Harvard-Energie-Report 1981 die Lage. Die Energiekrise förderte den Dämmstoffeinsatz, der ab 1975 jedoch gleich in eine durch eben diese Energiekrise ausge-löste zweijährige Baukrise schlitterte (Bild 14), die sich nach 1980 wiederholte.

Wärmedämmverbundsystem bringt großen ErfolgDas 1958 erfundene Wärmedämmverbundsystem wurde ab 1980 langsam zur Erfolgsstory. Lag der Absatz 1970 noch jährlich bei nur etwa 0,1 Mio. m², stieg er bis 2006 auf 30

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Bild 17: Absatzentwicklung Wärmedämmverbundsystem 1986-2006 in Mio. m³ (Quelle: Fachverband Wärmedämmverbundsysteme e.V.)

Bild 18: Kalksandstein wirbt für die gedämmte Wand

Kalksandsteinwerbung von 1979: „Gedämmte KS-Außenwand. Eine Wand, die Energie spart.“

Werner
Hervorheben
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Dämmstoff auch noch den Außenputz, die Marmorfassade oder die Dacheindeckung amortisieren sollte. Der aus den Wirtschaftswissenschaften bekannte Effekt abnehmender Erträge bei zunehmenden Aufwand wurde zu einem riesi-gen Problem aufgeblasen („Hyperbeltragik der Dämmstoff-maximierer“), ohne zu beachten, dass sich bei wachsender Dämmdicke auf einer Grundkostenbasis nur noch geringe-re Zusatzkosten ergeben. Es fehlte sogar ein Bewertungs-maßstab. Prof. Ehm (BmBau) und Claus Meier versuchten ein undurchsichtiges „Mehrkosten-Nutzen-Verhältnis“ als Messlatte einzuführen, als ob es keine Wirtschaftswissen-schaften gäbe. Neuerliche Klarheit brachten letztlich die Praxisdaten aus dem Bau von Niedrigenergiehäusern und die Untersuchungen der BT-Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“. Ab 1990 wurden die Mehrkosten ener-giesparenden Neubaus auf Basis abgerechneter Kostengrö-ßen klar erhoben. Da kostete eine 36,5 cm dicke porosierte Ziegelwand inkl. Putz mit einem k-Wert um 0,52 W/(m²K) schon einmal 250 DM/m², aber eine 24 cm dünne KS-Wand mit 15 cm EPS-Wärmedämmverbundsystem und k= 0,24 W/(m²K) nur 230 DM/m². Aus den prognostizierten 30 - 50 % wurden 3 - 5 % Mehrkosten für das Niedrigenergiehaus bezogen auf die reinen Baukosten und eine Amortisations-zeit innerhalb der ersten 20 Jahre. Bessere Qualität mit ga-rantiertem Kapitalrückfluss. Für den Gebäudebestand hatte das Institut Wohnen und Umwelt eine umfassende Analyse des deutschen Wohnungsbestandes vorgelegt. Hier waren die damals 14 Mio. Wohngebäude erfasst, in 46 Gebäudety-pen gegliedert und mittels Kostenerhebung mit einem um-fangreichen Energiesparmassnahmen-Kostenkatalog ver- sehen worden. [23] Dessen einziger Makel: Hohes Preisni-veau aus dem Raum Stuttgart. Für jeden Typ lag nun auf Basis von Verbrauchszahlen die Wirtschaftlichkeitsberech-nung für 6 Energiesparmaßnahmen vor. Schon bei einem mittleren künftigen Energiepreis von 6,5 Cent/kWh ergab sich ein wirtschaftliches Einsparpotenzial von über 50 % des gesamten deutschen Raumwärmeverbrauchs. 2011 liegt das Energiepreisniveau bei 8 Cent die kWh, bei steigender Tendenz. Wir leisten uns heute, ein wirtschaftliches Raum-wärmeeinsparpotenzial von 50 % weitgehend zu ignorie-ren.

matische Bestandssanierung in der ehem. gemeinnützigen und der öffentlichen Wohnungswirtschaft weiter an.

Kalksandsteinindustrie setzt DämmimpulseDas Eintreten der Kalksandsteinindustrie für die ge-dämmte Außenwand brachte spürbare Impulse. Hier hieß es ab 1975: Kalksandstein + Dämmung oder kürzer: „KS+Thermohaut“. Selbstbewusst wurde aus der wärme-technischen Schwäche des Steins ein Vorteil gemacht. Denn den neuen Anforderungen der WSVO hätte der Kalk-sandstein als monolithischer Wandbaustoff nicht mehr nachkommen können. In allen Broschüren des Bundes-verbandes Kalksandstein wurden fortan die vier Arten der Außendämmung von Wänden umfangreich und detailliert dargestellt, der Innendämmung gar ein ganzes Buch gewid-met. Bei einem Produktabsatz zwischen 5 und 10 Mio. m³ pro Jahr knapp unter dem Ziegelabsatz liegend, wuchs der Dämmstoffindustrie hier ein kostenloser und vor allem kre-ativer Werbeträger zu, der rund 2 - 3 Mio. m³ Dämmstoff-umsatz erbrachte.

Kampf um die DämmdickenDie Dämmstoffe mussten sich stets gegen den Widerstand der bestehenden Bauindustrie durchsetzen. Nachdem die Wärmedämmung nach der Energiekrise nicht mehr aufzu-halten war, entstand die Auseinandersetzung um die rich-tige Dämmdicke. Bei der Außenwand entwickelte sich die Nachfrage von 4 cm Dämmdicke Ende der siebziger Jahre, über 6 cm in den achtziger Jahren, über 10 cm Ende der 90ziger Jahre, auf 12 - 14 cm Dämmdicke Anfang des neuen Jahrtausends. Seither verbessern sich noch zusätzlich die Wärmeleitfähigkeitswerte der Dämmstoffe. Aus der Rück-schau kann man heute sagen: Jeder Zentimeter zusätzli-cher Dämmdicke musste immer wieder neu erkämpft und begründet werden. Natürlich war schon längst wieder ver-gessen, dass dieses Thema zuletzt in den fünfziger Jahren schon einmal zu Gunsten besser gedämmter Konstruktio-nen behandelt war. Die neuerliche Debatte steckte wieder voller Widersprüche: Bewertungsmethoden waren nicht einheitlich. Eine verbindliche Vorgabe für die Wirtschaft-lichkeitsberechnung, wie die Schweizer Architekten sich in der sia 380/1 geschaffen hatten oder wie sie der hessi-sche Leitfaden „Energie im Hochbau“ enthielt, war in den WSVO`s nicht enthalten. Auch war erst ab 1995 ein offi-zielles Wärmebilanzverfahren in die WSVO integriert, mit dem der Heizwärmebedarf berechnet werden konnte, der Endenergiebedarf erst ab 2002. Auf Basis von k-Werten war aber keine Verbrauchsaussage möglich und ohne den Ver-gleich unterschiedlicher Variantenverbräuche auch keine Wirtschaftlichkeitsberechnung. Das öffnete willkürlichen Methoden Tür und Tor, häufig wurde „abgeschätzt“. Auch die Preise für Dämmaßnahmen waren unklar, es wurden Phantasiezahlen für gedämmte Konstruktionen genannt. Vollkostenberechnungen wurden vorgelegt, bei denen der

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Bild 19: Wirtschaftliches Einsparpotenzial für Heizwärme im Gebäudebestand Deutsch-lands in Abhängigkeit vom Energiepreis, nach Bauteilen.

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Die optimale Dämmdicke wurde ebenso ermittelt. Tabelle 3 zeigt diese in der Debatte so „magische Zahl“ für 3 Däm-maßnahmen.

Man hätte auch politisch argumentieren können: Statt 100 Mrd. EUR in Förderung Entwicklung, Bau, Betrieb, Nach-rüstung und Abriss von 21 Kernkraftwerken auszugeben, mit dem alleinigen Ergebnis strahlenden Atommülls, hätte der Staat mit dieser von Steuerzahlern und Stromverbrau-chern aufgebrachten Summe ab 1960 langsam die gesamte deutsche Altbausubstanz energetisch Instandsetzen kön-nen, mit dem Ergebnis einer nachhaltig wirksamen Heiz-kosteneinsparung.

Das Verbandswesen wird entwickeltAb 1973 entstanden die fünf Verbände der Dämmstoffwirt-schaft, ihr Gesamtverband GDI 1977.

• Fachverband Mineralwolleindustrie e.V.,

• Industrieverband Hartschaum e.V.,

• Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e.V.,

• Fachvereinigung Polystyrol-Extruderschaumstoff e.V.,

• Bundesverband der Leichtbauplattenindustrie e.V.,

• Gesamtverband der Dämmstoffindustrie (www.gdi-daemmstoffe.de).

Die Verbandsarbeit konzentrierte sich auf die Entwicklung von Fachinformationen für Planer und Bauhandwerk, so-wie die Normung und Güteüberwachung. Informationen für Endverbraucher wurden kaum entwickelt, Kampagnen oder Informationsreihen, vergleichbar der Ziegelindustrie, entstanden leider nicht. Einzig der Fachverband Wärme-dämmverbundsysteme stellt hier eine bedingte Ausnahme dar. Die Kooperation mit dem 1976 gegründeten neuen Lehrstuhl für Bauphysik in Essen und der in diesem Zu-sammenhang entstandenen Gesellschaft für rationelle Energieverwendung, blieb hinter dem Erfolg der Kalksand-steinwerbung weit zurück. Ein aktives Zugehen auf den

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Maßnahme Dämmstoffstärke [cm] minimal sinnvoll*) optimal*) maximal sinnvoll*)

Referenz-preisentw.

Hochpreis-entwicklung

Referenzpreis-entwicklung

Hochpreis-entwicklung

Referenzpreis-entwicklung

Hochpreis-entwicklung

Steildachdämmung 9,7 13,4 14,7 19,5 21,8 27,9 Außendämmung 5,5 7,8 8,8 11,3 12,0 15,9 Innendämmung 2,3 3,8 3,9 5,7 5,9 8,3 *) Die minimal und maximal sinnvollen Dämmstoffstärken ergeben sich aus einer Abweichung von 3 % vom optimalen einzelwirtschaftlichen Ergebnis. Referenzpreisszenario: Ausgangsenergiepreis 1990 2,75 Ct./kWh, Energiepreissteigerung 1,1 % p.a.; Hochpreisszenario: ebenfalls 2,75 Ct./kWh, Energiepreissteigerung 6,5 % p.a. Tabelle 3: Optimale Dämmstärken im Gebäudebestand

Bürger kam nicht zustande. Nach dem Standard des Voll-wärmeschutzes, der noch aus der Zeit vor den Verbands-gründungen stammte, wurden auch keine neuen Energie-spar-Standards entwickelt und gesellschaftlich vorgetragen. Auch der Niedrigenergie-Standard wurde anfänglich nicht von den Verbänden, sondern einzig von den Einzelfirmen G+H, sowie HECK unterstützt.

Absatzentwicklung beim DämmstoffDer Dämmstoffabsatz in Deutschland ist eine Erfolgsstory, aber war nie ein Selbstläufer. Im Gegenteil mussten sich Dämmstoffanwendungen immer gegen ein massives Vor-urteilsbündel zur Wehr setzen, das sich aus Unverständnis der Thermodynamik und ökonomischen Interessen der Mitbewerber speiste. Unterstützung und Förderung gab es von Seiten des Staates nur langsam und zögerlich. So wur-de die Umweltbewegung wohl der mächtigste Verbündete der Dämmstoffindustrie.

Eine offizielle Dämmstoffmengenstatistik gibt es nicht, vor-handene Daten sind Schätzwerte. Auch dieses drückt aus, dass die Bedeutung dieses Bauproduktes gesellschaftlich noch nicht gänzlich verstanden wurde. Die Grafiken zei-gen Absatzentwicklung und Struktur des Dämmstoffein-satzes im Hochbau seit 1979. Heute haben die einzelnen Dämmstoffarten weitgehend feste Marktanteile, die durch ihre jeweiligen anwendungstechnischen Vor- und Nachteile und ihren Preis bestimmt sind. Als neue Dämmstoffe sind

Bild 21: : Absatzentwicklung der Dämmstoffe für den Hochbau 1979 bis 2008 [24]

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Vorhangfassade von 3 cm Dicke am Hochhaus der FH Darmstadt, Bau-jahr 1971. Die Fassadendämmplatte ist besonders kostengünstig, da sie keinen Putz tragen muss. Gleichwohl sparte man an der Dämmdicke. Das Gebäude wurde 2010 generalsaniert mit 16 cm VHF. Besonders viel Energie haben bis dahin die thermisch nicht getrennten Aluminiumfens-terrahmen verschwendet, deren k-Wert um 4,5 W/(m²K) liegt und die zur Tauwasserbehandlung Auffangschalen statt Fensterbrett aufwiesen. Es gingen 39 Jahre Energievergeudung zu Ende.

Kerndämmung aus den achtziger Jahren. Die gezeigte zweilagig verar-beitete Dämmdicke von 8 cm war damals noch bei weitem nicht die Nor-malität am Bau. Die DIN 1053 insistierte immer noch auf der Belüftung, die wertvollen Raum wegnahm und zur Auffeuchtung des Mauerwerks beitrug. Nach WSVO wäre statt der hier ausgeführten 0,4 W/(m²K) ein k-Wert von 0,7 W/(m²K) ausreichend gewesen.

Bild 20: Der Kampf um die Dämmdicken

Das Maß des Vollwärmeschutzes: WDVS mit einer Dicke von nur 6 cm, die in den siebziger Jahren übliche war. In der begehrten Architekten-mappe des Industrieverbandes Hartschaum wurden in den Skizzen je-doch auch schon mutige 8 - 10 cm Dämmdicken dargestellt. Man kam voran.Am unteren Bildrand ist noch die anfänglich übliche hölzerne Justierlatte als temporäre Sockelschiene zu sehen. Später wurde sie durch die ALU-Sockelschiene ersetzt, die eine starke Wärmebrücke darstellt.

Ein Meilenstein in Hannover 1992: Ein Förderprogramm der Stadtwer-ke schrieb erstmalig 12 cm Dämmdicke auf der Außenwand vor. Dieses Mietshaus war eines der ersten Objekte mit einer solchen Dicke, die man bis dahin für „unwirtschaftlich“ hielt. Länderförderprogramme hatten da-mals 8 cm Dicke bei der Außenwand erreicht. Prof. Meyer aus Nürnberg argumentierte populistisch mit der „Hyperbeltragik der Dämmstoffma-ximierer“. Wärmedämmung musste in der Tat Zentimeterweise bewei-sen, dass sie wirtschaftlich ist. Die zuwachsenden Kosten von nur 1,5 - 2,5 EUR pro m² und Zentimeter Dämmschichtdicke wurden schlicht nicht geglaubt. Hauseigentümer nahmen an, die Baukosten verdoppelten sich mit doppelter Dämmdicke usw. Die unwirtschaftlichen veralteten Bau-weisen stellte man hingegen nicht auf den Prüfstand.

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Bericht 1972 vor. Aber erst der „Ölschock“ brachte Bewe-gung in die Handlungen der Bundesregierung. Deren Energiepolitik wurde wieder versorgungslastig angelegt: Weg vom Öl, hin zum Gas, weiterer Ausbau der Kernener-gie und schon leiser: Ausbau der Fernwärme, unterstützt durch Zukunftsinvestitionsprogramme. Die Bundesländer verbesserten derweil die seit 1952 eingeführte DIN 4108 und überrumpelten damit die Bundesregierung. Erkannt war der große Anteil von 40 %, den die Gebäudeheizung damals zum Energieverbrauch Deutschlands beitrug. Mit dem Mindestwärmeschutz verbrauchten die Gebäude 30 - 35 Liter Heizöl pro m² Wohnfläche im Jahr. „Ergänzenden Bestimmungen“ zur DIN 4108 verbesserten schon 1974 das Anforderungsniveau für Neubauten nur bei Dach und Kel-lerdecke und nur um ca. 15 %. Das mit Bundesbeteiligung 1975 geschaffene „Beiblatt zur DIN 4108“ war radikaler, aber nur eine Empfehlung. Zudem fehlte diesen DIN-Ver-besserungen die Rechtsgrundlage, denn der Staat hatte sich ja bisher aus der besseren Energienutzung herausgehalten. Die schaffte 1976 das Energieeinsparungsgesetz. Auf seiner Basis entstand in schneller Folge ab 1977 ein Instrumenten-bündel für die Energieeinsparung [25]:

• Wärmeschutzverordnung 1977,

• Heizungsanlagenverordnung 1978,

• Heizungsbetriebsverordnung 1978,

• Heizkostenabrechnungsverordnung 1981,

• BImSchV 1979,

• Programm zur Förderung heizenergiesparender Maß-nahmen ab 1978 (4,35 Mrd. DM Programm),

• Energiesparkampagne „Ich bin Energiesparer“.

Das Zeitfenster für Veränderungen ist nach Schocks recht klein. So waren vier Jahre nach dem Ölpreisschock auch die 1977 in der ersten Wärmeschutzverordnung festgeschriebe-ne Anforderungen für Neubauten mehr als enttäuschend. Die WSVO 1977 revidierte das Beiblatt von 1975 auf gan-zer Front. Einer Verdreifachung der Heizkosten seit 1974

die alten Naturfasern dazugekommen, vor allem ihr Preis begrenzt ihren Marktanteil. Neuere Entwicklungen, wie Vakuumisolierung und bessere Dämmwerte bei den „klas-sischen“ Dämmstoffen zeigen an, dass in der Dämmstof-fentwicklung noch Potenzial steckt. Ein Absatzmarkt, der um 1920 mit 1 - 2 Mio. m³ begann, hat sich mit 25 - 30 Mio. m³ pro Jahr atemberaubend entwickelt. Allerdings würde er sich für viele Jahre zum Nutzen der Umwelt noch einmal verdoppeln können, wenn die wärmetechnische Verbesse-rung unserer Altbauten einen höheren Stellenwert erhielte.

Die Struktur des Dämmstoffabsatzes zeigt die Marktfüh-rerschaft der Mineralwolldämmstoffe. Entsprechend sind ISOVER und ROCKWOOL die Marktführer am deutschen Dämmstoffmarkt, erster ist auch der Innovationsführer. Styropor hat sich seit den siebziger Jahren ungebrochen ei-nen zweiten Platz gesichert, dies vor allem durch das WDVS und die Trittschalldämmstoffe. Die teureren Dämmstoffe PU und XPS besitzen kleinere Marktanteile, Schaumglas ist nicht erfasst. Holzwolleleichtbauplatten waren einstmals Marktführer und sind heute fast schon Nischenprodukte. Ihr Entwicklungsweg ging zu den Verbundplatten aus Holzwolledeckschicht plus Hartschaum oder Mineralwol-le, die die ungünstigere Wärmeleitfähigkeit der Holzwolle kompensieren. Die „neuen Dämmstoffe“ sind die einstigen

Marktführer der zwanziger Jahre (siehe Teil 1 des Artikels). Obwohl bei verschiedenen Käuferschichten in der ideologi-schen Debatte um natürliches Bauen und Leben hoch im Kurs stehend, begrenzt der Preis der Naturfaserdämmstoffe deutlich den Absatz

Schwache Impulse: Wärmeschutz- und Energieeinsparverordnung Mit der Energiekrise 1973 begann eine neue Zeit, wenn auch kein stürmischer Umbruch. Zwar hatten sich Um-weltbewegungen schon in den sechziger Jahren entwickelt und legte der Club of Rome seinen wachstumskritischen

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Bild 22: Struktur des Dämmstoffmarktes im Hochbau 2008 in Mio. m³ (Schätzung)

Bild 23: Kampagnen-Aufkleber des BMWI: Ich bin Energiesparer.

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Das „Energiesparbuch für das Eigenheim“ des Bundesbau-ministeriums wurde seit 1977 einmal überarbeitet und mehr-mals aufgelegt. Es erfreute sich großer Beliebtheit. Seine grundlegende Schwäche verlor es nie: Es zeigte die nunmehr veralteten Standards des Vollwärmeschutzes, den Leopold Sautter schon 1941 eingefordert hatte. Da die Broschüre gra-fisch sehr gut gemacht war, trug sie sehr zur Verstetigung suboptimaler Dämmstandards bei. Die Abbildung zeigt die schwachen Dämmdicken.

Bild 24: Energie-Informationen für einen veralteten Standard

entsprach nur mageren 15 % Einsparung bei der Endener-gie. Die Bauten nach Mindestwärmeschutz von 1969 lagen etwa bei 320 kWh/(m²*a) Endenergie. Die WSVO 1977 führte den 25-Liter-Standard für Wohnbauten ein. (Liter Heizöl pro m² und Jahr). Welch ein Erfolg. Da verwun-derte es nicht, dass bereits 1983 eine empirische Analyse der Auswirkungen der WSVO 1977 zu dem Schluss kam, das Nachweisverfahren sei bei den untersuchten 400 Fäl-len eingehalten. [26] Bei den Wänden habe man porosierte Wandbaustoffe und Wandstärken um 30 cm vorgefunden, die Fenster seien bei Neubauten seit 1960 bereits isolier-verglast. Der Wärmeschutz von Dach und Kellerdecke sei in den geprüften Nachweisen ausreichend dimensioniert (4 - 8 cm). Die deutschen Fenster waren seit den sechziger Jahren bereits dichter, als nach WSVO 1977 erforderlich.

Die 1. WSVO setzte also keine neuen Standards, sondern blieb hinter dem baulich erreichten Niveau zurück. Ein großer Heizkesselhersteller formulierte auch für seine Pro-duktgruppe diplomatisch: „Diese staatliche Gesetzgebung, so sehr sie dem technischen Fortschritt zeitlich hinterher-hinkte, und den Status Quo der installierten Heizungsanla-gen nur behutsam veränderte, hat immerhin bewirkt, dass die maßgeblichen Hersteller nunmehr eine Richtschnur hinsichtlich der technischen Mindestbedingungen erhiel-ten...“ [27]. Was da nun für den Neubau galt, war eine alte Forderung der Dämmstoffindustrie: Der Vollwärmeschutz. Nach 20 Jahren etwas verspätet und längst durch die Ener-giekrise überholt.

Die Energieprogramme der Bundesregierung gingen seit 1973 bis 1981 unbeirrt von einem stark steigenden Primär-energieverbrauch in Deutschland aus. Der wurde in der De-batte auch noch verteidigt, als er real rückläufig wurde. Ein gesellschaftliches Klima für die Energieeinsparung konnte so nicht entstehen. Diese Abwehrhaltung fand sich leider auch in der damaligen Fachwelt. Hier herrschte weitgehen-

de Unklarheit über die baulichen Lösungen, Zielstandards existierten noch nicht. Ausformulierte Entwürfe für das „ökologische Bauen“ kamen erst langsam ab 1980, meist von den in Politik und Fachwelt abgelehnten „alternativen“ Kräf-ten. Es wirkte ein massives Vorurteilsbündel in der Debatte um die WSVO. Wie immer, wenn die alten ökonomischen Kräfte sich gegen das Neue wehren. Die deutschen Wän-de sollten atmen, der k-Wert sei ein unzureichender Maß-stab, mit dem man die für Solargewinne so wichtige Größe der Südfenster und Wintergärten nicht berechnen könne, Wärmespeicherung sei wichtiger als Wärmedämmung, Dämmstoffe seien gesundheitlich bedenklich, Schieß- schartenarchitektur drohe genauso, wie eine Taupunktver-schiebung und alles sei viel zu teuer. Prof. Gertis erwarte-te langfristig eine Baukostenerhöhung von 60 % für eine Halbierung der Heizkosten. [28] Die Debatte glich einem Blindflug mit Flugzeuginsassen, die vergessen hatten, war-um sie überhaupt losgeflogen waren.

Der entstehende politische Kompromiss im Bundestag zeigte die einsetzende Gewöhnung an höhere Energieprei-se und intensive Lobbyarbeit insbesondere der mächtigen Steineindustrie und der Architektenkammern. Hätte man in der Rückschau die SBN von 1977 übernommen, wären dem Land drei weitere Novellen erspart geblieben, durch die das Nachweisverfahren immer komplizierter und seine Berechnungsergebnisse immer beliebiger geworden sind.

Ab 1980 erzwangen die neuerlich steigenden Energiepreise einen neuen Anlauf. Der Ölpreis war kräftig von 0,30 DM/l auf 0,70 - 0,80 DM/l gestiegen. Die neue Entwicklung gab weitere Impulse für die Energie- und Umweltdiskussion in Deutschland. Wer aber nun ein Durchstarten des Staates erwartet hätte, wurde neuerlich enttäuscht. Bauminister Haack verkündete 1981, die neue WSVO könne die zur Ver-fügung stehenden technischen Möglichkeiten einer 50-pro-zentigen Verbrauchssenkung noch nicht voll ausschöpfen,

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Außenwand Dach, Decke nach oben

Keller Fenster Decken nach unten gegen Außenluft

Flachdach

W/(m²K) DIN 4108 von 1969

1,80/1,56/1,39**) 1,23 1,02 - 0,58 0,80

DIN 4108-Ergänzende Bestimmungen 1974

1,56/1,39***) 0,69 0,83 - 0,52 0,69

DIN 4108-Beiblatt 1975*)

0,65 0,60 0,65 2,6 0,60 0,80

WSVO 1977*) 1,10*****) 0,80 0,85 2,6*****) 0,45 WSVO 1984*) 0,72 0,65 0,70 2,6****) WSVO 1995******)

0,50 0,22 0,35 0,7 kF,eq 0,22 0,22

Ab EnEV 2002 Werte nur noch über Bilanzrechnung bestimmbar Schwedische Baunorm 1977

0,30 0,20 0,30 2,0 0,30 0,30

*) Ab Beiblatt: km,max -Verfahren Gebäudehülle. Beispiel für ein EFH mit A/V 0,8 mit Anforderungswert km,max von 1975: 0,62 m²K/W; für 1977 = 0,85 W/(m²K), für 1984 = 0,66 W/(m²K) **) Dämmgebiet I, II und III ***) Dämmgebiet I/II zusammengelegt, Dämmgebiet III (Harz, Schwäbische Alp usw.) ****) Höchstwert 3,1 W/(m²K) *****) km W+F dürfen 1,85 W/(m²K) nicht überschreiten; hier: 1,29 W/(m²K) ******) Bauteilverfahren für kleinere Wohngebäude KF,eq = Äquivalenter k-Wert für das Fenster, der auch die solaren Gewinne einrechnete. Damit sollte der Kritik an deren Nichtberücksichtigung begegnet werden. Seine Väter übersahen, dass sie soeben ein Wärmebilanzverfahren in die WSVO 95 einführten, mit dem die solaren Gewinne sauber hätten berechnet werden können. Da der KF,eq nicht transparent war, verstummten die Kritiker nicht. Tabelle 4: U-Wert-Anforderungen der DIN 4108,, der WSVO und EnEV sowie der schwedischen Baunorm SBN 1977 in W/(m²K)

Bild 25: Endenergiebedarfskennwerte für verschiedene bauliche Standards in kWh/(m²*a)

Berechnung für ein EFH mit A/V

0,8 und 150 m² Wohnfläche;

Verfahren: DIN 4108-6 und DIN

4701-10. Die Berechnung mit

der DIN V 18599 ergab keine

plausiblen Ergebnisse. Bis 1975

Konstanttemperaturkessel, bis

1995 Niedertemperaturkessel,

ab 2007 Brennwertkessel, 2009

mit Solaranlage nach EEWär-

meG

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hier ein unvergessener Begriff geblieben. Die Frage nach den Alternativen führte zum Thema Energieeinsparung. Schon 1980 war mit der „Energiewende-Studie“ des neu gegründeten ÖKO-Instituts [31] erstmalig für Deutschland in einer Szenariorechnung belegt, dass der Energiever-brauch bei steigendem Wohlstand halbiert werden könne. In dieser Zeit legten auch Prof. Meyer-Abich und andere ähnliche Ergebnisse vor, die zeigten: Energie sparen ist machbar und unverzichtbar, die erneuerbaren Energien können den Restbedarf decken [32]. Meyer-Abichs Satz von der „Energieeinsparung als Energiequelle“ stand nun sogar auf den Broschüren der Energiesparkampagne des BMWI, die aber nur für das Anforderungsniveau der WSVO 1984 warb. In den Energieprogrammen der Bun-desregierung ging es hingegen damals steil aufwärts: Mit dem prognostizierten nationalen Primärenergieverbrauch. Vergangenheit (Wiederaufbau) wurde wacker in die Zu-kunft fortgeschrieben.

Als die Realität das Gegenteil zeigte, stellte man die Prog-nosen einfach ein. Die Grüne Partei zog in die Parlamen-te ein und die Umweltbewegung entdeckte, welch großer Energieeinsatz im Raumwärmemarkt ungenutzt verpufft. Die damals „brandneue“ Erkenntnis: Rund 1/3 des End-energieverbrauchs der BRD entfällt auf die Gebäudehei-zung, rund 50 % des bundesdeutschen Energieeinsatzes erreichten als Verluste gar nicht den Verbraucher. [33]

da man aus Gründen der Baukrise zu hohe Baukostenstei-gerungen vermeiden müsse. Die aus der Energiekrise und Zinserhöhungen der Bundesbank entstandene Neubaukrise schürte Ängste vor Baukostensteigerungen, ohne dass die Ursache-Wirkung-Beziehung begriffen wurde. Beschlos-sen wurde für Neubauten eine 25-prozentige Absenkung der Transmissionswärmeverluste gegenüber 1977. Damit wurde auf die massive Kritik von Verbänden, insbesondere der Ziegelindustrie reagiert. Auch die Architektenkammern stellten in der Bundestags-Anhörung, die „Baukunst und Entwurfsfreiheit“ gegen den notwendigen Wärmeschutz, als könne man gegen das deutsche Klima bauen. Die Erwar-tungen an die passiv-solaren Gewinne waren noch unrea-listisch hoch und wurden gegen die k-Wert-Anforderungen gewendet. Es zeigte sich ein diffuser Wunsch nach ener-getischer Planung (Wärmebilanz), man wollte verstehen, was man da vorgeschrieben bekam und energetisch gute Konstruktionen begründen können. Dieses spürbare fach-liche Interesse nahm der Staat nicht auf. Selbst die ab 1979 vorliegenden Ergebnisse des THERMA-Wettbewerbes des Bundes fehlten in der Debatte. Immerhin lagen hier für elf nachträglich gedämmte Wohngebäude (k-Werte um 0,5 W/(m²K)) die Baukosten und Einsparungen vor. [29] Die 1982 beschlossene WSVO trat 1984 in Kraft. Die Anfor-derungen an den Neubau führten zu einer Einsparung bei der Endenergie gegenüber 1977 von etwa 20 %, der Heiz-energiebedarf sank auf immer noch hohe 20 Liter Heizöl pro m² und Jahr. Für die Bauwirtschaft waren keine neuen Anstrengungen erforderlich. Das Niveau von 1984 ließ sich mit 2-Scheiben-Isolierverglasung, 30 cm dicken porosier-ten Außenwänden (um 0,6 - 0,7 W/(m²K), 8-9 cm Wär-medämmung im Dach und 4 cm Kellerdeckendämmung beschreiben. Nach wie vor reichte der Trittschallschutz auf der Kellerdecke und blieb noch Luft im Dach bis zur Un-terspannbahn. Die Porosierung von Ziegeln gab es schon seit 1920, der Porenbeton entstammte ebenfalls dieser Zeit und Normalbetonwände wurden schon immer gedämmt. Nichts Neues also bei den Wandbaustoffen. Nur Konkur-renzkämpfe, da man bei den monolithischen Wandbildnern vermutete, man würde Marktanteile an die zweischichtigen Konstruktionen mit Dämmschicht verlieren. Und gerade für diese Argumente war die Bundesregierung äußerst empfänglich, denn die rund 1.500 Ziegelwerke, Bimswer-ke usw. bildeten feinverteilte wirtschaftliche Strukturen mit Einfluss in den Wahlkreisen. Es wurde klar: Wärmeschutzverordnungen sind Politik, kei-ne Physik. Angekündigt wurde zumindest eine zweite Stufe der Novelle in den nächsten Jahren, es sollten dann 13 Jahre werden bis zur WSVO 1995.

Der schwere Weg zum NiedrigenergiehausDas dreizehn Jahre zögerliche Verhalten der Bundesre-gierung blieb nicht unbemerkt.In dieser Zeit traten neue gestaltende Kräfte hervor. Die Kernenergiedebatte hatte eine Ökologiebewegung sensibilisiert. „Energiekrise“ war

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Die Debatte um die WSVO`s erklomm nur selten einmal den Tellerrand: 1982 stellte das schwedische Bauministeri-um auf einem „Schwedisch-deutschen Kolloquium“ das schwedische Wärme-schutzniveau für den Neubau vor [30]. Die Original-Skizze des schwedischen Bauministeriums zeigt die Anforderun-gen der schwedischen Baunorm 1980 für den Neubau. In Deutschland galten nach WSVO 1984 noch 5 cm Wärmedäm-mung auf der Wand als wirtschaftlich bedenklich, in Schweden praktizierte man schon 20 cm Dämmdicke und ging sogar freiwillig als Verkaufsargument über die Forderung der SBN hinaus (0,17

W/(m²K)). Die meisten Energiesparmaßnahmen seien so wirtschaftlich, dass Schweden sein Altbau-Förderprogramm im Zuschußteil eingeschränkt habe, um wirtschaftliche Maßnahmen nicht noch zusätzlich zu fördern. Altbauten wurden damals in Schweden schon mit 12 cm Dämmdicke auf den Wänden nachgerüstet. Hier kam zum Ausdruck, dass die Handelsbilanz der Exportna-tion Deutschland trotz erhöhter Ölimportrechnung positiv blieb, die weniger exportstarken skandinavischen Länder mussten ihre konsequentere Energie-sparpolitik einsetzen, um den Devisenabfluss für Ölimporte zu begrenzen.

Deutschland – eine Insel?

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jährlichen Sonnenstunden funktioniert, muss dies nicht bei 1.500 Sonnenstunden tun. Wintergärten, große Süd-verglasungen, Steinspeicher, Fassaden- und Dachbegrü-nungen, Elektrowärmepumpen oder ein einfaches, selbst-versorgendes Leben und Gebäude, ganz aus natürlichen Baumaterialien, wurden als Lösung für die Energiekrise angeboten. Dieselben wenigen gebauten Beispiele tauch-ten immer wieder in der Literatur auf. [37]Traurig berühmt wurden die Holzhäuser von Rudolph Do-

ernach, die nach wenigen Jahren verfielen [38]. Eine Er-folgskritik gab es jedoch in der damaligen Literatur nicht, es wurde der Mut der Andersartigkeit bestaunt.

Mit „Bau und Energie“ entstand ab 1977 ein erstes BMFT-Forschungsprojekt. Eine Architektengruppe um Prof. Nikolic, Kassel, ließ seine Planentwürfe mit ei-nem Wärmebilanzprogramm durch Prof. Rouvel (TU München) auf ihren Heizenergiebedarf berechnen [39]. Ein früher energetischer Planungsansatz mit einem gravierenden Schönheitsfehler: Das Ergebnis wur-de durch die Vorgaben bestimmt. Ein Wärmeschutz, etwa über die WSVO 1984 hinaus, hielt man nicht für sinnvoll und berechnete ihn nicht. Bei einem Wand- k-Wert von 0,4 W/(m²K) war Schluss. Die Hoffnungen lagen auf der passiven Solarenergienutzung: Verglasungs-arten, Fensterorientierung, Wintergärten, Glaseinhausun-gen waren modern.

Die Verfasser, Prof. Nikolic, Herzog u. a. suchten die Ant-wort auf die Energiekrise letztlich in der Formgebung der Gebäude, Stellung und Öffnung zur Sonne, solare Sied-lungsplanung, Materialwechsel fanden nur hin zum Glas statt. Ein Wintergartenanbau sparte da rechnerisch schon einmal 1,5 Liter Heizöl pro m² und Jahr, ein nur gering verbesserter Wärmeschutz der Außenwand dagegen nur 0,5 Liter pro m² und Jahr. Ein schönes Beispiel einer self-fulfilling prophecie. Das Projekt blieb theoretisch. Als die Umsetzung in die Praxis endlich einmal versucht wurde (Energiesparhäuser Berlin) kamen hohe Endenergiever-bräuche bis 210 kWh/(m²*a) heraus [40].

Eine Herausforderung war definiert: Gesucht wurde ein belastbares Energiesparkonzept für die damals 26 Mio. Bestands-Wohnungen und jährlich rund 200 - 300 Tsd. Neubauten (BRD).

Wie immer, wenn Neues entwickelt wird, wurde vieles pro-biert. Die Zahl der gedanklichen Ansätze blühte. Von der „grünen Solararchitektur“, dem „ökologischen Bauen“, der „Biotektur“, der „Solararchitektur“, dem „klimagerechten Bauen“, bis zum „Niedrigenergiehaus“ (NEH) reichten die Konzepte.

Die frühe Suche blieb erfolglosDie ersten Ansätze forderten alles. Neues Bauen hatte sich mit einem radikalen solidarischen Umbau der Wirtschaft und einem anderen Verhältnis des Zusammenlebens zu verbinden. „Ökopolis“ war der weitgehendste Ansatz, der alles in Frage stellte. [34] Das „Ökologische Bauen“, vor-gestellt in einem viel beachteten Buch, herausgegeben vom neu gegründeten Umweltbundesamt, [35] knüpfte hier ebenfalls an. Nicht das Haus allein sei zu verändern, sondern Stadt, Dorf, Wirtschaftsform und Gesellschaft. Die Gartenstadtbewegung und die utopischen Sozialisten durchwehten erneut die Fachdiskussion. Nur der Weg zum Ziel und die Träger der Veränderung blieben offen, wie auch kein realisierbares bauliches Konzept entstand.

Die Gesellschaft über das Bauen verändern zu wollen, war möglicherweise der falsche Ansatz. Das in der Fachwelt erkennbare Bedürfnis nach begründeten Konzepten wur-de jedoch durch die WSVO`s nicht aufgenommen. Man redete aneinander vorbei.

Die „grüne Solararchitektur“ beschränkte sich da mehr aufs Gebäude. Bei der Lösungssuche schaute man vor al-lem in den USA nach Beispielen: Wie bauen andere „an-ders“? Klimadaten und Planungsinstrumente fehlten. So entstand der Fehler, Konzepte aus dem USA-Sonnengürtel auf Deutschland übertragen zu wollen. [36] Was bei 3.500

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Bild 26: Ökopolis war der Traum von einer heilen Welt

Bild 27: Gebäude aus dem Sonnengürtel der USA - Lehm und Glas als Vorbild für das deutsche Klima?

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USA berechenbar. In unserer langen Heizperiode bringt den Erfolg, die Wärmeverluste über die Gebäudehülle zu reduzieren. Seinen Namen bekam das Konzept aus den USA: Das „Low-Energy-House“ wurde zum „Niedrigener-giehaus“. Die Frankfurter Architekten Huber/Oberländer schufen 1987 die Definitionsvoraussetzungen, in dem sie die Messergebnisse von 18 internationalen Energiesparhäu-sern auf ihren klimaspezifischen Verbrauch umrechneten (Wh//m² HGT und Jahr). [43] Mit den deutschen 3500 Heizgradtagen multipliziert, lag der Heizwärmebedarf der gut gedämmten Häuser aus USA und Kanada bei 30 - 70 kWh pro m² Wohnfläche und Jahr. Das wurde die Definiti-on des Niedrigenergiehauses in Deutschland. Pioniere wie die Architekten Stöter, Stubenitzky, Disch, Fingerling und Such bauten die ersten Objekte. Auch die RWE Abteilung Anwendungstechnik baute eine Gruppe von 17 NEH, die Messungen zeigten 70 - 80 kWh Nutzwärme pro m² und Jahr. Am Institut Wohnen und Umwelt in Darmstadt hatte 1988 der Physiker Wolfgang Feist, nach einem ergiebigen Blick nach Schweden und Dänemark, die definitorische

Kraft zur Schaffung der Konstruktionsmerkmale und des Energiekennwertes für den Niedrigenergiestandard [44].

Ein Entwurfsverfahren (Wärmebilanzprogramm), die Defi-nition in Form des Energiekennwertes von 30 - 70 kWh/(m²*a) und die Konstruktionsmerkmale lagen nun vor. Ein machbares Konzept war entstanden, mit dem für je-den Entwurf die Energiespartechniken berechnet werden konnten. Die Dämmschichten lagen zwischen 10 cm bei der Kellerdecke, 15 cm bei der Außenwand und 26 cm im Dach, ergänzt um Zweischeiben-Wärmeschutzverglasung, Brennwertkessel und optional, auch Lüftungsanlagen. Aus Schweden war bekannt, dass Wärmerückgewinnung kaum zur Einsparung beitrug und eine hohe Gebäude-Dichtheit voraussetzte. Zuweilen ergänzten auch Solaranlagen für die Brauchwarmwasserbereitung die Palette. Mit dem Wärme-

Konstruktionsmerkmale von Niedrig-energiehäusern

• Hervorragender Wärmeschutz der Gebäudehülle,

• Vermeidung von Wärmebrücken,• kompakte Bauweise,• hohe Dichtheit der Außenbauteile,• Kontrollierte Lüftung (optional),• passive Solarenergienutzung,• flinke Heizungsregelung,• rationelle Heizwärmeerzeugung,• einfache Bedienung der Heiz- und

Lüftungsanlage.

Bild 29: Definition des Niedrigenergie-Standards

Das „Landstuhl-Projekt“: Sieger ist die WärmedämmungAus der Vielzahl der gedanklichen Projekte entstand da-mals kein belastbares bauliches Konzept. Das wurde je-doch auch nicht vom Bundesbauministerium vorgelegt. Eine wichtige Klärung brachte das „Landstuhl-Projekt“ des BMFT. 1979 begonnen, lagen seine Ergebnisse leider erst 1989 vor [41]. Untersucht wurden 25 deutschlandweit gebaute Wohnhäuser, vom Haus mit Steinspeicher, über die voll verglaste Südfassade als bewohnter Wintergarten bis hin zum konventionellen Entwurf. Zwei Jahre erhob man die Verbräuche, Temperaturen, das Nutzerverhalten, Wirkungsgrade und Kosten. Der Bericht war für viele der ehrgeizigen Architekturansätze ernüchternd: Die reinen „Solarhäuser“ wiesen die höchsten Verbräuche auf. Ihre So-largewinne verlieren sie wieder über ihre schlecht gedämm-ten Bauteile. Die Natur ist vertrackt, denn die „verlustmi-nimierten Solarhäuser“ wiesen durch guten Wärmeschutz den geringsten Heizenergieverbrauch auf. Nur brauchten sie ihre teuren Glaselemente nicht, denn der Wärmeschutz brachte den Erfolg und verkürzte die Heizperiode. Viele konventionelle Fertighäuser lagen im Projekt gleichauf mit den teuren „Sonnenhäusern“. Das auswertende Fraunho-fer Institut für Bauphysik prägt den zentralen Satz: „Die wichtigste Maßnahme in unserem Klima ist und bleibt die Wärmedämmung.“ Das hatte die Fachwelt so nicht erwartet und akzeptierte es kaum. Gleichwohl war der Beweis schon einmal geführt worden: 1980 wurde am Philips-Solarhaus in Aachen an einem unbewohnten Fertighaus messtech-nisch bewiesen, dass der Wärmeschutz den entscheidenden Beitrag zur Gebäudeeffizienz lieferte und geringe Verbräu-che die Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung erneu-erbarer Energien sind [42].

Meilenstein: Das Niedrigenergiehauses

Während die Ergebnisse des Landstuhl-Projektes 1989 empirische Klärung brachten, hatten davon unabhängig Physiker und Ingenieure bereits die bauliche Lösung ge-schaffen. Man erkannte das deutsche Klima an und machte es mit Wärmebilanzprogrammen aus Schweden und den

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Bild 28: Das Aachener Experimentierhaus mit gutem Wärmeschutz

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schutz der Gebäudehülle zog der Baustandard der Schwedi-schen Baunorm von 1980 in die fortschrittlichen deutschen Baukonzepte ein. Gegen diese Veränderung äußerte sich starker Widerstand, der noch heute existiert. Die ausgeführ-ten Bauten zeigten jedoch keine der erwarteten Mängel. Im Gegenteil gab es eine hohe Nutzerzufriedenheit.

Niedrigenergiehaus - ein erfolgreiches BaukonzeptDas BMBau hatte 1988 das Thema mit einer einzigen Ta-gung „Wege zum Niedrigenergiehaus“ gestreift. Sie emp-fahl einen Mix aus besseren k-Werten mit einer starken Überbetonung von Lüftungsanlagen mit Wärmerückge-winnung. Die Handelnden aus der Praxis waren bei dieser Tagung nicht eingeladen. Stattdessen der bekannte enge Zirkel aus Lehrstuhlinhabern. Das zeigte die Kluft, denn die Entwicklung zum NEH wurde von vielen kleinen und oftmals privaten Initiativen und Personen außerhalb der großen Bauphysikinstitute und Hochschulen erdacht und vorangebracht. Einige Bundesländer begannen ab 1990 mit der Förderung von Niedrigenergiehäusern, gestützt auf die Entwickler. Damit begann die Breitenwirkung und der Begriff wurde bekannt. Der NEH-Standard konnte nun seinen entscheidenden Vorteil ausfahren: Er funktionierte in der Praxis und erforderte bauliche Mehrkosten von nur 3 - 5 %. Mit Kosten zwischen 2,5 - 7,5 Cent pro eingesparter kWh war das Konzept auch wirtschaftlich [45]. Erste Städ-te schrieben den NEH-Standard in Neubaugebieten vor. Freiburg baute den ersten Stadtteil für 11.000 Einwohner. Energiesparen war auch in Deutschland „machbar“ gewor-den. Die Verbrauchsmessungen zeigten an den gebauten Objekten nicht nur den Erfolg, sie lagen auch nahe bei den berechneten Planwerten (Bedarf), da man damals mit der

Ein hervorragender Wärmeschutz bildet das Fundament des Niedri-genergiestandards. Die Senkung der Verluste über die Gebäudehül-le ist sogar der Grundgedanke. Vermiedener Energieverbrauch ist die sinnvollste Umweltpolitik und der kostengünstigste Weg, denn Dämmstoffe gehören zu den billigsten Bauprodukten mit geringem Herstellungsenergieaufwand. Da ein EFH mit 3.000 Litern Heizöl Jahresverbrauch sich niemals mit der Sonne beheizen läßt, ein Haus mit 800 Litern Jahresverbrauch aber schon, wurde deutlich: Die Ver-brauchssenkung durch Wärmedämmung ist die Voraussetzung für den Einsatz erneuerbarer Energien. Auch die Biomasse braucht den Wärmeschutz: National reichen z. B. die Holzvorräte nur für 8 % des Heizenergieverbrauchs. Es sind schon 16 %, wenn der heutige Ver-brauch durch Wärmedämmung halbiert würde.

Bild 30: Hervorragender Wärmeschutz - Fundament des Niedrigenergiehauses

sia 380/1 und nicht mit der EnEV rechnete. Die Entwick-lung bekam durch diese Erfolge eine Kraft, die die Novelle der WSVO in 1995 zu einer Zeit erzwang, da immer noch relative Ölpreisruhe herrschte. Ressourcen- und Klima-schutz waren in der Gesellschaft wichtiger geworden. Der Bundestag hatte bereits zwei Enquete-Kommissionen zum „Schutz der Erdatmosphäre“ eingesetzt. Bis 2005 sollte der deutsche CO2-Ausstoß um 25 % sinken und hierzu, so ein Bundeskabinettsbeschluss, auch die WSVO novelliert wer-den. Es sollte dann noch bis zur EnEV 2009 dauern, bis der „echte“ Niedrigenergiestandard in der EnEV verankert wurde.

Der Altbau wird erkannt

Schon Ende der siebziger Jahre baute sich eine gesellschaft-liche Bewegung auf, die auch eine energetische Sanierung des Gebäudebestandes einforderte. Langsam reifte die Er-kenntnis, dass ein Drittel des Energieverbrauchs mit der

Bild 31: Stadtteil Freiburg-Rieselfeld - Niedrigenergiestandard für 11.000 Einwohner

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Kernenergiefrage nicht verbunden war: Die Gebäudehei-zung. Energiesparende Neubauten sollten den Zuwachs begrenzen. Absolut eingespart werden konnte nur im Gebäudebestand mit damals 14 Mio. Wohn- und 1,5 Mio. Nichtwohngebäuden. In Tübingen war ein erstes Energie-konzept für eine ganze Stadt entstanden und hatte gezeigt, wie wichtig der Wärmeschutz im Altbau ist. Das BMFT för-derte Energieversorgungskonzepte in vielen Regionen und Städten, allerdings mit dem Schwerpunkt auf der Energie-versorgung. Schon ab 1980 zeigten Studien des BMBau und BMFT „energierelevante Stadterneuerungstypen“ mit Einsparpotenzialen von 30 - 50 % und untersuchten die

„Wechselwirkungen von Siedlungsstruktur und Wärme-versorgungstypen“ mit dem Ergebnis eines 50-prozenti-gen Raumwärmeeinsparpotenzials bei Verdoppelung des damaligen Energiepreises. Auch das „Energiesparbuch für das Eigenheim“ und andere Broschüren des BMBau hatte den Gebäudebestand zum Inhalt. Das 4,35 Mrd.-Förderpro-gramm hatte seit 1978 energiesparende Investitionen im Bestand ausgelöst, allerdings mit in baulicher Hinsicht sub-optimalen Standards. Das THERMA-Demonstrationsbau-programm zeigte große Einsparpotenziale an 11 ausgeführ-ten Altbauten. Eine Kultur von Diskussionsveranstaltungen zur besseren Energienutzung entstand im Land. [46]

In diesem Diskussionsklima wurden 1984 in der WSVO auch erstmalig Anforderungen an die Altbauten formuliert. Da die Außenwände nur bei Ersatz der gesamten Wand (nicht nur des Putzes o. ä.) einbezogen waren und für die Fenster nur die damals bereits übliche Isolierverglasung Pflicht wurde, ergaben sich einzig für Kellerdecke und Dach neue Anforderungen. Mit k-Werten von 0,7 bzw. 0,45 W/(m²K) für diese Bauteile kam nichts Neues. 8 cm Däm-mung im Dach und 1,5 cm unter der Kellerdecke, 10 Jahre nach der Energiekrise, das Ganze nicht kontrolliert und bei Handwerk, Architekten und Hauseigentümern weitgehend unbekannt bleibend: „So hilft der Staat beim Energiespa-

ren“ war damals ein ironischer Satz der Kritiker. Das Ni-veau der Anforderungen hat sich über 25 Jahre verbessert, der Bekanntheitsgrad bei den 14 Mio. Hauseigentümern im Land nur unwesentlich. Verständnis für die Bedeutung des Wärmeschutzes in der Bestandssanierung wurde nicht ge-weckt, sondern immer nur „verschärfte“ Anforderungen er-lassen. Es entstand eine „Parallelgesellschaft“ am jeweiligen Regierungsstandort, die fest daran glaubt, die WSVO/EnEV seien im Land bekannt und beachtet. Die Anforderungen wurden bis heute viermal verbessert, schrittweise der ge-sellschaftlichen Diskussion um Energiepreis (bis 1980), der Umweltdebatte (bis 1995) und der internationalen CO2-

Debatte, den Brüsseler Richtlinien und den letzten Ener-giepreisschüben ab 2002 angepasst. Ein zögerlicher Weg in die Zukunft, der mit immer neuen „Verschärfungen“, wie die Verbesserungen im amtsdeutsch stets genannt wurden, heute Gefahr läuft, beim Hauseigentümer nicht mehr ak-zeptiert zu werden. Das jeweilige Anforderungsniveau der WSVO`s an den Gebäudebestand entwickelte sich, wie in Tabelle 5 dargestellt.

Wichtiger war die gesellschaftliche Diskussion, die mit der Bundestags-Enquete „Schutz der Erdatmosphäre“ um 1990 begann. Das Institut Wohnen und Umwelt und andere In-stitutionen hatten ein Raumwärmeeinsparpotenzial von mind. 50 % in den damals 14 Millionen Altbauwohnungen nachgewiesen.[47] Die Enquete-Ergebnisse sollten nicht im Raum stehen bleiben. Schrittweise wurde das Einspar-potenzial durch Förderung angegangen. Länderförderpro-gramme wirkten ebenfalls in diese Richtung. Einzelne große Dämmstoffhersteller gingen verstärkt in die Eigen-werbung mit verbraucherorientierten Materialien und Ak-tionen. Auch viele Kommunen legten in Zusammenhang mit ihren Energiebeauftragten und Energieberatungsan-strengungen eigene kleine Demonstrationsförderprogram-me auf. Energieagenturen entstanden auf Länderebene. Allerdings steht der volle Erfolg noch aus: Mit einer wär-

WSVO/EnEV

Außenwand Fenster Decken, Dach, Flachdach

Kellerdecke und Decke nach unten gegen Erdreich, Wände/Decken/ unbeheizte Räume

kmax W/(m²K) 1977 - - - - 1984 0,60*) Doppel- oder Zweisch-

eibenverglasung 0,45 0,70

1995 0,50**)/0,40 1,8 0,30 0,50 2002 0,40**)/0,35 1,7 0,30 0,40/0,50***) 2007 0,40**)/0,35 1,7 0,30 0,40/0,50***) 2009 0,35**)/0,24 1,3 0,24 0,20 *) gilt nur für erstmaligen Einbau und Ersatz. **) Bei Innendämmung, ***) auf der Warmseite 1977 wurde noch eine erforderliche Mindestdämmstoffdicke ohne Nachweis angegeben AW 5 cm, Dach 8 cm, Kellerdecke 4 cm: Ein Nachweis war für Maßnahmen im Bestand jedoch nicht erforderlich.

Tabelle 5: k-Wert-Anforderungen der WSVO und EnEV bei erstmaligem Einbau, Ersatz und bei Erneuerung von Bauteilen im Gebäudebestand

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wurden nicht vom Staat und auch nicht von der 1976 be-gründeten „Bauphysik“ entwickelt, sondern von einzelnen Pionieren und kleinen Instituten außerhalb der offiziellen Wissenschaft. Für die Zukunft muss einem deshalb nicht bange sein: Die funktionierenden Konzeptbeschreibungen liegen vor, die gebauten Objekte zeigen die reale Machbar- und Finanzierbarkeit und es existieren die Akteure mit Planungs- und Bauerfahrungen, z. T. hineingewachsen in Lehraufgaben. Wenn wir nun noch die bauaufsichtli-chen Erschwernis eines immer komplizierter werdenden Energiebedarfsausweises und die Verwerfung der immer undurchschaubar werdenden Berechnungsnormung über-winden, die nicht mehr zieladäquat sind, können wir die zukünftige Entwicklung dem Markt überlassen. Eine einge-frorene EnEV 2009 schützte vor Rückfällen.

Der Staat müsste hier nicht durch immer „schärfere“ Vor-gaben lenken, Klimaschutz betreibt man auch, wenn man Vorurteile abbaut und Verständnis in der Gesellschaft schafft. Die neue Staatsaufgabe wäre die Verbesserung un-serer gesellschaftlich-kulturellen Fähigkeiten im Bereich der Energieanwendung oder „Thermodynamik für den Hausgebrauch“: Die Sinnhaftigkeit des Wärmeschutzes, den Zusammenhang zu den erneuerbaren Energien, das deutsche Mysterium der Wasserdampfdiffusion und die atmende Außenwand, den Zusammenhang von Wärme-dämmung und Behaglichkeit und die Frage: Ist es sinnvoll etwas teurer zu bauen, um dann billiger und behaglicher zu wohnen und ganz nebenbei das Klima zu schützen? Das wären attraktive Maßnahmen, vorgetragen in Kampa-gnen mit Bündnispartnern, die ein gewaltiges Investitions-hemmnis beseitigen würden: Das Vorurteil.

Die Lösung liegt im Wärmeschutz der AußenbauteileBei Neubauten, wie im Gebäudebestand können mit den heute verfügbaren Dämmtechniken und hochwertigen Gläsern die jahrhundertealten Hygiene-Probleme des Woh-nens beseitigt werden. Wir haben heute erstmalig die tech-nischen und wirtschaftlichen Mittel hierzu in der Hand. Gedämmte Gebäude sind „Wohlfühlhäuser“, weil sie im Winter warme Umschließungsflächen bieten und im Som-mer kühl bleiben. Damit würde auch das alte Ziel der DIN 4108, der hygienische Wärmeschutz endlich eingelöst.

Das folgende Bild verdeutlicht die große Bedeutung des Wärmeschutzes für die zukünftige Entwicklung des Ge-bäudebestandes. Bei dem dargestellten Mehrfamilienhaus Baujahr 1968 sinkt der Heizenergieverbrauch um 2/3 durch vier Wärmeschutzmaßnahmen, bei noch dickeren Dämmschichten können bis zu 80 % Einsparpotenzial er-schlossen werden. Wärmedämmung ist eine erfolgreiche, technisch machbare und wirtschaftliche Strategie.

metechnischen Sanierungsquote von jährlich 0,8 % der Be-standsgebäude sind wir noch weit vom Optimum entfernt. Der Gebäudebestand von heute 18 Mill. Wohn- und rund 2,5 Mio. Nichtwohngebäuden wird zukünftig der große Markt für den Wärmeschutz in Deutschland sein. Noch haben wir die Zielprojektion in Bild 32, die das Raumwärmeszenario aus dem Enquete-Kommissionsbericht „Schutz der Erdat-mosphäre“ darstellt, nicht erreicht, da der Start 20 Jahre später und auch nur schubweise mit Viertel-Kraft erfolgte. Bei 75 % aller Gebäude ist noch keine Verbesserung an der Gebäudehülle erfolgt. Bei 25 % wurden kaum einmal ge-samthafte Sanierungen, sondern eher Einzelmaßnahmen durchgeführt. Das dargestellte Einsparpotenzial von 51 % beruht fast ausschließlich auf Dämmaßnahmen an der Ge-bäudehülle.

Wärmeschutz wird wichtigerMit dem Konzept des Niedrigenergiehauses gelang ein entscheidender Durchbruch. Zwar wurde der Standard in der EnEV erst 20 Jahre nach seiner Entwicklung verankert, aber auf Länderebene und in der Werbung der Dämmstoff-industrie, von Bauträgern und Fertighausherstellern, sowie auf kommunaler Ebene war er bereits präsent. Erstmalig etablierte sich ein energetisches Hauskonzept und nicht nur eine Produktkomponente. Der Vollwärmeschutz war vergessen. Weitere Konzepte folgten mit dem

• Passivhaus,

• Sonnenhaus,

• Plusenergiehaus,

• Dämmkonzept für den Gebäudebestand.

Ihnen allen ist im Kern gemeinsam, dass an erster Stelle überflüssiger Heizenergie- und Stromverbrauch beseitigt wird. Und noch etwas fällt auf. Alle diese Gebäudekonzepte

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Bild 32: Einsparpotenzial im Wohngebäudebestand Deutschlands

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[9] W. Liese, Die Wohnraumheizung unter wärmephysiologischen und hygienischen Gesichtspunkten, in: Gesundheits-Ingenieur Heft 1 und 2, 1949

[10] W. Schüle, H. Schäcke, Mindestwer-te des Wärmeschutzes von Außen-wänden, in: Gesundheits-Ingenieur, München Heft 9-1951

[11] Eichler, Arndt Bauphysikalische Ent-wurfslehre, Köln 1982

[12] W. Böckl, Die wirtschaftlichste Wanddicke bei Außenwänden, in: Der Bauhelfer Heft 11/1950

[13] Leopold Sautter, Bauen mit Voll-Wärmeschutz, Ludwigshafen 1962

[14] Bundesministerium für Wohnungs- bau, Deutsches Bauzentrum Köln (Hrsg.) Wärmeschutz aber richtig, Bonn/Köln 1958

[15] Walther Schüle, Feuchtigkeitsschä-den in Wohnungen, FBW-Veröf-fentlichungen, Stuttgart 1957

[16] ISOVER, Die warme Wand, Bro-schüre, Ludwigshafen 1961

[17] H. Künzel, Bauphysik - Geschichte und Geschichten, Stuttgart 2002

[18] Karl Seiffert, Die Entwicklung der Isoliertechnik des Wärme- und Kälteschutzes, Chemiker-Zeitung 79/1955

[19] Sautter Leopold, Bauen mit Voll-Wärmeschutz, Lud-wigshafen 1962

[20] Vgl. Eicke-Hennig, Die Taupunktmythologie, in: Der Gebäudeenergieberater Heft 7/2011

[21] bauen + fertighaus 1/1985[22] Prof. Horst Schulze, Vermeidung von Feuchteschä-

den im Holzbau, IRB-Verlag Stuttgart 1990[23] Ebel, Eicke-Hennig, Feist, Großcurth, Energieeinspa-

rung in Alt- und Neubauten, Heidelberg 2000[24] GDI-Dämmstoffstatistik und eigene Berechnungen[25] Eine umfassende Darstellung der WSVO/EnEV-Ge-

schichte findet sich in: Eicke-Hennig, Der Staat als Bremser u.a. in: Der Gebäudeenergieberater Hefte 11/12 2010, 1-3 2011

[26] BMBau, Praxis baulicher Energiesparmassnahmen, Schriftenreihe BMBau Bonn 1983

[27] Neumann, Hans Viessmann und sein Unternehmen 1917-1991, München 2004

[28] Gertis, Was bedeutet wirtschaftlich optimaler Wärme-schutz?, wksb 1977

[29] IfB, Realisierung der THERMA-Bauten, in: Bundes-baublatt Heft 4-1977

[30] BMBau, Schwedisch-Deutsches Kolloquium 1982, Schriftenreihe BMBau Bonn 1983

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(Man beachte, der Ursprungs-Energiekennwert des Gebäudes ist ein gemessener End-energie-Verbrauchswert und gehört nicht in die Kategorie der potemkinschen Primäre-nergiebedarfswerte der EnEV. Die Einsparungen in Prozent sind kumuliert dargestellt.)

Bild 33: : Energiesparpotenzial an einem typischen Mehrfamilienhaus, Baujahr 1968

Literatur[1] Werner Spillhagen, Zum Entwurf eines Hygienischen

Memorandums, in: „neue bauwelt“ Heft 25, 1949[2] Dieter Forte, Das Haus auf meinen Schultern, Frank-

furt 2004[3] J.S. Cammerer, Konstruktive Grundlagen des Wärme- und

Kälteschutzes im Wohn- und Industriebau, Berlin 1936[4] W. Caemmerer, Der Einfluss der Heizungskosten auf

die Rentabilität des Wohnungsbaus, in: Gesundheits-Ingenieur, Heft 9/10, 1950

[5] W. Caemmerer, der Einfluß des Wärmeschutzes auf die Wirtschaftlichkeit von Wohn- und Bürobauten, in: GesundheitsIngenieur, Heft 4/1959

[6] Wolfgang Triebel, Wirtschaftlichkeit von Wandbauar-ten, Wiesbaden 1957

[7] Bautechnische Merkhefte für den Wohnungsbau, Her-ausgegeben vom Beirat für Bauforschung des Bundes-ministeriums für Wohnungsbau, Wärmeschutz im Hochbau, Berlin 1951

[8] Leopold Sautter, Zweck und Ziel von Wärmeschutzbe-stimmungen, in: Bauwelt Heft 27/1941

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[44] Wolfgang Feist, Konstruktionsmerkmale von Niedri-genergiehäusern in Deutschland, Darmstadt 1988, Wolfgang Feist, Jobst Klien, Das Niedrigenergiehaus, Karlsruhe 1990

[45] Eicke-Hennig, Werner, Mehrkosten der Niedrigener-giebauweise, Darmstadt 1994; Wolfgang Feist, Wirt-schaftlichkeit von Niedrigenergiehäusern, Sonnen-energie und Wärmetechnik 4/1994

[46] z.B. BMBau (Hrsg.), Schriftenreihe, Energie - Bauen - Umwelt, Bonn 1983; dieselbe, Rationelle Energiever-wendung im Rahmen der Stadterneuerung, 1981, BM-Bau, Wechselwirkungen zwischen der Siedlungsstruk-tur und Wärmeversorgungssystemen, Bonn 1980; Schriftenreihe der Bundesforschungsanstalt für Lan-deskunde und Raumordnung, Örtliche und regionale Energieversorgungskonzepte, Teil der Entwicklungs- und Bauleitplanung, Bonn 1981 ff.; BfLR, Zukünftige Energieversorgung im ländlichen Raum, Bonn 1982; Arbeitskreis Alternativenergie Tübingen, Alternatives Energieversorgungskonzept für die Stadt Tübingen, 1980 und Energiepolitik von unten, Frankfurt 1982, BMBau, Energiesparbuch für das Eigenheim, Bonn 1977 (erste Auflage)

[47] Ebel, Eicke-Hennig, Feist, Großcurth, Energieeinspa-rung in Alt- und Neubauten, Heidelberg 2000.

[31] Florentin Krause, Hartmut Bossel, Karl-Friedrich Müller-Reißmann, Energiewende - Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran, Frankfurt 1980

[32] Klaus-Michael Meyer-Abich, Horst Meixner u.a., Ener-gie-Sparen: Die neue Energiequelle, München 1979

[33] Karl Hein, Blockheizkraftwerke, Karlsruhe 1980[34] Rüdiger Lutz, Thomas Krötz , Ökopolis, Stuttgart 1985[35] UBA, Ökologisches Bauen, Wiesbaden 1982[36] G. Hillmann, J. Nagel, H. Schreck, Klimagerechte

und energiesparende Architektur, Karlsruhe 1981[37] Michael Andritzky u.a., Für eine andere Architektur,

Frankfurt 1981; Ulrich Schwarz (Hrsg.), Grünes Bauen, Hamburg 1983; BMBau Schriftenreihe, Praxisinforma-tion Energieeinsparung, Bonn 1983; BMBau Schrif-tenreihe, Handbuch Passive Nutzung der Sonnenener-gie, Bonn 1984; Wolfgang Ebert, Home Sweet Dome, Frankfurt 1987

[38] Rudolf Doernach, Biohaus, Frankfurt 1981[39] Vladimir Nikolic, Bau und Energie, Köln 1983[40] Prof. Heinrich Tepasse, TU Berlin, Vortrag zum Start-

kongress des IMPULS-Programm Hessen, 1996[41] Edelgard Gruber, Hans Erhorn Jürgen Reichert, Chan-

cen und Risiken der Solararchitektur, Solarhäuser Landstuhl, Köln 1989

[42] H. Hörster, Wege zum energiesparenden Wohnhaus, Hamburg 1980

[43] Judith Huber, Stephan Oberländer, Entwicklung eines Konzeptes für ein Niedrigenergiehaus, Diplom-Arbeit, Omersbach 1987

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