Klimawandel beschreiben, erklären, begründen und erzählenk3-klimakongress.org/wp-content/uploads/2019/11/WSII_7... · 2019. 11. 4. · Klimawandel beschreiben, erklären, begründen

Klimawandel beschreiben, erklären, begründen und erzählen – sprachwissenschaftliche Annäherungen Martin Reisigl (Institut für Sprachwissenschaft, Universität Wien) Andrea Sabine Sedlaczek (Institut für Sprachwissenschaft, Universität Wien) Nadine Kammermann (Institut für Germanistik, Universität Bern)

Chairpersonen: Herbert Formeyer & Martha Stangl

K3 Kongress zu Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft 24. bis 25. September 2019 in Karlsruhe

Inhalt

1. Einleitung

2. Fünf Vertextungsmuster im Überblick 2.1. Deskription 2.2. Narration

2.3. Argumentation 2.4. Explikation 2.5. Instruktion

3.  Multimodale Darstellungen des Klimawandels

4.  Wissenschaftliche & massenmediale Kommunikation über Klimawandel

5.  Übung

24. September 2019 2

>  wissenschaftlicher & praxisorientierter Fokus des Workshops

>  Wissensvermittlung an konkretem Textmaterial zu drei Punkten:

1.  Was heißt es, in Diskursen über Klimawandel etwas zu beschreiben, zu erklären, zu begründen, zu erzählen oder zu etwas anzuleiten?

2.  Wie funktioniert multimodale Kommunikation in diesen Diskursen?

3.  Worin unterscheiden sich wissenschaftliche und massenmediale Kommunikation über Klimawandel und welche Rolle spielen Metaphern in Diskursen über Klimawandel?

>  Zielgruppen: -  Wissenschaftler*innen -  Journalist*innen -  Mitarbeiter*innen von NGOs

1. Einleitung


>  Textlinguistik und linguistische Pragmatik unterscheiden bis zu fünf elementare Vertextungsmuster.

MUSTER FUNKTION

1.   Deskription Repräsentation von Wahrgenommenem

2.   Explikation Verständlich-Machen eines Sachverhalts

3.   Argumentation Überzeugung von e. These durch Begründen

4.   Narration Wiedergabe vergangener Ereignisabfolgen

5.   Instruktion Anleitung zu einem bestimmten Handeln oder zum Gebrauch von etwas (e. Geräts)

2. Fünf Vertextungsmuster im Überblick


>  Funktion: Sie dient der ikonischen Darstellung von sinnlich wahrnehmbaren Objekten und Vorgängen der äußeren und inneren Wirklichkeit.

>  Sprachlicher Handlungscharakter: Sprachliche Beschreibungen bestehen aus spezifischen Verkettungen von Behauptungshandlungen (Assertionen)

>  Zusammenhang mit anderen Vertextungsmustern: Beschreibungen werden in anderen Vertextungsmustern gebraucht.

>  Sie kommen oft in wissenschaftlich-erklärenden Texten vor.

>  Beschreiben lässt sich alles, was es gibt, so es wahrnehmbar ist und eine darstellbare Struktur hat (Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997: 131)

2.1. Deskription (Beschreibung)


>  Beschreibung der Daten für Forschung zu Klimawandel: 1.   Daten durch direkte Beobachtung & instrumentelle Messung: -  Messreihen von Temperatur, Luftdruck, Niederschlag,

Wasserstand usw. an bestimmten Orten

2.   Daten durch indirekte Beobachtung (Proxydaten):

-  organisch: Pflanzenwachstum, Blüte- & Reifezeit, Erntezeit, Erntemenge, Ernteausfall, Zuckergrad von Trauben, Dürrezeit, Veränderung der Verbreitung von Pflanzen & Tieren usw.

-  anorganisch: CO2-Konzentrationen (Luft, Eisbohrkern usw.), Überschwemmung, Vereisung/Gletscher, Schneebedeckung

-  kulturell: schriftl. & bildl. Überlieferungen zu Bittprozessionen und Migrationsbewegungen, Naturkatastrophen usw.

2.1. Deskription


>  Funktionen: -  Narrationen bieten Orientierung, indem sie die Vielfalt von

Ereignissen chronologisch zu ordnen helfen und in einen Zusammenhang bringen

-  Sie dienen der

o  Information

o  Unterhaltung

o  Identitäts- & (bewältigenden) Sinnstiftung

o  Förderung von Betroffenheit, Identifikation, Empathie, Solidarität

o  Imagearbeit

o  Darstellung eigener Involviertheit in ein Geschehen

o  psychischen Selbstentlastung usw.

2.2. Narration (Erzählung)


>  Aufbau von Narrativen nach Labov und Waletzky (1967):

(a) Orientierung: Angabe des situativen Kontexts

(b) Komplikation: Aufbau einer interessanten Handlung, eines Geschehens, die oder das von Normen, Erwartungen, Gewohnheiten abweicht

(c) Auflösung der Komplikation

(d) Evaluation: Stellungnahme der erzählenden Person

(b) und (c) zusammengenommen bilden das Ereignis.

>  Sprachliche Charakteristika dieses Vertextungsmusters sind: – chronologische Abfolge der Erzählung – Vergangenheitsbezug (Ereignis in der Vergangenheit) à Wetterbericht = deduktive/prognostische Vorgangsbeschreibung

2.2. Narration


>  In der Kommunikation über Klimawandel sind Narrative mindestens in folgenden Zusammenhängen sinnvoll und nützlich:

1.   biographische Erzählungen, die Motive und persönliche Geschichten sowie besondere Episoden von Wissenschaftler*innen wiedergeben (Vorbildfunktion, stützendes Autoritätsargument)

2.   Geschichten von subjektiv erlebten Wetterextremereignissen

3.   Geschichten bestimmter Pflanzen- und Tierarten bzw. exemplarischer Individuen & Geschichten spezif. Naturobjekte (z.B. eines Gletschers) à dokumentarisches Erzählen

4.   Dystopien (Science Fiction), die wachrütteln

5.   Positive Utopien bzw. Heterotopien

2.2. Narration


2.2. Narration (Beispiele)


Dystopie als argumentativer Locus terribilis & neg. Konsequenztopos

>  Beispiel 1 für eine Dystopie: Sommer, Bernd, Wessels, Sebastian (2013): Deutschland 2040: Zwei Varianten der Zukunft. In: Gerstengarbe, Friedrich-Wilhelm, Welzer, Harald (Hrsg.): Zwei Grad mehr in Deutschland. Wie der Klimawandel unseren Alltag verändern wird. Frankfurt am Main: Fischer. 273-291.

>  Beispiel 2 für eine Dystopie: Oreskes, Naomi, Conway, M. Erik (2014): The Collapse of Western Civili-zation. A. View from the Future. New York: Columbia University Press.





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Was ist Argumentation?

>  Argumentieren als grundlegende sprachliche und mentale Tätigkeit

>  Argumentiert wird in allen gesellschaftlichen Bereichen.

>  Bei Argumentation geht es darum, strittige Thesen / problematisierte Geltungsansprüche zu begründen (Wahrheit, normative Richtigkeit).

>  Der Geltungsanspruch der Wahrheit bezieht sich auf erkenntnis-bezogene, epistemische respektive theoretische Zusammenhänge.

>  Der Geltungsanspruch der normativen Richtigkeit ist mit Fragen des richtigen Handelns, der richtigen Praxis, der Ethik und Moral, des (Nicht-)Sollens, des Geboten- und Erlaubtseins verbunden.

>  Hauptzweck der Argumentation ist die Überzeugung (Überredung). 24. September 2019

2.3. Argumentation (Begründung)

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These: Es hat keine Pause des Klimawandels gegeben. Datum Schlussregel Operator These

Der Ozean hat zusätzlich Wenn der Ozean zusätzlich Ziemlich ist die Lufttemperatur Wärme aus der Atmosphäre Wärme aus der Atmosphäre sicher weniger gestiegen, die aufgenommen. aufnimmt, dann steigt die Wärme im gesamten

Lufttemperatur weniger, Klimasystem aber nicht obwohl die Wärme im weniger geworden gesamten Klimasystem (gab es also keine nicht weniger geworden ist. Klimawandel-Pause).

Stützung Ausnahmebedingung

Da sich die Passatwinde über Es sei denn, andere Faktoren dem Pazifik verstärkt haben, (Sonnenaktivitäten, natürliche ist der Ozean kühler geworden Variabilität, Vuklanausbrüche) (weshalb er mehr Wärme aus sind ausschlaggebend. der Luft aufnehmen kann).

Siehe: Was Forscher über den Klimawandel wirklich wissen, Süddeutsche, 18-01-2017

2.3. Argumentation (Beispiel)

24. September 2019

Was ist Explikation? >  jedes sprachliche Handeln, das darauf gerichtet ist, etwas zu

erklären, zu erläutern oder zu verdeutlichen

Hauptzweck der Explikation >  Explikation zielt darauf ab, den Zuhörenden oder Lesenden

etwas (z.B. einen kausalen Sachverhalt) verständlich zu machen.

Explikation versus Argumentation

>  Man beachte: Sowohl Argumentation als auch Explikation können eine Antwort auf eine Warum-Frage sein.

>  Bei einer Explikation ist die Ausgangsbehauptung nicht strittig. Bei einer Argumentation ist sie dagegen strittig.

Wird eine Erklärung in Zweifel gezogen, beginnt das Argumentieren.

2.4. Explikation (Erklärung)


>  Drei wichtige Formen des Explizierens:

1.   Metasprachliches Explizieren: Erklären eines Wort, Konzepts, Textes usw. à Wörterbuch, Lexikon (Klima – Wetter – Witterung)

2.   Instruktives Explizieren: Erläutern, wie sie oder er handeln, beispielsweise ein Objekt oder Gerät bedienen kann oder soll à  Anleitung zum Energiesparen à  Anleitung zur Müllvermeidung à  Anleitung zu klimaschonender Ernährung à  Anleitung zu nachhaltigem Konsum

3.   Explizieren kausaler Zusammenhänge: Erklären von Zusammenhängen zwischen Ursachen und Wirkungen bzw. Folgen oder Mitteln und Zwecken à viele IPCC-Texte

2.4. Explikation


>  Instruktion erfüllt den Zweck, jemanden zu einem bestimmten Handeln (das z. B. eine gewünschte Alternative herbeiführen soll) oder zum Gebrauch von etwas (z. B. eines Instruments) anzuleiten

>  Instruktion integriert oft Elemente der Explikation und Deskription

>  Sprachliche Merkmale (vgl. auch Werlich 1975, 37): -  enumerative Sequenzierung/Listenstil: à Angabe von Schritten

o  Grund- & Ordinalzahlen (eins, zwei, drei; erstens, zweitens) o  temporale Sequenzierungen (zuerst, dann)

-  Aufforderungen und imperativischer Modus -  direkte Anreden (Sie, Du) -  deontische Verben, auch im Konjunktiv (sollen, müssen), -  nominale Ellipsen

2.5. Instruktion


2.5. Instruktion (Beispiel)


https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/381/publikationen/energiesparen-im-haushalt.pdf, S. 5

Umweltbundesamt (2013): Energiesparen im Haushalt. Wie Sie einfach und ohne Komfortverlust Ihren Energieverbrauch senken und Geld sparen können. Energiesparen ist der beste Klimaschutz!

Multimodalität:

>  Bedeutung wird mit verschiedenen kommunikativen Modi konstruiert: Sprache, Bild, Musik, Geräusche etc. (Stöckl 2016)

>  (Medien)kommunikation über Klimawandel ist grundlegend multimodal

>  Printmedien, Audio, Film, Fernsehen, Online-Texte etc.

Multimodalität und Klimawandel: >  Visuelle Repräsentation des Klimawandels (z.B. Grittmann 2012;

Metag et al. 2016; Hansen 2018)

3. Multimodale Darstellungen des Klimawandels



24. September 2019 20 (Credits: Markus Tacker; US Fish & Wildlife Service; NASA/Kathryn Hansen; USEPA)

Visuelle Kommunikation des Klimawandels: >  Viele generische Bilder in Medienberichterstattung zum Klimawandel

>  Plädoyer für bewussteren und kreativeren Einsatz von Bildern

>  Vgl. climatevisuals.org > Ursachen, Auswirkungen, Lösungen des Klimawandels; 7 Prinzipien für effektive visuelle Kommunikation





https://climatevisuals.org/

Narration >  Dokumentarische Fotos / Dokumentarfilme

>  z.B. persönliche Geschichten von Betroffenen, Wissenschaftler*innen etc.


24. September 2019 23 (Credit: Naturhistorisches Museum Wien)

Deskription >  Dokumentarische Bilder


24. September 2019 24 (https://www.bbc.co.uk/programmes/p03kwflf)

Deskription >  Dokumentarische Geräusche



Explikation (+ Deskription)

https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimawandel/ueberblick/ueberblick_node.html



Explikation + Deskription >  Wissenschaftliche Texte

(Credit: IPCC 2014: 3)



Argumentation

>  Argumentation nur sprachlich?

>  Visuelle / multimodale Argumentation (z.B. Tseronis & Forceville 2017)

>  Kreative Verwendung von Sprache, Bild und Ton


https://www.muttererde.at/motherearth/uploads/2017/05/MutterErde_Themenschwerpunkt-Klimawandel2.mp4

Video-Beispiel: (Credit: Mutter Erde, Umweltinitiative Wir für die Welt / ORF, 2017)



(Credit: Gerhard Mester)

Argumentation >  Cartoons als

subversive Argumentation



(Credit: Gerhard Mester)

Argumentation >  Cartoons als

subversive Argumentation



https://utopia.de/galerien/klimaschutz-tipps/#8

Instruktion >  generische

Bilder?



Instruktion >  Bilder von Lösungen

motivieren

https://climatevisuals.org/

>  Deskription, Narration, Argumentation, Explikation und Instruktion spielen auch in multimodalen Textzusammenhängen eine Rolle.

>  Bilder und andere Modi sind nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern sind wichtiger Bestandteil der Konstruktion von Bedeutung und haben auch eine emotionale Funktion.

>  Richtige Kontextualisierung ist wichtig.

>  Kreative Verwendung von unterschiedlichen Modi kann helfen, den Klimawandel anschaulicher, klarer und überzeugender zu kommunizieren.





(Credit:Fink.,CCBY-NC4.0) Billy, Yves (2010). Endlich grüne Städte. Frankreich/ Deutschland: Arte.

Visuelle Metapher >  CO2 als Gespenst, das die Erde einraucht

>  Externalisierung von menschlicher Verantwortung?

4. Wissenschaftliche und massenmediale Kommunikation über Klimawandel Argumentation

1 Die Erwärmung ist eindeutig.

1.1 Das zeigen der Anstieg der Luft- und Ozeantemperaturen, der Rückgang der Gletscher und der Anstieg der Meeresspiegel.

1.1’ Wenn die Luft- und Ozeantemperaturen anstiegen, die Gletscher zurückgehen und der Meeresspiegel ansteigt, dann findet die (Erd-)Erwärmung statt.

„Die Erwärmung ist eindeutig, wie der Anstieg der Luft- und Ozeantemperaturen, der Rückgang der Gletscher und der Anstieg der Meeresspiegel zeigen.“

(Basler Zeitung 03.02.2007) 24. September 2019 35

>  Die Überführung eines strittigen Geltungsanspruchs in einen unstrittigen ist nicht zwingend, sondern probabilistisch.

>  Teile der alltagslogischen Argumentation sind typischerweise implizit (oft die Schlussregel).

>  Die Art der Argumentation hängt von Handlungsfeldern ab.


4. Wissenschaftliche und massenmediale Kommunikation über Klimawandel

Begriff des sozialen Handlungsfeldes

„‚Fields of action‘ (Girnth 1996) may be understood as segments of the respective societal ‚reality‘, which contribute to constituting and shaping the ‚frame‘ of discourse. The spatio-metaphorical distinction among different fields of action can be interpreted as a distinction among different functions or socially institutionalised aims of discursive practices.”

(Reisigl/Wodak 2001, 36)


4.1 Handlungsfelder


4.1 Handlungsfelder

Journalistisches Handlungsfeld

Politisches Handlungsfeld

Wissenschaftliches Handlungsfeld

Wirtschaftliches Handlungsfeld

Weitere Handlungsfelder

„Major Premise: Generally, if A occurs, then B will (might) occur. Minor Premise: In this case, A occurs (might occur). Conclusion: Therefore, in this case, B will (might) occur. CQ1: How strong is the causal generalization? CQ2: Is the evidence cited (if there is any) strong enough to

warrant the causal generalization? CQ3: Are there other causal factors that could interfere with the

production of the effect in the given case?“ (Walton/Reed/Macagno 2008, 328)


4.2 Wissenschaft: Kausal argumentieren

„Agriculture, Forestry and Other Land Use (AFOLU) activities accounted for around 13% of CO2, 44% of methane (CH4), and 82% of nitrous oxide (N2O) emissions from human activities globally during 2007-2016, representing 23% (12.0 +/- 3.0 GtCO2e yr-1) of total net anthropogenic emissions of GHGs21 (medium confidence). The natural response of land to human-induced environmental change caused a net sink of around 11.2 GtCO2 yr-1 during 2007-2016 (equivalent to 29% of total CO2 emissions) (medium confidence); the persistence of the sink is uncertain due to climate change (high confidence). If emissions associated with pre- and post-production activities in the global food system22 are included, the emissions are estimated to be 21-37% of total net anthropogenic GHG emissions (medium confidence). {2.3, Table 2.2, 5.4} “ Fussnoten: „21This assessment only includes CO2, CH4 and N2O. 22 Global food system in this report is defined as ‘all the elements (environment, people, inputs, processes, infrastructures, institutions, etc.) and activities that relate to the production, processing, distribution, preparation and consumption of food, and the output of these activities, including socioeconomic and environmental outcomes at the global level’. These emissions data are not directly comparable to the national inventories prepared according to the 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas.”



(IPCC 2019, 7)

Überführung in das journalistische Handlungsfeld

„Das beherrschende Thema des Berichts ist die wechselseitige Beeinflussung zwischen Land und Klima: Oft trägt die Landnutzung zum Klimawandel bei, in anderen Fällen dämpft sie ihn; umgekehrt hat der Klimawandel einen starken Einfluss auf die Landoberfläche, und auch da ist der Befund nicht eindeutig. Die Dinge sind verwoben, wenn nicht gar verworren. Der etwas sperrige Titel des Berichts gibt das wieder – er lautet ‚IPCC-Sonderbericht über Klimawandel, Desertifikation, Landdegradation, nachhaltiges Landmanagement, Ernährungssicherheit und Treibhausgasflüsse in terrestrischen Ökosystemen‘.“

(Neue Zürcher Zeitung 08.08.2019)



>  „Metapher [griech. meta-phérein ‚anderswohin tragen‘, métaphorá ‚Übertragung‘]. Stilfigur der antiken Rhetorik. M. sind sprachliche Bilder, die auf einer Ähnlichkeitsbeziehung zwischen zwei Gegenständen bzw. Begriffen beruhen, d. h. auf Grund gleicher oder ähnlicher Bedeutungsmerkmale findet eine Bezeichnungsübertragung statt (z. B. der Himmel weint für ‚es regnet‘).“

(Bußman 2008, S. 434)

>  Funktionen von Metaphern: Konkretion/Veranschaulichung, Verlebendigung, Vermenschlichung, Komplexitätsreduktion, Gedächtnisstützung, Mobilisierung usw.


4.3 Metaphern

POLITIK ALS WEG

>  „Das Schweizer CO2-Gesetz geht in die richtige Richtung.“

(SonntagsZeitung 25.11.2012)

>  „Das Ziel muss sein, gemeinsam aus der Sackgasse auf die Überholspur zu finden.“

(Zürichsee-Zeitung 14.12.2009)

>  „Dafür braucht es aber nicht nur den guten Willen und Tatendrang derer, die gemeinsam, fair und beherzt einen kleinen Beitrag dazu leisten können, sondern vielmehr auch das Ergreifen des Steuers derer, welche die Richtung tatsächlich ändern können.“

(Zürichsee-Zeitung 14.12.2009)


4.3 Metaphern

Metaphern als kondensierte Argumentation >  „Eine konzeptuelle Metapher lässt sich also, aus einem

argumentationstheoretischen Blickwinkel betrachtet, als ein Schatz geltungsgarantierender Schlußpräsuppositionen beschreiben. In diesem Sinne inhäriert jede konzeptuelle Metapher ein Bündel vorläufig akzeptierter Handlungslegitimationen.“

(Pielenz 1993, 157)


4.3 Metaphern

ERDERWÄRMUNG ALS FIEBER

1 Als Planet sollte man sich die Atmosphäre abwaschen.

1.1 Als Planet möchte man keine Menschen kriegen.

1.1’ Wenn eine Krankheit im Umlauf ist, dann muss man Massnahmen ergreifen (z. B. die Hände waschen).

https://me.me/i/go-to-the-bathroom-right-now-and-ill-wash-21482065, letzter Zugriff am 14.09.2019.

45 24. September 2019

4.3 Metaphern

VERBRAUCH FOSSILER BRENNSTOFFE / TREIBHAUSGASE ALS NAHRUNGSMITTEL

>  „Was kann ich zur CO2-Reduktion beitragen? Auch ohne ein neues Auto anzuschaffen, lässt sich sofort etwas für die Umwelt tun. […] Nicht zu vergessen: Ballast im Kofferraum und nicht gebrauchte Dachträger sind wahre Spritfresser.“

(SonntagsBlick 02.12.2007)

>  „Toyota gibt für diesen Kombi einen Durst von 4,0 Litern pro 100 Kilometer an, was einem CO2-Ausstoss von 92 Gramm pro Kilometer entspricht.“

(Berner Zeitung 28.06.2012)


4.3 Metaphern

VERBRAUCH FOSSILER BRENNSTOFFE / TREIBHAUSGASE ALS NAHRUNGSMITTEL

>  „Audi verordnet Diät. […] Audi will in den nächsten drei Jahren den CO2-Ausstoss aller Modelle auf unter 140 Gramm pro Kilometer senken. Dazu will Audi nicht nur das Downsizing vorantreiben, sondern zugleich die einzelnen Fahrzeuge um bis zu 200 Kilogramm leichter machen.“

(20 Minuten 03.08.2009)

>  „Will die Menschheit die von Forschern prognostizierte globale Erwärmung begrenzen, muss sie ihren Energiehunger radikal anders stillen als bis anhin.“

(Neue Zürcher Zeitung 24.06.2014)


4.3 Metaphern

Textbeispiele Stöcklin, Stefan: „Auszüge aus dem Klimabericht“. In: Basler Zeitung 03.02.2007. IPCC (2019): IPCC Special Report on Climate Change, Desertification, Land Degradation, Sustainable Land Management, Food Security, and Greenhouse Gas Fluxes in Terrestrial Ecosystems. Summary for Policymakers. Approved Draft. https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2019/08/Edited-SPM_Approved_Microsite_FINAL.pdf, letzter Zugriff am 14.09.2019. Titz, Sven: «Der neue Bericht des Uno-Klimarats stellt sich der Frage, wie der Mensch in Zukunft leben kann. Die Antwort ist verworren». In: Neue Zürcher Zeitung 08.08.2019. https://www.nzz.ch/wissenschaft/klimawandel-sonderbericht-des-klimarats-zur-landoberflaeche-ld.1500375, letzter Zugriff am 14.09.2019. Astfalck, Sonja: «Gemeinsam aus der Sackgasse finden». In: Zürichsee-Zeitung 14.12.2009. https://me.me/i/go-to-the-bathroom-right-now-and-ill-wash-21482065, letzter Zugriff am 14.09.2019. Laukenmann, Joachim: „Im Winter wird es mehr Regen und weniger Schnee geben“. In: SonntagsZeitung 25.11.2012. Bärtschi, Urs/Schwinnen, Raoul: „Ist Hybrid umweltfreundlicher als Diesel?“. In: SonntagsBlick 02.12.2007. „Auf Diät gesetzt“. In: Berner Zeitung 28.06.2012. „20 Sekunden“. In: 20 Minuten 03.08.2009. Schäfer, Michael: „Droht Anlegern der CO2-Kollaps? Insbesondere Energieunternehmen wären vom Platzen der ‚Carbon-Bubble‘ betroffen“. In: Neue Zürcher Zeitung 24.06.2014. 24. September 2019 48

4.4 Textbeispiele

vcö-magazin 19-01, S. 3 49

5. Übung

>  Aufgabenstellungen: Umschreiben des Textes

1.   Gruppe 1 (jeweils 4 Personen): Versuchen Sie bitte, den vorliegenden narrativen Text in einen erklärenden und begründenden Text umzuschreiben, in dem Sie Autofahrer*innen, die sich für einen SUV interessieren, davon überzeugen wollen, kein SUV-Vehikel zu kaufen.

2.   Gruppe 2 (jeweils 4 Personen): Versuchen Sie, den vorliegenden narrativen Text in einen instruktiven, also handlungsanleitenden Text umzuschreiben, in dem Sie Autofahrer*innen, die sich für einen SUV interessieren, dazu anleiten, sich für eine Alternative zum SUV-Vehikel zu entscheiden.

5. Übung


Literatur

Bußmann, Hadumod/Gerstner-Link, Claudia/Lauffer, Hartmut (Hrsg.) (2008): Lexikon der Sprachwissenschaft. 4., durchges. und bibliogr. erg. Aufl. Stuttgart: Kröner.

Ehlich, Konrad / Noack, Claus / Scheiter, Susanne (Hrsg.) (1994): Instruktion durch Text und Diskurs. Zur Linguistik „technischer Texte“. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Ecker, Malte W. (2006): Kritisch argumentieren. Stuttgart: Alibri. Grittmann, Elke (2012): "Visuelle Konstruktionen von Klima und Klimawandel in den Medien. Ein

Forschungsüberblick", in: Irene Neverla & Mike S. Schäfer (Hrsg.): Das Medien-Klima: Fragen und Befunde der kommunikationswissenschaftlichen Klimaforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 171-196.

Habermas; Jürgen (1988): Theorie des kommunikativen Handelns. Bd 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Hansen, Anders (2018): "Using visual images to show environmental problems", in: Alwin Fill & Hermine Penz (eds.): The Routledge handbook of ecolinguistics. London: Routledge, 179-195.

Heinemann, Wolfgang (2000): Vertextungsmuster Deskription. In: Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heine-mann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hrsg.): Text- und Gesprächslinguistik / Linguistics of Text and Conversation. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung / An International Handbook of Contemporary Research. 1. Halbbd/Vol. 1. Berlin/New York: de Gruyter, 356-369.


Literatur

Kienpointner, Manfred (1996): Vernünftig argumentieren. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt. Kopperschmidt, Josef (2000): Argumentationstheorie zur Einführung. Hamburg: Junius.

Labov, William/ Waletzky, Joshua (1967): Narrative analysis: Oral versions of personal experience. In: Helm, J. (ed.): Essays on the verbal and visual arts. Seattle/ London, 12-44. (auch in: Journal of Narrative and Life History 7 / 1-14, 3-38. deutsche Übersetzung: Labov, William / Waletzky, Joshua (1973): Mündliche Versionen persönlicher Erfahrung. In: Ihwe, Jens (Hrsg.) Literaturwissenschaft und Linguistik. Band 2. Frankfurt/M.: Fischer-Athenäum, 78-126.)

Metag, Julia/Schäfer, Mike S./Füchslin, Tobias/Barsuhn, Tjado/Kleinen-von Königslöw, Katharina (2016): "Perceptions of climate change imagery: Evoked salience and self-efficacy in Germany, Switzerland, and Austria". Science Communication, 38/2, 197–227.

Pielenz, Michael (1993): Argumentation und Metapher. Tübingen: G. Narr. (= Tübinger Beiträge zur Linguistik 381).

Reisigl, Martin/Wodak, Ruth (2001): Discourse and Discrimination. Rhetorics of Racism and Antisemitism. London/New York: Routledge.


Literatur

Stöckl, Hartmut (2016): "Multimodalität – Semiotische und textlinguistische Grundlagen", in: Nina-Maria Klug & Hartmut Stöckl (Hrsg.): Handbuch Sprache im multimodalen Kontext. Berlin: de Gruyter, 3–35.

Tseronis, Assimakis/Forceville, Charles (eds.) (2017): Multimodal argumentation and rhetoric in media genres. Amsterdam: Benjamins.

Walton, Douglas N./Reed, Chris/Macagno, Fabrizio (2008): Argumentation Schemes. Cambridge ; New York: Cambridge University Press.

Wengeler, Martin (1997): Argumentation im Einwanderungsdiskurs. Ein Vergleich der Zeiträume 1970-1973 und 1980-1983. In: Jung, Matthias, Wengeler, Martin, Böke, Karin (Hrsg.): Die Sprache des Migrationsdiskurses. Opladen: Westdeutscher Verlag. 121-149.

Werlich, Egon (1975/1979): Typologie der Texte. Entwurf eines textlinguistischen Modells zur Grundlegung einer Textgrammatik. Heidelberg: Quelle & Meyer (UTB).

Zifonun, Gisela / Hoffmann, Ludger / Strecker, Jürgen (1997): Grammatik der deutschen Sprache. Band 1. Berlin, New York: De Gruyter.


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