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KLINIK UND POLIKLINIK FÜR PSYCHOTHERAPIE UND PSYCHOSOMATIK Zwangsstörung und Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 5./6. November 2011 B.-M. Kindler, PSO II

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KLINIK UND POLIKLINIK FÜR PSYCHOTHERAPIE UND PSYCHOSOMATIK

Zwangsstörung und Zwanghafte Persönlichkeitsstörung

5./6. November 2011

B.-M. Kindler, PSO II

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Überblick: 05.11.11 - Zwangsstörungen

• 9:00 – 10:30 – Einstieg/Theoretische Grundlagen „Zwangsstörungen“

• 10:45 – 12:15 – Therapie bei Zwangsstörungen

• 13:00 – 14:30 – Patientenexploration:Stationäre Patientin Frau S.

• 14:45 – 16:15 –Erstellung der FallkonzeptionalisierungKleingruppenarbeit

• 16:30 – 17:45 – Vorstellung der Fallkonzeptionalisierung/ Behandlungspläne, Diskussion

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Überblick: 06.11.11 – Zwanghafte Persönlichkeitsstörung

• 9:00 – 10:30 – Einstieg/Theoretische Grundlagen „Zwanghafte PS“

• 10:45 – 12:15 – Beziehungsstörung & Arbeit an der BeziehungKomplementäre Beziehungsgestaltung

• 13:00 – 14:30 – Patientenvorstellung: Ambulante Patientin Frau M.

Patientenexploration

• 14:45 – 16:15 – Fallkonzeptionalisierung in KleingruppenVorstellung und Diskussion

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Der Rattenmann

Motto:

„Wenn ich einen Fehler mache, widerfährt meinen Lieben Schreckliches!“

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• Erscheinungsbild und Definitionskriterien

• Prävalenzen

• Diagnostik, Differentialdiagnosen

• Komorbiditäten

• Ätiologiemodelle

• Neuronale Strukturen

• Folgen neuronaler Überaktivität

Theoretische Grundlagen „Zwangsstörungen“

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Zwangsgedanken = Ideen, Vorstellungen, Impulse, die den Pat. immer wieder stereotyp beschäftigen. Fast immer quälend, der Patient versucht häufig erfolglos, Widerstand zu leisten. Die Gedanken werden als zur eigenen Person gehörig erlebt, selbst wenn sie als unwillkürlich und häufig abstoßend empfunden werden.

Zwangshandlungen = Stereotypien, die ständig wiederholt werden. Sie werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu, an sich nützliche Aufgaben zu erfüllen. Der Patient erlebt sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das Schaden bringt. Verhalten wird als sinnlos erlebt, es wird immer wieder versucht, dagegen anzugehen. Angst ist meist ständig vorhanden. Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich.

Erscheinungsbild und DefinitionskriterienICD: F42 Zwangsstörung

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Zwanghafte Ideen, bildhafte Vorstellungen, Zwangsimpulse3 Hauptthemen:

• Aggression

• Blasphemie

• Sexualität

Zwangsgedanken sind nicht zufällig, sondern abhängig vom persönlichen Wertesystem

Erscheinungsbild und DefinitionskriterienICD: F42.0 Vorwiegend Zwangsgedanken/Grübelzwang

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• Fast immer quälend quälend, teils endlose Überlegung unwägbarer Alternativen, häufig verbunden mit der Unfähigkeit, einfache, aber notwendige Entscheidungen des täglichen Lebens zu treffen.

• Enge Beziehung zwischen Grübelzwängen und Depression.

• Eine Zwangsstörung ist nur dann zu diagnostizieren, wenn der Grübelzwang nicht während einer depressiven Episode auftritt und

anhält.

Erscheinungsbild und DefinitionskriterienICD: F42.0 Vorwiegend Zwangsgedanken/Grübelzwang

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Bezug zur Reinlichkeit (besonders Händewaschen)

Kontrolle (gefährliche Situationen ausschließen)

Ordnung

Dem Verhalten liegt die Furcht vor einer Gefahr zugrunde, die den Patienten bedroht oder von ihm ausgeht; das Ritual ist einwirkungsloser, symbolischer Versuch, diese Gefahr abzuwenden.

Erscheinungsbild und DefinitionskriterienICD: F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen / Zwangsrituale

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Kontrollieren: Kochherd, Haustüre, Rechnungen

Waschen: Hände waschen, duschen

Putzen: Fenster putzen, Wohnung putzen

Ordnen: Besteck, Kleider, Teppichfransen

Sammeln, Horten: Dinge stapeln, sich nicht trennen können

Langsamkeit: Zähne putzen, segmentieren und im

Zeitlupentempo durchführen

ErscheinungsbildICD: F42.1 Vorwiegend Zwangshandlungen / Zwangsrituale

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Zustände und Symptome werden von der Person als „nicht zu ihr gehörig“ erlebt, als nicht Bestandteil der Person.

„Ich weiß, dass ich das nicht tun müsste.“– „Es ist Quatsch, dass alles aufzuheben – „ Es ist krank, das zu denken.“ – „Ich bin sehr umständlich, wenn ich meine Wohnung verlasse“. – „Normalerweise müsste ich mich nicht so lange waschen“.

Das Verhalten verursacht Leidensdruck:„Ich würde gerne damit aufhören, aber ich bin dann so angespannt“.

Erscheinungsbild: Ich-DystonieICD: F42 Zwangsstörung

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Irrtümlichen Annahme einer Person, dass ihre Gedanken, Worte oder Handlungen Einfluss auf ursächlich nicht verbundene Ereignisse ein bestimmtes Ereignis hervorrufen oder verhindern könne, wobei allgemeingültige Regeln von Ursache und Wirkung ignoriert werden.

Im Erwachsenenalter kann es ein Symptom mehrerer, abgeschwächter psychotischer Symptome sein.

Exkurs: Magisches Denken (DSM: Schizotypische PS)

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Bei Zwangspatienten gilt der Versuch, wahrgenommene Gefahren mit Hilfe magischer Rituale abzuwehren, als Zwangshandlungen. Das Leben soll mit Hilfe magischer Vorgänge noch sicherer werden (Bsp.: Die Kontrollen in ungerader Anzahl vornehmen).

Exkurs: Magisches Denken (DSM: Schizotypische PS)

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Die Gesamtprävalenz der Zwangsstörung beträgt 1 – 3%.

Frauen scheinen häufiger als Männer zu erkranken ( durch Studien nicht eindeutig belegt, Kapfhammer, 2000).

Es zeigt sich eine zweigipflige Verteilung:

• bei 30 – 50% der der Patienten bricht die Krankheit bereits in der Kindheit aus

• bei ca. 66% erst mit ca. 25. Jahren

85% der Zwangsstörungen verlaufen chronisch, 10% mit stetiger Verschlechterung.

PrävalenzenICD: F42 Zwangsstörung

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• SKID: Strukturiertes Kl. Interview Achse I (Wittchen)• Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale (Y-BOCS)

(Goodman)• Deutsche Version: Hand u. Büttner- Westphal 1991• Das semistrukturierte Interview wurde auch als

Selbstbeurteilungsfragebogen publiziert (Baer 2001, Ambühl 2004)

•  Selbstrating von Schaible et al (2001)•  Hamburger Zwangsinventar (HZI) (Hoyer u. Margraf 2003)•  Padua- Zwangsfragebogen (Padua-R) (van Oppen et. al., 1995•  Maudsley Obsessive-Compulsive Inventory (MOCI), Hodgson

u. Rachman, 1977, dt. Übersetzung Kallinke et al.

DiagnostikICD: F42 Zwangsstörung

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Abgrenzung zur Schizophrenie: Bei bizarr erscheinenden Denk- oder Handlungszwängen bzw. bei idiosynkratischer Formulierung des Patienten, häufig Fehldiagnosen in Richtung Schizophrenie („meine innere Stimme sagt mir, dass..“.)

Liegt Realitätsverkennung vor? Liegen weitere Anzeichen für eine psychotische Störung vor? Oder kann als „innere Stimme“ die „Stimme des Gewissens“ gemeint sein?

Abgrenzung zum Wahn: Beim Wahn dominiert die Gewissheit, beim Zwang der Zweifel. Bei der Zwangsstörung sind Urteils- und Kritikfähigkeit nicht gestört (es gibt zudem Übergangsformen).

DifferentialdiagnostikICD: F42 Zwangsstörung

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Ähnlichkeiten und Überschneidungen:

AngststörungenDepressionEssstörungen, stoffgebundene Süchte

Zwangssymptome z. T. auch als Begleitsymptome von Epilepsie, Parkinson-Erkrankung, Sydenham Chorea. Zwänge entstehen hieraufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors, also keine Zwangsstörung i. S. einer funktionalen Handlung.

DifferentialdiagnostikICD: F42 Zwangsstörung

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OCD-related disorder(Störungen desZwangsspektrums):

Gemeinsam ist denStörungen eine erhöhteAnspannung, die diePatienten zu verringern Versuchen.

DifferentialdiagnostikICD: F42 Zwangsstörung

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KomorbiditätenICD: F42 Zwangsstörung: Treten häufig auf in Verbindung mit

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Psychodynamik:Ausgangpunkt für Zwangsstörungen sind Konflikte zwischen Es und Ich. Furcht vor Es-Impulsen (Zwangsgedanke) führt zum Einsatz von Abwehrmechanismen (Zwangshandlung), um Angst zu reduzieren.

Beginn: Zw. 2 und 4 LJ: Psychosexuelle Lust ist an Ausscheidungsfunktion gebunden, während die Eltern zugleich mit der Sauberkeitserziehung beginnen und von den Kindern analen Befriedigungsaufschub fordern.

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Psychodynamik:Wut führt zur Entwicklung aggressiver Es-Impulse. Wird Aggressivität unterdrückt, kann das Kind auch Scham- und Schuldgefühle sowie das Gefühl, schmutzig zu sein, entwickeln.

Gegen die aggressiven Impulse des Kindes stellt sich jetzt ein starker Wunsch, diese Impulse zu beherrschen.

Menschen mit einer Zwangsstörung zeigen aggressive Impulse sowie hohes Kontrollbedürfnis diese Impulse zu unterdrücken.

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Freudsche Hypothese: Zwänge dienen dem Schutz des Individuums, vor einer psychotischen Dekompensation .

Wahrscheinlichkeit für einen Zwangspatienten später an Schizophrenie zu erkranken ist nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung (3%).

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Lerntheorie: Zwei-Faktoren-Modell (Mowrer)Ursprünglich Erklärungsmodell für Phobien:

Erste Stufe: Klassische Konditionierung, neutraler Reiz wird mit traumatischem Ereignis gekoppelt, Verhalten reduziert Angst (neg. Verstärkung).

Zweite Stufe: Operante Konditionierung: Verhalten hat sich angstreduzierend bewährt, wird stabilisiert und nimmt zunehmend ritualisierenden Charakter an.

Zwangshandlungen = konditioniertes, aktives Vermeidungsver-halten auf „unscharfe Reize“ (bspw.: „Etwas ist nicht in Ordnung“)

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Lerntheorie: Zwei-Faktoren-Modell (Mowrer):

Zwangsverhalten ist deshalb so extrem stabil, weil der Patient nicht die Erfahrung machen kann, dass die von ihm befürchtete Konsequenz auch ohne Ausführung des Verhalten nicht eintreten würde.

+ Klare Erklärung für die Aufrechterhaltung der Zwangsverhalten.

Nur die wenigsten Patienten berichten von traumatischen Ereignissen als auslösend für ihre Zwangssymptomatik.

Zwangsgedanken können nicht erklärt werden.

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Kognitiv-behaviorale Modell (Salkovskis):

Zwang zeigt 2 Komponenten mit unterschiedlicher Funktion:

Gedanken zeigen Stimulus-Charakter (aufdringliche Gedanken /Intrusionen) und erhalten ihre Bedeutung durch einen Bewertungsprozess (“das dürfte ich nicht denken“). Auf negative Bewertung folgt Angst, Anspannung.

Reaktionen sowohl auf Handlungsebene als auch auf kognitiver Ebene, haben die Funktion der Neutralisierung. Angst wir kurzfristig reduziert. Langfristig wird Zwangsverhalten stabilisiert.

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Kognitiv-behaviorale Modell:

Entstehung von Zwangsgedanken: Patient versucht nicht mit Verhaltensweisen zu neutralisieren, sondern mittels Gedankenunterdrückung. Aufdringliche Gedanken erhalten erst dann die Qualität von Zwangsgedanken, wenn die Betroffenen sie fehlinterpretieren („ich habe schlechte Gedanken, daher bin ich ein schlechter Mensch“).

Gedankenunterdrückung führt zu paradoxen Effekt: Die Bedeutsamkeit der Gedanken und die Auftretenswahr-scheinlichkeit steigt.

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Netzwerktheorie von Zwängen (Foa & Kozak):

Neben kognitiver Seite wird Emotions- und Informations-verarbeitung beachtet.

Assoziative Verknüpfungen = Angstnetzwerke als Programme für Flucht oder Vermeidungsreaktion (kohärent, stabil und irrational).

Neurophysiologische Theorien von Zwängen (Baxter, 1987):

Frontalhirn, Basalganglien und limbisches System sind bei der Manifestation von Zwängen involviert Überaktivität dieses Regelkreises – reguliert sich nach erfolgreicher VT.

ÄtiologiemodelleICD: F42 Zwangsstörung

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Orbitofrontale Cortex, Basalganglien, Thalamus: überaktiv

Neuronale Impulse gehen vom präfrontalen Cortex über die Basalganglien zum Thalamus. Hier bereitliegende Verhaltensprogramme werden sowohl aktiviert als auch gehemmt – i. d. R. ausgeglichen, da Verhalten situationsangepasst gesteuert wird. Ungleichgewicht zeigt sich in der Zwangsstörung sowie bei Huntingtonschen Krankheit, Tourette-Syndrom, Parkinsonschen Krankheit.

Nach Baxter werden auf cortikaler Ebene Verhaltensmakros in Gang gesetzt, die um Themen wie „Aggression“, „Hygiene“, oder „Sexualität“ kreisen.

Neuronale StrukturenICD: F42 Zwangsstörung

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Hemmung der von der Frontalhirnaktivität kommenden

Gedanken durch die Basalganglien ist bei Zwangspatienten

reduziert – Gedanken werden nicht gestoppt:

• Chronisches „Unvollständigkeitsgefühl“ (Rapoport)

• „Sich aufdrängende Unruhe“ (Schwartz, 1999) führt zu

dem Gedanken: „Es ist etwas nicht in Ordnung“!

Neuronale StrukturenICD: F42 Zwangsstörung

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Cortikales „Fehlerentdeckungs- und Korrekturprogramm“ im Cingulären Kortex.

Bei Zwangspatienten zeigt sich „Fehlalarm“ mit den Folgen von Unruhe und der Ahnung „Irgendwas muss von mir korrigiert werden“, „irgendwas ist falsch gelaufen“. Die neurobiologische Fehlermeldung – die unabhängig von der Informationsaufnahme ist – erklärt, warum Zwangspatienten keine „endgültige“ Sicherheit erleben können.

Lernvorgänge und Instinkt-gebundene Verhaltensweisen sind vermutlich an der Ausgestaltung der Zwangshandlungen wesentlich beteiligt.

Folgen neuronaler „ Überaktivität“ICD: F42 Zwangsstörung

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Instinkt-gebundene Verhaltensweisen = genetisch eigebettete

Programme. Die Zwangserkrankungen sind durch Grundmuster

bestimmt (stammesgeschichtliches Erbe) :

• Territoriale Abschirmung (Andere auf Distanz halten)

• Verschleppung eigener Spuren (Grooming)

• Anlegen von Vorräten (Sammeln, Horten)

Instinkt-gebundene VerhaltensweisenICD: F42 Zwangsstörung

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• Leitlinien

• Aufklärung des Patienten

• Exposition mit Reaktionsverhinderung

• Modifikation dysfunktionaler Überzeugungen

• Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender Probleme

• Behandlung von Zwangsgedanken

• Behandlung in Gruppen

• Pharmakotherapie

Therapie bei Zwangsstörungen

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Expositionsbehandlung und Reaktionsverhinderung:

Konfrontation mit der Stimulus-Exposition und der Verhinderung von Vermeidungsreaktionen - graduiert (Empfehlung!) oder in Form einer Reizüberflutung (flooting).

Grundlage der Exposition ist die Erstellung einer Angsthierarchie. In sensu ist je nach Art der Symptomatik (insbesondere Zwangsbefürchtungen mit katastrophalem Inhalt) gegenüber in vivo vorzuziehen. Auch eine In-vivo-Exposition ist unverzichtbares Behandlungselement, insbesondere für das Einüben der Reaktionsverhinderung.

LeitlinienICD: F42 Zwangsstörung

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Expositionsbehandlung und Reaktionsverhinderung:

Der Patient wird instruiert, über einen festgelegten Zeitraum Handlungen, die zur Symptomatik gehören, zu unterlassen bzw. - im Falle von täglich notwendigen Verrichtungen - auf ein zeitlich begrenztes Minimum zu reduzieren.

Für eine gelungene Reaktionsverhinderung im vereinbarten Rahmen sollte der Patient durch soziale oder Verhaltensverstärkung angemessen belohnt werden.

LeitlinienICD: F42 Zwangsstörung

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Kognitive Therapieverfahren:

zielen auf die Minderung der Angst induzierenden Gedanken und auf die kognitive Bewertung.

• Polarisiertes Denken (Schwarz-Weiß-Denken, Alles-oder-Nichts-Denken)

• Übergeneralisierung (ist immer so, alle sind so)• Arbitäre Schlussfolgerung (negative Interpretationen ohne

Datenbasis)• Selektiver Filter (Betonung negativer Ereignisse, Negation

positiver Erfahrungen)• Katastrophisieren (Übertreibung negativer Ereignisse)

LeitlinienICD: F42 Zwangsstörung

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Psychedukation

• Vermittlung eines plausiblen Erklärungsmodells:

Biographischer HintergrundAbleitung eines idiosynkratischen

Störungsmodells VerhaltensanalyseFunktionalität der Zwänge

Aufklärung des PatientenICD: F42 Zwangsstörung

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Aufklärung des PatientenICD: F42 Zwangsstörung

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Verhaltensanalyse:

Aufklärung des PatientenICD: F42 Zwangsstörung

Situation Selbstregulations-System

Reaktion Kontigenz Konsequenz

äußere und innere

ReizsituationOrganismus Regelmäßigkeit Verstärkung/Bestrafung

α: Hundekot am Straßenrand β: Gedanke "Ich habe jemanden überfahren" γ: Erregung, Unruhe

β: spezifische Bewertung/ Standards/ Erwartungen γ: Steigerung der Unruhe

R1: Vermeidung des Kontaktes mit den Stimuli R2: Zwangsrituale

in der Regel: immer

C-: Angstreduktion C-: Kritik des Ehemanns C-: tägl. Beeinträchtigung C-: Verlust Arbeitsplatzes C+: Kontrolle d. Familie

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Ableitung des Vorgehens in der Therapie: Zielklärung!

• Welche Behandlungsmöglichkeiten können angeboten werden?• Vorgehen und Wirkfaktoren der einzelnen Techniken aufzeigen.• Abwägen – positive und negative Seiten der Behandlung

besprechen.

Entscheidung treffen!

Aufklärung des PatientenICD: F42 Zwangsstörung

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• Anwendung erst seit Mitte 60er Jahre – Wirksamkeit nachgewiesen: Stabile Behandlungserfolge (50 bis 85%).

• Soziodemographische Merkmale keinen Einfluss auf Therapieergebnis.

• Patienten mit reinen Zwangsgedanken zeigen schlechteste Prognosen.

• Hohe Ängstlichkeit prognostisch günstig.• Hohe Depression prognostisch ungünstig.

Exposition mit ReaktionsverhinderungICD: F42 Zwangsstörung

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Exposition mit ReaktionsverhinderungICD: F42 Zwangsstörung

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Exposition mit ReaktionsverhinderungICD: F42 Zwangsstörung

• Erstellen einer Zwangshierarchie.• Schriftliches Fixieren der Exposition.• Vorbereiten eines konkreten Übungsablaufs und des

Expositionsvertrages.• Besprechen von Normalität.• Besprechung möglicher späterer positiver

Alternativverhaltensweisen (Verhaltensaufbau).

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Exposition mit ReaktionsverhinderungICD: F42 Zwangsstörung • Vertragsbeispiel (Auszug):

„Ich verpflichte mich, vom 01. bis 14.12., folgende Verhaltensweisen ganz zu unterlassen:

Händewaschen und DuschenZähneputzen

folgende Verhaltensweisen werden wie folgt ausgeführt:Verwendung von jeweils 1 Feuchttuch nach

StuhlgangJeden Morgen 1 X frische Unterwäsche

In den Stimulussituationen führe ich über meine Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen Protokoll.“

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Exposition mit ReaktionsverhinderungICD: F42 Zwangsstörung • Nach Stichtag: Exposition mit Reaktionsverhinderung

gemäß Vertrag: in vivo, flooding graduiert.Begleitung durch Therapeut: Verstärken, Emotions-bewältigung, Modell geben, Achten auf Vermeidung, Verantwortung dezidiert übergeben!

• Tägliche Gespräche über Expo: Guppe, Einzel, Visite, Pflege, etc.)

• Heimexpositionen• Ausführung alternativer Verhaltensweisen

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Modifikation dysfunktionaler ÜberzeugungenICD: F42 Zwangsstörung Zwang ist „nicht nur“ negativ verstärkte Reaktion auf Stimuli…

Kognitive Elemente spielen wesentliche Rolle bei Entstehung und Aufrechterhaltung der Zwangsstörung:

• Erwartungen/Befürchtungen hinsichtlich aversiver Konsequenzen

• Dysfunktionale Überzeugungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen

• katastrophisierende Überschätzung der eigenen Verantwortlichkeit

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Modifikation dysfunktionaler ÜberzeugungenICD: F42 Zwangsstörung Identifikation dysfunktionaler Überzeugung:

„Ich denke, wenn mir so ein schlimmer Fehler passiert, wird mir das niemand verzeihen.“

Häufig müssen dysfunktionale Überzeugungen „entdeckt werden“:

„Was wäre so furchtbar an einem Hausbrand?“ – „Ich werde dafür aufkommen müssen.“

„Wie würde das aussehen?“

„Was würde das bedeuten, wenn all Ihr Geld weg wäre?“

„Was würde es bedeuten, wenn Ihr Freund Sie verlässt?“

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Modifikation dysfunktionaler ÜberzeugungenICD: F42 Zwangsstörung

Bearbeiten des Sicherheitsgefühls

Kosten-Nutzen- AnalyseVerhaltensexperimente mit „kleine Risiken“Risikoübungen zu individuellen Grundannahmen

Paradoxe Betrachtung des Sicherheitsgefühls

„Stellen Sie sich vor, Sie wollen sich mit Bakterien umbringen, wie würden Sie das anstellen?“

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Sokratischer Dialog = Hinterfragen der Evidenzen für eine Überzeugung:

• Was spricht dafür? Was spricht dagegen?• Was wäre daran das Schlimmste?• Welche Bedeutung hat dies für Sie?• Wenn dies so wäre, welche Konsequenz hätte es?• Könnte es auch anders sein?

Geleitetes Entdecken: Therapeut überzeugt Patienten nicht von der Wahrheit, sondern regt ihn dazu an, seine Überzeugung zu überdenken.

Bearbeitung dysfunktionaler Überzeugungen

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Modifikation dysfunktionaler ÜberzeugungenICD: F42 Zwangsstörung Gedankenexperimente:

Therapeutin: „Wie sicher sind Sie, dass das Haus abbrennt, wenn Sie den Herd anlassen?“

Patientin „50%“

Therapeutin: „Wenn Sie mir 100 Euro dafür geben müssten, um wieder zurück zugehen, um zu kontrollieren, würden Sie es tun?“

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Modifikation dysfunktionaler ÜberzeugungenICD: F42 Zwangsstörung Überschätzung des eigenen Einflusse:

Pie Chart - MethodeDoppelte Standards offen legen

Übermäßige Zuschreibung von Schuld und Verantwortung:

Eigene Überhöhung herausarbeitenLeben ohne Fehler vs. Leben mit Fehlern

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Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender ProblemeICD: F42 Zwangsstörung • Lebensaufgaben vermeiden

Keine Lösung vom ElternhausSchwierige LebenssituationAusbildung / Berufstätigkeit vermeiden

• Zwänge in Beziehungen zwischen MenschenZwang als Konfliktvermeidung, Abgrenzung von anderenSek. Krankheitsgewinn (andere versorgen Pat.)Einfluss haben: Familie hat sich dem Zwangssystem

unterzuordnen.

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Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender Probleme ICD: F42 Zwangsstörung • Zwänge als Gefühlsmanagement

neg. Gefühle „wegzwängeln“Frustration über die eigene Lebenssituation vermeidenpos. Gefühle erzeugen: innere Sicherheit, SicherheitLeere bekämpfen

• Zwänge als AutomatismenZwänge laufen teilautomatisch ab (Gewohnheiten)Zwänge bekommen Eigenwert (Alltagsrituale)

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Funktionalität/ Bearbeitung zugrunde liegender Probleme ICD: F42 Zwangsstörung • Funktionen für das Selbst

Stabilisierung der Gefühlslage durch PseudokontrolleVermeidung von echtem persönlichem WachstumVermeidung anderer Störungen (Bsp. Depression) Allmachtsgefühle (z.B. bei magischen Zwängen)

• Zwänge als LebensphilosophieÜbertriebene Moral schafft Überlegenheitsgefühl

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Behandlung von ZwangsgedankenICD: F42 Zwangsstörung

Das wichtigste Ziel: Die subjektive Bedeutung der aufdringlichen Gedanken zu reduzieren. Gedanken sollen „wieder“ unwichtig werden, keine Trigger-Fkt. mehr haben.

Der Zwangsgedanke soll nebensächlich werden, so wie „das Gras ist grün“. Erwartungsgemäß sinkt damit langfristig auch die Frequenz der Gedanken, aber dies wird zunächst nicht als explizites Ziel definiert.

Das Verschwinden der Zwangsgedanken wird nicht angestrebt!!

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Behandlung von ZwangsgedankenICD: F42 Zwangsstörung • Nach dem Prinzip der Habituation arbeitet sowohl das

Übersättigungstraining (die Patienten sollen einen Zwangsgedanken herbeiführen und ihn mindestens 15 Minuten lang aufrecht halten) und die Exposition in der Phantasie (der Therapeut oder ein besprochenes Tonband konfrontiert den Patienten solange mit angstauslösenden Gedanken und Phantasien, bis ein deutlicher Spannungsabfall eintritt).

• Exposition in sensu (Endloskassette, Collagen erstellen, Reden..)

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• Störungsspezifische Gruppen• Störungsunspezifische Gruppen für Zwangspatienten• PIA-Gruppenangebot der Klinik

Gruppe für Patienten mit Zwangsstörung und

zwanghafter Persönlichkeitsstörung

Behandlung in Gruppen ICD: F42 Zwangsstörung

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Zwänge sprechen nicht auf Anxiolytika an. Erfolge finden sich bei Serotonin-Reuptake-Hemmer (Antidepressiva):

• Clomipramin (wirksamste Medi., jedoch viele Nebenwirkungen, auch Probleme beim Absetzen, Zwangssymptome steigen wieder an und zzgl. Depression)

• Fluvoxamin, • Fluoxetin, • Setralin, • Paroxetin

Pharmakotherapie ICD: F42 Zwangsstörung

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• Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit eines RF• Rekapitulation der gelernten Strategien• Identifikation potentieller Rückfallsituationen• Antizipation des effektiven Umgangs damit• Stressmanagement• Nutzen sozialer Ressourcen (Selbsthilfegruppe)• Auffrischungssitzungen beim Therapeuten

Familien, in denen negative, kritische und ärgerliche Äußerungen beobachtet werden, provozieren Rückfälle. Insbesondere wenn Familien der Überzeugung sind, Patienten könnten ihre Zwänge unterdrücken, „wenn sie nur wollten“.

Rückfallprophylaxe ICD: F42 Zwangsstörung

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Literaturliste Zwangsstörungen

• Freud, S. (1982) Zwei Falldarstellungen- Der Rattenmann – Der Fall Schreber. Fischer. Frankfurt a. M.

• Lakatos, A., Reinecker, R. (2001/2008) Kognitive Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen, Ein Therapiemanual. Hogrefe. Göttingen

• Emmelkamp, P. & van Oppen P. (2000) Zwangsstörungen. Fortschritte der Psychotherapie. Manuale für die Praxis. Hogrefe. Göttingen

• Grawe, K. (2004) Neuropsychotherapie. Hogrefe. Göttingen• Süllwold, L., Herrlich, J., Volk, S. (2001) Zwangskrankheiten: Psychobiologie,

Verhaltenstherapie, Pharmakotherapie [Taschenbuch] • Oelkers, C., Hautzinger, M. & Bleibel, M. (2007) Zwangsstörungen. Ein kofnitiv-

verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual. BELTZ. Weinheim.• Ecker, W. (1994). & J. Sturm (Hrsg.), Handbuch Stationäre Verhaltenstherapie

bei Zwangsneurosen. In M. Zielke: Stationäre Verhaltenstherapie (S. 511 -519). Weinheim

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• Schmidt, U. Crombach, G. & Reinecker, H. (1996). Der Weg aus der Zwangserkrankung. Bericht einer Betroffenen für ihre Leidensgefährten. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.

• Hoffmann, N. (1990) Wenn Zwänge das Leben einengen. Mannheim: PAL-Verlag.

• Hoffmann, N. (1994) Seele im Korsett. Freiburg: Herder.

• Fricke, S. & Hand, I. (2007) Zwangsstörungen verstehen und bewältigen. Hilfe zur Selbsthilfe. Balance Buch & Medien. Bonn Paderborn.

Literaturliste Zwangsstörungen: Selbsthilfeliteratur

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• Welche Symptomatik liegt vor? Welche soziale Situation? In welchem Zusammenhang steht die Lebensgeschichte zur Störung (Störungsentwicklung)?

• Erstellung eines Erklärungsmodells.

• Für welche Therapieziele ist die Patientin am meisten motiviert?

• Welche Zwangsverhaltensweisen & - gedanken sollen überwunden werden?

• Welche Behandlungsform scheint geeignet? Wie soll behandelt werden?

• Welche motivationalen Schemata sollen verändert werden?

• Welche Beziehungsmuster sollen verändert werden? Wie?

• Welche Lebensaufgaben werden vermieden?

• Welche Ressourcen können aktiviert werden? Was könnte die Patientin bei der Neugestaltung von Beziehungen/Lebenszielen unterstützen?

Fallkonzeptionalisierung: Maßgeschneiderter Therapieplan

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Überblick: 06.11.11 – Zwanghafte Persönlichkeitsstörung

• 9:00 – 10:30 – Einstieg/Theoretische Grundlagen „Zwanghafte PS“

• 10:45 – 12:15 – Beziehungsstörung & Arbeit an der BeziehungKomplementäre Beziehungsgestaltung

• 13:00 – 14:30 – Patientenvorstellung: Ambulante Patientin Frau M.

Patientenexploration

• 14:45 – 16:15 – Fallkonzeptionalisierung in KleingruppenVorstellung und Diskussion

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Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung ist eine Distanz-Störung, bei der die Personen sich durch hohe Normorientierung und Rigidität auszeichnen.

(R. Sachse, Persönlichkeitsstörungen – Leitfaden für die Psychologische Praxis)

ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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• Übermäßige Beschäftigung mit Details, Ordnung und Plänen

• Nichterfüllen von Aufgaben durch Streben nach Perfektion • übermäßige Gewissenhaftigkeit, Starrheit gegenüber

Moralvorstellungen • Unfähigkeit zu delegieren • Strenge und Unnachgiebigkeit

Wichtige DSM-KriterienICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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• Persönliche Beziehungen sind nach Regeln gestaltet und müssen „korrekt“ sein.

• Überlegene Autoritäten erzeugen Ängste. Um Autoritäten zu beeindrucken zeigen ZPS gute Normbefolgung.

• Feindseligkeit kann ausgelebt werden, indem für eine Autorität die

Bestrafung anderer übernommen wird.

• Versuch andere zu veranlassen, sich ebenfalls an Regeln zu halten, die sie selbst als „objektiv“ und „verbindlich“ definieren.

Wichtige Kriterien: Insbesondere in BeziehungenICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Aspekte der finanziellen und persönlichen Sicherheit sind wichtiger als potentielle Verbesserung der Situation.

Leben ist nicht von der Suche nach Erfüllung und Freude geprägt, sondern von dem ständigen Bemühen, Gefahren abzuwehren.

Für andere ist der Umgang anstrengend. Bedürfnis nach beruhigender Zuwendung ist häufig „ein Loch ohne Boden“.

Leben der Patienten selbst ist sehr eingeschränkt; Pat. erwarten auch von ihren Bezugspersonen, dass sie ihr Leben einschränken.

Kosten und Nutzen werden gegeneinander ausgelotet: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Im Unterschied zu anderen Persönlichkeitsstörungen ist bei der ZPS darauf hinzuweisen, dass ein Teil der typischen Charakterzüge in bestimmtem Zusammenhang adaptiv und gesellschaftlich geschätzt sein können:

Gewissenhaftigkeit und Verlässlichkeit

- z. B. im Rahmen einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit.

ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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• 2% in der Bevölkerung

• 3,6 % in der psychiatrischen Population

• Nur bei 2 bis 6% der Patienten mit einer Zwangsstörung besteht zugleich auch eine ZPS

• Bei 15 bis 26% der ZPS findet sich eine Binge-Eating-Störung

• Bei 20 bis 61% der ZPS findet sich eine Anorexia nervosa

• Häufig: ZPS und Depression, Angststörung, Suchterkrankungen

Prävalenz / KomorbiditätenICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Verhalten wird aus der Eigenperspektive als nicht störend, krankhaft, abweichend oder normverletzend wahrgenommen.

„Ich habe eine Leidenschaft für‘s Sammeln.“ – „Es hat ja viele Vorteile Dinge aufzuheben.“ – „Wenn alle Menschen wie ich wären, hätten wir weniger Probleme auf der Welt.“ – „Ich kann nicht begreifen, warum meine Frau alles wegwerfen will“.

Das eigene Handeln, Denken und Fühlen empfindet der Betroffene als zu sich selbst gehörend. Mangel an reflektierter Einsicht in die eigenen Gewohnheiten.

Ich-Syntonie: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Entwicklung beruht auf frühen maladaptiven Schemata (die um ihr „Überleben kämpfen“. Früher haben sie die Realität repräsentiert.

(Der Mensch strebt nach Konsistenz: Das Schema verursacht zwar Leiden, ist aber vertraut und deshalb irgendwie angenehm.)

Frühe maladaptive Schemata fühlen sich „richtig“ an, auch wenn sich die Umweltbedingungen verändert haben – sie heute eigentlich modifiziert werden müssten.

Ich-Syntonie: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Man kann annehmen, dass das System der vollständigen Abschottung bei Patienten, die in Therapie kommen, teilweise „brüchig“ ist.

Patienten mit massiv ich-syntoner Symptomatik verspüren dagegen zu wenig Veränderungsmotivation, um sich auf Therapie einlassen zu können.

Ich-Syntonie: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Häusliche Umgebung birgt viel Aggression, Ablehnung, Wut und Destruktivität hinter einer oberflächlich freundlichen Fassade.

• Zwanghafte lernen „verbale Magie“: • Worte und Regeln werden wichtiger als Emotionen.• Die Klienten entwickelten Lösungen für:

massiven Konformitätsdruck,

bei Regelüberschreitung: Abwertung, Kontrolle, Reglementierung, Aufkündigung von Solidarität, Bestrafung!

Biographie und Beziehungserfahrungen in der Kindheit: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Hoher Konformitätsdruck

Allein das Befolgen von Normen schafft Kontrolle (Normen werden internalisiert).

Beziehungen können grundsätzlich infrage gestellt werden („Du gehörst nicht mehr zur Familie“, „Du kommst ins Heim“, „Du bist nicht mehr mein Kind“.)

Person bleibt- angesichts der drohenden Katastrophen nur die Wahl zwischen „100% Rebellion“ und Anpassung.

Entwicklungsbedingungen: ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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• Es gibt richtige und falsche Verhaltensweisen, Entscheidungen und Emotionen.

• Ich darf keine Fehler machen, sonst tauge ich nichts.• Wenn man einen Fehler macht, hat man versagt; es ist

unerträglich zu versagen.• Wenn man einen Fehler macht, verdient man Kritik.• Ich muss meine Umgebung und mich selbst vollkommen unter

Kontrolle haben; Kontrollverlust ist unerträglich; Kontrollverlust ist gefährlich.

Automatische Gedanken (nach Beck et al. 1999):ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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• Falls etwas gefährlich ist oder sein kann, sollte man furchtbare Angst davor haben.

• Man kann Katastrophen durch magische Rituale oder zwanghaftes Grübeln herbeiführen oder verhindern.

• Ist die perfekte Vorgehensweise nicht erkennbar, ist es besser, gar nichts zu tun.

• Ohne meine Regeln und Rituale verliere ich jeglichen Halt

Automatische Gedanken (nach Beck et al. 1999):ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Klienten mit zwanghafter PS sind wahrscheinlich immer wieder massiv abgewertet, negativ definiert und abgelehnt worden. Das Motiv nach Anerkennung wird damit zentral sein!•Extrem geringe Selbstachtung!

•Auf emotionale Nähe und Mitteilungsbereitschaft folgt Strafe: „Selbstöffnung ist gefährlich“.

•Hauptschema: „Vermeide Strafen durch vorauseilender Gehorsam“.

•Regeln und Normen wurden von der Person internalisiert.

Selbstschemata:ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Beziehungsschemata:ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

Beziehungen sind kalt und unfreundlich.In Beziehungen wird man eher abgewertet.Beziehungen sind nicht solidarisch.Man verlässt sich besser auf sich selbstMan gibt besser wenig von sich selbst preis.Man bleibt besser auf Distanz, denn Distanz gibt Sicherheit.

Selbstschemata: Beziehungsschemata:

Ständige Selbstabwertung:Ich bin nicht ok!Ich habe mangelnde FähigkeitenIch bin nicht akzeptabelIch bin für andere gefährlich.Ich habe nichts zu bieten.Ich habe keine Kontrolle

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Wichtigste Motive in der Motivhierarchie:ICD: F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

1. Solidarität

2. Anerkennung

3. Wichtigkeit

4. Autonomie

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Spielebene vs. Motivebene

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Auf der Spielebene werden interaktionelle Ziele verfolgt:

Bsp.: Lass nicht zu, dass man Dein System in Frage stellt, denn das wäre gefährlich.

Bsp.: Gib wenig von Dir preis, denn das führt zur Abwertung.

Es gibt keine Bedürfnis nach Normerfüllung auf der Spielebene!!!

Normen zu erfüllen sind Lösungen für das interaktionelle Problem!

Normerfüllung wirkt als Schutz gegen Ängste!

Spielebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung

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Mit Interaktionspartnern, die bestimmt Normen nicht erfüllen, will man nichts mehr zu tun haben. So werden im Extremfall sogar eigene Kinder „verstoßen“, weil sie sich „unanständig“ verhalten haben.Patienten mit ZPS machen sich als Regelsetzer wenig Freunde: Ihre Images und Appelle sind:

• Ich weiß Bescheid• Ich bin Euch moralisch überlegen• Lasst mich in Ruhe• Tut, was ich Euch sage, aber bleibt auf Distanz!

Spielebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung

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Die komplementäre Beziehungsgestaltung

Therapeutenverhalten wird auf die individuellen Bedürfnisse, Befürchtungen, Ziele und Motive der Patienten zugeschnitten

Zentral: individuelle Passung zwischen Therapeutenmerkmalen und -verhalten mit spezifischen Patientenbedürfnissen

Patienten mit Bedürfnis nach Autonomie profitieren mehr von nondirektiven gesprächstherapeutischen Therapeutenverhalten.

Patienten mit einem Bedürfnis nach Struktur dagegen mehr von einem direktiveren, verhaltenstherapeutischeren Vorgehen.

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Die komplementäre Beziehungsgestaltung

Passung zwischen• Patient und Therapeut• Patient und Behandlungsmodell des Therapeuten• Störung und Therapeut• Störung und Behandlungsmodell

direktive, strukturierte und symptom- und fertigkeitenorientierte Therapie scheint bei sog. externalisierenden Patienten erfolgreicher (Impulsivität, Handlungsorientierung, Aggressivität, Stimulusorientierung, geringe Introspektionsfähigkeit)interaktions- und einsichtsorientierte Therapie bei sog. internalisierenden Patienten erfolgreicher (Schüchternheit, Inhibition, Überregulation, Selbstkritik)

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1.Zunächst werden die Normen und Regeln des Patienten NICHT infrage gestellt (infrage stellen führt zu Reaktanz).

2.Normen und Regeln werden aber auch nicht bestätigt (um nicht das dysfunktionale System des Klienten zu festigen)

3.Normen und Regeln werden nicht kommentiert (weder gut, noch schlecht, weder problematisch, noch hilfreich).

4.Normen werden ausschließlich explizit gemacht und als Normen verdeutlicht und akzeptiert.

Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung

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1.Das erste was der Therapeut dem Klienten entgegenbringen sollte, ist Respekt.

2.Dem Patient muss vermittelt werden können, dass sich der Therapeut für ihn interessiert, dass der Therapeut verstehen will, warum er was tut.

3.…, dass der Therapeut verstehen will wie es dem Klienten geht, wie er denkt und warum er so denkt.

4.Der Therapeut hat keine Ansprüche an den Klienten, der Klient kann thematisieren, was immer er will.

Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung

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5.Es ist förderlich mit dem Klienten über unproblematische Themen zu reden: Was tut er gerne? Was interessiert ihn? (Der Pat. muss beim Therapeuten nicht darum kämpfen, akzeptiert zu werden).

6.Wichtig: Therapeut nimmt Stärken und Ressourcen des Klienten wahr!

7.Therapeut hält Patienten für kompetent, für fähig, für entschlussstark (und der Therapeut findet Bsp. wo der Pat. genau diese Merkmale zeigt..)

Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung

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Vorsichtig - nach Aufbau der Beziehung - können zentrale Beziehungsmotive explizit gemacht werden:

Bedürfnis nach Kontrolle, nach Anerkennung, Wichtigkeit, Solidarität, Autonomie und Selbstbestimmung.

Motivebene: Arbeiten mit komplementärer Beziehungsgestaltung

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• Beck/Freemann: Kognitive Therapie der Persönlichkeitsstörungen• Fiedler: Persönlichkeitsstörungen• Saß/Herpertz: Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen. Beiträge zu

einem schulenübergreifenden Vorgehen.• Herpertz/Saß: Persönlichkeitsstörungen• Tress W./Wöller W./Hartkamp W./Langenbach M/Ott J.:

Persönlichkeitsstörungen. Leitlinien und Quellentexte• Millon: Disorder of personality• Sachse: Psychologische Psychotherapie der Persönlichkeitsstörungen• Trautmann-Sponsel/Zaudig: Diagnostik und Differentialdiagnostik der

Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV• Young J et al. (2005): Schematherapie. Paderborn: Junfermann• Luborsky L (1984): A manual for supportive-expressive dynamic psychotherapy• Albani, Pokorny, Blaser, Kächele: Beziehungsmuster und Beziehungskonflikte

Manual zur Methode des Zentralen Beziehungskonflikt-Themas (ZBKT). Ergänzungen und Weiterentwicklung der Leipzig-Ulmer ZBKT-Arbeitsgruppe (ZBKTLU)

Literaturliste Persönlichkeitsstörung

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Young, J & Klosko, J. (2008) Sein Leben neu erfinden. Wie Sie Lebensfallen meistern. Junfermann.

Kommentar: Zwanghafte Persönlichkeitszüge werden hier als „Variante der Lebensfalle Verletzbarkeit“ behandelt (ab S. 231):

Übertriebene Sorgen vor Mittellosigkeit : Pat. hält Geld zusammenÜbertriebene Vorsicht: nicht Eingehen von RisikenÜbertriebene Anstrengungen: sich vor Verbrechen zu schützen.Grundsätzliche Vermeidung im Alltag.„Bewältigungsmechanismen“, die Gefahren abwehren, wie bspw. Symptome der Zwangsstörung oder abergläubisches Denken.

Literaturliste Persönlichkeitsstörungen : Selbsthilfeliteratur

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Vielen Dank

für Ihre

Aufmerksamkeit!

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr K., 26 J., ohne Ausbildung, ledig, Single

Symptomatik:Antriebs- und Motivationslosigkeit, sozialer Rückzug, Schüchternheit , in Leistungssituationen nervös, zittern, schwitzen. Sorgen, Grübeleien, Zukunftsängste. Orientierungslosigkeit, Einsamkeit. Suizidgedanken erstmalig 2008.

Gelegenheitsraucher, mäßiger Alkoholkonsum.

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr K: Starke Abwertung in der Kindheit

„Du bist nichts! Du kannst nichts! Das wird eh nichts!“

Mit Bruder (+5 J.) bis zum 13 LJ bei Mutter (+30, Kindergärtnerin) und Vater (+34, Maurer) aufgewachsen. Nach der Scheidung mit Mutter nach Radebeul gezogen. Stets zum Vater Kontakt gesucht .Neuer Lebenspartner der Mutter herrschsüchtig und rechthaberisch.

Mutter häufig abwertend: „Du nimmst Dir zu viel vor und schaffst es dann nicht“. Als Kind vom Vater geschlagen und stark abgewertet. Vater sei nach der Scheidung kaum noch verfügbar gewesen („er hat mich hängen lassen“).

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr K: Beziehungserfahrungen in der Kindheit/Jugend

Mit 13. LJ Scheidung der Eltern erlebt, seitdem Antriebsproblematik. Offene Konflikte der Eltern, Bruder bereits im eigenen Haushalt: Den Streitigkeiten der Eltern gegenüber „allein ausgesetzt gewesen“.

Schulschwierigkeiten mach Wechsel der Mittelschule („die Mitschüler hatten schon Grüppchen gebildet“). Mit 18 Jahren Hauptschulabschluss absolviert (“Ich schäme mich für meine Noten“)

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr K: Beziehungserfahrungen Partnerschaft

Eine Partnerschaft gehabt, die Partnerin habe ihn wegen eines anderen verlassen. Er habe sich damals um sie gekümmert, als sie sich eine Lehrstelle suchen musste. Sei sehr redegewandt gewesen, wenn er für sie gesprochen habe („nur für mich selbst kriege ich nicht den Mund auf“).

Ihre Eltern „hätten ihn nie gemocht“, er habe nichts recht machen können.

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Herr K: Zentrale Schemata der Beziehungserfahrungen

Abwertung und familiären Unsicherheit als Ursprung dysfunktionaler Überzeugungen und emotionaler Fehlanpassung. Drang nach Rigidität entspringt dem Sicherheitsbedürfnis.

Als besonders schlimm beschreibt der Patient die Zeit, in welcher sich die Eltern haben scheiden lassen. In dieser Zeit sei er „entwurzelt“ worden.

Er habe sich vor allem allein gelassen gefühlt, sowohl von Mutter als auch Vater „Ich wurde hängen gelassen. Dichotome Schemata (es gibt nur richtige oder falsche Verhaltensweisen) führen zum Teil zum Stillstand zielgerichteten Verhaltens („ich laufe dann stundenlang im Kreis im Zimmer und vergesse Termine“).

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr W., 48 J., Diplomökonom, ledig (in Partnerschaft lebend)

Symptomatik:Kontrollzwänge, Herd und Haustür, Fenster, Tierkäfige. Sammelzwänge (Sammelleidenschaft), Zeitungen, Kassenzettel, Wurfsendungen.

Entscheidungsschwierigkeiten, Herzleistungsminderung seit Nov. 2009, daraus folgend vermehrt Ängste.

Lustlosigkeit

bis zur stationären Therapie Alkoholmissbrauch

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr W: Kindheit

„Ich war Hans Dampf in allen Gassen“

Er sei neugierig gewesen, manchmal frech, aber auch mal unglücklich, insgesamt ein Kind voller Ideen.

Nägelkauen bis 15 Jahre. Zwei- bis dreimal sei er zwischen den Jahren 1967 und 1969 von zu Hause fortgelaufen. Mit 5 Jahren allein mit Kinderroller zum Flughafen, einmal der Oma bei Ausflug entwischt und allein durch ganz Dresden gefahren.

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr W: Beziehungserfahrungen in der Kindheit/Jugend

Aufgewachsen bei alleinerziehender Mutter (+27, Kinderpflegerin), Vater (nahezu) unbekannt, aus Bulgarien, lebt dort mit eigener Familie (mit 27 J. hat Pat. Vater aufgesucht – ihn als Alkoholiker wahrgenommen, gewünscht, dass dies nicht sein Vater sei).

Großvater (ms) versuchte Vaterrolle zu übernehmen, auch der Onkel (ms), signalisierte gleichzeitig, dass Pat. mit Mutter bei ihm in Berlin „unerwünscht“ seien, sollten lieber in DD wohnen bleiben, da er eigene Familie zu versorgen habe. Mutter hatte nur wenige kurzfristige Beziehungen, Pat. keinen „wirklichen“ Stiefvater erlebt.

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr W: Beziehungserfahrungen Partnerschaft

Die aktuelle Partnerin (41 Jahre) ist Physiotherapeutin und wird vom Patienten als einfühlsam und sehr lieb beschrieben (gibt alle Liebe die ein Mensch geben kann), mit Familiensinn und energisch. Das Paar kenne sich seit 1996.

Seit 2003 lebe der Patient mit seiner Partnerin in gemeinsamer Wohnung. Beim Ausbau der Wohnung habe vor allem die Verwandtschaft der Partnerin sehr intensiv mitgearbeitet. Er sei stolz auf das gemeinsame Heim was sie sich geschaffen haben. An der Partnerin störe ihn, dass sie manchmal zu impulsiv sei.

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Fallbeispiele: Patienten im Anankastischer PS

Herr W: Zentrale Schemata der Beziehungserfahrungen

Als besonders schlimm beschreibt der Patient die Zeit, in welcher er ohne Partnerin alleine gelebt habe. In dieser Zeit habe er angefangen Dinge zu sammeln, was ihm das Gefühl von Sicherheit verschafft habe.

Aufrechterhaltende Faktoren: Sicherheitserleben, Selbstberuhigung durch Kontrolle. Es wird „zusammengesammelt was zusammengehört“, sogar bevor es weggeworfen wird (Weinflaschen einer Kiste können nicht einzeln entsorgt werden).

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Herr W: Zentrale Schemata der Beziehungserfahrungen

Bedürfnis nach Zugehörigkeit, welche in der Kindheit vermisst wurde.

Interaktionsmuster zur Mutter: Zuwendung teilweise überversorgend mit Schuldgefühlen versetzt: Aus dem „Hans Dampf in allen Gassen“ einen Menschen prägen, der Expansivität vermeidet (Betriebswirt statt Regisseur, lieber keine Entscheidung treffen, als eine falsche Entscheidung).