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Knick in der 8/2009 NaturFoto 13 Fotopraxis 12 NaturFoto 8/2009 Für die Vertei- lung der Schärfen- tiefe in einem Bild gelten in der Praxis ein paar Faustregeln, die viele denkbare Foto-Situatio- nen erfassen und mit deren Einhal- tung man im Allgemeinen zumin- dest keinen großen Fehler begeht. So blendet man beispielsweise in der Tier- oder Pflanzenfotografie mit langer Brennweite oder mit dem Makroobjektiv meistens soweit auf, dass das abgelichtete Objekt vor seinem Hintergrund frei ge- stellt und der Blick des Betrachters auf die scharfen Bildteile gelenkt ist. In der Landschaftsfotografie mit (oft) kurzen Brennweiten blendet man dagegen meistens ab, gilt es doch häufig, die Landschaft in ihrer gesamten Tiefe möglichst scharf abzubilden. In allen Fällen steht je- doch vor dem Druck auf den Aus- löser – bestenfalls – eine bewusste Entscheidung über die Ausdehnung und die Lage der Schärfeebene im Bild. Maßgebliche Parameter für die Ent- scheidungsfindung sind einerseits Verschlusszeit und Blendenöffnung und andererseits Entfernung und Tiefenausdehnung des Fotoobjekts so- wie die äußeren Be- dingungen. Immer wieder sind es jedoch gerade die Wetterbedingun- gen, die dem Wunsch nach mehr Schärfentiefe entgegenstehen. Manchmal bedeutet jeder kleine Lufthauch eine Störung, deren Ver- meidung gewissermaßen mit we- niger Schärfentiefe, das heißt einer größeren Blendenöffnung oder einer höheren ISO-Zahl regelrecht er- kauft werden muss. Ein wenig Theorie Aber auch unter optimalen Witte- rungsbedingungen lässt sich die Schärfentiefe nicht beliebig aus- dehnen. Denn Objektive bilden im- mer nur eine Ebene des Raumes scharf ab. Vor und hinter der durch die Entfernungseinstellung einge- stellten Schärfeebene befindet sich der Bereich der Schärfentiefe, den das Objektiv, abhängig von der ein- gestellten Blende und dem Abbil- dungsmaßstab, noch ausreichend scharf abbildet. Dieser Schärfen- tiefenbereich erstreckt sich bis zum Abbildungsmaßstab von 1:1 von der Kamera aus betrachtet parallel zur Bildebene zu etwa einem Drittel vor der Bildebene und zu etwa zwei Dritteln hinter der Bildebene. Bei größeren Abbildungsmaßstäben verteilt sich die Schärfentiefe zu gleichen Teilen vor und hinter der eingestellten Schärfeebene. Ist die Tiefenausdehnung des Objekts groß, erweitert der Fotograf in der Regel durch Schließen der Blende den Schärfentiefebereich, um das abgebildete Objekt möglichst voll- ständig scharf darzustellen. Auch bei völlig geschlossener Blende er- streckt sich die Schärfentiefe je- doch nicht von der Frontlinse bis in den unendlichen Bereich, ein kom- plett von „vorne bis hinten“ scharfes Bild ist damit nicht möglich, da die Bildebene, die Objektivebene und die Sensor- bzw. Filmebene parallel zueinander liegen. Einen Ansatz zur Behebung die- Die Vorteile für die Praxis liegen auf der Hand. Einerseits können schon geringe Verschwenkungswinkel von unter 10° – in Abhängigkeit von verwendeter Brennweite und Ob- jektdistanz – im Bild für eine au- ßerordentlich große Schärfentiefe sorgen, die weit über der liegt, die selbst bei komplett geschlossener Blende zu erzielen ist. Damit einher geht natürlich eine entsprechend kürzere Belichtungszeit – hervorra- gend geeignet um die Gefahr von Verwacklungsunschärfen zu verrin- gern. Zu Beachten ist nur, dass be- dingt durch die Keilform des scharf abzubildenden Bereichs dieser un- mittelbar vor der Frontlinse am schmalsten ist und ggf. nicht die volle Höhe beispielsweise einer fo- tografierten Pflanze umfasst. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, Schärfentiefe äußerst selektiv einzusetzen, wenn das Ob- jektiv so verschwenkt wird, dass große Bildteile praktisch aus dem Schärfentiefenbereich eliminiert wer- den. Die gängigsten Geräte zur Anwen- dung des Scheimpflugschen Prin- zips in der Kleinbildfotografie sind mit Verschwenkmöglichkeiten aus- gestattete Balgengeräte, wie sie v.a. in der Makrofotografie Verwendung finden, und Tilt-Objektive, deren maximaler Verschwenkungswinkel in der Regel nicht mehr als 10° be- trägt. Letztgenannte Objektive sind meist auch noch mit einer Shift- Funktion ausgestattet, der Mög- lichkeit zur parallelen Verschiebung von Sensor- und Objektivebene, was insbesondere in der Architek- turfotografie zur Vermeidung „stür- zender Linien“ häufig genutzt wird. Weiterhin sind hier die typischen Großformat-Fachkameras zu nen- nen, deren Verstellmöglichkeiten zwar prinzipiell denen der zuvor be- schriebenen Geräte entsprechen, aber weitaus größere Spielräume und Verstellwinkel bieten. Zörk Multi-Focus-System Das von mir getestete Zörk Multi- Focus-System besteht aus mehreren Komponenten und bietet v. a. in der Makrofotografie und mit Abstri- ses physikalisch bedingten Nach- teils in der Fotografie hat als erster wohl der österreichische Seekapitän und Kartograf Theodor Scheim- pflug (1865-1911) in dem nach ihm benannten „Scheimpflugschen Prin- zip“ geliefert. Danach müssen Objektiv- und Film- /Sensorebene gegeneinander ver- schwenkt werden, damit sich die beiden Ebenen miteinander schnei- den. Die Bildebene verlagert sich durch das Verschwenken der Ob- jektivebene ebenfalls und schneidet sich mit den beiden Ebenen in ei- nem gemeinsamen Schnittpunkt. Im Ergebnis bildet im Falle des Verschwenkens der Objektivebene die Schärfentiefe einen Keil, der mit zunehmender Entfernung von der Kamera an Breite gewinnt. chen auch in der Landschaftsfoto- grafie interessante Möglichkeiten, viel kreativer als bei der Fotografie mit starren Optiken mit selektiver Schärfentiefe zu experimentieren. Zentrale Komponente ist der Schwenk-Tubus, der mittels Adapter an nahezu jede analoge oder digi- tale Kleinbild- bzw. APS-C-Format- Kamera (auch Vollformat und ana- log) sowie auch an Mittelformatka- mera mit Schlitzverschluss adap- tierbar ist. Das Kugelelement im Schwenk-Tubus erlaubt allseitige Verschwenkungen um bis zu 30°. Eine Wiese mit Wiesenschaumkraut, fotografiert mit dem Apo Rodagon 4/80 mm an der D300. Das linke Bild wurde mit unverschwenktem Tubus bei Blende 5,6 und 1/40 Sekunden Belichtungszeit fotografiert. Beim rechten Bild wurde der Tubus um we- nige Grad nach unten geschwenkt und die Kamera – um den gleichen Ausschnitt wie im linken Bild abzu- lichten – leicht nach oben geneigt. Bei identischen Einstellungen er- streckt sich der Schärfentiefenbereich praktisch über die ganze Wiese. Basis des Zörk Multi-Focus-Systems ist der um bis zu 30° schwenkbare Tubus. Die Fokussierung erfolgt über die Mini-Makro-Schnecke, die 34 mm Verstellweg bietet. An der Makroschnecke wird dann das Objektiv befestigt. Das kann ein von Zörk Film- und Fototechnik vertriebenes, hochwertiges Vergrößerungsobjektiv oder auch ein über einen Umkehrring angebrachtes 50 mm Kleinbild-Normalobjektiv sein. Um sehr große Abbildungsmaßstäbe zu erzielen, kann man zwischen Schwenk tubus und Adapter Zwischenringe montieren, die es in Längen von 32, 50 und 100 mm gibt. Das Set, bestehend aus Schwenktubus, Makroschnecke und Kameraadapter, kostet rund 400 . Der Satz Zwischenringe schlägt mit rund 80 zu Buche und für ein zur Fokussierung auf Unendlich modifiziertes Apo Rodagon 4/80 mm sind weitere 550 fällig. Das modulare Zörk Multi-Focus-System gestattet es, die Technik der Schärfendehnung durch Kippen der Objek- tivachse mit nahezu allen digitalen und analogen Spiegel- reflexkameras zu nutzen und stellt so eine besonders leichte und flexible Alternative zu schwenkbaren Balgen- geräten oder den sehr teuren und nicht für alle Kamerasysteme in unterschiedlichen Brennweiten verfügbaren Tilt-Shift-Objektiven dar. Makrofotografie mit dem Zörk Multi-Focus-System Die beiden Abbildungen veranschaulichen, wel- chen Veränderungen der Schärfentiefenbereich beim Verschwenken der Objektivebene gegen die Sensorebene unterliegt. Die Parallelität zwischen den drei Ebenen (links) wird aufgehoben. Der Schärfentiefenkeil (rechts) läuft zum Schnittpunkt der drei Ebenen hin spitz zu. Dort, wo er dem Objektiv am nächsten ist, ist die Schärfentiefe am geringsten. (Abbildungen: Zörk Film- und Fototechnik) Optik

Knick in der Makrofotografie mit pdem Zörk Multi-Focus-System · 2017-07-19 · Knick in der 8/2009 NaturFoto 13 Fotopraxis 12 NaturFoto 8/2009 Für die Vertei-lung der Schärfen-tiefe

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Knick in der

8/2009 NaturFoto 13

Fotopraxis

12 NaturFoto 8/2009

Für die Vertei-lung der Schärfen-

tiefe in einem Bild geltenin der Praxis ein paar Faustregeln,die viele denkbare Foto-Situatio-nen erfassen und mit deren Einhal-tung man im Allgemeinen zumin-dest keinen großen Fehler begeht.So blendet man beispielsweise inder Tier- oder Pflanzenfotografiemit langer Brennweite oder mitdem Makroobjektiv meistens soweitauf, dass das abgelichtete Objektvor seinem Hintergrund frei ge-stellt und der Blick des Betrachtersauf die scharfen Bildteile gelenkt ist.In der Landschaftsfotografie mit(oft) kurzen Brennweiten blendetman dagegen meistens ab, gilt esdoch häufig, die Landschaft in ihrergesamten Tiefe möglichst scharfabzubilden. In allen Fällen steht je-doch vor dem Druck auf den Aus-löser – bestenfalls – eine bewussteEntscheidung über die Ausdehnungund die Lage der Schärfeebene imBild. Maßgebliche Parameter für die Ent-scheidungsfindung sind einerseitsVerschlusszeit und Blendenöffnungund andererseits Entfernung und

Tiefenausdehnungdes Fotoobjekts so-wie die äußeren Be-dingungen. Immer

wieder sind es jedochgerade die Wetterbedingun-

gen, die dem Wunsch nach mehrSchärfentiefe entgegenstehen.Manchmal bedeutet jeder kleineLufthauch eine Störung, deren Ver-meidung gewissermaßen mit we-niger Schärfentiefe, das heißt einergrößeren Blendenöffnung oder einerhöheren ISO-Zahl regelrecht er-kauft werden muss.

Ein wenig TheorieAber auch unter optimalen Witte-rungsbedingungen lässt sich dieSchärfentiefe nicht beliebig aus-dehnen. Denn Objektive bilden im-mer nur eine Ebene des Raumesscharf ab. Vor und hinter der durchdie Entfernungseinstellung einge-stellten Schärfeebene befindet sichder Bereich der Schärfentiefe, dendas Objektiv, abhängig von der ein-gestellten Blende und dem Abbil-dungsmaßstab, noch ausreichendscharf abbildet. Dieser Schärfen-tiefenbereich erstreckt sich bis zumAbbildungsmaßstab von 1:1 vonder Kamera aus betrachtet parallelzur Bildebene zu etwa einem Drittelvor der Bildebene und zu etwa zwei

Dritteln hinter der Bildebene. Beigrößeren Abbildungsmaßstäbenverteilt sich die Schärfentiefe zugleichen Teilen vor und hinter dereingestellten Schärfeebene. Ist dieTiefenausdehnung des Objektsgroß, erweitert der Fotograf in derRegel durch Schließen der Blendeden Schärfentiefebereich, um dasabgebildete Objekt möglichst voll-ständig scharf darzustellen. Auchbei völlig geschlossener Blende er-streckt sich die Schärfentiefe je-doch nicht von der Frontlinse bis inden unendlichen Bereich, ein kom-plett von „vorne bis hinten“ scharfesBild ist damit nicht möglich, dadie Bildebene, die Objektivebeneund die Sensor- bzw. Filmebeneparallel zueinander liegen. Einen Ansatz zur Behebung die-

Die Vorteile für die Praxis liegen aufder Hand. Einerseits können schongeringe Verschwenkungswinkel vonunter 10° – in Abhängigkeit vonverwendeter Brennweite und Ob-jektdistanz – im Bild für eine au-ßerordentlich große Schärfentiefesorgen, die weit über der liegt, dieselbst bei komplett geschlossenerBlende zu erzielen ist. Damit einhergeht natürlich eine entsprechendkürzere Belichtungszeit – hervorra-gend geeignet um die Gefahr vonVerwacklungsunschärfen zu verrin-gern. Zu Beachten ist nur, dass be-dingt durch die Keilform des scharfabzubildenden Bereichs dieser un-mittelbar vor der Frontlinse amschmalsten ist und ggf. nicht dievolle Höhe beispielsweise einer fo-tografierten Pflanze umfasst. Andererseits besteht aber auch dieMöglichkeit, Schärfentiefe äußerstselektiv einzusetzen, wenn das Ob-jektiv so verschwenkt wird, dassgroße Bildteile praktisch aus demSchärfentiefenbereich eliminiert wer-den.

Die gängigsten Geräte zur Anwen-dung des Scheimpflugschen Prin-zips in der Kleinbildfotografie sindmit Verschwenkmöglichkeiten aus-gestattete Balgengeräte, wie sie v.a.in der Makrofotografie Verwendungfinden, und Tilt-Objektive, derenmaximaler Verschwenkungswinkelin der Regel nicht mehr als 10° be-trägt. Letztgenannte Objektive sindmeist auch noch mit einer Shift-Funktion ausgestattet, der Mög-lichkeit zur parallelen Verschiebungvon Sensor- und Objektivebene,was insbesondere in der Architek-

turfotografie zur Vermeidung „stür-zender Linien“ häufig genutzt wird.Weiterhin sind hier die typischenGroßformat-Fachkameras zu nen-nen, deren Verstellmöglichkeitenzwar prinzipiell denen der zuvor be-schriebenen Geräte entsprechen,aber weitaus größere Spielräumeund Verstellwinkel bieten.

Zörk Multi-Focus-SystemDas von mir getestete Zörk Multi-Focus-System besteht aus mehrerenKomponenten und bietet v. a. in derMakrofotografie und mit Abstri-ses physikalisch bedingten Nach-

teils in der Fotografie hat als ersterwohl der österreichische Seekapitänund Kartograf Theodor Scheim-pflug (1865-1911) in dem nach ihmbenannten „Scheimpflugschen Prin-zip“ geliefert. Danach müssen Objektiv- und Film-/Sensorebene gegeneinander ver-schwenkt werden, damit sich diebeiden Ebenen miteinander schnei-den. Die Bildebene verlagert sichdurch das Verschwenken der Ob-jektivebene ebenfalls und schneidetsich mit den beiden Ebenen in ei-nem gemeinsamen Schnittpunkt.Im Ergebnis bildet im Falle desVerschwenkens der Objektivebenedie Schärfentiefe einen Keil, dermit zunehmender Entfernung vonder Kamera an Breite gewinnt.

chen auch in der Landschaftsfoto-grafie interessante Möglichkeiten,viel kreativer als bei der Fotografiemit starren Optiken mit selektiverSchärfentiefe zu experimentieren.Zentrale Komponente ist derSchwenk-Tubus, der mittels Adapteran nahezu jede analoge oder digi-tale Kleinbild- bzw. APS-C-Format-Kamera (auch Vollformat und ana-log) sowie auch an Mittelformatka-mera mit Schlitzverschluss adap-tierbar ist. Das Kugelelement imSchwenk-Tubus erlaubt allseitigeVerschwenkungen um bis zu 30°.

Eine Wiese mit Wiesenschaumkraut,fotografiert mit dem Apo Rodagon

4/80 mm an der D300. Das linke Bildwurde mit unverschwenktem Tubusbei Blende 5,6 und 1/40 SekundenBelichtungszeit fotografiert. Beim

rechten Bild wurde der Tubus um we-nige Grad nach unten geschwenktund die Kamera – um den gleichenAusschnitt wie im linken Bild abzu-lichten – leicht nach oben geneigt.Bei identischen Einstellungen er-

streckt sich der Schärfentiefenbereichpraktisch über die ganze Wiese.

Basis des Zörk Multi-Focus-Systems ist der um bis zu 30° schwenkbare Tubus. DieFokussierung erfolgt über die Mini-Makro-Schnecke, die 34 mm Verstellweg bietet.An der Makroschnecke wird dann das Objektiv befestigt. Das kann ein von ZörkFilm- und Fototechnik vertriebenes, hochwertiges Vergrößerungsobjektiv oder auch ein über einen Umkehrring angebrachtes 50 mm Kleinbild-Normalobjektivsein. Um sehr große Abbildungsmaßstäbe zu erzielen, kann man zwischen Schwenk tubus und Adapter Zwischenringe montieren, die es in Längen von 32, 50 und 100 mm gibt. Das Set, bestehend aus Schwenktubus, Makroschnecke undKameraadapter, kostet rund 400 €. Der Satz Zwischenringe schlägt mit rund 80 €zu Buche und für ein zur Fokussierung auf Unendlich modifiziertes Apo Rodagon4/80 mm sind weitere 550 € fällig.

Das modulare Zörk Multi-Focus-System gestattet es,

die Technik der Schärfendehnung durch Kippen der Objek-

tiv achse mit nahezu allen digitalen und analogen Spiegel -

reflexkameras zu nutzen und stellt so eine besonders

leichte und flexible Alternative zu schwenkbaren Balgen-

geräten oder den sehr teuren und nicht für alle

Kamerasysteme in unterschiedlichen

Brennweiten verfügbaren

Tilt-Shift-Objektiven dar.

Makrofotografie mit dem Zörk Multi-Focus-System

Die beiden Abbildungen veranschaulichen, wel-chen Veränderungen der Schärfentiefenbereichbeim Verschwenken der Objektivebene gegen dieSensorebene unterliegt. Die Parallelität zwischenden drei Ebenen (links) wird aufgehoben. DerSchärfentiefenkeil (rechts) läuft zum Schnittpunktder drei Ebenen hin spitz zu. Dort, wo er dem Objektiv am nächsten ist, ist die Schärfentiefe amgeringsten. (Abbildungen: Zörk Film- und Fototechnik)

Optik

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8/2009 NaturFoto 15

Fotopraxis

derart selektiv mit Schärfentiefeumzugehen. Hierbei übertrifft dasSystem die Möglichkeiten einerstarren Optik um Längen. Fokussiert wird, da man bei demSystem auf die automatischeSpringblende verzichten muss, beioffener Blende und erst direkt vorder Belichtung wird die Blende so-weit wie erforderlich geschlossen. Allerdings traten auch Schwierig-keiten auf. Trotz des geringen Ge-samtgewichts des Systems, auchbei Verwendung der beiden klei-nen Zwischenringe, ist die Ge-samtlänge der Einheit doch bedeu-tend. Um Verwacklungsunschärfenzu vermeiden ist hierbei der Einsatzder Spiegelvorauslösung faktischunerlässlich. Die ersten Gegenlichtfotos zeigtenoft Reflexe im Bild, oder gar einenregelrechten Spot in der Bildmitte.Beide Fehler traten trotz Verwen-dung der mitgelieferten Sonnen-blende auf, ließen sich aber durch

den Einsatz einer dünnen Streu-lichtblende weitgehend vermeiden.Diese wird möglichst nah amSchwenk-Tubus eingesetzt, am bes-ten zwischen Adapter und Schwenk-Tubus, bzw. zwischen den Zwi-schenringen und dem Schwenk-Tubus. In manchen Fällen kann dieStreulichtblende aber auch zu Vi-gnettierungen führen, wenn nämlichmit sehr langen Auszügen gear-beitet wird und der Tubus beson-ders im Hochformat bis an seineGrenze verschwenkt wird. In diesenFällen muss die Blende wieder he-rausgenommen werden, dies giltv.a. beim Einsatz einer digitalenVollformatkamera oder einer ana-logen KB-Kamera.Von diesen Fällen abgesehen, kannman jedoch bedenkenlos den vollenVerschwenkwinkel ausnutzen, ohneVignettierungen auf dem Bild be-fürchten zu müssen, auch wenndas Sucherbild Vignettierungen zei-gen sollte.

Die Verwendung von Weitwinkel-objektiven ist aus technischen Grün-den nicht möglich, so dass fürLandschaftsfotografie im KB/DX-Format ebenfalls Vergrößerungs-objektive verwendet werden müs-sen. Das schließt leider viele Motiveaus, aber ein Foto einer Blumen-wiese, bei der die Pflanzen über diegesamte Bildtiefe hinweg scharfabgebildet sind – obwohl die Blendelediglich auf 5,6 geschlossen wurde– ist allemal möglich. Als weitere Einschränkung mussman bei den auf die Verwendung imNahbereich optimierten Vergröße-rungsobjektiven mit einer merklichreduzierten Abbildungsleistung beientfernten Motiven, wie etwa inder Landschaftsfotografie, leben.

FazitEine wesentliche Erkenntnis ausdem Test stand für mich schonnach den ersten Einsätzen fest. Fürungeduldige Fotografen ist das Sys-

tem nicht geeignet. Wer sich aller-dings genügend Zeit lässt, das Sys-tem kennen zu lernen, wer sichdaran gewöhnt, dass da und dortimmer wieder geschraubt und ge-dreht werden muss, wer sich damitabfindet, dass jede kleinste Ver-schwenkung des Tubus den Bild-ausschnitt verändert und gegebe-nenfalls eine entsprechende Kor-rektur erforderlich macht, der wirdan dem Multi-Focus-System seinehelle Freude haben.Gut 1.000 € kostet ein komplettesSystem einschließlich dem 4/80mm Apo-Rodagon. Dafür erhältman präzise verarbeitete und ar-beitende Geräte und ein gutes Ob-jektiv, dessen Abbildungsleistung imNahbereich das Niveau eines gutenMakroobjektivs erreicht. Da nicht wenige Naturfotografen einMakroobjektiv und vielfach aucheinen Satz Zwischenringe besitzen,wäre die Alternative zum Zörk Mul-ti-Focus-System die Anschaffungeines ebenfalls mit weitreichendenVerschwenkmöglichkeiten ausge-statteten Balgengerätes, wie etwadas Balpro T/S von Novoflex, das al-lerdings auch knapp 800 € kostet,zudem deutlich voluminöser undauch sonst nicht frei von technischbedingten, prinzipiellen Nachtei-len ist. Ich jedenfalls habe das Multi-Focus-System für die Dauer des Testssehr geschätzt. Insbesondere dasFotografieren mit großen Abbil-dungsmaßstäben bei gleichzeitigsehr selektiv platzierter Schärfentiefekann beeindruckende Ergebnisseliefern und fördert auf jeden Fallauch den „Spieltrieb“, was wieder-um oft zur Entwicklung neuer Seh-weisen führt. Karsten Mosebach

14 NaturFoto 8/2009

Mit einem griffigen Stellring regeltder Fotograf die Friktion, in der„Gerade-Position“ rastet der Tubusleicht ein. In die Frontseite desSchwenk-Tubus ist mit der Mini-Ma-kro-Schnecke eine weitere Kompo-nente eingeschraubt. Diese Schne-cke ist das Fokussierelement desSystems. Ihre drei Elemente sindüber ein präzise laufendes Schne-ckengewinde miteinander verbun-den. Der Verstellweg beträgt 34mm, was nahezu einer vollen Um-drehung entspricht. Der Schwenk-Tubus und die Mini-Makro-Schne-

cke bringen gemeinsam (ohneAdapter) gerade einmal 97 g auf dieWaage und sind damit deutlichleichter als jedes Balgengerät. Ander Frontseite der Mini-Makro-Schnecke muss noch das Objektiveingeschraubt werden. Zörk Film-und Fototechnik bietet dazu eineAuswahl verschiedener Vergröße-rungsobjektive wie das 4/80 mmApo-Rodagon-N (135 g) von Ro-denstock (heute Linos AG) oderdas 4/80 mm M-Componon (112 g)von Schneider Kreuznach an, grund-sätzlich besteht aber auch die Mög-

lichkeit, ein vielleicht bereits vor-handenes Normalobjektiv in Re-trostellung über einen Adapter zubefestigen. Gegenüber Normalob-jektiven besitzen Vergrößerungs-objektive allerdings einen größe-ren Bildkreis, was Vignettierungenauch bei großem Verschwenk-Win-kel vermeidet. Vergrößerungsob-jektive zeigen zumeist gerade imNahbereich hervorragende Abbil-dungseigenschaften. Außerdem be-sitzen viele der aktuellen Normal-objektive der führenden Herstellerkeinen eigenen Blendenring, sodass in der Praxis Fotos entwedernur mit vollständig offener odergeschlossener Blende möglich sind.Diesbezüglich Abhilfe schaffen nurältere Objektive mit manuell be-dienbarem Blendenring.Wer in der Makrofotografie hoheAbbildungsmaßstäbe erreichen will,muss zwischen Schwenk-Tubus undAdapter noch einen oder mehrereder Zwischenringe schrauben, die in

den Längen 32 mm (66 g), 50 mm(104 g) und 100 mm (210 g) erhältlich sind.

Die PraxisVor dem ersten Einsatz steht einStudium der Bedienungsanleitung,andernfalls fällt dem Ungeübtendie Zuordnung und das Zusam-mensetzen der Komponenten rechtschwer. Auch dass alle Teile im-mer wieder neu zusammenge-schraubt werden müssen, bedarf einiger Eingewöhnungszeit. Sindschließlich alle Verbindungen her-gestellt, eröffnet sich demjenigen,der mit Balgengeräten und Tiltob-jektiven noch keine Erfahrungengesammelt hat, eine neue Welt.Kleinste Verschwenkungen ergebengerade im Nahbereich mit der oh-nehin nur geringen Schärfentiefe im-mer völlig neue Bilder. Immer wie-der verleitete mich das Systemdazu, mit offener Blende zu foto-grafieren, zu faszinierend war es,

Die Schwarzdornblüte im diffusen Gegenlicht wurde mit zwei Zwischenringen (32 und 50 mm) und vollständig geöffneter Blende fotografiert. Der Schärfentiefen -bereich ist bei diesem Abbildungsmaßstab äußerst gering und daher ein sorgfältigesFokussieren von großer Bedeutung. Durch die Verschwenkmöglichkeiten ergebensich auch im extremen Nahbereich interessante zusätzliche Optionen der Gestal-tung, aufgrund der so möglichen, genauen Anpassung des Verlaufs der Schärfe -ebene. Jeder leichte Schwenk kann dabei die Bildwirkung deutlich verändern. Nikon D300, Zörk Multi Focus System mit APO-Rodagon 4/80 mm, Blende 4, 1/40 Sek., ISO 200, Stativ, Zwischenringe

Eine Waldmeisterpflanze von untenfotografiert. Dank des Schwenk-Tubuslassen sich auch sonst nur sehrschwer mögliche Perspektiven errei-chen. Aber schon kleinste Verschwen-kungen verändern den Bildausschnittsehr stark, so dass unter Umständenletztlich viel Zeit bis zum Druck aufden Auslöser vergeht, da man immerwieder wechselweise die Verschwen-kung und den Bildausschnitt korri-giert. Hektik ist hier fehl am Platz undso mancher mag sich da mit einemunerwartet strapaziösen Geduldsspielkonfrontiert sehen.Nikon D300, Apo Rodagon 4/80 mm, 32 mmZwischenring, Blende 4, 1/10 Sek., ISO 320