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Chondrozytenimplantation versus Mikrofrakturierung Knorpelreparatur im Knie: Der Zeitpunkt zählt Ein belgisch-niederländisches Ärzteteam ging in einer randomisierten kontrollierten Studie der Frage nach, welches Verfahren in der Firstline-Therapie schmerzhafter Knorpelläsionen im Kniegelenk mittelfristig bessere klinische Ergebnisse liefert, die knochenmarkstimulierende arthroskopische Mikrofrakturierung (MF) oder die regene- rative autologe Chondrozytenimplantation (ACI). Das Resultat nach fünährigem Follow- up: Beide Therapieverfahren führten zu einer gleichwertigen Verbesserung im Overall KOOS (Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score), einem Fragebogen für Kniepa- tienten, in dem Schmerzen, Alltagsfunktion, Funktionalität im Sport und Lebensqualität abgefragt werden [Vanlauwe J et al. Am J Sports Med 2011;39:2566–74]. Bei der Chondrozytenimplantation scheint der Zeitfaktor eine wichtige Rolle zu spielen: Erfolgte die ACI binnen drei Jahren nach Symptombeginn, besserten sich die KOOS- Werte deutlich mehr als nach Mikrofrakturierung im selben Zeitraum; der Unterschied betrug 10,69 Prozentpunkte zugunsten der ACI. Als klinisch relevante Besserung gelten bereits 9 Prozentpunkte. Bei einem späteren Eingriff dagegen verflüchtigte sich der therapeutische Vorteil der ACI. Einer Reintervention mussten sich 13,7% der 57 ACI-Patienten und 16,4% der 61 MF- Patienten unterziehen; der Unterschied war nicht signifikant. Unter den Nebenwirkun- gen dominierten in beiden Therapiegruppen Arthralgien (75% vs. 62%), die ACI-Gruppe wies vor allem in den ersten drei Jahren deutlich häufiger Gelenkschwellungen (22% vs. 7%) und Krepitationen (12% vs. 2%) auf. Dr. Elke Oberhofer © RODR09 / Shutterstock.com © prluka – Fotolia.com Spitzenleistungen im OP Je älter desto besser? Nicht bei Chirurgen! Glaubt man Feinschmeckern, wird Wein mit zunehmendem Alter immer besser. Für Chirurgen scheint dies nur eingeschränkt zu gelten. Im Vergleich zu 35- bis 50-jährigen Operateuren schneiden nicht nur jüngere, ungeübte Ärzte, sondern auch Kollegen mit über 20-jähriger OP-Praxis schlechter ab. Zu diesem Ergebnis kam eine französische Studie, in der die Leistung von Chirurgen bei Thyreoidektomien beurteilt wurde [Duclos A et al. BMJ 2012;344:d8041; Epub 10 January 2012; doi: 10.1136/bmj.d8041]. Als Qualitätsindikatoren dienten bleibende Rekurrensparesen und Fälle von Hypopara- thyreoidismus. Das Komplikationsrisiko wurde vor allem durch patientenabhängige Faktoren be- stimmt. Bei vergleichbaren Patienten war das Risiko jedoch höher (Odds Ratio 3,06 bzw. 7,56), wenn der Chirurg seit mehr als 20 Jahren im OP stand und nicht „nur“ 5 bis 19 Jahre Berufserfahrung hatte. Wurde die Thyreoidektomie von 35- bis 50-jährigen Chirurgen ausgeführt, war das Operations- ergebnis besser als bei jüngeren oder älte- ren Kollegen. Mangel an Erfahrung bei jungen Chirurgen wird der Studie zufolge nicht durch die Tätigkeit an einem Kranken- haus mit hohen Fallzahlen kompensiert. Umgekehrt garantiert auch jahrzehntelan- ge Erfahrung allein keine Spitzenleistungen im OP. Dr. Beate Schumacher Konsens unter Experten Fünf klinische Zeichen sprechen für Hüftdysplasie Pädiatrisch-orthopädische Chirurgen haben in einem Konsensusverfahren fünf klinische Kriterien für die Diagnose früh- kindliche Hüftgelenksdysplasie (HGD) erar- beitet [Roposch A et al. Clin Orthop Res 2011;469:3451–61]. Die Konsensbildung er- folgte im Zuge eines Delphi-Prozesses, einer mehrstufigen, abgleichenden Befragung. Zunächst wurden in einem Survey mit allen Mitgliedern der European Paediatric Ortho- paedic Society (EPOS) 212 Kriterien ermit- telt, die in der HGD-Diagnostik angewendet werden. Die wichtigsten wurden an 261 Spezialisten in 34 Ländern zur weiteren Konsensusbildung verschickt. Am Ende des Findungsprozesses standen fünf klinische Kriterien fest, die nach inter- national übereinstimmender Ansicht für das Vorliegen einer HGD sprechen (nach absteigender Wichtigkeit geordnet): 1. positives Barlow- bzw. Ortolani-Manöver 2. Abduktionsasymmetrie ≥ 20% 3. Beckenendlage 4. Fußlängendifferenz/Galeazzi-Zeichen 5. Verwandter ersten Grades, der wegen HGD behandelt worden ist. Die Autoren des Konsensuspapiers hoffen, das diagnostische Dickicht um die HGD gelichtet zu haben. Damit wäre ein wesent- liches Hindernis auf dem Weg zu einer kor- rekten und rechtzeitigen Diagnose einer der häufigsten kongenitalen muskuloskele- talen Störungen beseitigt. Für künftige Therapiestudien stehen damit zudem klare Inklusionskriterien zur Verfügung. Dies sollte es erleichtern, die Erfolgsraten der einzelnen Verfahren zu vergleichen. Dr. Robert Bublak 8 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2012; 15 (1) Panorama

Knorpelreparatur im Knie: Der Zeitpunkt zählt

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Page 1: Knorpelreparatur im Knie: Der Zeitpunkt zählt

Chondrozytenimplantation versus Mikrofrakturierung

Knorpelreparatur im Knie: Der Zeitpunkt zählt — Ein belgisch-niederländisches Ärzteteam ging in einer randomisierten kontrollierten

Studie der Frage nach, welches Verfahren in der Firstline-Therapie schmerzhafter Knorpelläsionen im Kniegelenk mittelfristig bessere klinische Ergebnisse liefert, die knochenmarkstimulierende arthroskopische Mikrofrakturierung (MF) oder die regene-rative autologe Chondrozytenimplantation (ACI). Das Resultat nach fünfjährigem Follow-up: Beide Therapieverfahren führten zu einer gleichwertigen Verbesserung im Overall KOOS (Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score), einem Fragebogen für Kniepa-tienten, in dem Schmerzen, Alltagsfunktion, Funktionalität im Sport und Lebensqualität abgefragt werden [Vanlauwe J et al. Am J Sports Med 2011;39:2566–74].Bei der Chondrozytenimplantation scheint der Zeitfaktor eine wichtige Rolle zu spielen: Erfolgte die ACI binnen drei Jahren nach Symptombeginn, besserten sich die KOOS-Werte deutlich mehr als nach Mikrofrakturierung im selben Zeitraum; der Unterschied betrug 10,69 Prozentpunkte zugunsten der ACI. Als klinisch relevante Besserung gelten bereits 9 Prozentpunkte. Bei einem späteren Eingriff dagegen verflüchtigte sich der therapeutische Vorteil der ACI.Einer Reintervention mussten sich 13,7% der 57 ACI-Patienten und 16,4% der 61 MF-Patienten unterziehen; der Unterschied war nicht signifikant. Unter den Nebenwirkun-gen dominierten in beiden Therapiegruppen Arthralgien (75% vs. 62%), die ACI-Gruppe wies vor allem in den ersten drei Jahren deutlich häufiger Gelenkschwellungen (22% vs. 7%) und Krepitationen (12% vs. 2%) auf. Dr. Elke Oberhofer

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Spitzenleistungen im OP

Je älter desto besser? Nicht bei Chirurgen!

— Glaubt man Feinschmeckern, wird Wein mit zunehmendem Alter immer besser. Für Chirurgen scheint dies nur eingeschränkt zu gelten. Im Vergleich zu 35- bis 50-jährigen Operateuren schneiden nicht nur jüngere, ungeübte Ärzte, sondern auch Kollegen mit über 20-jähriger OP-Praxis schlechter ab. Zu diesem Ergebnis kam eine französische Studie, in der die Leistung von Chirurgen bei Thyreoidektomien beurteilt wurde [Duclos A et al. BMJ 2012;344:d8041; Epub 10 January 2012; doi: 10.1136/bmj.d8041]. Als Qualitätsindikatoren dienten bleibende Rekurrensparesen und Fälle von Hypopara-thyreoidismus.Das Komplikationsrisiko wurde vor allem durch patientenabhängige Faktoren be-stimmt. Bei vergleichbaren Patienten war das Risiko jedoch höher (Odds Ratio 3,06 bzw. 7,56), wenn der Chirurg seit mehr als 20 Jahren im OP stand und nicht „nur“ 5 bis 19 Jahre Berufserfahrung hatte. Wurde die Thyreoidektomie von 35- bis 50-jährigen Chirurgen ausgeführt, war das Operations-ergebnis besser als bei jüngeren oder älte-ren Kollegen. Mangel an Erfahrung bei jungen Chirurgen wird der Studie zufolge nicht durch die Tätigkeit an einem Kranken-haus mit hohen Fallzahlen kompensiert. Umgekehrt garantiert auch jahrzehntelan-ge Erfahrung allein keine Spitzenleistungen im OP. Dr. Beate Schumacher

Konsens unter Experten

Fünf klinische Zeichen sprechen für Hüftdysplasie — Pädiatrisch-orthopädische Chirurgen

haben in einem Konsensusverfahren fünf klinische Kriterien für die Diagnose früh-kindliche Hüftgelenksdysplasie (HGD) erar-beitet [Roposch A et al. Clin Orthop Res 2011;469:3451–61]. Die Konsensbildung er-folgte im Zuge eines Delphi-Prozesses, einer mehrstufigen, abgleichenden Befragung. Zunächst wurden in einem Survey mit allen Mitgliedern der European Paediatric Ortho-paedic Society (EPOS) 212 Kriterien ermit-telt, die in der HGD-Diagnostik angewendet werden. Die wichtigsten wurden an 261 Spezialisten in 34 Ländern zur weiteren Konsensusbildung verschickt.Am Ende des Findungsprozesses standen fünf klinische Kriterien fest, die nach inter-national übereinstimmender Ansicht für das Vorliegen einer HGD sprechen (nach

absteigender Wichtigkeit geordnet):1. positives Barlow- bzw. Ortolani-Manöver2. Abduktionsasymmetrie ≥ 20%3. Beckenendlage4. Fußlängendifferenz/Galeazzi-Zeichen5. Verwandter ersten Grades, der wegen HGD behandelt worden ist.Die Autoren des Konsensuspapiers hoffen, das diagnostische Dickicht um die HGD gelichtet zu haben. Damit wäre ein wesent-liches Hindernis auf dem Weg zu einer kor-rekten und rechtzeitigen Diagnose einer der häufigsten kongenitalen muskuloskele-talen Störungen beseitigt. Für künftige Therapiestudien stehen damit zudem klare Inklusionskriterien zur Verfügung. Dies sollte es erleichtern, die Erfolgsraten der einzelnen Verfahren zu vergleichen. Dr. Robert Bublak

8 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2012; 15 (1)

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