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Knut Krüger Nur mal schnell das Mammut retten

Knut Krüger Nur mal schnell das Mammut retten · das Mammut retten. Knut Krüger , geboren , arbei-tete nach seinem Germanistikstu-dium im Buchhandel und Verlags-wesen. Er ist heute

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  • Knut KrügerNur mal schnell

    das Mammut retten

  • Knut Krüger, geboren 1966, arbei-tete nach seinem Germanistikstu-dium im Buchhandel und Verlags-wesen. Er ist heute freier Autor,Lektor und Übersetzer für englischeund skandinavische Literatur. KnutKrüger lebt mit seiner Familie inMünchen.

    Eva Schöffmann-Davidov hat schon als Kind alles gezeich-net, was ihr vor den Pinsel kam. Sie besuchte die FreieKunstwerkstatt in München und studierte Grafik-Designin Augsburg. Bis heute illustriert sie mit großem Erfolgzahlreiche Bestseller, vorwiegend für Kinder- und Jugend-buchverlage. Sie lebt mit ihrer Familie in Augsburg.

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  • Knut Krüger

    Nur mal schnell

    das Mammut retten

    Mit Illustrationen vonEva Schöffmann-Davidov

  • Ausführliche Informationen überunsere Autoren und Bücher

    www.dtv.de

    Originalausgabe

    © 2017 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, MünchenUmschlagbild und -gestaltung: Eva Schöffmann-Davidov

    Gesetzt aus der Sabon 13/16,5˙Satz: Fotosatz Amann, Memmingen

    Druck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

    Printed in Germany ∙ ISBN 978-3-423-76169-7

    4. Auflage 2018

    Eine Hörbuchausgabe (gelesen von Andreas Fröhlich) ist beiSilberfisch/Hörbuch Hamburg lieferbar. Diese Hörbuch-ausgabe hat den Deutschen Kinderhörbuchpreis (Beo 2017,

    Preis der Kinderjury) gewonnen.

  • Für David,meinen ersten Leser

  • 7

    SAMSTAG

    WUFF

    Ich will doch nur einen Hund. Ich meine, ist das soungewöhnlich? Ich bin ein zehnjähriger Junge undwünsche mir eines dieser vierbeinigen Wuschelwe-sen, von denen es in Deutschland sieben MillionenStück gibt. Sieben Millionen! Woher ich das weiß?Das steht in dem Hundebuch, das ich mir in derSchulbibliothek ausgeliehen habe. Wenn ich michdraußen so umsehe, habe ich manchmal das Ge-fühl, alle haben einen Hund, nur ich nicht. Undwenn ich mit dem Fahrrad zur Schule fahre, kommtaus jedem zweiten Haus ein Jaulen, Bellen oder

  • 8

    Knurren. Auch mein bester Freund Finn hat jetzteinen Hund, obwohl er sich nicht mal einen ge-wünscht hat. Plötzlich war der einfach da.

    Nur meine Eltern, die wollen überhaupt nichtsdavon wissen, dass es in Deutschland bald siebenMillionen und einen Hund – nämlich meinen Hund –geben könnte. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.

    Er muss auch nicht groß sein. Vier Beine zumLaufen soll er haben, einen Schwanz zum Wedelnund eine Zunge, um mir die Hände abzulecken – ichkann gerne eine Zeichnung anfertigen, wenn dasweiterhilft. Aber bei meinem Zeichentalent würdees wahrscheinlich eher wie ein Nilpferd oder einLama aussehen, und was soll ich mit einem Lama?Mich ständig anspucken lassen?

    Meine Eltern tun so, als würde ich mir was abso-lut Ungewöhnliches oder wahnsinnig Gefährlicheswünschen.

    »Ein HUND?«, hat neulich meine Mutter mit sokomisch krächzender Stimme gefragt. Ihr Gesichtwar voller knittriger Sorgenfalten, als hätte ich mirein Rudel Wölfe, ein paar Giftschlangen und einKrokodil gewünscht.

    »Ein HUND!«, hat mein Vater gesagt und lä-chelnd den Kopf geschüttelt, als wäre das eine lus-tige Idee meines kleinen Kindergehirns. Der putzige

  • 9

    Einfall eines Dreikäsehochs, der gar nicht weiß, waser sich da wünscht. Grrr.

    Weiß ich aber genau. Als ich neulich zu Finn kam,ist sein Hund Pluto gleich mit fliegenden Schlapp-ohren auf mich zugestürmt. Ich geh in die Knie, umihn zu begrüßen, aber Pluto denkt gar nicht dran,mir höflich die Pfote zu geben, sondern springt mirdirekt ins Gesicht, sodass ich hintenüberkippe. Derfiepende kleine Kerl hopst voll auf mich drauf undschnuffelt so wild an meinem Hals und schlecktan meinem Ohr, dass ich einen totalen Lachanfallkriege – das war so schön, das kann man sich garnicht vorstellen. Irgendwann hat Finn »Ist gut jetzt,Pluto!« geschimpft und ihn von mir runtergezerrt.Dann hat er mir erzählt, dass er jeden Tag nach derSchule so begrüßt wird, das wäre nichts Besonde-res. Ich glaube fast, er war ein bisschen eifersüchtig.

    Seit Plutos Kuschelattacke hält dieser eine Ge-danke meinen Kopf besetzt und dreht sich dort imKreis. Für andere Gedanken ist gar kein Platz mehr,was irgendwie schön, aber auch ganz schön anstren-gend ist. Ein Hund … Pluto … kuschel … schnuf-fel… schleck … hechel … wuff – so geht das dieganze Zeit. Und dann stelle ich mir vor, wie meineigener Hund vor Begeisterung völlig ausflippt,wenn ich aus der Schule komme. Jeden Tag wieder.

  • 10

    Wahrscheinlich haben Hunde ein schlechtes Ge-dächtnis, aber das ist mir egal.

    Als ich an unserem Badezimmer im ersten Stockvorbeigehe, sehe ich meinen Vater vor dem Spiegelstehen. Sein halbes Gesicht ist weiß vom Rasier-schaum, während er die Musik mitsummt, die ausdem kleinen Radio dudelt. Als er mich sieht, zwin-kert er mir zu und fragt, ob ich ihm beim Rasierenhelfen will. Ich schüttele den Kopf. Früher hab ichdas manchmal gemacht und mir immer wahnsinnigMühe gegeben, dass nicht ein einziges Barthaar üb-rig bleibt, aber ich finde, dass ich für solche Kinder-spiele inzwischen zu alt bin.

    Unten klirrt und klappert es wie wild. Die Früh-stücksvorbereitungen müssen in vollem Gang sein.Ich flitze die Treppe runter, um meiner Mutter beimTischdecken zu helfen, doch natürlich komme ichgenau in dem Moment, als sie das letzte Marmela-denglas auf die karierte Decke stellt. Alle Sachenstehen dicht an dicht, als würde gleich eine ganzeFußballmannschaft zu Besuch kommen: ein Korbmit Brötchen und Croissants, Marmeladen in ver-schiedenen Farben, Honig und Nutella. In einerGlasschüssel drängeln sich rechteckige Melonen-stücke und halbierte Erdbeeren. Die Speckscheiben

  • 11

    neben dem dampfenden Rührei sind ziemlich ver-schrumpelt und das Gelbe in der Karaffe muss frischgepresster Orangensaft sein. Sieht echt toll aus, da-bei würde ein Brötchen mit Nutella für mich völligausreichen.

    »Kommst du gleich mit zum Flughafen, OmaScarlett abholen?«, fragt meine Mutter.

    »Klar«, nuschele ich mit vollem Mund, weil ichmir im Vorbeigehen schon eine Erdbeere stibitzthabe. Alles ist irgendwie leichter und fröhlicher alssonst, und ich frage mich, woran das liegt. Vielleichtam Sonnenlicht, das durch die Lamellen der Jalousiefällt und ein gestreiftes Muster auf den Fußbodenzaubert. Oder am neuen türkisfarbenen Pullovermeiner Mutter, der ihre blonden Locken noch stär-ker leuchten lässt als sonst.

    »Ferien!«, trällert mein Vater, tänzelt in T-Shirtund Boxershorts die Treppe runter und stößt beimAnblick des reichhaltigen Frühstückstischs ein über-triebenes »Ohhhh!« aus.

    Die Ferienstimmung hat jeden Winkel unseresHauses erfasst, denn noch heute werden meineEltern zu ihrem Wellnessurlaub in die Berge auf-brechen, was bedeutet, dass meine englische OmaScarlett in dieser Zeit bei uns den Haushalt schmeißtund auf mich aufpasst.

  • 12

    »Ach, Henry, du fehlst mir jetzt schon«, seufztmeine Mutter und verwuschelt mir die Haare.

    Sonst sage ich ihr immer, sie soll das sein lassen,doch heute halte ich so still wie ein Bernhardiner,der hinter dem Ohr gekrault wird. Schließlich warteich schon gespannt auf eine Gelegenheit, um dasGespräch unauffällig in die richtige Richtung zulenken.

    Mein Vater lässt eine Hand über verschiedenenTellern und Schüsseln kreisen, scheint sich abernicht entscheiden zu können.

    »Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragt meineMutter schließlich.

    »Ich vermisse ein bisschen Mammutschinken.«Er unterdrückt ein Lächeln. Wie immer, wenn erdenkt, dass er einen guten Witz gemacht hat.

    »Hunde sind echt unheimlich intelligent«, werfeich wie zufällig ein und achte darauf, dass es nichtso klingt, als hätte ich meinen Text auswendig ge-lernt. »Ein Border Collie versteht ungefähr 250 Wör-ter, so viele wie ein zweijähriges Kind.«

    Keine Reaktion. Meine Mutter blättert zum x-tenMal durch ihren Ferienkatalog, während mein Va-ter konzentriert beobachtet, wie ein Häufchen Zu-cker im Milchschaum seines Cappuccinos versinkt.Der riesige Wortschatz von Border Collies scheint

  • 13

    sie nicht zu beeindrucken. Oder haben sie mir garnicht zugehört?

    »Der Labrador von Finn«, rede ich weiter, »derist erst drei Monate alt und kann schon Sitz, Platzund Pfötchen geben.« Dass Pluto die Couchgarniturangeknabbert und neulich auf den Teppich gekotzthat, behalte ich natürlich für mich.

    »Ja, in dem Alter sind sie noch niedlich«, gibtmein Vater zu, was eine kleine Sensation ist, weil esdas erste Mal überhaupt ist, dass er irgendwas Net-tes über Hunde sagt. »Aber später …« Er verziehtangewidert das Gesicht. Natürlich weiß er genau,dass ich unbedingt einen eigenen Hund habenmöchte, aber leider ist er ein Experte darin, sichimmer neue Gründe einfallen zu lassen, warum daseine ganz schlechte Idee von mir ist. Dass Hundeangeblich Krankheiten einschleppen und mit derZeit fett, faul und gefräßig werden, sind nur zweiseiner Argumente, von denen er einen unbegrenztenVorrat zu haben scheint. Manchmal kommt er mirvor wie ein Zauberkünstler, der ständig neue Argu-mente aus dem Hut zieht, obwohl dieser längst leersein müsste.

    »Später sind sie immer noch niedlich, nur einbisschen größer«, beende ich seinen Satz. Jetzt bloßnicht klein beigeben. »Golden Retriever gelten als

  • 14

    die idealen Familienhunde, weil sie so gutmütigund pflegeleicht sind«, lasse ich mein Wissen spielen.»Außerdem sind sie so schlau, dass sie von der Berg-wacht als Lawinenhunde und von der Polizei alsSprengstoffsprüh… Sprengstoffspürhunde eingesetztwerden.« Dabei hatte ich dieses Wort extra geübt.

    »Und du meinst, wir brauchen unbedingt einenGolden Retriever, falls hier demnächst eine Lawinerunterkommt oder jemand Sprengstoff unter unse-rem Sofa versteckt?«

    Dass mein Vater immer noch lustige Bemerkun-gen macht, ist ein gutes Zeichen. Immerhin lässt ersich überhaupt auf diese Diskussion ein. Ich schaueHilfe suchend zu meiner Mutter, die sich wie üblichzurückhält und weder für die eine noch für die an-dere Seite Partei ergreift. Wahrscheinlich findet siees so am praktischsten, weil es dann keinen Streitgeben kann, denn Streit hasst sie wie die Pest.

    Ich schmiere mir eine extradicke Schicht Nutellaauf den Toast, doch als ich damit fertig bin, ist mirleider immer noch keine schlagfertige Antwort ein-gefallen.

    »Ich habe mir alles gut überlegt«, versichere ichschnell, ehe jemand das Thema wechselt. »Ich kannjeden Tag mit ihm spazieren gehen und dafür sor-gen, dass er sein Futter bekommt.«

  • 15

    »Ein Hund verursacht viel mehr Probleme, als duglaubst«, gibt mein Vater zu bedenken. »Was istzum Beispiel, wenn wir in Urlaub fahren?«

    »Dann gibt es genau drei Möglichkeiten«, ant-worte ich wie aus der Pistole geschossen. »Entwe-der wir nehmen ihn mit oder wir geben ihn in eineHundepension, oder wir lassen ihn zu Hause undbeauftragen einen Hundehüter, was gleich mehrereVorteile hat.«

    »Und die wären?«, fragt meine Mutter neugierig.Auch auf diese Frage bin ich vorbereitet.»Dass der Hund dann auf unser Haus aufpassen

    kann, während wir nicht da sind. Außerdem leertso ein Hundehüter den Briefkasten und gießt dieBlumen.« Ich beiße zufrieden in meinen Toast undspüre sofort, wie mir die braune Masse durch dieZahnlücken schießt. Abbeißen geht nicht richtig,also reiße ich ein Stück heraus, indem ich meinenKopf hin und her schüttele wie ein Hund, der aufeiner Stoffpuppe herumkaut. Hoffentlich habe ichnicht geknurrt dabei.

    »Aber das kostet doch bestimmt viel Geld?« Dieewige Sorge meines Vaters. Alles, was ihm nicht inden Kram passt, kostet »bestimmt viel Geld« oderverursacht »unnötige Kosten«.

    »Nein, nein, die sind gar nicht teuer«, behaupte

  • 16

    ich rasch. »Außerdem könnt ihr mir die Summegern vom Taschengeld abziehen«, füge ich sicher-heitshalber hinzu.

    Stille. Meine letzte Bemerkung hat ihnen offenbardie Sprache verschlagen, und ich frage mich, ob daswirklich ein geschickter Schachzug war. Ich meine,ich will zwar unbedingt einen Hund, aber ein biss-chen Taschengeld ist ja auch nicht zu verachten.

    »Kommt nicht infrage … also das mit demTaschengeld«, brummt mein Vater schließlich. Erscheint fast ein bisschen beleidigt über meinen Vor-schlag zu sein. Ist ja auch logisch. Den Familien-hund vom eigenen Kind finanzieren zu lassen – wiepeinlich ist das denn?

    »Aber du hast dir ja wirklich viele Gedankengemacht«, sagt meine Mutter anerkennend, und ichfühle mich plötzlich ganz kribbelig, weil ich spüre,dass ich auf dem richtigen Weg bin. Mein Vater legtdas Gesicht in die Hände und wirft mir über denTisch hinweg einen langen Blick zu.

    Kommt schon, bitte, bitte, bitte! Wahrscheinlichmuss ich ihnen nur noch einen einzigen überzeugen-den Grund liefern. Das entscheidende Argument,dem sie sich geschlagen geben. Das letzte Puzzleteil,das alles vervollständigt.

    »Ihr sagt doch immer, dass man lernen muss …

  • 17

    Verantwortung zu übernehmen«, beginne ich zöger-lich. »Und wenn man sich um ein Haustier küm-mert, dann muss man ja, ähm, ich meine, dann lerntman das ja … automatisch. Deshalb will ich michauch ganz allein darum kümmern.«

    Der bohrende Blick meines Vaters fordert michzum Weiterreden auf.

    »Ich glaube wirklich, dass mir ein Hund helfenwürde, reifer und verantwortungsvoller zu werden«,füge ich feierlich hinzu. »Vielleicht sogar …« Fasthätte ich gesagt, ein besserer Mensch zu sein, dochich beiße mir im letzten Moment auf die Zunge. DasVielleicht sogar schwebt für ein paar Sekunden durchden Raum und zerplatzt dann wie eine Seifenblase.

    »Tja …« Mein Vater schiebt ein paar Brösel aufseinem Teller hin und her. »Also, ich finde es natür-lich schön, dass du von dir aus Verantwortung über-nehmen willst …« Er schlürft einen Schluck Oran-gensaft. »Aber bei allem, was man anfängt, mussman … wie soll ich sagen … auch das Ende beden-ken. Das ist wie mit den Goldfischen, die ich alsJunge mal hatte.«

    Bitte nicht wieder die Goldfischgeschichte.Meine Mutter beugt sich interessiert vor, als wäre

    sie total gespannt auf das, was sie schon hundertMal gehört hat.

  • 18

    »Die hab ich wirklich sehr liebgehabt«, fährtmein Vater fort, »nur leider bin ich eines Tages aufdie Idee gekommen, eine Wasserschildkröte zu ihnenins Aquarium zu tun. Du weißt ja, was dann passiertist.«

    Ich weiß, was dann passiert ist, aber ich weißnicht, was das mit meinem Hund zu tun haben soll.

    »Die Schildkröte hat die Goldfische gefressen undist dann selber gestorben.«

    Und wenn schon. Goldfische können weder bel-len noch Stöckchen holen oder Männchen machen.Goldfische können gar nichts!

    »Und ich war am Boden zerstört«, fügt meinVater kopfschüttelnd hinzu und sieht plötzlich sotraurig aus, als wäre es gestern gewesen.

    Ein Hund ist ein Hund, und ein Goldfisch ist einGoldfisch.

    »Ich finde, wir sollten jetzt nichts überstürzen«,schaltet meine Mutter sich ein. »Nach unserem Ur-laub reden wir noch mal darüber, ja, Henry?«

    Ich weiß nicht, warum mich gerade dieser Satzso wütend macht, doch plötzlich fängt meine ver-dammte Unterlippe zu zittern an, und wenn die erstmal zittert, dann kommen im nächsten Moment dieTränen, das ist bei mir immer so.

    »Ja, das finde ich auch«, sagt mein Vater und

  • 19

    scheint über den Vorschlag meiner Mutter regel-recht erleichtert zu sein. Dann steht er auf und trägtseinen Teller in die Küche, als wäre das Frühstückdamit beendet.

    Und da sind sie auch schon, die großen, dickenTränen. Ein paar Sekunden lang versuche ich, siezurückzuhalten, aber sie plumpsen mir einfach ausden Augen, und als ich erneut eine Hand in meinenHaaren spüre, schlage ich sie mit einem Schluchzenweg und renne aus der Tür.

    »Henry, warte doch!« Die Stimme meiner Mutter.»Lass ihn.«

    Ich schnappe mir meine Jacke von der Garderobe,rase in den Keller, und schon eine halbe Minute spä-ter trete ich wie wild in die Pedale meines quiet-schenden Fahrrads. Das Blut pocht in meinem Kopf.Der kalte Fahrtwind brennt in meinen Augen, ausdenen das Wasser schießt wie aus einem Duschkopf.Ich könnte schreien vor Wut. Irgendwie wünscheich mir sogar, dass meine Eltern die ganze Hunde-diskussion ein für alle Mal beenden und sagen:Schluss, aus, es gibt keinen Hund und damit basta!Aber das tun sie nicht. Stattdessen denken sie sicheine Ausrede nach der anderen aus, und dann heißtes schließlich: Wir reden ein anderes Mal weiter.

  • 20

    Wozu denn, wenn die Sache sowieso längst ent-schieden ist? Und dann zieht mein Vater auch nochdiese bescheuerte Goldfischgeschichte aus dem Är-mel.

    Ich kann kaum noch das graue Kopfsteinpflastererkennen, das unter meinen Reifen dahinjagt, weilmeine Augen total verschwollen sind. Aber das spieltkeine Rolle, ich bin hier schon tausend Mal lang-gefahren, und im nächsten Moment rase ich in denschummrigen Wald hinein.

    Du wirst nie einen eigenen Hund haben, plärrteine Stimme in meinem Kopf. Nie! Nie! Nie! Findedich damit ab, Henry.

    Schnauze!Und hör auf zu heulen.Ich senke den Kopf und strampele, was das Zeug

    hält. Sause wie im Blindflug zwischen den Bäumenhindurch. Es knackt, wenn ich über die Pfützen bret-tere, die von einer dünnen Eisschicht überzogen sind.Eigentlich sollte ich lieber mal nach vorne guckenoder ein bisschen bremsen oder beides, doch ausirgendeinem Grund habe ich nicht die geringste Lustdazu. Der Fahrtwind pustet mir die Tränen aus denAugen, während ich keuchend kleine Atemwolkenausstoße. Mit zusammengebissenen Zähnen lege ichmich in die Kurve. Mir egal, wenn ich gegen einen