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Sonntag Aktuell, 3. August 2014 27 ÜBERS REISEN VON SUSANNE HAMANN Der Code des Zahlenschlosses ist eigentlich ganz einfach zu merken. Geburtstag und -monat des Besitzers. Idiotensicher, denn das Geburtsjahr mag mancher verdrängen, aber nicht das Datum des Tages. Und dennoch geht der Koffer partout nicht auf. Nervös dre- hen die Finger an den kleinen Rädchen, wie- der und wieder. Zum Glück ist die Reise schon vorbei, der heimische Schrank ist gefüllt mit ausreichend Kleidung. Zwischen den Hartschalen stecken schmutzige Klamot- ten, darunter ein noch nasser Badeanzug. Mitbringsel für die Kinder sind auch darin und werden dringend erwartet. Doch das Schloss will und will nicht aufgehen. Was nun? Mit Gewalt aufbrechen? „Bloß nicht“, sagt Koffer-Doktor Götz Tielsch. „Am besten versucht man es mit benachbarten Ziffern des persönlichen Zahlencodes. Wahrschein- lich hat sich nur was verstellt.“ Widerspensti- ge Schlösser landen jeden Tag auf dem Tisch des Gepäckfachmanns. Dazu Trolleys mit ab- gefahrenen Rädern, verbeulte Aluminium- koffer, Hartschalenkoffer mit verbogenen Teleskopstangen, Lederkoffer, an denen die Griffe abgerissen sind. Für fast jeden Patien- ten gibt es Hoffnung. „Am besten ruft man vorher an und schickt ein Foto von der kaput- ten Stelle. Ich kann dann sofort sagen, ob was zu retten ist“, sagt Götz Tielsch (48). Der Koffer-Doktor hat seine Werkstatt in einem Hinterhof, der in einem Wohngebiet von Sindelfingen liegt . Der Weg in die kleine Anliegerstraße, vorbei an Dutzenden Gara- gen, ist schwer zu finden. Etwa 25 Koffer lan- den jeden Tag bei Götz Tielsch, der haupt- sächlich für den Hersteller Rimowa tätig ist und dessen Schadenfälle in ganz Süddeutsch- land bearbeitet. Tielsch hat kaum Konkur- renz, nur rund ein Dutzend Koffer-Doktoren gibt es in ganz Deutschland. Die meisten Gepäckstücke werden im Auf- trag von Fluggesellschaften oder Lederwa- rengeschäften nach Sindelfingen geschickt. Die Fahrer der Logistikunternehmen freut’s – bei nur einem Empfänger werden sie auf einen Schlag eine ganze Ladung Pakete los. Manche Kunden lassen es sich aber nicht nehmen, ihren geliebten Koffer, an dem so viele Erinnerungen hängen, persönlich vor- beizubringen: Vielflieger, Flugbegleiter, Ge- schäftsreisende der Firmen im Umkreis, Urlauber auf der Durchreise im Taxi. Einmal kam der Konsul eines südamerikanischen Landes mit Polizei-Eskorte vorgefahren. Alle sind froh, jemanden zu haben, der ihr Pro- blem lösen kann. „Jeder Koffer hat eine Ge- schichte. Während die Leute warten, erzäh- len sie mir, wohin sie fahren, woher sie kom- men oder wo sie und ihr Koffer schon überall waren“, sagt Götz Tielsch. Die weiteste Reise hatte das Gepäck eines Antarktis-Forschers hinter sich: Er kam aus der Amundsen-Scott- Südpolstation. Packt einen bei all diesen Ge- schichten und Koffern nicht das Fernweh? „Ich reise auch viel, aber am liebsten mit dem Auto und kleinem Gepäck“, sagt Götz Tielsch. Kürzlich urlaubte er mit seiner Fami- lie auf der italienischen Insel Elba. Zwischen Pfingsten und Ende September kann er jedoch nicht weg – Reparatur-Hochsaison. Der Koffer-Doktor ist eigentlich gelernter Einzelhandelskaufmann. Nach der Lehre arbeitete er im familieneigenen Lederwaren- geschäft in Sindelfingen. „Wenn damals Re- klamationen kamen, mussten die Koffer zu den Herstellern geschickt werden. Zum Teil ging das bis nach Belgien“, erzählt der 48-Jährige. Hohe Portokosten für ein Ersatz- teil von wenigen Cent – das fand der Junior unwirtschaftlich und wenig kundenfreund- lich. Also baute er einen eigenen Reparatur- service auf und ließ sich von den Herstellern schulen. Vom einstigen Laden ist heute nur noch das Logo übrig geblieben, Götz Tielsch aber repariert immer noch. Das Geschäft brummt. „In wirtschaftlich schlechten Zeiten habe ich viel zu tun, weil die Leute weniger neue Sachen kaufen und lieber reparieren lassen. In wirtschaftlich guten Zeiten läuft der Laden, weil mehr gereist wird und dabei mehr Koffer beschädigt werden.“ Die meisten Schadenfälle sind mit weni- gen Handgriffen erledigt. Ein gezielter Ham- merschlag und die Beule im Alukoffer ist ver- schwunden. Ein paar Umdrehungen mit dem Akkuschrauber und das Rad ist ausgewech- selt. „Das größte Problem ist, das richtige Ersatzteil zu finden. Jeder Her- steller hat andere Rollen, ande- re Bodenfüße, andere Zipper am Reißver- schluss“, erklärt Tielsch. In mannshohen Me- tallregalen seiner Werkstatt lagert der Koffer- Doktor daher Tausende Nieten, Rollen oder Schrauben. En gros im Internet ersteigert, meist aus Geschäftsaufgaben. Oft muss Götz Tielsch kreativ sein und ein Ersatzteil bas- teln, indem er etwa ein Rollerblade-Rad aus dem Sportfachhandel zur Kofferrolle um- funktioniert. Der Koffer-Doktor hat den Ehr- geiz, alles wieder hinzubekommen. „Ich trage mit meinen Reparaturen zur Müllvermei- dung bei. Das ist nachhaltig. Man muss nicht gleich alles wegwerfen“, sagt der 48-Jährige. Manchmal aber kommt jede Hilfe zu spät. „Der hier ist ein Totalschaden“, sagt Götz Tielsch und zeigt auf ein dunkelblaues Plas- tikmodell. Hat sich irgendwo auf dem Weg zwischen Flugzeug und Gepäckband ver- klemmt, wurde bös gestaucht und zer- quetscht. In diesem Fall stellt der Fachmann eine Art Totenschein aus. Dank dieser Exper- tise bekommt der Kunde den Zeitwert des Koffers von der Fluggesellschaft ersetzt. Im berechtigten Garantiefall kann auch ein neu- es Gepäckstück herausspringen – die Firma mit den Rillen ist großzügig und gibt fünf Jahre Garantie. „Wichtig ist, dass man den Kaufbeleg aufbewahrt und am besten auch auf Reisen dabeihat. Dann wird einem bei jedem offiziellen Reparaturservice weltweit geholfen“, sagt Götz Tielsch. Zur Not haben hochwertige Markenkoffer aber auch eine eingestanzte Nummer, anhand der man das Produktionsjahr feststellen kann. Der Fach- mann sieht das natürlich mit einem Blick. „Achtziger Jahre“, sagt Götz Tielsch und deu- tet auf ein Alumodell in der Werkstattecke. Der daneben stamme aus den Neunzigern. Ultraleichte Polycarbonatkoffer sind neu- esten Datums. Einen verschlossenen Koffer kann Götz Tielsch, ohne Schaden anzurich- ten, übrigens in wenigen Sekunden öffnen. Den Trick verrät er leider nicht. Nur so viel: „Zur Not muss man eben alle Kombinationen durchprobieren. 999 Zahlen bei einem drei- stelligen Code hat auch der Laie in 20 Minu- ten durch.“ So schlimm ist der Fall unseres verschlossenen Koffers zum Glück nicht. Tat- sächlich hatte sich nur eine Ziffer verstellt. Der Geburtstag war um einen Tag vorverlegt worden. Der Koffer-Doktor Griff abgebrochen, Rollen abgefahren, Delle im Deckel, Zahlenschloss defekt – Götz Tielsch löst (fast) jedes Problem mit dem Reisegepäck. Bis zu 25 ramponierte Koffer landen jeden Werktag bei Koffer-Doktor Götz Tielsch. Um be- schädigte Koffer zu reparieren, genügen oft wenige Handgriffe. Das größte Problem sind die passenden Ersatzteile. FOTOS: PETSCH (5), FOTOLIA (1) Probieren geht über Zerstören Ein von außen einstellbarer Kofferverschluss (TSA- Schloss) kann sich leicht verstellen. In diesem Fall sollte man zunächst alle möglichen Kombinationen durchprobieren und mit benachbarten Zahlen des persönlichen Codes beginnen. Wenn nichts hilft, kann man die Ösen der Reißverschlusszipper mit einer Zange aufbiegen und so den Verschluss auf- brechen. Auf keinen Fall den rundherum eingenäh- ten Reißverschluss aufschneiden. Ein neues Schloss kostet circa 20 Euro, ein kaputter Reißverschluss kann hingegen oft nicht ersetzt werden. Beschädigungen sofort melden Wenn ein Koffer ramponiert vom Gepäckband kommt, sollte man den Schaden am besten sofort bei der Fluggesellschaft melden. Eine solche Anzei- ge ist auch telefonisch möglich und muss innerhalb von sieben Tagen erstattet werden. Dazu benötigt man das Ticket sowie den Gepäckabschnitt. Gemäß der internationalen Beförderungsbestim- mungen ersetzt die Airline jedoch nur den Zeitwert. Das heißt, pro angefangenem Nutzungsjahr werden vom Neupreis zehn Prozent abgezogen. Kaufbelege aufheben Wichtig ist, dass man die Rechnung des Koffers auf- bewahrt. Hersteller von hochwertigem Markenge- päck geben bis zu fünf Jahre Garantie ab Kaufdatum. Wer sichergehen möchte, dass ihm auch am Ferien- ort geholfen wird, sollte die Belege im Handgepäck mitführen. Mängel werden oft auf Kulanz behoben. Tipps für den Notfall 999 Zahlen für den dreistelligen Code schafft auch ein Laie in 20 Minuten Ich trage durch meine Reparaturen zur Müllvermeidung bei. Das ist nachhaltig.“ GÖTZ TIELSCH KOFFER-DOKTOR Fernbusse bald teurer? Berlin – Reisen in Fernbuslinien werden nicht immer so günstig bleiben. Es komme früher oder später zu einem Tarifsprung, sagt Wolfgang Steinbrück, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Omnibus- unternehmer (BDO). Preise von unter zehn Euro für eine Strecke wie Berlin–Hamburg seien nicht von Dauer. Bei Strecken von rund 300 Kilometern hält der Experte einen Fahrpreis zwischen 25 und 30 Euro für „realistisch, wenn der Bus zur Hälfte REISE-NACHRICHTEN besetzt ist.“ Im April hatte eine Analyse der Suchmaschine Checkmybus ergeben, dass Fahrten auf Fernbuslinien innerdeutsch – je nach Reiseziel – zwischen 3,6 und 10,4 Cent pro Kilometer kosten. TDT Telefonieren in den Lüften Frankfurt am Main Telefonieren im Flugzeug ist für die Mehrheit der Deut- schen keine gute Sache: 57 Prozent sind da- gegen – und nur 16 Prozent dafür. Der Rest, so geht aus einer repräsentativen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach weiter hervor, hat dazu keine Meinung. Bei einer repräsentativen Umfrage des Bundes- verbandes Informationswirtschaft, Tele- kommunikation und neue Medien (Bitkom) im März hatten sich zwei von drei Deut- schen für die Nutzung von Handys im Flugzeug ausgesprochen. Drei Jahre zuvor waren noch 55 Prozent dagegen gewesen. Airlines ist es mittlerweile freigestellt, den Gebrauch von Mobiltelefonen im Flugmo- dus zu erlauben. Die Maschinen brauchen dazu eine Basisstation an Bord, die über eine Außenantenne mit einem Satelliten kommuniziert. Dazu ist aber eine Flughöhe von 3000 Metern nötig, damit die Handy- netze am Boden nicht gestört werden. TDT Gästekarten eher Mangelware Berlin – Deutschland-Urlauber stoßen auf zu wenige Gästekarten. Mit diesen Service- Ausweisen lässt sich das Ferienziel mit dem öffentlichen Nahverkehr bequem zum Nulltarif erkunden. Es brauche bundesweit „mehr Kooperationen“, fordert Reinhard Meyer, Präsident des Deutschen Touris- musverbandes (DTV). Als gelungenes Beispiel nennt der Experte das „Konus“- Modell im Schwarzwald. Dort haben Urlau- ber freie Fahrt, wenn sie mindestens eine Übernachtung bei einem von mehr als 10 000 Gastgebern buchen. TDT Flughafen kassiert „Atem-Steuer“ Caracas – Wer in Venezuela vom interna- tionalen Flughafen der Hauptstadt Caracas abfliegt, zahlt neuerdings „Atem-Steuer“ in Höhe von 127 Bolivar, umgerechnet knapp 15 Euro. Die Betreibergesellschaft will so ihre neue Klimaanlage finanzieren, deren Ozonsystem die Luft verbessern soll. TDT Ersatzschlüssel für Kofferschlösser. Nieten zum Befestigen von Kofferfüßen. Der Hammer ist ein wichtiges Werkzeug.

Koffer-Doktor · Sonntag Aktuell, 3. August 2014 ÜBERS REISEN 27 VON SUSANNE HAMANN Der Code des Zahlenschlosses ist eigentlich ganz einfach zu merken. Geburtstag und

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Page 1: Koffer-Doktor · Sonntag Aktuell, 3. August 2014 ÜBERS REISEN 27 VON SUSANNE HAMANN Der Code des Zahlenschlosses ist eigentlich ganz einfach zu merken. Geburtstag und

Sonntag Aktuell, 3. August 2014

27ÜBERS REISEN

VON SUSANNE HAMANN

Der Code des Zahlenschlosses ist eigentlichganz einfach zu merken. Geburtstag und­monat des Besitzers. Idiotensicher, denn dasGeburtsjahr mag mancher verdrängen, abernicht das Datum des Tages. Und dennochgeht der Koffer partout nicht auf. Nervös dre­hen die Finger an den kleinen Rädchen, wie­der und wieder. Zum Glück ist die Reiseschon vorbei, der heimische Schrank istgefüllt mit ausreichend Kleidung. Zwischenden Hartschalen stecken schmutzige Klamot­ten, darunter ein noch nasser Badeanzug.Mitbringsel für die Kinder sind auch darinund werden dringend erwartet. Doch dasSchloss will und will nicht aufgehen. Was

nun? Mit Gewalt aufbrechen? „Bloß nicht“,sagt Koffer­Doktor Götz Tielsch. „Am bestenversucht man es mit benachbarten Zifferndes persönlichen Zahlencodes. Wahrschein­lich hat sich nur was verstellt.“ Widerspensti­ge Schlösser landen jeden Tag auf dem Tischdes Gepäckfachmanns. Dazu Trolleys mit ab­gefahrenen Rädern, verbeulte Aluminium­koffer, Hartschalenkoffer mit verbogenenTeleskopstangen, Lederkoffer, an denen dieGriffe abgerissen sind. Für fast jeden Patien­ten gibt es Hoffnung. „Am besten ruft manvorher an und schickt ein Foto von der kaput­ten Stelle. Ich kann dann sofort sagen, ob waszu retten ist“, sagt Götz Tielsch (48).

Der Koffer­Doktor hat seine Werkstatt ineinem Hinterhof, der in einem Wohngebietvon Sindelfingen liegt . Der Weg in die kleineAnliegerstraße, vorbei an Dutzenden Gara­gen, ist schwer zu finden. Etwa 25 Koffer lan­den jeden Tag bei Götz Tielsch, der haupt­sächlich für den Hersteller Rimowa tätig istund dessen Schadenfälle in ganz Süddeutsch­land bearbeitet. Tielsch hat kaum Konkur­

renz, nur rund ein Dutzend Koffer­Doktorengibt es in ganz Deutschland.

Die meisten Gepäckstücke werden im Auf­trag von Fluggesellschaften oder Lederwa­rengeschäften nach Sindelfingen geschickt.Die Fahrer der Logistikunternehmen freut’s –bei nur einem Empfänger werden sie aufeinen Schlag eine ganze Ladung Pakete los.Manche Kunden lassen es sich aber nichtnehmen, ihren geliebten Koffer, an dem soviele Erinnerungen hängen, persönlich vor­beizubringen: Vielflieger, Flugbegleiter, Ge­schäftsreisende der Firmen im Umkreis,Urlauber auf der Durchreise im Taxi. Einmalkam der Konsul eines südamerikanischenLandes mit Polizei­Eskorte vorgefahren. Allesind froh, jemanden zu haben, der ihr Pro­blem lösen kann. „Jeder Koffer hat eine Ge­schichte. Während die Leute warten, erzäh­len sie mir, wohin sie fahren, woher sie kom­men oder wo sie und ihr Koffer schon überallwaren“, sagt Götz Tielsch. Die weiteste Reisehatte das Gepäck eines Antarktis­Forschershinter sich: Er kam aus der Amundsen­Scott­Südpolstation. Packt einen bei all diesen Ge­schichten und Koffern nicht das Fernweh?„Ich reise auch viel, aber am liebsten mitdem Auto und kleinem Gepäck“, sagt GötzTielsch. Kürzlich urlaubte er mit seiner Fami­lie auf der italienischen Insel Elba. ZwischenPfingsten und Ende September kann erjedoch nicht weg – Reparatur­Hochsaison.

Der Koffer­Doktor ist eigentlich gelernterEinzelhandelskaufmann. Nach der Lehrearbeitete er im familieneigenen Lederwaren­geschäft in Sindelfingen. „Wenn damals Re­klamationen kamen, mussten die Koffer zuden Herstellern geschickt werden. Zum Teilging das bis nach Belgien“, erzählt der48­Jährige. Hohe Portokosten für ein Ersatz­teil von wenigen Cent – das fand der Juniorunwirtschaftlich und wenig kundenfreund­lich. Also baute er einen eigenen Reparatur­service auf und ließ sich von den Herstellernschulen. Vom einstigen Laden ist heute nurnoch das Logo übrig geblieben, Götz Tielschaber repariert immer noch. Das Geschäftbrummt. „In wirtschaftlich schlechten Zeitenhabe ich viel zu tun, weil die Leute wenigerneue Sachen kaufen und lieber reparierenlassen. In wirtschaftlich guten Zeiten läuftder Laden, weil mehr gereist wird und dabeimehr Koffer beschädigt werden.“

Die meisten Schadenfälle sind mit weni­gen Handgriffen erledigt. Ein gezielter Ham­merschlag und die Beule im Alukoffer ist ver­schwunden. Ein paar Umdrehungen mit demAkkuschrauber und das Rad ist ausgewech­selt. „Das größte Problem ist, das richtige

Ersatzteil zufinden. Jeder Her­steller hat andere Rollen, ande­re Bodenfüße, andere Zipper am Reißver­schluss“, erklärt Tielsch. In mannshohen Me­tallregalen seiner Werkstatt lagert der Koffer­Doktor daher Tausende Nieten, Rollen oderSchrauben. En gros im Internet ersteigert,meist aus Geschäftsaufgaben. Oft muss GötzTielsch kreativ sein und ein Ersatzteil bas­teln, indem er etwa ein Rollerblade­Rad ausdem Sportfachhandel zur Kofferrolle um­funktioniert. Der Koffer­Doktor hat den Ehr­geiz, alles wieder hinzubekommen. „Ich tragemit meinen Reparaturen zur Müllvermei­dung bei. Das ist nachhaltig. Man muss nichtgleich alles wegwerfen“, sagt der 48­Jährige.

Manchmal aber kommt jede Hilfe zu spät.„Der hier ist ein Totalschaden“, sagt GötzTielsch und zeigt auf ein dunkelblaues Plas­tikmodell. Hat sich irgendwo auf dem Wegzwischen Flugzeug und Gepäckband ver­klemmt, wurde bös gestaucht und zer­quetscht. In diesem Fall stellt der Fachmanneine Art Totenschein aus. Dank dieser Exper­tise bekommt der Kunde den Zeitwert desKoffers von der Fluggesellschaft ersetzt. Imberechtigten Garantiefall kann auch ein neu­es Gepäckstück herausspringen – die Firmamit den Rillen ist großzügig und gibt fünfJahre Garantie. „Wichtig ist, dass man denKaufbeleg aufbewahrt und am besten auchauf Reisen dabeihat. Dann wird einem beijedem offiziellen Reparaturservice weltweitgeholfen“, sagt Götz Tielsch. Zur Not habenhochwertige Markenkoffer aber auch eineeingestanzte Nummer, anhand der man dasProduktionsjahr feststellen kann. Der Fach­mann sieht das natürlich mit einem Blick.„Achtziger Jahre“, sagt Götz Tielsch und deu­tet auf ein Alumodell in der Werkstattecke.Der daneben stamme aus den Neunzigern.Ultraleichte Polycarbonatkoffer sind neu­esten Datums. Einen verschlossenen Kofferkann Götz Tielsch, ohne Schaden anzurich­ten, übrigens in wenigen Sekunden öffnen.Den Trick verrät er leider nicht. Nur so viel:„Zur Not muss man eben alle Kombinationendurchprobieren. 999 Zahlen bei einem drei­stelligen Code hat auch der Laie in 20 Minu­ten durch.“ So schlimm ist der Fall unseresverschlossenen Koffers zum Glück nicht. Tat­sächlich hatte sich nur eine Ziffer verstellt.Der Geburtstag war um einen Tag vorverlegtworden.

Der Koffer­DoktorGriff abgebrochen,Rollen abgefahren,Delle imDeckel,

Zahlenschloss defekt –GötzTielsch löst (fast) jedesProblem

mit demReisegepäck.

Bis zu 25 ramponierte Koffer landen jeden Werktag bei Koffer­Doktor Götz Tielsch. Um be­schädigte Koffer zu reparieren, genügen oft wenige Handgriffe. Das größte Problem sind diepassendenErsatzteile. FOTOS: PETSCH (5), FOTOLIA (1)

Probieren geht über ZerstörenEin von außen einstellbarer Kofferverschluss (TSA­

Schloss) kann sich leicht verstellen. In diesem Fall

sollte man zunächst alle möglichen Kombinationen

durchprobieren und mit benachbarten Zahlen des

persönlichen Codes beginnen. Wenn nichts hilft,

kann man die Ösen der Reißverschlusszipper mit

einer Zange aufbiegen und so den Verschluss auf­

brechen. Auf keinen Fall den rundherum eingenäh­

ten Reißverschluss aufschneiden. Ein neues Schloss

kostet circa 20 Euro, ein kaputter Reißverschluss

kann hingegen oft nicht ersetzt werden.

Beschädigungen sofort meldenWenn ein Koffer ramponiert vom Gepäckband

kommt, sollte man den Schaden am besten sofort

bei der Fluggesellschaft melden. Eine solche Anzei­

ge ist auch telefonisch möglich und muss innerhalb

von sieben Tagen erstattet werden. Dazu benötigt

man das Ticket sowie den Gepäckabschnitt.

Gemäß der internationalen Beförderungsbestim­

mungen ersetzt die Airline jedoch nur den Zeitwert.

Das heißt, pro angefangenem Nutzungsjahr werden

vom Neupreis zehn Prozent abgezogen.

Kaufbelege aufhebenWichtig ist, dass man die Rechnung des Koffers auf­

bewahrt. Hersteller von hochwertigem Markenge­

päck geben bis zu fünf Jahre Garantie ab Kaufdatum.

Wer sichergehen möchte, dass ihm auch am Ferien­

ort geholfen wird, sollte die Belege im Handgepäck

mitführen. Mängel werden oft auf Kulanz behoben.

Tipps für den Notfall

999 Zahlen für den dreistelligen Codeschafft auch ein Laie in 20Minuten

Ich trage durch meine

Reparaturen zur

Müllvermeidung

bei. Das ist

nachhaltig.“

GÖTZ TIELSCHKOFFER­DOKTOR

Fernbusse bald teurer?

Berlin – Reisen in Fernbuslinien werdennicht immer so günstig bleiben. Es kommefrüher oder später zu einem Tarifsprung,sagt Wolfgang Steinbrück, Präsident desBundesverbandes Deutscher Omnibus­unternehmer (BDO). Preise von unter zehnEuro für eine Strecke wie Berlin–Hamburgseien nicht von Dauer. Bei Strecken vonrund 300 Kilometern hält der Experteeinen Fahrpreis zwischen 25 und 30 Eurofür „realistisch, wenn der Bus zur Hälfte

REISE­NACHRICHTEN

besetzt ist.“ Im April hatte eine Analyse derSuchmaschine Checkmybus ergeben, dassFahrten auf Fernbuslinien innerdeutsch – jenach Reiseziel – zwischen 3,6 und 10,4 Centpro Kilometer kosten. TDT

Telefonieren in den Lüften

Frankfurt am Main – Telefonieren imFlugzeug ist für die Mehrheit der Deut­schen keine gute Sache: 57 Prozent sind da­gegen – und nur 16 Prozent dafür. Der Rest,so geht aus einer repräsentativen Befragungdes Instituts für Demoskopie Allensbach

weiter hervor, hat dazu keine Meinung. Beieiner repräsentativen Umfrage des Bundes­verbandes Informationswirtschaft, Tele­kommunikation und neue Medien (Bitkom)im März hatten sich zwei von drei Deut­schen für die Nutzung von Handys imFlugzeug ausgesprochen. Drei Jahre zuvorwaren noch 55 Prozent dagegen gewesen.Airlines ist es mittlerweile freigestellt, denGebrauch von Mobiltelefonen im Flugmo­dus zu erlauben. Die Maschinen brauchendazu eine Basisstation an Bord, die übereine Außenantenne mit einem Satellitenkommuniziert. Dazu ist aber eine Flughöhe

von 3000 Metern nötig, damit die Handy­netze am Boden nicht gestört werden. TDT

Gästekarten eher Mangelware

Berlin – Deutschland­Urlauber stoßen aufzu wenige Gästekarten. Mit diesen Service­Ausweisen lässt sich das Ferienziel mitdem öffentlichen Nahverkehr bequem zumNulltarif erkunden. Es brauche bundesweit„mehr Kooperationen“, fordert ReinhardMeyer, Präsident des Deutschen Touris­musverbandes (DTV). Als gelungenesBeispiel nennt der Experte das „Konus“­

Modell im Schwarzwald. Dort haben Urlau­ber freie Fahrt, wenn sie mindestens eineÜbernachtung bei einem von mehr als10 000 Gastgebern buchen. TDT

Flughafen kassiert „Atem­Steuer“

Caracas – Wer in Venezuela vom interna­tionalen Flughafen der Hauptstadt Caracasabfliegt, zahlt neuerdings „Atem­Steuer“ inHöhe von 127 Bolivar, umgerechnet knapp15 Euro. Die Betreibergesellschaft will soihre neue Klimaanlage finanzieren, derenOzonsystem die Luft verbessern soll. TDT

Ersatzschlüssel fürKofferschlösser.Nieten zumBefestigen vonKofferfüßen.DerHammer ist einwichtigesWerkzeug.