KOLUMNE Die Notenpresse Als Wundermittel, Essay

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  • 7/29/2019 KOLUMNE Die Notenpresse Als Wundermittel, Essay

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    thema.kommentar

    Die Stadt, derRhein, der Mll

    Von Christoph Heim

    In diesen Spt-sommertagen

    wandelt die Stadtihr Antlitz: DerWickelsack mau-sert sich zummodischen Acces-soire, ohne das

    sich der Basler, die Baslerin kaummehr auf der Strasse zeigt. Es ziehttglich Tausende zum Rhein, wo siesich ihrer Kleider entledigen und einkhlendes Bad im 23 Grad warmenWasser nehmen. Der grne Strom istan diesen Tagen voller orangerFarbpunkte, die zielstrebig rhein-abwrts schwimmen.Der Rhein wird zur grossen Stadt-badi. Kommt hinzu, dass die Ufervoller Menschen sind, die sich beim

    Flanieren Khlung vom nahenWasser versprechen und sich beidieser Gelegenheit gerne auch einGetrnk genehmigen.Der Rhein mitsamt Ufer wird imganzen Jahr nie so sehr genutzt wiegerade jetzt. Uns gefllt das emsigeTreiben. Nur scheinen die Stadt undihre Betriebe, die sich ja seit Jahrenmit dem Wandel bei der Rhein- undRheinbordnutzung schwertun, mitdem Massenansturm immer nochnicht recht klarzukommen. Dieendlich bewilligte Buvette bei derKaserne ist berfordert. Die von derExpo01 geerbten Chromabfalleimersind immer berfllt. Die blauenAbfallcontainer desgleichen. Auf

    dem Rheinufer vor den Sitztreppen

    Die einen saufen genaudort, wo die anderensich tags daraufblutige Fsse holen.

    trmen sich leere Bierdosen undBierflaschen, die an die letzte Nachterinnern. Man kommt sich vor wiein einem berfllten Hinterhof.Es ist ein leidiges Thema, dieserAbfall, das gerne dazu benutzt wird,volkserzieherische Parolen zu ver-breiten. So heisst es, jeder soll sei-nen Abfall wieder mitnehmen und

    die Leute htten heute keinenAnstand mehr. Dabei ist es ganzeinfach: Die Stadt ist der Ort, woVerdichtung in jeder Hinsicht statt-findet. Hier berlagern sich dieNutzungen. Hier saufen die einengenau dort, wo am nchsten Tag dieanderen aus dem Rhein herausstei-gen und sich blutige Fsse undHnde holen, weil Glassplitter imKies stecken. Hier gehen Familienmit Kindern ins Wasser, wo dieanderen sich an einem FKK-Strandwhnen. Hier queren die einenschwimmend den Rhein, wo dieanderen mit zehntausend Tonnenschweren Schien den Stromhinabfahren.

    Der Staat muss hier Regeln aufstel-len und deutlich kundtun, damit dieunterschiedlichen Nutzungen mg-lich werden. Er muss berwachen,damit die Regeln eingehalten wer-den. Und er muss den Abfall, dendie einen hinterlassen, beseitigen,damit die anderen das Bad im Stromgefahrlos geniessen knnen. Nach-hilfeunterricht bietet beispielsweiseParis Plage in Frankreichs Haupt-stadt. [email protected]

    > Seite 29

    Die Notenpresse als Wundermittelber John Law und die franzsischen Finanzkrisen im 17. und 18. Jahrhundert

    Von Claude Cueni*

    Ende des 17. Jahrhunderts war Frank-reich bankrott. Louis XIV, der Sonnen-knig, hatte das bedeutendste Land Eu-ropas ruiniert. In zahlreichen langjhri-gen Kriegen wurden die Rohstoe desLandes aufgebraucht. Es gab kaum nochMetalle, um neue Mnzen herzustellen.Der Handel lag still. Die Leute wichenauf Tauschhandel aus. Viele hatten kei-ne Arbeit und kein Geld mehr, um etwaszu kaufen. Frankreich ereilte das glei-che Schicksal, das alle Lnder (bis in dieheutige Zeit) erleiden, wenn sie jahre-lang mehr ausgeben als einnehmen.

    In seiner Verzweiflung gab Philippevon Orlans, der nach dem Tod von Lou-is XIV (1715) Frankreich regierte, demGlcksspieler, Duellisten, Mrder, Natio-nalkonomen, Mathematikgenie undWomanizer John Law of Lauriston dieErlaubnis, seine Geldtheorien an einerganzen Nation auszuprobieren. Seitzwanzig Jahren war John Law durch dieSalons der Reichen getingelt und hattebeim Karten-Glcksspiel Faro, das ermeisterhaft beherrschte, fr seine Ideegeworben, Geld aus Papier herzustellen.Dies war fr die damalige Zeit revolutio-nr, entsprach doch der Wert einer Mn-ze genau dem Wert des Metalls, das inihr steckte. Und nun sollte Geld auf wert-losem Papier gedruckt werden. Das Ex-periment gelang zu Beginn, die Mrktewurden mit Papiergeld geflutet, der Han-del erwachte aus seiner Agonie, es wur-de wieder produziert, es wurden wieder

    Leute eingestellt, die mit ihren Lhnenwiederum Produkte kauften und so denewigen Kreislauf beschleunigten.

    Richard Nixon und Vietnam1971 hatte US-Prsident Richard Ni-

    xon ein hnliches Problem wie im 17.Jahrhundert der Sonnenknig. Erbrauchte zustzliches Geld fr die Finan-zierung des Vietnamkrieges, aber da derDollar an das Gold gekoppelt war undsich die USA verpflichtet hatten, jedenDollar auf der Welt jederzeit in Gold um-zutauschen, waren seine Mglichkeitenbeschrnkt. Die USA hatten nicht gen-gend Gold, um es fr neues Papiergeld

    zu hinterlegen. Kurzerhand brach Nixondeshalb das Versprechen, Dollars jeder-zeit in Gold umzutauschen, und warf da-rauf die Druckerpresse an. Er druckte soviele Dollars, wie er fr den Vietnam-krieg brauchte, der aus konomischerSicht nicht finanzierbar war. Nach ihmentdeckten abwechselnd Demokratenund Republikaner die Wunderpresse zurVermehrung des Geldes. Sie kdertenihre Whler mit immer absurderen Ver-sprechen, die sie nach ihrer Wahl jeweilseinlsten und mit neuen Schulden fi-nanzierten. So sicherten die Politikerihre Wiederwahl auf Kosten der Leute,die sie whlten. Das ist bis heute so.

    John Law und der MississippiUm 1720 erfanden die Medien das

    Wort Millionr. ber Nacht gab essehr viele Millionre in Paris. Aus ganzEuropa kamen Menschen, um am Wirt-schaftswunder des John Law teilzuneh-men. Das viele Geld, das pltzlich imUmlauf war, floss in Aktien, ein Finanz-produkt, das damals noch recht neu war.John Law wurde zum Popstar der Finan-zen. Sein Palais in Paris war gefragter alsVersailles. Law wurde als protestanti-scher Schotte Finanzminister im katho-lischen Frankreich, er wurde General-kontrolleur der Finanzen. Er erwarbberseegebiete der franzsischen Kronein Louisiana und wurde Besitzer einesDrittels des heutigen Amerika. Er struk-turierte die Handelsgesellschaft Com-pagnie des Indes (Mississippi Compag-nie) als Aktiengesellschaft und verband

    diese mit dem Schicksal der franzsi-schen Staatsbank.Es begann der grsste Aktienboom

    aller Zeiten, weil man in den amerikani-schen Kolonien mrchenhafte Rohsto-vorkommen erwartete. Die Mississippi-Aktien explodierten. Der Mississippi-Hype verhexte ganz Europa, und Ange-hrige aller Stnde und Berufe verfielendem Brsenfieber. In allen Tagebchernjener Zeit wird der Irrsinn dramatischgeschildert, und man glaubt sich berweite Strecken an die Berichterstattungber die New Economy im Jahre 2000oder die sptere Immobilienblase erin-nert: Die Leute erfinden neue Worte,

    um zu erklren, wieso alles, was bishergalt, nicht mehr gelten soll. Und rck-blickend ist alles Humbug.

    Das war auch am Anfang des 18.Jahrhunderts so. Als der Duc dOrlansvorbergehend die Herrschaft berFrankreich bernahm, entdeckte derdisziplinlose Lebemann das Gelddru-cken. Die Mrkte erstickten frmlich indiesem frischen Papiergeld. Da das Geldimmer weniger wert war, musste manfr ein Stck Brot immer mehr Papier-geld aufwenden. Die Inflation entrei-cherte die franzsische Bevlkerung.Wer es sich leisten konnte, suchte Si-cherheit in Gold und trieb den Goldpreisin ungeahnte Hhen. Also verbot Frank-reich kurzerhand den Goldbesitz, wie esspter zahlreiche Nationen immer wie-der getan haben und auch in Zukunfttun werden. Es soll fr den Brger kei-nen Schutz geben, wenn der Staat seineSchuldenberge weginflationiert.

    Alan Greenspan und das GoldKein Geringerer als Alan Greenspan,

    der von 1987 bis 2006 Vorsitzender deramerikanischen Notenbank war, schrieb1966 in einem Aufsatz: Die Finanzpo-litik des Wohlfahrtsstaates macht es er-forderlich, dass es fr Vermgensbesit-zer keine Mglichkeit gibt, sich zuschtzen. Dies ist das schbige Geheim-nis, das hinter der Verteufelung des Gol-des durch die Vertreter des Wohlfahrts-staates steht. (...) Gold beschtzt Eigen-tumsrechte.

    Nach dem Verbot des Goldbesitzes

    liessen die Menschen ihre Goldmnzeneinschmelzen und sich daraus goldeneKruzifixe giessen, denn der Gesetzgeberhatte der Kirche zuliebe sakrale Gegen-stnde von dieser Regelung ausgenom-men. Also wurden auch diese verbotenund die Leute strzten sich in Silber undverursachten dort die nchste Blase.Jede Blase nhrt die nchste Blase.

    Sowohl bei Papiergeld als auch beiBordeaux-Weinen gilt das Gesetz vonAngebot und Nachfrage. Ist zu viel Geldim Umlauf, sinkt der Wert der Whrung.Hundert Franken haben pltzlich nurnoch die Kaufkraft von fnfzig Franken.Doch nicht nur die Vermgen in Bargeld

    schmelzen dahin, sondern auch dieSchulden der Regierung. Die meistenStaaten auf der Welt und in der Ge-

    schichte haben stets eine nicht mehr zubeherrschende Verschuldung weginfla-tioniert. Auf Kosten der Brger.

    Das viele Papiergeld veranlasste denDuc dOrlans auf einen Abbau derStaatsschulden zu verzichten. Selbst dieZinsen wurden mit frisch gedrucktemPapiergeld bezahlt. Voltaire spottete,dass jede Papierwhrung eines Tagesihren realen Wert erreicht, nmlichnull. Die franzsische Whrung erodier-te, die Aktienmrkte explodierten.

    Papiergeld und GuillotineDont panic, but panic first. Als die

    Menschen realisierten, dass der labileDuc dOrlans heimlich die Notenpressewie eine Spielzeugmaschine angewor-fen und das ganze Land mit Papiergeldberschwemmt hatte, war es zu spt.Die Menschen verbrannten ihr Papier-geld und forderten ihre Metallmnzenzurck. Zuerst waren die jdischenBankiers von Paris die Schuldenbcke,schliesslich einigte man sich auf denSchotten John Law, der Paris ohne Frauund Tochter verlassen musste. Er starbam 21. Mrz 1729 kurz vor Vollendungseines achtundfnfzigsten Lebensjahreswhrend des Karnevals in Venedig.

    Rund siebzig Jahre spter versuchtenes die Franzosen whrend der Franzsi-schen Revolution erneut mit Papiergeld.Sie brauchten Geld, um den neuenMenschen zu erschaen. Und eine Guil-lotine, um die Vter der Revolution hin-zurichten, zusammen mit den Frauen-rechtlerinnen, die bersehen hatten,dass die Freiheit, Gleichheit und Brder-lichkeit der Revolution nur dem mnnli-chen Geschlecht vorbehalten war. Dasviele Papiergeld verlor an Wert, heiztedie Inflation an, liess die Menschen ver-

    armen und die Besitzenden entrei-chern. Das ist der Weg des Dollars undaller Papierwhrungen, die auf ungen-genden Wirtschaftsleistungen basieren.Sptestens wenn ein Tag Arbeit nichtmehr ausreicht, um ein Stck Brot zukaufen, entstehen soziale Unruhen.

    Politik und SchuldenmachereiFinanzkrisen und Staatsbankrotte

    sind in der Geschichte alltglich. Siewerden es weiterhin sein, und zwar im-mer fter, weil der elektronische Hoch-frequenzhandel jede Entwicklung ra-sant beschleunigt. Whrend der Wertaller auf der Welt jhrlich produziertenWaren und Dienstleistungen 87 Billio-nen Dollar betrgt, liegt das Volumenvon Devisengeschften bereits bei ber900 Billionen Dollar. Leider sind reineGeldgeschfte fr die Menschheit abernur von beschrnktem Nutzen, denn sieschaen lediglich Geld aus Geld, aberkaum Arbeitspltze oder neue Produk-te, die fr den Menschen einen Nutzenhaben. Wie blich gibt man den Bankendie Schuld, aber nicht den institutionel-len Anlegern und Privatanlegern, diegierig nach neuen lukrativen Anlage-mglichkeiten verlangen. Dass dabeiauch Staaten mit Whrungen zocken,geht in der ganzen Polit- und Medien-heuchelei meist unter.

    Das Problem ist heute wie bereitszur Zeit des Sonnenknigs die Politik.Es fehlt die Kraft des Handels. Seit denSiebzigerjahren will kein Politiker denSchwarzen Peter ziehen und den Schul-denberg abbauen. Er will nur wiederge-whlt werden, und macht deshalb lau-fend neue Schulden, um nicht finanzier-bare Wahlversprechen einzulsen. Imprivaten Bereich wrde man solchen

    Leuten einen Vormund vorsetzen, denndie Idee, dass jeder Brger ein Fnfster-nehotel haben sollte, das ist bei fort-schreitender beralterung nicht mehrzu finanzieren. Das hat nichts mit Ideo-logie zu tun, sondern mit Mathematik.

    * Claude Cueni, Schrift-steller und Drehbuchautor,lebt in Binningen. SeinBuch Das grosse SpielberdenPapiergelderfin -der John Law erschien2006, war auf Platz 1 derBestsellerliste, wurde in13 Sprachen bersetztund ist Vorlage fr eineninternationalenKinofilm.

    Bankier und

    Spieler. JohnLaw of Lauriston

    (16711729)konnte imFrankreich desfrhen18. JahrhundertsseinegeldpolitischenIdeenausprobieren: Erfhrte Papiergeldein. Foto AKG