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Komet der Geheimnisse

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 213

Komet der Geheimnisse

Im Untergrund von Arkon II - Ra, derBarbar, lernt das Rätsel Blahurs

kennen

von Peter Terrid

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit demGroßen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äuße-rer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Im-periums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Fein-de Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Impera-tor Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemein-wohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der jun-ge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetigwachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereitsmehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen denUsurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch dieEinwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos,wo er inzwischen von Ischtar, der Goldenen Göttin, und seinen alten KampfgefährtenFartuloon, Corpkor und Eiskralle gesucht wird.

Ra, der Barbar, hingegen nimmt an der Suche nach Atlan nicht teil. Er hatte sichschon vorher abgesetzt und hält sich gegenwärtig zusammen mit dem Con-Treh BeiEtir Baj im Arkon-System auf. Dort nähert sich der KOMET DER GEHEIMNISSE …

Die Hautpersonen des Romans:Ra - Der Barbar lernt den Untergrund von Arkon II kennen.Regir da Quertamagln - Ein Verräter wider Willen.Perytlth - Ein Krüppel und ein Denunziant.Pathor Margib und Mahn Sulk - Zwei Männer der POGIM.Orbanaschol III. - Der Imperator läßt sich weissagen.Yagthara - Atlans Mutter.

1.

Daß Perytlth für die POGIM arbeitete,hatte ein paar einfache Ursachen. Der Zaliterin arkonidischen Diensten war äußerst un-glücklich verheiratet, mit einer reinblütigenArkonidin, die es dem Schicksal nie verzei-hen würde, daß es nur zu einem Zaliter ge-reicht hatte. Die Tatsache, daß sie keinenbesseren Mann hatte finden können, mußtePerytlth täglich büßen. Der zweite, stichhal-tigere Grund war die brutanthsche Knochen-pest, an der Perytlth litt. Diese furchtbareKrankheit nahm ihren Anfang in einer Ent-zündung der Gelenke im unteren Bereich derWirbelsäule. Dann arbeitete sie sich langsamin die Höhe.

Die unerträglichen Schmerzen führten da-zu, daß der Betroffene sich krümmte undversuchte, eine Haltung einzunehmen, in derer möglichst wenig Schmerzen litt. In dieserHaltung erstarrte der Kranke schließlich,vornübergebeugt, kaum noch fähig zu atmenoder zu gehen. Die Gelenke, in denen sichdie Rippen beim Atmen an der Wirbelsäulebewegten, entzündeten sich in der Regelauch und machten jeden Atemzug zur Qual.

Perytlth litt seit etlichen Jahren an dieserKrankheit, die von den Ärzten schlicht als»idiopathisch« bezeichnet wurde, was einehochwissenschaftliche Umschreibung fürdie Tatsache war, daß die Ärzte keine Ah-nung hatten.

Perytlth litt, an Körper und Geist, unddarum störte es ihn auch nicht, wenn andereleiden mußten. Im Gegenteil, es bereitetedem Krüppel größtes Vergnügen, kräftige,gesunde Männer an die POGIM auszuliefernund sicher zu sein, daß diese Männer, wenn

überhaupt, in ähnlicher Verfassung wie erselbst die Folterkammern der POGIM ver-lassen würden.

Natürlich kam niemand auf den Gedan-ken, in dem gichtbrüchigen Mann einen PO-GIM-Spitzel zu vermuten. Perytlth war eini-germaßen beliebt, auch bei den Männernund Frauen, die er zu verraten gedachte.Was den Mann störte, war nur die Tatsache,daß er ihnen nicht verraten durfte, daß aus-gerechnet er, der Krüppel, sie ans Messerlieferte. Perytlth konnte nur dann seinschmutziges Geld verdienen, wenn er imSchutze einer völligen Anonymität arbeitete.Einmal von den Gegnern durchschaut, hätteder Mann aufgeben müssen. Die POGIMwürde ihn fallenlassen, und was man dannmit Perytlth anstellen würde, war leicht aus-zurechnen.

Feigheit, gepaart mit einem alles verzeh-renden Haß, das waren die herausragendenCharaktermerkmale des Zaliters. Die Feig-heit machte ihn vorsichtig, der Haß gefähr-lich.

Am Rand der großen Raumhäfen, die dieOberfläche von Arkon II bedeckten, gab esfür den alten Zaliter genug zu schnüffeln.Für reguläre Polizeieinheiten war es einDing der Unmöglichkeit, die riesige Zahlvon Menschen genau zu kontrollieren, dietäglich auf Arkon landete und wieder abflog.Rings um die Landefläche gab es, wie über-all im Imperium, eine unbestimmbare Grau-zone, in der die Reden freier geführt wurdenals anderswo. Dort war Perytlths Revier.

Auch an diesem Abend war Perytlth un-terwegs. Der kleine Gleiter, der ihn trug, warspeziell für ihn angefertigt worden, eine Artfreibeweglicher Sessel. Antigravfelder hiel-ten die Konstruktion eine Handbreit über

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dem Erdboden in der Schwebe, so daß Pe-rytlth nur kleine Bewegungen mit der Handauszuführen brauchte, um sein seltsamesGefährt in Bewegung zu setzen. Das Metalldes Krankengleiters war verschrammt undunansehnlich geworden, und aus dem Innernertönten in unregelmäßigen Abständen Ge-räusche, die jeden Uneingeweihten vermu-ten lassen mußten, daß der Reaktor des Glei-ters im nächsten Augenblick detonierenwürde. Wer Perytlth kannte, wußte aber, daßdiese Gefahr einstweilen nicht bestand, ob-wohl die mechanischen Krämpfe des Ge-fährts von Mal zu Mal geräuschvoller undbedrohlicher ausfielen.

Perytlth allein wußte, daß die hinfälligeSchale einige positronische Finessen ent-hielt, die für jeden Unvorsichtigen zur tödli-chen Falle werden konnte. Manch einRaumfahrer war Tage nach seiner Verhaf-tung mit Tonaufzeichnungen konfrontiertworden, die seine staatsfeindlichen Ansich-ten mehr als deutlich bewiesen. Perytlthsklappriger Gleiter verbarg unter anderemauch Geräte, mit denen man Hirnschwin-gungsdiagramme aufzeichnen konnte, dazuStimmspektrographen, Kameras und eineansehnliche Sammlung von Waffen, die Pe-rytlth durch einfachen Knopfdruck betätigenkonnte.

Ein Raumfahrer ging pfeifend an Perytlthvorbei, stutzte dann und grüßte den Zalitermit einer Handbewegung.

»Hier hast du etwas«, rief er und warf Pe-rytlth eine Münze zu.

Perytlth grinste zurück und fing die Mün-ze auf, obwohl ihm die schnelle Bewegungdes Armes starke Schmerzen bereitete. Dieswar einer der rauhen Scherze, die man mitdem Krüppel trieb, vielleicht aus Bosheit,vielleicht aber auch aus Unkenntnis. Perytlthhatte sich nie die Mühe gemacht, seine Mit-menschen genau über seine Krankheit auf-zuklären.

Hätte der Raumfahrer den Blick sehenkönnen, den der Krüppel ihm nachschickte,wäre er erschrocken. Perytlth kniff die Au-gen zusammen, dann drückte er den Fahrt-

hebel leicht nach vorne. Kreischend setztesich das Fahrzeug in Bewegung; ein kleinesPelztier, das aus einem Kanalrohr hervorlug-te, suchte erschreckt das Weite.

Perytlths Weg war in den vergangenenJahren fast zu einem Ritual geworden. Hättees keine vollpositronische Zeitabstimmunggegeben, die Wirte hätten ihre Uhren nachPerytlths Auftauchen und Verschwindenstellen können. Stets um die gleiche Zeit er-schien der Mann in seinem Stammlokal, be-kam seine Almosen, trank etwas und ver-schwand wieder. Auch die Reihenfolge, inder der Mann seine Stammkneipen aufsuch-te, war festgelegt.

Erstes Ziel an jedem Abend war eine je-ner verrufenen Spelunken, die bevorzugtwurde von einer Sorte Männer, die im Raumtagtäglich ihr Leben aufs Spiel setzten undsich so eine beneidenswerte Freiheit der Ge-danken erhalten hatten. Gerade die Besat-zungen von privaten Prospektorenschiffendachten nicht daran, ihre Zungen zu zügeln.Für manchen wurde dieser Leichtsinn ver-hängnisvoll, andere wiederum blieben unge-schoren, um der POGIM Gelegenheit zu ge-ben, tiefer in die subversiven Kreise einzu-dringen.

Der Wirt begrüßte Perytlth mit einemfreundschaftlichen Handschlag, dann winkteer dem Servierrobot zu, dem Gast etwas zutrinken zu bringen.

»Was machen die Geschäfte, Alter?«fragte der Wirt und machte es sich in derNähe des Zaliters bequem. »Wenn du Hun-ger hast, dann sag es mir.«

Perytlth lächelte. Er hatte lange ge-braucht, bis dieses Lächeln so ausfiel, wie eres brauchen konnte. Dank mußte zu erken-nen sein, ein Schuß melancholischer Weis-heit, Resignation – Perytlth konnte sich desErfolges sicher sein, wenn er dieses Lächelnproduzierte.

»Es könnte besser sein«, murmelte Pe-rytlth schwach. »Aber auch wesentlichschlechter. Ich bin's zufrieden. Und du, hastdu genügend Umsatz?«

Der Wirt sah flüchtig durch das Lokal,

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dann zuckte er mit den Schultern.»Ich habe schon bessere Abende erlebt«,

stellte er fest. »Hunger?«Perytlth schüttelte den Kopf und nahm

einen Schluck aus dem Glas, das der Robotneben ihm abgestellt hatte. Anerkennendverzog er das Gesicht.

»Ein guter Tropfen«, lobte der alte Zali-ter. »Es würde mich wundern, wäre derWeg, den dieser Wein bis zu deiner Spelun-ke zurückgelegt hat, ein gerader gewesen.«

Unwillkürlich sah sich der Wirt um, alsbefürchte er, daß irgend jemand den Altengehört haben könnte.

»Psst!« machte der Wirt und sah Perytlthvorwurfsvoll an. »Du weißt, hier haben dieWände Ohren!«

Perytlth grinste unverschämt.Mit Bemerkungen dieser Art hatte sich

der Krüppel den Ruf eines boshaften Spöt-ters und Regimegegners verschafft. Er galtals bissig, aber ungefährlich. Perytlth wußteaus sicherer Quelle, daß bei der nahegelege-nen Dienststelle der Hafenpolizei ein um-fangreiches Dossier über ihn geführt wurde.Dort hielt man ihn für einen Kritiker des Im-perators, und der Alte wußte dieses Imagezu schätzen.

»Jeder hier«, behauptete Perytlth anzüg-lich, »weiß, daß deine Getränke entwedergepanscht oder geschmuggelt sind. Nun ja,mich geht es nichts an. Ich bin nur ein ar-mer, kranker Mann, der für jeden wärmen-den Schluck dankbar sein muß.«

In Wirklichkeit hatte der Wirt Perytlth ei-niges zu verdanken. Der Krüppel, der tags-über ständig an den Landefeldern herumlun-gerte und Raumfahrer anbettelte, hatte sichals Schlepper hervorragend bewährt. Hun-derte von zahlungskräftigen Gästen warennur dank der Tips des Alten in diese Kneipegekommen und hatten den Kontostand desWirts erhöht.

Daß sich der Wirt für die Dienste desKrüppels revanchierte, verstand sich vonselbst. Allerdings sprachen die beiden Män-ner nie offen über ihre gegenseitigen Ge-schäfte; diese Dinge erledigten sich diskret

und unbeobachtet fast von selbst. Ab und zubat der Wirt seinen Gast, bei einem wichti-gen Brief stück Kurier zu spielen, und in denUmschlägen fand Perytlth dann das Entgeltfür seine Schlepperdienste.

»Irgendwelche neuen Gesichter?« erkun-digte sich Perytlth, während er den heißen,belebenden Wein schlürfte. »Ich habe langekeine gute Geschichte mehr gehört.«

Der Wirt deutete mit einer kaum wahr-nehmbaren Handbewegung auf einen Tischim Hintergrund des weitläufigen Lokals.Das Gasthaus war vierstöckig und bestandaus insgesamt vierzehn verschiedenen Knei-pen, Gaststätten und Restaurants, sorgfältigden einzelnen Geschmäckern angepaßt. ImKeller befand sich das von den lokalen Be-hörden stillschweigend geduldete Geheim-zimmer, in dem um hohe Einsätze gespieltwurde. Der Tisch, auf den der Wirt gedeutethatte, gehörte zum Bereich des Lokals, derfür das normale Lauf publikum gedacht war,für Männer, die schnell einen Drink nehmenwollten, bevor sie zur Arbeit oder nach Hau-se gingen. Stammgäste zogen andere Räum-lichkeiten des Etablissements vor.

»Ein komischer Vogel«, murmelte derWirt. »Trinkt nichts, jedenfalls nichts, wasAlkohol enthält. Sitzt da, grinst die Leute anund hört allen Gesprächen mit auffallendemInteresse zu. Vielleicht ein Spitzel der PO-GIM.«

Der Krüppel war daran gewöhnt, sich sowenig zu bewegen, wie es irgend möglichwar, da er keine Körperbewegung mehr aus-führen konnte, ohne von kleineren oder grö-ßeren Schmerzanfällen gepeinigt zu werden.Daher zuckte Perytlth auch nicht zusammen,als der Wirt seinen Verdacht äußerte.

Perytlth spürte, wie ihn Angst befiel.Wenn dieser Unbekannte tatsächlich ein PO-GIM-Mann war, dann befand sich der alteZaliter in höchster Gefahr. War es schon so-weit, wurde er abgelöst? Brauchte die Ge-heimpolizei die Dienste des Kranken nichtmehr? Perytlth war nicht so dumm, daß ernicht gewußt hätte, daß er als POGIM-Mannnur so lange von Wert war, wie er für die

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Untergrundorganisationen und Regimegeg-ner gefährlicher war als für die POGIM.War Perytlth erst einmal von den geheimenWiderstandsorganisationen enttarnt, konnteer höchstens noch POGIM-Geheimnisseausplaudern, und vor solchen unangeneh-men Überraschungen pflegte man sich beider geheimen Polizei des Imperators rechtdrastisch und wirkungsvoll zu schützen.

»Wo kommt der Mann her?« fragte derSpitzel leise. »Ein Arkonide?«

Der Wirt zuckte mit den Schultern undbedeutete dem Robot mit einer Handbewe-gung, die beiden Gläser wieder aufzufüllen.

»Die Sorte habe ich noch nie gesehen«,behauptete der Wirt. »Arkonide ist er sichernicht, er hat dunkle Augen und auch dunklesHaar. Zaliter ist er auch nicht. Ich habe inmeinem Gedächtnis gesucht, aber ich kennekeine Welt, auf der es solche Männer gibt.Es sei denn, er stammt von einer der Welten,die nur bei Sklavenjägern bekannt sind, aberdann würde er wohl kaum so friedlich hiersitzen. Willst du ihn dir ansehen?«

Perytlth kniff die Augen zusammen.Was hatte der Wirt mit dieser Frage ge-

meint, vor allem mit dieser Formulierung?Ahnte er, in wessen Diensten Perytlth stand,war er eingeweiht? Perytlth, durch das Auf-tauchen des Fremden ohnehin überrascht,wurde nervös. Gerade er, der sich im stillendarüber freute, Angst und Schrecken ver-breiten zu können, war für Angst besondersempfänglich. Aber ein schneller Seitenblickauf den Wirt zeigte dem Zaliter, daß derMann mit seinen Worten keinen Hinterge-danken ausdrücken wollte.

»Vielleicht kennt er ein paar neue Ge-schichten«, hoffte Perytlth und setzte seinGefährt in Gang. »Ich werde versuchen, mitdem Mann ein Gespräch anzufangen.«

Perytlth sah verstohlen nach der Uhr. Esblieb ihm noch mehr als eine Stunde, bis er,um den Ruf seiner sagenhaften Pünktlichkeitzu rechtfertigen, das Lokal wieder verlassenmußte. Langsam schwebte der klapprige Un-tersatz, der Prothese und Fahrzeug zugleichwar, auf den Tisch zu, an dem der Fremde

saß.Das erste, was Perytlth sehen konnte, wa-

ren eindrucksvoll breite Schultern. Nein, einArkonide war dieser Mann nicht; er konntesich auch nicht verkleidet haben. Für einenArkonbürger war er zu klein, zu breit und zumuskulös.

»Darf ich?« fragte Perytlth unterwürfig.Der Fremde drehte sich halb herum und

sah den Zaliter schnell an, dann lächelte er.»Natürlich«, sagte der Fremde. »Hier ist

schließlich Platz genug.«Es gab zu diesem Zeitpunkt mehr als

zwanzig freie Sitzplätze in dem Lokal, diePerytlth ohnehin nicht hätte in Anspruchnehmen können. Was der Mann in demKrankengleiter wollte, mußte dem Fremdensofort klar gewesen sein. Er änderte seineSitzposition so, daß er Perytlth ansehenkonnte.

Der Zaliter hielt diesem Blick nicht langestand. Perytlth war kein Psychologe, nichteinmal ein guter Menschenkenner, aberselbst er spürte sofort, daß dieser Fremdekein PO-GIM-Mann sein konnte. In demNetz von Ängsten, Schrecken, Terror, Ver-dächtigungen, offenem und verstecktem Wi-derstand, in dem Arkon seit der Machter-greifung gefangen war, konnten sich wederTäter noch Opfer auf beiden Seiten einen sooffenen Blick leisten.

Der Fremde sah Perytlth freundlich an.»Darf ich dich zu etwas einladen?« fragte

er.In diesem Augenblick begannn Perytlth

den Fremden zu hassen. Natürlich war derZaliter daran gewohnt, etwas ausgegeben zubekommen, schließlich gehörte es zu seinerRolle, seine Mitmenschen anzubetteln. AberPerytlth hatte immer gewußt, weshalb manihm etwas zuschob, sei es aus Selbstgerech-tigkeit, um ihn loszuwerden, um ihn seineMinderwertigkeit fühlen zu lassen, um ihnauszuhorchen, als Bezahlung für geleistete,illegale Dienste – all diese Motivationenkannte der Zaliter. Dieses Angebot aber waranders; vergeblich suchte der Mann im Blickdes Fremden den wohlvertrauten Ausdruck:

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»Du bist ein armer Hund und ich ein feinerKerl, da hast du!« In Perytlths Welt, die vonHaß und Bosheit, von Feigheit und Nieder-tracht eingegrenzt wurde, war diese einfa-che, ungekünstelte Geste nicht vorhanden,und es durfte sie auch nicht geben. Nur so-lange Perytlth die Möglichkeit hatte, in je-dem anderen Menschen den Halunken, kal-ten Egoisten, den schlechten Charakter zuentdecken, konnte er seine eigene Schlech-tigkeit vor sich selbst rechtfertigen.

Perytlth verzog das Gesicht und produ-zierte sein Standardlächeln Nummer eins.

»Vielen Dank, Bruder«, säuselte er. »Estut gut, in diesen harten Zeiten einen freund-lichen Mitmenschen zu treffen. Sag, Bruder,woher kommst du?«

»Ich weiß es nicht«, sagte der Fremde lä-chelnd. »Ich bin sozusagen ein galaktischesFindelkind, das von einem großen Geheim-nis umgeben wird.«

Perytlth machte ein interessiertes Gesicht.Geheimnisse aller Art liebte er sehr, beson-ders den Verrat dieser Geheimnisse. Ermachte es sich in seiner ambulanten Prothe-se bequem und hörte dem Fremden faszi-niert zu.

*

Ra wußte selbst nicht, wie er dazu kam,dem offenbar schwerkranken Zaliter solcheMärchen aufzutischen. Aber der Barbar hat-te ein sicheres Gespür für menschliche Qua-litäten, und sein Instinkt sagte ihm, daß seinGegenüber als Erzschurke zu bezeichnenwar. Daher erlegte er sich keine Hemmun-gen auf.

»Ich wurde vor zwanzig Jahren gefun-den«, erzählte er mit gedämpfter Stimme,»und zwar in einem sehr großen Raum-schiff, das steuerlos durchs All trieb. EinHandelskapitän hatte das Schiff gefundenund las mich auf. Mit dem Schiff konnte ernicht viel anfangen, da die Technologiedem, was er kannte, um mindestens fünftau-send Jahre voraus war. Das einzige, was erbrauchen konnte, war ein Datenband für ei-

ne Hypnoseschulung. Leider wurde derFrachter auf dem Weg nach Arkon vonMaahks erwischt und nahezu völlig zerstört.Der Kapitän starb und mit ihm fast die ganzeBesatzung. Auch das Datenband wurde ver-nichtet. Nur ein alter Raumfahrer und ichüberlebten die Tragödie, und dieser Mann,der vor wenigen Wochen gestorben ist, hatmir wenigstens einen Teil des Geheimnissesauf dem Sterbebett enthüllen können.«

Gierig trank Perytlth aus seinem Glas, erkonnte kaum mehr erwarten, daß der Frem-de weitererzählte.

»Wie mir der alte Mann berichtete«, setz-te der Fremde seine Erzählung fort, »ist diesgar nicht mein eigentlicher Körper. Es istnur eine Übergangsform auf dem Weg zumeiner richtigen Gestalt. Viel konnte mirder Sterbende nicht mehr über meine wirkli-che Gestalt erzählen, aber ich konnte heraus-bekommen, daß ich in meinem späteren Le-ben lange, kräftige Beine haben werde, vielZeit im Wasser zubringen werde und einengroßen, aufblasbaren Mund besitzen werde,obwohl ich nicht begreifen kann, wozu dasalles gut ist. Ich soll der Erbe eines einst-mals überaus mächtigen Volkes sein, herrli-cher und gewaltiger als alle bekannten Völ-ker der Galaxis. Aber von unserem Volk sollaußer mir nur noch ein Wesen leben, in sei-ner wirklichen Gestalt. Die Botschaft aufdem Hypnoband lautete so, daß ich diesesWesen finden muß, das an einer goldenenKugel leicht zu erkennen sei. Es würde mirmeine wahre Gestalt geben, und dann könn-te ich mit dem Erbe meines Volkes mir dieGalaxis Untertan machen!«

»Laß das nicht Orbanaschol hören«, mur-melte Perytlth.

Der Zaliter fand die Geschichte zwar et-was befremdlich, aber er sah nicht ein, wa-rum sie nicht wahr sein sollte. In der Galaxisgab es die verschiedenartigsten Lebewesen,warum nicht auch ein intelligentes, raumfah-rendes Volk, auch wenn es aussah wie ordi-näre zalitische Sumpfbewohner.

Ra hatte Mühe, seine Beherrschung nichtzu verlieren. Der Alte schien die haarsträu-

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bende Geschichte tatsächlich zu glauben. Rabeschloß, sie an Atlan weiterzugeben, viel-leicht konnte der Kristallprinz eines Tagesauf sie zurückgreifen.

»Orbanaschol, pah«, machte Ra und grin-ste verächtlich. »Wenn ich erst das Schiffgefunden habe, in dem ich entdeckt wurde,werde ich bald auch das geheimnisvolle We-sen mit der Goldkugel finden, und dann wirdes aus sein mit seiner Erhabenheit, dem Im-perator!«

Ra hatte laut genug gesprochen, um in je-dem Winkel verstanden worden zu sein.Wer wollte, konnte Ra jetzt der POGIMüberliefern, aber der Barbar spekulierte dar-auf, daß man ihn absichtlich überhörte.

»Das würde den Imperator böse überra-schen«, meinte Perytlth. Er setzte LächelnNummer zwei auf: geheimnisvoll, ver-schwörerisch.

»Und warum sitzt du hier herum?« fragtePerytlth. »Warum suchst du nicht nach demSchiff?«

Ra machte die überall verbreitete Gestedes Geldzählens.

»Ich finde keine Geldgeber«, seufzte erleise. »Woher soll ich ein raumtauglichesSchiff nehmen. Niemand will mir helfen,obwohl ich meine ersten Helfer belohnenwürde, wie kein Wesen je belohnt wordenist. Sternenreiche könnte ich vergeben, ge-waltige Reichtümer. Schließlich ist meinVolk das technisch höchstentwickelte derGalaxis.«

»Auch auf medizinischem Gebiet?« fragtePerytlth hastig.

Ra zögerte sekundenlang.Was sollte er dem Schwerkranken auf die-

se Frage antworten? Durfte er das Märchenfortsetzen, dem Mann eine Hoffnung geben,die nicht zu realisieren war? Ra wußte selbstnicht genau warum, aber er nickte kurz.

Perytlths Augen weiteten sich, er begannzu lächeln.

*

»Es ist nicht zu glauben«, knurrte Pathor

Margib. »Wo steckt dieser Bursche. Das wä-re das erstemal, daß Perytlth sich verspätet.In mehr als zehn Jahren Arbeit für uns hat ersich das noch nie erlaubt.«

Mehn Sulk zuckte mit den Schultern.»Vielleicht ist er dem Liebreiz irgendei-

ner Schönen am Hafen verfallen«, meinte erund grinste dazu. »Obwohl ihn sein erstesAbenteuer mit Frauen genug gelehrt habensollte.«

Die beiden Männer kannten die Frau desZaliters; als Perytlth eingestellt worden war,hatte man natürlich auch die Frau gründlichüberprüft, und die Männer der geheimenPOGIM-Station waren froh, daß ein andererals sie in diese Falle getappt war.

»Trotzdem«, murmelte Pathor. »Mir istnicht ganz wohl. Ich werde den Arzt rufen.Ich habe das Gefühl, wir werden ihn brau-chen.«

Die vor der Öffentlichkeit und allen ande-ren Behörden geheimgehaltene Station derPOGIM hatte sich als Diagnosezentrum ge-tarnt. Bei dem großen Besucherverkehr fie-len einige Agenten und Außendienstmitar-beiter nicht auf. Vor allem war es möglich,jederzeit Dutzende von Männern in Alarmzu versetzen. Anderswo wären Männer, dieblindlings durch die Gänge rannten, aufge-fallen, hier war derlei üblich. Immer wiedermußte Pathor Margib mit boshafter Freudean den Ausspruch einer alten Frau denken,die beim Anblick eines wie besessen rennen-den Mannes gesagt hatte: »Lieb, wie sich dieMänner für unsereins einsetzen!«

Spaße dieser makabren Art waren typischfür Pathor Margib, der seine gute Stellungbei der POGIM zum größten Teil seinemausgeprägten Zynismus und seiner Men-schenverachtung verdankte. Im Fall der al-ten Frau hatte der betreffende eilige Manndie gesamte Familie der Frau verhaftet undwenig später dem Konverter überantwortet.

»Zehn Minuten zu spät«, stellte Pathorfest, als Perytlth endlich den Raum betrat.»Wo haben Sie gesteckt, Mann?«

Perytlth machte ein verlegenes Gesicht.»Mir wurde übel«, gestand er. »Das hat

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mich aufgehalten, aber nur auf dem Weghierher. Meine Runde habe ich pünktlich ab-solviert.«

»Sie machen uns Sorgen«, meinte MehnSulk. »Wir haben den Doktor kommen las-sen, um Ihren Gesundheitszustand überprü-fen zu lassen. Wenn Sie sich schlecht füh-len, dann sagen Sie es. Sie haben sich einenlängeren Urlaub ehrlich verdient. Wir sindschließlich keine Leuteschinder!«

Perytlth lächelte schwach. Diese Wortehörten sich aus dem Munde des berufsmäßi-gen Leuteschinders befremdlich an, aber Pe-rytlth wußte aus langer Erfahrung, daß diePO-GIM zu ihren Mitarbeitern äußerst groß-zügig war, wenn diese Mitarbeiter wertvollwaren. Wem es gelang, zum Rang eines Of-fiziers aufzusteigen, wie es Margib und Sulkgeschafft hatten, konnte für den Rest seinesLebens – Verschwiegenheit und Regime-treue vorausgesetzt – sorgenfrei leben.

Sulk winkte den Arzt heran, der Perytltheingehend untersuchte. Dann winkte derMediziner zwei Robots heran, die Perytlthbehutsam aus seiner Prothese lösten und zueinem Untersuchungstisch trugen, der imNachbarraum stand.

Während sich der Arzt um Perytlth küm-merte, öffneten die beiden POGIM-Männereine Klappe an dem Gleiter, von deren Exi-stenz Perytlth aus naheliegenden Gründennichts wußte. Hinter der Öffnung steckte einBandgerät, das alle Gespräche aufnahm, diePerytlth geführt hatte. Normalerweise wur-den die Unterhaltungen auf einem anderenGerät aufgezeichnet, aber man hatte, um denBandwechsel nicht allzu häufig vornehmenzu müssen, Perytlth freigestellt, wann er dasGerät einschalten wollte. In den Pausen, dieso entstanden, zeichnete das zweite Gerätauf. Auf diese Weise war die POGIM nichtnur im Besitz eines jeden Wortes, das Pe-rytlth gesprochen hatte, sondern der Krüppelsortierte unfreiwillig auch jene Bemerkun-gen aus, die ihm selbst gefährlich werdenkonnten.

Es dauerte nur wenige Minuten, dann hat-te Pathor Margib die besprochene Bandspule

gegen eine frische ausgetauscht und dieKlappe wieder geschlossen.

Wenig später kehrte der Arzt mit den Ro-bots zurück, die Perytlth sanft wieder an sei-ne Prothese anschlossen.

»Abgesehen von der Knochenpest ist derMann gesund«, stellte der Arzt fest.»Wahrscheinlich hat er etwas gegessen, dasihm nicht bekommen ist. Ich schlage aller-dings vor, daß man ihm einen längeren Kur-aufenthalt zubilligt. Er macht einen leichtgeschwächten Eindruck.«

»Nur das nicht!« stöhnte Perytlth auf.»Meine Frau hat schon eine Kur beantragt.Stellen Sie sich vor, wir landen am gleichenOrt!«

»Dann nicht«, meinte der Arzt achsel-zuckend. »Es ist Ihr Wille. Wie bereits ge-sagt, meine Herren, der Mann ist im großenund ganzen gesund!«

»Passen Sie besser auf sich auf, Perytlth!«ermahnte Mehn Sulk den Zaliter beim Ab-schied. »Sie werden gebraucht, das wissenSie. Sie sind einer unserer besten Männer.«

Sulk konnte den merkwürdigen Ausdruckin Perytlths Augen nicht deuten, aber erkümmerte sich auch nicht darum. Was inter-essierte ihn, den erfolgreichen POGIM-Offi-zier mit einer steil ansteigenden Karriere,schon das Innenleben eines verkrüppeltenDenunzianten. Die Führungsoffiziere derPOGIM kannten ihre V-Männer viel besserals diese ahnten. Selbstverständlich wußtenMehn Sulk und Pathor Margib genau, auswelchen Gründen Perytlth seine gnadenloseMenschenjagd betrieb; sie verachteten denZaliter deshalb.

Die beiden Männer warteten, bis sowohlder Arzt als auch Perytlth verschwunden wa-ren, dann spannten sie das Band in ein Ab-spielgerät ein. Wenig später klang Ras Stim-me durch den Raum. Die beiden Männerhörten dem Gespräch mit fassungslosemStaunen zu, sie hatten Mühe, den aufkom-menden Lachreiz zu unterdrücken. Ein Bilddes fremden Märchenerzählers besaßen sienicht; erst in einigen Tagen war die vollstän-dige Leerung der Datenkassetten in Perytlths

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Krankenstuhl fällig.»Heilige Milchstraße!« japste Mehn Sulk

und schnappte nach Luft. »Dieser Schwätzerhat Perytlth völlig eingewickelt. Ich bin si-cher, daß der Zaliter jedes Wort geglaubthat.«

»Unvorstellbar«, staunte Pathor Margib.»Perytlth ist doch sonst nicht so leichtgläu-big.«

»Ich würde vor allem gerne wissen«,überlegte Sulk halblaut, »warum der Fremdegar nicht erst auf Perytlth eingegangen ist,sondern ihn ohne jedes Vorgeplänkel belo-gen hat, einfach so. Was für einen Grund hatdieser Mann gehabt?«

Pathor Margib runzelte die Stirn und bißsich auf die Lippen.

»Sollte der Bursche geahnt haben, daß erPerytlth gegenüber vorsichtig sein muß?«vermutete er.

»Du meinst, man weiß inzwischen, daßder Zaliter für uns arbeitet?« hakte MehnSulk nach. »Kann ich mir kaum vorstellen.Wer vermutet in Perytlth schon einen V-Mann der POGIM?«

»In jedem Fall werden wir uns diesenMann näher ansehen müssen«, stellte PathorMargib fest. »Und wir werden auch Perytlthim Auge behalten müssen. Ich habe das Ge-fühl, daß er dem Fremden glaubt, daß derihn wieder gesund machen könnte. Und da-für würde Perytlth jeden verraten. Ich kannes ihm nicht einmal verdenken.«

»Lassen wir Perytlth weiter diesen Frem-den beobachten«, schlug Sulk vor. »Wirkonstruieren einen Spielfall, unterstützenPerytlths Wahnglauben und setzen ihn aufdie Fährte dieses Märchenerzählers. Damitschlagen wir zwei Fliegen mit einer Klap-pe.«

»Einverstanden«, stimmte Margib zu.»Ich bin gespannt, was Perytlth uns alsnächstes servieren wird!«

2.

Ra sah dem Mann, der gerade in seinemaltmodischen Krankengefährt das Lokal ver-

ließ, mit gemischten Gefühlen nach. Er fühl-te sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Erhatte den alten, kranken Mann hinters Lichtgeführt, und der Alte war darauf hereinge-fallen. Zwar hatte Ra instinktiv gespürt, daßmit diesem Mann etwas nicht stimmte, aberdies gab ihm noch lange nicht das Recht, einübles Spiel mit den Gefühlen des Mannes zutreiben.

Ra biß sich auf die Lippen, als er mit demüberscharfen Gehör eines Naturmenschenhinter sich Schritte hörte. Sofort drehte sichder Barbar herum.

Ein Mann näherte sich dem Tisch, an demRa saß. Der Mann war breitschultrig undhochgewachsen, ein Arkonide, wie das wei-ße Haar und die Albinoaugen sofort zeigten.Die dunklere Färbung seiner Haut verriet,daß er sich dem Sonnenlicht aussetzen muß-te, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.Folglich gehörte der Mann den unteren so-zialen Schichten an. Arkoniden von Ranghatten blaß zu sein. Das alabasterne Weiß ei-ner Leiche war derzeit Modefarbe.

Ohne um Erlaubnis zu fragen, setzte sichder Mann zu Ra an den Tisch und musterteden Barbaren eindringlich. Minuten vergin-gen, in denen kein Wort fiel. Aus einer Sitz-gruppe in einer dämmerigen Ecke herauswurde Ras Tisch unausgesetzt beobachtet.Endlich brach der Besucher das Schweigen.

»Mein Name ist Sarat Tohl«, stellte sichder Mann vor. »Ich bin Raumfahrer und –nebenbei – ein wenig Schmuggler.«

»Aha«, dachte sich Ra. »Das dürfte derKöder sein.«

Laut sagte er: »Ich heiße Ra, bin Raum-fahrer und – nebenbei – ein wenig Barbar!«

Ra erreichte seinen Zweck, der Mannfühlte sich veralbert.

»Hör zu!« zischte Sarat Tohl. »Wir habendich genau beobachtet. Du bist hier herein-gekommen, hast kaum etwas getrunken undeinem alten Stammgast das Blaugrüne vomHimmel heruntergeflunkert. Was zum Teu-fel suchst du hier? Bist du von der Polizei?Oder gar von der POGIM?«

»Weder noch«, meinte Ra knapp und

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trank einen Schluck Fruchtsaft. Er wußtejetzt ziemlich genau, woran er war. Die un-verblümte Frage nach der gefürchteten Ge-heimpolizei ließ nur den einen Schluß zu,daß der Fragende nicht viel von der POGIMhielt. Alternativ dazu bestand natürlich im-mer die Gefahr, daß der Frager selbst zurPOGIM gehörte, aber dieses Risiko erschienRa in diesem Fall ziemlich gering. Oben-drein hätte er es, gleichgültig unter welchenUmständen auch immer, eingehen müssen.

Das Ziel des Barbaren war, in die sicher-lich vorhandene Untergrundwiderstandsor-ganisation Arkons einzusickern und dort gu-te Verbindungen zu schaffen, die ihm, Atlanoder den Männern und Frauen auf Kraumonspäter von Nutzen sein konnten.

»Was hältst du von seiner Erhabenheit?«fragte Ra gemütlich. »Magst du OrbanascholIII. wünschst du ihm langes Leben und Ge-sundheit?«

»Die Pest an den Hals!« knurrte SaratTohl. Er hätte ein hervorragender Schauspie-ler sein müssen, um den verhaltenen Haß inder Stimme aufs Stichwort hin so naturge-treu mitschwingen lassen zu können.

»Dann bin ich bei dir richtig«, meinte Raund grinste den Mann an. »Leute wie euchhabe ich gesucht. Wollen wir gehen?«

»Gehen? Wohin?« fragte Tohl verblüfft;er kam mit dem Tempo nicht mit.

»In euren Versammlungsraum«, erklärteRa freundlich. »Dorthin, wo ihr eure gehei-men Besprechungen abhaltet. Oder wollenwir hier weiterreden?«

Die Überrumpelungstaktik funktionierte.Sarat Tohl schüttelte verwirrt den Kopf,dann winkte er den Kassiererrobot heran undzahlte. Vergnügt stellte Ra fest, daß derMann in seiner Verwirrung beide Zechenbeglich.

Sarat Tohl ging voran. Auf der Straße saher sich immer wieder um, ob ihm jemandfolgte. Ra wurde schon nach kurzer Zeitskeptisch. Sarat Tohl schien nicht eben diegeistige Spitze des arkonidischen Wider-stands zu sein. Bei den Schulungsstunden inkonspirativem Verhalten dürfte er jedenfalls

häufig gefehlt haben.Verblüfft stellte Ra fest, daß der Mann

zielsicher auf eine öffentliche Bedürfnisan-stalt zumarschierte.

Sobald die beiden Männer den Innenraumerreicht hatten, sah sich Sarat Tohl schnellum. Außer ihm und Ra hielt sich niemand indem kleinen Gebäude auf. Rasch brachte derMann einen Impulsschlüssel zum Vorschein,dessen Sendekopf er an den Boden hielt, deraus vernieteten Stahlplatten bestand. Raspürte, wie der Boden unter ihm nachgab;senkrecht stürzte er ein paar Meter in dieTiefe, dann fing ihn ein Feld sicher auf. Inden wenigen Sekundenbruchteilen des freienFalles hatte sich die Öffnung über ihrenKöpfen wieder geschlossen. Ra kannte so-fort den Grund dafür; da die Anstalt nichtverschließbar war, mußte das Verschwindender Besucher blitzschnell vonstatten gehen,bevor ein ahnungsloser Besucher plötzlichmit einem großen Loch im Boden konfron-tiert wurde.

Ra warf einen schnellen Blick auf den Im-pulsschlüssel, den Sarat Tohl hastig wiederverschwinden ließ.

Dieser kurze Blick reichte für Ra. Er wuß-te jetzt, daß Tohl einen Schlüssel benutzte,wie er in jedem Großkaufhaus zu erhaltenwar; wenn sich die Polizei für dieses Ver-steck interessierte, dann würde sie kaummehr als eine Minute brauchen, um dasSchloß zu öffnen. Langsam dämmerte Ra,daß er nicht gerade an professionelle Wider-standskämpfer geraten war.

»Mir nach!« knurrte Sarat Tohl; er hatteviel von seinem Selbstvertrauen wiederge-funden.

Die beiden Männer steckten nun im Un-tergrund von Arkon II, mitten in dem unent-wirrbar erscheinenden System von Kanälen,Schächten, Stollen und Röhren, den eigentli-chen Lebensadern des Planeten. Es war er-staunlich, daß die planetare Polizei dieserUntergrundwelt kaum Aufmerksamkeitschenkte. Nirgendwo war Arkon II so ver-wundbar wie hier. Eine radikale, umsichtiggeführte Stadtguerrilla konnte in aller Ruhe

Komet der Geheimnisse 11

an jedem wichtigen Schaltpunkt eine Bombeanbringen. Bei gleichzeitiger Sprengung hät-te sich auf dem Planeten nichts mehr be-wegt. Was das für eine so hochgezüchtete,auf perfekter Technik basierende Gesell-schaft bedeutete, war abzusehen.

Leise Schauder durchliefen Ra, als Tohlihn durch einen Gang führte, unter dessenBoden die Haupttrinkwasserleitung für eineMillionenstadt verlief. Zwar waren Meßfüh-ler zu erkennen, die jeden Rohrbruch mel-den und vollrobotisch beseitigen würden,aber was würde geschehen, wenn ein gei-steskranker Fanatiker es sich einfallen ließ,das Trinkwasser um einige Kilogramm eineschemischen Kampfstoffs zu bereichern? Rawarf einen besorgten Blick auf seinen Be-gleiter, aber Sarat Tohl machte nicht denEindruck, als sei er zu solchen Wahnsinns-handlungen fähig. Aber wer konnte ein sol-ches Urteil mit ausreichender Verläßlichkeitfällen?

Wenn Sarat Tohl sich vorgenommen hat-te, Ra zu verwirren, indem er ihn kreuz undquer durch das Labyrinth der Kanalisationführte, so hatte er sich gründlich getäuscht.Ra hätte zwar nicht sagen können, wo ersich exakt befand, aber er hätte den Weg,den er geführt worden war, jederzeit wiederan seinen Ausgangspunkt zurückverfolgenkönnen.

»Warte hier!« befahl Sarat Tohl. »Ichkomme bald zurück!«

Wieder trat der Impulsschlüssel in Tätig-keit, und wieder öffnete sich der Boden. Sa-rat Tohl schwang sich hinab in das Loch,das sich im Boden auftat, und verschwand.Ra nützte die Zeit, um sich umzusehen. Vielgab es nicht zu erkennen, nur ein Tiefbauin-genieur hätte sich in dieser übelriechendenUnterwelt vielleicht wohl fühlen können.Immerhin wußte Ra, daß vom perfektenFunktionieren aller Maschinen und Anlagendieser Unterwelt das Leben einiger Millio-nen Menschen abhing. Was die einzelnenFarbmarkierungen bedeuteten, welche Stoffedie Röhren und Leitungen transportierten,konnte Ra nicht herausfinden. Allerdings

ließen die Dichte und Häufigkeit der Verbin-dungen den Schluß zu, daß das Versteck derWiderstandskämpfer in unmittelbarer Näheeines bedeutsamen Knotenpunkts lag.

»Immerhin ein Vorteil!« murmelte Ra.Sollte die Polizei jemals dieses Versteck

aufspüren, dann hatten die Verschwörer denbeträchtlichen Vorteil, daß die Beamten essich nicht erlauben konnten, wahllos in derGegend herumzuschießen. Hier konnte jederTreffer verheerende Folgen für die Stadt ha-ben.

Nur wenige Minuten vergingen, danntauchte Sarat Tohl wieder auf. Er machte einfinsteres Gesicht; offenbar war man nichtsehr erfreut über den Gast, den er mitge-bracht hatte.

»Komm mit!« knurrte er Ra an. »Manwill dich untersuchen. Wenn du ein Spitzelbist, wirst du diesen Ort nicht mehr lebendverlassen!«

Das klang einigermaßen bedrohlich, aberRa ließ sich dadurch nicht einschüchtern. Erwar sich längst darüber klargeworden, daßes sich bei Sarat Tohl und seinen Freundenzwar um Menschen handelte, die das Terror-regime Orbanaschols verabscheuten, aberviel zu dilettantisch vorgingen, um demUsurpator gefährlich werden zu können.Brav, ehrlich aber harmlos, so stufte Ra Sa-rat Tohl ein, und seine Freunde würden ver-mutlich vom gleichen Schlage sein.

Es waren sieben Männer, die noch unterdem Niveau der Kanalisation auf Ra warte-ten und den Barbaren mit finsteren Gesich-tern musterten. Eindruck konnten sie damitauf Ra nicht machen; es war ihnen anzuse-hen, daß sie ihre Kenntnisse über Unter-grundkampf aus populären Videosendungenbezogen hatten.

»Was willst du, und wie heißt du?«schnauzte einer der Männer Ra an.

Ra hätte diesen skurrilen Haufen am lieb-sten sofort verlassen, aber er sagte sich, daßer hier wenigstens einen kleinen Zipfel derWiderstandsbewegung gegen Orbanascholin die Hand bekommen hatte. Vielleichtstand diese Gruppe mit fähigeren Gruppen

12 Peter Terrid

in Verbindung. Ra jedenfalls hätte als Füh-rer einer kaltblütig und entschlossen geführ-ten Untergrundtruppe solche kleinen, harm-losen Gruppen überwacht, und sei es nur,um nicht im unpassendsten Augenblick übereinen allzu eifrigen Amateur zu stolpern.

»Ich heiße Ra«, stellte sich der Barbarzum zweiten Male vor und verschränkte dieArme vor der Brust. »Ich bin ein Freund desKristallprinzen Atlan!«

Schmerzlich wurde sich Ra der Tatsachebewußt, daß Atlans Schicksal im Mikrokos-mos mehr als ungewiß war; daß er, Ra, dafürverantwortlich war, wenn Atlan nicht zu-rückkehren sollte; das wahrscheinlich nochimmer Ischtars Doppelpyramidenschiff umden Maahkstützpunkt kreiste, auf den ver-schwundenen Kristallprinzen wartend. Wasihm bevorstand, wenn Atlan nicht zurück-kehrte und Ra wieder Ischtar gegenübertre-ten mußte, wagte sich der Barbar nicht zuvergegenwärtigen.

»Atlan ist tot!« stellte der Sprecher fest.»Ganz Arkon hat es miterlebt. Er hat ver-sucht, den Imperator zu töten und ist dabeiselbst umgekommen. Versuche nicht, unsfür dumm zu verkaufen.«

Im Hintergrund des karg möbliertenRaumes erkannte Ra eine junge Frau, eineArkonidin, die Ra mit unverhohlener Neu-gierde musterte. Ra hatte den Eindruck, alssei in Wirklichkeit das Mädchen der Kopfdieser Gruppe; in jedem Fall machte sie einweitaus energischeren Eindruck als dieMänner.

»Dennoch«, behauptete Ra. »Atlan lebt,ich weiß es genau. Der Mann, den ich in derArena getötet habe, war nicht Atlan. Ichwerde doch keinen meiner Freunde töten.«

Ra konnte aus den Augenwinkeln herauserkennen, daß sich die Augen des Mädchensblitzartig verengten. In diesem Augenblickerinnerte sie Ra an ein sprungbereites Raub-tier.

»Kannst du das beweisen?« wollte einerder Männer wissen. »Wenn der Kristallprinznoch lebt, wo ist er dann?«

Die Antwort auf diese Frage hätte Ra gern

selbst gewußt.»Er ist fern von Arkon«, behauptete Ra

wahrheitsgemäß. »Er sammelt seine Getreu-en um sich.«

In diesem Augenblick mischte sich dasMädchen ein.

»Du bist der Mann, der beim Fest der za-litischen Händler gegen den Maskenträgergekämpft hat?« fragte das Mädchen. Ranickte kurz.

»Was willst du von uns?« fragte der Spre-cher.

»Wenn wir Orbanaschol stürzen wollen«,erklärte Ra, »dann brauchen wir Helfer ingroßer Zahl, Männer und Frauen, die bereitsind, ihr Leben für die Freiheit Arkons zuwagen.«

Ra war kein Redner, aber er hatte ein gu-tes Gedächtnis. Die gleiche Rede hatte derarkonidische Leutnant in dem Streifen»Stützpunkt der Verlorenen« gehalten, dervor einigen Tagen ausgestrahlt worden war.Die Qualität dieser Produktion war augen-fällig geworden, als der heroische Leutnantmit vier Helfern es in auswegloser Lage fer-tigbrachte, eine Raumarmada der Maahks zuvernichten. Ra wandelte den Text ein wenigab, streute noch einige Male Worte wie Hel-denmut, Heroen und Triumph ein, und nacheinigen Minuten hatte er die Männer für sichgewonnen. Allerdings sah Ra auch, daß sichdas Mädchen abgewandt hatte. Nur Rakonnte sehen, daß ihre Rückenmuskulatur inmühsam unterdrückten Lachkrämpfen zuck-te.

Die Männer standen auf und umarmtenRa feierlich, klopften ihm auf die Schulterund hießen ihn im Kreis der »Freien SöhneArkons« willkommen.

Bevor die Männer dazu kamen, die näch-sten Schritte des gemeinschaftlichen Kamp-fes zu erörtern, was Ra in peinlichste Verle-genheit gebracht hätte, wurde ein scharfesZischen hörbar. Verblüfft stellte Ra fest, daßdie Widerstandsgruppe der »Freien SöhneArkons« mit akustischen Alarmanlagen ar-beitete. Sarat Tohl hantierte an einemSchaltpult im Hintergrund des Raumes, und

Komet der Geheimnisse 13

wieder machte Ra eine erstaunliche Beob-achtung. Die Gruppe überwachte die Räum-lichkeiten rings um ihren Stützpunkt mit ur-alten elektronischen Kameras, die allerdingsden Vorzug hatten, daß man ihre Streufelderleichter abschirmen konnte.

»Ein Trupp Robots nähert sich uns«, stell-te Sarat Tohl fest. »Es wird am besten sein,wenn wir uns zurückziehen!«

»Ich nehme Ra mit mir«, sagte das Mäd-chen sofort. »Ich werde ihn unserem Grup-penleiter vorstellen.«

Um den Versammlungsraum verlassen zukönnen, mußten die Menschen weiter in dieTiefe steigen. Ra schätzte, daß er sich nunknapp einen halben Kilometer unterhalb derOberfläche befand.

Das Mädchen hatte Ras Hand gefaßt undzog ihn hinter sich her. Ra war gespannt aufdas, was ihn erwartete.

*

»Habt ihr den Barbaren gefunden?« laute-te die scharfe Frage.

»Nein, Erhabener!« sagte der Kurier leise.»Warum nicht?«Der Mann sprach den Buchstaben R unge-

wöhnlich hart aus, ein starker Gegensatz zuseiner sonst sanften, freundlichen Stimme.Er konnte es sich leisten, diesen Sprachfeh-ler zu behalten. Einen Mann in seiner Stel-lung machte man für gewöhnlich nicht aufsolche Unzulänglichkeiten aufmerksam.Wer hätte es schon gewagt, Orbanaschol zuerzählen, daß seine Stimme eine Tortur fürjeden Mitmenschen war, der nicht gerade soverkümmert war, daß er Musik lediglich füreine Abfolge von Geräuschen hielt.

»Der Barbar tauchte nach dem mißglück-ten Attentat auf den Imperator unter«, be-richtete der Kurier. »Ihr werdet Euch erin-nern, bei der Räumung des Stadions kam eszu handgreiflichen Auseinandersetzungenzwischen den Kämpfern und der Polizei.Dabei konnten einige hundert Personen un-kontrolliert das Gelände verlassen.«

»Und was ist mit den Unterlagen in der

Verwaltung?« bohrte der Mann weiter. Erwandte dem Kurier den Rücken zu. »Manwird mir doch nicht erzählen wollen, es habebeim Fest der zalitischen Händler keinenVerwaltungsapparat gegeben!«

»Es gab entsprechende Büros«, gestandder Kurier ein. »Aber sie sind abgebrannt.Ein bedauerlicher Unglücksfall, Erhabener!«

»Wer ist dafür verantwortlich zu ma-chen?« wollte der Mann am Fenster wissen.»Eine Person, die mir untersteht?«

»Nein, Erhabener!« antwortete der Kuriersofort. »Welche Befehle soll ich der Organi-sation auf Arkon II übermitteln?«

»Alle verfügbaren Männer und Frauensollen die Augen offenhalten!« befahl derMann leise. »Wir müssen diesen Barbarenzu fassen bekommen. Schließlich kann ersich nicht in Luft aufgelöst haben.«

»Arkon ist groß und der Imperator nichtüberall!« zitierte der Kurier eine alteSpruchweisheit. »Wie soll man einen einzel-nen Mann unter so vielen finden?«

»Durch Suchen«, gab man ihm Antwort.»Dieser Barbar weiß genau, daß der Atlan inder Arena nicht echt war. Er kann unsere ge-samte Organisation zum Zusammenbruchbringen. Was das bedeutet, kann sich wohljeder ausrechnen!«

»Lebenslanges Arbeitslager, Fronteinsät-ze ohne Rückkehrchance«, murmelte derKurier. »Oder der Konverter!«

»Ihr wißt also, worum es geht«, stellte derMann am Fenster fest. »Es ist im Interesseeines jeden von uns, wenn der Barbarschnellstens gefunden wird. Von seinemVerhalten, das wir nicht einwandfrei berech-nen können, hängt unser Leben ab!«

»Wir werden unser Bestes tun, Erhabe-ner!« versprach der Kurier. Vier andereMänner, die ebenfalls den Raum bevölkertenund bisher geschwiegen hatten, nickten bei-fällig. Der Kurier zog sich zurück, währendder Mann am Fenster eine unruhige Wande-rung durch den Raum begann.

»Ich sehe es Euch an, Erhabener, etwasquält Euch«, bemerkte einer der Besucher.»Dürfen wir den Grund erfahren?«

14 Peter Terrid

»Lartog!« seufzte der Mann. »Ich denkean den Leutnant Sarn Lartog. Es ist meineSchuld, daß er gestorben ist. Ich war so ver-sessen auf das, was der junge Mann zu er-zählen hatte, daß ich jede* Hemmung verlor.Ich habe das Psychoverhör befohlen, das ihngetötet hat!«

»Es ist kein großer Trost, gewiß«, warf je-mand ein, »aber Lartog wäre andernfalls indie Hände Orbanaschols gefallen. Das hätteseinen Tod nur um einige grauenvolle Wo-chen verzögert. Gestorben wäre Lartog sooder so.«

»Das ist kein Argument«, wehrte derMann mit einer müden Handbewegung ab.»Wir hätten Lartog mit falschen Papierenversorgen, ihn wegschmuggeln können. Ha-ben wir die Macht, die POGIM übertölpelnzu können, oder haben wir sie nicht?«

»Wir sind zweifellos dazu in der Lage«,stimmte man ihm zu. »Aber …«

»Nichts, aber!« wehrte der unruhige Wan-derer ab. »Ich hatte den Faden in der Hand,und ich war fest entschlossen, ihn aufzuspu-len. Seit Jahren der erste wirklich brauchba-re Hinweis auf Atlan, endlich eine Möglich-keit, mit ihm vielleicht Verbindung aufzu-nehmen – was wird der Kristallprinz sagen,wenn er erfährt, daß wir so leichtfertig mitdem Leben seiner Untertanen umgesprungensind?«

»Er wird es verstehen«, lautete die Ant-wort. »Er wird wissen, wie wenig dieser äu-ßere Schein der inneren Wirklichkeit ent-spricht.«

Zum erstenmal an diesem Abend lächelteder Mann, der jetzt wieder zum Fenster tratund in die Höhe schaute.

Seit einigen Jahren bewegte sich Blahurwieder im Schwerefeld des Arkonsystems.Wahrscheinlich gab es in der gesamten Ga-laxis keinen Kometen, der eine ähnlich kom-plizierte Bahn aufzuweisen hatte wie Blahur.Die astronomischen Großrechner hatten Mo-nate gebraucht, bis die Kursdaten einwand-frei ermittelt waren. Danach schlängelte sichder Komet in einer gewundenen und ver-schraubten Bahn durch mehr als zwanzig

Sonnensysteme, und zwar auf einem Kurs,der für einige Jahrhunderttausende Bestandhaben würde. Gefährlich konnte Blahur kei-nem seiner Gastsysteme werden, im Gegen-teil, Arkon freute sich auf das seltene Schau-spiel, das Blahur bot. In keinem Handbuchwar ein Komet aufgeführt, der einen derartfarbenprächtigen Schweif aufzuweisen hattewie Blahur. Farbige Streifen zogen hinterdem Himmelskörper her, bildeten Schlingenund Kreise, Schlieren und seltsam geformte,bizarre Muster.

»Du hast recht«, murmelte der Mann amFenster und lächelte schwach dazu. »Nichtimmer entspricht der äußere Schein derWirklichkeit, und dafür bin ich dankbar.«

Die Männer im Raum sahen sich leichtverwundert an, aber niemand wagte zu fra-gen, was der Erhabene mit dieser Äußerunggemeint haben mochte.

*

Perytlths Dossier nahm allmählich an Ge-stalt und Umfang zu. Seit Tagen belauerte erRa und versuchte festzustellen, zu welchenPersonen der geheimnisvolle Erbe der Gala-xis Kontakt aufnahm. Und immer wiederversuchte er Ra auszuhorchen. Er spürtenicht, daß er damit das Mißtrauen des Bar-baren steigerte. Ra revanchierte sich mit im-mer neuen Erzählungen, Andeutungen undMärchen, die Perytlth um so willigerschluckte, als die Aussichten für ihn immerrosiger wurden – jedenfalls, wenn es nachdem Erben der Galaxis ging.

Ra war sich inzwischen fast sicher, wel-che Rolle der Krüppel spielte. Und er wußteauch, welche Schlußfolgerungen er darauszu ziehen hatte.

Solange Perytlth die Märchengeschichteglaubte, würde er alles tun, um Ra ungestörtweiterarbeiten zu lassen. Einen besserenSchutz konnte sich Ra kaum denken. Ge-fährlich wurde es allerdings in dem Augen-blick, in dem Perytlth entdeckte, daß manihn gefoppt hatte. Dann galt es sofort zu ver-schwinden. Ra war genügend sicher, diesen

Komet der Geheimnisse 15

Zeitpunkt rechtzeitig erahnen zu können, umsein Spiel weiterzutreiben.

Er saß wieder in dem Lokal, in dem er Pe-rytlth und Sarat Tohl kennengelernt hatte.Der Krüppel würde in acht Minuten erschei-nen; Ra hatte inzwischen mehr über diesprichwörtliche Pünktlichkeit Perytlths er-fahren. Obwohl Perytlth am liebsten jedeMinute in Ras Nähe verbracht hätte, änderteer seine Lebensweise nicht; er wußte, daßein Abweichen von seiner gewohnten Ver-haltensweise gefährlich werden konnte.

Ra wartete auf das Mädchen, das ThemarIrwig hieß. Viel mehr wußte Ra nicht. The-mar hatte Ra zwar aus dem Labyrinth derKanalisation geführt, aber weitere Mitglie-der ihrer Gruppe hatte Ra nicht kennenge-lernt. Erst heute wollte sie ihn in die Gruppeeinführen. Ra war gespannt, wie dieseMannschaft aussah. Das Mädchen jedenfallsmachte den Eindruck eines kaltblütigen, gut-geschulten Professionals; wenn die anderenMitglieder dieser Vereinigung ähnlich ein-gestellt waren, hatte Ra eine wirklich wert-volle Verbindung hergestellt. Er freute sichschon darauf, Bei Etir Baj davon erzählen zukönnen.

Der Con-Treh war bei dem zalitischenHändler Alpertur geblieben und versuchteauf seine Weise, Kontakte zu knüpfen undwichtige Verbindungen herzustellen. Wäh-rend Ra sozusagen von unten her in die Wi-derstandsorganisationen einsickern wollte,versuchte Etir Baj die Köpfe aufzuspüren.Dieser Weg war zwar kürzer, aber weit be-schwerlicher und schwieriger, denn aus ei-nem Anführer war naturgemäß weniger her-auszuholen als aus einem einfachen Mit-glied, das normalerweise auf Fangfragennicht vorbereitet war.

Themar erschien zwei Minuten, bevor Pe-rytlth auftauchen mußte. Sie stand in derEingangstür, sah sich kurz um und verließdann das Lokal wieder. Ra wartete noch einehalbe Minute, dann ließ er den bereits be-zahlten Fruchtsaft im Stich und folgte demMädchen.

Beim Betreten der Bedürfnisanstalt konn-

te Ra gerade noch sehen, wie Perytlth in sei-nem Krankengleiter angeschwebt kam unddie Kneipe betrat.

»Ich muß dir die Augen verbinden«, er-klärte Themar. Aus einer der Taschen ihresHosenanzugs brachte sie eine dunkle Bindezum Vorschein, die sich Ra widerstandslosüber die Augen streifen ließ. Interessiertnahm er zur Kenntnis, daß die Ränder derMaske mit einem Hautkleber bestrichen wa-ren, wie sie üblicherweise beim Theater ver-wendet wurden, um falsche Bärte dauerhaftzu befestigen. Ra, der gehofft hatte, durchkleine Lücken am Rand trotzdem etwas vonder Wegstrecke wahrnehmen zu können,stellte fest, daß es um ihn herum finster war.Nicht das kleinste Photon fand seinen Wegdurch die Maske. Themar nahm Ra bei derHand und zog ihn hinter sich her.

Das Mädchen stellte sich wesentlich ge-schickter an als Sarat Tohl. Sie schlug mitSicherheit ebenfalls Umwege ein, aber siebenutzte dazu Antigravschächte, die RasOrientierungsvermögen nach kurzer Zeitzum Bankrott zwangen. Niemand konnte mitverbundenen Augen feststellen, wie dasSchwerefeld in einem Schacht eingestelltwar. Bei entsprechender Konstruktion konn-te eine schwerefreie Röhre auch waagerechtverlaufen, ohne daß der Benutzer es feststel-len konnte.

Ra merkte nicht, wie das Mädchen wäh-rend des Schwebens ein mit bloßem Augekaum erkennbares Gerät von seiner Klei-dung entfernte und in einer Abwasserleitungverschwinden ließ. Er schätzte, daß etwasmehr als zehn Minuten vergangen waren, bisdas Mädchen erklärte, daß das Ziel erreichtsei. Themar entfernte die Binde, und Ra sahsich, wegen des grellen Lichtes heftig zwin-kernd, in der fremden Umgebung um.

Themars Gruppe war in jedem Fall finan-ziell bessergestellt als der Widerstandskreisum Sarat Tohl. Ra befand sich in der Zentra-le, von der aus ein beträchtlicher Maschi-nenpark überwacht und gesteuert wurde. Of-fenbar gab es hier tatsächlich eine kleineStadt unter der Stadt. Die Bildschirme zeig-

16 Peter Terrid

ten ausgedehnte Räumlichkeiten, große La-gerräume, Waffenarsenale; es gab Platz ge-nug für eine Raumlandearmee samt ihremGerät.

»Donnerwetter!« staunte Ra. »Ein ein-drucksvolles Bild!«

»Die Wirklichkeit sieht noch besser aus«,versprach Themar lächelnd. »Warte es ab!«

Zu einem schwerbewaffneten Posten ge-wandt, fuhr sie fort:

»Ich soll diesen Mann zum Chef bringen.Sind die Zugänge frei?«

»Sie müssen noch etwas warten«, erklärteder Posten. »Es wird nicht lange dauern.«

*

Perytlth war verärgert.Er wartete, ohne sich dies anmerken zu

lassen, seit geraumer Zeit auf Ra, ohne ihnzu Gesicht zu bekommen. Langsam lief dieZeit ab, die Perytlth für dieses Lokal zurVerfügung stand.

Perytlth hatte zwar fast jedes Wort ge-glaubt, das Ra ihm erzählt hatte, aber dasMißtrauen war dem POGIM-Mann so zurzweiten Natur geworden, daß er seine spezi-ellen Tricks auch bei Ra nicht unterlassenhatte. Seit zwei Tagen schleppte Ra, ohne eszu wissen, einen Infrarotmarkierer mit sich.Das dazugehörige Aufnahmegerät war inPerytlths Gleiterarsenal vorhanden, und derKrüppel beschloß, diese Technik jetzt einzu-setzen.

Vor dem Lokal nahm er die Fährte aufund folgte ihr hartnäckig. Wie Ra bereitsvorhergesehen hatte, brauchte der Mann nurwenig Zeit, bis er den geheimen Zugang inder Bedürfnisanstalt aufgespürt und geöffnethatte. Vorsichtig ließ Perytlth seinen Gleiterin die Öffnung schweben.

*

»Nicht schlecht, der Gedanke!« stellteMehn Sulk fest. Er betrachtete das Bild aufdem Schirm, das von einer versteckten Ka-mera in dem Spezialfahrzeug des Kranken

aufgenommen wurde. Auch von diesem Ge-rät wußte Perytlth nichts.

»Die Idee, den Zugang zu den Versteckenso zu tarnen, ist wirklich gut«, lobte PathorMargib. »Ich bin gespannt, welche Vögeluns durch Perytlth ins Netz gehen werden.«

»Sollen wir unser Einsatzkommando inAlarmbereitschaft versetzen lassen?« fragteMehn Sulk nachdenklich. Pathor Margibschüttelte den Kopf.

»Warten wir ab!« bestimmte er. »Ichmöchte erst wissen, was Perytlth herausfin-den kann. Vor allem will ich wissen, wievieler uns davon erzählt. Wenn es zu wenig ist,werden wir wohl oder übel daraus Konse-quenzen zu ziehen haben!«

»Perytlths Frau wird sich freuen«, mur-melte Mehn Sulk grinsend. »Der Krüppelhat sich mit beträchtlichen Summen gegeneinen vorzeitigen Tod versichert, sofern die-ser Todesfall nicht unmittelbar oder mittel-bar mit seiner Krankheit in Zusammenhangsteht. Viel Voraussicht für einen POGIM-V-Mann!«

»Schade, daß wir noch immer keine Foto-grafie dieses Fremden haben!« bedauerteMargib. »Ich grüble seit Tagen darübernach. Irgendwo habe ich den Namen Raschon einmal gehört, aber ich erinnere michnicht mehr, in welchem Zusammenhang dasder Fall gewesen wäre.«

»Wir werden es noch herausfinden«, pro-phezeite Sulk zuversichtlich. »Ich bin mir si-cher, wir werden eine Überraschung erle-ben!«

3.

Abton Cehar war ein alter Mann. Dasweiße Haar war schütter, die Gelenkeknirschten bei jeder Bewegung vernehmlich.Der Atem des Mannes ging pfeifend wie einNotsignal, dazwischen mischte sich ein Ras-seln, das Schlimmes ahnen ließ. Wenn Ce-har, was häufig geschah, einen seiner Hu-stenanfälle bekam, lief er im Gesicht blaurotan; weiß hingegen wurde er, wenn sein Herz– wie er es behauptete – für ein paar Augen-

Komet der Geheimnisse 17

blicke Luft schnappen mußte.Abton Cehar leitete seine Rede mit einem

keuchenden Einatmen ein.»Herrin!« sagte der alte Mann. »Wir ha-

ben neue Nachrichten von Arkon!«Langsam drehte sich die Frau zu dem Al-

ten um.Die Frau war zwar jünger als Abton Ce-

har, aber auch ihr Gesicht war vom Alter ge-zeichnet, von langen Jahren, die mit Sorgenund Entbehrungen angefüllt gewesen seinmußten. Der Blick der Frau schien durchAbton Cehar hindurchgehen zu wollen, ihrLächeln wirkte teilnahmslos, eine aufgesetz-te Maske, die über echte Gefühle hinweghel-fen sollte.

»Sprich, Alter«, sagte die Frau leise. »Ichhoffe auf gute Nachricht.«

»Atlan ist tot!« sagte Abton Cehar äch-zend.

Die Frau zuckte erschreckt zusammen,dann lächelte sie verstehend.

»Unser Atlan ist tot, wolltest du sagen,nicht wahr?« fragte sie. »Kennst du Einzel-heiten?«

»Es gibt Filmaufnahmen von den Ereig-nissen auf Arkon II«, berichtete Cehar; erschnappte nach Luft wie ein Ertrinkender.Den Geräuschen nach zu schließen, mußtenseine Bronchien vergleichbar mit völlig ver-rosteten Dampfleitungen sein. »Wollt Ihr siesehen?«

»Ich gehe sofort in den Projektionsraum«,sagte die Frau. »Wie sieht es draußen aus?«

»Kein Grund zur Besorgnis«, erklärte Ce-har. »Nicht mehr Touristen als üblich. DenFunksprüchen nach zu schließen, ist auchein übergeschnappter Modefotograf darun-ter. Ich bin sicher, wir werden noch zumModeschlager.«

Der Alte knickte in den Beinen ein, fingsich aber sofort wieder. UnkontrollierteMuskelschwächen waren bei ihm keine Sel-tenheit. Auf wackligen Beinen ging AbtonCehar seiner Gebieterin nach.

Im Projektionsraum war alles vorbereitet.Sobald die alte Frau sich in einen bequemenSessel gesetzt hatte, verlöschten die Lichter,

und der Projektor nahm seine Arbeit auf.Abton Cehar musterte die Frau aus den

Augenwinkeln heraus. Er konnte sehen, wiestark sie von den Kämpfen in der Arena be-rührt wurde. Wider Willen wurde auch ermehr und mehr von dem Geschehen gefes-selt.

»Wer ist dieser Mann?« fragte die Frau.Sie deutete auf den Gladiator, der im End-kampf der Gegner des Maskierten war.

»Das konnten wir einstweilen noch nichtin Erfahrung bringen«, erklärte Abton Ce-har. »Unsere Verbindungsleute auf Arkon IIwerden versuchen, den Mann zu finden. Erist nämlich sehr interessant!«

Die Frau biß sich auf die Lippen, als sieerkennen mußte, daß der Maskierte denEndkampf zu verlieren drohte. Sie atmeteerleichtert auf, als es dem Maskierten zumSchluß doch gelang, seinen Gegner nieder-zustrecken.

Plötzlich stutzte die Frau.»Laß den Film zurücklaufen!« befahl sie.

»Bis zu dem Augenblick, an dem der Barbarunserem Atlan das Schwert an die Kehlesetzt!«

Ihr Befehl wurde schnell befolgt; Sekun-den später flimmerten die Ereignisse, die et-liche Tage zuvor sich in der großen Arenabeim zalitischen Händlerfest zugetragen hat-ten, zum zweitenmal über den Bildschirm.

»Halt!« rief die Frau aus. »Stoppt denFilm an dieser Stelle!«

Sie stand auf und ging ein paar Schritteauf die Fläche des Bildschirms zu. Ihr Ge-sicht nahm einen Ausdruck nervöser Span-nung an.

»Er kennt ihn!« flüsterte die Frau erregt.»Es ist nicht zu übersehen. Er kennt ihn, unddeshalb war er so überrascht, daß er sichüberrumpeln ließ. Abton, wer ist dieserMann? Wir müssen es um jeden Preis her-ausfinden!«

»Kein Grund zur Aufregung«, versuchteder Alte die Frau zu beruhigen.

»Kein Grund?« wiederholte die Frau auf-stöhnend. »Abton, begreifst du nicht. DieserBarbar kennt ihn, er weiß, wo er ist. Viel-

18 Peter Terrid

leicht wird er ihn verraten!«Die Frau kümmerte sich nicht weiter um

den Film. Hastig verließ sie den Projektions-raum und suchte zielsicher die Nachrichten-abteilung auf. Dort arbeitete eine der mehrals fünfzig Personen, deren Heimat ein inder Galaxis einmaliges Versteck war. Insge-samt lebte die alte Frau mit fast einhundertMenschen in ihrem Stützpunkt.

»Du mußt sofort eine Nachricht durchge-ben!« befahl die Frau. »Es ist sehr wichtig.Der Text lautet …«

*

»So etwas gibt es nur bei uns Arkoniden«,behauptete die Frau.

Der Mann neben ihr lächelte nur. Er wuß-te, warum er seine junge Frau zu diesem Ortgeführt hatte. Im Augenblick gab es im Ar-konsystem schwerlich einen romantischerenoder geheimnisvolleren Platz als den Raum-bezirk um den strahlenden Kometen Blahur.Zu Tausenden umschwirrten kleinere Raum-schiffe den Himmelskörper, im Laufe einesJahres hatten Millionen von Arkoniden dieFarbenpracht bestaunt, die der langeSchweif des Kometen ausstrahlte.

»Warum zeigt der Schweif immer von Ar-kon weg?« wollte die junge Frau wissen.»Es wäre wesentlich praktischer, würde erauf Arkon zeigen.«

»Der sogenannte Sonnenwind drückt denSchwanz immer vom Zentralgestirn weg«,erläuterte der frischgebackene Ehemann.»Zudem wird ein Kometenschweif auch nurdann sichtbar, wenn es diesen Sonnenwindgibt. Er ist nämlich für das Entstehen desKometenschweifs verantwortlich!«

Die junge Frau preßte sich enger an ihrenMann.

»Was mögen die Farben zu bedeuten ha-ben?« murmelte sie und deutete auf den Ko-metenschweif. »Sie ändern sich immer wie-der, als würde der Komet leben. Gibt es soetwas, lebende Kometen?«

»Kometen«, sagte der junge Mann lä-chelnd, »sind nichts weiter als kosmischer

Abfall, der leblos und kalt durch das Alltreibt. Wenn du willst, zeige ich dir im astro-nomischen Handbuch eine genaue Analysevon Kometen.«

»Kann er nicht auf Arkon stürzen?« fragtedie Frau.

»Die Bahn von Blahur ist genau vermes-sen«, erklärte der Mann. »Blahur wird nichtmit einem der Planeten kollidieren. Er wirdÄonen durchs Weltall ziehen, bis ihn irgend-ein anderer Himmelskörper einfängt oder eram Ende aller Zeiten verschwinden wird wieder Rest des Universums.«

Fasziniert betrachtete die junge Frau dasSpiel der Farben; es hatte wirklich den An-schein, als würde der kosmische Vagabundleben. Immer wieder änderten sich die Strei-fen, die aus dem grell leuchtenden Ball deseigentlichen Kometenkörpers hervorzugehenschienen. Farbige Blitze zuckten durch dengasförmigen Schleier des Schweifes.

»Vielleicht hat uns Blahur doch etwas zusagen«, überlegte die junge Frau träume-risch. »Eine Botschaft durch Zeit und Raum,vielleicht aus einer sehr entfernten Zukunft,vielleicht aus einer Vergangenheit, in der esnoch kein Arkon gab, jenseits aller Zeiten,außerhalb aller Räume …«

»Du solltest dich zu einem Dichterwettbe-werb melden«, sagte der Mann mit leisemSpott. »Blahur ist ein ganz gewöhnlicherKomet, er sieht nur etwas anders aus. EinÖlfleck auf einer Wasseroberfläche schillertauch, aber es handelt sich nur um ein biß-chen Kohlenwasserstoff, das auf Wasserschwimmt, um nicht mehr und nicht weni-ger.«

»Und doch«, murmelte die junge Frau.Ihr Ehemann gab es auf; gegen solche

Überlegungen gab es nichts einzuwenden.Zudem fiel ihm ein, daß auch er nicht vielmehr war als eine zwar hochkomplizierte,nichtsdestotrotz aber wissenschaftlich er-klärbare Zusammenballung von Atomen.Die gleichen Gründe, die seine Frau dazuverführten, in Blahur mehr zu sehen alseinen simplen Kometen, hatten vielleichtauch dazu geführt, daß sie unter etlichen

Komet der Geheimnisse 19

Milliarden Zellzusammenballungen sichausgerechnet ihn als Mann ausgesucht hatte.Er vergaß seine naturwissenschaftliche Ver-standeskälte, faßte seine Frau fester und gabsich hemmungslos den irrealen, nicht erklär-baren Gefühlen hin, die das Farbenspiel desKometen auch bei ihm auslösten.

Irgendwo auf Arkon II saß zu diesem Au-genblick ein junger Mann, ebenfalls frischverheiratet, der durch ein erstklassiges Fern-rohr den Kometen betrachtete, wenn auchmit ganz anderen Gefühlen.

*

»Ist diese Frau vollständig verrückt ge-worden?« schimpfte der Mann. »Was fälltihr ein, ihr Versteck zu verlassen. Seit demAttentat auf Orbanaschol sind die POGIM-Männer dreimal wachsamer als normal. Willsie unbedingt im Konverter enden?«

»Dazu kann ich nichts sagen«, antworteteder junge Nachrichtentechniker. »Ich habenur diesen verschlüsselten Spruch aufgefan-gen, dekodiert und weitergeleitet. Ihr wißt,daß wir nur sehr mühsam eine Antwortdurchgeben können.«

Der Mann warf die schmale Karte aufeinen Tisch und ging aufgeregt im Zimmerauf und ab.

»Seit Jahren«, stöhnte er in unterdrücktemÄrger, »seit Jahren predige ich, sie soll sichso selten rühren wie irgend möglich. Jetztwill sie ihr Versteck verlassen und auf eige-ne Faust nach diesem Barbaren suchen. Undzu allem Überfluß will sie Abton Cehar mit-nehmen, der sich kaum noch auf den Beinenzu halten vermag. Setzt sofort einen Kurierin Bewegung, der meine Antwort bringensoll!«

»Das führt zu nichts«, warf der Nachrich-tentechniker ein. »Sie hat angekündigt, daßsie ihr Versteck bereits verlassen habenwird, wenn dieser Spruch abgeht. Ihr werdetsie nicht mehr aufhalten können.«

Der Mann unterdrückte einen Fluch.»Alarmiert jeden Mann, der uns zur Ver-

fügung steht«, befahl er. »Wir müssen die-

sen Barbaren suchen, den der Erdboden of-fenbar verschluckt hat, und zum anderen dieFrau und ihren Vertrauten. Haltet vor allemnach Cehar Ausschau, eine solche Gestaltdürfte es kein zweites Mal in der Galaxis ge-ben!«

Die Männer zogen sich zurück, sobald sieihre Befehle erhalten hatten. Nach kurzerZeit war der Mann allein. Nachdenklich saher auf ein großes Porträt an der Wand. Eszeigte einen Mann mit den Insignien des Im-perators, an seiner Seite eine junge Frau.

»Hätte ich gewußt, Yagthara«, murmelteder Mann, »daß du im Alter noch tempera-mentvoller und dickköpfiger werden wür-dest, hätte ich meinem Freund niemals zudieser Ehe geraten.«

Sein Blick wanderte zur Seite, fiel auf denKristallpalast, der in der Nähe zu sehen war.

»Deinem Mann habe ich nicht mehr hel-fen können«, sagte der Mann mit zusam-mengepreßten Kiefern. »Aber ich werde dei-nem Sohn zu seinem legitimen Recht verhel-fen!«

*

Ra stöhnte unterdrückt auf.Man ging nicht gerade milde mit ihm um.

Die Männer waren mißtrauisch und wolltensichergehen, daß sie von Ra nichts zu be-fürchten hatten. Seit etlichen Stunden pras-selten ihre Fragen auf Ra herab. Der Barbarwar gefesselt, und sein Körper zeigte dieSpuren von Schlägen. Der Mann, der unmit-telbar vor ihm stand, verstand sein Hand-werk. Er schlug so zu, daß keine offenenWunden entstanden oder Knochen brachen,aber er wußte auch, wohin er zielen mußte,um dem Getroffenen ein Höchstmaß anSchmerzen zu bereiten.

»Was willst du bei uns?« fragte der Mann,von dem Ra nur den Decknamen Glahrnkannte. Er war der unumstrittene Anführerder Gruppe, ein hochgewachsener Mann,schlank und mit dünnen, nervösen Fingern.An jedem Finger trug er einen Ring, an denHandgelenken Ketten, die leise klirrten,

20 Peter Terrid

wenn er sich bewegte. Die Augen blicktenfreundlich, aber Ra spürte, daß dieser Mannein ausgewachsener Sadist sein konnte,wenn er die Gelegenheit dazu bekam.

»Rede, Bursche. Du hast behauptet, Atlanlebe noch«, fragte Glahrn scharf. »Wiekommst du dazu?«

Zum fünften Male erzählte Ra seine Ge-schichte. Wichtige Teile allerdings ver-schwieg er, beispielsweise die Tatsache, daßder Kristallprinz unerreichbar im Mikrokos-mos steckte. Ra erzählte auch nur andeu-tungsweise von Kraumon. Da schon seinÄußeres ihn als unterentwickelten Barbarenauswies, wurde ihm sofort geglaubt, als erbehauptete, die galaktische Position Krau-mons nicht zu kennen. Ra schmückte dieGeschichte so aus, wie sie für ihn brauchbarwar. Warum er nicht die volle Wahrheit er-zählte, verstand sich von selbst – je wenigerselbst die besten und treuesten Verbündetenwußten, desto weniger konnten sie verraten.

»Weißt du, daß wir eine Hypnohaube be-sitzen?« fragte Glahrn freundlich. »Wirkönnten deine Angaben sofort überprüfen,ich brauche nur ein Zeichen zu geben!«

Ra spuckte das Blut aus, das sich in sei-nem Mund gesammelt hatte. Er grinste ver-zerrt und antwortete:

»Du weißt so gut wie ich, daß ich diesesVerhör nicht überleben würde – jedenfallsnicht als intelligentes Wesen. Was würdeder Kristallprinz sagen, wenn er erführe, daßdu seinen besten Gefolgsmann zum lallen-den Idioten gemacht hast?«

»Treffer!« erkannte Glahrn an. »Nur – ichweiß immer noch nicht, ob es diesen Kri-stallprinzen wirklich gibt. Du könntest auchein POGIM-Spitzel sein, der uns mit dieserGeschichte ködern will. Du brauchst nichtverzweifelt den Kopf zu schütteln, auch sol-che Geschichten kann man erfinden und inSzene setzen. Wir wissen viel zu gut, wasunsere Gegner können. Wer die POGIM un-terschätzt, ist schon halb in ihrer Hand!«

»Habt ihr eine Positronik zur Verfü-gung?« erkundigte sich Ra. Das Sprechenbereitete ihm Mühe; die Lippen waren ge-

schwollen, die Oberlippe an einer Stelle auf-geplatzt. »Wenn ja, dann rechnet die ver-schiedenen Möglichkeiten und Risikendurch. Dieses Folterverhör ist sinnlos; ihrwerdet niemals beweisen können, ob ich lü-ge oder die Wahrheit sage!«

»Wir können ihn testen«, schlug das Mäd-chen Themar vor. »Anders werden wir niesicher sein können.«

»Einverstanden«, sagte Glahrn lächelnd.»Wir werden dich auf die Probe stellen, Ra.Du wirst einen Auftrag bekommen. Erfüllstdu ihn, dann werden wir dich gerne bei unsaufnehmen und dir helfen. Andernfalls …Wir werden dich überall finden. Glaubenicht, daß du uns entkommen könntest.Nimmst du die Bedingung an?«

Ra nickte nur. Er wurde erst dann bewußt-los, als man seine Fesseln löste und ihm dieMöglichkeit gab, zusammenzubrechen.

Ra kam in einem öffentlichen Park wiederzu sich, knapp eine Minute vor dem Zeit-punkt, an dem ein Robotpolizist den nächtli-chen Park kontrollierte und dem seltsamenSchläfer sicher unangenehme Fragen gestellthätte.

Ra machte sich schnellstens aus demStaub. Zwar war er im Besitz hervorragendgefälschter Papiere, aber einer gründlichenÜberprüfung hätten diese Dokumente nichtstandgehalten.

Wie der Auftrag aussehen würde, konntesich Ra an den Fingern abzählen. Man wür-de ihn auffordern, eine bestimmte Personaufzusuchen und zu töten. Tat er dies, dannwar er so tief in Schuld verstrickt, daß er esnicht mehr wagen konnte, ein normales Le-ben zu führen. Von diesem Zeitpunkt an wä-re er gezwungen gewesen, in die Illegalitätzu flüchten.

Nachdenklich betrachtete Ra die An-schrift auf der Karte, die er in seiner Taschegefunden hatte. Sein Geld hatte man nichtangerührt. Ra erinnerte sich dumpf, die be-treffende Adresse schon einmal gehört zuhaben, aber er konnte sich nicht besinnen, inwelchem Zusammenhang das gewesen seinmochte.

Komet der Geheimnisse 21

»Wenigstens ist es nicht der Imperator«,murmelte Ra grinsend. »Wir werden sehen!«

*

Genüßlich betrachteten die beiden Ge-heimpolizisten den Filmstreifen, der von ei-ner versteckten Kamera aufgenommen wor-den war. Von einem Bandgerät erklang dieStimme des Krüppels.

Die POGIM-Männer konnten kaum glau-ben, daß Perytlth noch immer an die aben-teuerlichen Geschichten des Fremden glaub-te; er tat es aber, dafür waren die Aufzeich-nungen Beweis genug. Selbst die Panne mitdem Infrarotmarkierer hatte ihn nicht entmu-tigt.

»Halt!« rief Mehn Sulk plötzlich. »Ichglaube, daß ich ihn gesehen habe!«

Ein Knopfdruck ließ den Film anhalten,ein Stück zurücklaufen und dann erneutstoppen. Auf der Projektionsfläche war dasGesicht eines Mannes zu sehen.

»Irgendwoher kenne ich diesen Mann«,überlegte Pathor Margib laut. »Ich fragemich nur, wo ich ihn gesehen haben könn-te!«

»Überprüfe die Fahndungsliste«, schlugMehn Sulk vor. »Dann hast du schnellstenseine Antwort auf deine Frage.«

Eine einfache Schaltung genügte, um dasBild auf der Leinwand in einen Rechner ein-zugeben, der das Gesicht mit einigen hun-derttausend anderen Gesichtern verglich undnach Ähnlichkeiten suchte. Die Überprüfungdauerte nur wenige Minuten, dann lag dasErgebnis vor. Ein Mann mit diesem Ausse-hen wurde nicht von der POGIM gesucht.

»Wir fahnden nicht nach ihm«, murmelteSulk nachdenklich. »Trotzdem kenne ich dasGesicht.«

Er stand auf und ging im Zimmer auf undab. Dabei fiel sein Blick aus dem Fenster aufdie gegenüberliegende Seite der Straße.Mehn Sulk machte noch zwei Schritte, dannblieb er stehen, als sei er gegen ein Schirm-feld gerannt.

»Dort drüben steht der Mann!« rief er er-

staunt aus. »Sieh her!«Margibs Blick folgte dem Finger, mit dem

Sulk auf den Mann deutete. Es gab keineZweifel, auf der anderen Straßenseite standder geheimnisvolle Mann, der seit geraumerZeit Perytlth mit immer neuen Lügenge-schichten umgarnte.

»Weißt du, wer der Bursche ist?« fragtePathor Margib plötzlich. »Das ist jenerArenakämpfer, der beim Fest der Händlerdas Attentat auf Orbanaschol vereitelt hat.Er wird auch gesucht, aber nicht in den Li-sten geführt.«

»Sollen wir ihn festnehmen?« fragteMehn Sulk hastig.

Margib schüttelte langsam den Kopf.»Wir warten noch«, entschied er. »Ich ha-

be das Gefühl, daß dieser Mann tatsächlichein Geheimnis mit sich herumschleppt. Undich möchte unbedingt wissen, wie diesesGeheimnis beschaffen ist. Wir werden ihnbeschatten lassen.«

»Und dann?« erkundigte sich Sulk.»Nehmen wir ihn fest«, erklärte Margib.

»Wer sich in solchen Häusern herumtreibt,hat etwas zu verbergen, und das werden wirin Erfahrung bringen.«

*

Ra betrachtete nachdenklich das Haus.Das große Schild an der Eingangstür besag-te, daß es sich um ein Diagnosezentrum han-delte, und dementsprechend viele Krankehatte. Ra sehen können. Der Auftrag, denman ihm erteilt hatte, besagte, daß er zweider Ärzte, die in diesem Zentrum arbeiteten,aufzuspüren und zu töten hatte. Ra würdediesen Befehl natürlich nicht befolgen, aberer suchte nach Möglichkeiten, ihn zu umge-hen. Vielleicht ließ sich mit entsprechendemGeldeinsatz etwas regeln. Man konnte einenUnfall vortäuschen, die beiden Männer mitihrem Einverständnis verschwinden lassenund dergleichen mehr. Fraglich war nur, obdie beiden Opfer dieses Spiel mitmachenwürden. Wenn es Ra gelang, sich über denZaliter Alpertur, der der Vertrauensmann der

22 Peter Terrid

Con-Treh auf Arkon II war, falsche Papierezu besorgen, müßte es möglich sein, eineTäuschung in Szene zu setzen.

Ra verließ seinen Standort und suchte denweitläufigen Park auf, der sich auf der Rück-seite der miteinander verbundenen Trichter-häuser des Zentrums erstreckte. Ra fandrasch Gesprächspartner. Geduldig hörte ersich endlos lang erscheinende Krankenge-schichten an, dann fragte er die Patienten be-hutsam aus.

Am Abend dieses Tages hatte Ra umfang-reiche Dossiers. Er kannte fast jeden Arzt,seine Schwächen und Stärken, seine medizi-nischen Fähigkeiten ebenso wie eventuellvorhandene Trunksucht oder eheliche Un-treue. Vor allem die weiblichen Patientenzeigten sich erstaunlich gut informiert, wennes um das Privatleben ihrer Ärzte ging.

Nur eines störte Ra beträchtlich.Er hatte so gut wie nichts über die beiden

Männer erfahren können, auf die er ange-setzt worden war. Es gab noch eine kleineGruppe anderer Ärzte, die ebenfalls nur demNamen nach bekannt waren. Das war mehrals verwunderlich.

Was trieben diese Männer in dem Gebäu-de? Ra hatte ohne Mühe auch viel über sol-che Personen herausfinden können, die nor-malerweise im Hintergrund blieben. Sogarüber einige Verwaltungsangestellte, diekaum mit Patienten zu tun hatten, konnte ereiniges berichten – nur über diese Gruppevon Männern nicht. Langsam keimte in Rader Verdacht auf, daß seine Opfer etwas zuverbergen hatten.

Was konnte eine Gruppe von Männern ineinem Gebäude treiben, das einen derart ho-hen Publikumsverkehr aufzuweisen hatte?Die Antwort lag auf der Hand. Diese Män-ner brauchten eine Absicherung für ihre Be-sucher, die in einer größeren Menschenmen-ge weniger auffallen würden. In Gedankenging Ra die Berufsgruppen durch, die untersolchen Bedingungen arbeiteten. Wenn erzusätzlich berücksichtigte, daß man ihn dazuausersehen hatte, zwei dieser Männer zu tö-ten, blieb genau betrachtet nur noch eine

Möglichkeit – die Männer waren Gegner derUntergrundbewegung, folglich handelte essich um Angehörige der PO-GIM. Als Ra zudieser Erkenntnis gekommen war, zog er esvor, sich so schnell wie möglich zu entfer-nen. POGIM-Männer waren die Letzten, dieer zu treffen wünschte.

4.

Orbanaschol III. konnte, wenn es für ihnwichtig war, die Freundlichkeit selbst sein.Er mühte sich, liebenswürdig zu sprechen.

In diesem Fall hatte er es bitter nötig. DerImperator plauderte mit Regir da Quertama-gin, derzeit Oberhaupt und Führer der be-rühmten Familie. Die Quertamagins gehör-ten zu den ältesten und einflußreichsten Ge-schlechtern des Imperiums, und selbst einGewaltherrscher wie Orbanaschol mußte zu-sehen, das Wohlwollen der uralten Adelsge-schlechter nicht zu verscherzen. Eifersüchtigwachten die Edlen Arkons über ihre Privile-gien und Rechte, und der Imperator, der die-se ohne triftigen Grund einzuschränkenwagte, ging ein großes Risiko für seinenThron ein. Orbanaschol III. wäre nicht dererste gewesen, der von einer Kamarilla ab-gesetzt worden wäre. Es gab im großen Im-perium der Arkoniden Machtkonstellatio-nen, die von keiner Verfassung erwähntwurden. Höflingsgeplauder konnte Schlach-ten entscheiden, Planetensysteme wandertenvon einem Besitzer zum anderen, ohne daßoffiziell etwas verlautete.

Zu den heimlichen Mächtigen, deren Ein-fluß der Imperator zu fürchten hatte, gehörteauch Regir da Quertamagin. Eigentlich hießer Ertonh, aber seit er Sippenoberhaupt war,trug er den traditionellen Vornamen Regir.

»Es freut mich«, sagte Orbanaschol lie-benswürdig, »daß Ihr nun den schmerzlichenVerlust, der Eure Familie getroffen hat, leid-lich überwundenhabt!«

Regir wußte, daß der Imperator auf dasgeheimnisvolle Verschwinden der Prinzes-sin Crysalgira anspielte. Niemand wußte, obdas Mädchen noch lebte, niemand, ob nicht

Komet der Geheimnisse 23

Orbanaschol seine Hände im Spiel gehabthatte, als die Prinzessin verschwand. Querta-magin war sich allerdings ziemlich sicher,daß Orbanaschol nichts mit dem Verschwin-den Crysalgiras zu tun hatte – einen derarti-gen Übergriff hätte sich selbst der Tyrannnicht erlauben dürfen.

»Würde ich über jeden Verlust trauern,der unsere Sippe betrifft«, erklärte Querta-magin, »käme ich zu keiner anderen Arbeitmehr. Ihr wißt, wie groß unsere Familie ist!«

Orbanaschol verstand die Andeutung rich-tig. Er zeigte sein freundlichstes Lächeln, alser fortfuhr:

»Ich habe Euch einige Zeit nicht mehr ge-sehen. Werdet Ihr ebenfalls Gast sein beimSippenfest der Zoltrals? Ich verspreche mireinige amüsante Überraschungen davon, au-ßerdem würde ich gerne wieder einmal Eu-ren trefflichen Rat in Angelegenheiten desImperiums einholen. Ihr wißt, wie wichtigIhr für den Bestand des Reiches seid!«

Quertamagin ging dem Imperator nichtauf den Leim. Er wußte zu gut, wie wichtiger und seine Familie waren. OrbanascholsBauernfängerei verfing bei ihm nicht.

»Ich werde kommen«, versprach er.»Es wird sich lohnen«, meinte Orbana-

schol. »Wie ich hörte, soll bei dem Fest derZoltrals eine berühmte Wahrsagerin auftre-ten. Vielleicht kann sie mir sagen, wie meinkünftiges Schicksal aussehen wird!«

Quertamagin lächelte gewinnend.»Glänzend«, prophezeite er. »Ihr werdet

noch lange der Mann sein, dessen Nähe imImperium am meisten geschätzt wird!«

Das konnte ebensogut bedeuten, daß derImperator den obersten Platz auf einer Fahn-dungsliste einnahm, aber Orbanaschol ent-ging der Doppelsinn dieser Worte. Er nickteRegir freundlich zu, dann trennte er die In-terkomverbindung.

Quertamagin rührte sich nicht. Geistesab-wesend starrte er auf den grau gewordenenBildschirm.

»Sie hat es tatsächlich gewagt«, murmelteer. »Diese Wahnsinnige!«

*

»Ich weiß nicht, was ich machen soll«,gestand Ra. »Ich kann doch nicht einfachzwei Menschen ermorden, selbst wenn essich um Männer der POGIM handelt. Aufder anderen Seite muß ich den Kontakt zurUntergrundbewegung aufrechterhalten. Die-se Männer und Frauen sind hervorragendausgerüstet, bestens bewaffnet und geschult.Eine regelrechte Armee mit Depots, kom-pletter Logistik, Generalstab und einer gutenTruppe hat sich gebildet. Auf diese Unter-stützung können wir einfach nicht verzich-ten!«

Auf Etir Bajs Stirn hatte sich eine steileFalte gebildet. Der Con-Treh schüttelte be-sorgt den Kopf.

»Ich traue der Angelegenheit nicht«, sagteer zögernd. »Die Verbindungen unseres Vol-kes nach Arkon sind eigentlich sehr gut. Wirmüßten längst wissen, daß es eine so starkeUntergrundarmee gibt. Ich kann mir auchnicht vorstellen, daß die POGIM eine soausgedehnte Organisation nicht längst ent-deckt haben soll. Eine geistige Widerstands-bewegung könnte ich mir vorstellen, der In-tellektuelle und Oppositionspolitiker ange-hören, aber dergleichen …«

»Daß es diese Armee gibt«, versetzte Ra,»kann nicht bezweifelt werden. Fraglich istnur, ob wir uns ihr anschließen sollen. Ichüberlege mir, wieviel ich verraten darf. Im-merhin steht viel auf dem Spiel.«

Die beiden Männer waren allein im Hausdes reichen Zaliters Alpertur. Der Zaliterging seinen Geschäften nach. Er hatte vielzu tun, um die Kostbarkeiten, die ihm BeiEtir Baj als Bezahlung für seine Arbeit imDienste der Con-Treh überlassen hatte. DieCon-Treh wußten genau, was sie von Alper-tur zu halten hatten. Der Zaliter war geldgie-rig und feige, zum Glück überwog die ersteEigenschaft. Wer ihm genügend bezahlte,konnte seiner Dienste sicher sein. Inzwi-schen hatte der Zaliter allerdings schon so-viel für die Con-Treh getan, daß es für ihn

24 Peter Terrid

kein Zurück mehr gab. Ihm war das passiert,was sich die Untergrundverschwörer für Raausgedacht hatten.

Es klopfte, und eine halbe Minute spätertrat Alpertur in den Raum. Die Stirn desMannes glänzte von Schweiß, obwohl derRaum angenehm kühl war. Alpertur strahltevor Freude.

»Ich habe mehr verdient, als ich dachte«,erklärte er. »Etir Baj, deine Mitbringsel wa-ren außerordentlich wertvoll, ich stehe indeiner Schuld!«

Das war ein bloßes Lippenbekenntnis,und das wußte Etir Baj. Dennoch beantwor-tete er Alperturs Höflichkeit mit einem Lä-cheln. Der Zaliter ließ sich ächzend in einenSessel fallen und klatschte in die Hände.Wenig später erschien eines der arkonidi-schen Mädchen, die Alpertur sich als Haus-gehilfinnen hielt, wie es offiziell hieß. InWirklichkeit unterschied sich dieses Dienst-verhältnis nur geringfügig von nackter Skla-verei.

»Bring zu trinken!« befahl Alpertur. »Fürmich Roten von Zalit. Und ihr?«

Ra und Etir Baj zogen alkoholfreie Ge-tränke vor. Während das Mädchen die Wün-sche ihres Herrn erfüllte, griff Alpertur dieUnterhaltung wieder auf.

»Kann ich etwas für euch tun?« erkundig-te er sich. Genießerisch kaute er den erstenSchluck Wein. »Braucht ihr Geld?«

Etir Baj schickte einen warnenden Blickzu Ra hinüber. Es war nicht ratsam, den Za-liter ins Vertrauen zu ziehen. Beim gering-sten Druck würde der Mann alles verraten,was er wußte; je weniger man ihn informier-te, desto besser.

»Für dich, Etir Baj, habe ich etwas«, fuhrAlpertur fort. »Dank der seltenen Werke, dieich anzubieten hatte, bekam ich zwei Einla-dungen. Du ahnst nicht, wohin man micheinlud!«

»Das Begräbnis Orbanaschols wird esnicht sein«, schätzte Etir Baj. »Sprich, ichhabe keine Lust, Rätsel zuraten!«

»Zwei Karten für das Sippenfest der Zol-trals!« erklärte Alpertur mit großem Stolz.

»Ist das eine Nachricht?«Ra durchforschte schnell sein Gedächtnis

nach Informationen. Die Zoltrals waren ne-bst den Gonozals, Orbanaschols, Querta-magins und anderen die führende Familie.Sie hatten bereits mehrere Imperatoren ge-stellt und würden auch in Zukunft bei derVergabe dieser Würde ein gewichtiges Wortmitzusprechen haben. Daß, Alpertur es ge-schafft hatte, sich Einlaß in diese Kreise zuverschaffen, sagte über seine Gerissenheitund Geschäftstüchtigkeit viel aus. Ra erin-nerte sich allerdings auch, daß es zu solchenFestlichkeiten Einladungen unterschiedli-chen Grades gab – man würde den Zaliter si-cherlich nicht mit brüderlicher Umarmungempfangen, dies stand nur der absolutenSpitze der Verwandtschaft zu. Weit eherwürde er einer unter Zehntausenden sein, diees geschafft hatten, zu diesem glanzvollenEreignis geladen zu werden, und die übli-cherweise von Robotpersonal beköstigt wur-den.

»Einen von euch beiden kann ich mitneh-men«, sprach Alpertur weiter. »Ra wirdwohl kaum eingelassen werden, aber fürdich, Etir Baj, wäre dies eine vorzüglicheGelegenheit, mit führenden Persönlichkeitendes Imperiums bekannt zu werden!«

»Nimm die Einladung an!« schlug Ra vor.»Ich will mich derweilen um die Untergrun-darmee kümmern. Vielleicht fällt mir etwasein.«

Eines der Mädchen betrat leise den Raumund übergab dem Zaliter einen versiegeltenBrief. Hastig öffnete der Mann das Schrei-ben und las die kurze Nachricht. Ra sah, wieer erbleichte.

»Bei allen Sternenteufeln!« schimpfte derZaliter. »Ich bin Desto hlen worden!«

»Bestohlen?« wiederholte Etir Baj.»Am hellichten Tage!« jammerte Alper-

tur. »Unbekannte sind in eines meiner Lagereingedrungen und haben Waren im Wertevon Millionen mitgehen lassen. Ich kann eskaum fassen.«

»Hoffentlich bist du versichert«, meinteRa leichthin.

Komet der Geheimnisse 25

Alpertur stöhnte gequält auf.»Natürlich bin ich versichert«, seufzte er.

»Aber … es gab in diesem Lager Waren, diesehr kostbar waren und der Versicherungund einigen staatlichen Behörden verborgenbleiben mußten!«

»Schmuggelware also«, stellte Etir Bajfest. »Wie war die Ware beschaffen, hinter-läßt sie Spuren?«

Alpertur schüttelte traurig den Kopf.»Die Polizei wird nichts mehr finden«,

beteuerte er. »Alles hat sich buchstäblich inRauch aufgelöst!«

Ra atmete erleichtert auf. Es wäre fatalgeworden, wäre die Polizei dem geschäfts-tüchtigen Zaliter auf die Spur gekommen.Wer von den Behörden einmal verdächtigtwurde, mußte ein extrem reines Gewissenhaben, wenn er sich nicht ärgste Schwierig-keiten auf den Hals laden wollte.

»Ist der Verlust groß?« wollte Etir Bajwissen.

»Ziemlich«, seufzte Alpertur. »Aber ichwerde deswegen kein armer Mann werden.Ich möchte nur wissen, wer im Imperiumsich ausgerechnet für solche Waren interes-siert. Dahinter steckt eine gutinformierteBande, die auch entsprechende Hehler hat.Vielleicht wird man auch versuchen, dieWaren an mich zurückzuverkaufen!«

Unwillkürlich dachte Ra an seine neuenFreunde, aber eine politische Widerstandsor-ganisation würde wohl kaum Diebstähle indiesem Ausmaß begehen.

Ra entschloß sich, den Auftrag abzuleh-nen. Er nahm sich vor, eines der Versteckeder Gruppe aufzusuchen und zu erklären,daß er zu solchen Taten nicht bereit sei.Vielleicht bestand der eigentliche Test gera-de in diesem Problem, ob er bereit war, fürdie Erreichung der angestrebten Ziele nöti-genfalls auch über die Leichen Unbeteiligterzu gehen.

*

Perytlth knirschte mit den Zähnen. In denletzten Tagen waren die Schmerzen fast un-

erträglich geworden. In langen Jahren hatteer gelernt, seine Schmerzen weitgehend zuunterdrücken, aber nun zeichnete sich fürden Krüppel ein Ende seiner Leiden ab. Umso ärger wurden daher seine Schmerzen inder Zeit, die bis zur endgültigen Heilungnoch verstreichen mußte.

Der Krüppel hatte seine Routine verlas-sen. Seit Tagen schon hielt er sich nichtmehr an seinen bekannten Fahrplan. Dieswurde allgemein als erstes Anzeichen fürsein Ende angesehen.

Perytlth hatte sich entsprechende Papierebeschafft und trieb sich nun als Leitungsin-spektor in der Unterwelt von Arkon II her-um. Er hatte sich darangemacht, jeden nochso unbedeutenden Winkel dieses Labyrinthsauszukundschaften. Irgendwann mußte ernach seiner Ansicht auf eine Spur des Frem-den stoßen, den er seit Tagen nicht mehr zuGesicht bekommen hatte. Da der Trick mitdem Infrarotmarkierer nicht funktioniert hat-te, wußte er nicht, wo er nach Ra zu suchenhatte, aber er besaß den festen Glauben, daßer ihn im Untergrund finden würde.

Perytlth hatte einen Knotenpunkt erreicht.Welche Leitungen sich dort kreuzten, ver-banden und wieder auseinanderliefen, küm-merte ihn nicht. Er hätte wenigstens eineWoche gebraucht, um sich die vielen Far-ben, Kennzeichen und anderen Markierun-gen zu merken, an denen die einzelnen Lei-tungen voneinander zu unterscheiden waren.Seine ganze Aufgabe bestand offiziell darin,die Leitungen abzufahren und lecke Stellenzu melden. Sein Lohn war mehr als beschei-den; Perytlth hatte die Stellung erst dann be-kommen, als seine Gehaltsforderung unterden laufenden Unkosten eines Wartungsro-bots lag.

»Es kommt mir nicht auf die Bezahlungan«, hatte Perytlth vor dem Inspektor be-hauptet. »Ich möchte nur etwas tun, was derGemeinschaft nützt. Es würde mein Selbst-wertgefühl außerordentlich heben!«

Glatzköpfiger Laffe, hatte der Krüppel ge-dacht, als er diesen Text aufgesagt hatte. Fürdas mitleidige Lächeln des Beamten hätte

26 Peter Terrid

Perytlth den Mann am liebsten geohrfeigt.Immerhin, er hatte die Stelle bekommen.

Es war still in dem Bereich der Stadt, dennur selten ein Mensch zu sehen bekam. Ir-gendwelche Flüssigkeiten strömten mit lei-sem Geräusch durch dick ummantelte Roh-re. Zwischen stromführenden Leitungensprangen ab und zu kleine Entladungen kni-sternd hin und her. Umformerbänke summ-ten schwach. Eines der lautesten Geräuschewar das Schlagen von Pery tlths Herz.

Perytlth hatte sich gesagt, daß er an derStelle der Verschwörer die Verstecke ziem-lich tief unter der Oberfläche anlegen würde.Eine dicke Schicht Erdreich, durchsetzt vonKabeln, Leitungen und Hohlräumen, boteinen nahezu perfekten Schutz vor Beobach-tung durch Meßgeräte. Allein die Umfor-merbänke gaben eine Streustrahlung ab, diejedes Meßgerät irreführen mußte. Daher be-wegte sich der Krüppel auf der unterstenSohle seines Arbeitsgebiets. Nach seinerSchätzung war hier seit etlichen Generatio-nen kein Mensch mehr gegangen. Der Bo-den war knöchelhoch mit Staub bedeckt.Vereinzelte Fußspuren zeigten, daß es den-noch in dieser kalten, von der Technik be-herrschten Welt Leben gab. Vermutlichhuschten ab und zu kleinere Nager durch dieGänge.

Erstaunlich war, daß überall Licht brann-te, auch die Belüftung funktionierte ein-wandfrei. Unter anderen Bedingungen hättesich Perytlth nicht in diesen Bereich der Ar-kon-Unterwelt gewagt.

Perytlth erreichte einen Antigravschacht.Die Kontrollampen brannten, folglich konn-te der Schacht benutzt werden.

Amüsiert stellte Perytlth fest, daß ein of-fenbar recht zerstreuter Techniker sogar denSchachtboden mit einer Schaltanlage verse-hen hatte, mit der zwei Bewegungsrichtun-gen gewählt werden konnten. Perytlthschwebte langsam näher und starrte in dieHöhe. Unter ihm lag der dicke Beton desSchachtbodens, das obere Ende der langenvertikalen Röhre war nicht zu sehen. DasAntigravfeld war nicht eingeschaltet; ein

Handgriff genügte, um es zu aktivieren.Es hatte vor langer Zeit, als die ersten

Schächte eingeführt worden waren, Kritikergegeben, die behauptet hatten, solche Beför-derungsmittel seien nur für Spitzenathletenund Kunstturner geeignet, aber schon nacheinigen Jahren hatte sich gezeigt, daß dasGegenteil der Fall war.

Die Röhre, in deren Höhlung Perytlth sichbefand, war für wenige Personen bestimmt.Ein Schalterdruck bestimmte die Richtungdes sehr schwachen Schwerefelds, mit demder Flug des Benutzers stabilisiert wurde.

Größere Schächte hatten jeweils einenEinstieg und einen Ausstieg, die einandergenau gegenüberlagen. Wer einen solchenSchacht benutzen wollte, trat an den Randund machte einfach einen Schritt nach vor-ne. Mit der Rechten wurde dann eine derzahlreichen Haltestangen gefaßt, die an denWänden des Schachtes entlangliefen. DerBenutzer konnte nun mit einer einfachenHandbewegung den freischwebenden Kör-per in Bewegung setzen, nach Wunsch auf-wärts oder abwärts. Die unvermeidlichenAbweichungen von der geraden Linie wur-den mit der Hand abgefangen und korrigiert,die wie ein Ring über die Haltestange glitt.Natürlich gehörte ein wenig Übung dazu,aber selbst Kinder konnten sich schon nachkurzer Zeit sicher in Antigravschächten be-wegen. Während des Fluges wurde die Hal-testange gewechselt, bis der Benutzer an derAusstiegseite angelangt war. Zum Ausstiegselbst genügte eine einfache Handbewe-gung, die den Benutzer mit sanftemSchwung aus dem Bereich der Schwer-kraftaufhebung beförderte. Zwar setzte amAusstieg schlagartig wieder die normale An-ziehungskraft des Planeten ein, aber der»Fall« des Schachtbenutzers führte nur inseltenen Fällen über mehr als zehn Zentime-ter. Selbst Krüppel konnten solche Anlagenohne besondere Schwierigkeiten benutzen.

Das einzige, noch immer ungelöste Pro-blem der Antigravtechnik war weniger tech-nischer als pädagogischer Natur. Eltern hat-ten immer wieder größere Schwierigkeiten,

Komet der Geheimnisse 27

ihre antigravbegeisterte Nachkommenschaftdavon zu überzeugen, daß man nicht einfachin jedes tiefe Loch hinunterspringen durfte.

Perytlth lächelte bitter, als er an die Zeitenzurückdachte, da er ein kleiner Junge gewe-sen war, der stundenlang in großen und klei-nen Antigravschächten auf- und abgefahrenwar.

Plötzlich stutzte der Mann.»Wer ist hier der Dummkopf?« murmelte

er nachdenklich. »Ich oder der Techniker?«Perytlth hatte schon viele Schächte gese-

hen, aber noch nie einen, bei dem man auchan den Enden die Auswahl zwischen zweiBewegungsrichtungen hatte. War dies amEnde vielleicht gar kein Zufall oder Verse-hen, überlegte sich der Krüppel.

Perytlth verließ den Schacht und schweb-te zur Schalttafel. Es klickte leise, als er dieBewegungsrichtung Abwärts einstellte.

Perytlth grinste zufrieden.Langsam bewegte sich der Betonboden

des Antigravschachts zur Seite. Eine Öff-nung entstand, aus der Licht in die Höhestrahlte. Perytlth zögerte ein wenig, dannließ er sein Krankenfahrzeug entschlossenvorwärtsgleiten. Langsam schwebte er in dieTiefe. Wieder knackte es leise, und Perytlthsah die kleine Fotozelle an der Wand, die ei-ner Schaltung mitgeteilt hatte, daß ein Kör-per vorbeigeschwebt war. Wenige Sekundenspäter war der Antigravschacht wieder ver-schlossen.

»Ein raffinierter Trick!« stellte Perytlthanerkennend fest.

Er faßte seine Dienstwaffe fester, obwohlder Strahler nur zur Abwehr von kleinerenTieren gedacht war. Einen Menschen konnteman damit zwar ebenfalls verletzen, aberselbst die kleinsten Schirmfeldgeneratorenboten vor dem Strahl einen ausreichendenSchutz. Dennoch fühlte sich Perytlth mit derHand in der Waffe sicherer.

Leise und vorsichtig bewegte sich Pe-rytlth weiter, und mit jedem Meter, den erzurücklegte, wuchs seine Angst.

Perytlth war auf ein Warenlager gestoßen,auf eine Lagerhalle ganz besonderer Art.

Der Krüppel wußte sehr bald, daß dieskein geheimes Lager der Regierung für Not-fälle sein konnte. In solchen Arsenalen wur-den für gewöhnlich keine Kunstwerke auf-gestapelt, die zudem in den letzten Jahrenbei spektakulären Raubzügen und Einbrü-chen verschwunden waren. Und angesichtsder bedrohlichen Lage des Imperiums imMethankrieg war es kaum anzunehmen, daßman so leichtsinnig sein würde, etliche tau-send Zweihandstrahler einzulagern, die anden Fronten bitter nötig gebraucht wurden.

Nach einer halben Stunde hatte Perytlthgenug gesehen. Er sagte sich, daß jede wei-tere Minute, die er sich in diesem Arsenalaufhielt, für ihn zum Verhängnis werdenkonnte. Hastig zog sich Perytlth zurück, imstillen hoffend, daß keine Person dieses La-ger überwachte und auch kein Atomat seinAuftauchen registriert hatte.

Der Krüppel atmete erst dann freier, als ersich mehrere Kilometer vom Einstieg in dasLager entfernt hatte. Während er scheinbareifrig Leitungen kontrollierte, begann er sei-ne Lage genau zu durchdenken.

Perytlth hatte mehrere Möglichkeiten.Er konnte das Lager an die Kriminalpoli-

zei verraten. In diesem Fall hätten ihm dieatemberaubend hohen Belohnungen gehört,die auf die Wiederbeschaffung vieler ver-schwundener Kunstwerke ausgesetzt waren.Fraglich war zweierlei: Wieviel von diesenBeträgen würde in den Taschen von Polizi-sten verschwinden, und wer garantierte ihm,daß eine derart erfolgreiche Verbrecherban-de nicht auch gute Beziehungen zur Polizeihatte. Unter Umständen war gerade der Be-amte, dem Perytlth sein Geheimnis anver-traute, ein Helfershelfer der Bande. DieseGefahr war nicht von der Hand zu weisen.

Perytlth hätte die Angelegenheit verges-sen können. Wer aber gab ihm die Sicher-heit, daß sein Eindringen in das unterirdi-sche Arsenal nicht beobachtet worden war?Es war denkbar, daß der Besitzer der Warenschon jetzt einen Trupp zusammenstellte,der dem Neugierigen das Spionieren für alleZeiten verleiden sollte.

28 Peter Terrid

War er nicht beobachtet worden, dannhätte Perytlth sich an den Schätzen der un-terirdischen Halle bedienen können. Ange-sichts der dort gestapelten Mengen wäre derVerlust von einigen kleineren Vermögenkaum aufgefallen.

Perytlths Überlegungen nahmen nicht vielZeit in Anspruch. Die Gefahr war nicht vonder Hand zu weisen, daß irgendein versteck-tes Aufnahmegerät sein Eindringen aufge-zeichnet hatte. Da sich Perytlth ausrechnenkonnte, welche Konsequenzen daraus er-wachsen würden, gab es für ihn nur eineMöglichkeit.

»Das wird Glahrn nicht gern hören«, er-klärte das Mädchen Themar kopfschüttelnd.Wer sie nicht kannte, hätte fast glauben kön-nen, daß sie tatsächlich Mitleid mit demBarbaren empfand. Aber Ra wußte inzwi-schen ziemlich genau, was er von der jungenFrau zu halten hatte. Sie unterschied sich inihrer Skrupellosigkeit und Brutalität nur un-wesentlich von ihrem Vorgesetzten.

»Du weigerst dich also, den Auftrag aus-zuführen?« erkundigte sich Themar nocheinmal. »Weißt du, welche Konsequenzendas für dich haben wird?«

Ra zuckte mit den Schultern.Er bemühte sich, ein gleichgültiges Ge-

sicht zu machen, obwohl er sich zu fürchtenbegann. Langsam dämmerte Ra, daß irgendetwas mit diesen Männern und Frauen nichtstimmen konnte.

»Glahrn wird in wenigen Augenblickenhier eintreffen«, verkündete das Mädchen.»Noch kannst du dir deine Entscheidungüberlegen.«

Sie lächelte Ra an und fuhr halblaut fort:»Es täte mir leid um dich, Ra!«Dieser Beweis von Zuneigung würde Ra

sehr wenig helfen, wenn es ihm an den Kra-gen ging, und das wußte der Barbar sehr ge-nau. Und er ahnte auch, daß die Lage ernstwar.

Eine Tür wurde geöffnet, Glahrn trat inden Raum. Er sah Ra finster an.

Instinktiv wanderte Ras Blick zum Gürteldes Mannes. Glahrn war bewaffnet, aber er

hatte sich – vermutlich aus Eitelkeit – einSchmuckhalfter zugelegt. Bis er die Waffein Anschlag gebracht haben würde, hätte erSekunden gebraucht, eine sehr kurze Zeit-spanne nur, aber für einen Kämpfer von derReaktionsschnelligkeit des Barbaren reichtees. Themar war unbewaffnet, während Ranoch sein Messer im Gürtel trug.

»Du weigerst dich?« lautete Glahrnsknappe Frage.

»Allerdings!« gab Ra ebenso kurzange-bunden zurück.

»Es ist dein Wille und dein Tod!« stellteGlahrn fest. »Du wirst noch ein wenig Zeithaben, um dich mit deinen Gottheiten zu ar-rangieren, dann wirst du getötet!«

Ra spürte, wie sich sein Puls beschleunig-te. Die Eiseskälte, mit der Glahrn sein To-desurteil verkündete, hatte etwas Er-schreckendes an sich.

»Muß das sein?« fragte das Mädchen. Raregistrierte erstaunt, daß sie offenbar tat-sächlich etwas für ihn übrig hatte. »Es mußdoch auch andere Möglichkeiten geben!«

Glahrn schüttelte ruhig den Kopf.»Er gefährdet unsere Sicherheit, und Si-

cherheitsrisiken können wir uns nicht lei-sten. Du weißt, was für uns auf dem Spielsteht. Willst du seinetwegen den Konverterriskieren?«

Der Mann sprach völlig ruhig, als handlees sich um die Lösung eines mathematischenProblems. Die Person seines Opfers schienihm völlig nebensächlich zu sein, wichtigwar nur, daß die Organisation ungefährdetarbeiten konnte. Wahrscheinlich hätte er mitder gleichen Ruhe auch Familienangehörigegeopfert.

Themar biß sich auf die Lippen. Sie sahGlahrns forschenden Blick auf sich ruhenund lächelte verzerrt. In diesem Augenblickwußte Ra genau, was das Mädchen dachte.Sie mußte spüren, daß Glahrn auch sie ohneZögern opfern würde, wenn es ihm gebotenerschien. Und diese Notwendigkeit konnteschon dann gegeben sein, wenn zu befürch-ten stand, daß Themar private Neigungenüber ihre Pflichten gegen die Organisation

Komet der Geheimnisse 29

stellte.»Du hast recht!« sagte das Mädchen

schließlich; der schnelle Blick in Ras Rich-tung blieb von Glahrn unbemerkt. »Wirmüssen ihn opfern!«

Im Gesicht des Mannes zuckte kein Mus-kel.

»Ich werde einen der Männer her-schicken, damit er Ra bewacht«, erklärteGlahrn kalt. »Es wird besser sein, wenn dudich entfernst!«

Themar nickte zögernd. Sie wollte geradeden Raum verlassen, als ein gellendes Pfei-fen sie und Glahrn zusammenzucken ließ.Ra sah, wie Glahrns Gesicht fast blutleerwurde.

Der Mann kümmerte sich nicht mehr umRa. Mit einem Handgriff riß er einen Hebelherunter, eine Tür öffnete sich, die zu einemRaum führte, der mit technischem Gerätvollgestopft war. Ra erkannte, daß es sichum die Zentrale dieser künstlichen Unter-welt handeln mußte.

Hastig aktivierte Glahrn ein Dutzend Ge-räte, und nach kurzer Zeit zeigten ihm dieMonitoren, wie es um ihn stand.

»Von allen Seiten!« stellte der Mann fest;das Mädchen neben ihm war blaß geworden.»Irgend jemand muß der Polizei einen Tipgegeben haben!«

»Alles verloren?« fragte Themar ängst-lich.

Glahrn zuckte mit den Schultern und gabruhig zurück:

»Wir werden es überleben. Noch bestehtHoffnung, daß wenigstens wir uns absetzenkönnen!«

Glahrn drehte sich herum und stieß einenFluch aus.

Ra war verschwunden.

5.

Der Barbar verspürte keine Lust, in enge-ren Kontakt zur arkonidischen Polizei zu ge-raten, und er hatte den kurzen Augenblickgenutzt, in dem sich die Aufmerksamkeitseiner Bewacher wichtigeren Dingen zuge-

wandt hatte.Sobald er den Raum verlassen hatte, be-

gann Ra zu laufen. Er hatte nicht die leisesteAhnung, wohin der Gang führte, aber er liefdennoch. Ra wollte versuchen, sich irgend-wie zur Oberfläche durchzuschlagen, wiegenau das vonstatten gehen sollte, war ihmunklar. Ra wußte, daß er in ebensogroßerGefahr schwebte wie die Gangsterbande, derdieses Versteck gehörte. Jetzt war ihm end-gültig klar, daß er es nicht mit einer politi-schen Widerstandsorganisation zu tun ge-habt hatte, sondern mit einer Bande ausge-kochter Verbrecher. Wahrscheinlich hattensie die naiven Regimegegner um Sarat Tohlfür ihre Zwecke eingespannt.

Ra fand einen Antigravschacht. Ohne sichdarum zu kümmern, in welche Richtung ertransportiert werden würde, stürzte sich Rain die Öffnung. Ein Feld trug ihn langsam indie Höhe.

In regelmäßigen Abständen warenLeuchtkörper in die Wandungen desSchachtes eingelassen. Ra zerstörte sie kurz-erhand mit dem Messer. Viel würde diesnicht helfen, aber Sekunden konnten unterUmständen entscheiden, wenn man ihn ent-deckte. Zum Glück wußten Etir Baj und Al-pertur, wo Ra sich herumtrieb; die genauenDaten hatte Ra allerdings nur seinem FreundEtir Baj anvertraut.

Ra schätzte, daß er mehr als hundert Me-ter an Höhe gewonnen hatte, als eine Aus-stiegsöffnung sichtbar wurde. In dem Rah-men stand ein Bewaffneter und zielte aufden Kopf des Barbaren.

»Ich warne dich!« rief der Mann zu Rahinunter. »Eine falsche Bewegung, und ichwerde abdrücken! Nimm die Hände in dieHöhe und komm langsam näher!«

»Ohne die Hände zu benutzen, kann ichden Schacht nicht verlassen!« stellte Ra festund grinste den Mann an. »Habt ihr schonErfolge erzielen können?«

Der Mann stutzte. Verwirrt suchte er anRas Körper nach irgendeinem Zeichen, dasetwas über seine Identität hätte aussagenkönnen. Ra beschloß, seine Rolle als Polizist

30 Peter Terrid

im Sondereinsatz weiterzuspielen.»Unten liegen zehn Männer«, erzählte er

unbefangen, während er allmählich demAusstieg immer näher kam. »Fünf anderesind mir leider entwischt, aber die werdenwir auch noch stellen können. Wie sieht esoben aus, sind die Ausgänge besetzt?«

Ra schwang sich geschickt aus demSchacht und deutete lässig einen Gruß an. Eswar kennzeichnend für den Drill bei der ar-konidischen Polizei, daß der Mann sofortzusammenzuckte und den Gruß in allerForm erwiderte.

Auf diese Gelegenheit hatte Ra gewartet.Die Faust des Barbaren, die noch immer dasMesser umklammert hielt, bohrte sich mitWucht in die Herzgrube des Beamten. DerMann riß den Mund auf und schnappte nachLuft, seine Waffe ruckte in die Höhe, aberbevor der Mann abzudrücken vermochte,verlor er die Besinnung. Langsam sackte derPolizist in sich zusammen.

Ra sah auf den bewußtlosen Mann hinun-ter und kratzte sich hinter dem rechten Ohr.

»Meine Größe hat er ja«, murmelte Ra.Wenn das Gewebe dehnbar war, hätte Ra

die Kleidung des Polizisten als Tarnung be-nutzen können, obwohl der Beamte in denSchultern erheblich schmaler war als derstämmige Ra. Aber der Mann war Arkonide,und Ra wußte nicht, ob er in der Uniformmit seinen dunklen Haaren nicht noch we-sentlich auffälliger wirkte als in normalerKleidung. Ra zögerte nur kurze Zeit, dannhatte er sich entschieden.

Zwei Minuten später stürmte der in dieserZeit erschaffene Sonderagent der Spezialab-teilung VI weiter. Ra war der Ansicht, daßein raffinierter Angriff die beste Form derVerteidigung sei, und deshalb verhielt ersich seiner Rolle gemäß. Auf einem derGänge begegneten ihm zwei Beamte, die aufRas scharfes Kommando hin sofort folgsamwurden und sich ihm unterstellten.

Ra grinste zufrieden, während er weiter indas Innere der Verbrecheranlage eindrang.Ra wußte annähernd, wo er Glahrn und dasMädchen Themar zu suchen hatte, und der

Begleitschutz, den ihm seine beiden Unter-gebenen verschafften, schützte ihn wir-kungsvoll vor lästigen Fragern.

Die Gangster setzten sich erbittert zurWehr. Mehr als ein Beamter der Einsatzpoli-zei wurde verletzt, einige sogar getötet. Im-merhin konnte Ra feststellen, daß die Polizi-sten sich nach Kräften bemühten, die Gang-ster lebend zu fangen; nur in Einzelfällenrächten sich die Beamten an den Gefange-nen für den Tod eines Kollegen.

»Aufgepaßt!« schrie eine Stimme. »Siesetzen Roboter ein!«

Ra knirschte mit den Zähnen. Natürlichkonnte man auch bewaffnete Robots aus-schalten, aber das erforderte entweder eige-ne Kampfrobots oder aber einen ziemlichrücksichtslosen Einsatz von Menschen. Rawar sich nicht ganz sicher, ob die Offizieresolange warten würden, bis Polizeirobots aufdem Kampffeld auftauchen konnten.

»Vorwärts, Männer!« gab ein Unbekann-ter Befehl. »Kämpft die Maschinen nieder!«

»Die Sternenpest soll ihn holen!« zischteein Mann hinter Ra. »Dem Burschen ist esvöllig egal, ob wir das überleben oder nicht.Ihm kommt es nur darauf an, für die Gefan-gennahme von vielen kleinen Gangstern be-lobigt zu werden!«

Zum Glück für die Männer handelte essich bei den Kampfmaschinen der Gangsterum veraltete Modelle, deren Reaktions-schnelligkeit durch umständliche Gelenk-konstruktionen beeinträchtigt wurde. Ge-fährlich aber waren sie dennoch, das bewiesder gellende Schrei eines getroffenen Beam-ten.

Ra zielte schnell und sorgfältig. DerStrahlschuß traf einen der Robots am Kopfund setzte seine Sehfähigkeit auf fast Nullherab. Zwei andere Robots, darauf program-miert, auch das eigene positronische Lebenzu schützen, sahen sich durch den wie beses-sen herumschießenden Gefährten bedrohtund ließen ihn in einem Schußhagel zu ei-nem weißglühenden Metallhaufen zusam-menschmelzen.

Ein widerlicher Gestank nach verbrann-

Komet der Geheimnisse 31

tem Metall hing in der Luft, die von denSchüssen aufgeheizt wurde, bis sich RasHaare an den Spitzen zu kräuseln begannen.Fetter schwarzer Qualm zog durch die Gän-ge, legte sich auf die Lungen und machtedas Atmen schwer und schmerzhaft.

»Vorwärts, Männer!« schrie der Offizierwieder.

Er mußte sich in sicherer Deckung aufhal-ten, anders war die Klarheit seiner Stimmenicht zu erklären. Und seine Männer ge-horchten, sie stürmten auf die Robots ein.Das Zischen und Krachen der Schüsse er-füllte die Luft, Schreie gellten, und immerwieder explodierten zusammengeschosseneRobots.

»Mir nach!« befahl Ra, ohne sich darumzu kümmern, ob dieser Befehl üblich war.Die erstaunten Blicke seiner Untergebenenzeigten, daß Offiziere normalerweise ersteinmal ihre Männer vorschickten, bevor siesich selbst in brenzlige Situationen begaben.

Ra rannte vorwärts, seine Männer folgtenohne Zögern. Ein Robot stellte sich ihnen inden Weg und flog nach einer Serie vonSchüssen donnernd auseinander. Ra warfsich gerade noch rechtzeitig zur Seite, einenAugenblick später schlug der weggerisseneKopf eines Robots gegen die Wand und feg-te eine Handvoll Gesteinssplitter durch denGang. Einer der Männer stöhnte unterdrücktauf, ein Splitter hatte ihn am Arm getroffen.

Ra hatte lange und intensiv den Umgangmit hochmodernen Schußwaffen geübt, de-mentsprechend gut waren seine Schießlei-stungen. In Situationen wie dieser verließsich der Barbar voll und ganz auf seine In-stinkte, die ihn Gefahren fast hellseherischvorherahnen ließen. Noch bevor der Körperdes Robots seine Deckung vollständig ver-lassen hatte, schlug der Maschine bereits derWaffenstrahl des Barbaren entgegen.

»Beeilt euch!« rief Ra den beiden Män-nern zu, die seinem Sturmlauf folgten. »Jemehr wir rennen, desto schwieriger sind wirzu treffen!«

Ra wußte sehr wohl, daß dies nur fürMenschen galt. Robots pflegten die Bewe-

gungen von Zielen auf Zentimeter genauvorher zu kalkulieren und trafen entspre-chend exakt.

Ra atmete schnell und krampfhaft. DieLuft war fast unerträglich heiß und stickiggeworden. Die Minuten schienen sich wiezähflüssige Schmiermasse in die Länge zie-hen zu wollen. Die Männer verloren fast zurGänze ihre Beziehung zu dem, was in ihrerNähe vorging. Sie rannten und schossen wieAutomaten, warfen sich blindlings hin, umSchüssen auszuweichen, sprangen wiederauf und setzten den Angriff fort.

Ra brauchte mehrere Sekunden, bis er be-griff, daß der Kampf ein Ende hatte, zumin-dest was ihn anging. Kein Widerstand warmehr festzustellen.

»Wir haben ihre Linien durchbrochen!«keuchte einer der Polizisten mühsam. SeinGesicht war von Rauch geschwärzt, über dasGesicht lief ein schmaler Streifen frischenBlutes. »Wohin jetzt?«

»Weiter!« bestimmte Ra. Er hatte sich in-zwischen erinnert und wußte nun halbwegsgenau, wo er sich befand.

Im Rücken der drei Männer wurde derKampflärm lauter. Von irgendwoher kamenzwei Männer angerannt, die keine Zeit mehrfanden, die Waffen zu verwenden. Zwei ge-zielte Paralysatorschüsse ließen sie zusam-menbrechen.

Ra führte seine kleine Armee an. Viel hat-te er nicht in Erfahrung bringen können,aber er hatte eine annähernde Kenntnis, wiedieses Labyrinth angelegt war. Und er wußteauch, daß es einen bestimmten Bereich die-ser unterirdischen Welt gab, der von denvielen Beobachtungsgeräten nicht erfaßtwurde. Wenn es für die Köpfe der Verbre-cherorganisationen einen Fluchtweg selbstfür diese extreme Notlage gab, dann mußtesie in diesem Bezirk zu suchen sein.

Unterwegs passierte der Trupp ein Waf-fenlager. Deutlich war zu sehen, wie sehrder Angriff der Polizei die Gangster über-rascht hatte. In wilden Haufen lagen dieWaffen verstreut, jeder hatte sich offenbardas erste gegriffen, was ihm unter die Finger

32 Peter Terrid

geraten war.»Thermitladungen!« freute sich Ra. »Ich

glaube, wir werden sie gut brauchen kön-nen!«

Er stopfte sich die Taschen mit den Hit-zeladungen voll. Seine Begleiter sahen ihnverwundert an, dann begriffen sie, daß esletztlich unwichtig war, ob eine oder hundertLadungen durch Zufall oder Unvorsichtig-keit detonierten. Wer nur einige Meter vomDetonationszentrum entfernt war, wurde injedem Fall in ein Häufchen Asche verwan-delt.

Die nächsten Räume waren menschenleer.Offenbar leisteten die Gangster der Polizeieinen erbitterten Widerstand – schließlichging es in den meisten Fällen um das Lebender Verbrecher, auf die der Konverter oder –vielleicht noch schlimmer – das Straflagerwartete. Die Männer kämpften mit der wil-den Entschlossenheit von Todeskandidaten.

Endlich erreichte Ra eine Tür, die mithellroter Farbe gekennzeichnet war. Beson-dere Sicherheiten schien es nicht zu geben,aber Ra hatte als * Kampfgefährte des Kri-stallprinzen breite Erfahrung im Umgangmit unverdächtigen Eingängen und Räumen.Er war auf jede Teufelei vorbereitet.

Zwei Thermitladungen wurden an der Türbefestigt, dann rannten die Männer rasch zu-rück. Hinter ihnen brach wenige Sekundenspäter die Hölle los. Millionen von Kalorien,auf engstem Raum geballt, ließen die stäh-lerne Tür verdampfen und das umgebendeGestein in breiten Bächen herabfließen. DerBoden erbebte unter der Wucht der Explosi-on, und die drei Männer schnappten wie anLand geworfene Fische nach Luft, als dieHitzewelle an ihnen vorbeifegte. Ein Mit-glied der Verbrecherbande, das den bedräng-ten Freunden zu Hilfe eilen wollte, wurdedurch die Hitzewelle von den Beinen geris-sen und über den Boden gefegt.

Der Vormarsch zu der zerstörten Tür wareine Tortur, aber Ra wußte, daß er sich nichtviel Zeit lassen durfte, wenn er noch eineder führenden Persönlichkeiten der Bandezu fassen bekommen wollte. Daß er sich

wieder einmal zu Recht auf seinen Instinktverlassen hatte, wurde unwiderleglich klar,als er die Tür erreicht hatte.

Die Herren der Unterwelt von Arkon IInahmen wenig Rücksicht auf ihre Kumpane,wenn es ihnen an den Kragen ging. Hinterder Tür hatte man eine Selbstschußanlageeingebaut, die entsichert und einsatzbereitwar. Wer immer die Tür zu öffnen wagte,wurde von einer Salve aus miteinander ge-koppelten Handstrahlern im Bruchteil einerSekunde atomisiert.

Von der mörderischen Falle war nichtmehr viel zu sehen. Was die Thermitbombennicht zerfetzt hatten, war zerstört worden,als die Magazine der Waffen hochgegangenwaren. Nur annähernd ließ sich der Verwen-dungszweck der Konstruktion anhand derÜberreste erraten.

Ra paßte höllisch auf, als er den Raum be-trat. An vielen Stellen war der Boden mitnoch zähflüssigem, geschmolzenem Metallbedeckt, und vor solchen Temperaturenschützten auch die Raumfahrerstiefel nicht,die die Männer an den Füßen trugen. Es galt,sehr sorgfältig die wenigen Stellen zu fin-den, an denen man den Fuß ohne Gefahr aufden Boden setzen konnte. Es war nicht je-dermanns Sache, sich auf diese Weise fort-zubewegen, aber die beiden Polizisten zö-gerten keine Sekunde, nachdem Ra ihnenvorangegangen war. Aus eigenem Antriebhätten die Männer es wahrscheinlich vorge-zogen, den weiteren Fortgang der Ereignissein Ruhe abzuwarten.

Ra hatte das sichere Gefühl, daß mit derSelbstschußanlage das Repertoire seinerGegner noch lange nicht erschöpft war, undRa irrte sich nicht.

Nur seinen hervorragenden Reflexen ver-dankte er sein Leben. Sie ließen ihn blitz-schnell nach hinten kippen, als er denscheinbar soliden Boden des Ganges unterseinen Füßen wegsacken spürte. Schnellpackten die beiden Polizisten zu und zerrtenRa zurück, kurz bevor der Barbar endgültigabrutschen konnte.

Ra holte tief Luft.

Komet der Geheimnisse 33

»Danke!« sagte er ächzend. »Das war ver-teufelt knapp!«

Im Boden des Ganges klaffte ein kreisrun-des, mehr als vier Meter durchmessendesLoch. Ra hatte es im Fallen gerade noch ge-schafft, eine halbe Drehung auszuführen undmit einer Hand die Kante zu fassen bekom-men. Lange hätte er sich so nicht halten kön-nen, aber die Polizisten hatten schnell undrichtig reagiert.

Langsam richtete sich Ra wieder auf.»Ich verspeise meine Uniform«, brummte

er, »wenn diese Falle damit erledigt wäre!«Er zog eine Thermitbombe aus dem Gür-

tel, zog den Sicherungsstift und ließ denSprengkörper über den Boden rollen. Imgleichen Augenblick, in dem die Bombeüber den Boden des Loches fiel, zuckte ausder Tiefe eine Strahlensalve in die Höhe. Obnoch weitere Schüsse fielen, konnten dieMänner nicht bestimmen, denn wenige Au-genblicke später stieß die detonierendeThermitbombe eine rötliche Qualmsäule indie Höhe.

Ra grinste, als er die käsigen Gesichterseiner Begleiter sah. Die Männer waren kei-neswegs feige, aber soviel infame Heim-tücke ging über ihr Begriffsvermögen. OhneRa wären sie vermutlich abgestürzt, aberselbst wenn sie dieser Falle entgangen wä-ren, hätten sie zweifellos versucht, das Lochzu überspringen. Dabei wären sie von denam Boden des Loches fest eingebautenStrahlern mit Sicherheit getroffen worden.Was die Waffen nicht erreichen konnten,mußte von dieser Überraschung zumindestso irritiert werden, daß er in das Loch stürz-te.

Was dort auf die unglücklichen Opfer die-ser Falle wartete, war nur noch in Bruch-stücken zu erkennen. Ra vermutete, daß dieMetallteile, die aus der Wand des Schachtesragten, vor der Detonation der Thermitbom-be einmal ein scharfkantiges Gitter gebildethatten. Selbst Robots hätten wenig Chancengehabt, den Aufprall auf die messerscharfenStahlkanten zu überstehen.

»Wer sind diese Menschen?« fragte einer

der Beamten bleich. Vorsichtig robbte er zu-rück und stand langsam wieder aus seinerliegenden Haltung auf.

Für die beiden Polizisten war die Falle sa-tanisch genug, aber Ras Mißtrauen war nochimmer nicht befriedigt. Er richtete seinenStrahler auf die gegenüberliegende Wandund gab einen ungezielten Schuß ab.

Die Beamten schrien überrascht auf, wäh-rend Ra den Strahler zurücksteckte und zu-frieden nickte. Er hatte mit derlei gerechnet.

Der Gang, der auf der anderen Seite desLoches seine Fortsetzung hatte, endete inWirklichkeit hart am Rande des Schachts.Die Fortsetzung war nichts weiter als eineraffinierte Täuschung, wahrscheinlich durchein kompliziertes System von Spiegeln undLinsen hervorgerufen.

»Unfaßbar!« stöhnte einer der Polizistenauf.

»Richtig!« murmelte Ra. »Aber wo gehtes jetzt tatsächlich weiter?«

Den beiden Polizisten war anzusehen, daßsie an der Klärung dieser Frage nicht sehrinteressiert waren. Ihr Bedarf an Überra-schungen war mehr als gedeckt.

Ra überlegte kurz und kam zu der Über-zeugung, daß der Eingang zu weiteren Räu-men wahrscheinlich dort zu finden sein wür-de, wo man ihn am wenigsten vermutenwürde. Obwohl er seiner Sache ziemlich si-cher war, zog er es doch vor, sich vor Über-raschungen abzusichern. Aus einem der be-nachbarten Lagerräume beschaffte Ra einenstarken Strick, den er sich um die Hüftenschlang und sorgfältig verknotete. Dannnahm er zwei Schritte Anlauf und sprang.

Sein Fuß berührte auf der anderen Seitedes Loches den Boden. Ra streckte die Armeaus und versuchte, seinen Schwung mit denArmen abzufangen. Gelang dies nicht, dannmußten ihn seine beiden Helfer an dem Seilwieder in die Höhe ziehen.

Eine solche Rettung war nicht nötig, denndie scheinbar massive Wand aus Stein be-wegte sich ohne jeden Widerstand zurückund versank nach einigen Metern im Boden.Ra winkte seinen Helfern zu, und wenig spä-

34 Peter Terrid

ter standen alle drei Männer auf der anderenSeite der Todesfalle.

»Weiter!« kommandierte Ra. »Ich bin si-cher, daß wir die Burschen bald erwischt ha-ben werden!«

*

In einer steilen Parabel stieg das Wasserin die Höhe und fiel wieder in die Tiefe hin-ab. Von Hunderten starker Scheinwerfer an-gestrahlt, glitzerte der weiße Schaum derGischt an der Spitze der Parabel. Kein Gastversäumte es, unter dem Bogen hindurchzu-fliegen. Selbstverständlich war dafür ge-sorgt, daß man unter dem Bogen hindurch-gehen oder – fliegen konnte, ohne einenTropfen abzubekommen.

Die Parabel aus Wasser war das Wahrzei-chen der Zoltrals. Die Konstruktion bestachdurch Einfachheit der Technik und die Bril-lanz der Idee.

Zu dem Bogen aus Wasser gehörte derweitläufige Park, das imposante Trichter-haus der Familie selbst, dazu die nicht weni-ger eindrucksvollen Gebäude, in denen hoheGäste untergebracht werden konnten. Man-cher Arkonide beneidete sogar das Dienst-personal der Sippe um seine Unterkünfte.

Arkon I, die Kristallwelt, hatte mehrereMilliarden Einwohner. Entsprechend rar wa-ren die Eintrittskarten für das Sippenfest,entsprechend hohes Ansehen genossen diePersonen, die eine solche Einladung beka-men. Ein Arkonide, der nicht mehr eingela-den wurde, war gesellschaftlich tot.

Bei ihrer Anreise von Arkon II hatten EtirBaj und Alpertur keine Schwierigkeiten ge-habt. Man hatte sie in einer Privatjacht abge-holt, und bei solchen Fahrzeugen fiel dieDokumentenkontrolle sehr glimpflich aus.

Alpertur betrachtete beim Anflug immerwieder die Karte, die ihn und Etir Baj zu derFeier einlud. Alpertur, der als Händler einenexzellenten Ruf zu verteidigen hatte, konntesich nicht erinnern, daß jemals in der Ge-schichte des Imperiums eine solche MengeCarathay – Leder auf dem Markt gewesen

war. Das Leder dieses überaus seltenen Tie-res verschaffte dem, der es auf der Hauttrug, ein leichtes Gefühl der Euphorie, einsanftes Wohlbefinden. Es machte nichtsüchtig, aber leider verlor das Leder nachzwei Jahren seine wohltuende Eigenschaft.Es entsprach dem Selbstwertgefühl der Zol-trals, daß sie ihre Einladungen auf Carathay-Le-der gedruckt hatten. Es verstand sich vonselbst, daß die Gäste diese Kostbarkeiten be-halten durften. Allerdings würden sieSchwierigkeiten haben, die wertvollenStücke zu veräußern, denn der Text der Ein-ladungen war mittels eines unerhört aufwen-digen Materiewandlungsverfahrens aus demLeder herauskristallisiert worden. Man muß-te dazu nur den im Leder enthaltenen Koh-lenstoff bewegen, in bestimmter Form ander Oberfläche des Leders zu kristallisieren,selbstverständlich in Form lupenreiner Dia-mantsplitter.

»Das ist Arkon«, sagte Alpertur leise undmachte eine weitausholende Handbewe-gung, mit der er den Park und die Parabeleinschloß. »Die gesamten Einladungen sindzehnmal so wertvoll wie der gesamte Inhaltmeiner Lager – und trotzdem werden dieZoltrals den Verlust kaum spüren. Ich fragemich nur, wie andere Familien diesenSchlag verdauen werden. Immerhin müssensie, wenn sie ihren gesellschaftlichen Rangbehaupten wollen, in ähnlich eindrucksvol-ler Art ihr Sippenfest feiern!«

Bei Etir Baj schwieg verbittert.Vor Zeiten hatte auch sein Volk hier ge-

lebt, waren die Con-Treh Arkoniden gewe-sen, nicht heimatlose Flüchtlinge, die einLeben in steter Angst führen mußten. Wäh-rend sich die Con-Treh furchtsam in denHöhlen von Magintor verborgen hielten,verschenkten einflußreiche Familien denWert halber Planeten an eine Unzahl vonGästen, von denen sie den weitaus größtenTeil vermutlich nicht einmal kannten. In-brünstig hoffte Etir Baj, daß sich diese arko-nidische Großmannsucht eines fernen Tagesrächen würde.

Ein hochgewachsener Zaliter nahm die

Komet der Geheimnisse 35

beiden Gäste in Empfang und parkte denGleiter, mit dem Etir Baj und Alpertur abge-holt worden waren.

Die beiden Männer waren, wie es sich ge-hörte, unter den ersten Gästen. Als erster zukommen, galt als blamabel, eine Verspätungnur beim Hochadel als zulässig. Etir Bajwußte, daß dafür gesorgt worden war, daß erund Alpertur auf die Minute genau unpünkt-lich angekommen waren. Die Abweichungdes Eintreffens vom offiziellen Beginn desFestes zeigte die soziale Ranghöhe an – wersich mehr als schicklich verspätete, galt alsausgemachter Flegel.

»Eigentlich ganz vorteilhaft«, murmelteAlpertur; die beiden Männer schritten lang-sam durch den Park. Etir Baj fragte sich, wiees möglich war, daß der Park erleuchtet war,denn die Quellen des Lichtes konnte er nichtausmachen. »Wir können alle ankommen-den Gäste beobachten. Jeder wird versu-chen, möglichst eindrucksvoll aufzutreten!«

Endlich fand Etir Baj die Lösung desLichtproblems. Die Lampen wurden vonkleinen Antigravplattformen in der Luft ge-halten und dann durch Def lektorf eider un-sichtbar gemacht. Nur ein Teil des Lichtesdurchbrach den Schutz dieses Feldes und er-hellte die Landschaft. Ein unerhörter techni-scher und finanzieller Aufwand für einen Ef-fekt, der von den meisten Gästen wahr-scheinlich überhaupt nicht bemerkt werdenwürde.

Etir Baj schätzte, daß sich rund zehntau-send Personen auf dem Grundstück beweg-ten, größtenteils vermutlich Personal, dennwirklich wichtige Gäste würden erst im Ver-lauf der nächsten Stunden erscheinen. Ver-mutlich rangierten Etir Baj und Alperturknapp über alten Bediensteten der Zoltrals,deren jahrzehntelange Ergebenheit zum Ab-schied mit einer Einladung honoriert wurde.

Etir Baj lächelte, so wie er es in demAsteroiden Krassig gelernt hatte. Dieses Lä-cheln war eine perfekte Maske.

Mit solchen Gedanken beschäftigt, wan-derte Etir Baj neben dem geschwätzigen Za-liter durch den Park. Die zahlreichen Kunst-

werke, die im Park aufgestellt worden wa-ren, nahm der Con-Treh nicht wahr. Es hätteseinen Abscheu nur noch verstärkt, hätte ergewußt, daß das Honorar des Künstlers, derdie berühmte blaurote Sphäre geschaffenhatte – in einem diffusen blauen Nebel ro-tierte eine freischwebende rote Kugel – er-heblich höher gewesen war als der JahresetatMagintors.

Der Weg der beiden Männer führte amStamm des Trichterhauses vorbei, in demdie Spitze der Familie wohnte. Interessiertbetrachtete Alpertur das Relief, das die ge-samte Außenfläche des Hauses bedeckte.Der berühmte Altorg Hanar hatte es vor ei-nigen Jahrhunderten geschaffen. Der Wertdieser Arbeit ließ sich in Zahlen kaum nochausdrücken. Alpertur fragte sich, was mitdem Haus geschehen würde, wenn es alt undbaufällig wurde.

Die beiden Männer versuchten nicht, indas Innere des Hauses zu gelangen. Manhätte sie vermutlich sanft, aber nachdrück-lich daran gehindert, denn dieser Bereichwar nur auserlesenen Gästen zugänglich.

Widerstandslos ließ sich Etir Baj mitzer-ren, als Alpertur in einem Winkel des Gar-tens die aufgestapelten Lebensmittel undGetränke gesichtet hatte und zielstrebig dar-auf lossteuerte. Die Auswahl an Delikates-sen aus allen Winkeln der Galaxis verschlugselbst dem genußsüchtigen Alpertur dieSprache.

Eines konnte jeder Gast bereits nach kür-zester Zeit feststellen, die Zoltrals hatten al-les getan, um dieses Fest in jeder Beziehungzum Superlativ zu machen, ohne dies jedochin der protzigen Weise zu tun, die bei ande-ren Familien so unangenehm auffiel. Aller-dings wußte Alpertur, daß diese Familie ei-nige Jahrhunderte Erfahrung im Ausrichtenglanzvoller Feste aufzuweisen hatte.

»Etir Baj!« rief Alpertur aus und deuteteauf den Torbogen. »Sieh!«

Etir Baj folgte der Handbewegung mitden Augen. Ein kleiner Gleiter jagte mithöchster Geschwindigkeit durch den Bogen,schoß dann steil in die Höhe und raste auf

36 Peter Terrid

das große Trichterhaus zu. Wie von einerunsichtbaren Faust festgehalten, stoppte dasFahrzeug plötzlich. Feuerschweife zogenüber den nächtlichen Himmel, als der Glei-ter mindestens vierzig Raketen verschoß, dierasch nacheinander detonierten. Etir Baj hör-te das Raunen der Menge, als sich die sprü-henden Feuerbälle zu einem Bild vereinig-ten. Deutlich zu sehen war das Abbild einermodernen Raumjacht, die langsam über denHimmel zog. Plötzlich schlugen große Flam-men aus den Luken der Jacht, Explosionenwaren zu sehen, und die Spitze des Raum-fahrzeugs neigte sich langsam dem Bodenzu.

Dann erkannten die völlig verblüfften Zu-schauer, wie sich eine Luke öffnete und sichzwei Gestalten vom Raumschiff lösten.Während immer heftigere Explosionen dieJacht in Stücke rissen, schwebten die beidenPassagiere langsam und ungefährdet auf dieÖffnung des Trichterhauses zu.

Niemand konnte sich erklären, wie diebeiden Arkoniden plötzlich in die Raum-schiffsprojektion geraten sein konnten. Soperfekt war das Schauspiel der Feuerwerks-körper gewesen, daß viele Zuschauer allenErnstes an ein havariertes Schiff geglaubthatten.

»Die Passagiere müssen sehr enge Freun-de der Zoltrals sein!« stellte Alpertur fest.»Hast du das Emblem an der Spitze derJacht gesehen? Danach wurde das Schiff ineiner Werft gebaut, die den Zoltrals gehört.Ein lustiger Einfall!«

»Fürwahr!« murmelte Etir Baj erbittert.»Sehr lustig!«

*

Orbanaschol war so gekommen, wie esseinem Geschmack entsprach, in der Beglei-tung einer kompletten Raumlandedivision,die sich, so hieß es, anschließend wieder inihre Kasernen begeben würde. Manche hat-ten starke Zweifel an der Wahrhaftigkeitdieser Angabe. Es sah Orbanaschol III. au-ßerordentlich unähnlich, sich ohne starken

Begleitschutz in der Öffentlichkeit zu zei-gen. Der Imperator wirkte aufgeräumt, jovi-al, geradezu menschenfreundlich.

»Sehr geschmackvoll!« lobte er die Ar-rangements. »Überaus geschmackvoll. Werauch immer dieses Fest gestaltet hat, er ver-diente es, in meine Dienste zu treten.«

»Wer wäre wirklich dieser Auszeichnungwürdig?« fragte der Gastgeber höflich, denDoppelsinn der Worte geschickt verbergend.»Indes soll es mich freuen, wenn es Euchfreut. Ich habe mir erlaubt, für Euer Kurz-weil besondere Sorge zu tragen! Ihr werdetüberrascht sein, Eure Erhabenheit!«

Der Gastgeber zog sich mit einer Verbeu-gung zurück und überließ das zweifelhafteVergnügen einer Unterhaltung mit dem Im-perator seinen Gästen.

Im Freien tobte das Publikum vor Lachen.Regir da Quertamagin war erschienen,

und er war so aufgetaucht, wie es seinemRuf als dem Mann mit der schärfsten Zungeam Hof entsprach. Mit kunstvollen Projek-tionen hatte er neben dem berühmten Wahr-zeichen der gastgebenden Familie einenzweiten Bogen in der gleichen Größe er-scheinen lassen und so das Firmenemblemeines Unternehmens kopiert, das seit JahrenArkon mit einer fürchterlichen, aber nichteinmal billigen Fertigkost überflutete.

»Ihr seid überaus sarkastisch, lieberFreund!« meinte der Gastgeber und schüttel-te Quertamagin die Hand. »Ich versicheredir, daß meine Küche besser ist als deineAnspielung vermuten läßt!«

Quertamagin lachte unterdrückt.»Ich wußte, daß du den Scherz verstehen

würdest«, sagte er freundlich. »Ist er bereitshier?«

Wer mit diesem »er« gemeint war. wuß-ten alle Gäste des Festes. Für jeden Arkoni-den, der sich noch etwas Selbstachtung be-wahrt hatte, war es eine Tortur, den Impera-tor bei sich zu haben. Die Clique vonSchmeichlern und Speichelleckern, die denImperator umgab, sorgte dafür, daß auch an-dere Personen vor Orbanaschol katzbuckel-ten und krochen. Immer wieder mußten sich

Komet der Geheimnisse 37

die Besucher bei Orbanaschol erniedrigen.»Er ist«, bestätigte der Gastgeber.

»Freundlich und gefährlich wie immer.Nimm dich in acht. Du weißt, daß er derSchärfe deines Witzes nicht gewachsen ist!«

»Ich werde schon mit ihm auskommen!«meinte Quertamagin lachend. »Ich fürchteOrbanaschol nicht!«

Er trennte sich von dem Gastgeber unddurchstreifte auf eigene Faust das Gelände.Er konnte sicher sein, ausschließlich be-kannte Gesichter zu sehen; in diesen Bereichdes Hauses wurden nur Verwandte und guteFreunde geladen. Wäre es nach dem Willendes Gastgebers gegangen, so hätte sich auchder Imperator auf dem Parkgelände wieder-gefunden, aber eine derartige Brüskierunghätte den Tod des Mannes zur Folge gehabt.

Regir da Quertamagin kannte Festlichkei-ten dieser Art zur Genüge. Er selbst hatteauch schon oft als Gastgeber fungiert. Nacheiniger Zeit erschöpften sich die Möglich-keiten, ein Fest mit Höhepunkten zu verse-hen, und dann war man genötigt, auf Altbe-kanntes zurückzugreifen.

Quertamagin beschränkte sich darauf, dieGesichter zu studieren. Wer dieser vielenMenschen unterstützte Orbanaschol aus frei-em Willen, wer hätte ihm, falls es möglichgewesen wäre, die Gefolgschaft aufgekün-digt? Quertamagin wußte, daß er aus denGesichtern allein keine Antwort auf dieseFragen ablesen konnte. Die Zukunft würdezeigen, wie viele Arkoniden es gab, die dasGewaltregime des Diktators unterstütztenund davon profitierten.

Ein Mann näherte sich Regir. Er tippteihm sacht auf die Schulter.

»Mogbar Klote!« wunderte sich Querta-magin. »Was treibst dich her? Ist etwasWichtiges geschehen?«

»Wir haben den Barbaren auf Arkon IIaufgetrieben!« berichtete der Gefragte; erwTar noch relativ jung und ein wenig über-gewichtig. »Er ist irgendwie mit einer Ver-brecherbande zusammengestoßen, die zurZeit von der Polizei ausgehoben wird!«

»Woher weißt du das?« erkundigte sich

Quertamagin. »Sind die Nachrichten si-cher?«

Mogbar Klote nickte hastig.»Wir hatten selbst einen Mann in die Rei-

hen der Gangster eingeschleust«, erzählte errasch. »Unserem Mann ist gerade noch dieFlucht geglückt, bevor die Polizei das Ver-brechernest stürmte. Unser Mann ist absolutsicher, daß er in den unterirdischen Stütz-punkten eine Person gesehen hat, auf die dieBeschreibung des Barbaren bis aufs Haarpaßt!«

»Ausgezeichnet!« lobte Quertamagin.»Versuche, den Barbaren im Auge zu behal-ten. Wir müssen diesen Mann zu fassen be-kommen!«

»Wir werden unser Möglichstes tun«, ver-sprach Klote sofort, dann verschwand erwieder in der Menge.

»Ein Diener von Euch?« erkundigte sicheine junge Frau beiläufig. »Ihr beschäftigtorganisches Personal?«

»Ich bin ein wenig altmodisch«, versetzteQuertamagin freundlich. »Ich liebe es, Men-schen um mich zu haben!«

»Aber die Ansteckungsgefahr!« wider-sprach die Frau. »Denkt an die vielen Bakte-rien und Viren, die von lebenden Wesenmitgeschleppt werden. Ich ziehe Maschinenvor; man kann sie oft genug unter eineStrahlendusche stellen, um sie absolut keim-frei zu halten!«

Erst jetzt fiel Quertamagin auf, daß derKörper der Frau nicht völlig klar zu erken-nen war. Die Konturen verschwammenleicht gegen den Hintergrund. Vermutlichschützte sich die übervorsichtige Frau miteinem hautengen Schirmfeld vor den Bazil-len, die sie so sehr fürchtete.

»Menschen sind weitaus reizvoller alsMaschinen«, warf Quertamagin ein.

Eigentlich hatte er gar keine Lust, sich mitirgend jemand zu unterhalten, denn bei sol-chen Festen nahmen die Gespräche ohnehinnach kurzer Zeit stets den gleichen Gang. Daes aber aus Höflichkeitsgründen unerläßlichwar, am allgemeinen Geplauder teilzuneh-men, konnte es Regir gleichgültig sein, mit

38 Peter Terrid

wem er seine Zeit vertat.»Das mag sein«, räumte der weibliche

Hypochonder ein. »Ich habe gehört, unserverehrter Gastgeber habe es geschafft, dielegendäre Methayda für ein Auftreten zu ge-winnen. Kennt Ihr die Frau?«

»Nur flüchtig«, murmelte Quertamagin,der spürte, wie sich seine Nackenhaare auf-stellten. »Sie soll hervorragend begabtsein!«

»Man munkelt …«, begann seine Ge-sprächspartnerin, aber Quertamagin hörte ihrnicht zu. Seine Gedanken waren weit vomGeschehen rund um das Fest entfernt.

Er dachte an Methayda, deren Geheimnisin höchster Gefahr schwebte, und dies allesnur eines kleinen dunkelhäutigen Barbarenwegen.

6.

Ra schwitzte. Er befand sich einige hun-dert Meter unter der Oberfläche von ArkonII, und hier machte sich die Tatsache schonbemerkbar, daß im Innern des Planeten einKern aus Schwermetallen glühte. Zudemwar Ra in der letzten Stunde kaum zur Ruhegekommen.

»Wollen wir nicht umkehren?« keuchteder Polizist an seiner Seite.

Der zweite Beamte hatte kapituliert; erhockte jetzt irgendwo in dem Labyrinth vonGängen und versuchte seinen Schock zuüberwinden. Nach der dritten mörderischenFalle war der Mann zusammengebrochen, erwar nicht zu bewegen gewesen, noch einenSchritt zu tun, weder vorwärts noch rück-wärts. Ra wußte, daß ein Verharren demMann nichts half, früher oder später mußteer den Weg zurückgehen, den er gekommenwar. Da er ihn nur belastet hätte, hatte Raden Mann zurückgelassen, in der Hoffnung,daß er wieder zu sich finden würde.

»Jetzt, so dicht vor dem Ziel?« fragte Razurück.

Er spürte, daß er Glahrn und dem Mäd-chen dicht auf den Fersen war. Und Ra warentschlossen, den Mann gefangenzunehmen.

Ra wußte, daß eine solche Organisation nuraufzubauen war, wenn Glahrn höchst ein-flußreiche Freunde hatte, Freunde, die überBeziehungen und Informationen verfügenmußten. An diese Freunde wollte Ra heran-kommen. Auf seinem Weg durch die unter-irdische Festung der Gangster hatte Ra ge-nügend Beweismaterial gesehen, um die Be-deutung dieses Syndikats einschätzen zukönnen. Hier waren keine einfachen Profisam Werk gewesen; die Verbindungen derGangster mußten bis hinauf in die Nähe desImperators reichen, dessen war sich Ra si-cher.

Inzwischen hatte Ra genügend Erfahrun-gen im Umgang mit den Fallen des Laby-rinths gesammelt. Er brauchte nur noch we-nig Zeit, um die Hinterhalte zu erkennen undauszuschalten.

Sein unfreiwilliger Begleiter schwitztederweilen Blut und Wasser. Es war demMann anzusehen, daß er es vorgezogen hät-te, sich schnellstens abzusetzen, aber dashätte Fahnenflucht bedeutet und damit densicheren Tod für den Mann. Deshalb gingder Beamte, der Not gehorchend, hinter Raher und schickte immer wieder Stoßgebetezum Himmel. Mit leichtem Grinsen hatte Rafestgestellt, daß der Mann sehr vorsichtigwar – um ganz sicher zu gehen, hatte er soziemlich alle Götter, Götzen und Dämonenum Hilfe angefleht, die im Imperium ange-betet wurden.

Ra bog um eine Ecke des Ganges und ver-harrte. Mit einer Handbewegung bedeuteteer dem Polizisten, sich hinter ihm zu halten.

»Wir haben es geschafft!« murmelte Razufrieden. »Hier gibt es keine Fallen mehr!«

»Die Sternengötter mögen geben, daß IhrEuch nicht irrt!« stammelte der Beamte.

Ra hatte inzwischen festgestellt, daß derMann normalerweise bei der Verkehrsüber-wachung tätig war. Aufgaben wie diese gin-gen weit über seine Kräfte, dennoch hatte ersich erstaunlich gut gehalten. Ra hätte ihn,wäre er dazu berechtigt gewesen, befördert.

»Jetzt müssen wir nicht mehr nach FallenAusschau halten, sondern nach Menschen!«

Komet der Geheimnisse 39

flüsterte Ra.Er hatte einen ungefähren Plan der unter-

irdischen Anlage im Kopf. Es entsprach lo-gischem Empfinden, daß das Kernstück derAnlage sich auch in ihrem Mittelpunkt be-fand, und nach Ras Schätzungen war er dergeographischen Mitte der unterirdischen An-lage bis auf wenige hundert Meter nahege-kommen. Es wäre ausgesprochen leichtsin-nig und zudem überflüssig gewesen, auchdiesen Teil des Verstecks mit Fallen zuspicken. Allerdings fragte sich Ra, was sichdie führenden Köpfe der Bande hatten ein-fallen lassen, um ihren Bedrängern entkom-men zu können. Die Polizei hielt den Be-reich der Unterwelt, den die Gangster in ih-ren Besitz gebracht hatten, fest umschlossen,an ein Durchbrechen war nicht zu denken.

Es sei denn, es gab noch kleinere Verbin-dungen zwischen einzelnen Räumen undAbteilungen. Ra schätzte die Kugel, die vonden Gangstern beherrscht wurde, auf einenDurchmesser von mindestens zweihundertMetern. Es mußte der Polizei schwerfallen,sämtliche Löcher, die es an der Oberflächedieser imaginären Kugel gab, zu verstopfen.Wahrscheinlich gab es im ganzen Imperiumniemanden, der einen genauen, umfassendenPlan von diesen Örtlichkeiten hatte. SeitJahrhunderten wurde die Oberfläche desPlaneten immer wieder baulich verändert,wurden ganze Städte abgerissen und neu undangeblich schöner wieder aufgebaut. Nur andieser Unterwelt war wenig getan worden,sie war nicht geplant, vielmehr im Laufevieler Jahre und unzähliger Änderungen undUmbauten wild gewachsen. Sich hier wirk-lich auszukennen, war fast ausgeschlossen.

Langsam bewegte sich Ra vorwärts, hin-ter ihm schlich, bleich aber tapfer, der Poli-zist, der seinem Schicksal dankbar war, daßes ihm einen Vorgesetzten beschert hatte,der seinen Leuten voranging und sich nichthinter ihnen versteckte.

»Leise«, flüsterte Ra.Vor den beiden Männern wurde es all-

mählich lauter. Eine Maschine lief mit höch-ster Kraft und produzierte dabei einen unge-

wöhnlichen Lärm. Ein schrilles Kreischenerfüllte die Luft, gemischt mit Wimmernund Prasseln. Vergeblich versuchte sich Raeine Maschine vorzustellen, die diese Ge-räusche hervorrufen konnte.

Ra gab dem Polizisten ein Zeichen undblieb stehen. Er erinnerte sich, daß ziemlichgenau über diesem Bezirk der Unterwelt eingroßer Platz liegen mußte, der um diese Ta-geszeit wahrscheinlich von Tausenden vonMenschen gefüllt war. Zwischen dem Platzund dem Versteck der Verbrecher gab es nurwenig Hohlräume, denn der Platz existierteschon lange. Nie war auf ihm gebaut wor-den, und unter ihm weg liefen nur wenigeLeitungen und Rohre.

Das bedeutete, daß es über den Köpfender Männer eine feste Steindecke von be-trächtlicher Dicke gab, mehrere hundert Me-ter massiven Felsgesteins. Es war ausge-schlossen, daß es dort ein Durchkommengab.

Ra begann leicht zu grinsen.»Natürlich«, murmelte er amüsiert. »Nur

hier, und nirgendwoanders!«Wenn die Polizei Pläne dieser Unterwelt

hatte, dann war dort gewiß auch die Fels-schicht aufgezeichnet. Jedem mußte sofortklar sein, daß es dort keine Fluchtmöglich-keit gab. Genau das aber hatten sich dieGangster auch ausgerechnet. Sie waren raffi-niert genug gewesen, sich genau dort einenFluchtweg zu schaffen, wo man ihm am we-nigsten vermuten würde.

Ra machte eine Bewegung mit dem Kopfund schob sich weiter vorwärts, der Quelledes Geräusches entgegen. Der Gang endetein einem Antigravschacht, der senkrecht indie Höhe führte. An Arbeitsspuren war zuerkennen, daß dieser Schacht in Handarbeitaus dem Felsen gehauen worden war.

Ra stieß sich ab und ließ sich in die Höhetragen. Seufzend folgte der Polizist seinemBeispiel. Beide Männer hatten frische Maga-zine in ihre Waffen geschoben.

Der Lärm wurde von Meter zu Meter lau-ter und war am oberen Ende des Schachtsnahezu unerträglich. Das half den beiden

40 Peter Terrid

Männern, sich der Quelle des Lärms unge-hört zu nähern, vergrößerte aber das Risiko,selbst entdeckt zu werden. Aber die Gang-ster hatten in diesem Teil ihres Fuchsbauskeine Wachen aufgestellt. Ra und der Poli-zist konnten ungehindert den Schacht verlas-sen.

Ra blickte noch einmal an der Wandungherunter. Nach seinem Gefühl hatte er einebeträchtliche Strecke in dem Schacht zu-rückgelegt. Die Gesteinsschicht, die ihnnoch von der Oberfläche trennte, konnte si-cherlich nicht mehr sehr dick sein.

Es war gefährlich, sich in diesem Bereichzu bewegen. Die Kammern und Räume,Gänge und Korridore waren nur roh aus demFelsen geschlagen worden, kaum abgestütztund gesichert. Allem Anschein nach wardieser Teil der Anlage noch nicht völlig aus-gebaut worden.

Ra bedeutete dem Polizisten zurückzu-bleiben.

Der Barbar hatte in einem Raum einenMann gesehen, der intensiv mit einem Rech-ner beschäftigt war. Der Mann war so in sei-ne Arbeit vertieft, daß er Ra gar nicht wahr-nahm, als dieser im Schutz des allgemeinenLärms lautlos in den Raum schlüpfte.

Ra wußte schnell, was die Arbeit desMannes zu bedeuten hatte. In diesem Raumwaren die Speicher der Positroniken unter-gebracht, mit denen die Gangster arbeiteten.Die Aufgabe des Mannes war es offenbar,die Inhalte der Speicher nach einer speziel-len Katastrophenprogrammierung abzuru-fen, auszuwählen und in transportable Spei-chereinheiten abzuleiten. Mit einem Hand-kantenschlag streckte Ra den Mann nieder,er brach geräuschlos zusammen.

Ra durchquerte zwei weitere Räume, dannhatte er die Lösung des Rätsels gefunden,die Quelle des infernalischen Lärms. Offen-bar hatte man den großen Gesteinsbohrer inEinzelteilen herausgeschafft, anders ließsich das Vorhandensein der gewaltigen Ma-schine nicht erklären.

Ra kannte derartige Geräte. Sie wurdenmeist bei Tunnelbohrungen eingesetzt. In ei-

nem komplizierten Zusammenspiel vonThermostrahlern, Schirmfeldern, Traktor-projektoren und Kompressoren fraß sich ei-ne solche Maschine in kurzer Zeit durch vie-le Meter festesten Gesteins und hinterließdabei eine kreisrunde Höhlung. Spitzengerä-te bewältigten einen Kilometer pro Tag beieinem Tunneldurchmesser von bis zu zwan-zig Metern.

Was die Gangster planten, war auf den er-sten Blick ersichtlich. Sie wollten die letztenMeter der Felsschicht durchbohren. Wennsie auf dem großen Platz plötzlich auftauch-ten, würden sie die allgemeine Verwirrungausnutzen, um sich abzusetzen und zu ver-schwinden. Dabei spekulierten die Verbre-cher mit der Mentalität der Arkoniden. Sievertrauten darauf, daß die Passanten erst ein-mal abwarten würden, was für ein Ungeheu-er plötzlich aus dem Boden aufstieg, erstdann würden sie die Polizei alarmieren. Die-se Zeitspanne reichte für die Zwecke derGangster vollauf aus.

Noch war der Bohrer nicht startbereit. Of-fenbar war die Maschine erst vor kurzer Zeitinstalliert worden. Ra konnte Glahrn sehen,der in dem Gestänge herurnturnte und erbit-tert fluchte. Das Mädchen Themar saß in derFührerkabine des Tunnelbohrers. Sie ent-deckte Ra sofort und stieß einen lautenSchrei aus, der aber in dem Getöse unter-ging. Themar versuchte, ihren Partner mitHandzeichen auf die Gefahr aufmerksam zumachen, aber Glahrn war zu sehr mit derMaschine beschäftigt.

Ra winkte Themar zu, forderte sie mitZeichen auf, sich zu ergeben und die Ma-schine zu verlassen. Themar zog einenStrahler und feuerte auf Ra.

Gerade noch rechtzeitig konnte sich Razur Seite werfen.

»Bestie!« zischte Ra und suchte schleu-nigst eine neue Deckung, als das Mädchensein Versteck systematisch unter Feuernahm. Sie mochte Sympathie für Ra emp-funden haben, aber in diesem Augenblickwar ihr die eigene Haut entschieden wichti-ger.

Komet der Geheimnisse 41

Aus den Augenwinkeln heraus sah Ra,wie sein Begleiter langsam näherkam. Erhielt sich dabei sorgfältig außerhalb des Be-reichs auf, den Themar und Glahrn mit ihrenWaffen bestreichen konnte. Entsetzt sah Ra,daß der Mann am Gürtel nestelte.

»Stop!« brüllte der Barbar, aber er wurdenicht gehört.

Der Beamte hatte begriffen, daß er dieKöpfe der Bande gefunden hatte, und derMann hatte keine Lust, sich diesen Fangwieder entgehen zu lassen. Ohne sich umden lebhaft protestierenden Ra zu kümmern,entsicherte er eine Thermitbombe und warfdas Geschoß zu der Tunnelfräse hinüber.

Ra zögerte nicht länger.Er sprang so schnell wie möglich auf und

rannte den Weg zurück, den er gekommenwar. In seinem Nacken lauerte der Tod.Wenn die Schirmfelder der Tunnelfräse derBombe nicht standhielten, würde die Explo-sion auch den schweren Reaktor der Fräsezünden. Was dann geschehen würde, wagtesich Ra nicht auszumalen.

Ra rannte, bis seine Lungen zu schmerzenbegannen. Obwohl schwarzrote Schleier vorseinen Augen wallten, zwang er sich weitervorwärts. Als ihn die letzten Ausläufer derExplosion erreichten, war Ra bereits so er-schöpft, daß er sich gegen den Luftstoß nichtmehr zur Wehr setzen konnte. Die Druck-welle stieß ihn vorwärts, die Knie gabennach, und mit einem dumpfen Laut prallteRa auf den Boden. Er verlor schlagartig dasBewußtsein.

Regir da Quertamagin langweilte sichmaßlos. Er hatte ein vorzügliches Gedächt-nis, auch ohne den Logiksektor seines Extra-hirns in Anspruch zu nehmen, und diesesGedächtnis machte ihm immer wieder klar,daß er mehr als die Hälfte der gesprochenenDialoge bereits kannte.

Man mußte nur die Namen der/des Ge-liebten, die Farbe des Anzuges/ Kleides aus-tauschen, dann bekam man für jeden Ge-sprächspartner eine neue Möglichkeit derUnterhaltung.

Quertamagin starrte über die Brüstung des

Trichterhauses hinunter in den Park. Dorthatten sich ein paar jüngere Leute zusam-mengetan und das Fest in ihrem Sinne um-gestaltet. Regir konnte das freie Lachen derjungen Leute herauf schallen hören.

»Beneidenswert!« murmelte Quertamaginseufzend.

»Beeilt Euch!« mahnte ein Gast seinenNachbarn. »In wenigen Minuten soll die be-rühmte Methayda ihren Auftritt haben!«

Quertamagin atmete tief ein, dann folgteer dem Strom der Gäste. Ziel der kleinenVölkerwanderung war der Boden des Trich-ters, wo eine kleine Arena improvisiert wor-den war. Seit Stunden führten auf der FlächeGaukler aus allen Teilen des Imperiums ihreKunststücke vor. Illusionisten waren aufge-treten, Feuerfresser und sogar ein sehr exo-tisch gekleideter Arkonide, der – angeblich– eine Patrone Sprengstoff geschluckt undals Feuerwerk wieder ausgespien hatte. Dasverwöhnte Publikum hatte sich kaum darumgekümmert.

Eine Frau stieß Regir mit dem Ellenbogenan.

»Das ist sie!« flüsterte die Frau.»Ich weiß«, murmelte Quertamagin dü-

ster.Methayda war sehr schlicht gekleidet, ein

krasser Gegensatz zu den prunktvollen Ro-ben der anderen Gäste. In ihrer Begleitungwar der ebenfalls berühmte Magier und Illu-sionist Telfonkh erschienen, zusammen miteiner Schar Hilfspersonal.

Telfonkh trat als erster auf, und er schaff-te es tatsächlich, seine Zuschauer zu fesseln.Niemand, Regir ausgenommen, wußte, daßdie verblüffenden Tricks eigentlich rechteinfach waren – man hatte sie nur im Laufevieler Jahrhunderte vergessen. Vor allemverblüffte der Mann sein Auditorium durchdie Tatsache, daß er ohne jedes technischeGerät arbeitete.

Nur einmal gab es in der Vorführungeinen kleinen Zwischenfall.

Telfonkh verwandelte gerade einen Blu-menstrauß in eine Schar kleiner Vögel, alsihn einer seiner Assistenten unabsichtlich

42 Peter Terrid

rempelte. Der Trick mißlang kläglich. EineHandvoll Fische lag luftschnappend am Bo-den, die restlichen Blüten flatterten aus eige-ner Kraft davon.

»Tölpel!« rief der Magier aus und gabdem Assistenten eine Ohrfeige.

Der Mann war wesentlich jünger als derMagier, und er war nicht gewillt, sich so be-handeln zu lassen. Er holte aus und versetzteTelfonkh einen wuchtigen Faustschlag anden Kopf. Der Magier brach wie vom Blitzgetroffen zusammen, begleitet von einementsetzten Aufschrei der Zuschauer.

Zwei Männer liefen sofort auf die Bühneund kümmerten sich um den zusammenge-brochenen Alten. Schon nach kurzer Zeit er-hoben sie sich wieder.

»Kein Puls, keine Atemtätigkeit«, stellteeiner der Männer fest. »Der Mann ist tot!«

Lähmendes Entsetzen machte sich breit,die Zuschauer betrachteten einander ängst-lich und verwirrt. Nur Quertamagin lehntegleichmütig an einer Säule.

Der junge Mann, der den Magier getötethatte, wurde sofort von zwei zivilen Ge-heimpolizisten des Imperators festgenom-men. Von seinem Standort konnte Regirnicht sehen, was Orbanaschol zu dem jun-gen Mann sagte, aber er sah, wie eine derWachen eine Waffe zückte und den jungenMann erschoß.

Eine gespenstische Stille entstand. Ge-heimpolizisten packten den Leichnam desjungen Mannes und schleppten ihn, für allesichtbar, zum Rand des Trichterhauses.

Ein Aufschrei ging durch die Menge, alssich die Zuschauer wieder umwandten. Deralte Magier, dessen vermeintlicher Mördergerade vom Rand des Trichterhauses herab-geworfen worden war, bewegte sich wieder.Telf onkh stöhnte und ächzte.

»Ich brauche meine Medizin!« jammerteer lautstark. »Sie steckt in der hölzernen Ki-ste dort!«

Er deutete auf den Behälter, der schon seitdem Beginn der Vorstellung auf der Bühnestand und einigen seiner Helfer als Sitzgele-genheit diente.

Die Assistenten öffneten die große Kiste.Quertamagin konzentrierte seine Auf-

merksamkeit auf Orbanaschol, der offenbarnicht begriff, was sich vor seinen Augen ab-spielte. Er wurde weiß, als der erschosseneAssistent aus der Kiste stieg und dem altenMagier seine Medizin übergab.

Orbanaschols Blick wanderte unsicherüber das begeistert applaudierende Publi-kum. Man konnte ihm ansehen, wie sehr ererschrocken war. Der junge Mann war vorseinen Augen erschossen und dann vomTrichterrand herabgestürzt worden, wie kamer jetzt in die Kiste?

»Phantastisch, dieser Trick!« schwärmteein junger Mann neben Quertamagin.

»Es ist kein Trick!« wurde er von Regirbelehrt. »Es handelt sich um eineiige Zwil-linge. Deshalb führt er den Trick auch soselten vor!«

Der junge Mann wurde bleich, dann nahmer seinen Zwillingsbruder bei der Hand. Inwenigen Augenblicken waren die beidenjungen Männer verschwunden.

In diesem Augenblick bedauerte Querta-magin seinen boshaften Scherz, aber er hattesich abreagieren müssen. Der Mann zeigteäußerlich keinerlei Anzeichen einer Gemüts-bewegung, aber in seinem Innern tobte dieAngst. Nur sehr genaue Beobachter hättenfeststellen können, daß sich trotz der nächtli-chen Kühle feine Schweißtropfen auf seinerStirn gebildet hatten.

Methaydas Auftritt verlief weniger ge-räuschvoll, aber nicht minder eindrucksvoll.Die Antworten, die sie gab, verrieten, daßsie sich hervorragend auskannte. Sie spielteauf Dinge an, die niemand außer den Betref-fenden wissen konnte, nannte Namen undDaten, die als streng geheim galten. Ein ho-her Offizier wurde ohnmächtig, als die alteFrau ihm mitteilte, daß er in wenigen Tagenentlassen werden würde.

Die Angaben der Frau waren selbstver-ständlich korrekt, sie machte keinen Fehler.Sie las aus der Hand, erforschte die Vergan-genheit und erklärte die Zukunft.

Während die Zuschauer leise die verblüf-

Komet der Geheimnisse 43

fenden Fähigkeiten diskutierten, betrachteteder Imperator aufmerksam die alte Frau.Quertamagin konnte förmlich sehen, wiesich seine Erregung steigerte. Die alte Frauwar zweifellos ein Phänomen.

Wenn sie keine Hellseherin oder Prophe-tin war, dann mußte sie über unglaublich gu-te Nachrichtenverbindungen verfügen. Siekannte jede Kleinigkeit des Hofklatsches,und nur Orbanaschol wußte, daß er selbstvor wenigen Stunden die Entlassung des ho-hen Offiziers veranlaßt hatte.

Orbanaschol stand langsam auf und gingzu der Gruppe hinüber, die sich um die Fraugebildet hatte. Es ärgerte ihn, als man ihnnur zögernd durchließ.

»Sagt auch mir, was mir die Zukunft brin-gen wird!« forderte Orbanaschol die alteFrau auf.

Er streckte ihr die rechte Hand entgegen.Langsam faßte die Frau zu, sah Orbanascholaufmerksam an. In ihrem Gesicht zucktekein Muskel. Dann beugte sie sich über dieFläche, studierte die Linien der Hand.

»Ich sehe Freunde, Imperator!« sagte sielaut genug, um viele das Gespräch mithörenlassen zu können. »Ihr habt einige Freunde,die Euch nie verlassen werden. Wenn Ihrvon ihnen getrennt werden solltet, dann nurfür kurze Zeit.«

»Wie lange werde ich regieren?« wollteOrbanaschol wissen.

»Nachkommen werden Eure Regierungs-zeit als sehr lang bezeichnen!« antwortetedie Frau. »Man wird noch sehr lange nachEurem Tod von Euch sprechen, sich Eurererinnern!«

Quertamagin glaubte seinen Herzschlagaussetzen zu fühlen. Was die Frau wagte,konnte gradlinig zum Tod führen. Die Men-schen in ihrer Nähe standen wie erstarrt.

»Werde ich bald sterben?« fragte Orbana-schol erregt.

»Nein«, sagte Methayda. »Es wird nochlange auf sich warten lassen!«

Orbanaschol zog seine Hand zurück undlächelte zufrieden.

»Wer seid Ihr wirklich, woher kenne ich

Euch?« wollte er wissen.Er bekam keine Antwort, weil sich sofort

einige Personen näher an die Frau heran-schoben und sie ebenfalls mit Fragen be-drängten. Orbanaschol machte ein verärger-tes Gesicht, dann begab er sich wieder zudem Ehrensessel, der ihm eingeräumt wor-den war.

Quertamagin schloß die Augen und holtetief Luft. Erleichtert lehnte er sich an eineSäule aus kühlem Marmor. Eine Gestalt nä-herte sich ihm langsam.

»Herr!« sprach der Mann ihn an.»Wichtige Nachricht!«

»Sprich«, forderte Quertamagin denMann auf. »Was gibt es, Mogbar!«

»Wir wissen inzwischen, wo der Barbarsteckt«, berichtete Mogbar Klote.

»Endlich«, sagte Quertamagin erleichtert.»Und wo befindet er sich jetzt?«

»Bei der Polizei!« berichtete Klote nie-dergeschlagen. »Er ist verhaftet!«

7.

»Dräng dich nicht vor! Du wirst nur auf-fallen!«

Etir Baj versuchte vergeblich, den Zaliteram Arm festzuhalten. Alpertur riß sich losund verschwand im Gedränge. Etir Bajfluchte leise in sich hinein.

Die beiden Männer hatten den Auftritt derberühmten Wahrsagerin nur über Bildpro-jektionen miterleben können, aber Alperturwar schon nach wenigen Sekunden fest da-von überzeugt gewesen, daß nur ein Ge-spräch mit Methayda seinem Leben nocheinen Sinn geben könnte. Jetzt war Alperturverschwunden, wahrscheinlich würde er sichmit Ellenbogen und seiner flinken Zungeeinen Weg ins Innere des Hauses bahnen.

Bei Etir Baj wanderte länger als zweiStunden durch den Park. Das Fest nähertesich langsam dem Ende – zumindest für dieEhrengäste. Orbanaschol war bereits ver-schwunden, und die großen Namen machtensich ebenfalls allmählich rar. Dafür feiertedas übrige Publikum um so intensiver wei-

44 Peter Terrid

ter. Besonders turbulent ging es in einemWinkel des Parks zu, wo die Absolventendes Zoltrals-Stipendiums an der galaktonau-tischen Akademie ein eigenes Fest aufgezo-gen hatten.

Als Etir Baj sich endlich von der munte-ren Gruppe löste, fühlte er sich prächtig,auch wenn er sich darüber klar war, daß erregelrecht versackt war. Die Uhr sagte ihm,daß er wenigstens vier Stunden länger ge-blieben war, als er ursprünglich beabsichtigthatte. Von Alpertur fehlte jede Spur.

Am Ausgang des Parks waren die Postenabgezogen worden. Wer wollte, konnte jetztmitfeiern, solange die Vorräte hielten. EtirBaj konnte sich ausrechnen, daß die Stipen-diaten feiern würden, bis der letzte Tropfenausgetrunken war, und das konnte sich nochüber Tage erstrecken.

»Ein munteres Völkchen!« murmelte EtirBaj grinsend. Er hatte einen kleinen Rauschund fühlte sich aufgeräumt und fröhlich.Diese Stimmung verflog sehr schnell, alsEtir Baj den Gleiter auf sich zurasen sah.Das Fahrzeug verhielt knapp neben demCon-Treh, vier Männer sprangen heraus undumringten Etir Baj.

»Kommen Sie bitte mit!« forderte einerder Männer Etir Baj auf. »Es handelt sichweder um eine Verhaftung noch um einenÜberfall, aber wir haben feste Anweisun-gen!«

Etir Baj folgte der Aufforderung. DieWaffen in den Händen der vier Männer lie-ßen ihm keine andere Wahl, und es war ihmlieber, auf diese Weise abtransportiert zuwerden, als nach einem Paralysatorschußdas gleiche Schicksal zu erleiden und an denNachwirkungen des Schusses stundenlangzu leiden.

Man verband Etir Baj die Augen, dannsetzte sich der Gleiter wieder in Bewegung.

Wenig später befand er sich auf demRückflug nach Arkon II. An Bord mußtensich, wenn sein Gehör noch funktionierte,mindestens noch vier weitere Personen auf-halten. Etir Baj konnte die Stimmen von dreiMännern und einer Frau erkennen. Nervös

begann sich der Mann zu fragen, was manmit ihm zu tun gedachte. Was hatte der Zali-ter Alpertur der Frau erzählt, die sich Me-thayda nannte, und deren Stimme Etir Bajherausgehört hatte?

*

Als Ra wieder zu sich kam, lag er auf ei-nem flachen, harten Bett. Ächzend richtetesich der Barbar auf, und wenige Sekundenspäter war ihm klar, wo er sich befand.

Offenbar hatte die Polizei ihn besinnungs-los aufgelesen und mitgenommen. Jetzt warer vorläufig festgenommen. Ras Schädelschmerzte, und er verspürte auch Hunger,aber wichtiger für ihn war jetzt, seine Frei-heit wiederzubekommen. Wenn man ihnnicht sehr bald entließ, würde er argeSchwierigkeiten bekommen.

Ra griff in seine Taschen. Er war waffen-los, und seine Papiere waren ebenfalls ver-schwunden. Was das bedeutete, brauchte Rasich nicht erst lange auszurechnen. Eineroberflächlichen Kontrolle würden die Doku-mente noch standhalten, aber wenn man sichernsthaft mit ihnen beschäftigte, würde diePolizei nach kurzer Zeit wissen, daß die Pa-piere gefälscht waren. Und bei den Metho-den, die von der arkonidischen Polizei prak-tiziert wurden, würde es auch nicht langedauern, bis man herausgefunden hatte, werRa wirklich war.

Ra fluchte leise, aber er konnte nichts un-ternehmen. Die Fenster waren mit Energie-gittern gesichert, Boden, Wände und Deckewaren fest und solide.

Ra wartete nur kurze Zeit, dann wurdeseine Zelle geöffnet. Ein finster drein-blickender Mann stand im Rahmen undstarrte Ra an.

»Mitkommen!« befahl er knapp. »Beimgeringsten Widerstand wird sofort scharf ge-schossen!«

Damit hatte Ra gerechnet. Man führte ihnin ein Verhörzimmer. In einer Ecke des dü-steren Raumes stand, sorgfältig ausgeleuch-tet, eine Psychohaube. Ra wußte: Wenn man

Komet der Geheimnisse 45

ihn darauf anschnallte und das Gerät akti-vierte, würde von ihm nicht mehr übrigblei-ben als ein Haufen von Zellen, der kaum fä-hig war, die elementarsten Bedürfnisse zubefriedigen. Im günstigsten Fall blieb er alslallender Idiot zurück.

Ra warf einen Blick auf die Maschine undleckte sich nervös die Lippen. Hinter einemSchreibtisch saß ein Mann und kommentier-te Ras Befangenheit mit einem Lächeln,dem nicht anzusehen war, wie es gemeintwar.

»Wie kommst du zu der Polizeiuniform?«fragte der Mann Ra.

Ra zog es vor, keine Antwort zu geben.Was hätte er dem Mann auch erzählen sol-len? Wahrheit oder Lüge wären für ihn glei-chermaßen bedrohlich geworden.

»Wenn du nicht reden willst«, meinte derBeamte, den Abzeichen nach ein hoher Offi-zier, »wir haben auch andere Mittel!«

Er deutete auf die Psychohaube und lä-chelte sarkastisch. Dann trommelte er eineZeitlang mit den Fingerspitzen auf der Plattedes Schreibtischs. Minuten vergingen, bisder Mann die Geduld verlor. Mit einemKnopfdruck rief er zwei Beamte herein, dieRa ergriffen und zu der Haube schleppten.Ra wehrte sich, obwohl er sich wenig davonversprach.

Die Männer waren stärker und geübter alsRa; nach kurzer Zeit hatten sie ihn auf demStuhl festgeschnallt.

In diesem Augenblick betrat ein Mannden Raum und zeigte seinen Ausweis vor.Der Mann machte ein sehr entschlossenesGesicht, und der Ausweis besagte, daß eraktiver Agent der POGIM sei.

»Wir brauchen diesen Häftling!« erklärteder POGIM-Mann, der sich als Mogbar Klo-te vorgestellt hatte. »Er ist von besondererBedeutung für uns!«

Der Leiter der Dienststelle machte ein fin-steres Gesicht.

»Haben Sie einen entsprechenden Be-fehl?« fragte er knapp.

»Brauche ich so etwas?« fragte Klotefreundlich. »Wissen Sie nicht, welche Voll-

machten ich habe?«Die Anspielung war mehr als deutlich; der

Polizist schluckte, dann bedeutete er seinenMännern, Ra loszubinden. Zwei weitereMänner betraten den Raum und fesselten Raerneut, dann schleppten sie ihn aus demRaum. Schweigend verstauten die MännerRa auf der Ladefläche eines kleinen Trans-portgleiters. Der Mann, der sich als MogbarKlote vorgestellt hatte, setzte sich hinter dasSteuer und ließ den Gleiter starten.

»Nur keine Sorge, Ra!« sagte er und grin-ste auf den Gefesselten hinunter. »Du bistunter Freunden!«

Ra fand diese Bemerkung überhaupt nichtwitzig und fletschte die Zähne, was demMann am Steuer ein erneutes Grinsen abnö-tigte.

*

Pathor Margib fluchte leise in sich hinein,Mehn Sulk wanderte unruhig im Raum aufund ab.

»Wir hätten besser aufpassen müssen!«stellte Sulk erbittert fest. »Wer konnte ah-nen, daß Perytlth einen derartigen Taten-drang entwickeln würde?«

Die beiden Männer hatten gerade dieneuesten Nachrichten gehört. Nach diesenInformationen war in den letzten Stunden ei-nes der größten Verbrechersyndikate ausge-hoben worden, das Arkon II je gesehen hat-te. Bedauerlicherweise waren dabei die bei-den Rädelsführer ums Leben gekommen.Held des Tages war ein verkrüppelter Mannnamens Perytlth und ein unbekannter Frem-der, der in der Uniform eines Polizisten auf-gefunden worden war.

Die beiden Männer hatten sofort gewußt,wer dieser Fremde gewesen sein mußte.

»Was machen wir jetzt?« überlegte MehnSulk laut.

Pathor Margib faßte als erster einen Ent-schluß.

»Ich werde bei der Polizei anrufen unddie Herausgabe des Fremden fordern!« er-klärte er. »Wenn der zuständige Beamte

46 Peter Terrid

mehr wissen will, werde ich ein paar ge-heimnisvolle Bemerkungen fallenlassen –Sonderkommando, Spezialauftrag von Orba-naschol. So etwas wirkt immer!«

Mit einer Handbewegung erklärte sichMehn Sulk mit diesem Vorschlag einver-standen. Das Gespräch dauerte nur wenigeMinuten, dann wußten die beiden MännerBescheid.

Mehn Sulk murmelte etwas und setztesich an das Eingabesegment einer Positro-nik. Nach kurzer Zeit stand auch hier das Er-gebnis fest.

»Es gibt überhaupt keinen Mogbar Klotein der POGIM!« erklärte Sulk triumphie-rend. »Der Barbar ist mit einem Trick ausder Hand der Polizei entführt worden. Ichbin sicher, daß dahinter mehr steckt, als manauf den ersten Blick vermutet. Soll ich eineEinsatzgruppe alarmieren?«

Pathor Margib nickte entschlossen.»Wir werden diesen Burschen finden!«

versprach er. »Übrigens, vor der Tür wartetPerytlth. Wollen wir ihn hereinlassen?«

»Herein mit ihm!« bestimmte Sulk. »Ichfreue mich darauf, dem Burschen zu erklä-ren, wie sehr man ihn veralbert hat!«

Der Raum war groß und gemütlich einge-richtet. Drei Personen saßen darin und starr-ten nach Möglichkeit aneinander vorbei.Aber immer wieder wanderte Ras Blick zuder alten Frau hinüber, die ihm merkwürdigbekannt erschien.

Man hatte Ra in diesen Raum geführt, sei-ne Fesseln gelöst und ihm befohlen zu war-ten. Wenig später war die Frau erschienenund hatte sich schweigend auf einen freienPlatz gesetzt. Abermals einige Minuten spä-ter wurde Etir Baj in den Raum geführt. DieMänner wußten, was auf dem Spiel standund verrieten mit keiner Miene, daß sie sichkannten.

Leise öffnete sich die Tür. Mogbar Kloteerschien, in seiner Begleitung ein unbekann-ter Mann.

»Mein Name ist Regir da Quertamagin!«sagte der Mann freundlich. Ra fiel auf, daßer den Buchstaben R ungewöhnlich hart aus-

sprach. »Ihr seid Ra, der Barbar – jedenfallswurdet Ihr mir so bezeichnet; dies hier istEtir Baj …«

»Bei Etir Baj«, korrigierte der Con-Trehlakonisch.

»Ihr seid der Mann«, fuhr Quertamagin anRa gewandt fort, »der beim zalitischenHändlerfest Furore machtet und das Attentatauf Orbanaschol verhinderte. Warum?«

Ra lächelte und schwieg.»Ich will es Euch sagen«, mischte sich die

Frau ein. »Ihr habt einen Freund in demMaskenträger erkannt, Euren Freund At-lan!«

Nur ein leises Zucken verriet Ras Überra-schung.

»Ihr erkanntet euren Freund Atlan, darumkonnte der Maskenträger Euch überwin-den«, fuhr die Frau fort. »Dann aber wurdeEuch klar, daß der Mann nicht Atlan seinkonnte, denn Ihr wißt ja, wo sich der Kri-stallprinz aufhält!«

Im Mikrokosmos, wenn er überhauptnoch lebt, dachte Ra bekümmert; er schwiegweiter.

»Ihr schweigt, also stimmt Ihr mir zu«,sagte die Frau. Etir Baj hatte inzwischen dieSeherin Methayda erkannt. »Wo ist Atlan?«

Ra lächelte die Frau freundlich an, festentschlossen, auch weiterhin keine Informa-tionen preiszugeben.

»Regir, was meinst du«, wandte sich dieFrau an den Mann. »Sind sie Freunde At-lans? Oder suchen sie ihn, um ihn zu töten?Können wir ihnen trauen?«

Diesmal reagierte Ra heftiger.Er hatte ein natürliches Empfinden für

Stimmungen, und sein Instinkt sagte ihm,daß die Sorge der Frau echt, nicht gespieltwar.

»Für Atlan und Arkon«, sagte er halblaut.»Auf Leben und Tod!«

Die Frau zuckte zusammen und fuhr her-um.

»Bitte?« sagte sie atemlos.Ra wiederholte die Formel.»Ihr seid ein Freund Atlans?« fragte die

Frau leidenschaftlich. »Ihr müßt mir sagen,

Komet der Geheimnisse 47

wo er ist, ich muß es wissen!«»Die POGIM auch!« stellte Etir Baj kalt

fest. Er hätte Ra am liebsten verprügelt,denn der Barbar hatte mit seiner Reaktioneindeutig bewiesen, daß der Attentäter aufOrbanaschol nicht der Kristallprinz gewesensein konnte.

»Vertrauen gegen Vertrauen«, erklärteQuertamagin. »Das Attentat auf Orbana-schol wurde von uns inszeniert!«

Ra starrte den Mann ungläubig an.»Mit einer untauglichen Waffe?« fragte er

zweifelnd.»Der junge Mann, der die Rolle des Mas-

kenträgers gespielt hat«, erklärte die Frauzögernd, »war ein Freund unserer Sache. Erwar sehr krank, wenige Wochen nach denKämpfen wäre er mit Sicherheit gestorben.Er wußte, wie ähnlich er Atlan war, und dar-um hat er uns förmlich gezwungen, diesesSpiel mitzumachen. Wir wollten Orbana-schol und seine Häscher auf eine falscheSpur locken. Ein wirkliches Attentat warselbstverständlich nicht geplant, mit solchenMitteln arbeiten wir nicht!«

»Wer ist wir?« fragte Ra kühl. »Und washat die Geschichte mit dem Hirnschwin-gungsdiagramm zu besagen?«

Quertamagin biß sich auf die Lippen,dann berichtete er vom Ende des LeutnantsLartog. Ra spürte, daß der Mann sich schwe-re Vorwürfe machte, aber das konnte denLeutnant nicht wieder ins Leben rufen.

Als Quertamagin endete, ergriff wiederdie Frau das Wort.

»Ich muß wissen, wo Atlan ist!« erklärtesie drängend.

»Warum?« fragte Ra einfach.Die Antwort war ebenso einfach.»Ich bin seine Mutter!«

*

»Es gibt also tatsächlich einen MogbarKlote«, stellte Mehn Sulk fest. »Er arbeitetaber nicht für die POGIM, sondern für Regirda Quertamagin! Beide halten sich hier aufArkon II auf.«

Pathor Margib seufzte leise auf und riebsich die Nase.

»Was machen wir jetzt«, fragte er ratlos.»Wir können doch nicht einfach in Querta-magins Zweithaus auftauchen und sein Per-sonal unter die Lupe nehmen. Der Mann istein Freund des Imperators, und wenn wir ihnärgern, wird er dafür sorgen, daß wir strafversetzt werden.«

Mehn Sulk machte ebenfalls ein säuerli-ches Gesicht.

»Sollen wir die Aktion beenden?« fragteer zurück. »Wir haben zwei Einsatzkom-mandos in Marsch gesetzt. Schließlich müs-sen wir unsere Befehle vor unseren Vorge-setzten rechtfertigen!«

»So oder so«, murmelte Margib. »Wirsind in einer verteufelten Lage. Bist du völ-lig sicher, daß der Mogbar Klote, der in derPolizeistation aufgetaucht ist, mit Querta-magins Angestellten identisch ist?«

»Es gibt keinen Zweifel!« behaupteteSulk. »Wir können ja behutsam vorgehen,erzählen, alles wäre nur eine Routinebefra-gung. Du kennst die Masche!«

»Wir werden viel Glück brauchen«, pro-phezeite Margib düster.

*

»Mein wirklicher Name ist Yagthara«,sagte die Frau leise. Sie lächelte, als schmer-ze es, sich dieser Tatsache zu erinnern. »Ichwar die Frau des ermordeten Imperators Go-nozal. Atlan, der Kristallprinz, ist meinSohn!«

Während Ra noch mühsam diese Informa-tionen verdaute, geschah etwas, womit Raniemals gerechnet hätte. Etir Baj stand lang-sam auf und reichte der Frau die Hand.

Ein Gonozal war es gewesen, der nachAnsicht der Con-Treh für das elende Schick-sal dieses Volkes verantwortlich war, undseit dieser Zeit haßten die Con-Treh alles,was mit diesem Namen zu tun hatte. EinzigEtir Baj hatte es geschafft, sich von diesemKollektivhaß zu lösen – wie sehr, das zeigtediese Geste.

48 Peter Terrid

Quertamagin stutzte, dann glitt ein Lä-cheln über sein Gesicht.

»Daher der befremdliche Name«, rief eraus. »Ihr seid ein Con-Treh!«

Bei Etir Baj wurde fahl. Ra konnte ihn ge-rade noch auffangen, bevor er zusammen-brach. Aus weitaufgerissenen Augen starrteEtir Baj den Mann an, der Schock ließ seineWorte zu sinnlosem Gestammel werden.

»Keine Aufregung«, meinte Quertamaginlächelnd. »Seit langer Zeit helfen die Con-Treh unserer Familie, wo sie nur können.Und wir helfen ab und zu den Con-Treh, vorallem dadurch, daß wir ihr Geheimnis be-wahren. Du kannst beruhigt sein, Bei EtirBaj, von allen Quertamagins ist nur das Sip-penoberhaupt mit diesem Geheimnis ver-traut, und ich werde euch nicht verraten!«

Es dauerte ziemlich lange, bis sich EtirBaj wieder gefaßt hatte. Der Con-Treh wuß-te, daß er diese Tatsache niemals verratendurfte. Sein Volk hätte vor Angst völlig denVerstand verloren, wäre bekannt geworden,daß die galaktische Position von Ark'alorkein Geheimnis war.

»Und wer ist dieser Mann?« wollte Rawissen und deutete auf Mogbar Klote. »Wiekommt er zu einem POGIM-Ausweis?«

»Als Mitglied des Planungsstabs habe ichselbstverständlich einen Dienstausweis«, er-klärte Klote grinsend. »Er ist natürlich echt,nur meine Treue zu Orbanaschol ist gespielt.Viel Einfluß habe ich allerdings nicht, daunser Haufen selbst innerhalb der POGIMnur wenig bekannt ist. Aber es gibt nicht nureinen Mann in der POGIM, der auf unsererSeite steht!«

»Trotz unserer Freunde bei der POGIM«,meinte Quertamagin. »Yagthara, ihr seidhier nicht mehr sicher. Du mußt so schnellwie möglich dein Versteck wieder aufsu-chen. Du kannst dir vorstellen, daß man jetztsehr intensiv nach Ra suchen wird – immer-hin ist er in kurzer Zeit zum zweiten Maleöffentlich aufgefallen!«

»Mich hält nichts mehr auf Arkon«, er-klärte Etir Baj. »Ich werde Ra begleiten!«

Die Diskussion währte nur kurz, dann war

der Entschluß gefaßt. Yagthara, Ra, Etir Bajund Abton Cehar wollten so schnell wiemöglich Arkon verlassen. Das wenige Ge-päck, das Etir Baj und Ra noch im Haus desZaliters Alpertur zurückgelassen hatten,konnte leicht verschmerzt werden. Auf einenfeierlichen Abschied von Alpertur konntendie beiden Männer verzichten, dies um somehr, als Alpertur nur für Geld dazu zu be-wegen gewesen war, den Con-Treh und Razu helfen.

Yagthara packte ihre Utensilien zusam-men, die sie für ihre Rolle brauchte, AbtonCehar verwandelte sich wieder in den Ma-gier Telfinkh, dann bestiegen die vier Perso-nen einen Gleiter, den ihnen Quertamaginzur Verfügung stellte.

Als das Gefährt die weitläufigen Grünflä-chen verließ, die Quertamagins Wohnsitzauf Arkon II umgaben, bemerkte Ra in be-trächtlicher Entfernung einen Fahrzeugkon-voi, der sich dem Haus näherte. Ra dachtean Dienstboten und kümmerte sich nichtdarum. Ra sah, wie Yagthara nachdenklichden gepflegten Park betrachtete. Vor langerZeit hatte sie in ähnlich schöner Umgebunggewohnt, damals, als sie noch Gattin des Im-perators gewesen war. Würde sie den Kri-stallpalast noch einmal betreten dürfen, alsMutter des rechtmäßigen Imperators?

Ra konnte diese Frage nicht beantworten.Er wußte nur, daß er der Mutter des Kristall-prinzen nicht die ganze Wahrheit gesagt hat-te – daß nämlich die Chancen gering waren,daß Atlan je wieder den Mikrokosmos ver-lassen würde.

*

Pathor Margib machte ein wütendes Ge-sicht. Es gab keinen Zweifel – der Ausweis,den man ihm unter die Nase gehalten hatte,war echt. Pathor Margib und Mehn Sulk hat-ten zwar noch nie etwas von Klotes Dienst-stelle gehört, aber die Ergebnisse der Rück-fragen bewiesen, daß der Verdächtigte tat-sächlich der PO-GIM angehörte und zu al-lem Überfluß auch noch entschieden rang-

Komet der Geheimnisse 49

höher war als die beiden Männer.Dennoch: Mehn Sulk wurde seinen Ver-

dacht nicht los.Quertamagin machte einen ausgesprochen

nervösen Eindruck. Hatte er Grund dazu?Fühlte er sich unsicher, obwohl er einen ho-hen POGIM-Offizier zu seinen Mitarbeiternzählte.

Mehn Sulk gab sich einen Ruck, er ent-schloß sich zum Frontalangriff.

»Mogbar Klote und Regir da Quertama-gin, ich erkläre Euch für verhaftet!« sagte erfest.

Pathor Margib schluckte nervös.Er wußte, daß Sulk die Vollmacht dazu

hatte, wenn begründeter Verdacht vorlag,aber diese Vollmacht konnte sehr leicht zumBumerang werden, wenn bei den Ermittlun-gen nichts herauskam.

POGIM-Männer fesselten Regir und sei-nen Angestellten und schleppten sie zu ei-nem wartenden Gleiter. Dann ließ MehnSulk das Haus gründlich untersuchen, in derHoffnung, dort das Beweismaterial findenzu können, das ihm jetzt noch fehlte. Zusätz-lich gedachte Mehn Sulk, Hilfe von Arkon Ianzufordern. Dort sollte es einen Kriminali-sten von außerordentlicher Begabung geben.Sulk hatte vor, diesen Lebo Axton auf Quer-tamagin anzusetzen.

8.

»Hier können wir uns jahrelang versteckthalten«, stellte Ra bewundernd fest. »Vonwem stammt die Idee, den Kometen Blahurals Tarnung zu verwenden?«

Yagthara deutete auf Abton Cehar, dervor Freude über das Lob errötete. Das Blutstieg ihm derart zu Kopf, daß dieser langsameinen dunkelroten Farbton annahm, der all-mählich ins Bläuliche hinüberzuspielen be-gann. Entsetzt sah Ra, wie Cehar in den Kni-en einknickte, aber bevor der Mann zusam-menbrach, erholte er sich in erstaunlich kur-zer Zeit wieder. Ra begann sich zu fragen,ob Cehar seine tausend Tode nur spielte,oder ob er tatsächlich medizinisch derart ab-

sonderlich konstruiert war.»Du hast während der ganzen Fahrt ge-

schwiegen, Ra«, sagte Yagthara und machtees sich auf einem Sessel bequem. »Nun re-de, wo ist Atlan?«

»Ja, wo ist der kleine Kristallprinz«, warfAbton Cehar ein.

»Der kleine Kristall …«, wiederholte Ranervös; er druckste herum, versuchte sichvor der Antwort zu drücken. Mit stillerSchadenfreude sah Bei Etir Baj die Verle-genheit seines Freundes.

Stockend begann Ra zu berichten. Es ko-stete ihn Mühe, der Mutter des »kleinen Kri-stallprinzen« zu erklären, wie klein ihr Sohninzwischen tatsächlich geworden war. Daherholte Ra weit aus und erzählte alles, was erbislang zusammen mit Atlan erlebt hatteoder vom Hörensagen kannte.

Etir Baj behielt Yagthara fest im Auge,während Ra berichtete. Er sah, wie die Frauzusammenzuckte, als Ra auf Ischtar zu spre-chen kam. Eine derartige Reaktion war ingewisser Weise verständlich; Mütter warenvon jeher eifersüchtig auf die Frauen, die ih-nen die Söhne wegzunehmen drohten. Esgab Fälle, in denen Mütter ihre Söhne sogarmit Mitteln eines ausgefeilten Psychoterrospeinigten, manchmal bis hart an die Grenzeeines beiderseitigen Wahnsinns.

Bei Etir Baj konnte nur hoffen, daß AtlansMutter nicht von dieser Art war. Der Con-Treh sah auch, wie die Frau förmlich imSessel zusammenzuschrumpfen schien, alsRa endlich auf Atlans Schicksal zu sprechenkam.

»Im Mikrokosmos?« wiederholte die Frauentsetzt.

Ra konnte ihre Gefühle verstehen. Seitvielen Jahren war sie auf der Suche nach ih-rem Sohn, und nun mußte sie erfahren, daßsie von ihm nicht nur durch viele tausendLichtjahre getrennt war. Nun lag eine unbe-greifliche Grenze zwischen zwei Dimensio-nen zwischen ihr und ihrem Kind.

»Ich habe lange Zeit keinen Kontakt mehrmit Kraumon gehabt«, versuchte Ra dieFrau zu beruhigen. »Vielleicht ist Atlan

50 Peter Terrid

längst zurückgekehrt und wartet auf uns,wer weiß?«

Der Barbar wirkte außerordentlich hilflos.Ehrlich wie er war, hatte er auch berichtet,wer Atlan zu seiner Reise in den Mikrokos-mos verholfen hatte.

Im Hintergrund erholte sich Cehar vonseiner dritten Ohnmacht, die ihn währendRas Bericht überfallen hatte. Ächzend undstöhnend schleppte sich der alte Wissen-schaftler aus dem Raum, um nachzufor-schen, wer sich in der Nähe des KometenBlahur herumtrieb.

*

»Auf Wiedersehen!« sagte der Mannfreundlich, bevor er den Raum verließ. »Ichfreue mich auf unsere nächste Unterhal-tung!«

Regir da Quertamagin war dem Zusam-menbruch nahe. Noch nie in seinem Lebenhatte er eine solche Verzweiflung gespürt.

Mehn Sulk hatte ihn solange festgehalten,bis der Verhörspezialist aus Arkon I ange-kommen war. Es war dieser Mann, der gera-de den Raum verlassen hatte, und Regir zit-terte vor dem Augenblick, an dem er ihnwieder betreten würde.

Der Mann war freundlich gewesen, undmanchmal hatte Regir sogar das Gefühl ge-habt, daß er diesem Lebo Axton sogar ver-trauen konnte. Axton hatte trotz seiner ver-wachsenen Gestalt einen fast sympathischenEindruck auf Quertamagin gemacht, unddoch hatte der Gefangene Angst vor diesemMann.

Sanft und freundlich hatte Axton Querta-magin in die Enge getrieben. Geduldig hatteer während des Verhörs erklärt, wo sichQuertamagin – ohne es selbst zu merken –versprochen hatte. Manchmal hatte RegirSchwierigkeiten gehabt, der BeweisführungAxtons zu folgen, aber immer hatte er zumSchluß einsehen müssen, daß sein Gegen-über richtig überlegt hatte. Aus winzigenAndeutungen, aus Händezittern und anderenKleinigkeiten hatte der Krüppel in kurzer

Zeit mehr abgelesen und gefolgert, als Quer-tamagin lieb sein konnte.

Der Gefangene wußte, daß er verlorenwar. Noch zwei oder drei Stunden Verhördurch Lebo Axton, und der Spezialist würdeQuertamagins Lügengebäude langsam inseine Bestandteile zerlegen und die Wahr-heit hervorzerren, eine Wahrheit, die in ih-rem vollen Ausmaß niemals bekannt werdendurfte.

Noch hatte man nicht viel aus dem Gefan-genen herausholen können, aber das konntesich sehr bald ändern.

Quertamagin fühlte sich am Ende.Fieberhaft überlegte sich der Gefangene

alle Möglichkeiten, die ihm zu Gebote stan-den. Viel konnte er nicht mehr bewirken.Der Verdacht gegen ihn blieb bestehen, undunter diesen Umständen nützte es ihn nichtsmehr, daß er Oberhaupt einer berühmten Fa-milie war.

Nach Stunden endlich fand Regir daQuertamagin eine Lösung, eine endgültigeLösung.

*

»Er hat einen Fehler gemacht!« erklärteMehn Sulk. »Er hätte das Gift schnellschlucken sollen. So hat er einen Teil wiederausgespuckt, und es wirkt nur langsam!Noch können wir etwas aus ihm herausho-len!«

Pathor Margib kannte keine Hemmungen.Hageldicht prasselten seine Fragen auf denSterbenden herab, er riß Quertamagin in dieHöhe.

»Wer ist dieser Ra?« schrie Margib.»Freund … von … Atlan!« ächzte der Ge-

fangene, in dessen Hirn das Gift wühlte.»Atlan ist tot!« brüllte Sulk.Quertamagin wehrte ab.»Nicht tot«, ächzte er. »Täuschung …«»Beeile dich«, drängte Mehn Sulk. »Wir

haben nicht mehr viel Zeit! Frage ihn, wosich die Bande versteckt hält!«

Pathor schrie den Gefangenen an. Er hieltdas Ohr an den Mund des Sterbenden, dann

Komet der Geheimnisse 51

ließ er den Körper fallen. Hart prallte derLeichnam auf den Boden.

»Was hat er gesagt?« forschte Mehn Sulk.Pathor Margib schüttelte nachdenklich

den Kopf.»Er konnte nur noch hauchen«, murmelte

er ratlos. »Und wenn ich ihn richtig verstan-den habe, dann ist der Komet Blahur dasVersteck der Gruppe!«

Mehn Sulk zuckte mit den Schultern.»Wir werden ein Flottenkommando zum

Kometen schicken«, meinte er. »Dann wer-den wir sehen, was hinter diesem Geredesteckt!«

*

Wieder stand Ra vor dem Tribunal, dasihn schon einmal zum Tode verurteilt hatte.Das Con-Treh-Than war zusammengetreten,um über das Schicksal der ungebetenen Gä-ste zu beraten.

Die Flucht war gefährlich gewesen, nurmit knapper Mühe war den Menschen dasEntkommen geglückt.

Blahur existierte nicht mehr. Flottenschif-fe hatten die Touristenboote vertrieben undden Himmelskörper gnadenlos zusammen-geschossen. Nur noch Trümmer zeugten vondem Kometen mit dem märchenhaft schönenFarbenspiel.

In einem Boot waren Yagthara, Etir Baj,Ra und Cehar entkommen. Was aus der Be-satzung des Verstecks geworden war, konn-ten die Flüchtigen nicht mehr erfahren. Siekonnten nur hoffen, daß alle Sicherungen,die man für diesen Notfall getroffen hatte,funktioniert und der Besatzung das Lebengerettet haben.

Die Schlußfolgerungen, die sich aus demFlottenangriff auf den Kometen ergaben, la-gen auf der Hand. Nur wenige Menschenwußten von der Existenz, einer unter ihnenwar Regir da Quertamagin. Einer der Infor-mierten mußte sein Geheimnis preisgegebenhaben, und es stand zu befürchten, daß die-ser Informierte Quertamagin gewesen war.

Die Flüchtenden hatten nur einen Ausweg

gesehen. Sie hatten sich nach Ark'alor abge-setzt. Nur dort war rasche Hilfe zu erwarten.

Hilfe hatten die Flüchtenden nicht gefun-den, nur Haß war ihnen entgegengeschlagen.Sobald die Con-Treh erfahren hatten, werdie Frau in der Gruppe war, hatten sie alleFlüchtigen gefangengenommen. Seit Tagenwarteten die Menschen in den Verliesen vonMagintor auf die Verhandlung.

»Ihr habt Ra schon einmal zum Tode ver-urteilt und dann begnadigt!« stellte Etir Bajfest; er war, wie alle Gefangenen, gefesselt.»Wollt ihr dieses makabre, widerlicheSchauspiel wiederholen? Wie lange nochwollt ihr mit eurem dummen, veralteten Haßleben, Vergeltung fordern für Ereignisse, dieEwigkeiten zurückliegen, Rache üben anMenschen, die von keiner Schuld wissen?«

»Etir Baj«, sagte der Sprecher des Ge-richts. »Du bist einer von uns. Wir habendich ziehen lassen und müssen dafür dieVerantwortung tragen. Du bist frei undkannst gehen!«

»Und was wird aus meinen Freunden?«fragte Etir Baj, sobald man die Fesseln ge-löst hatte. Er deutete auf die anderen Gefan-genen, auch auf Yagthara.

Ein gellendes Pfeifkonzert beantwortetediese Frage.

»Verbohrte Dummköpfe!« murmelte EtirBaj.

Er wußte, daß er einstweilen nicht viel er-reichen konnte, daher zog er sich zurück.Noch hatte er einige, wenige Freunde aufArk'alor, noch galt sein Wort etwas. Viel-leicht konnte er helfen.

Bei Etir Baj verfolgte die Verhandlungvom Ausgang aus. Er hatte mit den Urteilengerechnet, sie erstaunten ihn nicht.

Ra wurde dazu verurteilt, auf einem ande-ren Kontinent ausgesetzt zu werden, ver-sorgt mit Waffen und Lebensmitteln, aberohne eine Hilfe, mit der er den Planeten hät-te verlassen können. Die gleiche Strafe soll-te Abton Cehar treffen. Da der alte Mann of-fenkundig schwer erkrankt war, wurde dieStrafe ausgesetzt, bis sein Gesundheitszu-stand eine Verbannung erlaubte.

52 Peter Terrid

Yagthara sollte als Frau eines Gonozalshingerichtet werden. Dieses Urteil hatteschon zu Verhandlungsbeginn festgestan-den. Die Con-Treh hätten nicht anders han-deln können, so tief war der Haß durch Jahr-hunderte in ihnen festgewachsen.

Das Urteil sollte innerhalb der nächstendrei Tage vollstreckt werden.

»Zeit genug!« stellte Etir Baj befriedigtfest.

Er verließ rasch den Verhandlungssaal.Sein Plan erforderte gründliche Vorarbeit.

*

Etir Baj bewegte sich langsam und ge-räuschlos. Er kannte sich in den Winkelnund Gängen Magintors aus. Schon als klei-ner Junge hatte er jeden Platz der Stadt imFels ausgekundschaftet. Wahrscheinlich gabes niemanden in Magintor, der die Stadt sogut kannte wie Etir Baj.

Der Con-Treh wußte auch genau, wo erwas zu suchen hatte. Schon in der vorange-gangenen Nacht hatte er wichtige Ausrü-stungsgegenstände zusammengetragen undin eines der Schiffe geschafft, die den Con-Treh gehörten.

Der Diebstahl belastete Etir Baj nicht. Im-merhin mußte Ra das Beiboot des Doppel-pyramidenschiffs der Varganin Ischtar aufArk'alor zurücklassen, und Etir Baj hatte esnicht gewagt, in seinen Fluchtplan das Bootmit ein zubeziehen, in dem es ihm gelungenwar, aus dem Innern Blahurs zu entfliehen.

»Leise!« flüsterte Etir Baj seinem Beglei-ter zu.

Vier Con-Treh hatte Bei Etir Baj überzeu-gen können. Sie wollten Ra und seine Freun-de begleiten und an ihrer Seite gegen denTyrannen Orbanaschol kämpfen.

Zwei Posten standen vor der Tür der Zel-le, in der Ra bis zu seiner Deportation gefan-gengehalten wurde.

Die Männer machten einen Satz, und we-nige Sekunden später lagen die Wachen be-täubt am Boden.

»Ra?« flüsterte Etir Baj.

»Du hast dir viel Zeit gelassen«, meinteder Barbar grinsend und reckte die Glieder,nachdem er von seinen Fesseln befreit wor-den war. »Ich fürchtete schon, du würdestmich vergessen!«

Mit Ra als Verstärkung machte sich derTrupp daran, auch die anderen Gefangenenzu befreien.

Abton Cehar allerdings würde Ark'alornicht mehr verlassen. Er war in der Nachtstill und friedlich gestorben. Ra stellte ver-blüfft fest, daß der alte Mann im Tode we-sentlich gesünder als zuvor aussah – einemerkwürdige Ironie der Natur.

Auch Yagthara war schnell befreit. Über-haupt waren die Wachen in dieser Nacht be-merkenswert unaufmerksam. Etir Baj hattefast den Eindruck, als wolle man seineFluchtpläne im stillen fördern. Es wardurchaus denkbar, daß das Con-Treh-ThanAngst vor der eigenen Haltung bekommenhatte und in einer Flucht der Verurteilten diebeste Lösung des Problems erkannte.

Es bereitete den Fliehenden keineSchwierigkeiten, das überlichtschnelleRaumschiff zu erreichen, das Etir Baj für dieFlucht vorbereitet hatte.

Ra wollte dem Freund beim Einstieg hel-fen, aber Etir Baj wehrte ab.

»Ich werde bleiben«, sagte der Con-Trehleise. »Irgend jemand muß doch übrigblei-ben, um meinem Volk seinen Wahnsinn zunehmen. Macht, daß ihr fortkommt. Ich has-se Abschiedsszenen, und die anderen hier inMagintor werden bald wach!«

Rasch umarmte Ra den Con-Treh, dannstürmte er in das Innere des Raumschiffs,dessen Schleuse sich hinter ihm geräuschlosschloß. Etir Baj nahm das Bündel auf, das erfür sich vorbereitet hatte. So schnell wiemöglich verließ er das Stadtgebiet; er plante,sich zunächst im Wald verborgen zu halten,bis sich die erste Aufregung gelegt hatte.Dann wollte er versuchen, sein Volk lang-sam zu beeinflussen, es auf einen Weg zuführen, der es wieder in das Leben in derGalaxis zurückbrachte.

Der Con-Treh hatte gerade den Rand der

Komet der Geheimnisse 53

Stadt erreicht, als er den Lärm hinter sichhörte. In beträchtlicher Entfernung stieg einesilbern glänzende Kugel in den nächtlichenHimmel, erleuchtet vom Feuer zahlreicherGeschütze.

»Viel Glück!« wünschte Etir Baj. Minu-ten später hatte ihn der dichte Urwald ver-schluckt.

*

»Kraumon!« sagte Ra und deutete auf denPlaneten, der immer größer wurde.»Vielleicht ist Atlan schon wieder zurückge-kehrt!«

An seinem Gesichtsausdruck war deutlichabzulesen, daß nicht einmal er selbst dieseHoffnung hegte. Ra erledigte die Formalitä-ten des Landeanflugs, wenig später setztedas Boot auf dem Planeten auf.

Morvoner Sprangk hatte es sich nicht neh-men lassen, Ra persönlich zu begrüßen.

»Wir hatten dich schon fast abgeschrie-ben«, begrüßte er den Barbaren und schlugihm auf die Schulter. »Ich freue mich, daßdu wieder bei uns bist!«

Ra grinste vergnügt. Er bot dem Freundeinen Sessel an, dann begann er seine Erleb-nisse zu erzählen. Die Con-Treh, die wäh-rend des Fluges die Geschichten schon zuhören bekommen hatten, staunten nicht we-nig. Zwar hielt sich Ra an die Wahrheit, aber

er hatte offenbar auf Arkon auch gelernt,daß die Wahrheit manchmal dehnungsfähigist, und nach diesem Prinzip ging Ra vor.

Besonders eindrucksvoll bereitete Ra dieVorstellung seines besonderen Knüllers vor.Es gelang ihm außerordentlich gut, Yagtharaeinzuführen.

»Ich freue mich, einen Freund meinesSohnes zu treffen. Kann ich hier erfahren,wo Atlan ist?«

Morvoner Sprangk schüttelte bedauerndden Kopf.

»Wir wissen nicht viel Neues«, gestandSprangk ein. »Ich kann nur wenig sagen.Fartuloon, Eiskralle und Corpkor sind vorkurzer Zeit erst aufgebrochen, um nach At-lan zu suchen – zusammen mit Ischtar. Mehrkann ich nicht sagen!«

Yagtharas Lippen zuckten, aber die Zu-versicht, die Ra und Morvoner Sprangkzeigten, beeindruckte sie doch stark.

»Vielleicht werde ich meinem Sohn dochbald begegnen«, hoffte sie.

»Ich bin mir ganz sicher, daß Atlan zu-rückkehren wird«, sagte Ra, und er wurdenicht einmal rot bei dieser Lüge.

ENDE

E N D E

54 Peter Terrid