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Der Gynäkologe 398 295 Sterilisationsversager Es traten 143 echte Sterilisationsversa- ger bei den 10685 erfaßten Frauen auf. Hiervon waren 47 (32,9%) eine ektope Schwangerschaft, 41 (28,7%) führten zur Entbindung, 21 (14,7%) zum Spontanabort und 26 (18,2%) endeten als Schwangerschaftsabbruch. Nach der statistischen Auswer- tung per life-table-Analyse betrug die 10-Jahreswahrscheinlichkeit, nach ei- ner Sterilisation schwanger zu werden, zusammengefaßt für alle Sterilisati- onsmethoden 1,85%. Bei der Unter- scheidung verschiedener Methoden erwiesen sich die postpartale partielle Salpingektomie und die unipolare la- paroskopische Koagulationstechnik als die effektivsten Methoden (10-Jah- reswahrscheinlichkeit 0,75%). Die la- paroskopische Clip-Sterilisation hatte mit einer 10-Jahreswahrscheinlichkeit von 3,65% die höchste Wahrschein- lichkeit eines Sterilisationsversagers. Für die anderen Methoden der Eilei- tersterilisation waren die kumulativen 10-Jahreswahrscheinlichkeiten des Versagens wie folgt: laparoskopisch bipolare Eileitersterilisation: 2,48%, • laparoskopische Silikonbandapplikation: 1,77%, partielle Salpingektomie ohne zuvorherige Schwangerschaft: 2,01%. Studiendesign In einer US-amerikanischen prospekti- ven Multizenterstudie wurden zwischen 1978 und 1986 an neun Ausbildungskli- niken 10863 Patien- tinnen erfaßt, bei denen eine Eileiter- sterilisation durch- geführt wurde. Do- kumentiert wurden anamnestische Da- ten und Methode der Sterilisation sowie intra- oder posto- perative Komplikationen. Die Teilneh- merinnen der Studie wurden einen Mo- nat später telefonisch kontaktiert. Im Anschluß daran erfolgte eine jährliche telefonische Kontaktaufnahme durch ge- schulte Interviewer. Das follow-up der Untersuchung erstreckte sich bis zu 14 Jahre mit einem festgelegten Studien- protokoll. Die ermittelten Schwangerschaften wurden eingeteilt in echte Sterilisations- versager, sogenannten Lutealphasen- Schwangerschaften (Konzeption schon vor dem Zeitpunkt der Sterilisation, d.h. Sterilisation während einer unerkannten Frühschwangerschaft), Schwangerschaf- ten nach Refertilisation oder in-Vitro- Fertilisation und Schwangerschaften von unklarem Status aufgrund ungenügen- der Informationen. Für die statistischen Untersuchungen wurden nur Schwan- gerschaften gewertet, die als echte Sterili- sationsversager eingestuft wurden. Für Sie gelesen Ergebnisse Von den primär in die Studie aufge- nommenen 10863 Patientinnen wur- den 178 aufgrund verschiedener Fak- toren von der weiteren Ana- lyse ausge- schlossen. 34 dieser 178 Pati- entinnen hat- ten sogenann- ten Lutealpha- sen-Schwangerschaften, d.h. waren zum Zeitpunkt der Eileitersterilisation unbekannter Weise schon schwanger und wurden daher wie oben erwähnt nicht gewertet. Es blieben 10685 Pati- entinnen für die weitere Untersu- chung. Das Durchschnittsalter der Pa- tientinnen lag zum Zeitpunkt der Ste- rilisation bei 30 Jahren. 31,2% der Patientinnen wurden durch laparoskopische Silikonband- technik sterilisiert, 21,2% durch bipo- lare Koagulation, 15,3% durch partielle postpartale Salpingektomie, 14,9% durch Clip-Koagulation, 13,4% durch unipolare Kolagulationstechnik und 4,0% durch partielle Salpingektomie ohne kurz zuvor bestehende Schwan- gerschaft. 89,2% der Patientinnen konnten nach 1 Jahr erfaßt werden, 81% nach 3 Jahren, 73% nach 5 Jahren und 57,7% für ein follow-up zwischen 8 und 14 Jahren. Herbert B. Peterson et al (1996) The risk of pregnancy after tubal sterilization: Findings from the U.S.Collaborative Review of Sterilization. Am J Obstet Gynecol 174:1161-1170 Schwangerschaftsrisiko nach Tubensterilisation Ergebnisse der US-amerikanischen Arbeits- gruppe zur Analysierung von Sterilisationen Redaktion K. Diedrich, Lübeck R. Felberbaum, Lübeck Gynäkologe 1998 · 31: 295-296 © Springer-Verlag 1998 „Die Untersuchung zeigt, daß die Zahl der echten Sterilisati- onsversager 5-10fach höher ist, als bisher bei uns angenommen.“

Kommentar: Schwangerschaftsrisiko nach Tubensterilisation. Ergebnisse der US-amerikanischen Arbeitsgruppe zur Analysierung von Sterilisationen

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Page 1: Kommentar: Schwangerschaftsrisiko nach Tubensterilisation. Ergebnisse der US-amerikanischen Arbeitsgruppe zur Analysierung von Sterilisationen

Der Gynäkologe 3•98 295

Sterilisationsversager

Es traten 143 echte Sterilisationsversa-ger bei den 10685 erfaßten Frauen auf.Hiervon waren 47 (32,9%) eine ektopeSchwangerschaft, 41 (28,7%) führtenzur Entbindung, 21 (14,7%) zumSpontanabort und 26 (18,2%) endetenals Schwangerschaftsabbruch.

Nach der statistischen Auswer-tung per life-table-Analyse betrug die10-Jahreswahrscheinlichkeit, nach ei-ner Sterilisation schwanger zu werden,zusammengefaßt für alle Sterilisati-onsmethoden 1,85%. Bei der Unter-scheidung verschiedener Methodenerwiesen sich die postpartale partielleSalpingektomie und die unipolare la-paroskopische Koagulationstechnikals die effektivsten Methoden (10-Jah-reswahrscheinlichkeit 0,75%). Die la-paroskopische Clip-Sterilisation hattemit einer 10-Jahreswahrscheinlichkeitvon 3,65% die höchste Wahrschein-lichkeit eines Sterilisationsversagers.Für die anderen Methoden der Eilei-tersterilisation waren die kumulativen10-Jahreswahrscheinlichkeiten desVersagens wie folgt:

• laparoskopisch bipolare Eileitersterilisation: 2,48%,

• laparoskopische Silikonbandapplikation: 1,77%,

• partielle Salpingektomie ohne zuvorherige Schwangerschaft:2,01%.

Studiendesign

In einer US-amerikanischen prospekti-ven Multizenterstudie wurden zwischen1978 und 1986 an neun Ausbildungskli-niken 10863 Patien-tinnen erfaßt, beidenen eine Eileiter-sterilisation durch-geführt wurde. Do-kumentiert wurdenanamnestische Da-ten und Methodeder Sterilisation sowie intra- oder posto-perative Komplikationen. Die Teilneh-merinnen der Studie wurden einen Mo-nat später telefonisch kontaktiert. ImAnschluß daran erfolgte eine jährlichetelefonische Kontaktaufnahme durch ge-schulte Interviewer. Das follow-up derUntersuchung erstreckte sich bis zu 14Jahre mit einem festgelegten Studien-protokoll.

Die ermittelten Schwangerschaftenwurden eingeteilt in echte Sterilisations-versager, sogenannten Lutealphasen-Schwangerschaften (Konzeption schonvor dem Zeitpunkt der Sterilisation, d.h.Sterilisation während einer unerkanntenFrühschwangerschaft), Schwangerschaf-ten nach Refertilisation oder in-Vitro-Fertilisation und Schwangerschaften vonunklarem Status aufgrund ungenügen-der Informationen. Für die statistischenUntersuchungen wurden nur Schwan-gerschaften gewertet,die als echte Sterili-sationsversager eingestuft wurden.

Für Sie gelesen

Ergebnisse

Von den primär in die Studie aufge-nommenen 10863 Patientinnen wur-den 178 aufgrund verschiedener Fak-

toren von derweiteren Ana-lyse ausge-schlossen. 34dieser 178 Pati-entinnen hat-ten sogenann-ten Lutealpha-

sen-Schwangerschaften, d.h. warenzum Zeitpunkt der Eileitersterilisationunbekannter Weise schon schwangerund wurden daher wie oben erwähntnicht gewertet. Es blieben 10685 Pati-entinnen für die weitere Untersu-chung. Das Durchschnittsalter der Pa-tientinnen lag zum Zeitpunkt der Ste-rilisation bei 30 Jahren.

31,2% der Patientinnen wurdendurch laparoskopische Silikonband-technik sterilisiert, 21,2% durch bipo-lare Koagulation, 15,3% durch partiellepostpartale Salpingektomie, 14,9%durch Clip-Koagulation, 13,4% durchunipolare Kolagulationstechnik und4,0% durch partielle Salpingektomieohne kurz zuvor bestehende Schwan-gerschaft.

89,2% der Patientinnen konntennach 1 Jahr erfaßt werden, 81% nach 3Jahren, 73% nach 5 Jahren und 57,7%für ein follow-up zwischen 8 und 14Jahren.

Herbert B. Peterson et al (1996) The risk of pregnancy after tubal sterilization: Findingsfrom the U.S.Collaborative Review of Sterilization.Am J Obstet Gynecol 174:1161-1170

Schwangerschaftsrisiko nach TubensterilisationErgebnisse der US-amerikanischen Arbeits-gruppe zur Analysierung von Sterilisationen

RedaktionK. Diedrich, LübeckR. Felberbaum, Lübeck

Gynäkologe1998 · 31: 295-296 © Springer-Verlag 1998

„Die Untersuchung zeigt,daß die Zahl der echten Sterilisati-

onsversager 5-10fach höher ist, alsbisher bei uns angenommen.“

Page 2: Kommentar: Schwangerschaftsrisiko nach Tubensterilisation. Ergebnisse der US-amerikanischen Arbeitsgruppe zur Analysierung von Sterilisationen

Der Gynäkologe 3•98296

Für Sie gelesen

✘Kommentar

Bei der Betrachtung der verschiedenenTechniken der Eileitersterilisation müssenauch die damit verbundenen Implikationenbetrachtet werden: So weisen zwar diepostpartale partielle Salpingektomie unddie monopolare Eileitersterilisation die ge-ringste Versagerquote auf, es ist aber auchzu bedenken, daß gerade Patientinnen, diepostpartal sterilisiert werden, am ehestenspäter den Eingriff bereuen, und daß diemonopolare Sterilisationstechnik mit ver-schiedenen ernsthaften Komplikationen,wie z.B.Verbrennungen an anderen Organ-systemen belastet war, so daß sie aus si-cherheitstechnischen Gründen allgemeinverlassen worden ist.Die Clip-Sterilisations-technik erwies sich als die unsicherste Me-thode, bietet allerdings im Falle einer Umo-rientierung mit Wunsch nach Refertilisationdie besten Chancen auf eine operative Kor-rektur mit späterem Eintritt einer Schwan-gerschaft.Die Arbeit zeigt deutlich, daß die Häufigkeitvon Sterilisationsversagern wesentlichhöher liegt, als in Deutschland - basierendauf den Daten retrospektiver Erfassungenmit kürzerer Beobachtungszeit - bisher an-genommen wurde.So ist aus den retrospek-tiv erfaßten Daten über pelviskopischeOperationsverfahren und deren Komplika-tionen in Deutschland der Jahre 1983 bis1985 (H.-H.Riedel (1988) Geburtsh.u.Frau-enheilk 48: 791-799) bekannt, daß bei73336 Eileitersterilisationen (310 Klinikenund 121 Belegabteilungen) 74% mittels bi-polarer HF-Technik, 21,4% durch Endokoa-gulation und 3,5% durch monopolare HF-Technik erfolgten.Die Häufigkeit der Sterili-sationsversager variiert zwischen 2,3-3,4‰. In dieser Gruppe dominieren das bi-polare Verfahren mit 3,5‰, die monopola-re HF-Technik und Endokoagulation mit 1,9bzw.2‰.Es wurden 1,4‰ Eileiterschwan-gerschaften beobachtet.Die Arbeit von Peterson et al. hingegen isteine langfristig angelegte prospektive Er-fassung mit differenzierten Analysen, dieu.a.auch auf den wichtigen Faktor des Al-ters der Patientinnen zum Zeitpunkt derSterlisation eingeht.Auch ist erkennbar,daß Sterilisationsversager nicht nur in denersten Jahren eintreten.So beträgt das Risi-ko einer Schwangerschaft bei einer Patien-tin, die im Alter von 27 Jahren durch bipola-re Koagulation sterilisiert wird, im Zeitraumvon 5 bis 10 Jahren nach dem Eingriff im-mer noch 2,8%.

Einflußfaktoren auf Sterilisationsversager

In einer multivariaten Analyse wurden10 Faktoren auf ihren Einfluß auf dasSterilisationsversagen untersucht:1. Methode der Sterilisation,2. Alter der Patientin zum Zeitpunkt

der Sterilisation,3. Rassenzugehörigkeit,4. Klinik, in der die Sterilisation aus-

geführt wurde,5. Bildungsstatus,6. ehelicher Status,7. Anzahl der bisherigen Schwanger-

schaften,8. Anamnese von Genitalinfektionen,9. Anamnese früherer abdominaler

oder gynäkologischer Operationenund

10. Anwesenheit von Verwachsungenbei der Sterilisation.

Nur die ersten vier Faktoren zeig-ten einen statistisch signifikanten Ein-fluß. Die partielle Salpingektomie imIntervall, die Clip-Applikation und diebipolare Koagulation zeigten statistischsignifikant häufiger Sterilisationsversa-ger als die partielle Salpingektomiepost partum. Frauen, die im Alter über34 Jahre sterilisiert wurden, hatten sta-tistisch signifikant weniger Sterilsati-onsversager als Frauen, die in jüngeremAlter sterilisiert wurden. So betrug z.B.die 10-Jahreswahrscheinlichkeit einerPatientin, nach Sterilisation mit der bi-polaren Koagulationstechnik wiederschwanger zu werden, bei einer Patien-tin im Alter zwischen 18 und 27 5,43%.Bei Frauen im Alter von 34 bis 44 Jahrenbetrug die 10-Jahreswahrscheinlichkeitfür die gleiche Methode nur noch0,63%. Mit zunehmendem Alter der Pa-tientin verringerten sich die relativenDifferenzen der Effektivität verschiede-ner Sterilisationsmethoden. Im Alterüber 34 Jahre fanden sich keine stati-stisch signifikanten Unterschiede in der10-Jahreswahrscheinlichkeit des Versa-gens der verschiedenen Methoden. Far-bige Frauen hatten ein höheres Risikofür Sterilisationsversager als weißeFrauen. Einige Kliniken lagen stati-stisch signifkant unter dem Durch-schnitt andere über dem Durchschnittan Sterilisationsversagern.

✜Fazit

Die in Deutschland übliche Sicherheitsauf-klärung vor einer Tubensterilisation ba-siert auf den retrospektiv erhobenen Da-ten mit einem relativ kurzen Beobach-tungszeitraum. Die vorgelegte prospekti-ve Untersuchung über einen Zeitraum biszu 14 Jahren zeigt, daß bei Anwendungder beschriebenen Technik die Zahl derechten Sterilisationsversager 5-10fachhöher ist, als bisher bei uns angenommen.Mit dieser Untersuchung wird die Eileiter-sterilisation, die in der Welt häufigste Me-thode der Familienplanung, allerdings vonihrer Bedeutung nichts verlieren.

J. Hucke, Düsseldorf