32
Tagrid Leménager, Mira Bühler, Evangelos Zois & Karl Mann Komorbidität und neurobiologische Mechanismen pathologischen Glücksspiels

Komorbidität und neurobiologische Mechanismen ... · Gefördert vom: Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren PI: Prof. K. Mann Zentralinstitut für Seelische

  • Upload
    donhu

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Tagrid Lem énager, Mira Bühler, Evangelos Zois & Karl Mann

Komorbidität und neurobiologische Mechanismen pathologischen

Glücksspiels

Komorbidität (Lebenszeit)

Komorbide Achse-I *Petry, 2005 n= 195 Befragung

Premper & Schulz, 2008 N=101Stationäre Pat.

PAGE Projektbericht (Meyer et al., 2011)n=437

Nikotinabhängigkeit 60,37% 86,1% 78,0%

Alkoholabhängigkeit 47,79 31,7

Störungen drch. Alkoholkonsum

73,22% 55,44% 54,5%

Störungen durch illlegale Drogen

38,10% 20,79% 22,88%

Affektive Störungen 49,62% 61,4% 65,55%

Angststörungen 41,30% 57,4% 38,5%

* National epidemiologic Survey on Alcohol and related Conditions (NESARC) US Umfrage von N=43 093 Haushalten n=195 PG

Komorbidität

Komorbide Achse-II Petry, 2005 N= 195 Befragung

Premper & Schulz, 2008 N=101Stationäre Pat.

PAGE Projektbericht (Meyer et al., 2011)N=437 Telefon

Paranoid (Cluster A) 24% 3% 3,0%

Schizoid (Cluster A) 15% 9% 1%

Schizotype (Cluster A) N. u. - 0,2%

Histrionisch (Cluster B) 13% 3% 1%

Impulsiv/ Borderline (Cluster B)

N. u. 17 % 9%

Narzistische (Cluster B) N. u. 3% 5%

Antisozial (Cluster B) 23% 2% 12%

Ängstlich-vermeidend (Cluster C)

14% 15% 9%

Abhängig (Cluster C) 3% 6% 1%

Zwanghaft (Cluster C) 28% 14% 12%

Komorbidität

� Metaanalyse von 11 Studien bei problematischen und pathologischen Spielern; hohe Prävalenzen von Substanz-bezogenen Störungen (Nikotin, Alkohol) sowie Angst- und Affektive Störungen (Lorains et al., 2011)

� Substanzabhängigkeit N=162 (Kruedelbach et al., 2006)

� Signifikant häufiger Substanzprobleme bei PG (Martins et al., 2010 N=98)

� Höhere Prävalenz von PS, insbesondere Borderline und Narzistische PS bei PG (Kruedelbach et al., 2006; Bagby et al., 2008 Review; Sáez-Abad & Bertolin-Guillen, 2008 N=50)

Bezüglich der zeitlichen Reihenfolge des Auftretens der Störungen ergab sich:

a) Angststörungen häufiger vor Beginn von PG

b) **Depressive Störungen eher nach Beginn

c) Substanzbezogene und somatoforme Störungen etwa gleichhäufig vor und nach Beginn von PG

Komorbidität: Befunde aus Deutschland

**Kim et al., 2006; Premper & Schulz, 2008

Neurobiologische Veränderungen bei Substanzabh ängigkeit

Koob et al., 2008

� Verminderte Belohnungssensitivät (Striatum) auf natürliche Verstärker (Asensio et al., 2010)

Dinge, Aktivitäten, Situationen, die von den Persone n als sehr angenehm empfunden werden

-> Salienter Reiz der das Belohnungssystem aktiviert

Erklärungsmodell bei Substanzabh ängigkeiten

Salience Cue -Reaktivität

3 Alcoholcues(6.6 sec)

5 blocks à 19.8 sec

3 neutral cues(6.6 sec)

5 blocks à 19.8 sec

3 abstract cues(6.6 sec)

5 blocks à 19.8 secCrosshair19.8 sec

Crosshair19.8 sec

Substanz- und Internetabh ängigkeit

Alkohol P<.001 unkorr. Grüsser et al., 2004

Kokain p< .005 unkorr.Wong et al., 2006

Internetp< .0005 unkorr.Ko et al., 2009

-> Suchtassoziierte Reize aktivieren besonders das Striatum

Beispiel Cue-Reaktivität Aufgabe

Nikotin ROI AnalysisBrody et al., 2004/2006

Neurobiologische Befunde bei PG

Spielsüchtige (n=12) Kontrollen (n=12)

Geringere Aktivierung des Striatums bei PG

rote Karte = 1€ Gewinn,

schwarze Karte = 1€ Verlust

Ergebnisse: Gewinn - Verlust

Reuter et al., 2005p<.001 unkorr.

Aufgabe: Videosequenzen mit Spielsituationen sowie Szenen mit traurigem und fröhlichem Inhalt

Ergebnisse: Spielsequenzen - baseline

Potenza et al., 2003

Unter anderem verminderte Aktivierung des Striatum (Nucleus Caudatus) auf Spielcues bei PG

10 Patienten mit Spielsucht 11 Kontrollpersonen

Neurobiologische Befunde bei PG

p<.001 unkorr.

Neurobiologische Befunde bei PG

N=20 regelmäßige Spieler (RG)davon n=13 PG

Höhere Aktivierung imStriatum (Putamen) vTA, Parahippocampalen GyrusSign pos. Korr. zur Schwere der Symptomatik

20 RG

→ Belohnung (Kick) beim Pathologischen Spieler könnte mehr mit dem Gefühl des beinahe Gewinnens assoziiert sein.

Chase et al., 2010

� Pathologische Spieler reagierten mit signifikant höherer Dopaminfreisetzung im linken ventralen Striatum auf Geldverlust im Vergleich zu gesunden Kontrollen(Linnet et al., 2010)

� PG mit hoher Dopaminfreisetzung im ventralen Striatum während des Spiels schätzten das Spiel aufregender ein im Vergleich zu gesunden Kontrollen mit hoher Dopamin-freisetzung und PG mit niedriger Dopaminfreisetzung (Linnet et al., 2010)

Neurobiologische Befunde bei PG

Annahme:Pathologischem Glücksspielen liegen ähnliche neuro-biologische Mechanismen zugrunde wie der Substanz-abhängigkeit

Frage:Welche weiteren Aspekte oder Reize lösen den verhaltens-verstärkenden positiven Effekt beim pathologischem Spielen aus?

Implikationen bisheriger Befunde zu PG

Baden -Württemberg -Studie zu PG

Untersuchung psychologischer , genetischer und neurobiologischer Mechanismen für die Entstehung Pathologischen Glücksspiels

Ziel: Modifizierung therapeutischer Konzepte

Gefördert vom:

Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren

PI: Prof. K. Mann Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim

in Kooperation mit- AHG Klinik Münchwies

Dr. M. Vogelgesang, Dr. T. Klein - Therapiezentrum Münzesheim

Dr. med. M. Beutel, Dipl.-Psych. A. Lindner- Universitätsklinikum Mainz

Dipl. Psych. Klaus Wölfling- Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin Greifsw ald

Prof. U. John- Universität Lübeck

PD H.J. Rumpf, Dr. G. Bischof- Beratungsstellen Baden W ürttemberg

Baden W ürttemberg Studie

Probandenkollektiv (ambulanten und station äre Patienten)

Patienten (N=471)Alter (Jahre) 38,29 ± 10,39

Geschlecht (männlich) 93%Feste Beziehung 52%Allein lebend 43%Arbeitslosenrate 39%Ausbildungsjahre 12,5 ± 2,29RaucherstatusProblem und abhängige Raucher

79%

Nationalität (deutsch) 84%

Muttersprache (deutsch) 77,5%

Beginn der Abhängigkeit (Alter) 25,59 ± 10,04

Schulden (€) 33 531 ± 71 702 (max. 1 000 000)

Durchschnittl Stunden/Spieltag 5 ± 4,11Maximale Anzahl Stunden/Tag gespielt 12 ± 8,02Durchschnittl Anzahl an Spieltagen im Monat 15 ± 9,36

(Mittelwert ± Standard Abweichung)

%

Problemverursachende Glücksspielformen

83,4

18,515,5

12,1 11,57,4

12,5

2,5

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Automaten Kleines Spiel Großes Spiel Toto/Lotto Onlinegambling illegales Spiel Sportwetten Andere

Mehrfach Nennung möglich

%

Problemverursachende Glücksspielformen

57,7

34,6

10,2

0

10

20

30

40

50

60

70

Ausschließlich Automatenspieler Automaten und andere Spielformen Alle Spielformen außer Automaten

Komorbide Achse I und II Erkrankungen Lebenszeitprävalenz an n=289 stationären Patienten mittels Diagnostischem Interview f. psychische Störungen (DIPS) bzw. SKID I und II.

86% (n=248) hatten mindestens eine Achse I oder II Störung

77%

30%15%

4% 5% 2% 0%

21%7%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Sub

stan

zabh

ängi

gkei

t

Sub

stan

zabh

ängi

gkei

t ohn

e N

ikot

in

Aff

ektiv

e S

töru

ngen

Ang

stst

örun

g

Anp

assu

ngss

töru

ng

And

ere

PS

Clu

ster

A(p

aran

oide

,sc

hizo

ide)

PS

Clu

ster

B

PS

Clu

ster

C

Achse II (29%) von N=289

Allgemeinbevölkerung 10%Achse I (83%)

Komorbide Achse II Erkrankungen

Cluster B Cluster C

Von N=289 29% (n=85) mind. eine Achse II Störung DSM

9%

7%

1%

4% 4%

3%

1%0,30%

2%

0%

1%

2%

3%

4%

5%

6%

7%

8%

9%

10%

Narzisti

sch

Border

line

Dissozia

l

Histrio

nisch

Depend

ent

Selbstu

nsiche

r

Zwangha

ft

Schizo

ide

Kombin

ierte

PK

Cluster A

Komorbide Abh ängigkeitserkrankungen

Mehrfach Nennung möglich

Von N=289 78% (n=225) hatten eine Substanzabhängigkeit

21%

72%

10%5%

2% 2% 3%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

Alko

hol

Niko

tin

THC

Koka

in

Opi

ate

Hallu

zinog

ene

Ande

re

Zusammenfassung

� PG weisen eine hohe Komorbidität mit Substanzabhängigkeit (insbesondere Nikotin, Alkohol) und Cluster B Persönlichkeitsstörungen auf

- Klassifikation von Pathologischem Glücksspielen im neuen DSM V als Verhaltenssucht in der Kategorie „Addiction and Related Disorders“

Neurobiologische UntersuchungHypothese Pathologischem Glücksspielen liegen ähnliche neurobiologische Mechanismen zugrunde wie der Substanzabhängigkeit

FrageWas stellt den belohnenden bzw. suchtassoziierten Verstärker bei Pathologischen Spielern dar?

1. Gefühl der Möglichkeit zu gewinnen vor dem jeweiligen Spiel

2. Verhalten

3. Geldgewinn

Probanden

- N=73 pathologische Glücksspieler (Diagnose nach DSM IV / ICD 10)

- Alle in stationärer Therapie

- n=73 altersgematchte gesunde Kontrollen

- Alter zwischen 18 und 65 Jahren

- Rechtshändig

Monetäre Motivationsaufgabe

Leistungsbezogene Aufgabe unterschiedlicher motivationaler Ebenen

Geldgewinn abhängig von der Anzahl der Tastendrücke pro Zeiteinheit

Bühler et al., 2010

Motor. Antwortphase

Monetäre Hinweisreize

0 1 10 100

Belohnungsstufen

Gewinnvorhersage

Feedback

Motor Response

Statistische Analysen

� Siemens Magneton 3 Tesla

� Aktivierungsunterschiede zwischen PG und KG auf Belohnungsvorhersage, während des Verhaltens und auf Feedback (nPG=73 und nKG=73) (two sample t-test)

� Voxelbasierte anatomische Unterschiede zwischen PG und KG (nPG=73 und nKG=73) (two sample t-test)

Anatomische Messung: 3-Dimensional T1-weighted structural images (MPRAGE);

Motorische Antwortphase

4

8

12

16

No reward Small reward Medium reward High reward

Mot

or r

espo

nse

(mea

n)

Controls

Patients

Verhaltensdaten (Anzahl Knopfdruck) in unterschiedlichen Belohnungsstufen (Haupteffekt zwischen Stufen p<.001, kein signifikanter Gruppeneffekt p=.188)

5

2,7

Gewinnvorhersage Verhalten Feedback

Patienten>KontrollenPutamen (x=28, y=16, z=10)ROI p<.05 FWEkorr.

Patienten>KontrollenNucleus Caudatus (r)(x=10, y=6, z=10)ROI p<.05 FWEkorr.

Two sample t-test

Aktivierungen in den motivationalen Ebenen

Two sample t-testPatienten<KontrollenAlkoholabhängigkeit Kovariate

Volumenunterschiede

Zusammenfassung / Diskussion

� Pathologische Spieler zeigen im Vergleich zu Gesunden eine Hyperaktivierung im Stratum auf eine Gewinnvorhersage und während des Verhaltens nicht aber auf den Geldgewinn selbst

� Pathologische Spieler zeigen Volumenminderung insbesondere im dorsolateral präfrontalen Cortex und anteriorem Cingulum (inhibitorische Kontrolle)

- Beeinträchtigung der inhibitorischen Kontrolle bei PG - Motivationaler Anreizwert während der Vorhersage eines evtl. Gewinns und während des Spielens weniger auf den Geldgewinn per se.

Aufrechterhaltung des Spielens trotz negativer Konsequ enzen (Verlust) -> Verhaltenssucht

Projektgruppe Pathologisches Glücksspiel

Dr. Mira BühlerJulia DieterAlexander HöhnDr. Nina KämmererNoreen Kordlang Rosemarie KrämerMathias LudererProf. Karl MannTina MarasekClaire SchmittMadlen SellAnnalena SchäferEvangelos Zois