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QUEM-Materialien 73 Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung - Forschungsbericht - Berlin 2006

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QUEM-Materialien

73

Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte

mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung

- Forschungsbericht -

Berlin 2006

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Impressum Das Material „Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung“ entstand im Rahmen des For-schungs- und Entwicklungsprogramms „Lernkultur Kompetenzentwicklung“. Das Pro-gramm wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Die Verantwortung für den Inhalt tragen die Autoren. Projektnehmer: Universität Koblenz-Landau Institut für Psychologie

Projektleitung: Prof. Dr. Elisabeth Sander Andreas Hohenstein Projektbetreuung: Reiner Matiaske Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Betriebliche

Weiterbildungsforschung e. V./ Projekt Qualifikations-Entwicklungs-Management Storkower Straße 158, 10407 Berlin

Alle Rechte beim Herausgeber.

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Inhaltsverzeichnis

1 Kompetenzentwicklung....................................................................................................9

2 Konfliktinduzierung und Konstruktivismus in der lerntheoretischen

Auseinandersetzung.......................................................................................................13

2.1 Piagets Theorie der geistigen Entwicklung ...........................................................13

2.1.1 Piagets genetischer Strukturalismus..........................................................14

2.1.2 Piaget und der Konstruktivismus ................................................................14

2.1.3 Piagets Äquilibrationsmodell .......................................................................16

2.2 Epistemische Neugier und Konflikt bei Berlyne ...................................................19

2.2.1 Konfliktquellen und Konflikttypen................................................................19

2.2.2 Konfliktlösung oder -verdrängung? ............................................................20

2.2.3 Entdeckendes Lernen und Konfliktinduzierung ........................................21

2.3 Seilers Theorie des kognitiven Konflikts................................................................22

2.3.1 Induzierung kognitiver Konflikte - subjektive Voraussetzungen............22

2.3.2 Induzierung kognitiver Konflikte durch geeignete

Lernmethoden 23

2.4 Die neopiagetsche Theorie von Case....................................................................24

2.4.1 Die remediale Unterrichtsstrategie von Case...........................................27

3 Conceptual Change.........................................................................................................28

3.1 Conceptual Change aus kognitivistischer Perspektive .......................................28

3.1.1 Conceptual Change als Modifikation mentaler Modelle: Der

Rahmentheorieansatz von Vosniadou.......................................................28

3.1.2 Conceptual Change als Überwindung von

Kategorisierungsfehlern: der Kategorisierungsansatz von Chi .............29

3.2 Bewertung kognitivistischer Conceptual-Change-Ansätze aus

situationistischer Perspektive ..................................................................................29

3.2.1 Die Verdinglichung ........................................................................................30

3.2.2 Der vernachlässigte Kontext .......................................................................30

3.2.3 Die Wissensdiagnostik .................................................................................31

3.2.4 Die Fokussierung auf initiales Lernen........................................................31

3.2.5 Der kognitive Bias 32

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4 Conceptual Change situationistisch ..........................................................................32

4.1 Conceptual Change als Resultat von Kontextualisierung: der Kontext-

Ansatz von Caravita und Halldén...........................................................................32

5 Kooperativen Lernens....................................................................................................33

5.1 Soziogenetische Auseinandersetzung mit dem kooperativen Lernen .............34

5.2 Kooperatives Lernen durch kognitive Elaborationen...........................................36

5.3 Soziokulturelle und situierte Ansätze des kooperativen Lernens......................37

5.4 Kooperatives Lernen durch den argumentativen Diskurs ..................................39

5.5 Kollektive Informationsverarbeitung als Form des kooperativen

Lernens .......................................................................................................................40

6 Situiert-konstruktivistisches Lernen in konfliktinduzierenden

Prozessen als Bestandteil einer lebensbegleitenden Lernkultur .......................41

6.1 Lernen und Entwicklung als Konstruktionsprozess .............................................41

6.2 Gestaltungsprinzipien situierter Lernprozesse .....................................................42

7 Gestaltung von Lernumgebungen auf der Grundlage situierten

Lernens...............................................................................................................................43

7.1 Grundformen von Lernumgebungen......................................................................44

7.1.1 Systemvermittelnde Lernumgebungen......................................................44

7.1.2 Problemorientierte Lernumgebungen........................................................44

7.1.3 Adaptive Lernumgebungen .........................................................................45

7.2 Lernumgebungen zum situierten Lernen ..............................................................45

7.2.1 Situierte Lernumgebung: Der Anchored-Instruction-Ansatz ..................45

7.2.2 Situierte Lernumgebung: Der Cognitive-Apprenticeship-

Ansatz 46

7.2.3 Situierte Lernumgebung: Die Cognitive-Flexibility-Theorie ....................48

8 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen und

Handlungsfelder...............................................................................................................50

8.1 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen der kürzeren

Vergangenheit und der Stand heute ......................................................................50

8.2 Handlungsfelder für die erfolgreiche Implementierung von Ansätzen

zum Lernen im Netz und mit Multimedia in Unternehmungen...........................52

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8.2.1 Organisation und Organisationsentwicklung ............................................52

8.2.2 Menschen im Unternehmen........................................................................53

8.2.3 Integration einer E-Learning-Infrastruktur in die bestehende

IT-Landschaft 54

8.3 Lernen im Netz und mit Multimedia – Zukünftige Entwicklungen .....................54

8.4 Konfliktinduziertes Lernen im Netz und mit Multimedia – Zentrale

Anforderungen für die Kompetenzentwicklung ....................................................55

9 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray GmbH.......................57

9.1 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray GmbH......................57

9.1.1 Das Thema Projektmanagement und die Zielgruppe..............................57

9.1.2 Die Inhalte des Lernprogramms .................................................................58

10 Konfliktinduzierende Variante des Lernprogramms

„Projektmanagement“ ....................................................................................................60

10.1 Gestalterische Konzeption der konfliktinduzierenden Moduls

„Projektplanung“ ........................................................................................................60

10.2 Förderung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens (indirekte

Konfliktinduzierung) ..................................................................................................60

10.2.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul ...........................................60

10.3 Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien (direkte

Konfliktinduzierung) ..................................................................................................61

10.3.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul ...........................................61

10.4 Gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von

Konflikten....................................................................................................................61

10.4.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul ...........................................62

11 Vorstudie „Phase Einzelversuche“.............................................................................63

11.1 Fragestellungen und Hypothesen in der„Phase Einzelversuche“ .....................63

11.2 Untersuchungsablauf und -durchführung ..............................................................64

12 Beobachtung und Analyse der kognitiver Konstruktionsprozess bei

den Einzelversuchen.......................................................................................................65

12.1 Methode des lauten Denkens .................................................................................66

12.1.1 Methodische Probleme ................................................................................66

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12.1.2 Erfassung der Akzeptanz und Lernzufriedenheit.....................................68

12.2 Inhaltsanalyse ............................................................................................................68

12.3 Kategoriensystem mit adäquaten Indikatoren für die Beobachtung

kognitiver Konflikte nach Draschoff ........................................................................69

12.3.1 Hauptkategorie: Lern-Kategorien ...............................................................69

12.3.2 Hauptkategorie: Emotionen [E]...................................................................75

12.3.3 Hauptkategorie: Mimik [M]...........................................................................75

12.3.4 Hauptkategorie: Gestik [G] ..........................................................................76

12.3.5 Hauptkategorie: Sonstige Kategorien........................................................76

12.4 Ganzheitliche Erfassung der Lernwege und -prozesse - Beobachtung ...........77

12.5 Methoden zur Datenauswertung ............................................................................78

12.5.1 Inhaltsanalyse 78

13 Hypothesen und Ergebnisse ........................................................................................81

13.1 Hypothese 1: Kognitive Konflikte im Vergleich beider

Programmvarianten..................................................................................................81

13.2 Hypothese 2: Emotionen im Vergleich beider Programmvarianten..................83

13.3 Hypothese 3: Lernverhalten im Vergleich beider

Programmvarianten ............................................................................................84

13.4 Hypothese 4: Lernerfolg im Vergleich beider

Programmvarianten ............................................................................................86

13.5 Hypothese 5: Lernerfolg im Vergleich beider Lernformen..................................87

13.6 Hypothese 6: Lernerfolg in Abhängigkeit von

Prüfungsängstlichkeit.........................................................................................87

13.7 Hypothese 7: Lernerfolg in Abhängigkeit von

Selbstwirksamkeit................................................................................................88

14 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit .........................................................89

14.1 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernprozessanalyse ...........................89

14.2 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernerfolgsmessung ...........................89

14.3 Fazit zur Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte

mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung ..........................................90

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15 Literatur ..............................................................................................................................92

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1 Kompetenzentwicklung

Seit Mitte der 90er ließ sich auch in Deutschland nicht mehr übersehen,

„daß die Innovationsfähigkeit der Betriebe als Voraussetzung für die Sicherung des Wirtschaftstandortes Deutschland entscheidend von der Kompetenzentwicklung und dem Qualifikationspotential der Be-schäftigten, von dynamischen Lernstrukturen, integrativen Lerninhal-ten, effektiven Lernstrukturen in den Unternehmen und kombinierten Lernorten abhängt“ (Hoffmann 1997, S. 14)

Der Zuwachs an Wissen steigt exponential an. Um mit dem steigenden Wissen

Schritt zu halten ist ein Paradigmenwechsel nötig.

Es zählt nicht mehr so sehr das einmal erworbene Wissen, sondern entscheidend

ist die Fähigkeit, sich immer vertiefteres, aber auch immer wieder neues Wissen

erwerben und vor allem anwenden zu können.

Damit Menschen ihr Wissen in der sich stetig verändernden Umwelt aber zur An-

wendung bringen können, reicht die Fokussierung auf das eigentliche Wissen und

die Qualifikationen nicht aus. Vielmehr muss das Augenmerk darauf gelenkt wer-

den, die Handlungsfähigkeit von Menschen in offenen und komplexen Situationen

zu erkennen und zu fördern. In diesem Zusammenhang kommt der Einbeziehung

von Kompetenzen und Erfahrungen eine entscheidende Bedeutung zu.

Es wird zunehmend deutlich, dass das Konzept der beruflichen Kompetenzent-

wicklung einen massiven Einschnitt bei den qualitativ neuen Anforderungen an die

Handlungsfähigkeit der Beschäftigten und damit an die Weiterbildung darstellt.

So sind Kompetenz und Kompetenzmanangement derzeit äußerst populäre Beg-

riffe modernen Personalmanagements. Konkrete Definitionsversuche für den Beg-

riff „Kompetenz“ sind viele gemacht worden. Nachfolgend soll die Definition von

Erpenbeck (Erpenbeck, Heyse & Max, 1999a) leitend werden, der in seiner Beg-

riffsbeschreibung zunächst von Handlungen ausgeht, die ein Mensch in persönli-

chen und beruflichen Zusammenhängen bewältigen können muss. Es sind dies:

• Geistige Handlungen (Problemlösungsprozesse, kreative Denkprozesse,

Wertungsprozesse).

• Instrumentelle Handlungen (Manuelle Verrichtungen, Arbeitstätigkeiten,

Produktionsaufgaben).

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• Kommunikative Handlungen (Gespräche, Verkaufstätigkeiten, Selbstdar-

stellungen).

• Reflexive Handlungen (Selbsteinschätzungen, Selbstveränderungen,

neue Selbstkonzeptbildungen).

• Handlungsgesamtheiten (z.B. gesamte Handlungsspektren kreativer Mit-

arbeiter).

Für die Bewältigung dieser Aufgaben durch eine adäquate Handlungskompetenz

stehen dem einzelnen Dispositionen zur Verfügung, d.h. innere Voraussetzungen:

Anlagen, Fähigkeiten, Bereitschaften. Als Kompetenzen bezeichnet Erpenbeck

(Erpenbeck, Heyse & Max, 1999a) dann diejenigen Dispositionen, die es einer

Person ermöglichen, die genannten Handlungen selbstorganisiert auszuführen.

Kompetenzen sind demnach „Selbstorganisationsdispositionen des Individuums

(S. 157).

„Mit dem Begriff der beruflichen Handlungskompetenz wird (...) die Integration kognitiver, emotional-motivationaler, volitiver und sozialer Aspekte menschlichen Handelns in Arbeitssituationen durch Weiter-bildung angezielt und bewusst vermittelt. Zur Beschreibung des Komplexes gewünschter Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkei-ten hat sich unter pragmatischem Gesichtspunkt die Einteilung in vier Kompetenzbereiche eingebürgert:

Fachkompetenz

Methodenkompetenz

Sozialkompetenz

Personale Kompetenz,

integriert zu beruflicher Handlungskompetenz. (Erpenbeck & Heyse 1996, S. 18).

Erpenbeck (Erpenbeck & Heyse, 1996, Erpenbeck, Heyse & Max, 1999a; Erpen-

beck, 2003) beschreibt die obigen vier Kompetenzbereiche wie folgt:

• Fachlich-methodische Kompetenzen, d.h. als „die Dispositionen einer

Person, bei der Lösung von sachlich-gegenständlichen Problemen, geis-

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tig und psychisch selbstorganisiert zu handeln, d.h. mit fachlichen und

instrumentellen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten kreativ Prob-

leme zu lösen, Wissen sinnorientiert einzuordnen und zu bewerten; das

schließt Dispositionen ein, Tätigkeiten, Aufgaben und Lösungen metho-

disch selbstorganisiert zu gestalten, sowie die Methoden selbst kreativ

weiterzuentwickeln.“

• Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen, d.h. als „die

Dispositionen, aktiv und gesamtheitlich selbstorganisiert zu handeln und

dieses Handeln auf die Umsetzung von Absichten, Vorhaben und Plänen

zu richten – entweder für sich selbst oder auch für andere und mit

anderen, im Team, im Unternehmen, in der Organisation. Diese

Dispositionen erfassen damit das Vermögen, die eigenen Emotionen,

Motivationen, Fähigkeiten und Erfahrungen und alle anderen

Kompetenzen – personale, fachlich-methodische und sozial-

kommunikative – in die eigenen Willensantriebe zu integrieren und

Handlungen erfolgreich zu realisieren.“ • Sozialkompetenzen, d.h. als „die Dispositionen, kommunikativ und ko-

operativ selbstorganisiert zu handeln, d.h. sich mit anderen kreativ aus-

einander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorien-

tiert zu verhalten, um neue Pläne und Ziele zu entwickeln.“

• Personale Kompetenzen, d.h. als die Dispositionen, reflexiv selbstorga-

nisiert zu handeln, d.h. sich selbst einzuschätzen, produktive Einstellun-

gen, Werthaltungen, Motive und Selbstbilder zu entwickeln, eigene Be-

gabungen, Motivationen, Leistungsvorsätze zu entfalten und sich im

Rahmen der Arbeit und außerhalb kreativ zu entwickeln und zu lernen.

Mit leichten Variationen sind die benannten Grundkompetenzen inzwischen von

den meisten Kompetenzforschern anerkannt (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2003).

Natürlich hängen alle benannten Grundkompetenzen eng zusammen. Ihnen lässt

sich eine Fülle von Kombinationen der Grundkompetenzen zuordnen, wobei die

Kompetenzkombinationen mit vielen gängigen Beschreibungstermini für Kompe-

tenzen belegt werden können (Erpenbeck, Heyse & Max, 2000).

Vielfach wird die Frage gestellt, ob diese Kompetenzen auch erlernbar, trainierbar

sind, ob es also so etwas wie „Kompetenzentwicklung“ tatsächlich geben kann.

Dass dem tatsächlich so ist, dass Menschen also durch gezielte Trainings ihre

Kompetenzen entwickeln können, das ergibt sich schon aus der gegebenen Be-

schreibung der Kompetenzen selbst: um sich in den Bedingungen der immer

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komplexer und chaotischer werdenden Gegenwartswelt handelnd zurechtzufin-

den, können Menschen immer weniger auf schon vorhandenes statisches Wissen

zurückgreifen, sondern müssen auf der Grundlage ihrer erworbenen

Selbstorganisationsdispositionen handeln. Durch dieses Handeln erwerben sie

sich neue Kompetenzen, die in ihre bisherige Dispositionsmatrix eingebaut werden

und so zur Bewältigung wieder neuer Aufgaben helfen. Kompetenzen weisen so

immer eine Entwicklungsdynamik auf, die an verschiedenen Punkten auch

gemessen werden kann (Erpenbeck & v. Rosenstiel, 2003, XVIIIf).

Das Lernen von Kompetenzen ist eng mit der Aneignung, der Interiorisation von

Werten verknüpft. Werden Emotionen und Motivationen auf der Basis von Werten

zum Antrieb des eigenen Handeln können diese Werte entscheidungs- und hand-

lungsleitende Funktionen bekommen (vgl. auch Erpenbeck & Weinberg 1993).

Der Interiorisationsprozess von Werten geht einher mit kognitiver Dissonanz, zur

Labilisierung und Instabilität des inneren Zustandes durch Ungewissheit, zu einem

inneren Widerspruch. Der ausgelöste emotionale Spannungszustand ist die ent-

scheidende Voraussetzung jeder Interiorisation.

Werden die Dissonanz und Labilisierung durch erfolgreiches Handeln beseitigt,

werden die Werte fest im Schema des Individuums verankert, sie werden interiori-

siert. (Ciompi, 1982).

Solche Prozesse des Kompetenzerwerbs können nicht in traditionellen Lernfor-

men (allein) geleistet werden. Auf der Suche nach neuen Formen des Wissenser-

werbs tritt die Frage in den Mittelpunkt, wie Arbeiten und Lernen miteinander ver-

bunden werden können. Für ein solches Lernen führt Pätzold (2004) drei wesentli-

che Argumente an:

• Das steigende Bewusstsein für die Notwendigkeit eines lebenslangen

Lernens, das nicht an Schule oder andere Institutionen gebunden sein

kann;

• Die wachsende Erkenntnis, dass „Lernen nach konstruktivistischen Vor-

stellungen als aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver und kooperativer

Prozess zu verstehen ist“ (ebd., 162) und

• Die Notwendigkeit, gleichzeitig kostengünstige und passgenaue Weiter-

bildungsformen zu finden.

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2 Konfliktinduzierung und Konstruktivismus in der lerntheoreti-

schen Auseinandersetzung

Bereits in der griechischen Antike hat Sokrates (um 470-399 v. Chr.) eine Methode

angewandt, in der er in Gesprächen das bisherige Wissen seines Gesprächspart-

ners erschütterte. Der Gesprächspartner erkannte sein Nichtwissen und erst der

daraus resultierende Konflikt erweckte bei ihm die Neugierde und das Bedürfnis,

in den Gesprächen mit Sokrates diesen Konflikt durch entsprechenden Erkennt-

nisgewinn aufzulösen. Dabei ging Sokrates davon aus, dass der Wissenszuwachs

nicht von ihm ausgehen könne, sondern vielmehr aus der inneren Auseinander-

setzung seines Gesprächspartners heraus sich entwickeln müsse. Ihm, Sokrates,

käme lediglich eine Helferrolle zu.

Somit finden sich zentrale Ideen des Konstruktivismus bereits bei Sokrates (vgl.

Glasersfeld, 1991). In der weiteren historischen Entwicklung wurden verschiedene

Richtungen der pädagogischen Forschung von konstruktivistischen Grundannah-

men geprägt (Stork, 1995).

Der lerntheoretische Konstruktivismus beschreibt den Lernprozess als aktiven

Konstruktionsprozess des Lernenden. Auf der Basis der eigenen Erfahrungen ges-

taltet der Lernende seinen Lern- und Verständnisprozess. Der Lehrende begleitet

diesen Prozess durch individuell dosierte Unterstützung. Wissen kann demnach

nicht wie ein feststehendes Produkt vom Lehrenden zum Lernenden vermittelt

werden (Stork, 1995). Glasersfeld (1991) resümiert:

This may serve to remind us - especially when we act as teachers - that new concepts and new knowledge cannot simply be passed to another person by talk, because each must abstract meanings, con-cepts, and knowledge from his or her own experience. This ... does mean that we can never rely on language to "convey" knowledge as though it were something like food that can be handed from one to another. (S. XIV; vgl. Reusser & Reusser-Weyeneth, 1994, S. 16f.)

2.1 Piagets Theorie der geistigen Entwicklung

Die erkenntnis- und die lerntheoretische Ausrichtung der konstruktivistischen For-

schung wurde entscheidend von dem genetischen Strukturalismus beeinflusst.

Piaget, als Begründer des genetischen Strukturalismus, verbindet er „sein philo-

sophisch-erkenntnistheoretisches Hauptinteresse mit seiner biologischen Grund-

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orientierung und seiner psychologischen Vorgehensweise" (Fatke, 1983, S. 14).

In Piagets späteren Arbeiten ist eine "Verschiebung vom epistemologischen zum

psychologischen Konstruktivismus" zu beobachten (Hoppe-Graff und Edelstein,

1993, S. 12). Piaget widmet sich darin verstärkt den kognitiven Prozessen real

existierender Individuen.

2.1.1 Piagets genetischer Strukturalismus

Das vor allem auf Skinner (z.B. Skinner, 1953/1973, 1954) zurückgehende beha-

vioristische Verständnis des Lernens wurde von einer kognitiv geprägten Ausei-

nandersetzung mit Lern- und Entwicklungsvorgängen abgelöst.

Piaget geht in seinem genetischen Strukturalismus davon aus, dass die menschli-

che Kognition kein bloßes Abbild der Umwelt darstellt, sondern auf kognitiven

Strukturen basiert, die nach und nach vom Individuum aufgebaut werden (Piaget,

1970/1983). Die kognitiven Strukturen dienen als Aktions- und Denkwerkzeuge.

Sie sind sensomotorischer oder kognitiv-rationaler Art und umfassen Reflexhand-

lungen, komplexe Wahrnehmungs- und Handlungsschemata, Begriffe, Vorstellun-

gen, Operationen und Strategien, die jederzeit reaktualisiert werden können (Sei-

ler, 1998). Piaget beschreibt in seinem genetischen Strukturalismus erstmals Kog-

nitionen als biologische Funktionen der Selbstregulierung zum Zwecke der Adap-

tion an Umweltbedingungen statt als Ausdruck einer universellen Vernunft (Piaget,

1970/1983).

Piaget erschütterte mit seiner Erkenntnistheorie nicht nur das exogene Modell der

behavioristischen Entwicklung, sondern auch das endogene Modell der Reifungs-

theorie. Die drei traditionellen Faktoren Reifung, Erfahrung und soziale Umwelt

reichen nach Piaget (1970/1983) nicht aus, um Entwicklung zu erklären. Vielmehr

führen erst die Interaktionen zwischen den beiden Polen Individuum und Umwelt,

in denen das Individuum seine kognitiven Strukturen konstruiert, zu einem ent-

sprechenden Erkenntnisgewinn.

2.1.2 Piaget und der Konstruktivismus

Piaget gilt weithin als Begründer der konstruktivistisch orientierten Psychologie

(Dinter, 1998; Edelstein & Hoppe-Graff, 1993; Glasersfeld, 1991, 1994; Schul-

meister, 1996; Seiler, 1994). Auch Piaget selbst verstand seine Theorie als kon-

struktivistisch (Fatke, 1983; Seiler, 1994):

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Our aim was ... to establish what we have called a constructivist the-ory of knowledge. The essential problem of a theory of knowledge is how is new knowledge constructed. Our more recent work ... pro-vides still clearer arguments in favour of a constructivist theory and its explanation of the elaboration of new concepts and operations. (Piaget, 1980, p. 3)

Piaget war zweifellos der Pionier der konstruktivistisch orientierten Kognitionsforschung dieses Jahrhunderts. Sein Ansatz war unkon-ventionell, als er ihn entwickelte, und auch in unseren Tagen steht er gegen die allgemein vertretenen Ansichten. (Glasersfeld, 1994, S. 18)

[Piagets] epistemologische Theorie der Kognition ... bildet zugleich die psychologisch-philosophische Grundlage für den Konstruktivis-mus. (Schulmeister, 1996, S. 65)

Für Piaget waren soziale Einflüsse und anderer Umweltbedingungen wichtige Fak-

toren bei der Konstruktion im Rahmen der Erkenntnisentwicklung (Seiler, 1994;

1998).

Hoppe-Graff und Edelstein (1993), Vertreter einer konstruktivistischen Entwick-

lungspsychologie, beobachten heute eine wachsende Konvergenz und Integration

verschiedener Theorieansätze, die den Kerngedanken der interaktiven Konstrukti-

on - wenngleich nicht andere Annahmen des piagetschen Entwicklungsmodells

übernehmen:

Piaget hat die Idee des interaktiven Konstruktivismus schon zu einer Zeit vertreten (z.B. Piaget, 1975b/1936), als in der Psychologie nur das exogene Modell des Behaviorismus und das endogene Modell der Reifungstheorie (vertreten z.B. durch Gesell) akzeptiert wurden. Lange Zeit ist der genetische Strukturalismus der Genfer Schule mit dieser Position isoliert geblieben. In letzter Zeit jedoch beobachten wir, dass Vertreter sehr unterschiedlicher Ansätze unabhängig von-einander der Auffassung von Entwicklung als interaktiver Konstruk-tion zustimmen. Das gilt für Autoren, die aus der Entwicklungsbiolo-gie kommen (Oyama, 1985; Gottlieb, 1985), ebenso wie für Vertreter der Systemperspektive (Fogel & Thelen, 1987; Thelen & Ulrich, 1991). (Hoppe-Graff & Edelstein, 1993, S. 11)

Bei den neueren kognitionspsychologisch und informationstheoretisch orientierten

Ansätzen spielt eine Konstruktionstätigkeit die zentrale Rolle, bei der der Lernende

seinen kognitiven Entwicklungsprozess aktiv gestaltet und die Struktur der äuße-

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ren Wirklichkeit eine entscheidende Determinante des Konstruktionsergebnisses

ist (Hoppe-Graff & Edelstein, 1993).

2.1.3 Piagets Äquilibrationsmodell

Bereits in seiner Assimilationstheorie beschreibt Piaget (1936/1969) das Äquilibra-

tionsmodell und entwickelt es in seinen späteren Arbeiten weiter (Piaget,

1975/1976; vgl. Hoppe-Graff, 1993b; Hoppe-Graff & Edelstein, 1993). Piaget be-

schreibt den Mechanismus der Äquilibration mit den Worten Störung (mit dem

Begriff Konflikt gleichzusetzen), Regulierung und Kompensation.

2.1.3.1 Assimilation und Akkomodation

Im Zentrum des Äquilibrationsmodells steht der kognitive Gleichgewichtszustand.

Erreicht wird dieser kognitive Gleichgewichtszustand durch zwei Grundprozesse:

der Assimilation und der Akkomodation.

Bei der Assimilation strebt das Individuum den kognitiven Gleichgewichtszustand

an, in dem er äußere Elemente, Gegenstände oder Ereignisse in seine existieren-

den sensomotorischen oder begrifflichen Schemata bzw. die kognitiven Strukturen

integriert. Durch die Assimilation kann das Individuum somit auch in einer unbe-

kannten, aber ähnlichen Situation auf Verhaltensoptionen zurückgreifen (Glasers-

feld, 1994, S. 32), die auf bereits vorhandenen kognitiven Strukturen basieren, die

"gelernt oder erworben [wurden,] ... durch Verbindung und Veränderung schon be-

stehender Strukturen. Neue kognitive Strukturen setzen also immer schon andere,

frühere und einfachere voraus" (S. 127).

Neben der Integration von äußeren Elementen, werden bei der reziproken Assimi-

lation durch eine Umorganisation und Neukoordination der bestehenden Elemente

und Schemata kognitive Strukturen verändert.

Aber nicht alle Herausforderungen kann das Individuum durch stetig wachsende

Assimilationsschemata meistern. Es gibt Situation und Umweltbedingungen, in

denen die Assimilation für einen adäquaten kognitiven Entwicklungsprozess nicht

ausreicht. Die Schemata selbst müssen auf der Basis der zuvor erfolgten Assimi-

lationsprozesse verändert werden. Es kommt zur Akkomodation.

Durch den situationsadäquaten Wechsel von Assimilation und Akkomodation, mit

den Möglichkeiten Integration und struktureller Differenzierung, kann das Indivi-

duum im Rahmen seiner kognitiven Entwicklung die jeweils angestrebten kogniti-

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ven Gleichgewichtszustände erreichen.

In dem Äquilibrationsmodell unterscheidet Piaget (1975/1976) drei miteinander

verknüpfte Formen der Äquilibration:

1. Das offensichtlichste Gleichgewicht, das aus den Interaktionen zwischen dem

Menschen und den Objekten oder Ereignissen folgt, ist das "zwischen der As-

similation der Gegenstände an Aktionsschemata und der Akkomodation dieser

Aktionsschemata an die Gegenstände" (S. 16).

2. Aus den Interaktionen zwischen den Schemata bzw. Untersystemen, die koor-

diniert werden müssen, sodass sie sich zueinander logisch verhalten, entsteht

die zweite Form des Gleichgewichts.

3. Darüber hinaus gibt es ein übergeordnetes Gleichgewicht zwischen der Ganz-

heit und ihren Teilen. Es entsteht aus der hierarchischen Ordnung zwischen

den Differenzierungen der Schemata und ihrer Integration in das übergeordne-

te System.

2.1.3.2 Äquilibration: Kognitiver Konflikt, Regulierung und Kompensation

Der in dem Äquilibrationsmodell beschriebene Zustand des kognitiven Ungleich-

gewichts ist Auslöser für die darauf folgende kognitive Entwicklung durch Assimila-

tion oder Akkomodation:

Aufbauend auf Piagets Konfliktbetrachtung skizziert Montada (1987) vier Grund-

formen der Konfliktentstehung: "Konflikte zwischen zwei Assimilationsschemata,

Widerlegen eines Urteils durch ein empirisches Ereignis, Ungleichgewicht durch

fehlschlagende Assimilationsversuche [und] Ungleichgewicht durch Problemstel-

lung und Frage" (S. 455).

Das Ungleichgewicht, als Störung oder auch Konflikt, ist "in erster Linie [ein] moti-

vierende[r] Faktor" (Piaget, 1975/1976, S. 19). Dabei wird ein vorläufiger Gleich-

gewichtszustand durch eine Störung erschüttert: "Eine Störung ist ... ein Hindernis,

das eine Assimilation in Schach hält, zum Beispiel ein Faktum, das einer Meinung

widerspricht, oder eine Situation, die verhindert, ans Ziel zu kommen" (Piaget,

1975/1976, S. 172). Eine Bedingung für die Wirksamkeit als Störung liegt darin,

dass sich das Subjekt der Misserfolge oder Irrtümer bewusst wird (Piaget,

1975/1976, S. 26).

Der nach Piaget in allen Phasen der kognitiven Entwicklung auftretende kognitive

Konflikt wäre damit eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für

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18

kognitiven Fortschritt. Die Ungleichgewichte bzw. die Äquilibrationen, die durch die

Ungleichgewichte ausgelöst werden, stellen nach Piaget die wesentlichen An-

triebskräfte der kognitiven Entwicklung dar: Die "Fruchtbarkeit [der Ungleichge-

wichte] ist proportional zu der Möglichkeit, sie zu überwinden, mit anderen Worten:

aus ihnen herauszukommen" (S. 20).

Persönlichkeits- und situationsbedingte Faktoren beeinflussen die Wahrnehmung

und Reaktion auf eine Störung bzw. einen Konflikt. Nicht immer lösen Konflikte

eine konfliktlösende Reaktion aus.

Wird ein Individuum aber durch einen solchen Konflikt motiviert, diesen Ungleich-

gewichtszustand zu beseitigen, kann das Individuum diese kompensieren, in dem

es sich „als Antwort auf eine Störung bemüht, die positiven und negativen Merk-

male der Situation zu koordinieren" (Piaget, 1975/1976, S. 173). Dabei kann die

Kompensation unterschiedlich erfolgen:

• Der störende Faktor kann beseitigt (oder umgangen) werden oder

• das aktuelle Schema kann durch Differenzierung bzw. Modifizierung an

den störenden Gegenstand akkomodiert werden.

Jedes Individuum kann sein Verhalten, welches nicht zum Ziel führt, abändern.

Diese Regulierung (Piaget, 1975/1976, S. 25) kann zu einer Korrektur oder zu ei-

ner Verstärkung führen. Eine Korrektur löst eine der beiden zuvor beschriebenen

Kompensationsformen aus. Damit ist die Regulierung Voraussetzung für die Reä-

quilibration.

Die Regulierungen und Kompensationen wirken gleichzeitig konservierend und

konstruktiv (Draschoff, 2000):

„Konservierend: Der ursprüngliche Zustand bleibt erhalten und wird gleichzeitig stabilisiert bzw. bereichert, z.B. indem die Erklärungs-kraft oder der Wirkungsbereich eines Schemas durch Ausschluss von Elementen und Eigenschaften präzisiert wird.

Konstruktiv: Durch Akkomodationen (majorierende Äquilibrationen), die sich aus den Kompensationen ergeben, werden neue Erkennt-nisse hervorgebracht.“ (S. 17)

Dieser Äquilibrationsprozess von Konflikt, Regulierung und Kompensation beglei-

tet den Menschen bei dessen lebenslanger kognitiven Entwicklung.

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19

2.2 Epistemische Neugier und Konflikt bei Berlyne

Berlyne (1960/1974, 1965/1981) verfolgt einen motivationstheoretischen Ansatz

bei der Erforschung von höheren kognitiven Prozessen, wie dem problemlösenden

Lernen. Dabei spielen die Begriffe Konflikt, epistemische Neugier und exploratives

Verhalten eine zentrale Rolle.

Berlyne sieht "im kognitiven Konflikt - als einer Art von Ungleichgewicht einen sehr

bedeutsamen Antrieb, eine wesentliche Motivation für das Verhalten und damit

implizit auch für jede Entwicklung" (Steiner, 1981, S. 20). Der kognitive Konflikt

initialisiert exploratives Verhalten und die Suche nach Erkenntnisgewinn. Er ist

gleichsam die treibende Kraft beim Denkprozess (vgl. Seiler, 1980).

Entscheidend für die stimulierende Wirkung des Konflikts ist, dass das Individuum

den induzierten Konflikt als positive Herausforderung mit einem optimalen. ange-

nehmen Erregungsgrad und nicht als negative Bedrohung sieht.

2.2.1 Konfliktquellen und Konflikttypen

Ähnlich wie bei Piagets Äquilibrationsmodell geht Berlyne davon aus, dass Konflik-

te sowohl zwischen äußeren und inneren Elementen als auch nur zwischen inne-

ren Elementen auftreten können. Die Konfliktquellen können im Individuum oder

außerhalb des Individuums liegen. Nach Berlyne behavioristischer Auffassung

entsteht eine Konfliktsituation entweder, wenn

• neu hereinkommende Information mit der im System bereits vorliegen-

den Information unvereinbar ist,

• dem System einander widersprechende Informationen gleichzeitig oder

zeitversetzt zugeführt werden oder

• im System bereits vorliegende, untereinander inkompatible Informationen

abgerufen und verarbeitet werden (Seiler, 1980).

Die konflikterzeugenden Merkmale einer Situation, die kollative Reizvariablen, lö-

sen bei dem Individuum Ungewissheit aufgrund von komplexen oder undurch-

schaubaren, widersprüchlichen oder fehlenden Informationen aus.

Die Stärke der resultierenden Konflikte wird durch die Anzahl der konkurrierenden

Annahmen bzw. Reaktionen, die Ähnlichkeit ihrer Stärkegrade und die absoluten

Stärkegrade der miteinander in Konflikt liegenden Reaktionen sowie dem Grad der

Unvereinbarkeit der konkurrierenden Alternativen determiniert (vgl. Seiler, 1980).

Berlyne (1960/1974; vgl. Seiler, 1980) unterscheidet die daraus resultierenden

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Konfliktformen nach

• Zweifel,

• Perplexität,

• Widersprüchlichkeit,

• gedankliche Inkongruenz,

• Verwirrung und

• Irrelevanz.

Den grundlegenden Annahmen der motivationstheoretischen Ansätze folgend

schreibt Berlyne der Motivation eine zentrale Rolle bei der Entwicklung kognitiver

Strukturen und des menschlichen Verhaltens zu. So geht Berlyne davon aus, dass

extrinsische und intrinsische Motivationsfaktoren regulierend auf das im zentralen

Nervensystem angesiedelte physiologische Erregungsniveau wirken. Bei dem

Versuch die Konfliktsituationen aufzulösen, wirken die Erregungschwankungen

verstärkend und regen weitere (Denk-)Tätigkeiten des Individuums an. Konflikt

bzw. die Konfliktstärke korrelieren daher mit korrespondierenden Reaktionen auf

der physiologischen Ebene (Herzfrequenz, Blutdruck, Gefäßweite, etc.) (Seiler,

1980).

2.2.2 Konfliktlösung oder -verdrängung?

Nach Berlyne (nach Draschoff, 2000, S. 25) kann das Individuum auf vier ver-

schiedene Arten versuchen, den bestehenden Konflikt aufzulösen:

• Aussöhnung: Die konkurrierenden Alternativen werden durch neue In-

formation miteinander in Einklang gebracht bzw. weniger inkompatibel

gemacht. Diese Versöhnung durch die neue Information kann zur Rück-

nahme der Aktivierung und zur Erleichterung führen.

• Überlagerung: Eine neue stärkere Reaktionstendenz überlagert die mit-

einander in Konflikt stehenden, keine Lösung hervorbringenden Reaktio-

nen.

• Desegalisierung: Eine (oder mehrere) der Alternativen werden durch wei-

tere Informationen oder auch andere Einflussfaktoren verstärkt und "ge-

winnen" so den Wettstreit der Alternativen.

• Unterdrückung: Ein Konflikt ist latent vorhanden, bewirkt aber keine ge-

dankliche Erregung. Gedanken an den Konflikt zwischen den Alternati-

ven werden unterdrückt oder vermieden.

Viele Faktoren können nach Berlyne zur Meidung bzw. Unterdrückung des latent

vorhandenen Konflikts beitragen. Nicht nur rationale und logische Faktoren, son-

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21

dern auch soziale und emotionale Motive beeinflussen das menschliche Verhal-

ten. Nach Berlyne werden Konflikte dann häufig verdrängt, wenn die Reizmuster

"mit den etablierten Überzeugungen oder Gedanken einer bestimmten Person

nicht übereinstimmen dürfen" (1960/1974, S. 358). Die Wahrscheinlichkeit der

Konfliktverdrängung steigt mit entsprechende Persönlichkeitsstruktur und Erfah-

rungen früherer erfolgloser Konfliktlösungsversuche.

2.2.3 Entdeckendes Lernen und Konfliktinduzierung

In neuartigen, komplexen und vieldeutigen Reizsituationen, in denen induzierte

Konflikte als positive Herausforderung empfunden werden, entstehen bei dem In-

dividuum Neugier sowie exploratives und epistemisches Verhalten.

Berlyne schlägt vor, derartige Reizsituationen zu schaffen, in denen Erwartungen

und zuwiderlaufende Reize induziert werden. Die hieraus resultierende Konfliktsi-

tuation ist besonders stimulierend, wenn der Reiz nicht absolut, sondern relativ

neu ist, also etwas Bekanntem einerseits ähnelt und sich andererseits doch davon

unterscheidet (Seiler, 1980).

Berlyne (1965/1981) beschreibt fünf, an die Konfliktformen angelehnte, Entde-

ckungsmethoden, "mit deren Hilfe epistemische Neugier durch begrifflichen Kon-

flikt ausgelöst und anschließend zur Verstärkung schulischen Lernens reduziert

werden kann" (S. 229):

• Überraschung,

• Zweifel,

• Verwirrung,

• Verblüffung und

• Widerspruch.

Die Entdeckungsmethoden lassen sich durch zwei zusammenwirkende Aspekte

charakterisieren: Motiviert durch die kollativen Reizvariablen als intrinsische Moti-

vationsfaktoren begeben sich die Lernenden in einen Prozess des selbständigen

und erforschenden Lernens (vgl. auch Neber, 1981).

Berlyne (1965/1981) postuliert, dass entdeckendes Lernen qualitative Vorteile hat:

Zu diesen Vorteilen zählen:

• Das bessere Behalten neuen Materials,

• die größere Verständnistiefe,

• die ausgeprägtere Fähigkeit zu Transfer und Anpassung an neue Situa-

tionen und

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22

• die Effizienz der Problemlösungsversuche

Der eigentliche Ansatz des Entdeckenden Lernens geht auf Brauner (1961) zu-

rück. Dabei ging Brauner davon aus, dass die kognitive Entwicklung durch indu-

zierte kognitive Konflikte zwischen den von ihm unterschiedenen Repräsentati-

onsmethoden, der enaktiven, der ikonischen und der symbolischen Repräsentati-

on, angeregt werden kann (Tomis und Kingma, 1996).

Bruner (1961) formuliert vier Vorteile der Methode des Entdeckenden Lernens:

• Intellectual potency,

• intrinsic motives,

• learning the heuristics of discovery und

• conservation of memory.

2.3 Seilers Theorie des kognitiven Konflikts

Der Theorie des genetischen Strukturalismus folgend vertritt Seiler einen neopia-

getschen, konstruktivistischen Ansatz (1980, 1994, 1998).

So übernimmt auch bei Seiler (1980) das Individuum die aktive Rolle, seine Wirk-

lichkeit auf der Basis der bisherigen kognitiven Strukturen bzw. Schemata zu kon-

struieren. Durch Differenzierung und Integration werden sukzessive kognitive

Strukturen zu "umfassenderen, flexibleren, interferenzresistenteren und die Reali-

tät adäquater abbildenden Systemen" (S. 135) weiterentwickelt.

Das "Konstrukt eines aktivierenden Potentials, einer Strebung oder einer Ten-

denz", (S. 137) sichert, ähnlich wie bei Piaget, die Aufrechterhaltung des Konstruk-

tionsprozesses. Wie Berlyne geht auch Seiler von einer Kopplung der Motivations-

funktion mit dem Erregungsniveau im zentralen Nervensystem aus. Die kognitiven

Strukturen selbst besitzen motivationale und emotionale Qualitäten, womit ihre

besondere Kraft als Motor der Entwicklung zu erklären ist (Seiler, 1998).

2.3.1 Induzierung kognitiver Konflikte - subjektive Voraussetzungen

Seiler (1980) definiert den kognitiven Konflikt als "die Folge eines nicht oder nur

teilweise erfolgreichen Integrationsversuchs kognitiver Strukturen" (S. 126). Dabei

beschreibt er die jeweiligen kognitiven Strukturen eines Individuums "als Erwar-

tungen, Kriterien und Normen an neue Systembildungen herangetragen werden"

(S. 132). Besteht eine "optimale Diskrepanz", ein kognitiver Konflikt, zwischen ei-

ner bisherigen unzulänglichen Struktur des Individuums und der zur Erfassung

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einer Situation adäquateren Struktur (vgl. Hunt, 1961, S. 267ff., 1965) werden

notwendige Veränderungen der kognitiven Strukturen unterstützt.

Da die Konfliktinduzierung und –bearbeitung von den spezifischen kognitiven

Strukturen und auch von persönlichkeitsspezifischen Eigenschaften jedes einzel-

nen abhängt, sind die konfliktauslösenden Variablen nicht allgemeingültig zu be-

schreiben. Würde eine genaue Analyse der Wissensdomäne und der kognitiven

Voraussetzungen der einzelnen Individuen vorgenommen, wäre es für eine Grup-

pe von Menschen mit vergleichbarem Wissensstand möglich, Hypothesen über

Konfliktinduzierende Variablen aufzustellen und zu testen (Seiler, 1980):

Für eine Gruppe von Individuen mit relativ vergleichbarem Lern- und Erfahrungshintergrund, die einem ähnlichen interkognitiven und ge-sellschaftlichen Austausch und Beeinflussungsprozess ausgesetzt waren, ließen sich wahrscheinlich Hypothesen darüber aufstellen und empirisch prüfen, was für diese Gruppe überraschend, komplex und neu erscheint. Gemessen und bestätigt werden diese Hypothe-sen am Nichtgelingen der kognitiven Verarbeitung, was einerseits aus der Sprache oder aus dem Verhalten, andererseits aus psycho-physischen Reaktionsweisen als Konfliktanzeichen (wie bei der Ori-entierungsreaktion) erschlossen werden muss. Wenn diese Hypo-thesen eine ausreichende Bestätigung finden, können sie dazu die-nen, bei Angehörigen dieser Gruppen und in vergleichbaren Situati-onen Konflikte zu erzeugen. (S. 141)

2.3.2 Induzierung kognitiver Konflikte durch geeignete Lernmethoden

Seiler (1980) empfiehlt ein methodisches Vorgehen, bei dem die Lernenden mög-

lichst viel ihrer individuellen kognitiven Strukturen und persönlichkeitsspezifischen

Eigenschaften einbringen können:

Die Anwendung bestimmter Lehr-Lern-Methoden kann die Entste-hung und aktive Bewältigung kognitiver Konflikte begünstigen. So hat der Lernende beim explorierenden oder entdeckenden Lernen teilweise selbst die Möglichkeit und auch die Verantwortung dafür, ihm angemessene Probleme bzw. Aufgaben auszuwählen. Die Ges-taltung von Anschauungskonflikten und die Hinführung des Lernen-den zu Problemen und zu offensichtlichen Widersprüchen sind ge-eignete Methoden, Konflikte zu induzieren, die dann einen intensiven Hinterfragungs- und Lernprozess in Gang setzen. (S. 144)

Seiler (1998) beschreibt die Prinzipien zur Gestaltung von Lernumgebungen wie

folgt:

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24

• Positives Lernklima: Um spontane, ungezwungene, interessengeleitete

explorative Aktivitäten hervorzurufen, muss das physische und psychi-

sche Wohlbefinden der Lernenden gesichert sein. Dies setzt eine moti-

vierende räumliche Umgebung, freie Bewegungsmöglichkeiten, Gedan-

ken und Aktivitäten anregendes Unterrichtsmaterial und ausreichenden

sozialen Kontakt voraus.

• Anpassung an die Lernervoraussetzungen: Die angebotenen Lerninhalte

oder zu stimulierenden Lernaktivitäten müssen auf der Basis der kogniti-

ven Strukturen der Lernenden "erfassbar" bzw. "leistbar" sein, dürfen al-

so weder zu vertraut noch zu schwierig sein (Prinzip der optimalen Dis-

krepanz). Darüber hinaus müssen sie an die individuellen Interessen und

emotionalen Bedürfnisse der Lernenden angepasst sein.

• Breites und variables Lernangebot: Da die interindividuellen Unterschie-

de auch in Gruppen von Gleichaltrigen oft sehr groß sind, sollte das

Lernangebot breit und vielfältig sein und Spielraum für spontane Aktivitä-

ten und Interessen bieten.

• Indirekte und unspezifische Unterstützung: Indirekte, unspezifische Hilfe

und Hinweise und eine allgemein ermutigende Lernatmosphäre sind oft

effektiver als direkte Unterweisungen und Anordnungen.

Seiler befindet sich mit seinen empfohlenen Methoden der Induzierung von Kon-

flikten in Lehr-Lern-Situationen im Konsens mit der piagetschen Ausrichtung und

dem Ansatz von Berlyne.

2.4 Die neopiagetsche Theorie von Case

Auf der Basis von Piagets Arbeiten entwickelte Case (1985, 1987b, 1999) eine

Theorie der kognitiven Entwicklung. Zusätzlich integriert er Prinzipien und Begriffe

aus Informationsverarbeitungstheorien. Auch in den Theorien der Informationsver-

arbeitung, wie der Schematheorie, der Theorie der semantischen Netzwerke oder

des semantischen Gedächtnisses (z.B. Norman & Rumelhart, 1975; Rumelhart &

Ortony, 1977) wird davon ausgegangen, dass Schemata und kognitive Strukturen

die Kodierung, Interpretation und Integration neuer Informationen beeinflussen,

strukturieren oder verfeinern.

Case (1987b, nach Draschhoff, 2000 S, 40ff.) beschreibt in seiner Theorie die

kognitiven Grundfähigkeiten des Kindes, die Entwicklungsstadien, die es in seiner

Entwicklung durchläuft, und die Prozesse, die zu strukturellen Veränderungen füh-

ren:

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25

• Kognitive Basisfähigkeiten: Auf der untersten Beschreibungsebene gibt

es zwei Kategorien mentaler Prozesse: Figurative Schemata repräsentie-

ren mentale Zustände bzw. wiederkehrende Reizmuster, operative

Schemata bzw. Operationen repräsentieren dagegen Transformationen

dieser Muster. Kinder sind von Geburt an grundsätzlich fähig, willentliche

Kontrolle über ihre kognitiven und affektiven Erfahrungen auszuüben.

Auf der Ebene dieser Kontrollstrukturen verfügt das Kind über Problem-

repräsentationen, Ziele und Strategien, mit denen es kognitive Zustände

in andere überführt.

• Strukturelle Aspekte der Entwicklung: Obwohl sich jede Kontrollstruktur

auf eine spezifische Problemsituation bezieht, unterliegen alle Kontroll-

strukturen denselben Transformationsformen und durchlaufen eine uni-

verselle Abfolge von Stadien: Die vier Hauptstadien der intellektuellen

Entwicklung sind die der sensomotorischen (1-18 Monate), interrelationa-

len (1,5-5 Jahre), dimensionalen (5-11 Jahre) und abstrakt-

dimensionalen bzw. vektorialen Operationen (11-19 Jahre). Jedes

Hauptstadium ist wiederum in drei Unterstadien unterteilbar, in denen u-

nifokale, bifokale und elaborierte Koordinierungen vorgenommen wer-

den. Im unifokalen Unterstadium werden zwei verschiedene Elemente in

ein qualitativ neuartiges Element integriert. Im bifokalen Unterstadium

werden zwei der neuartigen Elemente integriert. Im elaborierten Unter-

stadium wird schließlich die Relation zwischen diesen Elementen identi-

fiziert und explizit formuliert. Jedes Stadium basiert auf dem vorherigen

und entwickelt sich daraus durch Differenzierung und Koordinierung. Der

Übergang von einem Hauptstadium zum nächsten vollzieht sich durch

die hierarchische Koordination von Kontrollstrukturen, die während des

vorherigen Stadiums erworben wurden, sich aber in Form und Funktion

beträchtlich voneinander unterscheiden. Bedingung für den Stadienüber-

gang ist, dass etwas qualitativ Neuartiges entsteht. Die Veränderung ist

in jedem Fall grundsätzlicher Art und äußert sich im Erwerb einer Kon-

trollstruktur bzw. Fähigkeit, die sich qualitativ von den in die Konstruktion

dieser Struktur eingeflossenen Komponenten unterscheidet. Die neue

Kontrollstruktur kann wiederum als ein Element in neue Koordinationen

eingehen. Der Übergang von einem Unterstadium zum nächsten in einer

beliebigen Domäne vollzieht sich ebenfalls durch Koordination; allerdings

müssen die hier koordinierten Elemente nicht unterschiedlicher Form o-

der Funktion sein. Im Gegensatz zur Erreichung eines neuen Hauptsta-

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26

diums bleibt in diesem Fall die generelle Natur der Fähigkeit gleich, das

Kind kann jedoch komplexere Situationen bewältigen. Was die Untersta-

dien unterscheidet, ist die Anzahl der repräsentierten und manipulierten

Elemente und die Art ihrer Organisation.

• Prozessuale Aspekte der Entwicklung: Bei der Beschreibung der Natur

der Prozesse, die den Übergang von einem Stadium zum anderen er-

möglichen, orientiert sich Case (1987b) wieder stark am Informations-

verarbeitungsparadigma. Er unterscheidet Mikroprozesse und Makropro-

zesse: Auf einer abstrakten Beschreibungsebene charakterisieren die

Prozesse schematische Suche, Evaluation, Reorganisation und Konsoli-

dierung den Informationsverarbeitungsprozess. Diese vier Mikroprozesse

sind nach Case formal erforderlich, um die Koordination zweier Struktu-

ren in eine Struktur höherer Ordnung erklären zu können: Ein Schema

muss gesucht werden, während das erste aktiv bleibt; die Nützlichkeit

oder Angemessenheit des gefundenen Schemas muss überprüft werden;

die beiden Schemata müssen reorganisiert (retagged) und zu einer funk-

tionierenden Einheit verfestigt (konsolidiert) werden. Auf der Ebene der

intellektuellen Aktivitäten ermöglichen diese Grundprozesse Exploration

und Problemlösung sowie Imitation und wechselseitige Regulierung.

Schulische und außerschulische Instruktion ist nach Case eine Form der

wechselseitigen Regulierung. Diese vier Hauptaktivitäten (Makroprozes-

se) garantieren per se die Konstruktion neuer Strukturen und damit das

stete Fortschreiten der kognitiven Entwicklung. Mit ansteigendem Intelli-

genzniveau - ab dem Ende des dimensionalen Stadiums und insbeson-

dere während des letzten, abstrakt-dimensionalen Stadiums - zeigt nach

Case aber die Bedeutung von Unterrichts- bzw. Lehrvorgängen ("instruc-

tion") für die weitere Entwicklung.

• Verarbeitungskapazität: Ein weiteres universales Merkmal der Entwick-

lung ist nach Case (1987b), dass die Fähigkeit des Kindes zur hierarchi-

schen Koordination bzw. Integration generell durch die Kapazität seines

Kurzzeitgedächtnisses beschränkt ist. Diese wächst mit den Teilstadien

von jeweils einem (vorläufiges Stadium) auf zuletzt vier (elaboriertes

Stadium) Elemente bzw. Ziele, die gleichzeitig berücksichtigt werden

können, an. Dieses Universal bietet auch eine Erklärungsmöglichkeit da-

für, dass die intellektuelle Entwicklung relativ langsam fortschreitet und in

einer großen Anzahl von Domänen parallel abläuft. Zu dieser Zunahme

an Verarbeitungskapazität bzw. wachsender operationaler Effizienz tra-

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27

gen sowohl Übung bzw. Training in der betreffenden Klasse von Opera-

tionen (sensomotorisch, interrelational usw.) als auch Reifungsfaktoren

(neurologische Veränderungen) bei.

2.4.1 Die remediale Unterrichtsstrategie von Case

In der remedialen Strategie abstrahiert Case (1980) von der Art des zu lernenden

Konzeptes und von persönlichkeitsspezifischen Unterschieden, setzt aber eine

klare Definition der Aufgabe voraus (Sander, 1986).

Sander beschreibt, dass kognitive Lernschwierigkeiten häufig folgende Ursache

haben: Die Lernenden gehen begründbar an die Aufgabe mit einem vorgefassten

Begriff oder einer vorgefassten Strategie heran. Diese Herangehensweise ist aber

zu einfach und erschwert das Verstehen des richtigen Begriffes oder die Entde-

ckung der richtigen Strategie. (1986, S. 61)

Die mangelnde Auseinandersetzung mit der Herausforderung der Situation bzw.

Aufgabe führt dazu, dass der Lernende keinen kognitiven Konflikt verspürt und

vorschnell inadäquat handelt. Erst die Wahrnehmung der Lernschwierigkeit als

kognitiven Konflikt löst adäquate Denkprozesse und Lösungsverhalten aus.

Case (1980) führt als weitere Ursachen für Lernschwierigkeiten die zu hohe An-

forderung an das Arbeitsgedächtnis des Lernenden und mangelnde Übung in den

der Gesamtaufgabe zugrunde liegenden Operationen an.

Case postuliert im Rahmen der remedialen Strategie eine Zwei-Schritt-Prozedur,

die von den individuellen Lernvoraussetzungen des Lerners ausgeht und auf die

Induzierung eines kognitiven Konfliktes zielt:

• Zuerst seien die Denkfehler der Lernenden zu identifizieren.

• Im zweiten Schritt müssen die Schüler dazu gebracht werden, eine Folge

von Handlungen durchzuführen, die ihnen die Unangemessenheit ihrer

Strategie vor Augen führt und ihnen so die Möglichkeit gibt, eine ange-

messenere Strategie zu entwickeln" (Sander, 1986, S. 62).

Den Lernenden müssen Aufgaben gestellt werden, bei denen sie mit den bisheri-

gen Strategien nicht zum Ziel kommen können; es wird ein kognitiver Konflikt in-

duziert. Der Lernende muss, vom Lehrenden und geeigneten didaktischen Metho-

den dosiert unterstützt, darauf hin den Konflikt sowie die Ursache dafür erkennen

und eine adäquate Strategie entwickeln.

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28

3 Conceptual Change

3.1 Conceptual Change aus kognitivistischer Perspektive

3.1.1 Conceptual Change als Modifikation mentaler Modelle: Der Rahmen-

theorieansatz von Vosniadou

Der Rahmentheorieansatz von Vosniadou (1994a, 1994b) bietet die Grundlage für

die Auseinandersetzung mit Veränderungen der Wissensstrukturen durch die Ver-

änderung mentaler Modelle.

Vosniadou geht davon aus, dass Konzepte in komplexe Strukturen eingebettet

sind, die die constraints für die Konzeptbildung beinhalten. Sie unterscheidet zwi-

schen domänenspezifischen Rahmentheorien und spezifischen Theorien.

Die Rahmentheorie berücksichtigt sowohl ontologische als auch epistemologische

Überzeugungen, auf deren Basis Beobachtungen und kulturell vermittelte Informa-

tionen interpretiert werden.

Da ontologische und epistemologische Überzeugungen die Grundlage unserer

Wissensbasis bilden, hat die Revision dieser Annahmen dramatische Konsequen-

zen für eine Vielzahl anderer, darauf aufbauender Annahmen. Deshalb sind sie

auch in hohem Maße resistent gegenüber Veränderungen (Mandl, 1993a).

Bei einer Nichtpassung der Rahmentheorie kann es aber bei der Informationsauf-

nahme und Interpretationen zu einem kognitiven Konflikt kommen, der aufgelöst

werden muss (Vosniadou & Brewer, 1992).

Nach Piaget (1970) lösen neue Informationen eine Assimilation aus. Dabei können

Inkonsistenzen entstehen, die das Individuum versucht, durch die Generierung

synthetischer mentaler Modelle aufzulösen. Diese mentalen Modelle führen häufig

zu Fehlkonzepten.

Durch die graduelle Modifikation mentaler Modelle entsteht nach Vosniadou Con-

ceptual Change. Die Veränderung der mentalen Modelle kann in zwei Ausprägun-

gen erfolgen Vosniadou (1999, 1994a, 1994b):

• Es kann eine Form der Anreicherung der existierenden kognitiven Struk-

turen durch neue Informationen stattfinden;

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• Es kann aber auch zu einer Revision der Annahmen kommen, wenn die

neuen Informationen und die vorhandenen Strukturen und Annahmen in-

konsistent sind.

Das Wirksamwerden bestimmter ontologischer Überzeugungen, die Vosniadou

der Rahmentheorie zuordnet, könnte man auch als Resultat von (v.a. ontologi-

schen) Kategorisierungen verstehen, die weitere Annahmen nach sich ziehen.

3.1.2 Conceptual Change als Überwindung von Kategorisierungsfehlern:

der Kategorisierungsansatz von Chi

Chi (1992) unterscheidet drei verschiedene konstitutive ontologischer Kategorien:

Dinge, Prozesse und mentale Zustände.

Innerhalb dieser Kategorien werden verschiedenen Hierarchiestufen weitere, onto-

logisch verschiedene Subkategorien ausdifferenziert:

• Die Kategorie Dinge wird ausdifferenziert in die Subkategorien Artefakte

und Naturdinge. Die Subkategorie Naturdinge unterteilt sich in nichtle-

bendige und lebendige Dinge. Die lebendigen Dinge unterteilt Chi wie-

derum in Pflanzen und Tiere, die nichtlebendigen in feste Körper und

Flüssigkeiten.

• Die Kategorie Prozesse gliedert sich auf in Prozeduren, Ereignisse und

die sog. Constraint-based-Interaction-Subkategorie. Die letztere ist bei

der Entstehung von Fehlkonzepten besonders wichtig. Bei den Ereignis-

sen unterscheidet Chi intentionale und zufällige Ereignisse. Bei der

Constraint-based-Interaction-Subkategorie gib es die Differenzierung in

natürliche und künstliche Prozesse.

• Die Kategorie mentale Zustände wird unterteilt in emotionale und intenti-

onale Zustände subsumiert.

Der Conceptual Change findet statt, in dem ein Konzept, das ursprünglich einer

bestimmten ontologischen Kategorie zugeordnet wurde, unter einer anderen onto-

logischen Kategorie subsumiert wird (Chi, Slotta und DeLeeuw, 1994).

3.2 Bewertung kognitivistischer Conceptual-Change-Ansätze aus situatio-

nistischer Perspektive

Sowohl Vosniadou als auch Chi stellen zunächst das, was ihre Probanden nicht

können in den Mittelpunkt ihrer Forschung. Diese Defizitorientierung ist in sofern

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30

normativ, als sie auf anerkannte objektive Kriterien bei der Bestimmung des Deltas

zwischen aktuellem und zu erreichendem Wissensstand referenziert und weniger

auf die eigenen Ressourcen des einzelnen Individuums.

Die neueren Arbeiten von Vosniadou (Vosniadou, 1999; Vosniadou, Ioannides,

Dimitrakopoulou & Papademetriou, 2001) und von Chi (Chi & Roscoe, 2001) mu-

ten deutlich "konstruktivistischer" an.

Den zentralen situationistischen Grundannahmen folgend (z.B. Pea, 1993; Salo-

mon, 1993) sind vor allem folgende Aspekte kritisch zu beleuchten:

Die Verdinglichung, der vernachlässigte Kontext, die Wissensdiagnostik, die Fo-

kussierung auf initiales Lernen in wohl strukturierten Domänen und der kognitive

Bias.

3.2.1 Die Verdinglichung

In den kognitivistischen Ansätzen zum Lehren und Lernen werden Repräsentatio-

nen von Wissen häufig über die Verdinglichung von Konstrukten beschrieben. Aus

situationistischer Perspektive (vgl. Clancey, 1993; Greeno, 1997; Lave, 1988) ist

die Beschreibung von Wissen als aus ontologischen Kategorien attribuierbare En-

titäten unangemessen.

3.2.2 Der vernachlässigte Kontext

Üblicherweise ist der wissenschaftliche Kontext in kognitivistischen Ansätzen der

einzige Bezugsrahmen für Konzepterwerb und die Anwendung von Konzepten.

Die dabei zu beobachtenden Fehlkonzepte bilden die Basis für die Analyse und

Beseitigung der Defizite.

Fehlkonzepte sind aus situationistischer Perspektive nicht deshalb problematisch,

weil sie aus wissenschaftlicher Sicht falsch sind. Probleme resultieren lediglich

aus der Anwendung dieser Konzepte außerhalb der Kontexte, in denen sie Funk-

tionalität beanspruchen können (Mandl, 1993b).

Insbesondere gibt es kaum Konsequenzen von Fehlkonzepten aus dem wissen-

schaftlichen Kontext für den Alltag (Caravita, 2001). Die mangelnde Transferier-

barkeit von Erkenntnissen zu Fehlkonzepten aus einem Kontextbereich in einen

anderen einerseits und die Fokussierung auf Kontextbereiche, in dem die Konzep-

te Lernender nicht funktionieren andererseits greift zu kurz. Vielmehr müssen die

Funktionalität und Dysfunktionalität von Konzepten in den jeweiligen Kontexten

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31

untersucht werden. So gehen Smith, Di Sessa und Roschelle (1993) davon aus,

dass Fehlkonzepte, insbesondere die "hartnäckigsten", ihre Wurzeln in durchaus

produktivem Wissen in anderen Kontexten haben.

3.2.3 Die Wissensdiagnostik

Die Wissensdiagnostik in den kognitivistischen Ansätzen erfolgt höchst indivi-

duumzentriert. Interaktionen mit anderen Individuen oder Einbeziehung von Um-

weltressourcen spielen kaum eine Rolle. Wissenserwerb und –anwendung in

alltäglichen Situationen hingegen ist sehr komplex. Die Diagnostik

alltagsrelevanten Wissens erfordert dementsprechend authentische Methoden und

Verfahren, die auch Formen distribuierter Kognition und Intelligenz einbeziehen

(Pea, 1993; Salomon, 1993). Die ökologische Validität einer rein

individuumbezogenen Wissensdiagnostik ist daher sehr eingeschränkt.

Die Beziehung zwischen bestimmten Konzepten und der kognitiven Struktur, in die

sie eingebettet sind, ist aus situationistischer Sicht ist weitaus komplexer als es die

kognitivistisch orientierte Wissensdiagnostik vermuten lässt (Mandl, 1993a).

Selbst aus wissenschaftlicher Sicht inkompatible Repräsentationen können in ein

und derselben Person auf "friedliche" Weise koexistieren, ohne kognitive Konflikte

zu verursachen (Clement, 1982).

Ökologisch valide Wissensdiagnostik setzt voraus, dass Konzepte als komplexe

Cluster von zum Teil hierarchisch organisierten und miteinander vernetzten, zum

Teil aber auch parallel und kompartmentalisiert "existierenden" Einheiten verstan-

den werden (Mandl, 1993a).

3.2.4 Die Fokussierung auf initiales Lernen

Die Betonung initialen Lernens in frühen Phasen der kognitiven Entwicklung, fo-

kussiert auf separierte und wenig komplexe Teilgebiete ist für

entwicklungspsychologisch orientierte Ansätze (Vosniadou, 1994b)

selbstverständlich. Für die Betrachtung von Entwicklungsverläufen in der

gesamten Lebensphase greifen diese Ansätze zu kurz (Baltes, Staudinger &

Lindenberger, 1999). Hiefür wäre es notwendig, die Rahmentheorieansätze

gerade in Bezug auf komplexere Veränderungen von Wissensstrukturen in

späteren Entwicklungsphasen zu adaptieren. Dann könnten auch komplexere

Problemstellungen im Allgemeinen und insbesondere komplexere, weniger

strukturierte Domänen in den Blick genommen werden, wie sie in

alltagsrelevanten Situationen anzufinden sind (Mandl, ….).

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32

3.2.5 Der kognitive Bias

Bei den älteren kognitivistischen Ansätzen zum Conceptual Change werden emo-

tionale, motivationale und einstellungsrelevante Aspekte meist ausgeblendet

(Pintrich, 1999; Pintrich, Marx & Boyle (1993).

In den eueren Forschungen finden auch nicht-kognitive Aspekte Berücksichtigung

(z. B Pintrich, 1999). So analysiert er den Einfluss von Zielorientierungen, von per-

sönlichen Interessen, Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen auf Concep-

tual Change.

Der Einfluss verschiedener motivationaler und auch emotionaler Aspekte auf

Lernprozesse und resultierenden Conceptual Change wird natürlich in hohem Ma-

ße von der subjektiven Bedeutung und der Funktion und damit von den Konse-

quenzen abhängen, die das entsprechende Wissen in dem untersuchten Bereich

bzw. dessen Aktualisierung in einer bestimmten Situation für eine Person hat

(Mandl, 1993a).

4 Conceptual Change situationistisch

4.1 Conceptual Change als Resultat von Kontextualisierung: der Kontext-

Ansatz von Caravita und Halldén

Die in den kognitivistischen Ansätzen des Conceptual Change fehlende Kontextu-

alisierung stellen Caravita und Halldén (1990, 1993, 1994) in den Mittelpunkt ihres

hierarchischen Kontextmodells. Sie unterscheiden in dem Modell zwischen All-

tagskontext und wissenschaftlichem Kontext auf jeweils drei Abstraktionsebenen:

• Erste Abstraktionsebene:

Alttagskontext: Praxis

Wissenschaftlicher Kontext: Empirie

• Zweite Abstraktionsebene:

Alttagskontext: Interpretation einer Aufgabe auf der Basis von Common

sense-Annahmen und Handlungsnormen

Wissenschaftlicher Kontext: Interpretation einer Aufgabe durch theoreti-

sche Konzepte.

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33

• Dritte Abstraktionsebene:

Alttagskontext: Annahmen machen einen wesentlichen Teil der Weltan-

schauungen und ideologischen Bindungen aus.

Wissenschaftlicher Kontext: Theoretische Konzepte in einen übergeord-

neten theoretischen Kontext eingebettet.

Die Unterscheidung zwischen Alltagskontext und Wissenschaftskontext ist eine

Frage der Situierung von Problemstellungen. Die Unterscheidung zwischen den

drei Hierarchieebenen ist hingegen mehr eine Frage des kognitiven Kontexts, der

die Ressourcen für die weitere Interpretation der Aufgabe bestimmt (vgl. Tiberg-

hien, 1994; Halldén, 1999).

Da die situative und kognitive Kontextualisierung von Individuen sehr unterschied-

lich beeinflusst sein können, gilt es die Kontextualisierung selbst in das methodi-

sche Design aufzunehmen. Halldén (1999) lässt zu diesem Zweck, die Probanden

ihre Aufgabenlösungen begründen bzw. verteidigen.

5 Kooperativen Lernens

In der lerntheoretischen Diskussion spielt das kooperative Lernen in vielen

Ansätzen eine zentrale Rolle. Ob die verschiedenen Ansätze nun vom

,,kooperativen Lernen'', ,,kollaboratives Lernen'' oder auch ,,Gruppenlernen''

sprechen, gemeinsam ist die Betrachtung des Lernens durch Interaktionsformen

bei denen die Mitglieder einer Gruppe gemeinsam und in wechselseitigem

Austausch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben. Dabei sind alle

Gruppenmitglieder gleichberechtigt am Lerngeschehen beteiligt und tragen

gemeinsam Verantwortung. (Cohen, 1994; in Hesse, Garsoffky und Hron, 1997;

Jaques, 1984, S.1).

Zahllose Forschungsarbeiten bestätigen die Effektivität kooperativer Lernformen in

authentisch-komplexen Lernprozessen (Bielaczyc, K. & Collins, A. ,1999, Collins,

1994; Astin, 1993; Cooper et al., 1990; Goodsell et al., 1992; Johnson et al., 1991;

McKeachie, 1986). Verglichen mit traditionellen Unterrichtsformen (z.B. direkte

Instruktion, Einzelarbeit, konkurrierende Bewertung) zeigen kooperativ Lernende

(Felder & Brent, 1994]

• bessere Unterrichtsleistungen

• eine höhere Ausdauer im Unterricht

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34

• bessere kognitive Leistungen (schlussfolgerndes und kritisches Denken)

tieferes Verstehen

• mehr auf die Aufgabe bezogenes und weniger störendes Verhalten

• geringere Niveaus an Angst und Stress

• höhere intrinsische Lern- und Leistungs-Motivation

• höhere Fähigkeit eine Situation aus der Perspektive anderer zu beobach-

ten

• ein höheres Maß an positiven und unterstützenden Beziehungen

• positivere Einstellungen und mehr Selbstachtung.

Trotz unterschiedlicher theoretischer Grundlagen und praktischer Schwerpunkt-

setzungen besteht Einigkeit hinsichtlich der zentralen Merkmale kooperativen Ler-

nens (Johnson,. Johnson, & Smith, 1991; Felder & Brent, 1994; Felder, Mohr,

Dietz & Baker Ward,1994; Felder, Felder, Mauney, Hamrin & Dietz, 1994; Jaques,

1984, S. 1):

• Positive Wechselbeziehungen: Gemeinsam arbeiten die Gruppenmitglie-

der an der Zielerreichung. Individuelle Stärken und Schwächen, wirken

sich unmittelbar auf die Gesamtgruppe aus. Durch die kontinuierliche In-

teraktion im Lernprozess bearbeiten die Gruppenmitglieder die Themen

aus multiplen Perspektiven (Slavin, 1995).

• Individuelle Verantwortlichkeit: Jeder ist für seinen Beitrag zum Grup-

penergebnis verantwortlich.

• Hilfreiche Interaktion: In den Phasen des gemeinsamen Erarbeitens gibt

es verschiedene Möglichkeiten und Formen der Interaktion.

• Feedbackprozesse: Austausch und Feedback geben dem Einzelnen Ge-

legenheit, sein individuelles Verhalten, seine Sichtweisen und sein Ver-

ständnis zu reflektieren, zu korrigieren oder auch zu festigen.

• Angemessene Nutzung kooperativer Fähigkeiten: Lernende werden in ih-

ren kooperativen Fähigkeiten wie Kommunikations- und Konfliktverhal-

ten, unterstützt.

• Reflexion der Gruppenprozesse: In dem die Gruppenmitglieder regelmä-

ßig ihr Zusammenwirken im Hinblick auf die gemeinsame Zielerreichung

überprüfen, optimieren sie ihr metakognitives Wissen.

5.1 Soziogenetische Auseinandersetzung mit dem kooperativen Lernen

Die soziogenetische Auseinandersetzung mit dem kooperativen Lernen ist vor al-

lem durch Piagets konstruktivistischen Ansatz geprägt. In Piagets grundlegenden

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35

Forschungen und den darauf aufbauenden neueren Arbeiten (Doise & Mugny,

1984; Piaget, 1985) wird gemeinsame Wissenskonstruktion als Interpretation der

gemachten Erfahrungen mit Objekten und Personen in der eigenen Umwelt auf

der Basis der konstruierten kognitiven Systeme untersucht (vgl. De Lisi & Gold-

beck, 1999).

Die notwendigen kognitiven Konstruktionsprozesse können durch die soziale In-

teraktion gefördert werden. So wird erforscht, inwieweit die soziale Interaktion

funktionalen Einfluss auf die kognitive Veränderung hat (z. B. Nastasi & Clements,

1992).

Piaget (1985) beschrieb Konstruktion als einen Prozess, in dem das Individuum

seine Erfahrungen reflektiert und organisiert, um einerseits seine Umwelt zu struk-

turieren und sich andererseits an diese Umwelt anzupassen. Der Begriff der Kon-

struktion bezieht sich zum einen auf die Veränderung kognitiver Systeme in der

Zeit, es geht also um die Entwicklung kognitiver Systeme. Diese Veränderung

kognitiver Systeme wird als Veränderung der Erkenntnisgrundlagen in den Ansät-

zen zum Conceptual Change aufgegriffen und weiterentwickelt (z. B. Vosniadou &

Brewer, 1994). Zum anderen bezog Piaget den Begriff der Konstruktion auf die

Anwendung bereits entwickelter kognitiver Systeme, um eine gegebene Situation

zu interpretieren.

Aufbauend auf Piagets Erkenntnissen geht die soziogenetische Auseinanderset-

zung mit dem Kooperativen Lernen davon aus, dass es immer dann zu Störungen

(Perturbationen) des individuellen kognitiven Gleichgewichts (Äquilibrium) kommt,

wenn kooperative Lernpartner aufeinander treffen, die unterschiedlicher Auffas-

sung sind.

In dem Bestreben das Äquilibrium wieder herzustellen, gibt es mehrer Optionen

(vgl. De Lisi & Goldbeck, 1999): Das Individuum

• sucht lokale Kohärenz mit der Folge veränderten oder vertieften Ver-

ständnisses;

• ignoriert Informationen, die den eigenen Annahmen oder Modellen wi-

dersprechen;

• nimmt einfach die Sicht des anderen an, ohne kognitive Veränderungen

zu vollziehen.

Die neueren, auf Piaget aufbauenden Forschungsansätze zum kooperativen Ler-

nen betonen vor allem die Funktion des sozio-kognitiven Konflikts (z. B. Doise &

Mugny, 1984). Die Veränderung individueller Wissensstrukturen wird durch das

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36

Aufeinandertreffen gegensätzliche Auffassungen gefördert.

Doch Forschungsergebnisse zeigen auch, dass nicht der sozio-kognitive Konflikt

an sich positive Veränderungen bewirkt, sondern dass es vor allem auf die Art der

kooperativen Lösung des Konflikts ankommt (Nastasi & Clements, 1992).

Vor der Betrachtung der Lösungsstrategien werden soziale Konflikte, die nicht auf

die Aufgabe bzw. ihre Lösung bezogen sind (etwa aufgrund der Gruppendynamik)

und kognitive Konflikten, die auf gegensätzliche Ideen zur Aufgabe oder deren

Lösung bezogen sind unterschieden. Dieser Differenzierung entsprechend sollte

empirischen Befunden nach für einen optimalen Lernerfolg bei der Wahl der Lö-

sungsstrategien Rechnung getragen werden: Sozialen Konflikten ist demnach mit

sozialen Lösungsstrategien zu begegnen und kognitiven Konflikten mit kognitiven

Lösungsstrategien.

Der kognitive Konflikt der entsteht, wenn neue Information mit den eigenen kogni-

tiven Strukturen nicht kompatibel sind, wird auch in der Forschung zum Conceptu-

al Change als wichtiger Wirkmechanismus aufgefasst (Chinn & Brewer, 1993).

5.2 Kooperatives Lernen durch kognitive Elaborationen

Ansätze der kognitiven Elaboration (vgl. Cohen, 1994) gehen davon aus, dass

Wissensveränderung durch die Integration neuer Information in Vorwissensstruk-

turen entsteht. Kooperatives Lernen durch kognitive Elaboration unterstützt kom-

munikative Handlungen (z. B. King, 1999), die diese individuellen kognitiven Pro-

zesse des Lernens anregen und unterstützen (z. B. Webb & Farivar, 1999).

Theoretische Basis des kooperativen Lernens durch kognitive Elaboration sind

Erkenntnisse zu kognitiven Modellen der Informationsverarbeitung (z. B. Ander-

son, 1996; Newell & Simon, 1972). Zentraler kognitiver Prozess in diesen Model-

len ist die Elaboration. Elaborative Verarbeitung besteht in der Anreicherung ge-

gebenen Materials um zusätzliche Information (Anderson, 1996) und erhöht die

Integration neuer Informationen in bestehende Wissensstrukturen.

Durch spezifische kommunikative Handlungen und verschiedene Formen der so-

zialen Interaktion wird die kognitive Elaboration angeregt.

Als einen Typus spezifischer kommunikativer Handlungen identifizierte Teasley

(1997) Problemlöse-Dyaden. In diesen waren Aussagen, bei denen durch

Interpretation deutlich über die gegebene Information hinausgegangen wird,

häufiger als bei Individuen, die bei derselben Aufgabe zum lediglich lauten Denken

angehalten wurden. Dies führte sowohl bei individuellen als auch bei kooperativen

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37

gehalten wurden. Dies führte sowohl bei individuellen als auch bei kooperativen

Lern-Settings zu einem besseren Lernerfolg. Die transaktive Diskussion wird als

eine weitere wichtige Kommunikationsform bei der Elaboration skizziert (Berkowitz

& Gibbs, 1983; De Lisi & Goldbeck, 1999). Teasley (1997) beschreibt in ihrem

Modell transaktive Diskussionsbeiträge als solche, bei denen der Lernpartner sein

Tun entweder dazu nutzt, den Gedanken des anderen weiterzuverarbeiten, oder

dazu, seine eigenen Gedanken klarer darzustellen. Ein starker positiver Zusam-

menhang von Lernerfolg in Problemlöseaufgaben und transaktiver Diskussion

konnte empirisch nachgewiesen werden.

Eine weitere kommunikative Handlung ist die Elizitation. Unterschiedliche aufga-

benbezogene Fragen können eine intensive Elaboration stimulieren. King (1999)

unterscheidet verschiedene Fragetypen: Zusammenfassungsfragen, Denkfragen,

Hinweisfragen und Metakognitionsfragen. In einem zu beachtenden Kontext füh-

ren aufgabenbezogene Fragen und ihre diskursive Beantwortung innerhalb koope-

rativer Lernprozesse zu besserem Lernerfolg bei Problemlöseaufgaben (King,

1989).

Neben der eigentlichen kommunikativen Handlung scheint auch die bloße Erwar-

tung späterer Kooperation von Bedeutung zu sein. Durch die Erwartung selbst

können kognitive Restrukturierungsprozesse ausgelöst werden (King, 1999). In-

wieweit die Kooperationserwartung und die dadurch ausgelösten kognitiven Pro-

zesse unmittelbar mit dem Lernerfolg zusammenhängen, oder ob weitere, nicht-

kognitive Faktoren, berücksichtigt werden müssen, ist Gegenstand verschiedener

Untersuchungen (z. B. Renkl, 1997b; van Boxtel, van der Linden & Kanselaar,

2000; Webb, Ender & Lewis, 1986).

Kommunikative Handlungen werden traditionell als menschliche Interaktionsform

untersucht. Im Zeitalter der Computerisierung werden verstärkt Computer-

Mensch-Kommunikationsszenarien untersucht. Im Rahmen von Mensch-

Computer-Kooperationsprozessen (z. B. Hoppe & Ploetzner, 1999) fungiert der

Computer meist als Experten- und Tutoringsystem (z. B. Person & Graesser,

1999). Dabei werden typische Dialogstrukturen des zwischenmenschlichen Tuto-

rings auf die Mensch-Computer-Kommunikation übertragen.

5.3 Soziokulturelle und situierte Ansätze des kooperativen Lernens

Für die meisten soziokulturellen und situierten Ansätze des kooperativen Lernens

bildet der kulturhistorische Ansatz von Wygotsky (1986) die Basis. In diesem An-

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38

satz beschreibt Wygotsky, dass alle höheren psychischen Funktionen sozio-

kulturell vermittelt sind. In der jeweiligen spezifischen Umwelt erarbeiten sich Indi-

viduen in der Interaktion mit anderen die kulturellen Werkzeuge und Symbole die-

ser Umwelt (vgl. Hogan & Tudge, 1999).

Diskursprozesse und -strukturen werden in einem komplexen Zusammenspiel von

Externalisierung und Internalisierung zu einem Element der intraindividuellen Re-

gulationsprozesse.

Meist unterschiedlich kompetente Partner sozialer oder kultureller Gruppen kon-

struieren im gemeinsamen Diskurs Wissen external. Dabei unterstützen die kom-

petenteren Partner die weniger kompetenten Partner idealerweise in einer Zone

der nächsten Entwicklung (Wygotsky, 1986). In dieser Zone der nächsten Entwick-

lung können Lernende aufgrund der Unterstützung durch den sozialen und physi-

kalischen Kontext Aufgaben bearbeiten, die über ihren aktuellen Entwicklungs-

stand hinausgehen.

Die Internalisierung führt zu einer Veränderung bei dem Individuum und damit sei-

ne Zone der nächsten Entwicklung. Durch diese Veränderung wird idealerweise

auch die Externalisierungen der Lernpartner der Gruppe gefördert. Aus dieser

Perspektive lässt sich die gemeinsame Wissenskonstruktion definieren als eine

durch andere unterstützte individuelle Aneignung sozialer Konstruktionen.

Ansätze des situierten Lernens befassen sich auf dieser Basis mit der gemeinsa-

men Wissenskonstruktion. Im Fokus steht die Fragestellung, wie Wissen in Grup-

pen gemeinsam konstruiert und geteilt wird. In Learning Communities oder Com-

munities of Practice lernen Gruppen in komplexen konstruktivistischen Lernset-

tings (z. B. Brown et al., 1993; Gerstenmaier und Mandl, 2001; Greeno, 1998;

Hewitt & Scardamalia, 1998; Scardamalia & Bereiter, 1994).

Konstruktivistische Ansätze des situierten Lernens gehen von folgenden Kernan-

nahmen aus:

• Bestimmte Konzepte sind nicht richtig oder falsch, sondern nur mehr o-

der weniger funktional für unterschiedliche physikalische und soziale

Kontexte. Damit funktionales Wissen erworben werden kann, muss es in

der Interaktion mit dem sozialen und physikalischen Kontext konstruiert

werden (z. B. Collins, Brown & Newmann, 1989).

• Wissen ist nicht ausschließlich in den Köpfen der Lehrenden und Ler-

nenden repräsentiert, sondern kann auch im physikalischen und sozialen

Kontext distribuiert sein (Salomon, 1993). Daher ist die Aneignung von

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39

Wissen durch das Individuum im Diskurs nicht gleichzusetzen mit der

Konstruktion von "in-the-head tools" (Perkins, 1993), d. h. von individuel-

len kognitiven Wissensstrukturen.

5.4 Kooperatives Lernen durch den argumentativen Diskurs

Die Forschung zum argumentativen Diskurs in der Sprachpsychologie und den

Sozialwissenschaften die längste Historie (z. B. Spranz-Fogasy, Hofer & Pi-

kowsky, 1992; Toulmin, 1958).

Aber auch in anderen der Wissenschaft wurde der argumentative Diskurs in unter-

schiedlichen Zusammenhängen untersucht.

So erforschten Kuhn, Shaw und Felton (1997) Entwicklung der argumentativen

Kompetenz bei Kindern und Erwachsenen aus der Perspektive der Entwicklungs-

psychologie.

Der Zusammenhang von logischem Denken bei Kindern oder Erwachsenen und

formal logischen Modellen bildet einen zentralen Forschungsschwerpunkt im pä-

dagogisch-psychologischen Bereich (z. B. Anderson, Chinn, Chang, Waggoner &

Yi, 1997; Means & Voss, 1996).

Im Rahmen der Lehr-Lernforschung steht die argumentative Kompetenz von Ler-

nenden im Mittelpunkt. Die Frage nach den förderlichen Faktoren für die Entwick-

lung dieser Kompetenz ist auch bei den Forschungen zum kooperativen Lernen

von besonderer Bedeutung (z. B. Suthers & Hundhausen, 2001; Leitao, 2000).

Die Auseinandersetzung mit dem argumentativen Diskurs beim kooperativen Ler-

nen erfolgt aus zwei Richtungen:

• Aus der ersten Perspektive wird die argumentative Kompetenz als Vor-

aussetzung für gemeinsame Wissenskonstruktion angesehen. Durch den

eigentlichen argumentativen Diskurs steigt in dieser Betrachtung die

Qualität des erworbenen Wissens, in dem die Lernenden miteinander E-

videnz und Gegenevidenz für die geäußerten Behauptungen und Über-

zeugungen und gewichten konkurrierende Thesen hinsichtlich der positi-

ven und negativen Evidenz suchen (Derry, 1999). Je nach Ergebnis ver-

ändern die Lerner ihre Wissensstrukturen dementsprechend.

In dem konkreten methodischen Vorgehen empfiehlt Leitao (2000) dass

als Basiseinheit des argumentativen Diskurses mindestens ein Argument

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40

und ein Gegenargument analysiert werden und gemeinsam eine Antwort

auf das Gegenargument gefunden wird.

• Die zweite Perspektive beschreibt argumentative Kompetenz als Ziel der

gemeinsamen Wissenskonstruktion beim kooperativen Lernen. Dabei ist

die argumentative Kompetenz nicht isoliert, sondern vielmehr im Zu-

sammenhang mit den weiteren sozialen Kompetenzen (z. B. Christmann,

Mischo & Groeben, 2000).

Derry (1999) beschreibt den Erwerb von argumentativer Kompetenz als komple-

xen Prozess, in dem zwei Typen von Wissen unterschieden werden können, Wis-

sen über die Form und Wissen über die Inhalte der Argumente.

Das Verständnis der Bestandteile eines Argumentes und ihrer Relationen zuein-

ander ist das Wissen über die Form und das Verständnis der Evidenz von Argu-

menten kennzeichnet das Wissen über den Inhalt.

Insbesondere die Einschätzung der Evidenz von Argumenten und die schlussfol-

gernde Argumentation mit diesen Evidenzen fällt häufig auch Erwachsenen

schwer (z. B. Kuhn, 1991; Kuhn et al., 1997).

5.5 Kollektive Informationsverarbeitung als Form des kooperativen Ler-

nens

Grundannahme der Ansätze der kollektiven Informationsverarbeitung ist, dass die

Gruppe Merkmale der Informationsverarbeitung aufweist, die die beteiligten Indivi-

duen in dieser Form nicht zeigen. Die Gruppe als Ganzes ist dabei ein informati-

onsverarbeitendes System (z. B. Larson & Christensen, 1993).

Die verschiedenen Ansätze haben unterschiedliche Schwerpunkte: den Einfluss

von mentalen Modellen in Teams auf deren Koordination und Teamleistung Kli-

moski und Mohammed (1994); Entwicklung und Auswirkungen von überindividuel-

len Gedächtnissystemen (Wegner, 1987; Moreland, Argote & Krishnan, 1996);

nach den Charakteristika der Informationsnutzung bei Gruppenentscheidungen

(Stasser, 1999) oder auch nach Konsens- und Dissenseffekten in Entscheidungs-

situationen (z. B. Frey & Schulz-Hardt, 2000; Janis, 1982).

Im Rahmen von Ansätzen des kooperativen Lernens geht es vor allem um die A-

nalyse der gemeinsamen Wissenskonstruktion (Fischer & Mandl, 2001a; vgl. Sa-

lomon & Perkins, 1998).

Hinsz, Tindale und Vollrath (1997) definieren die Informationsverarbeitung auf

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Gruppenebene folgendermaßen:

"We defined group-level information processing as the degree to which information, ideas, or cognitive processes are shared, and are being shared, among the group members and how this sharing of in-formation affects both individual- and group-level outcomes" (S. 53).

Hinsz, et al. (1997) unterschieden in einer Zusammenschau der Forschungser-

gebnis zwei Prozessrichtungen, die bei der Erklärung oder Vorhersage der Grup-

penleistung berücksichtigt werden müssen:

• Die Prozesse bei der Identifikation und Anwendung wichtiger Beiträge

(wie etwa Ressourcen, Skills, Wissen), die die einzelnen Mitglieder in der

Interaktion und bei der Aufgabenbearbeitung einbringen;

• die Prozesse, die über die Integration der verschiedenen Einzelbeiträge

zum Gruppenergebnis führen.

Im dem pädagogisch-psychologischen Bereich wird der Zusammenhang von ko-

operativem Lernen durch gemeinsame Wissenskonstruktion mit den beobachteten

individuellen Differenzen bei den Lernergebnissen untersucht (Fischer, Bruhn,

Gräsel & Mandl, 2002; Renkl, 1997b).

Insbesondere die Frage, wie beim gemeinsamen Problemlösen im Diskurs aus

individuellem Wissen geteiltes Wissen wird und wie die Konstruktion geteilten

Wissens mit individueller Veränderung verknüpft ist (Roschelle, 1996; Roschelle &

Teasley, 1995), bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für die gleichwertige Berück-

sichtigung von Individuum und Gruppe.

6 Situiert-konstruktivistisches Lernen in konfliktinduzierenden

Prozessen als Bestandteil einer lebensbegleitenden Lernkul-

tur

6.1 Lernen und Entwicklung als Konstruktionsprozess

Erkenntnisgewinn basiert nach Piaget (1970/1983; 1999) auf Lernen durch Erfah-

rung. Der Lernprozess ist eine Integration von Umweltreizen mit der Entwicklung

der internen kognitiven Strukturen (1970/1983, S. 39).

In Abgrenzung zu behavioristischen Positionen setzt Lernen bei Piaget immer sub-

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jektive Konstruktionen voraus. Die Strukturen werden in Interaktion mit der Umwelt

differenziert und weiter ausgebildet. "Lernen ist also nichts anderes als ein Ab-

schnitt in der kognitiven Entwicklung, der durch Erfahrung gebahnt oder vorange-

trieben wird" (1970/1983, S. 48). Wenn Lernen zu tiefem Verständnis führen soll,

sollte der Lernprozess und Analyse der Lernergebnisse durch den Lernenden

selbst gestaltet werden:

„Dagegen ruft Lernen unter externer Bekräftigung (indem man der Versuchsperson z.B. gestattet, die Ergebnisse zu beobachten, die sie eigentlich selbst hätte ableiten sollen, oder indem man sie ihr mündlich mitteilt) entweder sehr wenig Veränderung im logischen Denken hervor oder eine augenfällige momentane Veränderung oh-ne wirkliches Verständnis.“ (1970/1983, S. 48)

Hoppe-Graff (1993b) versteht Lernen als Aktivität , die jede "Form von Verände-

rungen kognitiver Fähigkeiten und Fertigkeiten in Folge von Erfahrungen" (S. 313)

umfasst.

Damit Lernprozesse zu nachhaltigem Lernerfolgen und Verhaltensänderungen

führen muss nach Piagets der Lernstoff in die kognitiven Strukturen des Indivi-

duums integriert (assimiliert) werden und zu Veränderungen in den kognitiven

Strukturen führen (vgl. auch Tomic & Kinma, 1996).

6.2 Gestaltungsprinzipien situierter Lernprozesse

Situierte Lernprozesse sollen so gestaltet werden, dass aktives Wissen erworben

werden kann, welches zur Lösung anstehender oder zukünftiger Probleme direkt

oder indirekt nutzbar ist. Auf jeden Fall müssen die Lernenden den potentiellen

Nutzen des erworbenen Wissens für reale Herausforderungen erkennen und ver-

stehen.

Situiertes Lernen fordert eine Balance zwischen Instruktion und Konstruktion.

Konstruktion beschreibt hierbei den Prozess aller aktiv-konstruktiven Leistungen

der Lernenden sowohl allein als auch in der Gruppe gemeint. Konstruktion um-

fasst somit Eigen- bzw. Gruppeninitiative, (kooperative) Selbststeuerung und

Selbstverantwortung. Dabei heißt „aktiv“ nicht unbedingt sichtbare Aktivität; auch

nicht unmittelbar beobachtbare kognitive und motivationale Aktivitäten sind in der

Konstruktion einbezogen. Mit dem Begriff der Instruktion sind die anleitenden und

unterstützenden Aktivitäten der Lehrenden gemeint, zu denen nicht nur kognitive,

sondern auch emotional- motivationale Maßnahmen gehören.

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Für die Gestaltung von Lernumgebungen zum situierten Lernen lassen sich ver-

schiedene Grundprinzipien festhalten (vgl. z. B. Gerstenmaier & Mandl, 1995,

2001):

• Situiertes Lernen verlangt nach authentischen Kontexten:

So oft es geht, ist eine Lernumgebung so zu gestalten, dass sie den

Umgang mit realen Problemen und authentischen Situationen ermöglicht

und/oder anregt.

• Situiertes Lernen erfordert multiple Kontexte:

Um zu verhindern, dass situativ erworbenes Wissen auf einen bestimm-

ten Kontext fixiert bleibt, ist eine Lernumgebung möglichst so zu gestal-

ten, dass spezifische Inhalte in verschiedene Situationen eingebettet

werden können. Multiple Kontexte fördern einen flexiblen Umgang mit

dem Gelernten und unterstützen dessen Transfer.

• Situiertes Lernen macht soziale Lernkontexte notwendig:

Auch wenn Lernen auf den ersten Blick vor allem ein individueller Pro-

zess ist, spielen soziale Aspekte eine große Rolle. Bei der Gestaltung ei-

ner Lernumgebung sollten möglichst oft soziale Lernarrangements integ-

riert werden, um kooperatives Lernen und Problemlösen sowie Prozesse

zu fördern, die die Entwicklung einer Lern- und Praxisgemeinschaft för-

dern.

• Situiertes Lernen verlangt darüber hinaus auch nach einem instruktio-

nalen Kontext:

Die instruktionale Unterstützung seitens des Lehrenden in Form von Mo-

dellieren und Anleiten, Unterstützen und Beraten ist von großer Bedeu-

tung. Wo Anleitung und Unterstützung erforderlich sind, muss sie den

Lernenden gegeben und bei Bedarf ausgeblendet werden. Flexible Lern-

umgebungen stehen und fallen mit einer adaptiven Instruktion.

7 Gestaltung von Lernumgebungen auf der Grundlage situierten

Lernens

Das Arrangement von Methoden und Techniken, Lernmaterial und Medien ein-

schließlich des sozio-kulturellen Kontextes und der aktuellen Lernsituation lässt

sich unter dem Begriff Lernumgebung subsumieren.

Das besondere an diesen "Umgebungen" liegt somit in der Betonung und Auf-

merksamkeit, die sich auf das Lernen richtet: Im Blickpunkt stehen die Prozesse

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des Lernens, zu deren Optimierung die Lernumgebung beitragen soll. Ziel ist es,

Lernaktivitäten beim Individuum zu bewirken, die Wissen aufbauen und verfügbar

machen.

Lernumgebungen können nach unterschiedlichen didaktischen Grundorientierun-

gen ausgerichtet werden.

7.1 Grundformen von Lernumgebungen

Traditionell werden drei Grundorientierungen angeführt, die dem Lehrenden unter-

schiedliche Prinzipien zur Förderung des Wissenserwerbs zur Verfügung stellen

(Mandl, 1993b).

Die Grundorientierungen unterscheiden sich vor allem in den zugrunde liegenden

Annahmen zum Lernen, aus denen dann entsprechende Leitlinien zur Gestaltung

von Lernumgebungen abgeleitet werden. Aus der Betrachtung heraus ergeben

sich drei Grundformen von Lernumgebungen:

• Systemvermittelnde Lernumgebungen

• Problemorientierte Lernumgebungen

• Adaptive Lernumgebungen.

7.1.1 Systemvermittelnde Lernumgebungen

Der Gestaltung von Systemvermittelnden Lernumgebungen liegt eine rezeptive

Auffassung von Lernen zugrunde. Die Lernenden sind hier weitgehend passiv; die

Lernumgebung vermittelt ihnen fertige Systeme an Wissensbeständen.

Es wird davon ausgegangen, dass das vorhandene Wissen eines Fachgebietes

eine spezifische Struktur hat und zu Instruktionszwecken entsprechend systema-

tisch organisiert werden kann. Die Lernenden erwerben vor allem Faktenwissen,

wobei sie von außen stark angeleitet und kontrolliert werden

7.1.2 Problemorientierte Lernumgebungen

Den problemorientierten Lernumgebungen liegt eine Ausrichtung nach explorati-

ven Konzepten zum Lernen zu Grunde. Die konstruktive mentale Aktivität des

Lernenden ist demnach notwendige Voraussetzung für jeden Wissenserwerb. Un-

ter Einbezug des Kontextes sind Lernende aktiv, erarbeiten sich selbst neue Inhal-

te und Fertigkeiten. Die Lernumgebung bietet lediglich geeignete Probleme an und

stellt "Werkzeuge" zur Problembearbeitung bereit.

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45

7.1.3 Adaptive Lernumgebungen

Adaptive Lernumgebungen orientieren sich an Annahmen zur individuellen Wis-

senskonstruktion. Die Lernumgebung gewährt Freiraum für individuelle Wissens-

konstruktion, bietet gleichzeitig vielfältige Möglichkeiten gezielter Unterstützung

an.

Der Lehrende wird Berater und Prozessbegleiter. Die Komplexität der Inhalte wird

gewahrt, aber an den Wissensstand der Lernenden angepasst.

7.2 Lernumgebungen zum situierten Lernen

Die situierte Lernumgebung, als Kombination aus Forschungsergebnissen von

problemorientierten und adaptiven Lernumgebungen, soll dazu beitragen, das

Lernen zu erleichtern und zu verbessern. Ziel ist es, dem einzelnen Menschen

Lernaktivitäten zu ermöglichen, die Wissen aufbauen und verfügbar machen.

Bei der Gestaltung situativer Lernumgebungen wird die Auswahl von didaktischen

Grundorientierungen und Methoden an die aktuellen situativen Bedingungen, an

die Zielgruppe sowie an die Ziele und Inhalte des jeweiligen Lernprozesses ange-

passt. Die dafür geltenden Grundsätze sind:

• Es soll an komplexen, authentischen Problemen gelernt werden, die zu-

nächst noch einer eingehenden Problemdefinition bedürfen. Diese soll-

ten zudem interessant und intrinsisch motivierend sein.

• Ein zweiter Grundsatz betrifft die Artikulation und Reflektion des Gelern-

ten zur Abstrahierung des Wissens.

• Das Prinzip der multiplen Perspektiven besagt, dass Kenntnisse in ver-

schiedenen Kontexten und unter unterschiedlichen Zielsetzungen gelernt

und angewendet werden sollen, um so mit einer Vielzahl von Anwen-

dungsbedingungen verknüpft zu werden.

• Eine letzte Grundlage betrifft das Lernen im sozialen Austausch, d.h. ko-

operative Lernen und Arbeiten in Gruppen.

Die "Anchored-Instruction-Ansatz" gehört neben dem "Cognitive-Apprenticeship-

Ansatz" und der "Cognitive-Flexibility-Theorie" zu den drei bekanntesten Ansätzen

des situierten Lernens.

7.2.1 Situierte Lernumgebung: Der Anchored-Instruction-Ansatz

Dem Anchored-Instruction-Ansatz übernimmt aus dem Konstruktivismus die An-

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nahme, dass es in der Struktur der Welten genügend Freiheitsgrade gibt, die es

den Menschen erlauben, ihre eigenen persönlichen Theorien über ihre Umwelten,

sich selbst und über die Theorien anderer anzustellen (Bransford et al., 1989;

Cognition and Technology Group at Vanderbilt, 1990, 1991).

Die Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1991, 1992) beschreibt Wis-

sen als einen Prozess, in dem die eigenen Annahmen an anderen Personen und

deren Annahmen getestet werden. Gedankengebäude, die größtenteils miteinan-

der konsistent seien, würden von Gruppen erschaffen, die kontinuierlich die Be-

deutung von Beobachtungen, Daten, Hypothesen usw. aushandeln.

Hauptziel des Anchored-Instruction-Ansatzes ist es daher, die Lernenden zu er-

muntern, sozial akzeptable Systeme zu schaffen, mit denen sie ihre Annahmen

und Meinungsunterschiede entdecken können. In einer modernen Lernumgebung

sollen die Lernenden nicht mit Wissen gefüttert werden, sondern die Werkzeuge

erhalten, mit denen sie das Wissen selber auffinden und strukturieren können.

Dies bedeutet, dass komplexe Ankerreize gesetzt werden, die den Lernenden an-

regen, sich intensiv mit Problemen auseinanderzusetzen. Dies ist so wichtig, weil

die Schwierigkeiten, das Wissen anzuwenden schon in der Art des Wissenser-

werbs begründet liegen (vgl. z. B. Strittmatter & Niegemann, 2000).

7.2.2 Situierte Lernumgebung: Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz

Erwachsene Lerner scheinen eher passive Lerner zu sein, optionales Lernmaterial

wenig zu gebrauchen und auch Hilfesysteme kaum einzusetzen; unabhängig da-

von, ob sie Hilfe nötig haben oder darauf hingewiesen werden (BRUJIN 1995).

Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz setzt hier an. Er stellt eine präskriptive Me-

thode dar, die ein Gerüst zum Analysieren und Sequenzieren von Inhalten bietet,

und sie erarbeitet Strategien zum Lernen in verteilten und verschiedenen Umge-

bungen (Casey, 1996; Collins, Brown & Newmann, 1989). Wichtig ist dabei be-

sonders der Unterschied zwischen Verstehen und Wissen. Verstehen bedeutet

Aneignung und Bedeutungsübertragung und führt zu sinnstiftenden Aktivitäten

(Chee 1995). Besonders das Verstehen soll durch Cognitive-Apprenticeship-

Ansatz gefördert werden.

Da dieser Ansatz eine sehr gute methodische Basis für ein gestuftes Unterstüt-

zungskonzept bietet, soll hier eine detaillierte Darstellung der Strategien des

Cognitive-Apprenticeship-Ansatzes erfolgen. Die Ausführungen orientieren sich

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47

weitgehend an denen von Casey (1996).

In vier Sektionen können 18 Strategien ausgemacht werden:

7.2.2.1 Sektion: Inhalt (content)

• domain knowledge – konkrete und abstrakte Darstellungen

• heuristic strategies – Regeln und Konzepte von Teilgebieten, die auch

ohne den Gesamtzusammenhang gültig sind

• control strategies – das Lernerverhalten wird beobachtet und beurteilt

und dementsprechend die Lernersteuerung ausgerichtet

• learning strategies – unterschiedliche Sichtweisen des Lernstoffs för-

dern ein individuelles Bild der Zusammenhänge

7.2.2.2 Sektion: Strategie (strategy)

• modeling – Experten erklären Zusammenhänge

• coaching – die Lernenden bekommen zu bestimmten Situationen Hin-

weise, die sie ihrer Lösung näher bringen

• scaffolding + fading – scaffolding bietet frühe Unterstützung bei dem

Erwerb des Grundwissens zu einem Thema, dies wird erreich durch mo-

deling und feedback, bei fortschreitendem Wissensstand werden die Hil-

festellungen reduziert oder ganz ausgeblendet (fading)

• articulation – Lernende sollen ihr erworbenes Wissen mitteilen, hier

werden Fehlvorstellungen offensichtlich, und die Lernenden ermitteln ih-

ren Wissensstand

• reflection – dadurch werden Lernende in die Lage versetzt, ihre Prob-

lemlöseprozesse mit denen von anderen Lernenden und Experten zu

vergleichen und ein eigenes kognitives Modell der eigenen Fähigkeiten

zu gewinnen

7.2.2.3 Sektion: Sequenz (sequence)

• increase complexity – das Erschließen der Inhalte soll von einfachen

zu komplexen Darstellungen erfolgen

• increasy diversity – horizontale Erweiterung des Wissens entlang einer

Erkenntnisebene soll gefördert werden. Inhalte sollen gemäß einem top-

down- Prinzip präsentiert werden, die vertikale Erschließung erfolgt vor

der horizontalen

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7.2.2.4 Sektion: Soziologie (sociology)

• situated learning – eine realitätsnahe Umgebung ist erforderlich, damit

die Lerner verstehen warum sie lernen was sie lernen, da die Lerner

durch Handeln mehr lernen als durch Zuhören, da die Lerner ausprobie-

ren können, welche Strategien in gegebenen Situationen funktionieren

und welche nicht, und weiterhin lernen die Lerner problemlösendes Ver-

halten in unterschiedlichen Kontexten.

• simulation – hier sollen die Möglichkeiten des situated learning tatsäch-

lich zur Verfügung stehen, die Simulation ist realitätsnäher als das situ-

ierte Lernen

• culture of expert practice – die Kommunikation mit Experten ist wichtig,

damit die Lerner Expertenlösungen kennen lernen und die Experten die

Fehler in ihren Lösungen besser verstehen; Expertendiskussionen am

Computer zu simulieren ist zur Zeit kaum möglich, da die künstliche Intel-

ligenz dazu noch nicht ausreicht und kostspielige Expertensysteme nur

in Spezialbereichen zur Verfügung stehen, daher sind Diskussionen zwi-

schen den Lernenden (in Kleingruppen) und mit realen Experten vorzu-

sehen.

• intrinsic motivation – ob Innenmotivation durch Multimedia gesteigert

werden kann, ist fraglich, auch wenn die Verweildauer in der Umgebung

während der Benutzung ansteigt, ist damit nicht unbedingt von gesteiger-

ter Innenmotivation zu sprechen.

• exploiting cooperation – durch Kooperation mit realen Menschen kön-

nen neue Perspektiven eröffnet werden, das Wissen anderer kann ge-

nutzt werden, Wissen muss artikuliert werden und wird dadurch auch ge-

testet und gefestigt, durch das Offenlegen der Denkprozesse bei den

Lernenden werden fehlerhafte Konzepte eher erkannt.

7.2.3 Situierte Lernumgebung: Die Cognitive-Flexibility-Theorie

Die wachsende Komplexität bei zunehmender Lerntiefe sowie der Transfer des

in einem Thema Gelernten auf andere Sachverhalte und in die Praxis erfordern

authentische Lernumgebungen die dazu anregen das Gelernte auf andere Situati-

onen und Kontexte zu übertragen. Die Cognitive-Flexibility-Theorie (Spiro et al

1987, 1988; 1995) bietet den Rahmen dafür, dass Lernende ihr in einer Situation

erworbenes Wissen selbständig je nach Beschaffenheit der neuen Situation über-

tragen, umstrukturieren und anwenden können. Dabei nutzt Spiro die zentrale Me-

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tapher der "criss-crossed landscape", also eine kreuz und quer zu durchschreiten-

de Landschaft. Die einzelnen Lernthemen werden behandelt, als bildeten sie eine

komplexe Landschaft. Die verschiedenen Regionen dieser Landschaft muss der

Lernende in verschiedene Richtungen durchstreifen, um ein Bild der Komplexität

mit wechselnden Kontexten und Perspektiven zu gewinnen. Eine solche Vorge-

hensweise erzeugt netzartig verknüpfte Wissensstrukturen, die ihrerseits eine grö-

ßere Flexibilität erlauben.

Ein Schlüsselkonzept der Cognitive-Flexibility-Theorie heißt Repetition ohne

Replikation. Das bedeutet, dass fallbezogene Information in verschiedenen Zu-

sammenhängen dargeboten wird. Dadurch soll auch erreicht werden, dass die

Information verschieden codiert wird und später auch in verschiedenen Kontexten

wieder zur Verfügung steht. Indem klar wird, auf wie vielfältige Weise Themen

miteinander verwoben sind, wird verhindert, dass ein Schema oder wenige Sche-

mata die anderen dominieren. Multiple Repräsentation soll eine "dreidimensionale

Sicht" vermitteln. Jedes Schema ist auf seine Weise richtig, da es einen eigenen

Blickwinkel vermittelt.

Zentrales methodisches Element der Cognitive-Flexibility-Theorie ist der Mini-

Case, ein aus einem größeren Kontext abgeleiteter Teil. Grund für diese Fragmen-

tierung ist die bessere Handhabbarkeit von Mini-Cases. In einem wenig struktu-

rierten Wissensgebiet ist abstraktes bzw. generalisiertes Konzeptwissen oft zu

sperrig, um der Variabilität von Merkmalsausprägungen und Ereignissen gerecht

zu werden.

Die aufbereiteten Mini-Cases stellen eine Art komprimierte Alltagserfahrung dar.

Sie sollen sozusagen im Zeitraffer individuelle Erfahrung simulieren, die zu sam-

meln im realen Leben viel länger dauern und viel mehr dem Zufall unterliegen

würde.

Auf diese Weise wird Komplexität transparent. Um sie zu begreifen, muss der

Fortgeschrittene nicht mehr die Übergeneralisierungen seines Anfängerstadiums

über Bord werfen. Es gibt diese Übergeneralisierungen nicht mehr, weil die In-

struktion im Rahmen der Cognitive-Flexibility-Theorie nicht vom Einfachen zum

Komplexen schreitet. Stattdessen bietet sie dem Anfänger "mundfertige" Aus-

schnitte aus einem komplexen Wissensgebiet. Es werden dem Lernenden ver-

schiedene Repräsentationen gegeben, die sich jedoch zunächst nur auf einen klei-

nen Bereich beziehen.

So wird der Lernende bereits von Anfang an mit der Tatsache vertraut gemacht,

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50

dass jeder einzelne Fall komplex ist und sowohl Unterschiede zu und Gemein-

samkeiten mit anderen Fällen enthält. Der Prozess der differenzierten Wissens-

übertragung gewinnt also an Bedeutung - die Fähigkeit, von mehreren Fällen rele-

vante Informationen auf einen neuen Fall zu übertragen.

8 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen und

Handlungsfelder

Nachfolgend werden zentrale Entwicklungen im Bereich des Lernens im Netz und

mit Multimedia kurz skizziert, wichtige Handlungsfelder für eine erfolgreiche Imp-

lementierung beleuchtet sowie künftige Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt.

8.1 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen der kürzeren Ver-

gangenheit und der Stand heute

Die Frage, welche Medien und Methoden zur Gestaltung von Lernprozessen ein-

gesetzt werden sollen, ist nicht neu.

Bereits um 1800 entbrannte diese Diskussion infolge der massenweisen Verbrei-

tung von Büchern und Druckschriften. Bereits um 1900 entwickelte sich die neue

Lernform des Fernunterrichts. Dabei ist besonders interessant, „dass die Perspek-

tiven und Ansätze des Fernunterrichts zu Beginn des 20. Jahrhunderts große Teile

der Kosten-Nutzen-Diskussion um das E-Learning (Orts- und Zeitunabhängigkeit)

am Ende des Jahrhunderts bereits vorwegnehmen“ (Messerschmidt & Grebe,

2003).

Die Entwicklungen im 20. Jahrhundert bis heute lassen sich wie folgt zusammen-

fassen:

Seit den 60er Jahren gibt es Ansätze der Integration von Medien in die Prozesse

der betrieblichen Bildung. Die Zielsetzungen, theoretischen Fundierungen sowie

die Herangehensweisen in den Unternehmungen waren sehr unterschiedlich. Die

gemachten Erfahrungen ebenso. Man denke nur an die Auswirkungen der Erfah-

rungen mit der Programmierten Unterweisung der 70er Jahre, die zu einer lang-

andauernden Ablehnung jeglicher Lernprogramme in den Unternehmungen führte.

Bereits damals war von hybridem Lernen die Rede.

In den 80er Jahren führte in verschiedenen Unternehmungen die Euphorie beweg-

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51

te Realbilder in Lernprogramme einbinden zu können, zu einer großen Investiti-

onsbereitschaft in die Entwicklung multimedialer Lernprogramme sowie die not-

wendigen Hard- und Softwareressourcen (z.B. Bildplattenspieler).

Ende der 80er Jahre wurden dann die ersten Selbstlernzentren gegründet.

Schwerpunkte bei diesen Ansätzen waren Überlegungen, an welchen Lernorten

zu welchen Lernzeiten die Mitarbeiter welche Lernprogramme lernen konnten bzw.

sollten.

Die Vereinfachung der Produktion, Speicherung und Einsatzanforderungen führte

Anfang der 90er Jahre zu einer Verbreitung von Computer-Based-Training-

Programmen in den Unternehmungen. Bestimmte Trainingsinhalte wurden

schwerpunktmäßig oder auch ausschließlich mit Lernprogrammen abgedeckt.

In dieser Zeit gab es in Deutschland auch die ersten Ansätze satellitengestützer

interaktiver Lernformen. Im Vordergrund standen die technischen Herausforde-

rungen der Satellitentechnologie und der terrestrischen Rückkanäle sowie die

Möglichkeit der weltweiten Verbreitung aktuellster Inhalte. Ansätze wie virtuelle

Klassenzimmer oder Business-TV entwickelten sich aus diesen Erfahrungen. Mul-

timedia wurde zum Schlagwort dieser Zeit.

Mitte der 90er Jahre wurden verstärkt multimediale Hardware und Kommuni-

kationsnetze in den Unternehmungen eingeführt. Es wurden Bildungsserver auf-

gebaut, die den Mitarbeitern einen permanenten Zugriff auf Datenbanken, gefüllt

mit unterschiedlichsten Web-Based-Training-Programmen, erlaubten. Lebenslan-

ges Lernen wurde zum Leitgedanken in Europa.

Heute ist das Internet die weltweite Plattform für elektronische Kommunikation und

Datenaustausch in den Unternehmungen. Somit steht den Unternehmungen eine

technische Infrastruktur zur Verfügung, die alle Voraussetzungen für die Medienin-

tegration in Lern- und Arbeitsprozesse bietet.

Die nächste Stufe der Mediennutzung, das Mobile-Learning ist bereits heute ein

Thema der angewandten Wissenschaft.

So unterschiedlich die technischen Möglichkeiten früherer und heutiger Ansätze

der Medienintegration in Lern- und Arbeitsprozesse auch sind, ihnen ist eines ge-

mein: Ausgeprägte Technikzentriertheit.

Die Akteure beim Blended-Learning, Personalentwickler, Trainer, Lerner, und un-

terstützenden Führungskräfte wurden und werden genauso häufig vernachlässigt

wie das organisationale Umfeld mit seinen Strukturen, Kulturen und Prozessen.

Page 51: Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver ... · Impressum Das Material „ Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte mittels Internet und Multimedia in

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Dieser, momentan in den meisten Unternehmungen anzutreffende Stand des

technikzentierten Lernens im Netz und mit Multimedia führte allerorten zur Ernüch-

terung.

Die Notwendigkeit der systematischen Entwicklung einer neuen Unternehmens-

und Lernkultur wird oft unterschätzt wird. Aber genau dieser Prozess wird einen

wesentlich längeren Zeitraum in Anspruch nehmen als die Entwicklung jeglicher

technischen Lösung.

8.2 Handlungsfelder für die erfolgreiche Implementierung von Ansätzen

zum Lernen im Netz und mit Multimedia in Unternehmungen

In dem Institutionalisierungsprozess von Ansätzen zum Lernen im Netz und mit

Multimedia spielen die Handlungsfelder Organisation, Mensch und Technik eine

zentrale Rolle. Erst die systemische Betrachtung dieser Bereiche sichert die er-

folgreiche Umsetzung entsprechender Ansätze in Unternehmungen.

8.2.1 Organisation und Organisationsentwicklung

Sollen Ansätze des Lernens im Netz und mit Multimedia in Unternehmungen funk-

tionieren, so setzt dies eine unternehmensinterne Veränderungsbereitschaft be-

züglich der Organisation und Organisationsentwicklung voraus.

Blended-Learning als integrales Qualifizierungsinstrument der Aus- und Weiterbil-

dung in einem Unternehmen erfordert Adaptionen grundlegender Strukturen, Pro-

zesse und Lern- und Arbeitskulturen.

Diese Umstrukturierungsprozesse sind nicht nur auf die Bildungs- und Personal-

entwicklungsabteilungen beschränkt, sondern betreffen alle zentralen Unterneh-

mensbereiche, das Personalmarketing, das Controlling, die Organisationsentwick-

lung und die zentrale IT-Abteilung. Initiiert und getragen werden müssen diese

Veränderungen vom Top-Management sowie den Führungskräften auf allen Ebe-

nen. Gleichzeitig sind eben nicht nur die Spitzen der Hierarchie, sondern alle Mit-

arbeiter in diesen Prozess involviert.

Auf der Strukturebene müssen organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen

werden, die dem Lernen den notwendigen Stellenwert und Freiraum gewährleis-

ten.

Auf der Prozessebene ist eine passgenaue Einführungsstrategie zu entwickeln,

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53

die berücksichtigt, dass die zwangsläufigen Veränderungen bei der Organisations-

und Personalentwicklung positiv gestaltet werden. Für die Umsetzung einer solch

ganzheitlichen Einführungsstrategie sollten die Realisierungsschritte jeweils die

Komplexität der Arbeits- und Lernrealität der Beteiligten authentisch widerspie-

geln.

Neben den notwendigen Veränderungen von Organisationsstrukturen und -

prozessen hat die Lernkultur einer Organisation weitreichende Auswirkung auf die

Nachhaltigkeit von Ansätzen des Lernens im Netz und mit Multimedia.

Nur wenn dem Lernen ein wesentlicher Stellenwert am Unternehmenserfolg zuge-

schrieben und es als tragendes Element in das Unternehmensleitbild eingebunden

wird, wird Lernens im Netz und mit Multimedia von den Akteuren akzeptiert und

mit Leben gefüllt.

8.2.2 Menschen im Unternehmen

Veränderungen bedingen Unsicherheiten und Ängste, die sich als Hemmnisse für

sinnvollen Wandel verselbstständigen können und rechtzeitig in der Strategieent-

wicklung aufgegriffen werden müssen.

Die notwendige Akzeptanz für alles Neue und Ungewohnte im Zusammenhang mit

Blended-Learning lässt sich nur dann erzeugen, wenn die Menschen im Unter-

nehmen möglichst frühzeitig informiert und in die laufenden Entwicklungsprozesse

und Einsatzmodelle eingebunden werden.

Hierbei sind nicht nur die Trainer und die zukünftigen Lerner zu berücksichtigen,

sondern alle „Mitgestalter“, die aus ihrer jeweils spezifischen unternehmerischen

Funktion heraus am Implementierungsprozess von Ansätzen des Lernens im Netz

und mit Multimedia beteiligt sind.

Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor ist in der notwendigen Qualifizierung der

betroffenen Menschen zu sehen. Trainer und Vorgesetzte müssen auf ihre neuen

Aufgaben vorbereitet und entsprechend qualifiziert werden. Insbesondere die

Trainer müssen ein verändertes Verständnis ihrer Rolle als Lehrende entwickeln:

Ihre Hauptverantwortung liegt nicht mehr in der Vermittlung von Wissen, sondern

vielmehr in der Betreuung und Beratung der Lernenden.

Die mit der Integration moderner Medien in Arbeits- und Lernprozesse verbunde-

nen Schlüsselqualifikationen wie Medien– und Selbstlernkompetenz können nicht

als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Hier bedarf es gezielter Qualifizie-

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rungsmaßnahmen und Coaching der Akteure.

Werden alle Menschen im Unternehmen mit der notwendigen Priorität motiviert

und qualifiziert, gibt erfolgreiches Lernen im Netz und mit Multimedia den Mitarbei-

tern die Option, ihre eigene (Mit-) Verantwortung für ihre Bildung wieder zu über-

nehmen.

8.2.3 Integration einer E-Learning-Infrastruktur in die bestehende IT-

Landschaft

Die technische Infrastruktur für das Lernen im Netz und mit Multimedia darf keine

Insellösung darstellen, sondern muss in die bestehende IT-Landschaft einer Un-

ternehmung integriert sein. Nur so ist gewährleistet, dass das Postulat der Ver-

schmelzung von Arbeits- und Lernprozessen auch eingelöst werden kann.

Die Infrastruktur - sei es in Form einer Lernplattform, eines Intra-/Extranets oder

eines ganzheitlichen Learning-Management-Systems - muss alle Prozesse des

Lernens, Wissensmanagements und Arbeitens unterstützen und integrieren. Dazu

gehören auch die Bereiche der Verwaltung und Betreuung der Lernenden sowie

des logistischen Services.

Die soft- und hardwaretechnische Infrastruktur sollte so aufgebaut sein, dass sie

den Leistungsanforderungen, den Geschäftszielen, der IT-Umgebung sowie der

Organisationskultur entspricht.

Um Kommunikations- und Kooperationsprozesse zu initiieren und durchzuführen,

müssen alle am Lernprozess Beteiligte (Lerner, Trainer, Führungskräfte etc.) je-

weils adäquate Werkzeuge nutzen können. Diese Werkzeuge unterstützen die

didaktische, administrative, transferorientierte Gestaltung der Prozesse.

8.3 Lernen im Netz und mit Multimedia – Zukünftige Entwicklungen

Lernformen und -prozesse entwickelten sich schon immer im adaptierten Wech-

selschritt zu den sich kontinuierlich verändernden Arbeitsprozessen in Unterneh-

men.

So werden sich auch die Formen des Lernens im Netz und mit Multimedia als eine

integrative Komponente der Lern- und Arbeitswelt weiter entwickeln.

Gerade die oft genannten Aspekte der Globalisierung, die immer schnelleren In-

novationszyklen sowie die Entwicklung zur wissensbasierten Dienstleistungsge-

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sellschaft erfordern immer flexibler einsetzbare Lernformen. Diese Lernformen

sollten situiert und praxisnah Wissenserwerb und Anwendung fördern.

In der weiteren Entwicklung der Ansätze des Lernens im Netz und mit Multimedia

in den Unternehmungen wird es von entscheidender Bedeutung sein, wie be-

darfsgerecht die Nahtstellen zwischen den notwendigen internen Veränderungs-

prozessen und den externen Produkt- und Dienstleistungsangeboten sein werden.

Auf den Ebenen Unternehmen, Menschen und technische Infrastruktur müssen

konsequent Veränderungsprozesses initiiert und begleitet werden, damit künftige

Ansätze nicht das Schicksal vieler Bildungsinnovationen teilen und in dem Stadi-

um glänzender Pilotprojekte verharren.

Der Wunsch von Anwendern, „alles aus einer Hand“ zu bekommen darf nicht dazu

führen, dass sie auf dem Markt nur noch Produkte und Dienstleistungen vorfinden,

die auf einem minimalen einheitlichen Standard ausgelegt sind oder aufgrund stra-

tegischer Allianzen der Anbieter mit Ausschließlichkeitscharakter nicht neutral und

flexibel zugeschnitten werden können.

Vielmehr muss es den Anbietern gelingen dem „Full-Service-Gedanken so intelli-

gent nachzukommen, dass individuell spezifische Kundenbedarfe auch mit diffe-

renten Produkt- und Dienstleistungskombinationen begegnet werden können.

8.4 Konfliktinduziertes Lernen im Netz und mit Multimedia – Zentrale An-

forderungen für die Kompetenzentwicklung

Erpenbeck (2004) stellt bei der Analyse des Verhältnisses von E-Learning und

Formen der Kompetenzvermittlung fest, dass

Die Folgerungen für die Unterstützung von Kompetenzentwicklung durch E-Learning sind also klar und gravierend: Da zur Ausbildung von Kompetenzen die Interiorisation von Werten erforderlich wird, ist jedes entsprechende Verfahren auf seine Potenzen zur Labilisie-rung, Irritation, Dissonanzerzeugung usw. abzuklopfen. Das ist bei der Vermittlung von Fach- und Methodenkompetenzen von geringe-rem, bei der Vermittlung von personalen, aktivitätsbezogenen und sozial-kommunikativen Kompetenzen von entscheidendem Gewicht. Es ist also immer zu fragen: Wie und in welchem Maße können bil-dungs- und informationstechnologische Methoden wie das E-Learning generell zur Wertinteriorisation und damit insbesondere zur Entwicklung von Kompetenzen beitragen? (S. 17)

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Insbesondere die Forderung der Labilisierung greift der Ansatz des konfliktindu-

zierten Lernens im Netz und mit Multimedia auf. Das Potenzial, kognitive – also

aus der Denktätigkeit des Lerners erzeugte –Konflikte, in denen Lernende auf-

grund der Interaktion mit ihrer Umwelt Störungen erleben und diese zu bewältigen

suchen, in situierten medienintegrierten Lernprozessen zu nutzen, ist aber erst in

Ansätzen erschlossen. Konfliktinduzierendes Lernen erfordert ein spezifisches

Lernarrangement. Hierbei stehen die Förderung aktiv-entdeckenden-

konstruierenden Lernens, die Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien sowie

ein gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von Konflikten im

Fokus:

• Förderung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens (indirekte Kon-

fliktinduzierung)

Ein Lernprogramm kann nur dann Konflikte induzieren, wenn es den

Lerner mit Situationen und Aufgaben konfrontiert, die eine Herausforde-

rung darstellen und eine interaktive Problemlösung erfordern. Der Lerner

muss motiviert werden, aktiv und neugierig an die Lösung der Aufgabe

heranzugehen. Er muss angehalten werden, sein Wissen zu reflektieren

und in der Interaktion mit dem Lernprogramm zu erweitern und anzu-

wenden.

• Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien (direkte Konfliktinduzie-

rung)

Ein zweites zentrales psychologisch-didaktisches Prinzip für konfliktindu-

zierende Lernumgebungen ist die Berücksichtigung bekannter Fehlan-

nahmen der Lerner. Die Anwendung dieser Fehlannahmen bei der Prob-

lemlösung führt zum Misserfolg, der unmittelbar einen Konflikt auslöst.

Durch das Erkennen dieses Misserfolges wird der Lerner angeregt, sich

intensiv mit der Problemlösung auseinander zu setzen und den Konflikt

aufzulösen.

• Gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von Konflik-

ten

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Damit die erlebten kognitiven Konflikte nicht zur Orientierungslosigkeit,

zu Frustration oder gar Resignation führt, muss der Lerner in konfliktin-

duzierenden Lernarrangements auf ein Hilfesystem zurückgreifen kön-

nen. Dieses Hilfesystem muss so gestuft sein, dass es die minimal not-

wendige Unterstützung dem Lerner bietet. Dadurch wird der Lerner zur

Reflexion des eigenen Wissens und der aktiven Gestaltung der Problem-

lösung angeregt, gleichzeitig mit der Konfliktsituation aber nicht allein ge-

lassen. Über ein gestuftes Hilfesystem wird sichergestellt, dass der Ler-

ner die Aufgaben- bzw. Konfliktlösung auch erreichen kann. Denn an-

dernfalls würde der erhoffte Lerneffekt ausbleiben.

9 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray

GmbH

Die memoray GmbH aus München ist ein marktführendes E-Learning Unterneh-

men erster Stunde mit einem Leistungsangebot mit den Schwerpunkten in den

drei Bereichen Contententwicklung, LMS-Implementierung und e-Learning-

Beratung.

9.1 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray GmbH

Für dieses Projekt wurde aus der Serie der Prêt-à-porter-Lernprogramme von

memoray ein mit dem Lernprogramm „Projektmanagement“ ein Programm aus-

gewählt, welches vom Thema und der Zielgruppenansprache ein großes Einsatz-

feld hat.

9.1.1 Das Thema Projektmanagement und die Zielgruppe

Viele Aufgabenstellungen in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen sind

heute so komplex, dass sie sich nur in Form von Projekten abwickeln lassen.

Kenntnisse im Projektmanagement sind da unerlässlich.

Strukturierte Organisation von Projektabläufen, fundierte Ressourcenplanung,

transparente Kosten- und Terminkontrolle, vorausschauendes Risikomanagement,

sicherer Umgang mit Änderungsanforderungen – dies sind nur einige der Anforde-

rungen an ein professionelles Projektmanagement.

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Dieses WBT wendet sich an Personen, die bislang noch nicht oder nur wenig mit

Projektaufgaben befasst waren. Es legt Wert auf leicht auffindbare, in „verdauli-

chen Portionen“ aufbereitete Informationen.

Das WBT besteht aus in sich geschlossenen Lernmodulen (Grundlagen bzw. Ver-

tiefung) und kann durch weitere Module beliebig ergänzt werden. Die einzelnen

Module haben eine Lernzeit von 15-20 Minuten.

9.1.2 Die Inhalte des Lernprogramms

Das WBT „Projektmanagement“ vermittelt Grundkenntnisse zu Fragen wie: „Was

ist überhaupt ein Projekt? Warum scheitern Projekte eigentlich?“, stellt Ihnen die

einzelnen Projektphasen vor und zeigt auf, welche Voraussetzungen Projektma-

nagement an Ihre Organisation und an die Projektleitung selbst stellt.

Es folgt dabei der Methodik des PMI® (Project Management Institute) – in vielen

großen Organisationen werden schon seit Jahren weltweit Projekte nach diesem

international gültigen Standard abgewickelt.

Die Inhalte des Lernprogramms sind im Einzelnen:

• Projektdefinition und –organisation

Kennzeichen von Projekten, Aufgabenfelder im Projektmanagement,

• Projektinitiierung

Aufgabenanalyse, Zielbildungsprozess, Umfangsplanung, Projektauftrag

• Projektplanung

Projektstrukturierung, Ablaufplanung, Ressourcenplanung, Projektplan

• Berichte – Risiken – Dokumentation

Berichtswesen, Berichtsarten, Risikomanagement, Projektdokumentation

• Projektdurchführung und –steuerung

Projektstatus, Projektfortschritt, Meilenstein-Trendanalyse, Kontrollbe-

richte

• Beschaffung – Änderung – Nachforderung

Beschaffungsmanagement, Change Requests, Nachforderungsmana-

gement

• Projektabschluss

Projektabnahme, Projektabschlussgespräch, Projektmarketing, Auflö-

sung

• Voraussetzungen für Projektmanagement

Kompetenzen einer Projektleitung, Anforderungen an die Organisation

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Abb. 1: Beispielseite aus dem Lernprogramm Projektmanagement der memoray GmbH. Kapitel Projektplanung, Seite Arbeitspakete.

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10 Konfliktinduzierende Variante des Lernprogramms „Projekt-

management“

Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray wurde in dem Modul „Pro-

jektplanung“ neu konzeptioniert und programmiert.

10.1 Gestalterische Konzeption der konfliktinduzierenden Moduls „Projekt-

planung“

Wie in der Literaturübersicht1 ausführlich ausgeführt, erfordert konfliktinduzieren-

des Lernen ein Lernarrangement, welches nach komplexen psychologisch-

didaktischen Prinzipien aufgebaut ist. Zusammengefasst stehen hierbei die Förde-

rung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens, die Berücksichtigung von feh-

lerhaften Strategien sowie ein gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auf-

lösung von Konflikten im Fokus.

10.2 Förderung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens (indirekte

Konfliktinduzierung)

Ein Lernprogramm kann nur dann Konflikte induzieren, wenn es den Lerner mit

Situationen und Aufgaben konfrontiert, die eine Herausforderung darstellen und

eine interaktive Problemlösung erfordern. Der Lerner muss motiviert werden, aktiv

und neugierig an die Lösung der Aufgabe heranzugehen. Er muss angehalten

werden, sein Wissen zu reflektieren und in der Interaktion mit dem Lernprogramm

zu erweitern und anzuwenden.

Prinzipien des entdeckenden und selbsttätigen Lernens bilden damit den ersten

Baustein für ein konfliktinduzierendes Lernprogramm.

10.2.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul

Das in dieser Untersuchung verwendete, stark auf rezeptives Lernen ausgelegte

Standard-Lernprogramm „Einführung in das Projektmanagement“ wurde daher in

1 Literaturübersicht (Bearbeitungsstand 27.12.2003) als Anlage zum 1. Zwischenbericht für den Projektzeit-

raum 01.07.-31.12.2003

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einem Modul so verändert, dass der Lerner in einer situative Fallstudie zum Akteur

wird, der verschiedene Aufgaben im Rahmen der Projektplanung zu lösen hat. Der

Lernende muss sein Wissen von Anfang an reflektieren und in der interaktiven

Auseinandersetzung mit dem Lernprogramm zu aktiv einer Lösung finden. Dabei

wird er von einem gestuften Hilfesystem unterstütz.

10.3 Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien

(direkte Konfliktinduzierung)

Ein zweites zentrales psychologisch-didaktisches Prinzip für konfliktinduzierende

Lernumgebungen ist die Berücksichtigung bekannter Fehlannahmen der Lerner.

Die Anwendung dieser Fehlannahmen bei der Problemlösung führt zum Misser-

folg, der unmittelbar einen Konflikt auslöst.

Durch das Erkennen dieses Misserfolges wird der Lerner angeregt, sich intensiv

mit der Problemlösung auseinander zu setzen und den Konflikt aufzulösen.

10.3.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul

Bei dem vorliegenden veränderten Modul des Standard-Lernprogramms „Einfüh-

rung in das Projektmanagement“ wurden dem Lerner Lösungswege und Aus-

wahlmöglichkeiten angeboten, die zum Teil bekannte Fehlannahmen im Rahmen

der Planung von Projekten aufgegriffen. Der Lerner wir „verführt“ auf diese Fehl-

annahmen zurückzugreifen. Durch den konfliktauslösenden Misserfolg und die

anschließende Reflexion in dem gestuften Hilfesystem wird der Lerner zur alterna-

tiven Problemlösung angeregt und von dem Hilfesystem unterstützt.

10.4 Gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von Konflik-

ten

Damit die erlebten kognitiven Konflikte nicht zur Orientierungslosigkeit, zu Frustra-

tion oder gar Resignation führt muss der Lerner in konfliktinduzierenden Lernar-

rangements auf ein Hilfesystem zurückgreifen können.

Dieses Hilfesystem muss so gestuft sein, dass es die minimal notwendige Unter-

stützung dem Lerner bietet. Dadurch wird der Lerner zur Reflexion des eigenen

Wissens und der aktiven Gestaltung der Problemlösung angeregt, gleichzeitig mit

der Konfliktsituation aber nicht allein gelassen. Über ein gestuftes Hilfesystem wird

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sichergestellt, dass der Lerner die Aufgaben- bzw. Konfliktlösung auch erreichen

kann. Denn andernfalls würde der erhoffte Lerneffekt ausbleiben.

10.4.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul

Bei dem vorliegenden veränderten Modul des Lernprogramms „Projektmanage-

ment“ wurde ein gestuftes Hilfesystem integriert. Es beinhaltet drei Stufen:

10.4.1.1 Reflexion und Notizen

Bei der Stufe Reflexion wird der Lerner durch offene Fragen dazu angeregt, seine

Entscheidungen und sein Verhalten im Rahmen der Fallstudie zu reflektieren.

Die Notizfunktion gibt dem Lerner die Möglichkeit, Gedanken, Ideen und ihm wich-

tige Aspekte bei der Bearbeitung der Fallstudie zu notieren. Jederzeit kann der

Lerner auf die Notizen zugreifen und diese editieren.

10.4.1.2 Wissenspool

Hier sind Informationen und Hinweise hinterlegt, die dem Lerner bei der Lösung

der jeweiligen Aufgabe konkret helfen. Sachverhalte und Zusammenhänge sind

lösungsrelevant beschrieben.

10.4.1.3 Lösung

Erst wenn der Lerner, unterstützt von den anderen Komponenten des Hilfesys-

tems nicht zur richtigen Entscheidung bzw. Problemlösung kommt, kann er sich

hier die jeweiligen Lösungen anzeigen lassen.

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Abb. 2: Beispielseite aus dem Lernprogramm Projektmanagement in der konfliktinduzieren-den-

Programmvariante Kapitel Projektplanung, Seite Arbeitspakete.

11 Vorstudie „Phase Einzelversuche“

In dieser Phase der Vorstudie wurden mit 10 Lernern in zwei Gruppen Einzelver-

suche durchgeführt, bei denen das gesamte Lernverhalten der Lerner aufgezeich-

net, inhaltsanalytisch ausgewertet und interpretiert wurde.

Um Hinweise auf die Art und Weise der kognitiven Auseinandersetzung des ein-

zelnen Lerners mit dem Lernmaterial zu gewinnen, wurde bei den Einzelversu-

chen die Methode des lauten Denkens eingesetzt und die gewonnenen Daten an-

schließend inhaltsanalytisch ausgewertet.

11.1 Fragestellungen und Hypothesen in der„Phase Einzelversuche“

Diese Phase der Vorstudie fokussiert auf die Fragestellung, ob das veränderte

Lernmodul zu einem veränderten Lernverhalten führt.

Es wird erwartet, dass das veränderte Lernmodul Konflikte bei dem Lerner indu-

ziert und ihn gleichzeitig in die Lage versetzt, durch ein gestuftes Hilfesystem un-

terstütz, diesen Konflikt und damit auch die jeweilige Aufgabenstellung selbständig

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zu lösen. Daraus leiten sich die relevanten Hypothesen für diese Phase der Vor-

studie ab:

• Hypothese 1: Kognitive Konflikte im Vergleich beider Pro-grammvarianten Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, er-

leben mehr kognitive Konflikte als die Lerner der Kontrollgruppe.

Die Fragestellung der Art der Konfliktlösung wird explorativ untersucht.

• Hypothese 2: Emotionen im Vergleich beider Programm-varianten Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zei-

gen ein emotional getönteres Lernverhalten als die Lerner der Kontroll-

gruppe.

• Hypothese 3: Lernverhalten im Vergleich beider Pro-grammvarianten Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zei-

gen insgesamt ein aktiveres Lernverhalten als die Lerner der Kontroll-

gruppe.

11.2 Untersuchungsablauf und -durchführung

Die Einzelversuche wurden mit der geplanten Anzahl von 10 Lernern in dem Zeit-

raum vom 16.-17. Dezember 2004 durchgeführt. Es wurden zwei Gruppen á fünf

Lerner gebildet, je 3 Männer und zwei Frauen. Bei den Lernern handelt es sich um

Mitarbeiter des RAG Konzerns bzw. der RAG-Bildung, die keine Kenntnisse im

Thema Projektmanagement hatten.

Die Versuchsgruppe bearbeitete das veränderte Lernmodul, die Kontrollgruppe

das unveränderte Lernmodul„Projektplanung“ des Lernprogramms „Projektma-

nangement“.

Um die Versuchsbedingungen kontrollieren zu können, wurden die Einzelversuche

in einem Versuchsraum umgestalteten Konferenzzimmer bei der RAG-Bildung

durchgeführt.

Die Lerner erhielten zu Beginn der Sitzung nach der Begrüßung wurden kurz in

den Ablauf der Einzelversuche eingeführt und bekamen eine Erklärung und Anlei-

tung zur Methode des lauten Denkens.

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Der Versuchsleiter startete nach der Einphasung der Lerner das Aufzeichnungs-

programm. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wurden fast alle Probanden

mit dem lauten Denken vertraut. Dennoch musste der Versuchsleiter wiederholt

daran erinnern.

Wie bei der Untersuchung von Draschoff (2000) war „das "Redevolumen" der ein-

zelnen Lerner … sehr unterschiedlich; während einige Lerner sich sehr ungern,

kurz und leise äußerten, zeigten andere eine große Beredsamkeit (S. 228)“.

Durchschnittlich benötigten die Lerner mit dem unveränderten Lernmodul ca. 30

Minuten, die mit dem veränderten Lernmodul ca. 55 Minuten. Die Lernzeiten bei-

der Gruppen konnten nicht harmonisiert werden, da die Lerninhalte bei dem un-

veränderten Lernmodul eher einen Präsentationscharakter haben und somit von

den Lernern wesentlich schneller durchgearbeitet wurden. Das veränderte Lern-

modul regt die Lerner zu einer intensiveren, konfliktreicheren Auseinandersetzung

mit dem Lerninhalt an und animiert sie so zu einer längeren Beschäftigung. Die

unterschiedliche Bearbeitungszeit beider Gruppen ist bei der Datenauswertung zu

berücksichtigen.

Im Anschluss an die Bearbeitung der Lernmodule wurde mit den Lernern ein kur-

zes Leitfaden-Gespräch geführt. Die Gespräche wurden ebenfalls aufgezeichnet

und ausgewertet.

12 Beobachtung und Analyse der kognitiver Konstruktionspro-

zess bei den Einzelversuchen

Um kognitive Lernprozesse zu untersuchen bedarf es Methoden, die geeignet

sind, kognitive Konstruktionsprozesse zu erfassen und zu analysieren.

Prinzipiell können Strukturen als hypothetische Konstrukte aus dem Verhalten er-

schlossen werden (vgl. Montada, 1987).

Bei Lernprozessen mit einem medialen Baustein werden die kognitiven Konstruk-

tionsprozesse nicht durch die zwischenmenschliche Kommunikation beim Lernen

operationalisiert und beobachtbar, sondern entstehen vielmehr durch die Interakti-

on mit dem Computer. Daher gilt es Methoden anzuwenden, die in der Lage sind,

die Gedanken der Lerner während der Bearbeitung von Lernprogrammen festzu-

halten.

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Der kontrollierte Einzelversuch in dem die kognitiven Konstruktionsprozesse ver-

bal geäußert werden und das gesamte Lernverhalten aufgezeichnet wird, scheint

eine adäquate Methode zur Erfassung und Analyse kognitiver Konstruktionspro-

zesse zu sein.

Draschoff (2000) stellt fest, dass die Methode des lauten Denkens gekoppelt mit

einer anschließenden, auf einem geeigneten Kategorienschema basierenden In-

haltsanalyse Verfahren sind, mithilfe derer eine systematische und objektive Er-

fassung und Auswertung des Entstehungsprozesses kognitiver Konflikte sicherge-

stellt werden kann.

Beide Methoden werden nachfolgend kurz dargestellt und vor dem Hintergrund

der durchzuführenden Einzelversuch

12.1 Methode des lauten Denkens

Die Methode des lauten Denkens hat eine lange Tradition in der Denkpsychologie

(vgl. z. B. Claparède, 1932/1969; Merz, 1969; Watson, 1921), insbesondere in

dem Forschungsbereich der Informationsverarbeitung (vgl. z. B. Duncker,

1935/1966; Lüer, 1973; Dörner, 1974)

Bei der Methode des lauten Denkens sind die Probanden gefordert, ihre jeweils

aktuellen Gedanken, Überlegungen, Wahrnehmungen, Zweifel, Handlungspläne,

etc. lautsprachlich zu äußern. Die Methode kann angewandt werden, um im Ver-

lauf eines Lern- und Lösungsprozesses Daten über die von einer Person durchge-

führten kognitiven Konstruktionsprozesse und den Verlauf der damit einhergehen-

den emotionalen Zustände zu erhalten.

12.1.1 Methodische Probleme

Die Methode des lauten Denkens wird in der wissenschaftlichen Auseinanderset-

zung kontrovers diskutiert.

Zusammenfassend werden immer wieder folgende Kritikpunkte:

• das Problem der Reaktivität der Methode, da das laute Denken Einfluss

auf den originären Denkprozess haben kann;

• die Gefährdung der Validität durch die erforderliche "Umwandlung" der

Gedanken in verbale Äußerungen;

• die Frage der Objektivität oder Verzerrung (die allerdings generell bei

Verbaldaten zu stellen ist);

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• die Vollständigkeit der Daten: Man weiß letztlich nicht, wie viele und wel-

che Gedanken doch der Selbstzensur oder -korrektur oder der Vergess-

lichkeit der Probanden zum Opfer fallen oder zu unbewusst ablaufen, um

von der Versuchsperson überhaupt registriert zu werden.

Crutcher (1994) leitet aus seiner empirischen Auseinandersetzung mit den Vor-

und Nachteilen verbaler Methoden wie dem lauten Denken unmittelbare Durchfüh-

rungsempfehlungen ab:

• Versuchspersonen sollten aufgefordert werden, ihre Gedanken sofort im

Moment ihres Auftretens zu äußern und diese nicht zu analysieren, zu

erklären oder zu interpretieren.

• Ausnahmslos alle Gedanken sollten geäußert werden, ohne den Schwer-

punkt auf einen bestimmten Typ von Information zu legen.

• Insbesondere sollte der Versuchsleiter sich nicht dazu verleiten lassen,

die Probanden nach weiteren Informationen zu fragen, die sie selbst

nicht spontan äußerten.

• Die Verbalisierungsaufgabe sollte gegenüber der Problemlösungsaufga-

be als zweitrangig betrachtet werden.

• Die Versuchsperson hat idealerweise auch keine Kenntnis der For-

schungsfragen, die die Auswertung der Daten leiten.

• Der Versuchsleiter sollte während der Aufgabenbearbeitung im Hinter-

grund bleiben. Falls die Versuchsperson 15 bis 60 Sekunden lang nicht

gesprochen hat, kann sie mit einem neutralen Hinweis an die Verbalisie-

rung erinnert werden.

Zusammenfassend lassen die Forschungsergebnisse zur Methodik des lauten

Denkens den Schluss zu, dass diese Methodik zur Erforschung kognitiver Konflik-

te bei Beachtung der obigen Punkte geeignet ist.

Allerdings gilt es nach Draschoff (2000) bei der Interpretation der verbalen Daten

zu berücksichtigen, dass Konflikte in ihrer Vielschichtigkeit unterschiedlich gut zu

verbalisieren sind. Und es sollte beachtet werden, dass „die Lerner, bei denen

durch das Programm kognitive Konflikte induziert werden, durch die Aufgabe der

Verbalisierung vermutlich stärker in ihrer Problemlösungsfähigkeit beeinträchtigt

als die Lerner, bei denen das Lernprogramm keine kognitiven Konflikte erzeugt“

(S. 175).

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12.1.2 Erfassung der Akzeptanz und Lernzufriedenheit

Unmittelbar nach der Bearbeitung des Lernprogramms wurden die Lerner noch

kurz mittels eines strukturierten Interviews befragt. Die Antworten zur Auswertung

und Interpretation der durch die Aufzeichnung des Lernverhaltens gewonnenen

Daten unterstützend hinzugezogen werden. Drei Bereiche wurden erfragt:

• Gefallen/Missfallen des Lernprogramms;

• Konflikterlebnis;

• Lernerfolg.

12.2 Inhaltsanalyse

Mit der Inhaltsanalyse werden Kommunikationsprozesse und –produkte analysiert.

Die Zuordnung der einzelnen Ereignisse zu einem zuvor auf die Fragestellungen

hin entwickeltes Kategoriensystem ermöglicht eine komplexitätsreduzierende Sys-

tematisierung und Analyse der Daten.

Die durch die Methode des lauten Denkens produzierten verbalen Daten können

dabei "emotionale und kognitive Befindlichkeiten, Verhaltensweisen oder Hand-

lungen" (Lamnek, 1989, S. 173) repräsentieren.

Draschoff (2000) konstatiert, das die Inhaltsanalyse ein geeignetes Vorgehen zur

Analyse kognitiver Konstruktionsprozesse ist:

…um aus Aufzeichnungen der mithilfe der Methode des lauten Den-kens verbalisierten Problemlösungsprozesse kognitive Konflikte und Muster des Lernverhaltens zu erschließen. Gegenüber der eher un-systematischen Interpretation von Einzelfällen kann diese Methode Objektivität, Reliabilität, Transparenz (im Sinne methodischer Nach-prüfbarkeit) und gleichzeitig Flexibilität garantieren. (S. 179)

Um mit Inhaltsanalysen diese gewünschten Zielsetzungen zu erreichen, müssen

Kategoriensysteme hohen Anforderungen genügen (vgl. z. B. Crutcher, 1994;

Groeben & Rustemeyer, 1995):

• Es sind die formal oder semantisch bestimmten Analyseeinheiten zu de-

finieren;

• das Kategoriensystem ist durch Definitionen, Beschreibungen und Bei-

spiele genau zu explizieren;

• die Passung zwischen Kategorienschema und Analyseeinheiten ist "in

Form einer Rückkopplungsschleife" kritisch zu überprüfen;

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• gute Kategorienschemata sind einfach, verständlich und fokussieren se-

lektive Aspekte

Bei der Analyse der kognitiven Konstruktionsprozesse sollte der Kontext jeder Äu-

ßerung berücksichtigt werden. Bei dem Lernen mit dem Computer sind daher

auch die Computerinteraktionen aufzuzeichnen (Seiler, 1987).

Zur inhaltsanalytischen Auswertung der in den Einzelversuchen gewonnenen Da-

ten wurde auf das von Draschoff (2000) entwickelte Kategoriensystem zur Analyse

von kognitiven Konstruktionsprozesse in konfliktinduzierenden Lernarrangements

zurückgegriffen.

Dieses , leicht erweiterte und in der Betitelung veränderte Kategoriensystem bildet

die Basis für die hier durchgeführten Einzelversuche, denn „es wurde für einen

konkreten Anwendungszweck konstruiert und optimiert, ist aber prinzipiell auch

auf andere Anwendungsfälle übertragbar“ (Draschoff 2000, S. 215).

12.3 Kategoriensystem mit adäquaten Indikatoren für die Beobachtung kog-

nitiver Konflikte nach Draschoff

Bei der Entwicklung des problemadäquaten Kategoriensystems für die Lernpro-

zessanalyse in konfliktinduzierenden Lernarrangements bezog sich Draschoff auf

das von Glasersfeld (1994) beschriebene Zusammenspiel von Assimilation und

Akkomodation im Lernprozess in abstrahierter, strukturierter Form.

Draschoff (2000) stellt heraus, dass ein zu entwickelndes Kategoriensystem drei

verschiedenen Aspekte - Kognitionen, Handlungen und Emotionen - berücksichti-

gen muss, wenn kognitive Konflikte im Lern- bzw. Problemlösungsprozess identifi-

ziert und analysiert werden sollen.

Draschoff berücksichtigte Lern-Kategorien, d.h. Kategorien, die sich auf die Be-

schäftigung mit dem Inhalt bzw. das "Sachproblem" beziehen, emotionale Katego-

rien und sonstige Kategorien, die sich auf die Bewertung bzw. die Bedienung des

Programms beziehen.

Erweitert wurde das Kategriensystem für die vorliegende Untersuchung um die

Kategorien Mimik und Gestik.

12.3.1 Hauptkategorie: Lern-Kategorien

Die Kategorien W, V und P erfassen die Lerneraktivität bzw. die Problembearbei-

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tung.

12.3.1.1 Inhaltswiedergabe, -wiederholung und nebensächliche Aktivitä-

ten [W]

Dieser Kategorie werden Äußerungen und Handlungen der Lerner zugeordnet, die

bezogen auf die Problembearbeitung keine wichtige Rolle spielen. Der Lerner

lässt keine eigenständigen kognitiven Lösungsansätze erkennen, er wiederholt nur

die dargestellten Inhalte oder äußert Nebensächlichkeiten. Es ist davon auszuge-

hen, dass bei Kodierungen in dieser Kategorie, wenn überhaupt, nur eine ober-

flächliche kognitive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten stattgefunden hat,

die alleine schon durch das permanente Lesen und die ständige Konfrontationen

mit den Lerninhalten stattgefunden hat. Daher wir d diese Kategorie nicht gezielt

zur Beantwortung der Fragestellungen ausgewertet, sondert bildet eher eine Rest-

kategorie.

Einzelne, beobachtbare Äußerungen und Handlungen, die dieser Kategorie zuzu-

ordnen sind

• das stille oder laute Ablesen bzw. Sichten von Programminhalten (wobei

die Inhalte nicht oder nur geringfügig verändert werden);

• das Nachvollziehen oder Beschreiben der Bildschirmabläufe;

• Fragen und Anmerkungen zum lauten Denken;

• Wiederholungen;

• reine Programminteraktionen ("Durchklicken");

• unwichtige und versehentliche Aktionen, die sofort rückgängig gemacht

werden;

• die Beschäftigung mit dem Untersuchungsablauf und dem Sinn der Un-

tersuchung sowie sonstige Anmerkungen.

Beispiele:

• liest Aufgabentext vor

• „jetzt klicke ich weiter“

• „das schaue ich mir noch mal an“

12.3.1.2 Voraussetzungen, Verständnis und Zwischenschritte [V]

Äußerungen und Handlungen der Lerner, die Aufgabenverständnis, Verständnis

des präsentierten Lösungsweges sowie Ausführungen zu und Aktionen von Zwi-

schenschritten und Hilfsaktionen. Dazu gehören Zusammenfassungen der darge-

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stellten Bildschirminhalte mit eigenen Worten und die Ergänzung um eigene Inter-

pretationen oder Begründungen.

Da der Lerner alternativ richtiges oder falsches Verständnis zeigen kann, wird die-

se Kategorie unterteilt in

• richtiges Verständnis, richtige Regelanwendung, richtiger Zwischenschritt

[Vr]

• Fehlinterpretation, falsche Regelanwendung, Flüchtigkeitsfehler [Vf]

Beispiele:

• „ja, das kann man nachvollziehen“

• „jetzt muss ich die Begriffe zuordnen“

• „hier ist jetzt dargestellt, was man alles bei der Planung berücksichtigen

muss“

12.3.1.3 Selbstständiger Problemlösungsschritt [P]

Zu dieser Kategorie werden für die Problemlösung zentrale Äußerungen und

Aktionen erfasst. Gemäß dem Beitrag zur Problemlösung werden drei Arten von

Problemlösungsschritten unterschieden:

• richtiger bzw. vernünftiger Problemlöseschritt [Pr]

• suboptimaler, umständlicher Problemlöseschritt [Ps]

• falscher Problemlöseschritt, Denkfehler ("großer" Fehler) [Pt]

Beispiele:

• „jetzt muss ich erst einmal die Oberkategorien bilden“

• „erst einmal muss die Kellerdecke gegossen werden“

• die Baufinanzierung wird der Rohbauplanung zugeordnet

12.3.1.4 Betonung des Verständnisses [BV]

In diese Kategorie fallen Äußerungen des Lerners die Bestätigungen und Beto-

nungen des eigenen Verstehens beinhalten, ohne dass zuvor ein Konflikt erkenn-

bar gewesen wäre. Der Lerner befindet sich in einem kognitiven Gleichgewicht.

Im einzelnen hebt der Lerner hervor, dass er

• nichts denken müsse (weil die Lösung klar sei), etwas gut verstanden

hat,

• etwas bereits zu kennen meint,

• etwas besonders einfach findet oder

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• mit dem im Programm dargestellten Lösungsweg übereinstimmt.

Beispiele:

• "das ist vollkommen logisch"

• "im Prinzip habe ich mir das so auch gedacht"

• "gut, das habe ich dann auch verstanden"

12.3.1.5 Konfliktwahrnehmung [K]

Äußerungen und Aktionen die erkennen lassen, dass der Lerner eine der Prob-

lemlösung entgegenwirkende Störung wahrnimmt, werden dieser Kategorie zuge-

ordnet. Der Lerner befindet sich in einem Zustand des kognitiven Ungleichge-

wichts. Die Assimilation misslingt und der Lerner erlebt einen kognitiven Konflikt,

der ihm den Anstoß gibt, nach neuen Problemlösungen zu suchen, um den kogni-

tiven Gleichgewichtszustand wieder herzustellen. Dieser Konflikt wird entweder als

belastend oder als anregend erlebt und kann, muss aber nicht von emotionalen

Äußerungen begleitet sein.

Draschoff (2000) führt aus, dass „ein kognitiver Konflikt ist auf jeden Fall immer

subjektiv vorhanden [ist], d.h. in der Wahrnehmung des Individuums begründet

und nicht mit einem objektiv beschreibbaren Fehler des Lerners bei der Problem-

bearbeitung gleichzusetzen [ist]. Es können auch Konflikte entstehen, wenn objek-

tiv kein Fehler oder Problem vorliegt“ (S. 219).

Der Konflikt kann verschiedene Auslöser haben:

• dem eigenen Nichtwissen;

• dem Nichtverstehen einer Aufgabe, einer Lösung, Feststellung, Grafik

oder anderen Darstellung im Programm;

• Unsicherheit bzw. Zweifel darüber, ob eine Lösungsidee oder -aktion

richtig ist oder war;

• dem Erkennen der Nichtanwendbarkeit einer zunächst als geeignet an-

gesehenen Methode in einem konkreten Fall;

• dem Erkennen einer Diskrepanz oder eines Widerspruchs;

• dem Erkennen eines Misserfolgs.

Der Konflikt kann sich äußern durch:

• Emotionen

• Verneinungen,

• Äußerungen, die Unverständnis ausdrücken,

• Fragen,

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• Anforderungen von Hilfe

• Wiederholungen von gestörten Aktionen

In den Einzelversuchen steht die Frage im Vordergrund, ob in der veränderten

Lernprogrammversion mehr Konflikte induziert werden als in der unveränderten

Version. Demzufolge fokussiert in dieser Phase der Vorstudie die Inhaltsanalyse

darauf, auftretende kognitive Konflikte überhaupt zu erfassen. Zur ersten Erfas-

sung von Konflikten empfiehlt Draschoff (2000):

Die Konflikte sollen auf dieser ersten Analyseebene unabhängig von der objektiven Konfliktquelle erfasst werden, also unabhängig davon, ob sie durch Denkfehler, falsche Problemlösungsschritte, falsche Regelanwendungen, Flüchtigkeitsfehler, Programmfehler oder Kom-binationen davon verursacht worden sind. Allerdings sollen Konflikte, die kurzfristig aufgrund von Bedienbesonderheiten auftreten, von der Versuchsperson nicht thematisiert werden oder von dem Versuchs-leiter durch Bedienhilfe schnell behoben werden und in keinerlei Zu-sammenhang mit inhaltlichen Fragestellungen stehen, von dieser Kategorie ausgenommen sein. (S. 220)

Beispiele:

• "tja"

• "da fehlt mir jetzt irgendwo was"

• "soll ich jetzt wirklich vorne anfangen mit der Planung?"

• "das passt nicht"

• "ach Gott"

• "was ist jetzt damit gemeint?"

• "das verstehe ich jetzt überhaupt nicht"

• "das kann jetzt aber nicht sein"

Wenn die Auswertung der Daten ergibt, dass die veränderte Programmversion

verstärkt Konflikte induziert, werden in der nächsten Phase der Vorstudie diese

Konflikte in einem weiteren Analyseschritt inhaltlich beschrieben und subkategori-

siert.

Die aufgetretenen Konflikte lassen sich dabei in vier Subkategorien aufteilen:

• Problemlösungskonflikte, Denkfehler, strategische Konflikte [KP]

• Konflikte aufgrund von fehlenden Wissensvoraussetzungen, Verständ-

nisschwierigkeiten und falscher Regelanwendung [KV]

• Konflikte aufgrund von Bedienungsproblemen und Programmschwächen

[KI]

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• Sonstige Konflikte [KS]

12.3.1.6 Konfliktlösung [KL]

Entscheidend für kognitive Entwicklungsprozesse ist es, dass, ausgehend von der

Auslösefunktion des eigentlichen Konflikts, der Lerner danach strebt, das kognitive

Gleichgewicht wieder zu erlangen.

Folgende Art von Äußerungen und Aktionen kennzeichnen Konfliktlösungen:

• Bestätigung des eigenen Verständnisses nach vorhergegangenem Un-

verständnis;

• Erkennen von Erfolg nach einem vorausgegangenen Misserfolg;

• Erkennen von Ursachen für einen vorausgegangenen Misserfolg oder

vorausgegangene Störung;

• Reflektieren von Erfolg nach vorausgegangenem Misserfolg;

• Äußerung von Emotionen die unmittelbare Erleichterung oder aber die

Unzufriedenheit mit der vorherigen Unfähigkeit ausdrücken.

Neben den unmittelbar beobachtbaren Äußerungen und Aktionen zur Konfliktlö-

sung, die direkt dieser Kategorie zugeordnet werden gilt es auch die Kategorien zu

betrachten, die indirekt auf die Entwicklung einer Konfliktlösung schließen lassen.

Dazu gehören:

• richtiges Verständnis, richtige Regelanwendung, richtiger Zwischenschritt

[Vr]

• Fehlinterpretation, falsche Regelanwendung, Flüchtigkeitsfehler [Vf]

• richtiger bzw. vernünftiger Problemlöseschritt [Pr]

• suboptimaler, umständlicher Problemlöseschritt [Ps]

• falscher Problemlöseschritt, Denkfehler ("großer" Fehler) [Pt]

Beispiele:

• ach, jetzt hab ich's verstanden

• "gut, das habe ich dann auch verstanden, dass das so geht"

• „das habe ich dann erkannt"

• "ich Idiot, jetzt ist mir das klar"

In der dieser Phase der Vorstudie steht, wie auch bei der Konfliktinduzierung, im

Vordergrund, ob es zu Konfliktlösungen gekommen ist.

Erst in der zweiten Phase werden auch die Konfliktlösungen in ihrer Art beschrie-

ben und subkategorisiert. Hierbei werden folgende Subkategorien Verwendung

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finden:

• Erfolgreiche Konfliktlösung durch eigenes Nachdenken [LN]

• Erfolgreiche Konfliktlösung nach Hilfeanforderung im Programm [UI]

• Erfolgreiche Konfliktlösung nach persönlicher Unterstützung [LP]

• Falsche Konfliktlösung [LF]

• Keine Konfliktlösung [LK]

12.3.2 Hauptkategorie: Emotionen [E]

Emotionale Äußerungen, die Gefühle und Stimmungen bei der Bearbeitung des

Lernprogramms wiedergeben fallen in diese Kategorie. Emotionale Äußerungen,

die als Reaktionen auf die Methode des lauten Denkens erfolgen werden nicht

berücksichtigt.

Bei dieser Kategorie muss berücksichtigt werden, dass das Entstehen und Zeigen

von Emotionen interpersonell sehr unterschiedlich sind und häufig von der emoti-

onalen Grundstimmung einer Person beeinflusst werden.

Zwei Arten von Emotionen werden bei der Erfassung unterschieden:

• positive Emotionen wie Zufriedenheit, Freude, Erleichterung, Gefallen

und Erfolgszuversicht [Ep]

• negative Emotionen wie Unzufriedenheit, Langeweile, Ärger, Aggressivi-

tät, Verlegenheit und Misserfolgsbefürchtung [En]

Beispiele:

• „Ja!“

• "das ist doch blöde"

• „geschafft“

• „das sieht doch schon mal nicht schlecht aus“

12.3.3 Hauptkategorie: Mimik [M]

In dieser Kategorie wird die während der Bearbeitung des Lernprogramms auftre-

tende Mimik erfasst.

Es werden zwei Subkategorien unterschieden:

• Unterstützende Mimik, die verbale Äußerungen und Aktionen verstärkt

[Mu];

• allgemeine, unspezifische Mimik, die in keinem Zusammenhang mit dem

Lernprozess zu stehen scheint [Ma]

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76

Beispiele:

• Stirnrunzeln

• Lachen

• Wangen „aufplustern“

12.3.4 Hauptkategorie: Gestik [G]

In dieser Kategorie wird die während der Bearbeitung des Lernprogramms auftre-

tende Gestik erfasst.

Auch hier werden zwei Subkategorien unterschieden:

• Unterstützende Gestik, die verbale Äußerungen und Aktionen verstärkt

[Gu];

• allgemeine, unspezifische Mimik, die in keinem Zusammenhang mit dem

Lernprozess zu stehen scheint [Ga].

Beispiele:

• klopft mit den Fingern auf den Tisch

• zeigt mit den Fingern auf den Bildschirm

• fasst sich an die Nase

12.3.5 Hauptkategorie: Sonstige Kategorien

12.3.5.1 Programmbewertung [PO]

Positive oder negativ bewertende Äußerungen des Lerners bezüglich des Lern-

programms oder an einzelnen Programmelementen werden hier erfasst.

Es werden folgende zwei Subkategorien unterschieden:

• Programmgefallen, Lob [POp];

• Programmmissfallen, Kritik [POn].

Beispiele:

• "ist ein bisschen viel zu lesen"

• "das ist ein gutes Hilfsmittel"

• „das ist nicht gut erklärt“

12.3.5.2 Bedienungsprobleme ("Interaktionsprobleme") [IP]

Kommt es bei der Bearbeitung des Lernprogramms zu Bedienungsproblemen, die

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77

nichts mit dem Lernprozess zu tun haben, werden sie in dieser Kategorie erfasst.

• Unsicherheiten bzw. Fragen zum Programmablauf, zur Navigation, zu

Eingabemöglichkeiten, etc.;

• Probleme mit der Bedienung, Programmfehler.

Beispiele:

• „muss ich jetzt hier klicken?“

• „wo ist denn jetzt die Lösung?“

• „wie komme ich jetzt weiter?“

12.4 Ganzheitliche Erfassung der Lernwege und -prozesse - Beobachtung

Um gemäß dem Stand der heutigen technischen Möglichkeiten eine möglichste

hohe Qualität und Sicherheit zu erreichen, wurde eine Kooperation mit Professor

Oppermann vom Fraunhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik (FIT)

und dem dortigen Usability-Labor vereinbart. Das Fit stellte während der Einzel-

versuche sowohl ein mobiles Usability-Labor als auch einen versierten psycholo-

gischen Mitarbeiter zur Unterstützung.

Um die kognitiven Konstruktionsprozesse während der Bearbeitung des Lernpro-

gramms festzuhalten und anschließend analysieren zu können, wurde das gesam-

te Lernverhalten des Lerners aufgezeichnet.

Zum einen wurden bei der Aufzeichnung der Programminteraktion durch einen

Screenrecorder sämtliche Bearbeitungsschritte - Mausbewegungen, per Maus

ausgelöste Aktionen und Eingaben per Tastatur - und die Abläufe am Bildschirm,

also auch die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informati-

onen, Hilfemeldungen und Rückmeldungen des Programms, festgehalten und in

einem Filmdokument abgespeichert. Mit diesen Aufzeichnungen wird nicht nur die

Analyse der Daten aus der Methode des lauten Denkens unterstützt, sondern

auch der Versuch unternommen, die Denkprozesse möglichst vollständig zu er-

fassen, die vielleicht schwer oder gar nicht verbalisierbar sind und sich stattdessen

in Handlungen zeigen (vgl. Ginsburg & Opper, 1978, S. 153).

Außerdem wurden die Lerner mit einer digitalen Spezialkamera während der Pro-

grammbearbeitung aufgezeichnet. Realbild- und Audioaufzeichnungen wurden in

einem separaten Filmdokument abgelegt.

Hatte Draschoff aufgrund der zu dieser Zeit sehr aufwendigen technischen Reali-

sierung, so stellte sie dennoch fest, dass „der Einsatz von Videoaufnahmen der

Page 77: Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver ... · Impressum Das Material „ Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte mittels Internet und Multimedia in

78

Versuchspersonen im Rahmen qualitativer Folgeuntersuchungen interessant [wä-

re], um das emotionale Erleben im Zusammenhang mit kognitiven Konflikten nä-

her analysieren zu können. (S. 221).

12.5 Methoden zur Datenauswertung

Die Aufzeichnungen der zehn Einzelversuche haben eine „Laufdauer“ von ca. 10

Stunden mit über 11 Gigabyte Speicherplatz. Diese Rohdaten wurden mit dem

vorgestellten Kategoriensystem inhaltsanalytisch ausgewertet.

12.5.1 Inhaltsanalyse

Den Kern der Datenauswertungsphase bildet die zuvor beschriebene inhaltliche

Analyse nach dem von Draschoff entwickelten, leicht erweiterten, Kategoriensys-

tem.

Alle durch die Beobachtung gewonnenen Lernprozessdaten (Aufzeichnungen der

Computerinteraktion, der verbale Daten und der Realbilddaten) werden dieser In-

haltsanalyse unterzogen.

Das Usability-Labor des FIT ist mit einer speziellen Software für wissenschaftliche

Inhaltsanalysen ausgestattet, die eine synchrone Kodierung des Rohmaterials mit

vielen Funktionalitäten (Zeitleiste, Pausenfunktion, stufenloses Vor- und Rückspu-

len, Abspielen in reduzierter Geschwindigkeit, additives Kodieren bei mehrmali-

gem Abspielen, etc.) ermöglicht. Dafür wurden die Kategorien von Draschoff in

das System eingepflegt. Die Screenrecording-Aufzeichnungen sowie die Video-

und Audioaufnahmen wurden parallel auf zwei Monitoren abgespielt und synchron

kodiert. Zusätzlich konnten jederzeit Notizen gemacht werden (für Bemerkungen,

Beispiele, Interpretationen, etc.).

Page 78: Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver ... · Impressum Das Material „ Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte mittels Internet und Multimedia in

79

Abb. 3: Screenshot der speziellen Software für wissenschaftliche Inhaltsanalysen des FIT.

Der Zwischenschritt der Transkription des Rohmaterials in eine Textverarbei-

tungssoftware ist somit überflüssig.

Die Kodierung wurde abgespeichert und kann immer wieder mit den Filmen aufge-

rufen werden. Zusätzlich wurden die Daten in eine Microsoft-Exceldatei exportiert.

Diese Kodierungsdaten im Excel-Format bilden nun die Basis für die statistischen

Analysen.

12.5.1.1 Analyseeinheiten

Für die Auswertung des Rohmaterials wurde eine formale, zeitabhängige Eintei-

lung der Analyseeinheiten gewählt. Der Komplexität, der Verschachtelung und

Abgrenzungsschwierigkeiten der Denkprozesse sowie den möglichen interperso-

nalen Unterschieden im Umgang mit der Methode des lauten Denkens kann mit

einer formalen Analyseeinheit besser begegnet werden:

Die Anzahl der Manifestationen einer Kategorie sagt tatsächlich aus, wie oft und intensiv eine Lernkategorie, beispielsweise aktive Prob-lemlösungsschritte vs. gedankliche Wiederholungen bzw. -wiedergaben, bei einem Lerner zu verzeichnen ist. Die relative Häu-

Page 79: Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver ... · Impressum Das Material „ Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte mittels Internet und Multimedia in

80

figkeit einer Kategorie im Vergleich zu anderen Kategorien kann be-stimmt werden. (Draschoff, 2000, S. 215)

Mit der Software des Usability-Labors vom FIT wurde das gesamte Rohmaterial

sekundengenau kodiert.

12.5.1.2 Auswertung des Kategoriensystems

Für die Untersuchung der Hypothese 1 können die Kategorien Konfliktwahrneh-

mung (K) und Betonung des Verständnisses (BV) herangezogen werden. Die Ler-

ner mit der veränderten Programmvariante sollten eine höhere Anzahl Manifesta-

tionen der KKategorie und eine niedrigere Anzahl Manifestationen der BV-

Kategorie aufweisen.

Die Hypothese 2 kann mit der Kategorie Emotionen (E) untersucht werden. Die

Lerner mit der veränderten Programmvariante sollten häufiger getöntere Emotio-

nen zeigen.

Mit der Hypothese 3 soll das aktivere Lernverhalten untersucht werden. Die Kate-

gorie Selbstständiger Problemlösungsschritt (P) müsste bei den Lernern mit der

veränderten Programmvariante durch eine höhere Anzahl von Einheiten der P-

Kategorie auf aktiveres Lernverhalten schließen lassen.

Da die Bearbeitungszeiten aufgrund der unterschiedlichen konzeptionellen Gestal-

tung der Lernprogramme in der Versuchs- und in der Kontrollgruppe sehr differier-

ten müssen die relativen Häufigkeiten berechnet und bei der statistischen Analyse

die gezählten Einheiten pro festgelegter Zeitspanne (z.B. zehn Arbeitsminuten) als

Vergleichswerte gewählt werden.

12.5.1.3 Statistische Analysen

Die statistische Auswertung der Rohdaten der beobachteten Lernprozesse wurde

mit der Statistiksoftware SPSS für Windows durchgeführt werden.

Aufgrund der Zielsetzung der Einzelversuche und der niedrigen Teilnehmergröße

wurden vorwiegend deskriptive Auswertungen durchgeführt. Zusätzlich wurde zur

Überprüfung der Unterschiedshypothesen der verteilungsfreie U-Test von Mann

und Whitney (1947, nach Bortz & Lienert, 1998, S. 126) verwendet.

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81

13 Hypothesen und Ergebnisse2

Mit den Hypothesen 1-3 wurde untersucht, ob das veränderte Lernmodul zu ei-

nem veränderten Lernverhalten führt. Es wird erwartet, dass das veränderte

Lernmodul Konflikte bei dem Lerner induziert und ihn gleichzeitig in die Lage ver-

setzt, durch ein gestuftes Hilfesystem unterstütz, diesen Konflikt und damit auch

die jeweilige Aufgabenstellung selbständig zu lösen. Daraus leiten sich die rele-

vanten Hypothesen für diese Phase. Das gesamte Lernverhalten der Lerner wurde

aufgezeichnet.

Um Hinweise auf die Art und Weise der kognitiven Auseinandersetzung des ein-

zelnen Lerners mit dem Lernmaterial zu gewinnen, wurde bei den Einzelversu-

chen die Methode des lauten Denkens eingesetzt und inhaltsanalytisch ausgewer-

tet.

13.1 Hypothese 1: Kognitive Konflikte im Vergleich beider Programmvarian-

ten

Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, erleben mehr

kognitive Konflikte als die Lerner der Kontrollgruppe. Die Fragestellung der Art der

Konfliktlösung wird explorativ untersucht.

Ergebnis:

Bei den Lernern mit der veränderten Programmvariante wurden eine signifikant

höhere Anzahl Manifestationen der Kategorie Konfliktwahrnehmung und signifi-

kant niedrigere Anzahl Manifestationen der Kategorie Betonung des Verständnis-

ses festgestellt (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Vergleich der beiden Programmvarianten bezüglich der Kategorien

"Konfliktwahrnehmung" und "Betonung des Verständnisses" (N=10)

V1 V2 U-Test

(n=5) (n=5)

Kategorie: Ma

Me-

dian Ma

Me-

dian U Z P

(SD) (SD)

2 Bei allen Tabellen sind signifikante Ergebnisse grün hinterlegt.

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82

Konfliktwahrnehmung [K] 0,640 0,650 2,86 2,650 0 -2,619 0,008

(0,641)

(0,903

)

Betonung des Verständnisses

[BV] 4,910 4,720 1,35 0,620 5 -1,571 0,151

(3,432)

(1,062

)

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83

13.2 Hypothese 2: Emotionen im Vergleich beider Programmvarianten

Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zeigen ein

emotional getönteres Lernverhalten als die Lerner der Kontrollgruppe.

Ergebnis:

Lerner mit der veränderten Programmvariante zeigten häufiger getöntere Emotio-

nen (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2: Vergleich der beiden Programmvarianten bezüglich der Kategorien

"positive Emotionen" und "negative Emotionen" (N=10)

V1 V2 U-Test

(n=5) (n=5)

Kategorie: Ma

Me-

dian Ma

Me-

dian U Z P

(SD) (SD)

Emotionen positiv [Ep] 0,500 0,590 1,61 1,54 0 -2,619 0,008

(0,243)

(0,11

1)

Emotionen negativ [En] 0,464 0,000 0,402 0,240 7 -1,226 0,310

(0,464)

(0,17

2)

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84

13.3 Hypothese 3: Lernverhalten im Vergleich beider Programmva-

rianten

Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zeigen insge-

samt ein aktiveres Lernverhalten als die Lerner der Kontrollgruppe.

Ergebnis:

Die Kategorie Selbstständiger Problemlösungsschritt wies höhere Werte bei den

Lernern mit der veränderten Programmvariante auf als bei den Lernern der Kon-

trollgruppe (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3: Vergleich der beiden Programmvarianten bezüglich der Kategorien

"richtiger Problemlöseschritt", "suboptimaler Problemlöseschritt", "falscher Prob-

lemlöse schritt", "richtiges Verständnis", "Fehlinterpretation" und "Konfliktlösung"

(N=10)

V1 V2 U-Test

(n=5) (n=5)

Kategorie: Ma

Me-

dian Ma

Me-

dian U z P

(SD) (SD)

Richtiger Problemlöseschritt

[Pr] 0,24 0 2,73 2,78 0 -2,643 0,008

(0,148)

(0,268

)

suboptimaler Problemlöse-

schritt [Ps] 0,13 0 0,55 0,77 4 -1,894 0,095

(0,130)

(0,191

)

Falscher Problemlöseschritt

[Pf] 0,12 0 0,07 0 11 -0,386 0,841

(0,118)

(0,045

)

Richtiges Verständnis [Vr] 0,61 0,65 2,4 2,52 0 -2,619 0,008

(0,271)

(0,236

)

Fehlinterpretation [Vf] 0 0 0,04 0 10 -1 0,317

0 (0,038

)

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85

)

Konfliktlösung [KL] 0,12 0 2,23 2,06 0 -2,694 0,008

(0,118)

(0,281

)

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86

Mit den Hypothesen 4-7 wurden der Einfluss der Programmgestaltung und der

moderierende Einfluss von Lernermerkmalen auf den Lernerfolg untersucht. In

dieser Phase nahmen 120 Versuchspersonen in verschiedenen Gruppen teil. Die

Ergebnisse wurden deskriptiv und varianzanalytisch analysiert.

Tab. 4: Lernerfolg im Vergleich der relevanten Haupteinflüsse

und moderierenden Einflüsse spezifischer Lernermerkmale

Multifaktorielle Varianzanalyse

Faktor

Quadratsu

mme df

Mittel der

Quadrate F Sig.

Programmvariante 92,199 1 92,199 7,790 0,006

Lernform 60,460 1 60,460 5,108 0,026

Prüfungsängstlich-

keit 222,061 1 222,061 18,762 0,000

Selbstwirksamkeit 140,144 1 140,144 11,841 0,001

Die Haupteffekte und Interaktionseffekte werden mit den Hypothesen 4-5 unter-

sucht.

13.4 Hypothese 4: Lernerfolg im Vergleich beider Programmvarian-

ten

Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, haben in der

Lernerfolgskontrolle ein besseres Ergebnis als die Lerner, die mit der unveränder-

ten Programmvariante gearbeitet haben.

Ergebnis:

Der Einfluss der Programmversion ist hoch signifikant. Die Lerner, die mit der ver-

änderten Programmvariante erzielten bessere Lernerfolge als die Lerner mit der

unveränderten Programmvariante.

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87

13.5 Hypothese 5: Lernerfolg im Vergleich beider Lernformen

Die Lerner, die im Team arbeiten erzielen bessere Lernerfolge als Einzellerner.

Ergebnis:

Die Lernform hat einen hoch signifikanten Einfluss auf den Lernerfolg. Die Lerner,

die im Team arbeiteten, erzielten bessere Lernerfolge als Einzellerner.

Hypothese 5a:

Zwischen den Variablen Lernform und Programmvariante ist eine Wechselwirkung

im Hinblick auf den Lernerfolg zu erwarten: Die Lernteams profitieren mehr von

der veränderten Programmvariante als Einzellerner.

Ergebnis:

Die Hypothese wurde nicht bestätigt. Bezogen auf die Wechselwirkung gibt es

keinen Unterschied zwischen Lernteams und Einzellerner.

Der moderierende Einfluss von Lernermerkmalen auf den Lernerfolg wird mir mit

den Hypothesen 6-7 untersucht.

13.6 Hypothese 6: Lernerfolg in Abhängigkeit von Prüfungsängst-

lichkeit

Lerner mit höherer Prüfungsängstlichkeit erreichen eine niedrige Punktzahl in der

Lernerfolgskontrolle als wenig ängstliche Lerner.

Tab. 5: Lernerfolg im Vergleich der Subskalen

des moderierenden Einflusses Prüfungsangst

Varianzanalyse

Faktor Quadratsumme df

Mittel der

Quadrate F Sig.

Aufgeregtheit 187,790 1 187,790 12,360 0,001

Besorgtheit 306,393 1 306,393 23,391 0,000

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88

Interferenz 40,150 1 40,150 2,905 0,091

Mangel an Zuver-

sicht 221,006 1 221,096 16,565 0,000

Ergebnis:

Die Hypothese wird hochsignifikant bestätigt. Nicht-ängstliche Lerner erzielen mit

der veränderten Programmvariante bessere Lernerfolge als ängstliche Lerner.

Hypothese 6a:

Zwischen den Variablen Prüfungsängstlichkeit und Programmvariante ist eine

Wechselwirkung im Hinblick auf den Lernerfolg zu erwarten: Ängstliche Lerner

profitieren weniger von der veränderten Programmvariante als nicht-ängstliche

Lerner.

Ergebnis:

Bei den einzelnen Dimensionen sind Aufgeregtheit, Besorgtheit und Mangel an

Zuversicht hoch signifikant. Lerner mit hohen Ausprägungen erreichen weniger

Punkte als Lerner mit niedrigen Ausprägungen.

Bei der Dimension Interferenz bestehen keine signifikanten Unterschiede bezogen

auf den Lernerfolg.

13.7 Hypothese 7: Lernerfolg in Abhängigkeit von Selbstwirksam-

keit

Lerner mit höherer Selbstwirksamkeit erreichen eine höhere Punktzahl in der

Lernerfolgskontrolle als Lerner mit weniger Selbstwirksamkeit.

Ergebnis:

Die Hypothese wird hochsignifikant bestätigt.

Hypothese 7a:

Zwischen den Variablen Selbstwirksamkeit und Programmvariante ist eine Wech-

selwirkung im Hinblick auf den Lernerfolg zu erwarten: Selbstwirksame Lerner pro-

fitieren mehr von der veränderten Programmvariante als weniger selbstwirksame

Lerner.

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89

Ergebnis:

Die Hypothese wird nicht bestätigt.

14 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit

In der Empirie des Projektes wurden sowohl quantitativen als auch qualitativ-

explorativen Methoden angewandt. Es galt Unterschiede zwischen einer unverän-

derten Lernprogrammvariante und einer nach Maßgaben der konfliktinduzierenden

Lerntheorie veränderten Lernprogrammvariante zu untersuchen. Dazu wurden

eine Lernprozessanalyse und eine Überprüfung von Lernerfolgen durchgeführt.

14.1 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernprozessanalyse

Für die Lernprozessanalyse wurden die mithilfe der Methode des lauten Denkens

und computerunterstützten Videoaufzeichnungen gewonnenen ganzheitlichen Be-

obachtungsdaten inhaltsanalytisch auf der Basis eines geeigneten Kategoriensys-

tems ausgewertet.

Es bestätigte sich die Erwartung, dass die Arbeit mit dem neu gestalteten Lern-

programm ein allgemein aktiveres Problemlösungsverhalten und konfliktreichere

Lernprozesse bewirkt, die sich auch - im Vergleich mit der Kontrollgruppe - emoti-

onaler getönten Erleben der Aufgabenbearbeitung offenbaren. Die qualitative Ana-

lyse konnte zeigen, dass sowohl die induzierten als auch unerwartete Lernpro-

zessstörungen aufgrund der Interaktion mit der neuen Software auftreten und eine

eigenständige Problemlösungssuche anstoßen. Im Großen und Ganzen gelang es

den Lernern, mithilfe der im Programm zur Verfügung gestellten Hilfen ihre Kon-

flikte erfolgreich zu bewältigen. Insofern Konnte nachgewiesen werden, dass eine,

auf dem beschriebenen Maßnahmenbündel basierende, interaktive Programmges-

taltung geeignet ist, lebendiges, konflikthaltiges und einsichtiges Lernen hervorzu-

rufen bzw. aufgrund der Konfrontation mit eigenen Fehlannahmen strukturelle

Veränderungen zu bewirken.

14.2 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernerfolgsmessung

Im Gesamtvergleich zeigt sich die konfliktinduzierende Programmvariante der al-

ten Softwarevariante überlegen.

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90

In Bezug auf die Überprüfung des Lernerfolgs ergibt sich eine Signifikanz mit Ef-

fekt zugunsten der neuen Lernprogrammvariante feststellen. Bei differenzierter

Betrachtung zeigt sich, dass nicht alle Lerner in gleichem Maße von der konfliktin-

duzierenden Lernumgebung profitieren können. Deutliche Unterschiede im Lerner-

folg zugunsten der neuen Lernprogrammvariante ergeben sich für die Gruppe der

Lerner, die weniger Prüfungsängstlichkeit und eine höhere Selbstwirksamkeitser-

wartung aufweisen.

14.3 Fazit zur Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte

mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung

Auf dem heutigen Markt der Lernsoftware herrschen Lernprogramme vor, die sel-

ten die didaktischen Möglichkeiten des Medium Computer ausnutzen. Anwender

bezeichnen einen Großteil der Lernprogramme als „wenig interaktive Blätterma-

schinen“.

Lernprogramme, eingebettet in eine interaktive und rückmeldungsreiche Lernum-

gebung, die die Lerner zu selbstständigen Problemlösungsversuchen und aktiven

Wissenskonstruktionen anregen, sind eher selten.

Gerade bei einer derartigen Gestaltung von Lernprogrammen geben die Erkennt-

nisse aus kognitiven und konstruktivistischen Lerntheorien eine Fülle von Anre-

gungen.

Einige dieser Anregungen wurden in diesem Projekt aufgegriffen, umgesetzt und

deren Auswirkungen empirisch untersucht.

Die Ergebnisse des Projektes zeigen, dass durch die Induzierung kognitiver Kon-

flikte in der veränderten Lernprogrammvariante Lernverhalten und Lernerfolg ver-

ändert werden.

Doch ob die Veränderungen in die gewünschte Richtung gehen, hängt davon ab,

ob Lernermerkmale wie Prüfungsängstlichkeit und Selbstwirksamkeitserwartung

bei der Gestaltung der Lernumgebung Berücksichtigung finden.

Damit die Lerner, unabhängig ihrer spezifischen Merkmale. erfolgreich mit einem

konfliktinduzierenden Lernprogramm arbeiten können, ist die Gestaltung eines

gestuften Hilfesystems nach dem Prinzip der ,,minimalen Hilfe" von entscheiden-

der Bedeutung.

Damit die Bearbeitung von Lernprogrammen tatsächlich zu motiviertem und explo-

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91

rativem Verhalten im Rahmen von konstruktivistischen Lernprozessen führt, muss

ein gestuftes Hilfesystem den Lernenden immer so viel Hilfe geben, wie benötigt

wird, damit diese gemäß ihrer individuellen Lernersituation sich den Lerngegens-

tand optimal erarbeiten, die entstandenen Konflikte meistern und Lernziele erfolg-

reich erreichen können.

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92

15 Literatur

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