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Health Literacy & Plain Language Translation by Diversity, Inclusion and Equity Department 4/28/15 Page 1 of 3 Parking at the University of Chicago Medicine The University of Chicago Medicine offers a number of options to meet the parking needs of our patients, visitors, faculty and staff. Be sure to ask our staff about discount parking rates. Self-Parking Parking A: 5840 S. Maryland Ave. Turn on Maryland Ave. from 59 th Street and the entrance will be on your left. This garage is best for patients and visitors going to Bernard A. Mitchell Hospital and Duchossois Center for Advanced Medicine (DCAM). A walking bridge on Level 2 connects Parking A to Mitchell and DCAM. Parking A Office is located on Level 1, enter on Maryland Ave. Parking B: 5656 S. Maryland Ave. (open as of May 1, 2015) Turn on Maryland Ave. from 56 th Street and the entrance will be on your right. You can also enter on Cottage Grove Ave. This garage is best for patients and visitors going to the Center for Care and Discovery (CCD). Patient and visitor parking are on the first 6 levels. Staff permit parking is on the top two levels. A walking bridge on Level 2 connects Parking B and CCD. Parking B Office is located on Level 2 near the walking bridge. Valet Parking Valet parking is offered on weekdays in front of the Center for Care and Discovery (CCD), Bernard A. Mitchell Hospital, Duchossois Center for Advanced Medicine (DCAM), and Comer Children's Hospital. The Valet Services Office is located on Level 1 near the Valet Pay Station. The University of Chicago Medicine is not responsible for items left in vehicles.

Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

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Page 1: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Kapitel 4

Page 2: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Nutzen

Im vierten Kapitel lernen Sie komplexe und fortgeschrittene Kreativi-tätsmethodiken und -strategien kennen. Mit diesen „Multifunktions-Denkwerkzeugen“ können Sie phasenübergreifend Problemlösungs-, Innovations-, Projekt- und Interventionsherausforderungen angehen und kompetent und fl exibel bearbeiten.

Inhalte

A Auf dem Weg zum Ideen-Profi , Schritt 4 ................................. 491 A Methoden und Strategien für Einsteiger .................................. 494 A Methoden und Strategien für Fortgeschrittene ......................... 521 A Methoden und Strategien für Großgruppen ............................. 563

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden490

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Hier fi nden Sie noch mehr Arbeitswerkzeuge für Prob-lemlösung, Innovation, Intervention und Change, mit denen Sie Ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen können. Noch mehr? Was ist denn denn der Unterscheid zum 3. Kapitel, werden Sie möglicherweise fragen. Der Unter-schied liegt begründet in der Differenz zwischen den Worten „Kreativitätstechniken“ und „ Kreativitätsme-thoden“ – und diese wenigen Buchstaben machen in der Tat einen großen Unterschied.

Methoden sind, wie Kreativitätstechniken auch, Werk-zeuge, um Probleme zu lösen, Aufgaben zu bearbeiten, Innovationen zu entwickeln oder Veränderungen zu gestalten. Darin gleichen sie sich.

Was sie voneinander unterscheidet ist:AA Kreativitätstechniken sind Denkwerkzeuge, die

meist nur in einer einzigen Prozessphase zum Einsatz kommen und ein eindeutig abgegrenztes „Arbeitsprofi l“ besitzen. Vereinzelt sind sie auch unter dem Namen Methodik „groß“ geworden, obwohl es sich praktisch um eine Technik handelt. Beispiele hierfür sind etwa die Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate wurden im Rahmen des Buches angepasst, um die Benennung auch für den Einsteiger nachvollziehbar zu gestalten. Fortgeschrittene müssen sich in Ausnahmefällen umgewöhnen, werden sich aber mit dieser Logik schnell zurechtfi nden.

AA Kreativitätsmethoden sind dagegen mehrstufi ge Strategien, die in mehreren Phasen des kreativen Prozesses zum Einsatz kommen und ihre Wirkung phasenübergreifend entfalten! Das macht sie zu einem komplexen Werkzeug, das den kreativen Prozess in seiner Gesamtheit oder zumindest mehrere Phasen davon abbildet. Also

Auf dem Weg zum Ideen-Profi , Schritt 4

„JederAMenschAistAvonANaturAausAkreativ.ADenAmeistenAfehltAesAnurAanAderAMethode.“

– Edward de Bono

© managerSeminare 491

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so etwas wie ein Schweizer Taschenmesser der kreativen Problem-lösung, das von Einzelpersonen wie von Gruppen gleichermaßen erfolgreich genutzt werden kann. Zugleich gilt aber auch: Kreativi-tätsmethoden erfordern Vorerfahrung und eine erfahrene Moderati-on, die sich mit der Methodik auskennt.

Zusätzlich kennt dieses Kapitel eine dritte Einteilung, die nicht funkti-onaler, sondern faktischer Natur ist:

A Großgruppenverfahren sind diejenigen komplexen Methodiken und Verfahren, die sich bevorzugt für den Einsatz in Großgruppen eig-nen. Sie sind meist recht vorbereitungsintensiv. Was die Phasen-zuordnung angeht, sind sie oft trennunscharf und entfalten ihre größte Wirkung dann, wenn mehrere oder sogar viele Personen zu-sammenkommen, um frei an einem Thema zu arbeiten.

Das Kapitel unterteilt sich demnach in drei Abschnitte: A Methoden und Strategien für Einsteiger A Methoden und Strategien für Fortgeschrittene A Methoden, Strategien und Verfahren für Großgruppen

Die Beschreibung jeder Methodik folgt wieder dem Ihnen aus dem Technikkapitel vertrauten Schema, das allerdings, der Komplexität der Methoden folgend, ausführlicher daherkommt.

Im Einzelnen finden Sie zu jeder Methodik folgende Angaben: A Eine grafische Zuordnung A Eine Kurzbeschreibung A Den Nutzen der Methodik A Die Beschreibung des Vorgehens A Ein Praxisbeispiel der MethodikAA Hinweise: Was ist das Besondere an dem Tool? A Welche Vorteile dieses Format hat A Was je nach Situation nachteilig sein kann

Darüber hinaus finden Sie im „Kopf“ jeder Beschreibung eine kurze Skizze, wie sich die Methodik zu den 4 Phasen des Kreativen Problem-lösungsprozesses verhält, d.h. wo und wann genau sie zum Einsatz kommt und in welchen Bereichen sie ihre Stärken entfaltet. Dabei be-deuten die Farbbalken:

= Schwerpunkt der Methodik/Strategie = Phase kann abgedeckt werden = Phase wird abgedeckt (aber ggf. nur schwach)

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Vereinheitlichte Beschreibungen

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden492

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Hinweise

Moderation

Generell wird zumindest bei den Methoden und Strategien für Fort-geschrittene und bei Großgruppenverfahren die Hinzuziehung einer externen Moderation empfohlen, die nicht in den Inhalt des Prozesses involviert ist und die sich mit der Methodik auskennt. So können sich die Beteiligten vollständig auf den Inhalt einlassen, während die Moderation für den Ablauf separat verantwortlich zeichnet. Diese Tren-nung wirkt sich in aller Regel günstig auf das Ergebnis aus, und auch oft auf den „sozialen Frieden“ innerhalb einer Gruppe.

Material

Generell ist bei den Methodiken und Strategien aufgrund ihrer Komple-xität von einem höheren Materialbedarf auszugehen. Die Grundmateri-alien wie Pinnwände/Flipcharts, Karten/Post-its, Befestigungsmaterial und Stifte sollten in ausreichendem Maße vorhanden sein (fortge-schrittener Standard). Dies gilt in noch stärkerem Maße, wenn es sich um Großgruppenaktivitäten handelt (Großgruppen-Standard).

Präparation

Aufgrund ihrer komplexen Natur und den meist gleichermaßen komple-xen Einsatzszenarien empfiehlt es sich in der Praxis, den Einsatz von Methodiken und Strategien angemessen vorzubereiten. Das umfasst die Organisation von Materialien, ebenso wie die rechtzeitige Auswahl und Ansprache der Beteiligten, die Organisation der Protokollführung, der Ergebnisauswertung und Nachbereitung.

Lokation

Speziell für zeitintesivere Prozesse oder für die Großgruppenverfahren wird eine externe Lokation empfohlen, damit die Beteiligten Abstand vom Tagesgeschäft gewinnen und sich auf den Prozess vollständig ein-stellen können.

Auf dem Weg zum Ideen-Profi, Schritt 4

© managerSeminare 493

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Der Fokus der nun folgenden Multifunktionswerkzeuge liegt darin, Aufgaben phasenübergreifend zu bearbei-ten.

Nutzen Sie diese Methoden, wenn Sie ... Aeinen kompletten Prozess bzw. eine komplette Auf-

gabe bearbeiten wollen, ohne zwischendrin auf ein anderes Werkzeug umsteigen zu müssen,

Agerne nur mit einem Format arbeiten, anstatt stän dig wechseln zu müssen,

Anoch nicht so viel Erfahrung mit Kreativitätsmetho- den und -strategien haben.

Mehrere bzw. alle Phasen des kreativen Problemlö-sungs- und Interventions-Prozesses sind abgedeckt und der ganze Prozess kann auf eine einfache Weise „aus einer Hand“ bewältigt werden: ein Tool für alle Fälle – keep it simple.

Wichtig: Beachten Sie dabei, dass ein Phasenwechsel immer einen Wechsel der Denkrichtung erfordert.

Portfolio der Kreativitätsmethoden

Walt-Disney-Strategie ......................................... 495

Idealog-Sitzung .................................................. 499

Zukunftswerkstatt .............................................. 503

TEC ................................................................... 507

PISCO ................................................................ 510

ToLoPoSoGo ....................................................... 513

Sechs Denkhüte ................................................. 516

Methoden und Strategien für Einsteiger

„KomplexitätAfiAndetAkeineARechtfertigung,AwennADingeAeinfachAseinAkönnten.“– Leonardo da Vinci

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden494

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Walt-Disney-Strategie

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel-, Partner-, Gruppenmethodik

EinsteigerFortgeschrittene

15–60 Min. Raumabgrenzung oder mehrere Räume/Stühle

Die Walt-Disney-Kreativitätsstrategie (auch „ Disney-Strategie“ oder „ Denkstühle“ genannt; nach Robert Dilts, 1994 – modelliert nach Walt E. Disney) ist eine praktische Kreativitäts-Strategie, die die drei we-sentlichen Strategien „Träumen“, „Denken“ und „Handeln“ in variabler Reihenfolge in sich vereint und damit die drei Ausführungsphasen des kreativen Prozesses abbildet. Dabei wird eine zu bearbeitende Aufgabe nacheinander aus drei unterschiedlichen Perspektiven angegangen: 1. Träumer (Ideenlieferant, Visionär), 2. Realist (Umsetzer, Implemen-tierer), 3. Kritiker (Qualitätsmanager, Optimierer).

Eine Problemlösung oder Aufgabenbearbeitung kann umfassend be-arbeitet werden, indem verschiedene, notwendige Perspektiven trenn-scharf berücksichtigt werden.

Eine zu bearbeitende Aufgabe wird nacheinander aus drei unterschied-lichen Perspektiven angegangen, die alle drei Ausführungsphasen des kreativen Prozesses komplett abdecken.

1. Zuerst wird ein Ziel formuliert, das erreicht werden soll oder eine Aufga-be defi niert, die zu bearbeiten ist oder ein Problem, das gelöst werden soll.

2. Dann starten die Teilnehmer auf der Position des Träumers – das kann z.B. eine vorher defi nierte Position im Raum sein, oder ein eigens platziertes Flipchart. Sie stellen sich in Bezug auf die Aufgabenstel-lung die Frage: „WasAwäreAallesAmöglichAoderAvorstellbar?“

3. Nach einem kurzen Separator (Unterbrecher) wechseln die Beteilig-ten auf die Position des Realisten und damit auch ihre Denkhaltung. Nun stellen sie sich, in Bezug auf die Aufgabenstellung und auf die im 1. Schritt gefundenen Ideen, die Fragen: „WieAließeAsichAdasAumset-zen?“,A„WieAkönnteAdasApraktischAverwirklichtAwerden?“,A„WelcheARes-sourcenAbrauchenAwirAdafür?“,A„WoherAbekommenAwirAsie?“

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Methoden und Strategien für Einsteiger

© managerSeminare 495

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4. Nach einem kurzen Separator (Unterbrecher) wechseln die Beteiligten auf die Position des Kri-tikers und damit wieder die Denkhaltung, und stellen sich in Bezug auf die Aufgabenstellung und auf die im 1. Schritt gefundenen Ideen und

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Variationen

mite

inan

der

harm

onie

ren

Solangedurchlaufen,

bisalle3Positionen

1. Der Träumer

Assozieren und

Ideen generierenAssozieren und

1. Der Träumer

Assozieren und Assozieren und

bis

2. Der Realist

Strategisch planen und überprüfen

2. Der Realist

Strategisch planen und überprüfen

m

STOPP

3. Der Kritiker

Auf Metaposition hinterfragen

die im 2. Schritt formulierten realistischen Umsetzungsmöglichkeiten die Fragen: „WasAgiltAesAzuAbedenken?“A„WelcheAEinwändeAkönnteAesAge-ben?“AWerAkönnteAetwasAdagegenAhaben?“

5. Diese Reihenfolge wird gegebenenfalls mehrfach durchlaufen, so lan-ge, bis die gesamte Gruppe auf allen drei Positionen zufrieden ist und eine tragfähige, umsetzbare Lösung entwickelt hat.

A Die Technik kann als Einzel-, Gruppen- sowie als Partnerübung durchgeführt werden – wobei für diesen Fall empfohlen wird, eine dritte Person als Schriftführer dabeizuhaben.

A Als Gruppenübung kann eine größere Gruppe in drei Kleingruppen aufgeteilt werden (Träumer, Realisten, Kritiker), wobei die Zuord-nung durch die Moderation möglich ist oder durch eigene Zuord-nung nach Selbsteinschätzung. Dann wird die Aufgabenstellung benannt und die Träumer beginnen, Ideen dazu zu entwickeln. Di-ese werden nach einer festgelegten Zeit gesammelt und an die Re-alisten-Gruppe übergeben, die sie handfest ergänzt bzw. umformt, bevor die Ergebnisse abschließend der Kritikergruppe übergeben werden, die mögliche Schwachstellen identifi ziert. Diese Rotation kann einmal erfolgen oder auch mehrere Male wiederholt werden.

Abb.: Die drei Perspektiven Träumer,

Realist, Kritiker werden durchlaufen.

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden496

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Praxisbeispiel

Frau A. soll in ihrer Firma zur Abteilungsleiterin aufrücken, wobei mit diesem Posten nicht nur mehr Gehalt und ein gesteigertes Prestige, sondern auch erheblich mehr Arbeit und weitere, nicht kalkulierbare Herausforderungen, auf sie zukämen.

Vorgehen

Frau A. entscheidet sich, mithilfe eines Coachs durch den Disney-Prozess geführt zu werden, um die anstehende mögliche Veränderung einmal in Ruhe aus drei Perspektiven wahrneh-men und beurteilen zu können. Sie startet, indem sie für die heutige Sitzung zunächst das Ziel, Klarheit zu gewinnen, in Frageform formuliert. Die Frage lautet: Was bringt die Beför-derung zur Abteilungsleiterin mit sich?

Dann sucht sie sich einen Platz im Raum, den sie mit der Qualität des Träumens verbindet, markiert ihn mittels Moderationskarte und stellt sich auf diesen „Bodenanker“. Der Coach heißt sie sich an Situationen zu erinnern, in denen sie schon erfolgreich Ideen entworfen und geträumt hat und führt sie vollständig in diesen Zustand. Anschließend sammelt Frau A. Ideen, wie sie die neue Position so gestalten kann, dass sie ihren Fähigkeiten entspricht. Der Coach protokolliert alle Einfälle, ohne sie zu kommentieren. Kommt der Idenfl uss zum Stocken, hakt der Coach mit Fragen wie „Das war doch bestimmt noch nicht alles; was könnten Sie sich noch vorstellen?“ nach, um Ideenpotenziale zu aktivieren.

Der anschließende Separator ist mit einem Ortswechsel verbunden. Frau A. sucht sich einen neuen Platz, den sie mit dem Realisten verbindet, markiert ihn und erinnert sich an Situationen, in denen sie schon erfolgreich handlungsorientiert und realistisch war. Ist dieser Zustand erreicht, sammelt sie Vorschläge auf die Frage: „Wie ließen sich die zuvor geäußerten (abgehobenen) Ideen verwirklichen und umsetzen?“ Der Coach protokolliert mit und stellt gelegentlich ergänzende Fragen, wie: „Was müsste an der Idee angepasst oder verändert werden, damit sie wirklich realistisch und praktikabel ist?“

Nach einem weiteren Separator und einer erneuten Ortswahl begibt sich Frau A. in die Rolle der Kritikerin und fi ndet Antworten auf die Fragen „Was gilt es bei der Umsetzung zu bedenken?, Was könnte eventuell schiefgehen?, Wer oder was könnte intervenieren?“. Gerade diese Position wird oft als wenig angenehm empfunden. Sie ist jedoch wichtig, weil sie in der Realität oft durch außenstehende „Kritiker“ eingenommen wird, die dann in einen Konfl ikt mit der Hauptperson geraten können.

Wenn auch auf der dritten Position genügend Argumente gesammelt wurden, lässt der Coach Frau A. von einer neutralen „Metaposition“ aus das vorliegende Ergebnis visualisieren und mit ihrem ursprünglichen Ziel abgleichen. Wenn, was oft passiert, noch Differenzen zwischen der aktuellen Situation und dem Ziel existieren, kann sich ein zweiter Durchlauf anschließen. Der Prozess ist dann zu Ende, wenn der Klient (Frau A.) auf allen drei Positi-onen mit dem Ergebnis kongruent zufrieden ist und sich auf die Umsetzung freut.

Methoden und Strategien für Einsteiger

© managerSeminare 497

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A Wichtig ist, zwischen den einzelnen Schritten eine saubere Phasen-trennung einzulegen (Separator), um die Denkrichtungen auseinan-derzuhalten.

A Der Entwickler des Modells empfiehlt diese Reihenfolge und be-gründet das damit, dass der Realist eine Art „Puffer“ darstellt, der die oft noch abgehobenen Vorschläge des Träumers auf den Boden der Realität holt und umsetzungsnäher formuliert, bevor der Kri-tiker dann zur kritischen Betrachtung ansetzt. Er merkt aber an, dass auch der umgekehrte Weg möglich ist (Träumer – Kritiker – Realist); für diesen Fall empfiehlt er eine Begleitung durch eine erfahrene Moderation, damit „Befindlichkeiten“ und mögliche Aus-einandersetzungen zwischen Träumer und Kritiker, zwischen denen sonst der Realist steht, vermieden werden.

A Die Methodik kann einzeln, im Team oder auch als Coaching-Part-ner-Prozess absolviert werden.

A Die Phasenreihenfolge ist anders als die des kreativen Prozesskreis-laufs (konkret: die Phase der Optimierung (bzw. „Kritiker“) und die Phase der Implementierung (bzw. „Realist“) sind ausgetauscht.

A Berücksichtigt alle drei Ausführungs-Perspektiven des kreativen Kreislaufs – und bezieht alle drei Haupt-Denkrichtungen mit ein.

A Verbindet intuitives und strukturiertes Arbeiten. A Liefert Ideen und begleitet den kompletten Kreislauf bis hin zur

Umsetzung. A Als Prozess durchgeführt, können in jedem der drei Abschnitte un-

terschiedliche Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen, die den jeweiligen Schritt und seine Intention unterstützen.

A Erfordert Zeit und die Disziplin der Gruppe, im jeweiligen Schritt auch „nur“ so zu denken – und auch die Wechsel konsequent durchzuführen.

A Phasen-Trennung muss sehr bewusst und konsequent durchgeführt werden.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden498

Page 11: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Idealog ist eine Kreativitätsmethodik ( Michael Luther, 2005), die die vier Phasen des kreativen Prozesses als Kreislauf abbildet. Dabei ver-folgt jede Phase ein fest umrissenes Ziel, beinhaltet ein defi niertes Set an Spielregeln, Phasennormen und Kreativitätstechniken und erfordert einen bestimmten Denkstil, um gemeinsam eine Lösung zu produzie-ren. Zum Einsatz kommt die Methodik im Wesentlichen in berufl ichen Problemlösungs-, Innovations- und Change-Prozessen, im erfi nderi-schen Problemlösen, ebenso wie bei Sitzungsgestaltungen und Projekt-durchführungen.

Einem Problemlösungs-, Innovations- oder Erfi ndungsprozess Richtung und Struktur geben und den gesamten Ablauf des Problemlösungskreis-laufs arbeitstauglich abbilden.

Die Idealog-Methodik kommt in unterschiedlichen Formaten zur An-wendung, z.B.:

A in Gesprächs- oder Diskussionsrunden (vergleichbar den sechsADenk-hüten).

A in Aufgabenbearbeitungs-, Problemlösungs-, Innovations- und Ver-änderungsprozessen (vergleichbar dem CPS-Prozess).

Die Methodik umfasst vier Abschnitte, die entweder informell (z.B. in einem Gespräch) oder formell (als Arbeitsschritte in einem Problemlö-sungsprozess) als Roter Faden dienen, der den Beteiligten eine Struk-tur vom Problem hin zur erfolgreichen Lösungsumsetzung bietet. Dabei gelten Jeweils die drei Grundregeln: parallel denken, aktiv denken, lautAdenken.

1. Schritt: Orientierung (Auftrag – Richtung klären)

Denkstil: strategisches DenkenArbeitsschritte: Analysieren des Problems; Festlegen des Ziels; Defi nie-ren der Erfolgskriterien; Formulieren der FragestellungLeitfragen: WasAgenauAsollAsichAändern?AWoAsollAesAhingehen?

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Idealog-Sitzung

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel-, Partner-, Gruppenmethodik

EinsteigerFortgeschrittene

Gespräch: 30 Min.Prozess: 60–120 Min.

Raumabtrennung oder mehrere Pinnwände

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Methoden und Strategien für Einsteiger

© managerSeminare 499

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Lösungen realisieren (Aktion)Lö

Idee

n en

twic

keln

(Im

puls)

) Id

Konzepte verfeinern (Check)

Richtung klären (Auftrag)

2. Schritt: Generierung (Impuls – Ideen entwickeln)

Denkstil: fantasievolles DenkenArbeitsschritte: Sammeln von Anregungen; Denkanstöße anknüpfen und weiterdenken; Entwickeln von neuen Ideen und Zünden von Geis-tesblitzen; Neuland betreten, querdenken und spinnenLeitfrage: WasAwäreAmöglich/vorstellbar?

3. Schritt: Optimierung (Check – Konzepte verfeinern)

Denkstil: kritisch-systematisches DenkenArbeitsschritte: Ordnen aller Vorschläge; Priorisieren und Favorisieren; Rohvorschläge stärken; in Konzeptform bringen Leitfragen: WelcheAVorschlägeAsindAamAerfolgversprechendstenAimASinneAderAAufgabenstellung?AWasAgiltAesAzuAbedenken?AWelcheAEinwändeAkönnteAesAgeben?AWerAkönnteAetwasAdagegenAhaben?AWasAkannAbzw.AmussAdaranAnochAverändert/angepasst/korrigiertAwerden?

4. Schritt: Implementierung (Aktion – Lösungen verwirklichen)

Denkstil: handfest-produktives DenkenArbeitsschritte: Maßnahmenpläne entwickeln; Ressourcen organisieren; Lösungen umsetzen; Erfolg und Lerneffekte überprüfenLeitfragen: WieAließeAsichAdasAumsetzen?AWieAkönnteAdasApraktischAver-wirklichtAwerden?AWelcheARessourcenAbrauchenAwirAdafür?AWoherAbekom-menAwirAsie?

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden500

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Praxisbeispiel

Der Erfi nderclub T. möchte einen erlebnisreichen Tag der Offenen Tür durchführen und hat zu diesem Zweck eine Projektgruppe ins Leben gerufen.

Vorgehen

Bei ihrem ersten Treffen beschließt die Projektgruppe, das Projekt und die entsprechenden Sitzungen jeweils in Form eines Idealogs durchzuführen, mit dem die Erfi nder schon gute Erfahrungen in vorausgegangenen Erfi nderprojekten gesammelt haben. Die Gruppe verstän-digt sich darauf, aus Zeitgründen heute nur einen Durchgang durchzuführen, wobei der Schwerpunkt auf den Phasen 1-3 liegen soll, um das Projekt in Gang zu bringen.

1. Orientierungsphase: Da zu diesem Thema unterschiedliche Vorstellungen existieren, inve-stiert die Gruppe 45 Minuten, um sich auf ein Ziel für die durchzuführende Veranstaltung zu verständigen; dieses wird in Form eines SMART-geprüften Zielsatzes formuliert.

2. Generierungsphase: Die Gruppe einigt sich, der anschließenden Phase der Ideengene-rierung heute einen breiteren Raum zu widmen und nach einer Pause die folgenden 60 Minuten zu investieren, um Ideen zu entwickeln, wie das formulierte Ziel erfolgreich und innovativ verwirklicht werden kann. Mithilfe zweier Ideenfi ndungstechniken, dem Brain-walking und der What-If-Technik sammeln die Erfi nder, die schon Erfahrung im Umgang mit Ideentechniken haben, die stattliche Zahl von 120 Ideen, wobei ihnen das vorherige Festlegen einer Ideenquote hilft, den Fokus auf „viele Ideen“ (Quantität) zu legen.

Die anschließende kurze Pause ermöglicht es den Beteiligten, die gesammelten Ideen schon einmal ganz zwanglos zu sichten. Obwohl nicht vorgesehen, kommen die Beteiligten nach der Pause überein, noch fünf Minuten Zeit für eine „Nachlese“ zu investieren, angeregt durch die zwischenzeitliche „Ideenbesichtigung“.

3. Optimierungsphase: Die Gruppe nutzt ein Umräumen des Raumes als Separator und beschließt, in dieser Phase heute nur eine Sichtung und Erstauswahl der gesammelten Vorschläge vorzunehmen, und die notwendige Stärkung und Ausarbeitung ausgewählter Vorschläge auf das kommende Treffen bzw. die Zeit dazwischen zu legen. Dazu wird mithilfe eines Clusterings ein erster Überblick über die vorliegenden Vorschläge geschaffen, gefolgt von einem VIP-Scan, um einen schnellen und qualifi zierten Überblick darüber zu erhalten, welche Vorschläge von der Gruppe priorisiert werden.

4. Implementierungsphase: Nachdem die Gruppe eine erste Übersicht geschaffen hat, welche Ideen favorisiert werden, werden die letzten 20 Minuten dazu genutzt, einen ersten generellen Maßnahmenplan zu erstellen, wie im Bezug auf die ausgewählten Ideen zu ver-fahren ist, wer gegebenenfalls schon heute als Ideenpate bzw. als Ideenpaten-Team für die Ausarbeitung und Umsetzung einer Idee zur Verfügung steht und welche Aufgaben im Bezug auf das Projekt schon heute terminiert werden können.

Methoden und Strategien für Einsteiger

© managerSeminare 501

Page 14: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

A Die Methodik kann einzeln, im Team, als Diskussions-Leitfaden oder auch als Coaching-Partner-Prozess genutzt werden.

A Wird die Methodik von einer Gruppe angewandt, denken in jedem Schritt alle Beteiligten in die gleiche Richtung (paralleles Denken).

A Wird die Methodik im Verlauf einer Gruppendiskussion eingesetzt, können die vier Phasen auch als vier verschiedene Perspektiven dienen, unter denen eine Aufgabenstellung betrachtet wird. Wich-tig dabei ist, dass verdeutlicht wird, in welcher Phase (Perspektive) sich alle gerade befinden und dass ein Wechsel gemeinsam vollzo-gen wird.

A Als Prozess durchgeführt, können die Abschnitte auch über mehre-re Sitzungen verteilt werden.

A Im Rahmen der Methodik können situationsangemessen unter-schiedliche Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen.

A Wird im Vorfeld eine Präferenzermittlung mit dem zur Idealog-Me-thodik kompatiblen IPC-Profiler vorgenommen und werden die Er-gebnisse anonym oder offen visualisiert, gewinnt eine Gruppe einen konkreten und nutzvollen Eindruck, welche Phasenpräferenzen im Team vertreten sind und wo für den anstehenden Prozess Ressour-cen vorhanden sind – bzw. wo möglicherweise Defizite existieren, die gegebenenfalls durch externe Unterstützung ausgeglichen wer-den müssen.

A Ist 1:1 kompatibel mit dem kreativen Problemlösungsprozess und berücksichtigt alle vier Perspektiven des kreativen Kreislaufs.

A Verbindet strategisches, intuitives, strukturiertes und produktives Arbeiten.

A Liefert ein Grundraster für jede Art von Problemlösung, Aufgaben-bearbeitung und Sitzungsgestaltung.

A Braucht Zeit und Disziplin für den jeweiligen Schritt. A Die Phasentrennung muss sehr bewusst und konsequent durchge-

führt werden.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden502

Page 15: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Die Zukunftswerkstatt ist eine komplexe Methodik ( Robert Jungk, 1989), die sich in einem festgelegten Ablauf in eine Vorbereitungs- und drei Haupt-Phasen gliedert und neue Lösungen für existierende, unbefriedigende Zustände oder Situationen liefert. Sie ist unterteilt in:

A Einleitende Vorbereitungsphase A Kritik-/Beschwerdephase (auch als Frust- oder Motzphase bekannt) A Utopie-/Fantasiephase A Strategie-/Verwirklichungsphase

Ihnen folgt eine abschließende Ergebnispräsentation und eine entspre-chende Nachbereitung.

A Bearbeitet komplexe Aufgabenstellungen umfassend. A Ist hochgradig dort wirkungsvoll, wo Teilnehmer aufgrund voran-

gegangener negativer Erfahrungen noch stark im „Problemzustand“ verhaftet sind und oft noch nicht reif für eine konstruktive Lö-sungssuche sind. Ihnen wird Gelegenheit geboten, erst einmal „Luft abzulassen“.

1. Vorbereitungsphase

In dieser Phase werden die Spielregeln für die Vorgehensweise bekannt gemacht und vereinbart. Die Problemstellung wird defi niniert und das Thema festgelegt: Die Gruppe fi ndet eine gemeinsame Aufgabenstel-lung, die allen „unter den Nägeln brennt“ (kann schon als Einladungs-Motto stehen).

2. Kritik-/Beschwerdephase

Nun werden Gemeinsamkeiten auf der Grundlage heftiger Kritik an den herrschenden Zuständen hergestellt. Fragestellung: WasAärgert?AWasAnervt?AWasAsollAsichAändern?ADie persönliche Betroffenheit wird als Aus-löser genutzt, um die IST-Situation und deren Schwächen aufzuzeigen. Anschließend werden die Probleme geordnet.

Zukunftswerkstatt

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Gruppenmethodik EinsteigerFortgeschrittene

Kurzform/Prinzip: 45 Min.Konferenz: 2 Tage

Fortgeschrittener Standard

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

1. OR 2. GE 3. OP 4. RE

Methoden und Strategien für Einsteiger

© managerSeminare 503

Page 16: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

3. Schöpferische/Utopie-/Fantasiephase

Die Gruppe bezeichnet wünschenswerte Zustände, fi ndet visionäre Ideen und erstellt ideale Szenarien. Hier lautet die Fragestellung: WasAstattdessen?AWasAwäreAwünschenswert?

4. Strategische Phase/Verwirklichungsphase

A) Prüfung und Bewertung Wünsche, Zielzustände und Entwicklungsrichtungen werden mit den realen Bedingungen, vorhandenen Trends und Hindernisse, die der Rea-lisierung im Weg stehen, verglichen.

B) Entwurf und EntscheidungNun legt die Gruppe konkrete Um-setzungsmöglichkeiten in Form eines Maßnahmenzeitplans verbindlich fest und teilt Verantwortlichkeiten auf. Fragestellungen: WasAwollenAwirAkon-kretAtun?AWerAkannAunsAdabeiAhelfen?AWannAbeginnenAwir?

5. Kurzpräsentation der Ergebnisse: In Kleingruppen erarbeitete Ergebnis-se werden in der Großgruppe zusam-mengefasst und präsentiert.

6. Nachbereitungsphase: Die Gruppe legt ein Auswertungstreffen fest, um Zielvereinbarungen mit weiteren Per-sonen zu treffen und den Stand der Umsetzungen zu überprüfen.

Praxisbeispiel

Eine Bürgerinitiative hat aufgrund der sozialen Unruhen in ihrem Viertel, in die immer wieder Jugendliche involviert sind, zu einer Zukunftswerkstatt eingeladen, um die Thematik aufzuarbeiten.

Vorgehen

Die von langer Hand durch eine Projektgruppe vorbereitete Veranstaltung verstand sich als zweitägige Auftaktveranstaltung, der bei Interesse weitere Maßnahmen folgen sollten.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Abb.: Die Dynamik im Prozess einer Zukunftswerkstatt.

Phase 1 Phase 2 Phase 3

Ti

ef

Hoc

h

KritikVision

Aktion

Besc

hwer

den

Handlungs-

ideen

Zur Dynamik im Zeitablauf einer Zukunftswerkstatt

Wünsche

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden504

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Vorbereitungsphase: Zunächst werden alle Anwesenden (insgesamt folgen 85 Personen verschiedener Altersstufen der Einladung, was die Organisatoren für das erste Mal als Erfolg verbuchen) willkommen geheißen und mit einer kurzen Präsentation in die Thematik und die Herangehensweise in Form der Zukunftswerkstatt vertraut gemacht. Bereits an diesem Punkt zeigt sich, dass die Anwesenden sich nicht nur als Beteiligte im Sinne der Veranstal-tung, sondern auch als Betroffene im Sinne der Themenstellung verstehen. Das reicht von den jüngeren Teilnehmern, die sich des Öfteren einer Diskriminierung gegenübersehen, bis zu den Älteren, die z.T. der Jugend in ihrem Viertel mittlerweile generell kritisch gegen-überstehen. In diesem Zusammenhang wird das schon vor der Veranstaltung von einer Projektgruppe entworfene Motto und das Ziel der Veranstaltung, das bereits der Einladung zugrunde lag, visualisiert und den Anwesenden noch einmal nahegebracht.

Kritikphase: Da die Stimmung bei nahezu allen Anwesenden bereits stark kritiklastig war, wird direkt zur Kritikphase übergegangen, in der unter Nutzung der Brainwalking-Technik die persönliche Betroffenheit der Beteiligten durch ihre Kritik an den herrschenden Zu-ständen geäußert wird. Dank des bewegten Charakters hält sich die negative Stimmung in dieser Phase in Grenzen – aber der Ärger an den herrschenden Zuständen ist zu spüren. Dieser ersten Sammelphase schließt sich ein Clustern der Problemfelder in Kleingruppen an, die ihre Ergebnisse anschließend in der Großgruppe präsentieren.

Die anschließende Mittagspause erbringt bei manchem Teilnehmer und vor allem bei den Veranstaltern den Eindruck, dass viele bereits jetzt froh sind, dass sie ihre Kritik äußern konnten und ihre Meinungen tatsächlich wahrgenommen wurden.

3. Mit neuer, tatsächlich schon sehr konstruktiver Energie startet dann auch die anschlie-ßende Zukunftsphase, in der die Beteiligten den ganzen Nachmittag Zeit haben, mithilfe verschiedener Kreativitätstechniken wünschenswerte Zustände, Visionen und ideale Szena-rien zu entwickeln, in Kleingruppen zu verdichten und anschließend wieder in der gesamten Gruppe vorzustellen.

4. Die strategische Phase am nächsten Morgen bringt dann wieder einige Ernüchterung, gilt es doch, die Visionen der Realität anzunähern. Was die Energie in der Gruppe aber hochhält, ist der Umstand, dass die Beteiligten begreifen, dass sie selbst an ihrer eigenen Zukunft aktiv arbeiten können – und wohl auch müssen, was die beteiligten Vertreter von Politik und Verwaltung deutlich zum Ausdruck bringen. Die vorgelegten Vorschläge werden in Kleingruppen mit der Realität abgeglichen, erste Umsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt – und auch die ein oder andere, zuerst euphorisch klingende Idee wird doch fallengelassen.

5. Die abschließende Präsentation der Kleingruppen im Plenum ist, obwohl keiner der Beteiligten Erfahrungen mit einem so langen Prozess hatte, von gespannter Erwartung und einer gemeinsamen „Lasst es uns packen“-Stimmung geprägt, geht es doch um die Zukunft des eigenen Viertels. Das, und dass sie selbst Einfl uss haben, haben nun alle begriffen.

Methoden und Strategien für Einsteiger

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A Der Prozess beginnt mit einer vorgeschalteten Kritikphase, in der die Teilnehmer ihre Unzufriedenheit im Bezug auf eine aktuelle Si-tuation oder bestehende Zustände äußern können.

A Die Methodik kann auch in Kurzform durchgeführt werden, wenn es darum geht, auf der Basis der Kritik an den herrschenden Zustän-den zu einer Ideenfindung und nachfolgenden Vorbereitung einer Lösungsumsetzung zu kommen. Im Originalformat beansprucht sie einen Zeitraum von etwa zwei Tagen.

A Im Rahmen der Methodik können situationsangemessen unter-schiedliche Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen.

A Achtung: Für die lösungsorientierte Umsetzung ist ein deutlicher Separator zwischen der „Motzphase“ und der „Visionsphase“ er-forderlich, damit die Energien für die Lösungsfindung eingesetzt werden können; dazu bietet es sich bei umfangreicheren Veranstal-tungen an, die Zeitplanung so zu gestalten, dass die Kritikphase am ersten Tag vor die Mittagspause gelegt wird, und die Visions-phase im Anschluss an diesen „organischen Separator“ stattfindet.

A Seitens der Moderation ist darauf zu achten, die Teilnehmer aktiv aus dem Problemzustand der „Kritikphase“ wieder herauszuholen.

A Die vorgeschaltete Kritikphase erlaubt, „Dampf“ abzulassen, bevor neue Ideen gesammelt werden. Das erleichtert die nachfolgende Ideenfindung.

A Polarisiert stark und schafft damit eindeutige Verhältnisse. A Situative Einbindung nahezu des gesamten Repertoires an Kreativ-

techniken möglich.

A Sehr material- und raumintensiv. A Erfordert eine präzise Ausschreibung im Vorfeld, um „die richtigen

Teilnehmer“ abzuholen. A Braucht Übung und eine erfahrene Moderation – und ist anfangs

gewöhnungsbedürftig. A Die Phase der Auswertung/Auswahl und Korrektur (Strategische

Phase) kommt inhaltlich zu schwach weg – und ist in der ursprüng-lichen Methodik nicht eindeutig von der Ideenumsetzung (Verwirk-lichungsphase) abgegrenzt.

A Eine detaillierte Analyse der benannten Problemstellungen bzw. ei-ne Zieldefinition ist nicht expliziter Bestandteil der Methodik.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden506

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TEC ist ein einfaches Rahmenwerk ( Edward de Bono, 1982), das in drei Schritten einen schnellen ersten Eindruck von einer Aufgabe, einem Prozess oder einem Projekt vermittelt. Die Buchstaben stehen für:

A Target/Task (zielbezogene Denkaufgabe)A Expand/Explore (divergentes Denken)A Contract/Conclude (konvergentes Denken).

Kann als einfache Einstiegs-Prozessmethodik genutzt werden, um in kurzer Zeit oder in einer informellen Runde zu einem Thema „auf den Punkt zu kommen“.

Die Methodik umfasst drei Schritte. Sie werden der Reihe nach durch-geführt, ggf. unter Nutzung zweckmäßiger Tools und Einzeltechniken:

1.T:Fokus-PhaseRichtungsweisendes Denken.Den Denk-Fokus festlegen.Konkrete Vorstellung vom Problem bzw. der zu bearbeitenden Aufgabe bekommen: WorumAgenauAgehtAesAeigentlich?Mögliche de Bono-Denktechniken (s. DATT):AAGO

2.E:Öffnungs-PhaseLaterales Denken.Das Feld öffnen.Öffnen für Möglichkeiten, Alternativen, andere Sichtweisen: WasAwäreAallesAvorstellbarA(imABezugAaufA...)?Mögliche de Bono-Denktechniken (s. DATT): CAF,AAPC

3.C:Einengungs-PhaseBewertendes DenkenSinn machen aus dem vorher Erfahrenen/Entwickelten.Zu einer Lösung gelangen: WasAgenauAsollAdasAErgebnisAsein?AWasAträgtAamAbestenAdazuAbei?Mögliche de Bono-Denktechniken (s. DATT): OPV

TEC

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- und Gruppenmethodik

EinsteigerFortgeschrittene

5–30 Min. Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Methoden und Strategien für Einsteiger

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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Praxisbeispiel

Ein mittelständisches Unternehmen will sein 10-jähriges Jubiläum kundenwirksam feiern. Dazu treffen sich in einer ersten Vorbesprechung der Chef, seine Sekretärin als der „pfi ffi ge Kopf“ und der Marketingbeauftragte, um eine grobe Zielrichtung festzulegen.

Vorgehen

Der Marketingbeauftragte kennt von seiner letzten Fortbildung die TEC-Methodik, und hat sie gerade für kürzere Sitzungen als ein Arbeitsformat schätzen gelernt, das in kurzer Zeit einen Rahmen aufspannt, um ein Thema „griffi g“ aufzubereiten. Er bereitet dafür ein Flipchart mit drei Blättern vor, die nacheinander jeweils einen Punkt der Methodik abbilden und als visuelle Hilfe für das strukturierte Vorgehen dient. Mit Einverständnis des Chefs moderiert er die Sitzung in den drei TEC-Schritten:

1. Target/Task (Ziel/Aufgabe): Das grobe Ziel ist klar: Veranstalten einer Feier zum 10-jäh-rigen Jubiläum. Im Laufe der kurzen Besprechung kommen allerdings weitere Punkte zur Sprache, die dabei eine Rolle spielen, wie etwa: Angemessenheit – Bezahlbarkeit – Attrakti-vität für Kunden – Attraktivität für die nähere (ländliche) Umgebung – Attraktivität für die Presse. Und so kann bereits nach einer knappen Viertelstunde als ein erstes erweitertes Ziel formuliert werde: „Wir feiern unser 10-jähriges Firmenjubiläum in einem attraktiven und doch preisbewussten Rahmen und interessieren gleichzeitig alte und neue Kunden für unser Dienstleistungsangebot.“

2. Expand/Explore (Expandieren/Erforschen): Nachdem das erste Flipchart abgehängt und an der Wand des Besprechungsraums befestigt ist, widmen sich alle Beteiligten der Frage „Was wäre denkbar, um dieses Ziel zu erreichen?“ Dabei gestattet die TEC-Struktur, dass selbst ein eher informelles Gespräch als Ideenquelle genutzt werden kann, wobei der Moderator in dieser Phase nur hin und wieder auf den divergenten Fokus hinweist, wenn eine vorge-brachte Idee direkt mit einer kritischen Anmerkung versehen wird. Interessant ist, dass die kleine Gruppe, obwohl sie ihren Gedankenaustausch eher als informelles Erstgespräch angedacht hat, nach weiteren 15 Minuten bereits eine ganze Reihe von Ideen skizziert hat, mit der sich das genannte Ziel umsetzen ließe.

3. Contract/Conclude (Zusammenziehen/Entscheiden): Das „Zusammenziehen“ im Rahmen dieser ersten Sitzung nimmt der Chef selbst vor, indem er feststellt, dass nur drei Leute in bereits 30 Minuten einen so konkreten Rahmen aufgezeigt haben, dass es Sinn ergibt, für die Veranstaltung eine eigene Projektgruppe einzuberufen, der sowohl eine fest ver-antwortliche Person, als auch eigene Mittel zugeteilt werden. Unterstützung fi ndet er in seinem Marketingbeauftragten, der für die Veranstaltung gerne eine eigene „Marketinglinie“ entwickeln möchte.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

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A TEC kann sowohl als eigenständiges kurzes Prozess-Erstformat ge-nutzt werden (z.B. im Rahmen einer Gesprächssituation) oder auch im größeren Umfang unter Einbezug weiterer Kreativitätstechniken und insbesondere der de Bono-Denk-Tools (s. DATT).

A Der Entwickler selbst empfiehlt eine Kombination aus TEC und PIS-CO, wobei TEC an jedem beliebigen Punkt von PISCO, der eine einge-hendere Untersuchung erforderlich macht, zur Anwendung kommen kann.

A Die Methodik eignet sich als „Schnellmethodik“, um z.B. in einem Fünf-Minuten-Gespräch oder einem „Fünf-Minuten-Denken“ einen ersten, aber bereits komplexen Eindruck von einer Aufgabe zu be-kommen; für diesen Fall empfiehlt der Entwickler folgendes Zeit-rahmen:•T: 1 Min. für einen ersten Fokus•E: 2 Min. für eine erste Erkundung•C: 2 Min. für eine (oft gefühlsmäßige) erste Einengung von Lö-

sungsalternativen

A Kurzgefasstes Rahmenwerk für den kompletten Prozess. A Liefert auch in kurzer Zeit bereits erste Denkansätze ab, die mehr

als nur einen Aspekt berücksichtigen.

A Bedarf zur vollständigen Bearbeitung komplexer Aufgaben der Er-gänzung durch weitere Tools oder der Kombination mit einer weite-ren Strategie, wie z.B. PISCO.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

Methoden und Strategien für Einsteiger

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PISCO

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- und Gruppenmethodik

EinsteigerFortgeschrittene

30–120 Min. Fortgeschrittener Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

PISCO ist eine komplexe Denkmethode (aus dem CoRT-Ansatz nach Edward de Bono, 1982), die in fünf Schritten ein vollständiges, ver-kürztes Prozessmodell für die Analyse existierender Probleme und Ent-wicklung von Problemlösungen liefert. PISCO steht für:

A Purpose (Absicht)A Input (Eingabe)A Solutions (Lösungen)A Choice (Wahlmöglichkeiten)A Operation (Operationen).

Kann als Einstiegs-Prozessmethodik genutzt werden, die in einem überschaubaren Rahmen (wie z.B. einer Sitzung) unter schrittweisem Entwickeln adäquater Lösungsansätze prozessrelevante Ergebnisse er-bringt.

Die Methodik umfasst fünf Schritte, die der Reihe nach durchgeführt werden, ggf. unter Nutzung zweckmäßiger Tools:

A Purpose (Absicht): WorumAgehtAesAeigentlich,AWasAistAdieAAbsicht,AderAZweckAdesADenkens?AWasAsollAamAEndeAherauskommen?• Analyse der Problemsituation.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT).

A Input (Eingabe) • Entwickeln eines reichen Problemverständnisse und geeigneter

Problemdefi nition.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT): CAF,AC&S,AOPV.

A Solutions (Lösungen)• Produktion von Lösungsideen und Alternativen.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT): APC.

A Choice (Auswahl treffen)• Auswahl der bestgeeigneten Idee, um schließlich zu einer (!) Lö-

sung zu kommen.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT): PMI, C&S, OPV,

FIP.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden510

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A Operation (Operationen):AWelcheASchritteAsindAzuAunternehmen,AumAdieALösungAerfolgreichAumzusetzen?• Realisation der ausgewählten Idee.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT).

Praxisbeispiel

Das Softwarehaus DB möchte in Bezug auf seine erfolgreiche Webdesignlösung die Meinung der Kunden einholen sowie in einer gemeinsamen Veranstaltung mit Entwicklern und Kun-den Ideen und Möglichkeiten für einen „Next Generation“-Ansatz ausloten.

Vorgehen

Im Rahmen einer Tagesveranstaltung wird die PISCO-Methodik gewählt, um die weitgehend workshopunerfahrenen Teilnehmer auf leichte und gleichzeitig ergebnisorientierte Weise in dem Frühstadium des Entwicklungsprozesses für eine neue oder ergänzte Softwarelösung zu integrieren. Dazu werden zum Tageseinstieg die fünf Schritte der Methodik vorgestellt, die gemeinsam zu begehen sind.

1. Purpose: Zunächst erfolgt eine Auftaktinformation des Referatsleiters, der die Anwe-senden von der geplanten Zielrichtung und ihren Hintergründen, die die Softwareschmiede mit dem Produkt und dem Workshop verfolgt, in Kenntnis setzt. In einer Gesprächsrunde, die dem geringen Erfahrungsstand der Beteiligten angepasst ist, werden zunächst die aktu-elle Situation, die entsprechenden Vor- und Nachteile und die vorgesehenen Ziele im Bezug auf die Software erarbeitet.

2. Input: Dann wird ein gemeinsames Problemverständnis entwickelt, dessen Basis sowohl die Unternehmenskenntnis des Markts und auf der anderen Seite auch die Kunden- und Verbraucherperspektive bilden. Mithilfe der Kreativitätstechnik CAF und einem Raumset-ting mit zwei Infoständen nehmen der Softwareentwickler, die Marketingabteilung und die Kundenseite abwechselnd Stellung; alle Informationen werden von der Moderation in der Raummitte auf einer mehrseitigen „Informationsinsel“ mitprotokolliert.

3. Solutions: In der Mittagspause fi ndet ein Umbau des Raums statt. Die „Wandplakate der Pinnwand-Insel“ werden nach außen an drei Wände gehängt; an der vierten Wand wird das Plakat „Frage und Antwort“ ergänzt. Die Mittelinsel ist nun mit vier neuen Wandplakaten ausgerüstet, die mit vier thematisch variierenden Fragestellungen auf neue Produktfeature-, Bedienungs-, Design- und Rahmen-Ideen und -lösungsansätze abzielt. Alle Beteiligten kön-nen an allen Wänden in Form eines Brainwalkings ihre Wünsche hinterlassen.

4. Choice: Nach einer Kaffeepause geht es darum, aus der Vielzahl von mehr als 300 entwi-ckelten Ideen einen ersten Grundtenor darzustellen. Mithilfe der VIPS-Technik bewerten die

Methoden und Strategien für Einsteiger

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

A Bereits in der initialen Phase wird Wert auf laterales Denken gelegt, um frühzeitig schon unübliche Perspektiven zu erkunden.

A Auch bei PISCO können nahtlos viele Kreativitätstechniken oder auch de Bono-Denktechniken in die einzelnen Phasen integriert werden, um den Phasenzweck zu erfüllen.

A Der Entwickler selbst empfi ehlt eine Kombination aus TEC und PISCO, wobei TEC an jedem beliebigen Punkt von PISCO, der eine eingehendere Untersuchung erforderlich macht, zur Anwendung kommen kann.

A Strukturiertes Vorgehen vom Ziel hin zu notwendigen Aktionen. A Liefert Ideen und verfolgt diese bis hin zur Umsetzung.

A Erfordert Zeit und/oder Disziplin. A Phasen-Trennung (in Bezug auf die Phasen des kreativen Prozesses)

muss sehr bewusst durchgeführt werden.

Teilnehmer ihre subjektiven Favoriten in vier verschiedenen Klassen, und bereits nach kur-zer Zeit zeigt sich ein eindeutiges Meinungsbild, das in Form einer Matrix für alle sichtbar an einer Wand visualisiert ist.

5. Operation: Die letzte Runde wird aus Zeitgründen an einer zentralen Pinnwand „notiert“. Dazu bilden die Beteiligten Paare, die jeweils fünf Minuten Zeit haben, um je drei Aktionen und Maßnahmen, die sie jeweils für die wichtigsten „ersten drei Schritte“ halten, auf Post-its zu notieren. Alle Post-its werden zusammengetragen, vorgestellt und an der Pinnwand befestigt. Gemeinsam werden die Post-its dann gemäß ihrer zeitlichen Abfolge geordnet und zu einer überdimensionalen „Zeitlinie“ arrangiert.

Der Tag endet mit einer Feedbackrunde aller Teilnehmer, einem Abschluss-Statement des Entwicklers und einem kurzen Fazit der Firmenleitung.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

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ToLoPoSoGo ist eine ursprünglich für die Erziehung von Kindern zum kreativen Denken entwickelte Methodik ( Edward de Bono, 1992) und ein Rahmenwerk, das in fünf Schritten den Denkprozess als Ganzes abbildet. Jede Phase verfolgt eine eigene Zielrichtung, dokumentiert (und nutzt) eine bestimmte Denkrichtung und kann sich spezieller Techniken bedienen. Die Phasen sind im Einzelnen:

A To (what purpose – wofür): Zielsetzung A Lo(ok out – pass auf): Informationssammlung A Po(ssibilities – was ist möglich): Generieren von Möglichkeiten A So (what – und jetzt): Auswählen und Verdichten von Ideen und

Optionen A Go (–auf geht‘s): Umsetzungsschritte und Umsetzung

Kann als Einstiegs-Komplett-Prozessmethodik sowie als Trainings- und Lernmodell für den Bereich des kreativen Problemlösens genutzt wer-den.

Die Methodik umfasst fünf Schritte, die der Reihe nach durchgeführt werden, ggf. unter Nutzung zweckmäßiger Tools:

A To: Finden des Ziels (WohinAgehenAwir,AwasAgenauAistAdasAZielAdesADenkens?)• Zielsetzung: Bewusstmachen des Zieles und Richtung, wo es hin-

gehen soll.• Mögliche Kombination mit den de Bono-Denkhüten: Blauer Hut.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT): AGO.

A Lo: Finden der Fakten (WasAhabenAwir?)• Informationssammlung: Stoffsammlung anlegen (Informationen

und Emotionen) als Input für das Denken.• Mögliche Kombination mit den de Bono-Denkhüten: Weißer und

roter Hut.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT): CAF,AOPV.

A Po: Finden von Ideen, Möglichkeiten, Alternativen (WasAsindAdieAAlternativen?)

ToLoPoSoGo

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- und Gruppenmethodik

EinsteigerFortgeschrittene

30–90 Min. Fortgeschrittener Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Methoden und Strategien für Einsteiger

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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• Generieren von Möglichkeiten: Einfälle sammeln und Ideen ent-wickeln.

• Mögliche Kombination mit den de Bono-Denkhüten: Grüner Hut.Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT): APC.

A So: Finden von Prioritäten (WasAhabenAwirAhier,AwasApassiertAnun?)• Auswählen und verdichten von Ideen und Selektieren der brauch-

barsten Optionen. • Mögliche Kombination mit den de Bono-Denkhüten: Gelber und

schwarzer Hut.• Empfohlene de Bono-Denktechniken (s. DATT): PMI,AC&S,AOPV,A

FIP.A Go: Finden von Aktionen (WelcheAAktionenAfolgenAnun?)

• Umsetzungsschritte und Umsetzung: Ergebnisse in die Tat umset-zen.

• Mögliche Kombination mit den de Bono-Denkhüten: Alle Hüte zur umfassenden Umsetzung.

Praxisbeispiel

Ein Jugend-Erfi nderclub will seinen bevorstehenden Messeauftritt hinterfragen und im Rah-men eines neuen Veranstaltungskonzept grundsätzlich neu durchdenken.

Vorgehen

Eine Arbeitsgruppe mit dem klangvollen Namen „Mate“ (englisch für „Freund, Kumpel“ – deutsch als Initialen für M-esse – A-ktivgruppe T- (der Name der Stadt) – E-rfi nder) geht unter Leitung einer externen Moderation nach dem ToLoPoSoGo-Ansatz vor, um nicht nur den alljährlichen Messestand, sondern das gesamte Konzept auf den Prüfstand zu stellen und mit neuen Ideen sowohl in der eigenen Stadt selbst, wie auch auf der fachspezifi schen Messe mehr Interesse für die Erfi ndungen und den Jugenderfi nderclub zu erreichen. Die Schritte dazu im Einzelnen:

1. To: Angelehnt an das neue Konzept der Erfi ndermesse insgesamt macht sich die Gruppe bewusst, was genau eigentlich das Ziel ist, das sie mit einem Messeauftritt verbinden – bei dem es, ihrem Alter geschuldet, nicht allein um das Verkaufen von Erfi ndungen gehen kann. Die Beteiligen fokussieren sich schließlich auf das duale Ziel:

A Interesse am eigenen Jugenderfi nderclub als Nachwuchspool auf der Messe wecken. A Interesse am Erfi nden allgemein und speziell dem Jugenderfi nderclub in der eigenen Ge-

meinde wecken.

2. Lo: Die Faktensammlung gestaltet sich als eine für die Beteiligten gleichermaßen inte-ressante wie lustvolle Angelegenheit, weil sowohl historische Informationen (Messebeteili-gung der letzten fünf Jahre), als auch Informationen über das neue Messekonzept eingeholt werden müssen.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

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3. Po: Dieser Punkt erweist sich schnell als Favorit, und mithilfe verschiedener Ideentech-niken trägt die Gruppe eine Vielzahl von Ideen zu den beiden unter „To“ formulierten Zielen zusammen. Dabei wird, der Altersgruppe der Beteiligten entsprechend, ein „Thinking out of (any) box“ sehr schnell und sehr leicht erreicht. Als eine didaktische Ergänzung werden die anwesenden erwachsenen Betreuer zum Schluss dieses Punktes sogar bewusst aus dem Raum gebeten, um den Jugendlichen die Chance zu geben, befreit von allen Killerphrasen (selbst von nonverbalen, wie „Stirnrunzeln“ oder „fragende Blicke“) ihr Ideenpotenzial einmal frei zu entfalten.

4. So: Nach einer Pause (wichtig an dieser Stelle), fährt die Gruppe mit dem Verdichten von Ideen fort, indem zunächst thematische Zusammenhänge erkannt und hergestellt werden. Anschließend erfolgt eine Auswahl bevorzugter Denkansätze. Auch in diesem Punkt stellen die anwesenden Erwachsenen fest, dass die Jugendlichen mit einem hohen Maß an Sach-verstand ausgestattet sind und durchaus auch ein Gespür nicht nur für „was wäre genial“, sondern auch für „was ist machbar“ sowie ein gutes Händchen für die Auswahl tragfähiger Ideen besitzen.

5. Go: Der abschließende Punkt führt aus thematischer und didaktischer Sicht (Jugendliche und Erwachsene wieder vereinen) zur Darstellung von vier parallelen Aktionssträngen, die „MATE“, bzw. noch einzurichtende Untergruppen, in den nächsten drei Monaten (ein realis-tischer Zeitraum mit viel Puffer) zur Umsetzungsreife bringen soll.

In der abschließenden Runde zeigt sich ein starker Konsens, dass die ausgewählten Akti-vitäten ein wirklicher Schritt sind in Richtung eines neues Konzeptes, dass sich bestens in das geänderte Messekonzept einfügt.

A Die Methodik lässt sich gut mit den 6 Denkhüten kombinieren, ge-nauso kann sie auch mit den Denkwerkzeugen aus dem DATT-Sorti-ment angereichert werden.

A Geeignet, um Kinder an das kreative Problemlösen heranzuführen.

A Strukturiertes Vorgehen vom Ziel hin zu notwendigen Aktionen. A Jede Phase kann beliebige, zweckmäßige Kreativitätstechniken (wie

z.B. die DATT-Tools) integrieren. A Problemlösungsmethodik, die sich sowohl für die Erziehung junger

Menschen zum kreativen Denken, als auch für die konkrete Bear-beitung komplexer Aufgabenstellungen eignet und sich gut in die „Landschaft“ der de Bono-Kreativitätstechniken einfügt.

A Braucht Zeit und/oder Disziplin. A Die Phasentrennung des kreativen Prozesses muss sehr bewusst

durchgeführt werden.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

Methoden und Strategien für Einsteiger

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Page 28: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

SechsADenkhüte (im Original: SixAThinkingAHats® von Edward de Bono, 1984) ist eine komplexe Methodik der gelenkten Gruppendiskussion, wobei alle Teilnehmer nacheinander verschiedene, durch einen farbigen „Hut“ gekennzeichnete Rollen einnehmen. Dabei steht jeder Hut für eine bestimmte Problemlösungsqualität, Wahrnehmungsposition, Per-spektive und Denkrichtung, die jeweils gleichzeitig von allen gemein-sam eingenommen wird. Diese Art des „parallelen Denkens“ ist sowohl für die Bearbeitung einer Aufgabenstellung geeignet wie auch für jede Form von ergebnisorientierter Kommunikation. Sie ersetzt den alten Ansatz von Disput, Diskurs, Kontroverse, „Recht haben“ und „Stand-punkte verteidigen müssen“.

A Geeignet, um Diskussionen in Gruppen zu lenken. A Alle faktischen UND emotionalen Seiten einer Situation, Aufgabe

oder Lösung werden berücksichtigt. A Prozesse werden versachlicht und zeitraubendes Gegeneinanderar-

gumentieren wird eliminiert.

Zu einem Thema, einer Aufgabenstellung oder einem Projekt werden die sechs Denkhüte als Strukturhilfe genutzt, um den Prozess bzw. eine Gesprächssituation zu steuern und alle wesentlichen Perspektiven zu berücksichtigen. Die Hüte stehen jeweils für einen eigenen Denk-stil/eine eigene Perspektive und kommen nacheinander zum Einsatz, wobei alle Beteiligten jeweils den gleichen Hut aufhaben und in die gleiche Richtung denken (paralleles Denken). Das heißt konkret: Wenn die Moderation (oder ein Teilnehmer) einen Hut vorschlagen, wechseln alle Beteiligten in die jeweilige Farbe und denken „unter diesem Hut“. Die Reihenfolge kann frei gewählt werden, wobei darauf Wert zu legen ist, dass jeder Hut zumindest einmal zum Zuge kommt.

Im Einzelnen bedeuten die Hutfarben: A WeißerAHut: Gibt Informationen und Fakten wieder; emotionslos-

neutral.

Sechs Denkhüte

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Im WesentlichenGruppenmethodik

EinsteigerFortgeschrittene

20–60 Min. Standard; farbige Hüte oder Tischkarten

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden516

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Methoden und Strategien für Einsteiger

Abb.: 6 Denkhüte. Aus:

Funcke/Havenith, Mode-

rations-Tools, manager-

Seminare 2011, S. 266.

A RoterAHut: Bietet Raum für Gefühle und Intuition; emotional ohne Begründung.

A GelberAHut: Lenkt die Aufmerksamkeit auf Vorteile und Möglichkeiten (z.B. von vorgestellten Vorschlägen/Ideen); optimistische (sonnige) Grundeinstellung.

A SchwarzerAHut: Warnt vor Risiken und Gefahren und äußert sachliche Bedenken (z.B. von vorgestellten Vorschlägen/Ideen); kann die Rolle des AdvocatusADia-boli einnehmen.

A GrünerAHut: Entwickelt neue Ideen und Alternativen; ist originell, fantasievoll und erfi nderisch (die klas-sische Defi nition des Kreativen).

A BlauerAHut: Organisiert, leitet und lenkt den Prozess; objektiv, Metaposition.

Die Gruppe entscheidet gemeinsam über Reihenfolge, Wechsel und gegebenenfalls Wiederholung der Phasen.

Praxisbeispiel

Verschiedene größere Sportfachverbände und Großsportvereine fühlen sich in ihrer zustän-digen Sportorganisation nicht mehr hinreichend betreut. Es wird die Gründung eines neuen Dachverbands für Breitensport in Erwägung gezogen.

Vorgehen

Zur Sitzung eingeladen hat der Vorstand eines Großsportvereins, der die Anwesenden kurz in die Thematik einführt und anschließend mit der vorgesehenen Methodik der sechs Denkhüte und dem dahinterliegenden Konzept des parallelen Denkens bekannt macht. Zusätzlich wer-den den Beteiligten (insgesamt nehmen 10 Personen) jeweils ein Set farbiger Tischkarten zur Verfügung gestellt, mit denen sie die jeweils vereinbarte Hutfarbe auch optisch doku-mentieren und gleichzeitig eine gemeinsame Denkhaltung symbolisieren können. Wesent-licher Aspekt dieser Methodik, das macht der Leiter deutlich, sei es, dass alle Beteiligten wirklich in einen Dialog treten und ihre persönlichen Präferenzen wie auch Dissonanzen zugunsten einer gemeinsamen Lösungsfi ndung der jeweils aktuellen Hutfarbe unterordnen. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass der damit verbundene Perspektivwechsel auch eine große Chance darstellt, Dinge einmal umfassend zu begutachten.

Die Redewendung „eine Denkkappe aufsetzen“, kennen die Teilnehmer wohl, die reale Um-setzung ist jedoch neu für sie. Daher bittet der Veranstalter die Beteiligten dann zum Start, gemeinsam „den blauen Hut aufzusetzen“ und gibt ein erstes Statement zum Thema, zur Art und Dauer der Sitzung, zu den Rahmenbedingungen und den erstrebenswerten Zielen ab.

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Dann wechseln die Teilnehmer gemeinsam „unter den weißen Hut“ und tragen die Fakten, die zu der Thematik bekannt sind, zusammen bzw. stellen Fragen, um die noch offenen Sachfragen anzusprechen.

Aufgrund des Vorschlags eines Teilnehmers setzen die Beteiligten „den gelben Hut auf“ und tauschen sich darüber aus, was an der Situation als positiv angesehen wird, wo ihre Vorteile liegen und was Anlass zu berechtigtem Optimismus gibt. Alle Ergebnisse werden auf einem eigenen Flipchart festgehalten.

Zeit für den roten Hut, meint die Gruppe, um nicht nur über Fakten, sondern einmal über Gefühle zu reden, positive wie negative. Dieser Hut ist für manche Teilnehmer sehr ungewohnt, weil sie es für sie eher fremd ist, offen und vor allem bewusst ihre Gefühle zu äußern bzw. zu bemerken, dass Emotionen als wesentlicher Bestandteil des Prozesses ernst genommen werden.

Fast automatisch schließt sich, auf Vorschlag eines weiteren Teilnehmers, der „schwarze Hut“ an, unter dem die Beteiligten ihre sachlichen Befürchtungen und Bedenken äußern. Die aufgeführten negativen Aspekte sind in der Tat real und die Möglichkeit eines Eintre-tens besteht.

Höchste Zeit für den grünen Hut, den eigentlichen „Ideen-Hut“ unter dem mithilfe ver-schiedener Kreativitätstechniken konsequent nach Ideen gesucht wird, um die, vor allem vom schwarzen Hut erkannten Missstände zu beheben. Interessant fi nden etliche der Beteiligten, dass es an dieser Stelle eigentlich gar keiner Kreativitätstechnik mehr bedarf, weil die Gruppe sehr fokussiert auf die gemeinsame Lösungssuche ist.

In den folgenden 30 Minuten wechselt die Gruppe noch mehrfach gemeinsam die Hutfarbe, wobei jedem Hut Raum gegeben wird, bis sich alle Teilnehmer dazu äußern können.

Abschließend kann der leitende Direktor feststellen, dass es tatsächlich, innerhalb einer nicht für möglich gehaltenen kurzen Zeit, gelungen war, ein Thema und seine verschie-denen Perspektiven gemeinsam, statt gegeneinander zu diskutieren und zu ersten kon-struktiven Schlüssen zu gelangen.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

A Die Methodik bezieht auch emotionale Aspekte mit ein und eignet sich hervorragend als Gesprächsleitfaden in Diskussions- und Kom-munikationssituationen.

A Wichtig: Im Originalformat denken alle Beteiligten in jedem Schritt in die gleiche Richtung (paralleles Denken), also „unter dem glei-chen Hut“, um Diskussionen, Kontroversen und Rechthabereien zu vermeiden. Das ist das spezielle Erkennungsmerkmal.

Hinweise

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden518

Page 31: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Methoden und Strategien für Einsteiger

A Die Denkhüte stellen keine (!) Rollenbeschreibungen von Menschen dar, sondern bezeichnen vielmehr Denkmodi, die jeder Denker in der Lage sein sollte, einzunehmen. Das hat den Vorteil, dass Betei-ligte durchaus eine Position einnehmen können, ohne sich mit ihr anzufreunden (i.S.v. „EsAistAjaAnurAeineADenkrichtung,AdieAichAaktuellAeinmalAeinnehme“).

A de Bono legt Wert auf die Feststellung, dass die Denkhüte keine Kreativitätstechnik im engeren Sinne sind, sondern als Werkzeug zur Steuerung von Kommunikation in Gruppen entwickelt wurden.

A Die Reihenfolge der Hüte ist nicht vorgeschrieben, wohl aber exis-tieren einige Empfehlungen, wie:• Der blaue Hut sollte als Moderationshut am Anfang und am Ende

einer jeden Sitzung stehen.• Direkt nach dem grünen Hut (Ideen) sollte nicht der schwarze

Hut (Kritik) kommen, sondern zunächst unter dem gelben Hut (positive Sichtweise) nach Verstärkungen gesucht werden.

A Bei Bedarf können auch weitere Hüte kreiert und ergänzt werden. A Gruppen, die sich mit realen Hüten schwertun, können auch farbi-

ge Tischkarten benutzen, oder die Moderation visualisiert an dem zentralen Flipchart, welcher Hut gerade an der Reihe ist. Fantasie-volle Gruppen können dagegen tatsächliche Hüte (oder Hüteersatz) herstellen und ihre spielerischen Fähigkeiten bereits in die Einstim-mung auf den Prozess miteinfließen lassen.

A Integriert bewusst nicht nur „sachliche Perspektiven“, wie z.B. Fakten (weißer Hut), Ideen (grüner Hut), Überblick (blauer Hut), sondern auch emotionale Standpunkte wie Emotionen (roter Hut), negative Ansichten (schwarzer Hut), positive Impressionen (gelber Hut).

A Rahmenwerk für ein integrales Problemlösen – unter konstruktivem Einbezug aller Beteiligten.

A Alle bekannten Kreativitätstechniken und Denkwerkzeuge können nahtlos und situativ eingebunden werden.

A Hilft, sich über die Struktur und die Teilelemente einer Aufgabe be-wusst zu werden.

A Der Methodik liegt das „parallele Denken“ zugrunde, was bedeutet, das „unter einem Hut“ alle in die gleiche Richtung denken und die gleiche Perspektive einnehmen.

A Kann in kurzer Zeit hocheffektiv werden, weil gegensätzliche Dis-kussionen innerhalb eines Abschnitts ausgeschlossen werden.

A Wird gelegentlich als reines Rollenspiel aufgefasst und nicht ernst genommen.

Vorteile

Nachteile

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden520

Page 33: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

In diesem Abschnitt geht es um Werkzeugkombina-tionen, um komplexe Aufgaben bzw. ganze Projekte phasenübergreifend bearbeiten zu können. Nutzen Sie diese Werkzeuge, wenn Sie ...

A Zeit haben, anstehende Aufgaben und Projekte tief zu durchdringen,

A Vorerfahrung im Umgang mit kreativen Techniken und Methodiken haben ...

A ... oder eine externe Moderation haben, die den Prozess steuert, damit Sie sich auf den Inhalt kon-zentrieren können.

Alle Phasen des kreativen Problemlösungs- und In-terventions-Prozesses sind abgedeckt und ein Projekt kann auf hochprofessionelle Weise „aus einer Hand“ bewältigt werden. Es sind Tools für Meisterdenker – Komplexität erhöht die Wahlmöglichkeiten.

Portfolio der Kreativitätsmethoden DATT ................................................................. 522CPS-Strategie ..................................................... 533Lateral Thinking Process ..................................... 539Lego Serious Play ............................................... 543Design Thinking ................................................. 548Productive Thinking Model (Think X) .................... 553

TRIZ ................................................................. 553

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

„WennAdasAeinzigeAWerkzeug,AdasAduAzurAVerfügungAhast,AeinAHammerAist,AdannAneigstAduAdazu,AjedesAProblemAalsANagelAanzusehen.“

– Abraham Maslow

© managerSeminare 521

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DATT (Kurzform für „ Direct Attention Thinking Tools“, zu deutsch: die Aufmerksamkeit lenkende Denkwerkzeuge) beschreibt weniger eine einzelne Methodik als eine Reihe von Denkstrategien bzw. Denkwerk-zeugen (nach Edward de Bono, 1982), die in unterschiedlichen Phasen des kreativen Prozesses individuell zum Einsatz kommen. Die Tools stellen einzeln für sich jeweils eine Technik von einfacher Natur dar (oft sogar nur ein Prinzip), besitzen aber in ihrer Gesamtheit und dem sich gegenseitig ergänzenden Charakter den Status einer phasenüber-greifend wirkenden Methodik.

Punktuell wirkende Werkzeuge für die unterschiedlichsten Anforderun-gen des kreativen Prozess zur Verfügung zu haben, die die Aufmerk-samkeit gezielt auf ausgewählte Aspekte lenken.

Die DATT-Werkzeuge kommen jeweils in einer bestimmten Phase des kreativen Prozesses zum Einsatz und entfalten ihre Wirkung für einen bestimmten Einsatzzweck. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Tools, die anschließend separat beschrieben werden:

Tools für die 1. Phase

A CAF (Consider All Factors – zu deutsch: berücksichtige alle Fak-toren) – Denktool, mit dem alle Einfl ussfaktoren untersucht wer-den, die auf eine Aufgabenstellung einwirken.

A RAD (Recognize, Analyze, Devide - zu deutsch: Erkennen, Analy-sieren, Unterteilen) – Denk-Tool, mit dem zu Beginn einer Aufga-benbearbeitung die anstehenden Probleme in ihre bestimmenden Elemente unterteilt werden, wobei nach bekannten Teilen Ausschau gehalten wird.

A AGO (Aims, Goals, Objectives – zu deutsch: mehrere Synonyme für den Begriff „Ziel“) – Denk-Tool, mit dem anstehende Ziele konkret hinterfragt und detailliert aufbereitet werden, um eine genaue Ziel-bestimmung vorzunehmen.

A OPV (Other Peoples View – zu deutsch: Meinungen/Perspektiven anderer Leute) – Denk-Tool, mit dem mithilfe eines Perspektiv-

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

DATT

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppenformat

EinsteigerFortgeschrittene

15–40 Min. Siehe Technik-Beschreibungen

1. OR 2. GE 3. OP 4. RE

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden522

Page 35: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

wechsels untersucht wird, welche anderen Personen von der Aufga-benstellung betroffen sind und was deren Sichtweise sein könnte.

A KVI (Key Values Involved – zu deutsch: beteiligte Schlüsselkrite-rien) – Denk-Tool, das untersucht, welche „Werte“ und „Kriterien“ von einer Aufgabenstellung betroffen werden bzw. bei möglichen Lösungsansätzen zu berücksichtigen sind.

Tools für die 2. Phase

A APC (Alternatives, Possibilities, Choices – zu deutsch: Alternativen, Möglichkeiten, Optionen) – Vergleichbar dem Brainstorming, geht es darum, zu einer gegebenen Aufgabe viele Alternativen, Möglich-keiten und Ideen zu entwickeln. Das kann die Benutzung anderer, spezieller Techniken zur Ideengenerierung mit einschließen.

Tools für die 3. Phase

A PMI (Plus, Minus, Interessant) – Optimierungstechnik, bei der eine zuvor gefundene Lösung auf drei Aspekte hin hinterfragt wird (sie-he Kreativitätstechniken Seite 301).

A C&S (Consequences and Sequels – Konsequenzen und Folgerungen) – Denk-Tool, das die möglichen Auswirkungen aufzeigt, die eine Idee in der Zukunft haben kann.

A FIP (First Important Priority – zu deutsch: erste wesentliche Priori-tät) – Denk-Tool, mit dem eine Prioritätenrangfolge der zu erledi-genden Aufgaben aufgestellt wird.

Tools für die 4. Phase

A DOCA – Komparations- und Umsetzungstechnik, die wieder auf das Ziel und die Absicherung einer getroffenen Entscheidung durch die Entwicklung angemessener Aktionsschritte fokussiert (siehe Kreati-vitätstechniken Seite 312).

A Die DATT-Denkwerkzeuge sind eigenständige Kreativitätstechniken bzw. Problemlösungs-Tools, die nicht unmittelbar darauf ausgerich-tet sind, zusammen oder nacheinander zu wirken; sie stellen viel-mehr einen Werkzeugkasten dar, aus dem man sich bei Bedarf das entsprechende Tool auswählt.

A Viele der DATT-Techniken verkörpern eher Prinzipien als eine kon-krete Technik, deren Berücksichtigung in einer bestimmten Phase des kreativen Problemlösungskreislaufs von Bedeutung ist.

A Eine Moderation, die sich mit den Denkwerkzeugen und den hinter den Denktechniken von de Bono stehenden Prinzipien auskennt, ist empfehlenswert.

Hinweise

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

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Page 36: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

A Kleine Denktools, die sich ausgewählten Aspekten des kreativen Prozesses schnell und intensiv widmen können.

A Die Tools ergänzen sich gut mit bzw. sind gut einsetzbar in wei-teren de Bono-Methodiken, wie z.B. den SechsADenkhüten, TEC, PIS-CO und dem LateralenADenkprozess (s. jeweils dort).

A Die Tools eignen sich auch zur Schulung des kreativen Denkens bzw. zur Lenkung der Aufmerksamkeit auf unterschiedliche As-pekte des kreativen Prozesses.

A Brauchen Know-how, wann welches Tool zum Einsatz kommt.

Vorteile

Nachteile

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden524

Page 37: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

CAF

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Fortgeschrittene 30–60 Min. Flipchart bzw.Notizblöcke

CAF („ Consider All Factors“– „Berücksichtige alle Faktoren“) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die der Exploration und Aufgaben-orientierung dient; dabei werden alle Einfl ussfaktoren untersucht, die auf eine Aufgabenstellung einwirken.

Berücksichtigung aller Einfl ussfaktoren bei der Analyse einer Aufga-benstellung und Gewinnung eines vollständigen Bilds.

1. Eine anstehende Aufgabenstellung wird zunächst in ihre relevanten Teilbereiche bzw. Aspekte zerlegt.

2. Dann wird für jeden Bereich eine Liste angelegt, welche Einfl ussfak-toren hier eine Rolle spielen.

3. Die Faktoren werden anschließend gebündelt und dienen als Grund-lage bzw. Richtschnur für eine eventuell folgende Faktensammlung, die einer endgültigen Problemklärung zugrunde liegt.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm eingesetzt werden.

A Bezogen auf die Sechs-Denkhüte-Methodik kommt diese Technik un-ter dem weißen Hut zum Einsatz.

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

© managerSeminare 525

Page 38: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

RAD

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Einsteiger Fortgeschrittene

5–20 Min. Standard

RAD („ Recognize, Analyze, Divide“ – Erkennen, Analysieren, Untertei-len) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die der Exploration und Problemerkundung dient; dabei werden zu Beginn einer Aufgabenbe-arbeitung die anstehenden Probleme in ihre bestimmenden Elemente unterteilt, wobei nach bekannten Teilen Ausschau gehalten wird.

Systematisches Analysieren einer Situation und konsequentes Erken-nen von bekannten Elementen in neuen Situationen.

1. Zu einer vornehmlich neuen oder unbekannten Aufgabe sammeln die Beteiligten Kriterien, aus welchen Bestandteilen die Aufgabe be-steht.

2. Dann geht es darum, herauszufi nden, welche Bestandteile schon vertraut sind (und möglicherweise bereits bekannte Lösungsansätze beinhalten bzw. dazu kompatibel sind) und welche eher noch unver-traut sind.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm eingesetzt werden.

A RAD kann dazu verleiten, nur nach Vertrautem Ausschau zu hal-ten und neue, möglicherweise entscheidende Aspekte eher zu ver-nachlässigen. Im Sinne der Annahme, dass jedes Problem bereits einen Teil der Lösung in sich trägt (und es möglicherweise genau der unbekannte Teil ist), wird empfohlen, gleichermaßen auch die unbekannten Aspekte einer Aufgabe zu beachten und zu berück-sichtigen.

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden526

Page 39: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

AGO („ Aims, Goals, Objectives“: mehrere Synonyme für den Begriff „Ziel“) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die der exakten Zielbestimmung dient. Dabei werden die Ziele konkret hinterfragt und detailliert aufbereitet.

Eine konsequente Zielklärung durchführen.

Eine anstehende Aufgabe und geklärte Problemsituation wird als Ziel formuliert, um nachfolgend einen exakten „Richtungsanzeiger“ für den weiteren Prozess zu haben.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm angewandt wer-den.

A Bezogen auf die Sechs-Denkhüte-Methodik kann die Technik unter dem blauen Hut zum Einsatz kommen.

AGO

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Einsteiger Fortgeschrittene

20–60 Min. Standard

© managerSeminare 527

Page 40: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

OPV

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Fortgeschrittene 30–60 Min. Standard

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

OPV („ Other People’s Views“ – Perspektiven anderer Beteiligter) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die, vergleichbar dem Ökologie-Check aus dem NLP, der Exploration durch einen Perspektivwechsel dient. Dabei wird untersucht, welche anderen Personen von der Aufga-benstellung betroffen sind und was deren Sichtweise/n sein könnte/n. Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven und gegebenenfalls Modifi kation der Aufgabenstellung bzw. Einbezug in eine Lösung.

1. Zu einer anstehenden Aufgabenstellung erstellen die Beteiligten ei-ne Liste, wer alles von dieser Problemstellung betroffen sein könnte.

2. Dann wird nacheinander einzeln jede der identifi zierten Positionen eingenommen, Standpunkte und Argumente (Pro und Kontra) werden gesammelt, die diese Personen haben könnten.

3. Schließlich werden die Argumente zusammengetragen und können in die Überarbeitung einer Problemdefi nition oder Zielformulierung mit einfl ießen.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm eingesetzt werden.

A Die Technik kann sowohl in der Phase der Problemklärung (1.), als auch bei der Beurteilung vorausgewählter Ideen (3.) des kreativen Problemlösungskreislaufs zum Einsatz kommen.

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden528

Page 41: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

KVI

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Fortgeschrittene 30–60 Min. Standard

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

KVI („ Key Values Involved“ – beteiligte Schlüsselkriterien) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die der Exploration und Problemer-kundung dient. Dabei wird untersucht, welche „Werte“ und „Kriterien“ von einer Aufgabenstellung betroffen werden bzw. bei möglichen Lö-sungsansätzen zu berücksichtigen sind.

Eigene Werte bzw. Werte von anderen, in ein Problem oder eine Prob-lemlösung involvierten, Personen erkennen und für eine Problemlösung wie auch für den „Verkauf“ der Lösung berücksichtigen.

1. Zu einer anstehenden Aufgabenstellung erstellen die Beteiligten ei-ne Liste, wer alles von dieser Problemstellung betroffen sein könnte.

2. Dann wird für jede Person (inklusive aller Beteiligter!) ein eigenes Blatt angelegt und überlegt (bzw. von den anwesenden Personen be-nannt), welche ihrer Werte von der Situation, dem Problem und einer möglichen Lösung betroffen bzw. zu berücksichtigen sind.

3. Anschließend kann ein „Wertepool“ angelegt werden, d.h., auf neu-en Blättern wird nicht personen-, sondern wertebezogen gesammelt, welche Werte von Bedeutung sind. Gegebenenfalls schälen sich Schlüs-selwerte heraus, die es bei einer Lösung zu berücksichtigen gilt.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm eingesetzt werden.

A Bezogen auf die Sechs-Denkhüte-Methodik kann an diese Technik unter dem roten Hut zum Einsatz kommen.

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Page 42: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

APC

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Einsteiger Fortgeschrittene

20–45 Min. Standard

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

APC („ Alternatives, Possibilities, Choices“ – Alternativen, Möglichkei-ten, Auswahl) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die der Ide-enfi ndung dient; dabei werden vielfältige Ideen zu einem bestimmten Aufgabenbereich entwickelt.

Entwickeln vieler Ideen und Alternativen zu einer zugrunde liegenden Aufgabenstellung.

Zu einer geklärten Aufgabenstellung wird gefragt, welche Alternativen und Ideen dazu dienen können, eine erfolgreiche Lösung zu erreichen. Dazu können alle Techniken aus der 2. Phase des kreativen Problemlö-sungskreislauf (Generierung) zum Einsatz kommen.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm eingesetzt werden.

A Bezogen auf die Sechs-Denkhüte-Methodik kommt die Technik unter dem grünen Hut zum Einsatz.

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden530

Page 43: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

C & S

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Einsteiger Fortgeschrittene

20–60 Min. Standard

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

CA&AS („ Consequences & Sequels“ – Konsequenzen und Folgerungen) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die der Exploration und Opti-mierung dient; dabei werden die möglichen Auswirkungen aufgezeigt, die eine Idee in der Zukunft haben kann.

Aufzeigen, welche Auswirkungen eine Idee möglicherweise hat.

1. Zu einer ausgewählten Idee bzw. einem Lösungsansatz überlegen die Beteiligten gemeinsam, „was passieren könnte“ und sammeln positive (Best Case) sowie negative (Worst Case) Konsequenzen.

2. Beide Listen werden anschließend gesichtet und gegebenenfalls in eine weitere Lösungsausarbeitung mit einbezogen.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm eingesetzt werden.

A Auch diese Technik lässt sich mit einem Ökologiecheck (aus dem NLP stammend) vergleichen.

A Sie lässt sich gut ergänzen mit der PMI-Technik, um alle Aspekte aufzufi nden.

A Bezogen auf die Sechs-Denkhüte-Methodik kann diese Technik be-vorzugt unter dem gelben oder dem schwarzen Hut zum Einsatz kommen.

© managerSeminare 531

Page 44: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Hinweise

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

FIP („ First Important Priorities“ – erste wesentliche Prioritäten) ist eine Denktechnik (zu DATT gehörend), die der Exploration und Um-setzung dient. Dabei wird eine Prioritätenrangfolge der gefundenen Lösungsansätze und Ideen und nachfolgend auch zu erledigenden Auf-gaben aufgestellt.

Klärung, an welchen Lösungsansätzen weitergearbeitet werden soll.

Zu zuvor entwickelten Lösungsansätzen und gefundenen Ideen sowie zu einer Reihe anstehender Aufgaben erstellen die Beteiligten eine Rangfolge nach Prioritäten und Bedeutung.

A Die Technik kann sowohl alleine genutzt, als auch in Kombination mit anderen Techniken aus dem DATT-Programm eingesetzt werden.

A Bezogen auf die Sechs-Denkhüte-Methodik kann an dieser Stelle der blaue Hut zum Einsatz kommen.

FIP

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppentechnik

Einsteiger Fortgeschrittene

15–45 Min. Standard

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden532

Page 45: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

CPS-Strategie

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel- undGruppenmethodik

Fortgeschrittene Grundgedanke: 45 Min.Prozess: mehrere Stunden

Fortgeschrittener Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

CPS ( „Creative Problem Solving“, zu deutsch: „Kreatives Problemlösen“, abgekürzt: KPL – im Original gelegentlich auchAA„Osborn-/Parnes-Pro-zess“ genannt, nach den Namen der beiden Urheber) bezeichnet eine defi nierte Methodik und Problemlösungsstrategie ( Alex Osborn/ Sid Parnes, 1953; Weiterentwicklung im „Open-Source-Gedanken“ durch weitere Autoren), die nach einem festen Muster in drei Phasen, unter-teilt in sechs Schritte, abläuft und eine Vorgehensweise zur systema-tischen kreativen Problemlösung liefert. CPS kann auf über 50 Jahre Forschungserfahrung zurückblicken, ist als Open-Source-Methodik für jeden zugänglich und unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung. Im Verlauf ihrer Abschnitte können zahlreiche Formate und Techniken phasenbezogen zum Einsatz kommen.

Komplette Abdeckung des kreativen Prozesses.

CPS kann als gesamter Prozess durchlaufen werden, wie auch die einzelnen Phasen separat zur Anwendung kommen können, wenn es darum geht, an einer bestimmten Stelle des kreativen Problemlösungs-kreislaufs Aufgaben zu bearbeiten. Der gesamte Prozess umfasst sechs Schritte in drei großen Phasen, wobei sich jeder Schritt zusätzlich un-terteilt in einen „divergenten“ (ausweitenden) und einen „konvergen-ten“ (fokussierenden) Abschnitt.

1. Phase: Die Herausforderung erkunden

1.1 (OF: Objective Finding) Das Ziel identifi zieren divergentesADenken

A Kurze Beschreibung der Aufgabe A Entwicklung vieler Statements, die beginnen mit: „IchAwünscheAmir,A

dassA...“ Oder: „WäreAesAnichtAschön,AwennA...“ A Einbezug ausgewählter Fragen zur Konkretisierung der Wünsche

konvergentesADenken A Der „Problemeigner“ trifft eine Auswahl A Als Mindestkriterien gilt es, die BEV-Regel zu beachten:

•Bedeutung: Ist der ausgewählte Wunsch von Bedeutung?

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

© managerSeminare 533

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

•Einfluss: Haben Sie entscheidungsgebenden Einfluss darauf? •Vorstellung: Halten Sie nach etwas Neuem Ausschau?

Resultat: Eine Aufgabenstellung, an der Sie arbeiten möchten

1.2 (FF: Fact Finding) Daten sammeln divergentesADenkenA

A Erstellen einer langen Liste von Fakten über die Ausgangssituation A Dabei Benutzung der 6 W-Fragen (Wer,AWas,AWo,AWann,AWarum,AWie)

konvergentesADenkenA A Der „Problemeigner“ markiert die relevanten Eckdaten A Eine Gruppe kann ihn dabei durch Fragen oder Impulse unterstüt-

zen Resultat: Die Schlüsseldaten sind erkannt und benannt

1.3 (PF: Problem Finding) Das Problem klären divergentesADenken

A Verschiedene Perspektiven kreieren unter Zuhilfenahme der Formu-lierungen: „WieA...“,A„WieAkönnteA...“,A„AufAwelcheAWeiseAkönnteA...“

A Ziele benennen und hinterfragen (z.B. durch: „WasAhindertASieAnochAdaranA...“)

A An die ideale Situation denken, was wäre der ideale Zielzustand? A Positive und anziehende Worte mit einbauen

konvergentesADenken A Auswahl eines Statements, das genau den Punkt trifft und das be-

schreibt, was wirklich zu lösen ist A Einbezug verschiedener Auswahltechniken, wie Clustering und auch

die (o.g.)ABEV-Regel Resultat: Ein Statement, das exakt den Startpunkt für den nächsten Schritt (Ideenfindung) markiert

2. Phase: Ideen generieren

2.1 (IF: Ideas Finding) Ideen entwickeln divergentesADenken

A Das eigene Denken „stretchen“, um so viele Ideen wie möglich zu entwickeln

A Nutzung einer, oder einer Kombination mehrerer vertrauter Ideen-findungstechniken

konvergentesADenken A Lesen aller Ideen vor der Auswahl und ggf. umformulieren A Auswahl der anziehendsten, erfolgsversprechendsten Ideen

Resultat:AEine Anzahl an erfolgversprechenden Ideen, die für eine wei-tere Verfeinerung im nächsten Schritt bereitstehen

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden534

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Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

3. Phase: Aktion planen

3.1 (AF: Acceptance Finding) Auswahl und Stärkung von Lösungsmög-lichkeiten konvergentesADenken

A Eine evtl. noch zu große Anzahl an vorhandenen Ideen weiter re-duzieren

A Unter Umständen Ideen kombinieren oder weiter verfeinern Abschließendes Statement: „WasAichAmichAselbstAtunAsehe,AistA...“divergentesADenken

A Alle Bedenken gegen die ausgewählte Idee aufl isten A Mithilfe einer Matrix Anregungen sammeln, wie die Bedenken über-

wunden werden könnenAResultat: Eine oder mehrere vielversprechende Lösungen, die bewertet, entwickelt und zur Implementierung vorbereitet sind; Wortlaut: „WasAichAmichAselbstAJETZTAtunAsehe,AistA...“A

3.2 (SF: Solution Finding) Entwickeln eines Aktionsplans divergentesADenkenA

A Finden vielfältiger Quellen der Unter-stützung für – wie auch der Widerstände gegen die Lösung

A Nutzen der 6-W-Fragen-Technik AA Brainstorming, um die Hindernisse zu

überwinden bzw. die Unterstützungs-möglichkeiten zu aktivieren

A Aufl istung möglicher Aktionsschritte, um die Lösung in die Praxis umzusetzen

konvergentesADenken A Auswahl der Aktionsschritte A Zeitliche Reihung in einem Aktionsplan/

Maßnahmenplan (WasA–AWieA–AMitAwem–-ABisAwannA–AWelcheACheck-Möglichkeiten?)

Resultat: Ein detaillierter Maßnahmenplan, um Ihre Lösung effektiv in die Praxis umzusetzen und die notwendigen Veränderungen zu mana-gen: Wer macht was bis wann, wie, mit wem und mit welchem Ergebnis?

Eine von vielen Variationen ist BACP („Basadur Applied Creativity Process“ – „Basadurs System der angewandten Kreativität“, auch „Simplex“ genannt). BACP ist eine eigene, in dem Simplex-System integrierte und auf dem CPS-Ansatz von Parnes/Osborn aufbauende Dreistufen-Problemlösungs-Methodik (nach Min Basadur); sie setzt sich zusammen aus den drei, jeweils noch feinunterteilten, Stufen Problem-formulierung, Lösungsformulierung und Lösungsumsetzung.

Abb.: Schaubild des

CPS-Prozesses.

Variationen

© managerSeminare 535

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Praxisbeispiel

Die Fusion von zwei Unternehmen der Chemiebranche soll vorbereitet und strategisch einge-spielt werden.

Vorgehen

Eine extra gegründete Projektgruppe, die sich aus Vertretern aus beiden Unternehmen zu-sammensetzt, trifft sich zu einer ersten eintägigen Klausurtagung. Nach einer anfänglichen Vorstellungsrunde wird die Gruppe durch eine externe Moderation mit dem CPS-Prozess bekannt gemacht und verständigt sich darauf, heute einen kompletten, wenn auch z.T. et-was gekürzten Durchlauf zu organisieren, um mit dem Prozess vertraut zu werden und erste konkrete Schritte zu unternehmen.

1. Phase: Die Herausforderung erkunden („Explore the Challenge“)

1.1 Ziel identifi zieren: Die anwesenden Experten, die durch umfangreiche Information, die der Einladung beigefügt war, gut vorbereitet sind, können sich schnell auf eine Aufgaben-stellung einigen. Sie lautet: Wir wünschen uns, dass die angestrebte Fusion zum Wohle beider Firmen über die Bühne geht und dass das neue Unternehmen vom Start weg einen positiven, innovativen und verlässlichen Ruf in der Branche installieren kann.

1.2 Daten sammeln: Dazu bekamen die Teilnehmer im Vorfeld die Aufgabe, eine individuelle Datenliste zu der Thematik „Fusion“ anzulegen. Diese Listen dienen nun als Grundlage für eine, der formulierten Aufgabenstellung angepassten, moderierten Faktensammlung auf großen Flipcharts, die etwa 30 Minuten in Anspruch nimmt. Die Projektleitung nimmt eine erste Vorauswahl der am wesentlichsten erscheinenden Fragen vor, wobei die Fragen, die im Verlauf des Auswahlprozesses aus der Gruppe kommen, dabei eine hilfreiche Rolle spielen.

1.3 Das Problem klären: Die projekterfahrene Gruppe sammelt und clustert unter Leitung der Moderation beim derzeitigem Stand des Prozesses relevante Problem- und Zielformu-lierungen und kommt nachfolgend schnell zu einem Projekt-Statement, das sie als Frage-stellung formuliert: „Wie gestalten wir die Fusion unserer beiden Firmen erfolgreich und begründen einen positiven Ruf in der Öffentlichkeit für das neue Unternehmen?“

2. Phase: Ideen generieren („Generate Ideas“)

2.1 Ideen fi nden: Solchermaßen vorbereitet, brennen die Beteiligten auf die folgende Ideensammlung, die oft existierende Skepsis gegenüber dieser „wilden Phase“ ist nicht zu spüren. Mithilfe einer kombinierten Serie ausgewählter Kreativitätstechniken schafft die Gruppe schnell eine gute Ideen-Basis für die formulierten Fragestellungen, die nachfolgend dann gesichtet und verdichtet wird.

3. Phase: Aktion planen („Prepare for Action“)

3.1 Lösungsmöglichkeiten auswählen und stärken: Die verdichteten, geclusterten und voraus-gewählten Ideen werden dann verfeinert – um anschließend zur Optimierung mit einer

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden536

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Hinweise

Vorteile

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

A Hoher Problemlösungsanteil. A Im Herkunftsland USA gehört die Methodik zum Standardrepertoire

in vielen Berufszweigen und wird z.T. auch in Non-Profi t-Organisa-tionen und sogar an Schulen unterrichtet.

A Zahlreiche Ableger, wie die kanadische ThinkX-Methodik bzw. der kanadische BACP-Ansatz sorgen für eine permanente Weiterentwick-lung im Sinne eines KVP-Gedankens (kontinuierliche Verbesserung).

A Da CPS ein offenes System ist, das von jedem weiterentwickelt wer-den kann, können verschiedene Versionen gleichzeitig existieren bzw. von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich verwendet wer-den; die aktuelle Version ist 6.1 (Stand 2012).

A Die lineare Abfolge der Prozessschritte ist eine Empfehlung. Im Ein-zelfall können auch nur ausgewählte Abschnitte des Prozesses zum Einsatz kommen.

A Sehr ausführliche Methode, um Probleme intensiv zu beleuchten und zu lösen.

A Starke Problemfokussierung (von sechs Arbeitsschritten fokussieren drei auf das Problem).

A Ist von Einzelpersonen und Gruppen gleichermaßen nutzbar. A Basiert auf einer dynamischen Balance von divergentem (viele

Ideen entwickeln, Möglichkeitsfokus) und konvergentem (Ideen kritisch auswählen, analysieren und verfeinern, Korrektheitsfokus) Denken.

A Kann nahtlos die meisten der bekannten Kreativtechniken phasen- bzw. arbeitsschrittbezogen integrieren.

A Die Reihenfolge kann in einem gewissen Umfang fl exibel gehand-habt werden.

A Die Methodik versteht sich als ein Open-Source-Modell und wird permanent weiterentwickelt.

„gegenteiligen Brille“, die mögliche Bedenken dagegen aufzeigen soll, betrachtet zu wer-den. Zu allen der durchaus zahlreich vorgetragenen Bedenken werden konstruktive Gegen-argumente gesammelt, die in Partner- und Kleingruppenarbeit auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden.

3.2 Aktionsplan entwickeln: Der abschließende Punkt fällt den Beteiligten leicht – und so nimmt das Erstellen von konkreten Aktions- und Maßnahmenplänen nur noch erfreulich wenig Zeit in Anspruch. Zusätzlich wird eine Matrix erstellt, wie die Umsetzung der aus-gewählten und verfeinerten Vorschläge praktisch unterstützt werden kann – bzw. wo noch mögliche Widerstände aufzulösen sind.

© managerSeminare 537

Page 50: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

A Sehr komplexe Methode. A Braucht Übung und ist anfangs gewöhnungsbedürftig. A Eine erfahrene Moderation ist anfangs notwendig. A Die Phase der Ideenentwicklung kommt recht schwach weg.

Nachteile

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden538

Page 51: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

LateralesADenken (auch „ Querdenken“) ist ein Konzept, ein Prinzip und ein Rahmenwerk ( Edward de Bono; Konzept Ende der 1960er-, Prozess Mitte der 1970er-Jahre), um neue und vor allem ungewöhnliche Ideen abseits der Norm zu suchen und zu entwickeln. Im Vergleich zu seinem „Gegenpart“, dem „vertikalen Denken“, verhält es sich beim lateralen Denken wie „soAvieleALöcherAwieAmöglichAgrabenAaufAderASucheAnachAet-wasANeuem,AVerborgenen“ zu „einAeinzigesALochAgraben,AdasAdafürAaberAtiefAundAgründlich“. Darüber hinaus steht der Begriff für eine eigen-ständige, weniger bekannte Prozessmethodik, die in vier Phasen mit zahlreichen Unterschritten auf ein Problem und seine systematische Lösung abstellt.

Komplettes Abdecken des kreativen Prozesses.

1. Auswählen und Defi nieren

A FokusKlar und bestimmt in dem sein, woran Sie denken und in der Wahl des erforderlichen Ergebnisses.• Defi nieren:

Bereich: WoA(verortenASieAdasAGebietAdesADenkens?)Zweck: Warum? (Defi nieren Sie einen Zweck: WasAwollenASieAerrei-chen?)

• Redefi nieren: Probieren Sie verschiedene Defi nitionen aus – GibtAesAandereAWege,AdieAAufgabeAzuAdefiAnieren?

A Konzept • Trennen Sie die Idee von dem (dahinterliegenden) Konzept –

WasAistAdasAKonzeptAhier? • Referenzpunkt feststellen:

Zweck: WasAistAderAZweck? Referenz: InAReferenzAwozu?

Lateral Thinking Process

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Eher Einzelmethodik Fortgeschrittene 30 Min. bis mehrere Stunden

Fortgeschrittener Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Konzept-Triangel: (1. Startpunkt: bewusst auswählen; 2. Endpunkt: Ziel bestimmen; 3. In Referenz setzen)

A Definition

2. Ideen generieren

A Alternativen Finden Sie Alternativen.

A Herausforderung• Sprungbrett – WohinAgehenAwirAvonAhierAaus?A• Stellen Sie den Status quo in Frage.

A Zufälliger Einstieg Beginnen Sie an ungewohnten Ansatzpunkten.

A Provokation/Bewegung Stellen Sie Bedingungen und Vorannahmen in Frage und erzeugen Sie (geistige) Bewegung.

3. Zusammenfassen und mit dem Ergebnis arbeiten . A Ernten

Sammeln und sichten Sie den gesamten Output, der in der Ideenge-nerierungsphase angefallen ist.

A Behandlung Machen Sie die Idee/-n bedeutungsvoll und umsetzbar.

A Assessment Wählen Sie die erfolgversprechendsten Ideen aus.

4. Resultate

A Kreatives Denken und neue Produkte

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden540

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Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Praxisbeispiel

Eine Künstlervereinigung will für ihre alljährliche Teilnahme an einem Museumsfest ein neues Veranstaltungskonzept entwerfen, um einmal aus der „Bahn“ des seit Jahren be-währten, aber eingefahrenen Vorgehens auszubrechen.

Vorgehen

Unter Leitung einer Moderation entscheidet sich die entsprechende Projektgruppe (hier: „Art Force“, abgeleitet von „Task Force“) für den Lateral Thinking Process, weil er ihrem freigeistigen Denken am nächsten kommt. Auszüge aus der zweiten Projektsitzung sind:

1.AFokus: Zunächst wird festgelegt, was genau der Grund für den Prozess und die Projektgruppe ist. Ausgehend von dem ersten Ansatz, als Verein an einem übergeordneten Event teilzunehmen, zeigt es sich bei der Redefi nition und Neuformulierung des Konzeptes, dass es den Beteiligten darum geht, Kunst an sich stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken und gleichzeitig als eigenständige Institution von der Bevölkerung stärker wahrgenommen zu werden.

2.AIdeenAgenerieren: Zu diesem Zweck werden unter Nutzung verschiedener ausgewählter Denktechniken aus dem DATT-Pool und vor allem der „PO-Technik“ ganz bewusst die Grenzen bisheriger Event-Teilnahmen provozierend in Frage gestellt. Die Ideensammlung wird, das zeigt die erste Stufe, anschließend vorgeclustert und in einzelne Unterthemen (wie z.B. Jahresevents, überdauernde Aktionen, Veranstaltungsmotto und Weitere) unterteilt, zu denen jeweils eine ergänzende, eigene Themensammlung stattfi ndet. Die anfängliche Skepsis der eher intuitiv-kreativen Künstler weicht schnell einer, zunächst vorsichtigen, später bald überbordenden Begeisterung. Die Schritte „Alternativen“, „Herausforderung“, „zufälliger Einstieg“ und „Provoka-tion“ fi nden großen Anklang. Speziell für die systematische Provokation können sich die meisten Beteiligten begeistern, und mehr als 120 zusammengetragene und vertiefte Ideen nach nur einer Stunde entwickeln. Dabei zeigt sich speziell der integrierte „zufällige Einstieg“ in Form von Reiz-worten oder Reizbildern als ein machtvolles Instrument, die vorhandene Kreativität der Künstler auch in systematische Bahnen zu lenken, um gezielt Ideen zu entwickeln.

3.ASpannend gestaltet sich auch die anschließende konvergenteAPhaseAdesAZusammenfassens, in der die vorliegenden Ideen gesichtet werden, um besondere Favoriten auszuwählen. Gestal-tet sich das Sichten und Priorisieren noch etwas zäh (manchem Künstler fällt es beim „Ernten“ sichtbar schwer, von seiner Idee Abschied zu nehmen), so können doch in dem anschließen-den „Behandeln“ die Ideen zur konkreten Umsetzung gleich wieder fl ießen. Entscheidend ist an dieser Stelle der Hinweis der Moderation, dass die Auswahl nur ein Schritt ist, um Raum zu schaffen, die verbleibenden Ideen attraktiv auszuschmücken – und dieser Raum jetzt von allen bedeutungsvoll umgesetzt werden muss.

4.AResultat:AAls Ergebnis stellen sich drei Ideen heraus, die jeweils kurz-, mittel- und langfris-tig zum Einsatz kommen sollen und jeweils einer eigenen „Art Force“ zur Umsetzung übergeben werden.

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A Die Methodik baut zwar in allen Phasen auf dem lateralen Denkkon-zept von Edward de Bono auf, stellt aber eine eigenständige Pro-zessmethodik dar.

A Eine Moderation, die sich in der Methodik sowie dem lateralen Denkkonzept auskennt, ist von Vorteil.

A Die Methodik ist vollständig in das gesamte de Bono-System inte-griert und kann sowohl einzelne Tools aus der DATT-Serie und wei-tere Denktechniken nutzen und auch in Kombination mit den SechsADenkhüten zum Einsatz kommen.

A Braucht Zeit und eine erfahrene Moderation, die sich mit der Me-thodik und den lateralen Denkprinzipien, idealerweise auch mit weiteren, sich nahtlos ergänzenden de-Bono-Denkwerkzeugen aus-kennt.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Hinweise

Vorteile

Nachteile

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden542

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Lego Serious Play (LSP)

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Gruppenmethodik Fortgeschrittene Mehrere Stunden Standard;LSP-Kits

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

LegoASeriousAPlay ist ein moderierter Prozess (nach Kjeld Kirk Kristi-ansen, 1996 und nachfolgend auch Johan Roos, Bart Victor, Robert Rasmussen; veröffentlicht 2002), der die Vorzüge des Spiels und des Modellierens mit Legosteinen mit den ernsthaften Belangen von Pro-jektmanagement- und Problemlösungsprozessen verbindet. Der Ansatz bezieht neuere neurowissenschaftliche Erkenntnisse ein (u.a. die Hand-Gehirn-Verbindung als Grundlage für die kinästhetischen Anteile von Denkprozessen), regt zum interaktiven Experimentieren an und beruht im Wesentlichen auf den Fach- und Forschungsgebieten der So-zialwissenschaften und der Erkenntnistheorie.

Steuerung von Strategie-, Organisations-, Innovationsprozessen, Pro-duktentwicklungen sowie Veränderungs-, Team- und Persönlichkeits-entwicklungsprozessen.

Der Prozess basiert auf dem gezielten Einsatz von Lego-Spielmate-rialien zur Bearbeitung einer Problem-, Projekt- oder Strategieher-ausforderung, um wesentliche Eindrücke über das Element des Spiels und weitere kinästhetische Aspekte zu gewinnen. Hier eine mögliche Abfolge, erklärt am Beispiel des Real Time Strategy for the Enterprise-Workshops:

Warm up

1. BauenGehirn-Hand-Koordination einstimmen.

2. Metaphern Ein Modell auswählen und bauen.

3. StorymakingGeschichten zur Erkundung und Entdeckung erfi nden.

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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Identitätsmodell

4. IdentitätEigene äußere und angestrebte Unternehmens-Realität als vielschichti-ges Modell aufbauen.

Landschaft, Verbindungen

5. LandschaftExterne Faktoren konkreter (z.B. Kunden) oder abstrakter Art (z.B. Work-Life-Balance), die einen positiven oder negativen Einfl uss auf das Unternehmen und seine Identität haben (Agenten) bauen, korrekt platzieren und nach fehlenden Agenten suchen.

6. VerbindungenVerbindungen innerhalb des Unternehmens (reale und vermutete) auf-zeigen und ein vernetztes Modell der Unternehmensrealität entwerfen.

Echtzeitereignisse

7. EchtzeitereignisseEreignisse defi nieren, Szenarien entwerfen und Auswirkungen zeigen.

Entscheidungsprinzipien

8. Entscheidungsprinzipien 1Ereignisse und Folgen andenken.

9. Entscheidungsprinzipien 2Handlungsmuster bewusst machen und situative Flexibilität entwi-ckeln.

Praxisbeispiel

Eine politische Partei, die sich neu am „Parteienmarkt“ etablieren will, lädt zu einer unge-wöhnlichen Maßnahme ein. Es geht darum, mit Bürger- und Expertenbeteiligung die Gestal-tung der „politischen Landschaft“ sowie den Verwaltungsapparat einer mittleren Kreisstadt neu zu überdenken, zu verschlanken und zu optimieren. Das Ziel ist nicht nur, Werbung für die eigene Partei zu betreiben und engagierte Zukunftsarbeit zu betreiben, sondern auch, auf unkonventionelle Weise auf das Ideenpotenzial der Bürger zurückzugreifen.

Vorgehen

Zu Beginn der Maßnahme kommen die Teilnehmer in einem ehemaligen Fabrikgebäude, das zu einer Ideenfabrik umgebaut ist, zusammen – eine Maßnahme, die der ungewöhnlichen Veranstaltung einen ungewöhnlichen Rahmen geben soll. Die Teilnehmer setzen sich zusam-men aus:

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden544

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A Angehörigen der politischen Parteien (parteiübergreifende Einladung) A Angehörigen der Stadtverwaltung (Führungskräfte und Mitarbeiter gemischt) A Angehörigen der Zielgruppe (Bürger, die speziell angeschrieben wurden) A Externen Querdenkern (speziell Jugendliche, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt

wurden)

Mit Blick auf die eher unkonventionelle Zielgruppe wird das gleichfalls als eher normabwei-chend eingestufte Lego Serious Play als Methodik ausgewählt – auch deswegen, weil die Zielgruppe sich bewusst heterogen zusammensetzt.

1. In dem großen Hauptraum des Gebäudes sind viele unterschiedliche Stationen aufgebaut und mit vielfältigen Elementen aus dem Bereich Lego Serious Play ausgerüstet. Die Veran-staltung startet mit einem Warm up, bei dem es darum geht, die Teilnehmer untereinander und mit den Materialien in Kontakt zu bringen, Hemmungen abzubauen und eine neugieri-ge, spielfreudige Stimmung zu erzeugen.

2. Daran schließt sich der Bau eines Identitätsmodells in drei Kleingruppen an. Jede Gruppe ist gefragt, sowohl ein Modell der existierenden, als auch der angestrebten Cityrealität zu erstellen. Alle Modelle werden anschließend im Plenum ausgestellt und können in Form eines Brainwalks bestaunt werden.

Die Modelle werden in einem weiteren Schritt zusammengeführt, wobei sich die Beteiligten vor allem mit den dahinterstehenden Meinungen und Ansichten auseinandersetzen müssen, um zu einer gemeinsamen Vorstellung zu gelangen.

3. Nach der Mittagspause geht es darum, die zwei verbliebenen „stand-alone“-Modelle (Realität und Wunsch) in eine Landschaft einzubetten. Dazu werden reale und vermutete Verbindungen zu Bürgen, Verwaltung, der „öffentlichen Meinung“, Parteien, Gästen und weiteren erdenklichen Einfl üssen, denen die Stadt unterliegt, gezogen und aufgebaut.

4. Spannend ist dann der Schritt Echtzeitereignisse, in dem es darum geht, konkrete oder mögliche Ereignisse zu skizzieren, Szenarien zu entwerfen und Auswirkungen auf die Stadt aufzuzeigen.

5. Abschließend geht es darum, aktive und reaktive Entscheidungsprinzipien und Handlungs-muster zu verdeutlichen und zu designen, um gegenwärtigen und zukünftigen Herausforde-rungen erfolgreich begegnen zu können.

6. Eine Feedbackrunde schließt sich an, in der die Teilnehmer die gewonnenen Erfahrungen vorwiegend kinästhetischer Natur in Worte fassen und kognitiv für die Umsetzung aufbe-reiten. Eine Empfehlungsliste, gefolgt von einem Part, bei dem alle Beteiligten in kleinen Gruppen jeweils eine Empfehlung auswählen und ein Aktionsstatement als Commitment für die nahe Zukunft abgeben, beenden eine erlebnis- und ergebnisreiche Veranstaltung.

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

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Page 58: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

A Lego hat für die Workshops einen eigenen LSP-Baukasten/-Trai-ningskoffer zusammengestellt.

A Es existiert ein eigener Ausbildungsgang zum zertifizierten LSP-Trainer.

A LSP beruht im Wesentlichen auf drei Fach- und Forschungsgebieten der Sozialwissenschaften und der Erkenntnistheorie: „Spiel“, „Kon-struktionismus“ und „Imagination“.

A Es gibt vier grundlegende LEGO Serious Play Applikationen bzw. Anwendungsgebiete:•ARealATimeAStrategyAforAtheAEnterprise: Strategieentwicklung für

Unternehmen, Organisationen oder auch einzelne Untereinheiten und Teams.

•ARealATimeAStrategyAforAtheABeast: Konkrete Probleme oder kri-tische Risiken sollen analysiert und Strategien für den Umgang mit den Problemen oder Risiken entwickelt werden.

•ARealATimeAIdentityAforAtheATeam: Methodik, mit der ein Team ein gemeinsames Verständnis für die Identität und die Aufgaben des Teams und der einzelnen Teammitglieder entwickeln soll.

•ARealATimeAIdentityAforAYou: Methodik, mit der es darum geht, die eigene Identität zu analysieren und darzustellen.

A LSP lässt sich entfernt mit einer systemischen Aufstellungsarbeit vergleichen, bei der über sogenannte „Stellvertreter“ (wie z.B. Legofiguren und -materialien) aktuelle Probleme oder Situationen dargestellt und aufgebaut werden, um aus einer dissoziierten Beo-bachterposition heraus Rückschlüsse für die Realität zu ziehen.

A Fördern von Kreativität und neuen Ideen durch das Modellieren mit den Händen.

A Verbessern der Kommunikation über die begreifbaren Lego-Modelle. A Das gemeinsame Verständnis der behandelten Themen wird geför-

dert. A Relevante Einsichten, Informationen, Ideen und Vorstellungskraft

kommen„auf den Tisch“. Die aktuelle Aufgabe kann effektiv umge-setzt werden.

A Der Blickwinkel wird erweitert; neues Wissen, ein klares Verständ-nis und eine gesteigerte Achtsamkeit für Veränderungen werden entwickelt.

A Die neu gewonnenen Einsichten werden oft unmittelbar in konkrete Lösungsstrategien und Aktionen umgesetzt, die das sofortige und langfristige Handeln unterstützen.

A Das geteilte Verständnis und das gemeinsame Erarbeiten steigert die Einsatzbereitschaft der Teilnehmer für die Lösungsumsetzung.

A Konkrete Erkenntnisse der Spieleforschung fließen in den Prozess mit ein.

Hinweise

Vorteile

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Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

A Braucht einen ausgebildeten Trainer in der Methodik. A Ist material- und raumintensiv. A Für rational-analytische denkende Menschen eher schwer zugäng-

lich.

Nachteile

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Design Thinking

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel-Gruppenmethodik

Fortgeschrittene Mehrere Stunden Fortgeschrittener Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

DesignAThinking ist eine komplexe Problemlösungs- und Innovations-Methodik (ursprünglich auch als „ IDEO-Methodik“ bekannt; nach David Kelley/ Terry Winnograd/ Larry Leifer, 2005), um in interdisziplinären Teams innovative Lösungen für verschiedenste Probleme zu erarbeiten. Das Verfahren orientiert sich an der Arbeit von Designern, die als eine Kombination aus Verstehen, Beobachtung, Ideenfi ndung, Verfeinerung, Ausführung und Lernen verstanden wird und basiert auf der Überzeu-gung, dass wahre Innovation nur dann geschehen kann, wenn starke multidisziplinäre Gruppen sich zusammenschließen, eine gemeinschaft-liche Kultur bilden und die Schnittstellen der unterschiedlichen Mei-nungen und Perspektiven erforschen.

Über das Erstellen von Prototypen wird ein Prozess und das erwünschte Endergebnis handfest begreifbar. Herausforderungen werden bereits während des Verlaufs (und nicht erst nach der Fertigstellung) erkenn-bar.

Das Modell umfasst mehrere Komponenten und einen iterativen Prozess mit mehreren Dimensionen, die für notwendig erachtet werden, um in-novative Resultate zu erbringen:

A Inter-/Multidisziplinäre Gruppen und kollaborative Kultur A Erkannte Bedürfnisse und Motivation von Nutzern A Variable Räumlichkeiten A Iterativer Design-Thinking-Prozess, der früh prototypisiert

Inter-/Multidisziplinäre Teams und kollaborative Kultur

Um möglichst vielfältige Herangehensweisen an eine Problemstellung zu gewährleisten, werden Personen mit verschiedenen Hintergründen zusammengeführt. Die Unterschiede können berufl ich sein, aber auch kulturell, national oder einfach nur in Alter und Geschlecht liegen. Entscheidend ist der vielschichtige Blick auf eine Thematik, der auch dadurch angedeutet wird, dass der Design-Thinking-Ansatz sogenannte „T-shaped people“ verlangt, wobei das „T“ bildlich zu verstehen ist: die vertikale Achse symbolisiert das eigene Fachwissen. Jenen analyti-

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden548

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Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

schen Werkzeugkasten, welchen man als BWLer, Architekt, Jurist usw. mitbringt. Man ist Experte in einem Gebiet und hat dort ein profundes Tiefenwissen. Die horizontale Achse stellt hingegen das Breitenwissen dar, also das Interesse an anderen Inhalten.

Werteorientierung

Design Thinking zeichnet sich durch bestimmte Werte aus, u.a.: A Das frühe Begehen von Fehlern, weil dies hohe Folgekosten vermei-

det. A Intensives, zeit- und kostengünstiges Prototyping, um via Testing

effizient zu arbeiten. A In der Ideenfindungsphase: Einhalten der (ergänzten) Brainstor-

ming-Regeln.

Variable Räumlichkeiten (mobile Raumkonzepte)

Raum nimmt eine große Rolle beim Design Thinking ein. Zum Prozess gehören mobile Raumkonzepte ebenso wie der Wechsel zwischen Arbei-ten im Stehen, Schreiben auf Whiteboards und in der Bewegung.

Design-Thinking-Prozess

Der iterative Prozess des Design Thinkings besteht in der Regel aus sechs Kern- und einigen ergänzenden Schritten:

AA Verstehen: Im ersten Schritt geht es um das Verständnis des Pro-blems, was in der Wahl einer geeigneten Fragestellung mündet, wel-che die Bedürfnisse und Herausforderungen des Projekts definiert.

AA Wahrnehmen/Beobachten: Es folgt eine intensive Recherche und Feldbeobachtung, um wichtige Einsichten und Erkenntnisse zu ge-winnen und die Rahmenbedingungen des Status quo zu definieren.

AA Point-of-View: Die gemachten Beobachtungen werden dann auf ei-nen einzelnen, prototypischen Nutzer heruntergebrochen, dessen Bedürfnisse in einer klar definierten Brainstorming-Frage konden-siert werden.

AA Ideenfindung: Dieser Schritt ist eines der Kernelemente des Design Thinkings und besteht vor allem aus dem (originalen) Brainstor-ming, welches der Entwicklung und Visualisierung unterschied-licher Optionen und Konzepte dient.

AA Auswahl: Auswahl kraftvoller Ideen.AA Prototyping: Ein weiteres Kernelement, mit dem zum Testen, Ver-

anschaulichen und Optimieren der Ideen erste, aufwandsarme Pro-totypen entwickelt und in der Zielgruppe getestet werden (zum Beipiel Paper Prototyps).

AA Verfeinerung/Elaboration: Auf Basis der durch Prototypen gewon-nenen Einsichten wird das Konzept weiter verbessert und so lange

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Page 62: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

verfeinert, bis ein optimales, nutzerorientiertes Produkt entstanden ist.

AA Ausführung: Umsetzung des Best-of-Ansatzes, Planung/Zuweisung/Lieferung.

AA Lernen: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess.

Praxisbeispiel

Ein international operierendes Unternehmen, das führend im Bereich Sanitärartikel der gehobenen Klasse ist, will mit seinen Vertretern und der Entwicklungsabteilung gemeinsam über neue Produktlinien nachdenken. Dabei geht es u.a. darum, den von Vertreterseite immer wieder geäußerten Vorwurf „die Zentrale macht doch alles alleine“ zu entkräften und die bisher ungenutzten Ideenpotenziale auch der Außendienstmitarbeiter wirksam anzuzap-fen.

Vorgehen

Die Entscheidung, den anstehenden Prozess mithilfe der Design-Thinking-Methode zu gestalten, fällt zum einen wegen des stark handlungs- und erlebnisorientierten Ansatzes, der die Zielgruppe der Außendienstler auf aktivierende und motivierende Weise einbinden soll. Zum anderen wird dem Element des Prototyping große Bedeutung zugemessen, da viele Beteiligten ursprünglich aus der handwerklichen Schiene kommen und rein kognitiven Methoden eher kritisch gegenüberstehen.

Langfristig wird das Design Thinking in dem Unternehmen mit Unterstützung der Geschäfts-leitung durch eine hierarchie- und abteilungsübergreifende Projektgruppe etabliert, um eine neue innovationsfreundliche Unternehmenskultur voranzutreiben. Als ergänzende Maßnah-me wird nach Ablauf des ersten Jahres ein zweitägiges Breakpoint-Event angesetzt, um weitere Teile der Führungsebene sowie der Außendienstmitarbeiter der deutschen Zentrale und weiterer Europa- Niederlassungen in das Konzept und den Leitgedanken des Design Thinking zu integrieren.

Verstehen

Beobachten

Sichtweisen Defi nieren

Ideen Finden

Prototypen entwickeln

TestenAbb.: Elemente des

Design Thinking-

Prozesses

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden550

Page 63: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Das zweitägige Breakpoint-Meeting fi ndet für 100 Firmenvertreter aus drei Nationen in der attraktiven Umgebung eines Hotels statt, dessen Konferenzräume als mobile Raumkonzepte im Sinne des Prozesses gestaltet sind. Die Unternehmensleitung weist in ihrer Einführung auf den Incentive- sowie auf den Innovationscharakter der Maßnahme hin und betont das Einläuten einer neuen Ära, die sich auch durch die Zusammensetzung der Teilnehmergrup-pe äußert. Dann werden Kleingruppen gebildet, die in einem Projekt-Wettstreit eine neue Duschkabine gestalten sollten. Jeder Gruppe wird ein Assistenz-Coach zugeteilt, der sie durch alle Prozessschritte führt und dafür Sorge trägt, dass die Gruppe in ihrer Zeitplanung fl exibel bleibt, gleichzeitig aber auch den Anschluss an die zentral eingeläuteten Prozess-abschnitte behält. Der zentrale Zeitplan sieht als Stationen vor:

1. Verstehen: Das Verständnis der Aufgabenstellung und Formulierung einer daraus abgelei-teten Aufgabenstellung setzen den Fokus für die einzelnen Kleingruppen.

2. Wahrnehmen/Beobachten: Aus einer zentralen „Bibliothek“ (einem eigens gestalteten Raum) können Informationsmaterialien schriftlicher, wie auch audio-visueller Natur ausge-liehen werden, um Einsichten und Erkenntnisse über den zu entwickelnden Gegenstand zu gewinnen.

3. Point-of-View: Jede Kleingruppe bricht die gemachten (und individuell interpretierten) Beobachtungen auf einen selbstdefi nierten prototypischen Benutzer herunter und konden-siert seine identifi zierten Bedürfnisse in einer spezifi schen Brainstorming-Frage ...

4. ... die in der anschließenden Phase der Ideenfi ndung zugrunde gelegt wird, um neue Optionen und Konzepte zu fi nden.

5. Die Auswahl kraftvoller Ideen ist für die handlungsorientierten Beteiligten schnell erfüllt ...

6. ... um sich dann energiegeladen und unter Ausschöpfung aller zur Verfügung gestellten Ressourcen dem Bau eines Prototypen widmen zu können – eine Phase, die mit einer über-bordenden Energie und Schaffensfreude (und sehr viel Material aus der Zentrale) umgesetzt wird.

7. Das zweitätige Event endet mit der Präsentation aller Prototypen in Form einer Vernis-sage, zu der auch die bekannte Designerin XY extra anreist. Wesentlicher Bestandteil der Vernissage ist ein eingebetteter Evaluierungsprozess, bei dem die Beteiligten aufgefordert werden, an einer zentralen Feedback-Insel ihre Eindrücke und Ideen zu Prozess, Methodik, Produkt und Wünschen an die zukünftige Innovationskultur des Unternehmens zu hinter-lassen.

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Page 64: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

A Das Erstellen von Prototypen kann als Kern des Design-Thinking-Prozesses angesehen werden.

A Die Prinzipien des Design Thinking werden seit 2005 am Hasso Plattner Institute of Design gelehrt, das auch „d.school“ genannt wird.

A Der nicht in allen Bereichen trennscharfe und teilweise unter-schiedlich ausgelegte Prozess erfordert an einigen Stellen den Ein-satz ergänzender Kreativitätstechniken.

A Bedürfnisorientierter Prozess, insbesondere durch den Einsatz des Prototypings.

A Das handfeste Erstellen eines Prototypen der späteren Lösung macht Vorzüge wie Nachteile frühzeitig „begreifbar“!

A Viele „klassische Kreativitätstechniken“ lassen sich in den Prozess integrieren.

A Zeitintensiv. A Einzelschritte sind nicht sauber definiert. A Insbesondere die Phase der Ideenfindung greift oft nur auf ein

Standard-Brainstorming zurück. A Braucht eine erfahrene Moderation.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Hinweise

Vorteile

Nachteile

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden552

Page 65: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Productive Thinking Model (Think X)

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel-Gruppenmethodik

Fortgeschrittene Grundlagen: 60–90 Min.Prozess: mehrere Stunden

Fortgeschrittener Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

ThinkAX (auch als ProductiveAThinkingAModel bezeichnet; „Produktives Denkmodell“) ist eine jüngere, auf der CPS-Methodik aufbauende, hochkomplexe Kreativitätsmethodik bzw. ein Rahmenwerk in zwölf Schritten (nach Tim Hurson/ Kristen Petterson/ John Sedgewick, 2005). Sie betont im Vergleich zu CPS die Extreme/Polaritäten des kreativen Prozesses eindeutiger. So wird anfänglich eine starke „Von-weg-Motiva-tion“ erzeugt (vergleichbar der Zukunftswerkstatt-Methodik), der eine starke, und mehrfach induzierte Zukunftsmotivation und -aktion folgt. Komplettes Abdecken des kreativen Prozesses.

Das Productive-Thinking-Model besteht aus sechs Schritten, die einge-bettet sind in sechs Rahmenhandlungen:

KontextderAktion1.AWorumAgeht‘s? (in älteren Versionen: WasAistAdasAÄrgernis?)In fünf Unterschritten wird gefragt:

•AWasAistAdasAzugrundliegendeAÄrgernis?•AWasAsindAdieAAuswirkungen?•AWelcheAInformationenAexistieren?•AWerAistAinvolviert?•AWasAistAdieAVision?

Zukunft2. WasAbedeutetAErfolg?A(Im Sinne der Aufgabenstellung)Hier wird eine anziehende Vision für die Zukunft etabliert, wobei fünf Fragen nach dem „DRIVE-Ansatz“ gestellt werden:

•Do (Tun): WasAmöchtenASie,AdassAdieALösungAtut/kann?•Restrictions (Begrenzungen): WasAsollAdieALösungAnichtAtun?• Investment (Investition): WelcheARessourcenAkönnenAinvestiertA

werden?•Values (Werte): WelcheAWerteAsollenAzumAAusdruckAkommen?•Essential Outcomes (essenzielle Ziele): WasAsindAdieAwirklichAer-

strebenswerten,AessenziellenAZiele?

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

© managerSeminare 553

Page 66: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

KatalytischeFrage3. WasAistAdieAFrage? (Mit der gestartet werden soll)Möglichst viele Fragen werden erstellt, die den nachfolgenden Ideenge-nerierungsprozess einleiten sollen – es folgen Clustern und Auswählen der am meisten stimulierenden Frage.

Lösungsalternativen4. AntwortenAentwickeln (i.S.v. Ideen, Alternativen, Optionen)Mithilfe zweckmäßiger Ideenfi ndungstechniken werden Ideen und Al-ternativen gesammelt.

Bestärkung5. LösungAschmiedenMithilfe eines speziellen Tools, genannt „POWER“, werden die ausge-wählten Lösungsansätze robuster gestaltet und gestärkt:

•Positives (Positiv): WasAistAdasAGuteAanAderAIdee?•Objections (Einwände): WasAistAschlecht/bedenkenswertAanAderA

Idee?•What Else (Was noch): WoranAerinnertAdieAIdeeAsonstAnoch?•Enhancements (Verbesserungen): WieAkannAdas,AwasAschonAgutAist,A

nochAbesserAgemachtAwerden?•Remedies (i.S.v. Gegenmaßnahmen): WieAkannAdas,AwasAnochA

nichtAgutAist,AverbessertAwerden?

Startrampe6. RessourcenAausrichtenDie fi nale Lösungsversion wird in einen Aktionsplan „übersetzt“, der beinhaltet:eine To-do-Liste; die Zeitlinie und einen Meilensteinplan; eine Liste der zu involvierenden Personen;eine Liste mit Themen, die (in diesem Zusammenhang) weiter be-arbeitet oder auch ergänzt werden müssen.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Abb.: ThinkX Intellectual Capital

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden554

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Praxisbeispiel

Ein großes multinationales Unternehmen der Innovationsbranche plant einen kompletten Relaunch seiner Corporate Innovation Structure (CIS). Inbesondere der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die seit Jahren mehr einer Statistik-Abteilung als einem Innovati-onskern des Unternehmens ähnelt, soll neues Leben eingehaucht werden, um sich erfolg-reich für das kommende Millennium aufzustellen.

Vorgehen

Die insgesamt 30 Mitarbeiter des Departments verfügen großteils über langjährige Erfahrung im Umgang mit kreativen Problemlösungswerkzeugen. Um sie einmal mit einem neuen Werkzeug zu konfrontieren und damit auch eingefahrene Gleise zu verlassen, hat sich die Geschäftsleitung mit Unterstützung einer externen Agentur auf einen zweitägigen Impulsworkshop verständigt, wobei das komplexe ThinkX-Productive-Thinking-Modell zum Einsatz kommen soll, das in sechs Schritten abläuft:

1. Worum geht‘s? (Auch im Sinne von: Was stört uns?) Zu Anfang sollen die Beteiligten ganz bewusst eine Von-weg-Motivation entwickeln, indem sie mithilfe verschiedener Kreativitäts-techniken wie etwa des Brainwalkings einmal ihren Ärger über die herrschenden Umstände laut äußern können. Dabei ist alles erlaubt, sowohl innere wie äußere Faktoren, Beeinfl uss-bares oder scheinbar Unvermeidbares – was immer „nervt“, soll „auf den Tisch.

2. Was heißt für uns Erfolg? In diesem Schritt geht es darum, die geweckten Energien umzupolen und eine zugkräftige Hin-zu-Motivation zu entwickeln. Das umfasst sowohl die Umkehr der zuvor geäußerten Faktoren, wie auch der Aufbau einer zugkräftigen Vision von einer erstrebenswerten Zukunft.

3. Was ist die (richtige) Frage? DIE richtige Frage (Catalytic Question), welche die Heraus-forderung adressiert, entscheidet über den weiteren Verlauf des Prozesses. Es geht darum, eine Suchfrage zu entwerfen, die einerseits die Schlüssel-Ingredienzien des zweiten Schritts enthält und dabei so offen suchend formuliert ist, dass sie Antworten auf die Herausforde-rung gleichsam „von selbst“ kommen lässt.

4. Antworten fi nden: Mithilfe ausgefallener Ideenfi ndungstechniken geht es jetzt darum, „die Handbremse“, die selbst in professionellen Ideenteams oft noch angezogen ist, zu lösen und ein Höchstmaß an guten, unorthodoxen Ideen und Geistesblitzen zu entwickeln, die die „Catalytic Question“ überschwänglich beantworten können.

5. Lösungen schmieden: Das Auswählen derjenigen Ideen, die über eine magnetische Anzie-hungskraft verfügen, ist der erste Teilschritt dieses Abschnitts. Ihm folgt dann eine Zeit, in der es darum geht, mithilfe spezieller Tools die vorausgewählten „Big Ideas“ („Großen Würfe und Durchbruchsideen“) sowie die möglicherweise übersehenen „Solala-Einfälle“ eindrucksvoll und nachhaltig zu stärken.

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

© managerSeminare 555

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6. Ressourcen ausrichten: Um die zuvor entworfenen Lösungen in ausführbare Aktionspläne zu überführen, gilt es, sie vom „Reißbrett“ abzunehmen. Dazu werden einerseits sogenann-te Meilensteinpläne entworfen, die konkrete Aktionsschritte für die Umsetzung, bzw. deren Hemmnisfaktoren aufzeigen. Andererseits geht es darum, mithilfe verschiedener „Story-boards“ „Ressourcentankstellen“ (Menschen, Materialien ...) aufzuzeigen, die helfen, die Aktionsschritte auszuführen bzw. möglicherweise existierende Hemmnisse zu umschiffen.

Zum Abschluss präsentiert die F&E-Abteilung der Geschäftsführung das neue CIS-Modell und einen detaillierten 60-Tage-Plan zur Umsetzung und Neuausrichtung.

A Hoher Problemlösungsanteil, der anfangs bewusst mit einer „Von-weg-Motivation“ startet (vergleichbar der Zukunftswerkstatt).

A Das Modell versteht sich als eine Weiterentwicklung der US-ameri-kanische CPS-Methodik, auf deren grundlegenden Phaseneinteilung sie aufbaut.

A Sehr ausführliche Methode, um Probleme intensiv zu beleuchten und zu lösen.

A Starke Problemfokussierung (von sechs Hauptarbeitsschritten fo-kussieren drei auf das Problem).

A Ist von Einzelpersonen und Gruppen gleichermaßen nutzbar. A Basiert auf einer dynamischen Balance von divergentem (viele

Ideen entwickeln, Möglichkeitsfokus) und konvergentem (Ideen kritisch auswählen, analysieren und verfeinern, Korrektheitsfokus) Denken.

A Kann nahtlos die meisten der bekannten Kreativtechniken phasen- bzw. arbeitsschrittbezogen integrieren.

A Durch eine anfängliche starke Von-weg-Motivation besonders ge-eignet für Prozesse, wo bestehende schlechte oder als schlecht bzw. noch nicht optimal empfundene Zustände verbessert werden sollen (vergleichbar der Zukunftswerkstatt).

A Hochkomplexe Methode. A Braucht viel Übung und ist anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. A Eine erfahrene Moderation ist anfangs unbedingt erforderlich.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Hinweise

Vorteile

Nachteile

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden556

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TRIZ, entwickelt von dem russischen Erfi nder und ehemaligen Patent-offi zier Genrich Saulovich Altschuller (je nach Quelle wird der Name unterschiedlich wiedergegeben) bedeutet „Theorie des erfi nderischen Problemlösens“ (im englischen: TIPS – Theory of Inventive Problem Solving). Es handelt sich weniger um eine reine Kreativitätsmethodik, sondern eher um eine Denkschule und Erfi ndungslehre (Genrich Saulo-vich Altschuller, 1950er-Jahre) und einen „Werkzeugkasten“ zum Be-reitstellen verschiedener Tools, Methoden und vor allem Prinzipien zum erfi nderischen Problemlösen. Ausgehend von der Beobachtung, dass vielen erfolgreichen Patenten und Erfi ndungen immer wieder vergleich-bare Prinzipien zugrunde lagen, wurden die wesentlichen davon in Form von „Best Practice Case Studies“ herausgefi ltert und in einer Ma-trix integriert. Im Kern geht es bei TRIZ um die Konfrontation mit er-folgreichen und zugleich abstrahierten Lösungsprinzipien. Das entfernt den Aufgabensteller schnell vom eigentlichen Problem und ermöglicht ihm dadurch eine effektive Blickfelderweiterung. Zu berücksichtigen ist dabei wohl die Herkunft aus dem technisch-ingenieurwissenschaft-lichen Bereich, ein Umstand, der die Komplexität dieses wirkungsvol-len Methoden-Sets begreifbar macht.

Auf langjährigen Erfahrungswerten basierende Erfi ndungsprinzipien zur systematischen und prinzipiengesteuerten Entwicklung von Inno-vationen werden ausgenutzt.

I. Ablauf

Kein fester Ablauf – sondern eine von vielen möglichen Abfolgen:

1.Situationsbeschreibung: Identifi zieren Sie das Problem

A Analyse – z.B. mit der Innovations-Checkliste • Was ist das Problem?• Was ist der Hintergrund des Problems?• Was ist der Effekt des Problems?

TRIZ

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Einzel-Gruppenmethodik

Fortgeschrittene Einz. Tools: 45–120 Min.komplett: mehrere Tage

Fortgeschrittener Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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Page 70: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Abb.: Rahmenplan für die TRIZ-Werkzeuge.

Quelle: Dipl-Ing. Horst Th. Nähler, c4pi – Center for Product-Innovation, www.c4pi.de.

2.Problemdurchdringungund-abstraktion: Stellen Sie Beziehungen her

A Ursache-Wirkungs-Diagramm/-Netzplan A Abstraktion – Problementfernung durch Hineindenken in die 39

TRIZ-Parameter (1. Abstraktionsebene) A Identifi zierung initialer Problemlösungsbemühungen A Objekt- und Funktionsmodellierung A Innovations-Checkliste

3.Widerspruchsidentifizierung: Identifi zieren Sie Widersprüche

A Abstraktion – z.B. mit der Widerspruchsmatrix (Differenz zwischen einem sich verbessernden Parameter und analog sich verschlech-ternden anderen Parametern)

A Problementfernung durch Anwendung von 40 Best-Practice-Lö-sungsprinzipien (2. Abstraktionsebene)

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden558

Page 71: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

4.Ideensammlung: Sammeln Sie Lösungsideen

A Ideenfindung – Problemannäherung durch Lösungsgenerierung

5.Spezialisierung A Einsatz von bekannten Lösungsverfahren für die „Problem-Modelle“

6.Bewertung: Wählen Sie die erfolgversprechendsten Ansätze und Lösungen aus

A Konzept bewerten

II. Werkzeugkoffer (Ausschnitte)

A Innovations-Checkliste A 40 Lösungsprinzipien (s. Kapitel Kreativitätstechniken) A Widerspruchsmatrix

AA ARIZ (auch bekannt als ARIS): Russisches Verfahren zur Problem-lösung (sinngemäß übersetzt: „Algorithmus bzw. Schrittverfahren zur Lösung der Erfindungsprobleme“), das von Altschuller als ei-genständige Methodik im Rahmen des komplexen TRIZ-Ansatzes entwickelt wurde. Im Detail verkörpert der Algorithmus eine Vor-gehensweise von der Analyse einer Problemsituation bis hin zur Auswertung entwickelter Lösungsansätze. Er dient dazu, sehr komplexe Probleme bei der Ideenfindung zu lösen. In einer ersten, analytischen Phase werden das Problem, das ideale Endresultat und mögliche Widersprüche dagegen definiert und analysiert; in der an-schließenden operativen Phase werden einzelne Parameter isoliert und hinsichtlich der Auswirkungen ihrer Veränderungen unter-sucht, bevor abschließend in der synthetischen Phase das System und damit zusammenhängende Prinzipien und Verfahren betrachtet werden. Im Prozessverlauf können unterschiedliche Teilwerkzeuge zum Einsatz kommen, wie z.B. eine Liste von ungefähr 85 Schritt-für-Schritt-Prozeduren.

AA SIT: Keine direkte Variation, mehr ein „Kind der Familie“ (nach Goldenberg, Horowitz und Filkovsky, etwa 1995). Es lassen sich Parallelen ziehen zur Synektik (Problementfernung) und Vergleiche anstellen zum de-Bono-System. Etliche bekannte Kreativtechniken lassen sich nahtlos einbinden.

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Variationen

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Praxisbeispiel

Ein Schweizer Traditionsunternehmen, das sehr bekannt für seine Werkzeuge ist, leidet zunehmend unter der Billigkonkurrenz aus Fernost. Daher sind die Umsatzzahlen seit Jahren rückläufi g, obwohl die Qualität der Werkzeuge von den Kunden hochgeschätzt und vielge-rühmt wird. Die Firmenleitung schickt die Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Klausur und erwartet, dass im Rahmen eines ersten „Vordenker-Workshops“ der Grundstein für ein neues Handwerkstool, besser noch für eine neue Werkzeugserie gelegt werden soll. Sie soll an alte Tradition und Qualität anknüpfen, gleichzeitig aber auch durch eine neue Ausrich-tung alte Käufer reaktivieren und neue Interessenten mobilisieren. Als Methode wird für die erfahrenen Teilnehmer die TRIZ-Methodik gewählt.

Vorgehen

1. Situationsbeschreibung: Die Gruppe widmet sich mithilfe des TRIZ-Werkzeugs „Innova-tions-Checkliste“ den drei Problem-Kernfragen „Was ist das Problem?“ (rückläufi ge Verkaufs-zahlen), „Was ist der Hintergrund des Problems?“ (seit Jahren gleichbleibendes Sortiment, „zu hohe Qualität“) und „Was ist der Effekt des Problems?“ (Kunden behalten ein Werkzeug ein Leben lang und haben keinen Bedarf an einem neuen).

2. Problemdurchdringung und -abstraktion: Mithilfe ausgewählter TRIZ-Werkzeuge geht es anschließend darum, die identifi zierten Kernproblematiken tiefer zu durchdringen und gleichzeitig das (ursprünglich sehr spezielle) Problem zunehmend zu abstrahieren – und dadurch auch den Horizont für neue Lösungsansätze zu öffnen.

3. Widerspruchsidentifi zierung: Mithilfe der 40 innovativen TRIZ-Grundprinzipien (ähnlich der Osborn-Checkliste) geht es anschließend darum, sich noch weiter vom (speziellen) Pro-blem zu entfernen und auf eine höhere Abstraktionsebene zu gelangen. Gleichzeitig werden auch mithilfe der Widerspruchsmatrix Widersprüche aufgedeckt, die einer späteren Lösung im Weg stehen könnten (wie z.B.: bewusster Abbau der Qualität vs. Erhalten des guten Namens).

4. Ideensammlung: Hier werden mithilfe verschiedener kreativer Arbeitstechniken Ideen entwickelt, wie sich die formulierten abstrakten Probleme lösen lassen.

5. Spezialisierung: Die abstrakten Lösungsansätze werden schrittweise auf das Ausgangspro-blem zurückgeführt und in spezifi sche Problemlösungen überführt.

6. Bewertung: In diesem Schritt werden schließlich die erfolgversprechendsten Lösungsan-sätze mittels klassischer Evaluierungstechniken (s. Optimierungstechniken) bewertet und ausgewählt, um sie nach dem Wochenende dann in Konzeptform aufzubereiten und in den Bereich der Marktrecherche zu überführen. Als Grundsatz hält die Gruppe die Idee fest, Werkzeuge für andere Berufsgruppen als Handwerker zu entwickeln (z.B. für Mediziner), die einen hohen Qualitätsanspruch haben.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden560

Page 73: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

A TRIZ wird auch gerne als eine Art „Synektik für Ingenieure“ be-zeichnet, weil ein spezifisches Problem durch den Einsatz verschie-dener Werkzeuge zuerst abstrahiert wird, dann auf der abstrakten Ebene Lösungen entwickelt werden, die anschließend in konkrete Problemlösungen überführt werden. Die Methode stellt sich dar als ein hochkomplexes Verfahren, das den Gedanken durch den Einsatz extrem „logischer“ Werkzeuge hilft, sich vom eigentlichen Problem zu entfernen, um dann mit neuen Denkanstößen und frischen Im-pulsen wieder dorthin zurückzukehren. Insbesondere analytischen Menschen bietet sie einen guten – und vertrauten – Rückhalt bei der Problemlösung, kann sie doch mit zahlreichen bewährten Prinzipien und Tabellen-Tools aufwarten. Ist der „gewöhnliche Ver-stand“ vielleicht eher etwas damit überfordert, so liegt ihr Vorteil unbestreitbar darin, eine Vielzahl von möglichen – und Erfolg ver-sprechenden – Perspektiven anzubieten, aus denen man eine Auf-gabenstellung heraus betrachten und angehen kann. Womit sie sehr wirksam zur Überwindung einseitiger Denkmuster und Vorgehens-weisen beiträgt.

A Im Grunde beruht die Vorgehensweise bei TRIZ vor allem auf folgen-den Kernanschauungen:• Die Evolution technischer Systeme folgt bestimmten Mustern.• Einer großen Anzahl von Erfindungen liegt eine vergleichsweise

kleine Anzahl von Lösungsprinzipien zugrunde.• Erst das Überwinden von Widersprüchen macht innovative Ent-

wicklungen möglich. A TRIZ ist nicht nur eine Methodik, es ist vielmehr eine Denkschu-

le, Methodensammlung und Toolbox, die sich an Best-Practice-Lösungsprinzipien orientiert und eine Vielzahl von Methoden und Techniken zur erfinderischen Problemlösung integriert.

A Obwohl dieses hochkomplexe System schon „alt“ ist, findet es seinen Weg in die westliche Problemlösungskultur doch erst all-mählich. Daher sind diese Seiten hier nur als ein erster Schritt zu verstehen! Ein tiefer gehendes Studium durch den Besuch eines Praxisseminars bei einem spezialisierten Anbieter wird bei Interesse unbedingt empfohlen.

A Die TRIZ-Methodik erfindet in der Regel kein gesamtes Produkt neu, sondern identifiziert wichtige Kernprobleme bei einem Produkt oder Prozess, um sie nachfolgend zu verbessern.

A Liegt systematischen und strukturierten Denkern. A Gründliches und umfassendes Bearbeiten einer Aufgabe. A Starke Lenkung des Suchfeldes. A Best Practice orientiertes Prinzipienset. A Mehrfache Problementfernung führt zu Perspektivwechsel.

Methoden und Strategien für Fortgeschrittene

Hinweise

Vorteile

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Page 74: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

A „Widerspruch als Chancen-Einstellung“ öffnet neue Lösungswege. A Große Tool-Sammlung, die situativ zu nutzen ist. A Wenn die Prinzipien als Vorschlag verstanden und diszipliniert an-

gewandt werden, werden in der Regel völlig neue Perspektiven er-öffnet.

A Widerspruch (in einer Aufgabenstellung) wird als Chance angese-hen.

A Hochkomplexe Methodik, die viel Einarbeitung benötigt. A Meist hoher Zeitaufwand. A Braucht in der Regel eine sehr erfahrene Moderation. A Kommt aus dem technischen/Ingenieur-Bereich, für „Uneingeweih-

te“ daher z.T. schwer verständlich. Zur vollständigen Durchdrin-gung setzt TRIZ ein hohes naturwissenschaftliches Verständnis und entsprechende Kenntnisse voraus.

A Es kann passieren, dass die vorgeschaffenen Prinzipien als Dogma aufgefasst werden und ein „schemahaftes Vorgehen“ implizieren.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Nachteile

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden562

Page 75: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Mit den Methodiken dieses Abschnitts können Sie The-men in Großgruppen angehen.

Nutzen Sie diese Werkzeuge, wenn Sie ... A ein Thema bearbeiten wollen und dabei den Betei-

ligten einen weiten Freiraum zubilligen, A ergebnisoffene Prozesse „verdauen“ können, A Vorerfahrung mit Kreativitätsmethodiken und

-strategien sowie in der Moderation von Gruppen haben.

Mehrere bzw. alle Phasen des kreativen Problemlö-sungs- und Interventions-Prozesses werden adressiert und große Gruppen werden durch ein Thema geleitet, nach dem Motto: Keep your options open – was immer passiert, hat einen Grund.

Portfolio der Kreativitätsmethoden

Markt der Möglichkeiten ..................................... 564Open Space ........................................................ 568World Café ......................................................... 573BarCamp (FOO-Camp) .......................................... 577RTSC-Konferenz ................................................. 581Appreciative Inquiry Summit (Zukunftsgipfel) ....... 585

Zukunftskonferenz ............................................. 589

Methoden und Strategien für Großgruppen

„NiemandAkannAeineASinfonieAflAöten.AEsAbrauchtAeinAOrchester,AumAsieAzuAspielen.“

– Halford E. Luccock

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MarktAderAMöglichkeiten ist ein Großgruppenverfahren, das im weites-ten Sinne frei zusammengestellt werden kann. Hierbei wird eine Art Marktplatzatmosphäre geschaffen, bei der verschiedene Kleingruppen die Aspekte des Themas, die sie bearbeitet haben, in Form von „Stän-den“ darbieten und einen regen Informations- und Ergebnisaustausch pfl egen.

Intensive Themenbearbeitung in kleineren Gruppen mit hohem Inter-aktionsanteil garantiert Bewegung – im Kopf und im Prozess.

1. Zunächst werden Aufgabenstellung, Vorgehensweisen und Spielre-geln visualisiert.

2.Kreativphase Die Einleitung erfolgt durch geistiges und körperliches „Aufwärmen“. Gezielt werden Ideen für die Aufgabenstellung gesammelt, unter Einbe-zug einer Ideenfi ndungstechnik.

3.Verbesserungsphase Die Gruppe teilt sich in Kleingruppen. Jede Kleingruppe hinterfragt kritisch die gesammelten Ideen und trifft eine Vorauswahl. Gegebenen-falls können komplexe Aufgabenstellung in Unterthemen unterteilt werden.

4.Verständnisphase A Auf aushängenden Wandplakaten – entweder mit vorgegebenen Fra-

gestellungen oder gänzlich frei – werden nun die Verbesserungen in Form eines Brainwalkings gesammelt.

A Nach dem Aufschreiben stehen noch 10 Min. Zeit zur Verfügung, in denen Verständnisfragen an die Autoren der Beiträge gestellt werden können. Jeder Beitrag kann in max. 30 Sekunden erklärt werden.

Markt der Möglichkeiten

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Gruppen- undGroßgruppenformat

EinsteigerFortgeschrittene

2 Std. bis 1 Tag Großgruppen- Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden564

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5.ProjektphaseErneut bilden sich Kleingruppen – entweder in der gleichen Zusam-mensetzung (s. 3. Schritt) oder spontan als neue Projektgruppen, die an einer Fragestellung arbeiten wollen. Jede Kleingruppe erstellt einen konkreten Handlungsplan, wie sie sich die Umsetzung der Idee vor-stellt.

6.Präsentationsphase/WerbephaseDie einzelnen Projekte werden vorgestellt. Immer zwei bis vier Pro-jektgruppen präsentieren gleichzeitig ihre Ergebnisse. Dazu wird vor Beginn ein Wandplakat erstellt, auf dem Zeitblöcke und Gruppen fest-gelegt werden.

A Der erste Block beginnt, indem alle gleichzeitig präsentierenden Gruppen nun genau drei Minuten Zeit haben, aktiv für ihre Idee zu werben und Interessenten anzulocken, gleich mit welcher Strategie (wie auf einem Markt).

A Nach drei Minuten müssen sich alle Zuhörer entschieden und ihren „Wunschpräsentationen“ zugeordnet haben.

A Jede Präsentation hat nun fünf bis zehn Minuten Zeit, ihre Er-gebnisse zu präsentieren. Wichtig dabei: Die Ergebnisse sollen schlüssig darstellen, wie zur Lösung der ursprünglichen Aufgabe beitragen werden soll.

A Im Anschluss daran haben die Zuhörer noch drei Minuten Zeit, ih-rer Projektgruppe ein Feedback zu geben.

A Nach einem kurzen Separator (Unterbrecher, z.B. eine kurze Pause) werben dann die Präsentierenden des zweiten Blocks für ihre Pro-jekte. Die Gruppe stellt gemeinsam sicher, dass jede Präsentation wenigstens einen Zuhörer hat.

7.Vereinbarungsphase: Die Gruppe kommt gemeinsam zusammen, sichert die Ergebnisse in Bezug auf die ursprüngliche Aufgabenstellung und vereinbart das weitere Vorgehen für die Umsetzung.

Methoden und Strategien für Großgruppen

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Praxisbeispiel

Ein Trainingsunternehmen möchte sein Portfolio bedarfsgerecht optimieren und auch neuen Themen bzw. Köpfen eine Plattform bieten.

Vorgehen

Eingeladen zu einer eintägigen Klausurtagung hat das bekannte Trainingsunternehmen X sowohl die eigenen Bestandstrainer, als auch Netzwerkpartner und Neukontakte. Um den methodenerfahrenen 28 Teilnehmern einen angemessenen Rahmen zu bieten und die Lust auf die Projektarbeit zu stimulieren, wird die Methodik „Markt der Möglichkeiten“ gewählt, an die sich ein gemeinsames Koch-Event als „Belohnung“ anschließt.

1. Zuerst wird die Leit-Aufgabenstellung durch die geschäftsführenden Gesellschafter vorge-stellt: „Wie können wir unsere Angebotspalette bedarfsgerecht optimieren und ergänzen, um unseren Ruf als innovatives und praktisches Trainingsunternehmen zu untermauern und für die Kunden weiterhin die Anlaufstelle Nr. 1 zu bleiben?“

2. Die gemeinsame Kreativphase wird durch eine Bewegungseinheit „Fit im Kopf“ einge-leitet, die die Teilnehmer dynamisch auf die kommende Ideensammlung und den bewegten Charakter der Veranstaltung einstimmt und in Fahrt bringt. Das anschließende Brainwalking kombiniert mit der Ideengenerator-Technik, erbringt dann auch die stattliche Anzahl von mehr als 150 Ideen, die die anwesenden Trainer, Berater, Coachs und Facilitators zusam-mentragen.

3. Spontan entscheiden sich die Teilnehmer dann in der Verbesserungsphase dazu, jede der sechs Pinnwände einer Kleingruppe zu übergeben, die ein erstes Clustering der gesammelten Vorschläge vornimmt und ihre Ergebnisse anschließend im Plenum vorstellt. Anschließend entscheidet sich die Gruppe, mithilfe des VIP-Scan eine erste Auswahl der favorisierten Vorschläge wieder in den Kleingruppen vorzunehmen. Zum Abschluss dieser Phase überträgt jede Kleingruppe ihre favorisierten drei Ideen jeweils auf eine neue Pinnwand und fügt eine visualisierte Erklärung hinzu.

4. In der folgenden Verständnisphase werden die Flipcharts mit den Ergebnissen im zentra-len „Marktplatzraum“ aufgestellt und stehen für ein leicht modifi ziertes Brainwalking zur Verfügung. Dabei können an jede Pinnwand Post-its mit Ideen und Anregungen (Farbe gelb) oder auch Fragen (Farbe rot) geheftet werden. Jede Kleingruppe muss sicherstellen, dass zu jeder Zeit mindestens ein Gruppenmitglied „am Stand“ ist, um Fragen ggf. beantworten zu können.

5. Es folgt die Projektphase, in der sich die Kleingruppen mit ihren Pinnwänden wieder in die separaten Gruppenräume zurückziehen. Dort bearbeiten sie nach eigener Wahl eine, zwei oder alle drei Top-Ideen, indem sie die Anregungen der anderen Teilnehmer, wo angemessen

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden566

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Methoden und Strategien für Großgruppen

und möglich, aufgreifen und in eine realisierbare Lösung miteinbeziehen. Das schließt auch die Erstellung von Plänen mit ein, wie sich die optimierten Ideen konkret umsetzen lassen.

6. Der abschließende Marktplatzblock schließlich beginnt mit einer lauten Präsentations- und Werbephase, werben doch die Gruppen in zwei Blöcken aktiv und gleichzeitig (!) um Interessenten. Das Ergebnis ist sicher nicht repräsentativ, bietet aber bereits in diesem frühen Stadium einen interessanten Anhaltspunkt, welche Themen „am Markt“ ankommen. Die Ergebnisse werden vor dem gewonnenen „Wahlpublikum“ präsentiert und anschließend durch die Zuhörer mit einem Feedback belohnt.

7. Abschließend kommt die gesamte Gruppe zusammen und tauscht sich mit der Geschäfts-führung über die Ergebnisse aus. Per Abfrage fi nden sich acht Beteiligte, die sich bereit erklären, eine Projektgruppe zu bilden, die die neuen Themen für den Jahreskatalog des Folgejahres aufarbeitet.

A Verbindet intuitives und strukturiertes Arbeiten. A Die Raumvorbereitung dient gleichzeitig als Aufwärm- und Grup-

penzusammenführungsphase. A Kann auch unter Open-Space-Gesichtspunkten und -regeln ablaufen

(ohne primäre Ergebnisfi xierung). A Sprengt die alltägliche Routine „unbewegter“ Ideensitzungen/Mee-

tings und verbindet geistige und körperliche Bewegung. A Gesteuerte „Konkurrenzsituation“/kontrollierter Wettbewerb akti-

viert Durchsetzungsenergien. A Schafft einen mehrfachen Perspektivwechsel. A Vereinigt alle drei Hauptphasen des kreativen Kreislaufs.

A Braucht eine erfahrene Moderation. A Braucht viel Zeit. A Kann zeit-, material- und raumaufwendig werden. A Die „lauten“ Phasen liegen den „stillen Denkern“ oft eher weniger.

Vorteile

Nachteile

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Open Space

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Gruppen- undGroßgruppenformat

Fortgeschrittene 45 Min. bis 3 Tage Großgruppen- Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

OpenASpace ist ein klassisches, frühes Gruppenverfahren ( Harrison Owen, 1985), dass trotz (oder wegen) seines weitgehend offenen An-satzes eine große Verbreitung gefunden hat. Die weitgehend freie Vor-gehensweise, die ihren Fokus nicht, wie bei bei einer herkömmlichen Veranstaltung, in erster Linie auf Ergebnisse ausrichtet, bietet mehr einen Rahmen als einen roten Faden, um sich über ein Thema intensiv und teilnehmerzentriert auszutauschen. Dadurch wird ein erwartungs-befreiter offener Raum für alle Beteiligten geschaffen. Hintergrund ist die Erfahrung und Beobachtung Owens, dass in traditionellen Meetings oft in den Zusammenkünften und Dialogen in den Pausen mehr er-reicht wurde als in dem „offi ziellen Teil“. Die Erkenntnis führte dazu, diesen informellen Teil nicht nur stärker zu berücksichtigen, sondern zum Kern des Verfahrens auszubauen.

Teilnehmerzentrierung und Ergebnisoffenheit garantieren themenbezo-gen eine hohe Beteiligung bei größtmöglicher Wahlfreiheit.

Aufgabenstellung visualisieren und Kick Off

Zu Beginn einer Open-Space-Konferenz sind nur die Rahmenbedin-gungen vorhanden: ein großer Stuhlkreis für alle Teilnehmer, ein Moderator, der kurz in die Methode einführt, die Aufgabenstellung und genügend Räume und Materialausstattung wie Flipcharts etc. Die folgende Beschreibung orientiert sich an dem „klassischen“ Beispiel für 2,5 Tage. Es können auch kürzere Ausschnitte durchgeführt werden.

1. Tag

1. Zunächst kann jeder Teilnehmer, der sich einbringen möchte, das Wort ergreifen und einen Beitrag beisteuern.

2. Alle Beiträge werden auf Karten gesammelt, auf einem großen Wandplakat – dem sogenannten Anschlagbrett – geordnet und zu ei-nem Themenspeicher zusammengefasst. Hier wird in der Regel schnell deutlich, was den Beteiligten eigentlich am Herzen liegt. Dann ordnen

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden568

Page 81: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Methoden und Strategien für Großgruppen

sich die Teilnehmer selbstständig den Themenbereichen zu, die für sie von Interesse sind.

3. Nun erst wird eine gemeinsame Tagesordnung erstellt, die so weit wie möglich alle Teilnehmerwünsche berücksichtigt, sodass jeder in „seinen“ Arbeitskreisen mitwirken kann. Es gibt also viele Themen und viele Gruppen, die teilweise gleichzeitig ablaufen.

4. Nach etwa einem halben Tag nehmen die Workshops ihre Arbeit auf. In vollkommen unterschiedlichen Gruppengrößen finden sich die Inte-ressierten jeweils für 1-2 Stunden zusammen und behandeln ihr The-ma – meist unter der Leitung desjenigen, der dieses Interessensgebiet vorgeschlagen hat. Dabei kann es vorkommen, dass Themen erweitert, verändert oder sogar noch einmal für den folgenden Tag neu angesetzt werden. Auch ist es erlaubt, die Gruppe zu wechseln, wenn jemand feststellt, dass er zu dem gewählten Thema nichts beitragen kann. Jeder arbeitet also im Verlauf der zwei Tage in ganz unterschiedlichen Arbeitsgruppen konzentriert und lebendig mit, kann neue Beziehun-gen knüpfen oder bestehende intensivieren.

Weiterer Verlauf

5. Da es keine (!) offiziellen Zusammenfassungen oder Präsentationen gibt, schreiben alle Themen-Initiatoren selbst einen 1–3-seitigen Be-richt, der die Ergebnisse ihres Workshops enthält. Bis zum Ende des zweiten Tages werden alle Berichte kopiert, sodass jeder (!) Teilnehmer eine Mappe mit allen Berichten erhält. An dieser Stelle ist ein gut ge-planter Einsatz und die konzentrierte Koordination von Helfern und Material wesentlich für den Erfolg der Veranstaltung.

3. Tag

6. Zu Beginn des dritten Tages liegen die nummerierten Berichtsmap-pen zum Lesen aus, ein Prozess der 1-2 Stunden dauern kann.

7. Dann bewertet jeder Teilnehmer seine Favoriten. Mithilfe einer Punktbewertung werden die bis zu 10 wichtigsten Berichte – die „Top Ten“ – als diejenigen Ergebnisse ermittelt, auf die alle vorhandenen Ressourcen mit Priorität gebündelt werden sollen.

8. Diese werden dann als Überschriften auf 10 Wandplakate geschrie-ben und im Plenum verteilt aufgehängt. Neben jedem Thema steht der jeweilige Initiator, während alle anderen Teilnehmer frei von Wandpla-kat zu Wandplakat wandern und zusätzliche Ideen äußern.

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

9. Anschließend fi nden sich noch einmal die 10 Gruppen zusammen, die diese „Top-Ten-Themen“ entwickelt haben und treffen kurze Ver-einbarungen, wie sie nach dieser Konferenz weiter vorgehen. An dieser Abschlussrunde nehmen nur noch diejenigen teil, die absolut bereit dazu sind, das jeweilige Thema auch nach der Konferenz in dieser Gruppe weiter zu bearbeiten. Ein gemeinsames Foto jeder Arbeitsgrup-pe dient als symbolische Verstärkung.

10. Ihren Abschluss fi ndet die Open-Space-Konferenz im großen Kreis, in dem alle Teilnehmer noch einmal in kurzer Form die drei Tage re-fl ektieren.

Follow up

Was danach kommt, ist den einzelnen Gruppen vorbehalten. Wichtig ist nur, dass eine Gruppe auch die Möglichkeit zur Umsetzung erhalten muss, das heißt, dass sie hierarchieübergreifend im Organisationsalltag an „ihrem“ Thema weiterarbeiten darf. Bewährt hat es sich, wenn nach einigen Wochen die Themen-Initiatoren und die Organisationsleitung oder der Auftraggeber noch einmal zusammenkommen, um den Stand der Dinge offenzulegen und die Bereiche deutlich zu machen, in de-nen noch Unterstützungsbedarf herrscht. Und schließlich: Die beste Fortsetzung für eine Open-Space-Konferenz ist eine weitere, wenn sich dieser Wunsch von innen her, gleichsam organisch, entwickelt.

Praxisbeispiel

Eine Solarfi rma will in Form eines weitgehend ergebnisoffenen Events in Erfahrung bringen, wie ihre aktuellen oder auch potenziellen, zukünftigen Kunden „ticken“. Konkret: Welche Formen der Energiegewinnung für sie attraktiv sind, was alternative Energiegewinnung für sie überhaupt bedeutet, welche Fragen sie haben, und was sie sich noch wünschen würden.

Vorgehen

Die Firma organisiert ein Open-Space-Event, mit Beteiligten aus drei verschiedenen Bereichen:

A Kunden (sowohl aktuelle Kunden der Firma als auch über Zeitungsanzeigen Interessierte)

A Vertreter der Firma (vornehmlich aus den Bereichen Forschung & Entwicklung und Marketing)

A Prominente Experten aus Forschung und Politik zu dem Thema Energiegewinnung

1. Begrüßung, Einführung und Methodenvorstellung. Dabei geht es vor allem darum, einen Rahmen für die Veranstaltung zu setzen, einen Überblick über Methode, Prinzipien und den Gesamtablauf zu geben, die Infrastruktur vorzustellen (Wo ist was) und, ganz wichtig, ein

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden570

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Methoden und Strategien für Großgruppen

Bewusstsein in der Gruppe zu erzeugen, wer alles da ist und welche Ressourcen versammelt sind. Wichtig dabei ist u.a., dass die Moderation nicht von einem zentralen Punkt aus ihre Ansagen macht, sondern im vorbereiteten, kreisförmig aufgebauten Plenum umhergeht und so für alle gleich präsent und sichtbar ist.

2. Ein kurzes einführendes Statement eines Experten und eine anschließende einführende Statement-Runde sollen die Beteiligten für das Thema sensibilisieren und sie zur Mitarbeit motivieren.

3. Gleich nach der Einführung wird es spannend für die Teilnehmer: Wer hat welche Anlie-gen, wie werden die Anliegen formuliert, wer übernimmt Verantwortung für welche Themen? Das Sich-Einbringen wird genau erklärt und mithilfe von Assistenten dafür gesorgt, dass alle Teilnehmer ihre Themen adressieren können. Wer ein Thema hat, geht in die Mitte des Kreises und formuliert sein Anliegen auf einem DIN-A3-Papier – wobei es zuerst einiger Gewöhnung daran bedarf, dass alle absolut gleichberechtigt sind. Anschließend geht der Teilnehmer an die „Anliegenwand“, sucht sich eine Uhrzeit und einen „Raum“ für sein Thema und befestigt es in einem großen „Stundenplan“ (wandhohes Raster, das darüber Auskunft gibt, was wann wo stattfi nden soll) und setzt sich wieder. Der nächste Teilnehmer ist dran. In Form eines „Marktplatzes“ werden Themen und Zeiten angekündigt, verhandelt und gegebenenfalls so umgelegt, dass möglichst alle Wünsche Berücksichtigung fi nden.

4. In dem jetzt folgenden Hauptpart fi nden die Workshops in Blöcken parallel statt. Die Teilnehmer wählen „ihre“ Themen, wobei per Ansage oder Visualisierung immer auf die beiden Open-Space-Grundgesetze hingewiesen wird:

A Gesetz der zwei Füße: Jeder bleibt so lange bei einem Thema, wie es ihn interessiert oder er etwas dazu beitragen kann. Wechseln geht immer und zeugt von Selbstorganisa-tion und Eigenverantwortung.

A Hummeln und Schmetterlinge: Hummeln gehen emsig von Gruppe zu Gruppe und tragen auch zur Verbindung der Themen bei – Schmetterlinge fl anieren und pausieren, und sind einfach präsent.

Gleichzeitig gibt es viele Pausenräume, wo sich die Beteiligten zwanglos treffen, austau-schen oder einfach nur entspannen können – oder auch (gut gestaltete) Informationen zum Thema vorfi nden.

5. Das Organisationsteam sorgt dafür, dass sowohl am Abend des ersten als auch am Morgen des zweiten Tags jeweils eine Zusammenfassung der Themen und des aktuellen Stands der einzelnen Workshops und Arbeitsgruppen präsentiert wird.

6. Der zweite Tag steht ganz im Zeichen von konkreten Ableitungen, Maßnahmen und Vorge-hensweisen. Hierzu werden die Beteiligten mittels eines elektronischen Votings aufgefordert, die „Top-Ten-Workshops“ auszuwählen und sich anschließend einem (!) Thema zuzuordnen.

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Diese Initiativ-Workshops bekommen anschließend zwei Stunden Zeit, um über konkrete Ergebnisse zu sprechen und Vereinbarungen zu treffen.

7. In der großen Abschlussrunde lädt die Moderation dazu ein, Feedback-Statements zum Ablauf zu geben, sich mit dem Nachbarn noch einmal auszutauschen und ein gemeinsames Resümee zu ziehen.

A Es gelten die Grundprinzipien und -gesetze des Open Space:• Jeder kann kommen und gehen, wann er will.• Sowohl Hummel- als auch Schmetterlingsverhalten wird begrüßt.• Wer kommt, ist genau richtig.• Was auch immer geschieht, ist genau das, was zu geschehen hat.• Es beginnt, wenn die Zeit reif ist.• Es dauert so lange, wie es dauert.• Wenn es vorbei ist, ist es vorbei.

A Eine Sitzung nach dem Open-Space-Prinzip kann auch in einem kürzeren Zeitrahmen ablaufen.

A Betroffene werden aktiv und hierarchieübergreifend in Problemlö-sungsprozesse eingebunden.

A Die Freiwilligkeit und Offenheit produzieren oft unerwartete Ergeb-nisse.

A Weitestgehend erwartungsoffener Ansatz. A Situative Integration nahezu des gesamten Repertoires an Kreativ-

techniken.

A Sehr vorbereitungsintensiv. A Sehr material- und gegebenenfalls auch mitarbeiteraufwendig. A Die Methode erfordert eine erfahrene Moderation. A Verlangt Offenheit seitens der Führung, sich auf einen „offenen,

unplanbaren“ Prozess mit unvorhersehbarem Ausgang und Ergebnis einzulassen.

A Angst des Auftraggebers vor „Kontrollverlust“. A Ergebnisse und Verlauf sind tatsächlich nicht vorhersehbar – eine

Veranstaltung kann auch als „Nullnummer“ enden. A Erfordert ernsthafte Bereitschaft und Verpfl ichtung zur Fortführung

und Umsetzung. A Die Technik ist für die Teilnehmer gewöhnungsbedürftig, die einen

straffen, vorgegebenen Zeitplan gewohnt sind oder erwarten.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden572

Page 85: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Methoden und Strategien für Großgruppen

World Café

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Gruppen- undGroßgruppenformat

EinsteigerFortgeschrittene

1–3 Std. Beschreibbare Tischdecken, Tischmoderationen,

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

WorldACaféAist ein für Großgruppen bestens geeigneter Ansatz (nach Juanita Brown/ David Isaacs, 1995), der von seiner Art her einer pa-rallel moderierten Kleingruppenarbeit entspricht. Das kommt durch verschiedene Tische zum Ausdruck, an denen parallele Kleingruppen in einem abgegrenzten Zeitrahmen jeweils ein bestimmtes Thema bearbei-ten bzw. Gespräche führen und ihre Ideen, Erfahrungen und Perspek-tiven dazu austauschen. Nach jedem Block fi ndet eine Pause statt, in der sich die Teilnehmer austauschen, nachfolgend neu orientieren und einem weiteren Thema ihrer Wahl zuordnen können.

Die Struktur und Kultur der Methodik fördern das aufmerksame, par-tizipative Zuhören der Beteiligten, eine themenbezogene Interaktion und den kollektiven Dialog und Wissensaustausch in einer Gruppe.

Modell

Die Methodik World Café umfasst folgende fünf Basiskomponenten:1. Setting: Kreieren einer speziellen Umgebung, oft einem „Café“

nachempfunden.2. Begrüßung: Der Gastgeber begrüßt und teilt Ziel und „Café-Etiket-

te“ mit.3. Arbeit in kleinen Tischgruppen (s. Vorgehen).4. Runden-Fragen: Jede Runde kann unter einer zentralen Frage ste-

hen. Alternativ können die Tische auch an individuellen, vorher bekannt gegebenen Themenstellungen arbeiten.

5. Ernte: In einer gemeinsamen Abschlussrunde sind die Tischgruppen bzw. die Tischmoderationen aufgefordert, ihre Ergebnisse mitzutei-len und gegebenenfalls grafi sch aufzubereiten.

Vorgehen

Der gesamte Raum wird in kleinere Tischgruppen unterteilt. Diese diskutieren unter einem gemeinsamen Oberthema jeweils separat an einem Unterthema für eine festgelegte Zeit. Nach diesen Zeiten (meist 10–15 Min. und max. 30 Min., muss vorher jedem bekannt sein!) gibt

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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Page 86: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

es eine Pause von 15 Minuten. Danach wählt sich jeder Teilnehmer einen beliebigen neuen Tisch. Die Tische werden mit beschreibbaren Tischdecken ausgerüstet und je Tisch wird ein „Tischmoderator“ festge-legt. Die Tischmoderatoren bleiben im gesamten Verlauf des Prozesses an ihrem jeweiligen Tisch.

Die Aufgabenstellungen werden visualisiert und in kleinere „Tisch-Aufgaben/-Fragestellungen“ unterteilt. Jeder Tisch wird durch sei-nen Tischmoderator durch einen Prozess durchgeführt, der je nach Unterthema und Moderator ganz unterschiedliche Formen annehmen kann. Der Tischmoderator:

A startet mit einem kurzen (Tisch-) Themen-Statement, A regt die Diskussion mit einer Frage an, die er in die Runde gibt, A regt die Teilnehmer dazu an, ihre Gedanken auch schriftlich/zeich-

nerisch auf der „Tischdecke“ festzuhalten, A animiert die Teilnehmer, wenn die Diskussion ruhiger wird, A fasst zum Schluss alles zusammen, A erstellt ein stichwortartiges Tischprotokoll, das er an die Hauptmo-

deration weiterleitet. A tauscht ggf. die Tischdecken aus und sammelt sie ein.

Die Pausen dienen dem Gedankenaustausch und dem „geistigen Auf-tanken“. Nach einer Pause sucht sich jeder Teilnehmer einen neuen Tisch, der ihn vom Thema her anzieht. Insgesamt fi ndet je nach Ge-samtzeit ein zwei- bis viermaliger Wechsel statt.

Praxisbeispiel

Interessierte Vertreter und Multiplikatoren aus dem Bereich der kreativen Ökonomien treffen sich in Brüssel, um das EU-Jahr der Kreativität und Innovation 2009 (EYCI) einzustimmen.

Vorgehen

Eine Dachorganisation lädt zu einem Gedankenaustausch ein, um sich über das kommende EYCI-Event auszutauschen und möglichst viele und unterschiedliche Perspektiven „an einen Tisch“ zu bringen. Als Methodik wird das World-Café-Format mit folgendem Setting gewählt:

1. Zunächst werden die Anwesenden mit einem kleinen Stehempfang nebst Snacks be-grüßt, bei dem die ministerialen Grußworte aus Brüssel multimedial untermalt werden. Die Projektleitung weist auf die Bedeutung der beiden Kernkompetenzen nicht nur für die Branchen und Unternehmen der „kreativen Ökonomien“ im Besonderen, sondern auch für Unternehmen, Organisationen und Personen aller Branchen und Richtungen im Allgemeinen hin. Anschließend begrüßt auch die Gesamtmoderation die Teilnehmer und führt kurz in die Methodik World Café und die „Café-Etikette“ ein.

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden574

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Methoden und Strategien für Großgruppen

Vorgesehen ist ein themengetrenntes Arbeiten unter Leitung separater Tischmoderationen mit einem dreimaligen Tischwechsel, wobei der Plan, wann welches Thema an welchem Tisch ansteht, vor Beginn jeder 30-minütigen Runde öffentlich bekannt gegeben wird. Die Teilnehmer werden angeregt, sich im Verlauf des World Cafés in jeder Runde an einen neuen Tisch zu begeben, um ihre eigene Erfahrung in unterschiedliche Kreise einbringen zu können und von dem Wissen möglichst vieler unterschiedlicher Begegnungen zu profi -tieren. Eine wesentliche Ansage der Hauptmoderation zum Schluss der Einführung ist, dass das World Café heute nicht der Erarbeitung eines Ergebnisses, wohl aber dem intensiven Gedankenaustausch dient, um das bevorstehende EYCI-Event einzuspielen und die Gedanken der Teilnehmer bezüglich lohnenswerter Maßnahmen, Aktivitäten und Events aufzunehmen und auszutauschen.

2. Die Teilnehmer verteilten sich auf die vorbereiteten Tische, um sich jeweils an „ihren“ Themen zu beteiligen und nach einem einführenden Statement der Tischmoderationen unter deren Leitung Ideen, Anregungen, Erfahrungen und Impulse auszutauschen. Dabei obliegt es den Tischmoderationen, immer wieder durch gezielte Fragen oder Zusammenfassungen das Thema lebendig und die Teilnehmer aktiv zu halten – und vor allem, die Beteiligten dazu anzuregen, die von ihnen verbal geäußerten Statements auch visuell unter Nutzung der bereitliegenden Stifte auf der „Tischdecke“ (ein Art Papiertischdecke) festzuhalten.

Nach jeder Runde fassen die Tischmoderationen die Ergebnisse zusammen und sind in der anschließenden Pause dafür verantwortlich, „die Tischdecken“ zu wechseln und die alten, beschriebenen Exemplare zu Protokollzwecken zu fotografi eren.

Zum Abschluss des halbtägigen Events spricht die Hauptmoderation die Abschlussworte und sichert gleichzeitig allen Beteiligten ein Fotoprotokoll zu, wie auch die Weitergabe der gebündelten Ergebnisse an eine Projektgruppe.

A World Café kann recht materialintensiv sein. Insbesondere ist si-cherzustellen, dass jeder Tisch mit einer ausreichenden Menge an Stiften und gegebenenfalls auch Post-its ausgestattet ist.

A Die Effektivität dieser Methodik hängt von einer guten Gesamtmo-deration und kompetenten und fl exiblen Tischmoderationen ab.

A Die Hauptmoderation bzw. die Veranstaltungsleitung muss sicher-stellen, dass die Tischprotokolle den Beteiligten anschließend zu-gesandt werden bzw. zur Verfüpgung stehen.

A Bewegung, Tisch- und „Mitdenker-Wechsel“ bringt immer wieder neue Perspektiven.

A Der Anreiz, Gedanken auch visuell zu äußern, regt mehrere Sinnes-systeme zugleich an.

Hinweise

Vorteile

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

A Braucht einen Moderator, der die Methodik kennt – und auch erfah-rene „Tischmoderatoren“. Letztere sind für die Themenbegleitung und für die Nachbereitung und Protokollierung der „Tischergeb-nisse“ verantwortlich.

A Ist zeit- und vorbereitungsaufwendig. A Das Ergebnis steht und fällt mit einer sauberen Notation aller Er-

gebnisse – und einer zeitnahen Versendung eines „Protokolls“.

Nachteile

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Methoden und Strategien für Großgruppen

BarCamp

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Gruppen- undGroßgruppenformat

EinsteigerFortgeschrittene

1–3 Tage Großgruppen-Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Ein BarCamp (häufi g auch: „Barcamp“, „ Unkonferenz“, „ Ad-hoc-Nicht-Konferenz“) ist eine offene Tagung und Großgruppenvariante (nach Tim O‘Reilly, 2005) mit offenen Workshops, deren Inhalte und Ablauf von den Teilnehmern zu Beginn der Veranstaltung selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet werden (und insoweit mit dem alten Open-Space-Gedanken kompatibel sind). Sie sind aus dem Bedürfnis heraus entstanden, dass sich Menschen in einer offenen Umgebung austauschen und voneinander lernen können und dienen dem inhaltli-chen Austausch und der Diskussion, können teilweise aber auch bereits am Ende der Veranstaltung konkrete Ergebnisse vorweisen. Das Format wird gelegentlich, abgeleitet von der historischen Entstehung, auch als „FOO-Camp“ bezeichnet (F*riends O*f (Tim) O‘Reilly). Teilnehmer dieser Urform wurden persönlich eingeladen und enstammten im Wesentli-chen der jugendlichen Blogger-Szene um den Urheber Tim O‘Reilly. Ihr Charakter kann entwickelnder (Ideenkonferenz) oder informeller (Wis-senskonferenz) Natur sein. Sie baut auf einem starken Partizipations-gedanken auf und kann auch Elemente der neuen Flash-Mob-Bewegung beinhalten. Das Leitmotto ist: Wissen teilen, um Wissen zu vermehren!

A Themenbezogener Gedankenaustausch mit Präsentations- und Dis-kussionselementen, um zu einer Thematik den Stand der Dinge und die unterschiedlichen Perspektiven zwanglos in Erfahrung zu bringen, wobei von den Beteiligten ein hoher Eigenanteil gefordert wird.

A Die Selbstbestimmung garantiert in der Regel eine bunte Vielfalt an Themen und Präsentationen.

Grundlegende Empfehlungen zum Ablauf

1. Der Ablaufplan für sämtliche Präsentationen, die mit der Einladung schon abgefragt werden können, aber nicht müssen, wird erst am Tag selbst erstellt. Fachkundige Teilnehmer können sich durch eigene Vor-träge oder Diskussionsangebote einbringen; die Vorschläge dazu wer-den auf einer Wandtafel öffentlich sichtbar gemacht und i.d.R. durch

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

die Teilnehmer selbst koordiniert. Beginn und Raum der Sessions wer-den im Allgemeinen am Morgen des Veranstaltungstages festgelegt.

2. Die anwesenden Teilnehmer wählen die Demos bzw. Präsentationen aus, die sie sehen wollen. Grundsatz: Die Teilnehmer bestimmen, was besprochen wird, nicht der Veranstalter.

3. Zu Begin einer Präsentation sollen sich die Präsentierenden in drei Worten („Tags“) vorstellen. Alle Präsentierenden sind dafür verant-wortlich, dass sämtliche Mitschriften, Folien, Audios und Videos ihrer Präsentationen im Web veröffentlich werden, zum Nutzen sowohl der Teilnehmer als auch derjenigen, die nicht selbst anwesend sein kön-nen.

4. Eine anfängliche Eröffnung sowie eine abschließende Zusammenfas-sung in der Gesamtgruppe wird empfohlen.

Praxisbeispiel

Die Sportjugend des Landssportbundes NRW möchte die Jugendarbeit intensivieren. Vor allem sollen mehr Jugendliche für die Verbandsarbeit interessiert werden und gleichzeitig die aktuellen Bedürfnisse in Erfahrung gebracht werden. Der Vorstand entschließt sich zur Durchführung eines BarCamps als eine zeit- und jugendgemäße Veranstaltungsform, die, im Sommer durchgeführt, mit einem angenehmen „Feeling“ verbunden werden kann.

Vorgehen

Der Vorstand der Sportjugend trifft sich zu einer Klausurtagung, die als einzigen Tagesord-nung das Thema hat „Wie bringen wir mehr Jugendliche in die Sportvereine?“ Schnell wird den Beteiligten deutlich, dass ein Thema von dieser Tragweite nur gemeinsam mit den Betroffenen bzw. der Zielgruppe selbst erörtert werden kann. Daraufhin wird als Veranstal-tungsform ein BarCamp vorgeschlagen, weil:

A viele andere Veranstaltungsformen als für Jugendliche zu formalisiert angesehen wer-den,

A BarCamp aus dem Bereich der jungen Generation selbst kommt, A die Vermutung nahe liegt, dass der ein oder andere bereits in die Sportorganisation

eingebundene Jugendliche schon Vorerfahrung hat und bei der Organisation und Durch-führung helfen kann.

Das gesamte Projekt wird bewusst als „Pilotprojekt“ eingestuft. Damit soll sowohl den Beteiligten größtmögliche Handlungsfreiheit gegeben werden, als auch den meist ebenfalls noch jugendlichen Verantwortlichen die oft hinderliche „Angst des Scheiterns“ genommen werden. Die Organisation stellt einen eigenen kleinen Etat und eine hauptamtliche Arbeits-kraft für die Vorbereitung und Durchführung zur Verfügung.

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden578

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In der sich anschließenden Vorbereitungsphase geht es neben logistischen Fragen vor allem um das Anschreiben potenzieller Teilnehmer innerhalb und außerhalb des organisierten Sports. Dabei wird auf den Charakter des Events, den animierenden Tagungsort und die besonderen Rahmenveranstaltungen hingewiesen und das Interesse der Beteiligten und eine mögliche Bereitschaft, eigene Themen beizusteuern, bereits vorab abgefragt.

Die Veranstaltung selbst wird an einem Wochenende durchgeführt, um den Beteiligten einen Rahmen zu geben, in den sie „eintauchen“ können. Am Freitagabend wird bereits bei der Begrüßung auf den partizipativen Charakter hingewiesen. Per Wandplakaten werden konkrete Themen für Präsentationen und Workshops abgefragt. Das Organisationskomitee erstellt noch am Abend einen Ablaufplan, aus dem Themen und Zeitpunkte der Workshops, für die der gesamte Samstag vorgesehen ist, entnommen werden können.

Am Samstag selbst fi nden die angekündigten Workshops dann nach Plan statt, wobei ein „Veranstaltungs-Ghostwriter“ Fotos und „Stimmungs-Proben“ festhält. Wichtig ist den Veranstaltern aber auch, einen Raum für spontane Workshops freizuhalten, die allerdings mindestens 30 Min. vorher auf der zentralen Wand angekündigt sein müssen.

Am Sonntagvormittag steht die Veranstaltung dann unter der Fragestellung: „Welche The-men tragen Eurer Meinung nach am Besten dazu bei, Jugendliche für den Sportverein zu ge-winnen?“ Alle Teilnehmer nehmen eine Auswahl aus den bisherigen Workshops und Präsen-tationen vor. Die gewählten Themen bekommen die Möglichkeit, in zwei parallelen Blöcken á jeweils 45 Minuten „ihre“ Thematik jeweils unter dem Gesichtspunkt „Jugendliche für den Sportverein zu gewinnen“ zu diskutieren und, wenn gewünscht, Thesen zu formulieren. Die Ergebnisse dieser letzten „Barshops“ werden abschließend im gesamten Plenum vorgestellt und als Grundlage für einige Zukunftsthesen genutzt, die die Sportorganisation als Leitli-nien für die zukünftige Arbeit an oberster Stelle platziert.

A Der BarCamp-Ansatz lässt sich auch mit anderen Formaten me-thodisch verbinden; z.B. können methodische Elemente des Open-Space-Ansatzes einem BarCamp Kontur und Richtung geben.

A BarCamps können Präsentationen beinhalten, ebenso wie Diskussi-onen und Interaktion der Teilnehmer untereinander.

A Partizipativer Grundgedanke: Teilnehmer müssen entweder eine Präsentation oder eine Session abhalten oder aber bei einer mithel-fen, oder sonstwie als Freiwilliger zum Gelingen der Veranstaltung beitragen.

A Die Grundprinzipien und -gesetze des BarCamp-Gedankens:• Sprich über das BarCamp. • Blog über das BarCamp.• Wer präsentieren will, muss sich eintragen und ankündigen.

Methoden und Strategien für Großgruppen

Hinweise

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Page 92: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

• Jedes Intro zur Vorstellung einer Präsentation ist nur drei Worte lang.

• Es gibt so viele Präsentationen zur gleichen Zeit, wie es die Mög-lichkeiten erlauben.

• Es gibt keine vorgefertigte Zeitliste – alles entscheidet sich vor Ort.

• Präsentationen dauern so lange, wie sie dauern, oder bis der nächste Zeit-Slot beginnt.

• Wer das erste Mal bei einem BarCamp ist, muss präsentieren (oder sich auf eine andere Form interaktiv einbringen).

A Zwangloser Gedankenaustausch zu selbstgewählten (oder auch fest-gelegten) Themen.

A Betroffene werden aktiv und hierarchieübergreifend in Problemlö-sungsprozesse eingebunden.

A Element der Freiwilligkeit und Offenheit produziert völlig unerwar-tete Ergebnisse.

A Situative Integration nahezu des gesamten Repertoires an Kreativ-techniken.

A Verlangt von allen Beteiligten ein Höchstmaß an Flexibilität. A Hohe Erwartungen an Ergebnisse dürfen nicht gestellt werden, weil

sich Ergebnisse immer nur nach dem Engagement der Beteiligten in Abstimmung mit dem Setting richten. Es ist möglich, dass ein Bar-Camp auch vollkommen ergebnislos enden kann.

Vorteile

Nachteile

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden580

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Methoden und Strategien für Großgruppen

RTSC-Konferenz

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Gruppen- undGroßgruppenformat

Fortgeschrittene 2–3 Tage Großgruppen-Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

Die RTSC-Konferenz (RTSC heißt „Real Time Strategic Change“ und steht frei übersetzt für „Strategischer Wandel in kurzer Zeit bzw. in Echtzeit“) ist ein großgruppenbasiertes Verfahren (nach Kathleen Dannemiller/ Chuck Tyson/ Al Davenport, 1994), das beansprucht, „schnellen Wandel“ zu ermöglichen. Ihr Fokus liegt bewusst auf einer Problemorientierung, was sie vergleichbar mit der Zukunftswerkstatt macht. In der Durchführung wechseln sich zentrale und individuelle Elemente ab, wobei auch symbolische, kreative und theatralische Ele-mente eingebaut werden können. Der Hintergedanke: Die Energie für Veränderung entsteht aus einem positiven Spannungsfeld zwischen dem negativen Ist- und dem positiven Soll-Zustand. Veränderung oder Wandel gelingt dann, wenn dieses Spannungsfeld bei möglichst vielen Beteiligten erzeugt werden kann, wenn die Betroffenen selbst aus dieser Spannung heraus die ersten Schritte der Veränderung planen, wenn dabei eine hohe Übereinstimmung zwischen Führungskräften und Mitarbeitern herrscht und wenn es gelingt, die Beteiligten für die strategischen Ziele des Unternehmens zu gewinnen.

A Bearbeitet komplexe Aufgabenstellungen umfassend. A Setzt als Besonderheit bei der Unzufriedenheit der Beteiligten bzw.

Betroffenen an und holt sie dort ab, wo sie gerade stehen.

Methodik

Die vier Eckpfeiler einer RTSC-Konferenz sind: A Aktueller Stand: Gemeinsame Informationsbasis herstellen und die

Teilnehmer aufrütteln. A Zukünftige Visionen: Arbeit an Visionen und Strategiepapier. A Problemdiagnose zur Zielerreichung (Zukunftsentwurf): Die Zusam-

menarbeit (von Teilsystemen) verbessern. A Handlungsbedarfs-Ermittlung zur Erreichung der Ziele: Konse-

quenzen für das weitere Handeln ermitteln, konkrete Schritte vereinbaren und Commitments eingehen.

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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Page 94: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Grundprinzipien

A Für Veränderung braucht es Unzufriedenheit mit der bisherigen Situation.

A Den Wandel gemeinsam in Gang setzen. A Partizipation der gesamten Organisation ermöglichen. A Gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Vorgehen

Der prinzipielle Ablauf folgt den drei Phasen:1. Aufrütteln: Es geht darum, Unzufriedenheit mit der Realität zu

äußern und einen gleichen Informationsstand für alle zu erzeugen.2. MitAZielenAidentifizieren: Identifikation mit den Zielen (Werte,

Schlüsselprojekte, Strategien) herstellen; die Parameter werden oft aus Best-Practice-Beispielen hergeleitet.

3. UmsetzungAerarbeiten: Konkrete Nahziele setzen, Maßnahmenplan und Selbstverpflichtung der Beteiligten fordern und fördern.

1. Tag: Aufrütteln

A Eröffnung. A Vorträge und Input-Runden, Schwerpunkt: die Einschätzung der

Realität; A das kann auch sogenannte „Male-Practice-Beispiele“ (negative

Situationsberichte) beinhalten. A Diskussion und Gruppenbildung.

2. Tag: Mit Zielen identifizieren

A Vorstellen von Best-Practice-Beispielen. A Frage- und Antwortrunde. A Zitieren der Zukunft, Zieldefinition. A Ideensammlung und Lösungsentwicklung.

3. Tag: Erste Schritte erarbeiten und Commitments vereinbaren

A Vorstellen der überarbeiteten Ziele und Abläufe. A Maßnahmenplanung in Kleingruppen (ggf. abteilungsweise). A Planung persönlicher Beiträge und Commitments (Selbstverpflich-

tung). A Feedback und Verabschiedung.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden582

Page 95: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Praxisbeispiel

Ein international operierendes Luftfahrtkonsortium, das sich aus verschiedenen, eigen-ständigen Airlines zusammensetzt, plant eine Image- und Workfl ow-Verbesserung, um nach außen hin für die Kunden als ein gemeinsames Unternehmen aufzutreten. Dabei soll das Augenmerk besonders auf dem pragmatischen Punkt des „Seamless Travel“ liegen, des reibungslosen Reiseerlebnisses, ohne dass der Kunde merkt, dass er von der Zuständigkeit einer Airline in die einer anderen wechselt.

Vorgehen

Das Unternehmen will an allen Standorten bei den Stationsmanagern der angegliederten Airlines ein Bewusstsein und eine Bereitschaft für Veränderung erzeugen und entsprechende Strategien implementieren. Als Methodik wird eine verkürzte RTSC-Konferenz gewählt, die den Fokus auf „Veränderung kann schnell gehen“ legt und an allen Standorten zur Durch-führung kommen soll. Das Setting verläuft wie folgt:

Vor der Maßnahme wird an jeder Station ein verantwortlicher „Sponsor“ bestimmt, der als formeller Leiter des Projekts eingesetzt wird.

1. Aufrütteln: Zu Beginn der konkreten Maßnahme fi ndet ein kurzer Impulsvortrag des Sponsors statt, der auf die Realität – und mögliche bisherige Unzulänglichkeiten in Form von „Male Practice“ – hinweist und ein Bild der angestrebten Gesamtunternehmensidentität sowie der erwünschten Kernstrategie „seamless travel“ aufzeigt.

Daran schließt sich eine Vorstellungsrunde der versammelten Stationsmanager an, die eine eigene Einschätzung der IST- und SOLL-Situation beinhaltet. Eine Sammlung und anschlie-ßende Diskussion der „Male-Practice-Beispiele“ führt zu dem Fazit, dass insbesondere die frühere Situation von einzelnen, miteinander konkurrierenden Unternehmen ein großer Hemmschuh war, der sich vor allem für den Kunden negativ ausgewirkt hat.

2. Mit Zielen identifi zieren: Nach der Mittagspause, in der die Projektleitung zuvor vorberei-tete Best-Practice-Beispiele an den Wänden ausgehängt bzw. im Raum aufgestellt hat, wird der Fokus gewechselt. Die Teilnehmer werden darauf eingestimmt, was das Ziel des Dach-unternehmens ist, welche Strategien verfolgt werden sollen und welche guten Beispiele es dazu bereits aus der Vergangenheit, bei der Konkurrenz oder bei bereichsfremden Quellen gibt.

Die Beteiligten werden dann von der Moderation durch einen Zielprozess geführt, der eine große Sammlung von stationsbezogenen Teilzielen und Lösungswünschen ergibt. Die an-schließende Diskussion mit integriertem Auswahlprozess führt, im Rahmen des gegebenen Oberziels, zu einem konkreten Teilziel, das sich für den betreffenden Standort als vordring-lich erstrebenswert herausstellt.

Methoden und Strategien für Großgruppen

© managerSeminare 583

Page 96: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

3. Schritte erarbeiten und Commitments vereinbaren: Am nächsten Morgen geht es darum, dass im Rahmen des festgelegten Teilziels konkrete Lösungsansätze und Maßnahmen zusam-mengetragen werden. Das geschieht mithilfe verschiedener Kreativitätstechniken.

Nach der Kaffeepause wird eine Sichtung und Sortierung der Vorschläge vorgenommen und die Gruppe wählt 3-5 konkrete Lösungsansätze aus. Diese werden anschließend in Klein-gruppen mit konkreten Maßnahmen unterlegt. Jede Kleingruppe wählt einen Ideenpaten aus, der die Umsetzung federführend begleitet. Die anderen Kleingruppenmitglieder geben Commitments ab, im Rahmen der Umsetzung defi nierte Teilaufgaben zu übernehmen.

In der Gesamtrunde werden die gewählten Lösungsansätze, Maßnahmen und Umsetzungs-Fahrpläne kurz vorgestellt. Die Gruppe verabredet sich zu einem Folgetermin, bei dem sowohl die Erledigung der ersten drei Maßnahmen und die persönlichen Commitments vorgestellt als auch die Auswahl neuer Aufgaben stattfi nden wird.

A Wesentlicher Leitgedanke der RTSC-Konferenz ist das Erzeugen von Selbstbeteiligung und Begegnung auf allen hierarchischen Ebenen.

A Erfordert eine präzise Ausschreibung im Vorfeld, um „die richtigen Teilnehmer“ abzuholen.

A Die Methodik ist inhaltlich stärker vorstrukturiert als andere Groß-gruppenverfahren.

A Der Fokus liegt auf synchronem Wandel im gesamten System – wo-bei der Wandel dabei zunächst im Kopf der Beteiligten stattfi ndet.

A In der Regel entsteht bei diesem Format viel Energie, Aufbruchstim-mung und Gemeinschaftsgefühl.

A Der Ablauf bzw. das Design kann variabel angepasst werden. A Die Methodik betrachtet die Organisation und ihr Umfeld aus ver-

schiedenen Perspektiven und lässt somit die Dringlichkeit von Ver-änderungen leichter nachvollziehbar werden.

A Teilnehmer empfi nden, im Rahmen der vorgegebenen Ziele, ein ho-hes Maß an Mitbestimmung und bringen sich themenbezogen sehr engagiert ein.

A Die Organisation ist sehr hierarchisch aufgebaut: Die Unterneh-mensführung gibt Thema, Ziel, Ablauf und den Bereich des Mög-lichen vor.

A Vorbereitung und Durchführung sind sehr zeitaufwendig (z.B. Vor-bereitung entsprechender Präsentationen).

A Großer Raum-/Platzbedarf. A Braucht ggf. eine spezielle, externe Moderation oder „Animation“.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden584

Page 97: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

Appreciative Inquiry Summit (Zukunftsgipfel)

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

Großgruppenformat Fortgeschrittene 1–3 Tage Großgruppen-Standard

1. OR 2. GE 3. OP 4. IM

AppreciativeAInquiryASumit (kurz AI; zu deutsch: Zukunftsgipfel für wertschätzende Erkundung), ist eine aus dem US-amerikanischen stam-mende Change-Management-Methodik (nach David Cooperrider/ Diana Whitney/ Suresh Srivastra), die in den achtziger Jahren des 20. Jahr-hunderts entwickelt wurde. Die Grundidee ist: Menschen und Systeme bewegen sich in die Richtung, in die sie schauen. Daher wird im AI ein bewusster Fokus auf die Stärken und das Positive eines Systems gelegt und Probleme werden nicht direkt bearbeitet, sondern in Verände-rungswünsche umbenannt.

Zukunftsorientierte und ressourcenfokussierte Themenbearbeitung, die sich am Wachstum orientiert und den Beteiligten eine starke „Hin-zu-Motivation“ vermittelt.

Modell

Innerhalb des Appreciative-Inquiry-Summit-Prozesses werden vier kon-zeptionelle Phasen durchlaufen:

1.Discovery(Entdeckung, i.S.v Verstehen)Entdeckungsphase, Verstehen. Durch Interviews das Beste (den wert-vollen Kern und die Wirkungsmechanismen hinter den Erfolgen anhand eigener Erfolgsbeispiele) erkennen und verstehen.WasAistAdasABeste,AwasAwirAsind?

2.Dream (Traum, i.S.v. Vision)Visionsentwicklung für ein erreichbares Ideal, das in dem wertvollen Kern beziehungsweise in den Erfolgsbeispielen verankert ist.Visionen werden entworfen, Ideale werden aufgegriffen (i.S.v. Best Practice) und es wird geträumt, was im besten Fall sein könnte.WasAkönnteAsichAdarausAallesAentwickeln?

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

Methoden und Strategien für Großgruppen

© managerSeminare 585

Page 98: Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwendendie Kopfstandtechnik (früher auch Kopfstandmethode genannt) oder die Reizwortliste (auch Reizwortmethode genannt). Alle Formate

3.Design(Entwurf, i.S.v. Gestalten)Konkretisierung der Vision für das Leben im Alltag in Form von Struk-turen, Prozessen, Systemen, benötigten Fähigkeiten.Zukunftsentwurf. Bearbeiten, was sein sollte. Visionen entwickeln und konkretisieren. Entscheidungen treffen.WieAlebenAwirAkonkretesAIdeal?

4.Destiny(Schicksal, i.S.v. Verwirklichen, die positiven Energien kon-kret ausbauen)Umsetzungsphase. Festlegung, was geschehen wird. Motivation auf-rechterhalten und neue Ideen verwirklichen.

Vorgehen

1. Tag: Verstehen A Begrüßung und Öffnen der Teilnehmer. A Wertschätzende Interviews führen und herausragende Erfolgserleb-

nisse sammeln. A Blitzlicht aus den Interviews. A Gedankenaustausch und Erfolgsfaktoren finden. A „Wertvollen Kern“ erstellen oder Best-Practice-Infomarkt erarbei-

ten.

2. Tag: Visionieren und Gestalten A Entwickeln einer Vision, basierend auf den Erfolgen und Träumen

aus den Interviews. A Kreative Präsentationen der Vision. A Konkretisierung der Vision und ihrer Elemente. A Infomarkt und Gedankenaustausch.

3. Tag: Verwirklichen A Umsetzungsarbeit in Kleingruppen. A Entwicklung einer wertschätzende Umsetzungskultur. A Präsentation der Umsetzung. A Feiern der Erfolge.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden586

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Praxisbeispiel

Zwei Unternehmen aus dem Lebens- und Genussmittelsektor stehen vor einer Fusion und wollen die leitenden Angestellten beider Partner auf die angestrebten gemeinsamen neuen Unternehmensziele und -werte einstimmen.

Vorgehen

Als Methode wird nach eingehender Vorbesprechung das AI-Summit (Appreciative Inquiry Summit) gewählt, das in einem außerordentlichen Rahmen eines sogenannten Science Cen-ters stattfi nden sollte. Der Zukunftsgipfel verläuft in folgenden Schritten:

1. Discovery: Nach einem einführenden Stehempfang mit Produkten beider Unternehmen und einer kurzen Rede der neuen Gesamtführungsebene werden Paare gebildet, jeweils zusammengesetzt aus den beiden Unternehmen. Sie bekommen den Auftrag, sich für etwa eine Stunde auf Entdeckungstour durch das Science Center zu begeben, alle Impressionen und Anregungen aufzunehmen, die ihnen subjektiv auffallen und an ausgewählten „Statio-nen“ ihre Eindrücke und Denkanstöße auf Pinnwänden festzuhalten.

2. Vision: Anschließend fi nden sich jeweils vier bis sechs Paare zusammen und bilden Klein-gruppen. Diese haben den Auftrag, jeweils mit Unterstützung einer Pinnwand eine ganz be-stimmte Vision und, bezogen auf die dazugehörige Fragestellung, den „wertvollen Kern“ der Frage herauszuarbeiten und ein idealtypisches Szenario (i.S.v. Best Practice) zu entwerfen.

3. Design: Am zweiten Tag geht es dann darum, die eigene Vision von dem neuen Unter-nehmen konkret auf den Unternehmensalltag anzuwenden. Es gilt, eine „dreidimensionale Roadmap“ zu gestalten, die alle jeweils relevanten Strukturen, Prozesse, Systeme zur Umsetzung der entworfenen Vision beinhaltet und unter Berücksichtigung der Rahmenbe-dingungen und Kundeninteressen einen konkreten Zukunftsentwurf anzufertigen.

4. Destiny (Umsetzungsphase): Die Vision und die ausgestaltete Roadmap dienen dann als Grundlage für eine Roadmap, die jeweils konkrete Schritte aufzeigen soll, wie sich die Vision umsetzen und verwirklichen lässt.

Alle Arbeitsergebnisse der Kleingruppen werden bei einer abschließenden „Vernissage“ ausgestellt und können begangen und bestaunt werden. Die Unternehmensleitung äußert sich in einem abschließenden Statement überaus angetan von den Ergebnissen und der energetischen Stimmung und ruft dazu auf, die Ergebnisse nicht als Abschluss, sondern als Aufforderung für die weitere Umsetzung zu nehmen. Die Gruppen bekommen nochmals eine Zeit, um für sich jeweils einen Abschluss zu fi nden – der darin besteht, dass sich ausnahms-los alle Gruppen vereinbaren, die Umsetzungsbegleitung ihrer Arbeitsergebnisse in den Unternehmensalltag eigenverantwortlich und federführend voranzutreiben.

Methoden und Strategien für Großgruppen

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A AI-Prozesse können in unterschiedlicher Form oder Kombination auch eingesetzt werden:• als Bestandteil einer zum Entwicklungsmaßnahme,• als Bestandteil eines Veränderungsprozesses.

A Wesentliche Komponenten und Grundelemente sind:• wertschätzende Haltung,• AI-Prozess,• unterstützende Methoden.

A Wichtig ist, gegebenenfalls immer wieder zur wertschätzenden Hal-tung zurückzukehren und diesen wertvollen Aspekt zu betonen und erlebbar zu machen, wenn im Verlauf eines Prozesses dieser Blickwinkel verloren gegangen ist.

A Wichtig: Das Thema sollte kraftvoll für die Teilnehmer besetzt sein und bereits im Titel eine Zukunftsperspektive beinhalten (Beispiel: „Exzellenten Kundenservice stärken“).

A Starke Sogwirkung durch vordringliche Ausrichtung auf Visionen und Zukunft.

A AI-Elemente und Gedanken lassen sich in viele andere Großgrup-penformate ergänzen bzw. mit ihnen kombinieren.

A Der Fokus beim AI liegt auf dem Menschen und dem Vertiefen der Beziehungen zwischen Menschen.

A Die Themenauswahl bei einem AI-Summit richtet sich danach, was die (beteiligten) Menschen schätzen und was sie wachsen und ge-deihen sehen möchten in ihrer Organisation oder Gemeinschaft.

A Ein AI-Summit ist besonders geeignet für den Start und die Revita-lisierung von Umstrukturierungs- und Veränderungsprozessen und für Firmenfusionen.

A Ergänzende Elemente (wie z.B. der Einbau von Performances, The-ater-Elementen oder Incentives) sind dazu geeignet, eine gewisse „Veränderungs-Magie“ entstehen zu lassen.

A Sehr hoher Logistikaufwand. A Hoher Raum- und Materialbedarf.

Hinweise

Vorteile

Nachteile

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden588

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Die Zukunftskonferenz ist, vergleichbar der Zukunftswerkstatt, ein Instrument der Bürgerbeteiligung (nach Marvin Weisbord und Sandra Janoff, 1995). Sie ist ein Dialog-, Lern-, Planungs- und Mobilisierungs-instrument, das neue Perspektiven und interessante Lösungen auf unkonventionellen Wegen entwickeln kann und beginnend von einer Analyse vergangener Grundlagen bzw. aktueller Situationen ein kon-kretes Zukunftsbild und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung entwirft.

Eine große Anzahl von Personen aus unterschiedlichen Themenfeldern und Spezialgebieten wird zusammengebracht, um konzentriert an einer komplexen Aufgabenstellung zu arbeiten, die für alle, aus unterschied-lichen Perspektiven heraus, eine hohe Relevanz besitzt.

Die wesentlichen Eckpunkte des Ablaufs

1. Rückblick in die Vergangenheit (der Blick zurück). Einzeln in der Gruppe: Bestandsaufnahme der aktuellen Situation.

2. Analyse externer Trends – positiver wie negativer (der Blick ins Jetzt). Homogene Kleingruppen: wichtige Trends und ihre Auswirkungen auf die Organisation betrachten.

3. Bewertung der gegenwärtigen Situation (ein zweiter Blick ins Jetzt). Homogene Kleingruppen: Stärken- und Schwächenanalyse gegenwärti-ger Zustände.

4. Entwicklung gewünschter Visionen und Erfi nden der Zukunft (der Blick in die Zukunft). Heterogene Gruppen: Ganzheitliches Ausarbeiten einer gewünschten Zukunft.

5. Herausarbeiten essenzieller Gemeinsamkeiten und des Grundes (Ver-einbarung von Zielen).

Zukunftskonferenz

Eignung Schwierigkeitslevel Dauer Material

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Methoden und Strategien für Großgruppen

Kurzbeschreibung

Nutzen

Vorgehen

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4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Zusammenlegen von jeweils zwei Kleingruppen: Vorschlagen von und einigen auf gemeinsame Visionen, Ziele, Strategien und Projekte.

6. Planung konkreter Maßnahmen (Zukunft im Hier und Jetzt umset-zen). Kleingruppenbildung nach präferierten Projekten: Auswahl von zu be-arbeitenden Projekten, Festlegen von „Projektkümmerern“ und Schaf-fen einer Klarheit für die weitere Vorgehensweise.

Prinzipien und Leitlinien

A Das ganze System in einen Raum holen. A Global denken, lokal handeln. A Fokus auf die Zukunft (Vision) statt auf Probleme. A Gemeinsamkeiten fi nden statt Konfl ikte bearbeiten. A In selbststeuernden Gruppen arbeiten. A Maßnahmen erst planen, wenn Konsens über die gewünschte Zu-

kunft erzielt ist.

Praxisbeispiel

Ein international aufgestelltes Unternehmen der Pharmabranche möchte mit seinen beiden Hauptzweigen aus D und US zusammen die aktuelle Situation resümieren, um sich darauf aufbauend neu auszurichten und strategisch für die Zukunft aufzustellen.

Vorgehen

Nach eingehender Vorbesprechung entschließt sich die Geschäftsleitung, im Rahmen einer zweitägigen Veranstaltung die Methodik der Zukunftskonferenz einzusetzen und in Verbin-dung mit einem Incentive-Event die erwünschten Energien der beteiligten Führungskräfte und Teamleiter der obersten und mittleren Führungsebene des Unternehmens motivierend freizusetzen. Die Zielgruppe ist innerhalb des Unternehmens bewusst breit ausgewählt wor-den, um unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Lösungen einbringen und berück-sichtigen zu können.

1. Die Veranstaltung beginnt nach einer richtungsweisenden Einstiegspräsentation des CEO mit einem Blick zurück in die Vergangenheit. Dazu wird ein großer Raum des Tagungshotels in eine Art Labyrinth verwandelt, durch das sich die Teilnehmer in kleineren homogenen Gruppen hindurch bewegen können. An den Eck- und Kreuzungspunkten sind markante Si-tuationen der vergangenen Firmengeschichte visualisiert und dienen dazu, die Historie des Unternehmens wachzurufen.

2. Nach einer Pause wechseln die homogenen Gruppen in einen neuen Raum zur Analyse externer Trends. Dort sind die Wände mit Plakaten und Bildern von Trends vorbereitet, positiver wie negativer, und regen zu einer Wanderung mit intensiver Betrachtung der

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Motive, Kurven und Statistiken an. In der Mitte des Raums ist eine „Insel“ aus Pinnwänden aufgebaut, die jeweils mit unterschiedlichen Fragestellungen bestückt sind. Die Teilnehmer werden angehalten, ihre Meinung bezüglich der Auswirkungen der Trends auf das Unterneh-men auf den Wänden festzuhalten.

3. Dann werden die homogenen Kleingruppen dazu aufgefordert, einen zweiten Blick ins Jetzt zu werfen und eine Bewertung der gegenwärtigen Situation unter Anwendung einer Stärken- und Schwächenanalyse der gegenwärtigen Zustände durchzuführen.

Der erste Tag wird mit einem besonderen Event beendet. Eine abendliche Ballonfahrt mit Sonnenuntergang sorgt für das erwünschte Aha-Erlebnis und lädt gleichzeitig dazu ein, bisherige Positionen auch einmal aus neuen, ungewohnten Perspektiven wahrzunehmen.

4. In heterogen zusammengesetzten Gruppen (hierarchie- bzw. fachübergreifend) geht es dann am zweiten Tag um die Entwicklung gewünschter Visionen und ein Erfi nden der Zukunft. In diesen Schritt fl ießen viele grafi sche und auch animative Elemente mit ein, um das Ausarbeiten so wünschenswert und fantasievoll wie möglich zu gestalten.

5. Anschließend werden jeweils zwei oder mehrere Kleingruppen zusammengefasst mit dem Ziel des Herausarbeitens essenzieller Gemeinsamkeiten. In einer knapp bemessenen Zeitspanne geht es darum, sich auf gemeinsame Visionen und Ziele zu einigen und entspre-chende Strategien und Projekte vorzuschlagen. Dank der energievollen Stimmung innerhalb der Kleingruppen wird die knappe Zeit von den wenigsten als Belastung, sondern eher als Herausforderung empfunden, im Sinne von „die Zukunft wartet nicht auf uns – lasst uns konkret werden“. Dieser Schritt wird wiederum mit einer „Vernissage“ der entworfenen Collagen abgeschlossen.

6. Bei der anschließenden Planung konkreter Maßnahmen geht es darum, die Zukunft im Hier und Jetzt umzusetzen. Dazu bilden sich Kleingruppen nach präferierten Projekten, die auf freiwilliger Basis für die Entwicklung konkreter Umsetzungsszenarien, Festlegung ent-sprechender Projektpaten und Einholen von hierarchieübergreifenden Einzel-Commitments verantwortlich zeichnen.

Die abschließende Ergebnispräsentation fi ndet dann im Plenum statt.

Methoden und Strategien für Großgruppen

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A Sehr stark durchorganisierter Zeitplan. A Die empfohlene Mindestgröße einer Gruppe für die Zukunftskonfe-

renz liegt bei mehr als 50 Teilnehmern. A Die Teilnehmer sollen sich bevorzugt heterogen zusammensetzen,

dh., aus unterschiedlichen Bereichen kommen. A Wie auch die früher entwickelte Zukunftswerkstatt, stellt sich die

Zukunftskonferenz als ein wesentliches Instrument der Bürgerbe-teiligung dar.

A Konsensorientierung: Es geht darum, in jeder Phase einen Konsens zu erzielen, bevor weitergearbeitet wird.

A Geht umfassend und gründlich vor.

A Die Konsensorientierung kann viel Zeit kosten und den Prozessfort-gang behindern.

A Hoher Zeitbedarf (in der Grundform drei Tage). A Hoher Logistikaufwand. A Hoher Raum- und Materialbedarf.

4. Komplexe Kreativitätsmethoden professionell anwenden

Hinweise

Vorteile

Nachteile

Michael Luther: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden592