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ANGEWANDTE E E Konsequenzen der Spannung fur die Struktur aliphatischer Molekule Von Christoph Ruchardt* und Hans-Dieter Beckhaus Professor Rolf Huisgen zum 65. Geburtstag gewidmet Der Chemiker ist es gewohnt, Strukturen und Vorzugskonformationen organischer Verbin- dungen aus starren Molekiilmodellen und Standardwerten fiir Bindungslangen, Bindungs- winkel und Torsionsprofile abzuleiten. Dieses starre Strukturmodell mu13 bei gespannten Verbindungen durch ein deformierbares ersetzt werden, das den individuellen Gegebenhei- ten der Spannungssituation gerecht wird. Anhand neuer experimenteller Strukturdaten hochgespannter Verbindungen wird gezeigt, dalj die Kraftfeldmethode sich iiber ihren Pa- rametrisierungsbereich hinaus mit hoher Zuverlissigkeit zur Berechnung der Strukturpara- meter und Vorzugskonformationen gespannter Verbindungen eignet und damit das starre Molekiilmodell ablosen kann. Die systematische Analyse der durch Spannung hervorgeru- fenen Anderungen von Winkeln und Bindungslangen bildet dariiber hinaus wieder einen neuen Ansatzp.unkt zur Entwicklung von Leitlinien zur qualitativen Diskussion der Defor- mation von Molekiilen unter Spannung und damit zu einer verfeinerten Konformationsana- lyse. - Von ~,~-3,4-Di(l-adarnantyl)-2,2,5,5-tetrarnethylhexan lieBen sich zwei Rotamere isolieren ; dies ist das erste Rotamerenpaar eines aliphatischen Kohlenwasserstoffs. 1. Einleitung In der Chemie gibt es kaum einen wichtigeren Begriff als den der Molekiilstruktur. Stoffeigenschaften werden damit verknupft, und Reaktivitatsdiskussionen gehen da- von aus11.21. Deshalb kommt der Entwicklung von Struktur- modellen zentrale Bedeutung zu. Zur einheitlichen Beschreibung der Strukturdatengl und thermodynamischen Gr6Ben[4.51 einer Vielzahl organischer Molekiile wurden Additivitatsregeln entwickelt, die es er- maglichen, Molektileigenschaften aus Inkrementen der be- teiligten Atome und Gruppen zu berechnen. Ftir die Struk- turbeschreibung werden in diesem Rahmen Standardbin- dungslangen und -bindungswinkel verwendet und Ideal- [*] hof. Dr. C. Rikhardt. Dr. H.-D. Beckhaus lnstitut fur Organische Chemie und Biochemie der Universitat AlbertstraOe 21, D-7800 Freiburg 97. Jahrgang 1985 Heft 7 Seite 531-61 6 konformationen angenommen; danach sind die Gruppen an benachbarten, tetrakoordinierten C-Atomen gestaffelt angeordnet, und die Torsionswinkel betragen 60". Indivi- duelle Abweichungen der thermodynamischen Eigen- schaften oder der Geometrie von den Normwerten als Konsequenz von Konjugationseffekten konnen durch Kor- rekt~rfaktoren~'~ in Rechnung gestellt werden. Strukturmodelle nach diesem einfachen Konzept ermag- lichen Reaktivitatsdiskussionen, ohne dalj experimentelle Strukturanalysen ganzer Serien von Verbindungen erfor- derlich sind. Dieses simple additive und damit starre Strukturmodell st613t jedoch bei der Analyse sterischer Ef- fekte auf die Reaktivitat schnell an seine Grenzen['-"'. Un- ter dem bewuDt pragmatischen Begriff ,,sterischer Effekt" werden Phlnomene zusammengefaat, die von individuel- len, strukturellen Eigenschaften der Reaktanten und des aktivierten Komplexes herriihren. Beeinfluljt ein sterischer Effekt die Aktivierungsenthalpie einer Reaktion''', so 1iBt Angew. Chem. 97 (1985) 531-540 @ VCH Verlagsgesellschaft mbH. 0-6940 Weinheim, 1985 0044-8249/85/0707-0531 $02.50/0 53 1

Konsequenzen der Spannung für die Struktur aliphatischer Moleküle

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Page 1: Konsequenzen der Spannung für die Struktur aliphatischer Moleküle

ANGEWANDTE E E

Konsequenzen der Spannung fur die Struktur aliphatischer Molekule

Von Christoph Ruchardt* und Hans-Dieter Beckhaus

Professor Rolf Huisgen zum 65. Geburtstag gewidmet

Der Chemiker ist es gewohnt, Strukturen und Vorzugskonformationen organischer Verbin- dungen aus starren Molekiilmodellen und Standardwerten fiir Bindungslangen, Bindungs- winkel und Torsionsprofile abzuleiten. Dieses starre Strukturmodell mu13 bei gespannten Verbindungen durch ein deformierbares ersetzt werden, das den individuellen Gegebenhei- ten der Spannungssituation gerecht wird. Anhand neuer experimenteller Strukturdaten hochgespannter Verbindungen wird gezeigt, dalj die Kraftfeldmethode sich iiber ihren Pa- rametrisierungsbereich hinaus mit hoher Zuverlissigkeit zur Berechnung der Strukturpara- meter und Vorzugskonformationen gespannter Verbindungen eignet und damit das starre Molekiilmodell ablosen kann. Die systematische Analyse der durch Spannung hervorgeru- fenen Anderungen von Winkeln und Bindungslangen bildet dariiber hinaus wieder einen neuen Ansatzp.unkt zur Entwicklung von Leitlinien zur qualitativen Diskussion der Defor- mation von Molekiilen unter Spannung und damit zu einer verfeinerten Konformationsana- lyse. - Von ~,~-3,4-Di(l-adarnantyl)-2,2,5,5-tetrarnethylhexan lieBen sich zwei Rotamere isolieren ; dies ist das erste Rotamerenpaar eines aliphatischen Kohlenwasserstoffs.

1. Einleitung

In der Chemie gibt es kaum einen wichtigeren Begriff als den der Molekiilstruktur. Stoffeigenschaften werden damit verknupft, und Reaktivitatsdiskussionen gehen da- von aus11.21. Deshalb kommt der Entwicklung von Struktur- modellen zentrale Bedeutung zu.

Zur einheitlichen Beschreibung der Strukturdatengl und thermodynamischen Gr6Ben[4.51 einer Vielzahl organischer Molekiile wurden Additivitatsregeln entwickelt, die es er- maglichen, Molektileigenschaften aus Inkrementen der be- teiligten Atome und Gruppen zu berechnen. Ftir die Struk- turbeschreibung werden in diesem Rahmen Standardbin- dungslangen und -bindungswinkel verwendet und Ideal-

[*] hof. Dr. C. Rikhardt. Dr. H.-D. Beckhaus lnstitut fur Organische Chemie und Biochemie der Universitat AlbertstraOe 21, D-7800 Freiburg

97. Jahrgang 1985 Heft 7

Seite 531 -61 6

konformationen angenommen; danach sind die Gruppen an benachbarten, tetrakoordinierten C-Atomen gestaffelt angeordnet, und die Torsionswinkel betragen 60". Indivi- duelle Abweichungen der thermodynamischen Eigen- schaften oder der Geometrie von den Normwerten als Konsequenz von Konjugationseffekten konnen durch Kor- rekt~rfaktoren~'~ in Rechnung gestellt werden.

Strukturmodelle nach diesem einfachen Konzept ermag- lichen Reaktivitatsdiskussionen, ohne dalj experimentelle Strukturanalysen ganzer Serien von Verbindungen erfor- derlich sind. Dieses simple additive und damit starre Strukturmodell st613t jedoch bei der Analyse sterischer Ef- fekte auf die Reaktivitat schnell an seine Grenzen['-"'. Un- ter dem bewuDt pragmatischen Begriff ,,sterischer Effekt" werden Phlnomene zusammengefaat, die von individuel- len, strukturellen Eigenschaften der Reaktanten und des aktivierten Komplexes herriihren. Beeinfluljt ein sterischer Effekt die Aktivierungsenthalpie einer Reaktion''', so 1iBt

Angew. Chem. 97 (1985) 531-540 @ VCH Verlagsgesellschaft mbH. 0-6940 Weinheim, 1985 0044-8249/85/0707-0531 $02.50/0 53 1

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er sich mit der ModellgroBe ,,Spannungsenthalpie H,"['ol beschreiben. Sie ist fur ein Molekiil als die Abweichung ih- rer Bildungsenthalpie AHf(g) von dem aus Gruppeninkre- menten berechneten Normwert AH definiert'"].

Spannung kann unter anderem durch Ringbildung oder durch Repulsion nicht miteinander verbundener Atome entstehen und ist mit Abweichungen der geometrischen Parameter eines Molekuls - Bindungslangen, Bindungs- winkel und Torsionswinkel - von den Normwerten ver- bunden[",'21. Bei der Behandlung sterischer Effekte bricht deshalb das starre Strukturmodell zu~ammen['~I, und es stellt sich die Frage nach der Veranderung von Bindungs- langen und Bindungswinkeln unter Spannungsein-

sollte auch Konsequenzen fur das konformative Verhalten haben, denn die Grundregeln der Konformationsanalyse basieren auf dem starren Strukturmodell.

Nicht nur in der Organischen Chemie gewinnt das Stu- dium sterischer Einfliisse zunehmend an Bedeutung. Nach Untersuchungen der Beziehungen zwischen Struktur und Aktivitat von Arzneimitteln sind intermolekulare, sterische Effekte eine der Ursachen fur die hohe Selektivitat bioche- mischer Erkennungsprozesse, die z. B. als ,,docking"-Pro- zesse zwischen Wirkstoff und Rezeptor beschrieben wer-

Als zweites Beispiel seien besondere Werkstoffei- genschaften von Polymeren genannt, die aus den Vorzugs- konformationen einer Polymerkette resultieren, welche ih- rerseits durch sterische Effekte bestimmt sind[I6]. In diesen und vielen anderen Fallen ist nur ein ,,flexibles" Struktur- modell anwendbar, das Variabilitat der Strukturparameter und Kenntnis des dynamischen Verhaltens organischer Molekiile unter innerer und aufierer Spannung voraus- setzt.

Die Untersuchung hochgespannter Verbindungen kon- zentrierte sich bisher vor allem auf monocyclische und po- lycyclische KIeinringverbindungen["I, aus deren starren Raumformeln sich Winkeldeformationen und Vorzugskon- formationen leicht ablesen lassen. Wir berichten nun zu- sammenfassend uber Strukturuntersuchungen an Verbin- dungen mit hochverzweigten, offenkettigen Kohlenstoffge- riisten, die sich teilweise durch sehr hohe Spannungsen- thalpien auszeichnen und deshalb AusmaS und Auswir- kung der Deformierbarkeit der Molekiilstrukturen beson- ders deutlich erkennen l a ~ s e d " - ~ ' ~ . Die Art der Deforma- tion laRt sich wegen der Flexibilitat der offenkettigen Ge- riiste durch die klassische Konformationsanalyse kaum vora~ssagen['~l.

Urn die Veranderung von Bindungslangen und Bin- dungswinkeln unter SpannungseinfluD verstehen zu ler- nen, sind experimentell ermittelte Strukturdaten gespann- ter Verbindungen erforderlich. Sie bilden auch die Basis zur Erweiterung des Parametrisierungsbereichs der empiri- schen KraftfeId~erfahren[~~-'4"] auf stark deformierte, hochgespannte Verbindungen. Gerade die Anwendung auf stark verzerrte Molekule kann zeigen, ob dieses empirische Rechenverfahren das dynamische Verhalten und die De- formierbarkeit von Molekiilstrukturen durch Spannung quantitativ richtig erfaRt und somit das starre Inkrement- modell der Thermodynamik und der Struktur aliphatischer Molekule abzulbsen vermag. Die von Mislow et al. be- schriebene gute Ubereinstimmung der stark deformierten propellerartigen Kristallstruktur von Trimesitylmethan mit

flu13L6-8. I I . 121 . D ie Deformierbarkeit des Molekiilgeriistes

dem Ergebnis einer Kraftfeldrechnung war hierbei weg- wei~end[~~'I. Wegen der zunehmenden Anwendung von EFF(Empirica1 Force Field)-Rechnungen in der quantitati- ven Analyse von Beziehungen zwischen Struktur und Re- ak t i~ i t a t l~~ l wird ein strenger Test dieses Verfahrens immer wichtiger. Die in Tabelle 1 aufgefiihrten, experimentellen Strukturdaten gespannter Verbindungen der Klassen 1-8 werden von uns als Priifstein herangezogen.

R2 R2 I I

R' -c-c-R~ I I

R3 R3

Cq-Cq-Geriist

1-4, 8

1, R', R', R.'=Alkyl

3, R', R2=Alkyl; R3=CN 2, R', R2 = Alkyl; R3 = Phenyl

4, R'=Alkyl; R*=Alkyl oder Phenyl; R3=COOCH3

8,R'=Phenyl; RZ=OCH3; R3 = CN

R2 R2 I 1

RI-c-c-R~ I I

H H

Ct-Ct-Geriist

5-7

5, R', R'=Alkyl 6, R1=Alkyl; RZ=Aryl

R2 = I-Cyclohexenyl 7, R'=Alkyl;

2. Synthesen

Die sechsfach (C,-C,) und vierfach (C,-C,) symme- trisch substituierten Ethane 1-8 wurden meist durch Di- merisierung der Molekiilh&lften synthetisiert. Die Reaktio- nen waren entweder vom W ~ r t z - T y p [ ~ ~ . ~ ~ - ~ ~ I [z. B. Reaktion (a)1261, (b)["]], oder es wurden thermisch oder photoche-

H3C CH, Na I I

yH3 Ad-C-Br -> Ad-C-C-Ad

I 0.8% I I CHS H3C CH3

Id

iPr iPr iPr

Ad = 1-Adamanty l WSO/D.L

misch aus Azoalkanen erhaltene[20.2',361 [Reaktion (c)[~'], (d)[2*], (e)[401] oder durch H-Abstraktion erzeugte Radikale [Reaktion (QL4'9 dimerisiert.

AuDerdem wurden oxidative Kupplungsreaktionen ver- wendet [Reaktion (g)[29i421].

Die Ausbeuten waren bei den phenyl-['9,391 oder cyan- substituierten1281 Verbindungen im allgemeinen hbher als bei den entsprechenden AlkanenL361, da bei deren Synthese meistens Disproportionierung der Radikale vorherrschte. Wenn die beteiligten Radikale keine 0-H-Atome hatten und daher nicht disproportionieren konnten, waren die Ausbeuten am h b c h ~ t e n [ * ~ . ~ ~ ~ . Die Oxidative Dimerisierung durch Peroxid liefert, wie bekannt, vor allem dann gute Ausbeuten an Dimeren, wenn capto-dativ substituierte Ra- dikale a~ f t r e t en '~~] . Die oxidative Dimerisierung von Eno- laten oder Enolethern ist weniger breit anwendbar als er- ~ a r t e t ' ~ ~ ] .

532 Anyew. Chem. 97 (198s) 531-540

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H3C CH3 7H3 7H3 h” I I

tBu-C-N=N-C-tBu tBu-C-C-tBu (4 I I - Nz I I

10

CH, CH, 1.8% H3C CH,

CN CN NC CN I I A I I

(iBu)2C-N=N-C(iBu)2 ( i B u ) $ - C ( i B U ) ~ (4 55%

Sb

hv (tBu)2CH-N=N-CH(tBu)2 + (tBu)2CH-CH(tBu)2 (e)

- Nz 100% 5g

CN CN CN t Bu00tBu/1300C

O h H n A - h n (f) U I Z 50%

OCH, U I I W . ’

OCH, OCH,

meso/D,L 8

TiCl,/%cl, y 5 73H5 CH3OOC-C- C-COOCH3

i Bu OCH, I I i B u i B u

(a ) meso/D.L

4b

Als gute Synthese der hochgespannten Molekule Tetra- tert-butylethan (3,4-Di-rert-butyl-2,2,5,5-tetramethylhexan) 5g1441 [H,(exp) = 66.3 kcal/mol] und 1,2-Diadamantyl-l,2- di-tert-butylethan (3,4-Di( 1 -adamantyl)-2,2,5,5-tetrame- thylhexan) [5, R’= 1-Adamantyl, R2=tBu; H,(MM2)= 72.9 (meso) bzw. 73.3 (D,L) k ~ a l / m o l ] [ ~ ~ ’ envies sich die re- duktive Dimerisierung von geminalen Dibromiden [Reak- tion (h)[441].

5g. R’ = R2 = t Bu (13%) 5e. f, R’ = 1-Adamantyl, R2 = tBu, meso/D,L (21%)

3. Kraftfeldberechnungen gespannter Molekule

Spannungsenthalpien interessieren fur die Diskussion des Einflusses der Spannung auf die Struktur. Sie wurden fur zahlreiche Verbindungen der Klassen 1-8 durch Kraft- feldberechn~ngen[’~] erhalten und rnit experimentell (durch Verbrennungscalorimetrie) bestimmten Werten ver- g l i ~ h e n [ ~ ~ ’ . Die Ubereinstimmung von Rechenwert und ex- perimentellem Ergebnis war im allgemeinen ausgezeich- net; nur bei den hachstgespannten Verbindungen, z. B. Te- tra-tert-butylethan figf4“], ergaben sich Diskrepanzen von

wenigen kcal/mol. Die VerlaRlichkeit der berechneten Spannungsenthalpien zeigte sich auch in der erfolgreichen quantitativen Analyse des thermischen Zerfalls von Ver- bindungen der Klassen 1 -8I6,’I in Radikale durch den Ver- lust a n Spannung bei der Dissoziation und den Gewinn an Konjugationsenergie in den entstehenden Radikalen. Uber diese Ergebnisse wurde in anderem Zusammenhang be- richtetf7].

R2 R2 R2 R1-C-C-R’ I 1 - 2 R’-C\O /

R3 I I R3 R3

Durch Kraftfeldberechnungen erhalt man neben den Bildungswarmen AHy(g) auch die Strukturdaten organi- scher Verb ind~nged”~. Fur den Bereich, in dem die Para- metrisierung vorgenommen wurde, ist die Verlafilichkeit der Rechenergebnisse gut belegt, nicht aber fur Verbindun- gen, die aufgrund hoher Spannung aus diesem Parametri- sierungsbereich herausfallen. Dazu geharen z. B. die mei- sten in Tabelle 1 aufgefuhrten Verbindungen”’.

Eine Priifung des Potentials der Kraftfeldmethode zur Strukturbestimmung ist durch Vergleich ihrer Voraussagen rnit den experimentellen Strukturdaten hochgespannter Verbindungen moglich, die in den letzten Jahren durch Kristallstrukturanalysen bestimmt wurden. In Tabelle I sind nur ausgewahlte, charakteristische Strukturparameter dieser Verbindungen zusammengestellt, aus denen der EinfluO der Spannung auf die Struktur abzuleiten ist. Dies sind einerseits die Langen der von den zentralen C-Ato- men des Ethangerustes (C,) ausgehenden Bindungen, an- dererseits die Bindungswinkel an den zentralen Atomen C, und den dazu a-standigen Atomen C,. C,-C,- und C,-C,-Bindungslangen sind bis 164 pm gedehnt - im Re- kordfall 2,3-Di( l-adamantyl)-2,3-dimethylbutan Id findet man drei benachbarte Bindungen dieser Lgnge -, und Bin- dungswinkel a n den vierbindigen C-Atomen dieser Posi- tionen sind bis 123 O vergronert. All dies sind klare Zeichen beachtlicher Molekiilspannung.

Fur alle Verbindungen in Tabelle 1 berechneten wir die Spannung und die Strukturen mit dern Kraftfeld MM2 von AIl i r~ger’~~~. Bei einem Vergleich mehrerer Kraftfelder zur Berechnung von l b hatte Allingers MM2-Kraftfeld beim Vergleich rnit den experimentellen Ergebnissen am besten abgeschnitted”]. Wir erganzten das Kraftfeld mit den not- wendigen Parametern zur Bearbeitung von Alkylbenzo- len[ml, Nitrilen[281 und Carbonsa~reestern[*~~ und modifi- zierten es fur Alkylcyclopropane[’81.

Die rnit dem so erweiterten MM2-Kraftfeld erhaltenen Strukturdaten sind in Tabelle 1 zusammen rnit den experi- mentellen Ergebnissen aufgefiihrt. Aunerdem ist fur jede Verbindung die berechnete Spannungsenthalpie H, ange- geber~’~~’ . Ein Vergleich zeigt, daR selbst die durch hohe Molekulspannung eneugten, starken Molekuldeformatio- nen durch die Rechnung noch gut reproduziert werden. Nur extrem verlgngerte Bindungen sind im Rechenergeb- nis teilweise etwas zu k u n (siehe z.B. 26, 4a, 4b, 5c). Stellt man noch Packungseffekte fur die Kristallstruktur in Rechnung, die naturlich bei den Kraftfeldberechnungen isolierter Molekiile nicht erfant werden, so belegen die Da- ten in Tabelle 1 die hohe VerlMlichkeit der EFF-Berech- nungen fur die hier untersuchten Strukturtypen. Dies war

Angeus. Chem. 97 (1985) 531-540 533

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Tabelle I . Ausgewahlte Strukturdaten hochverzweigter Ethane 1-8 nach Kristallstrukturanalyse und Kraftfeldrechnung [a].

R3 R3 I 1

I I R2 Rz

R1-Ce-Ce-C,-Cp

R' R' R3 Konfigu- H*[b] Bindungs- Bindungs- ration [kcal/mol] langen [pm] winkel ["I

d(Cc-C.) d(C.-C,) [c] (Cc-Ce-Ca) [c] (C.-C,-CB) [c]

Torsions- Lit. winkel ["] (C,-C.-Cc-C.) tcl

Is [d] Me Me Me

Ib cHex Et Me

lc CPr C P r ePr

Id I-Ad Me Me

Za Ph Me Me

2b [g] Ph €1 €1

2c Ph -(CH2)7-

2d Ph nBu nBu

3s iBu Me CN

3b iBu iBu CN

4a Ph Et C02Me

4b iBu Ph C02Me

4c iPr Et C02Me

5s [d] Me Me

5b cHex cHex

Sc rBu cHex

M rBu cHex

5e I-Ad tBu

5f I-Ad rBu

5g rBu tBu

6a [g] tBu Ph

6b tBu Ph

6c [g] rBu Mesityl

6d tBu Mesityl

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

H

7 [k] tBu 1-c-Hexenyl H

8 Ph OCHJ CN

-

meso

meso

6.9

34.8 (34.8)

17.9 [fl (23.4)

- 14 (42.1)

11.1

24.9 [h] (27.4) 45.0 (42.1) 22.7 [h] (22.3)

(6.9)

( 12.0)

- (12.9) 25.9 (23.8)

(21.0)

(24.9)

(36.4)

2.7

-

-

-

(2.7) - (20.1)

(34.5)

(28. I )

- 14 (57.5)

- M (58.1) 66.3

-

-

(57.7) -

(14.7)

(18.4)

(3 1.7)

(35.1)

(20. I )

(12.8)

-

-

-

-

-

158.2 (157.7) 162.6 (163.0)

163.6 (161.5) 163.9 ( 164.0)

158.5 (157.4)

162.21163.5 (162.1) 162.2 (161.8) 163.8 (1 6 1.2)

155 (158) 160 (160)

163.5 (160.4)

163.7 (1 61.2) 162.0 ( I 6 1.8)

154.6 (1 54.9) 157.7 (158.1) 160.2 ( I 58.5) 158.9 (158.0) 162.1 (161.5) 163. I (162.1)

(161.4) 157.7/ 157.3 (1 56.1) 158.9 (155.9) 155.2/ I 5 1 (157.2) 158 (158.2)

157.0 ( I 56.2)

157.8 (157.3)

-

154.2 111.0 (154.3) (1 11.8) 160.2 112.1 [el (159.2) (1 12.0) 153.2 108.9 (1 55.2) (1 09.9) 164.7/164.0 117.6 (164.5) (120.9)

154.5 [el 110.8 (155.5) (1 10.6) 153.6-157.1 [el 109.0-109.6 ( 156.8) ( I 07.9) 155.2 109.0 (154.1) (108.9) 155.4 108.7 (154.6) (108.2)

153 114.2

155/156 112.7 (156) (107.5)

156.2 108.1 (154.6) (109.4) 156.3 111.2 (156.8) (1 12.2) 157.8 115.3 (158.8) -

(156) ( I 12.0)

153.9 111.3 (153.8) (1 13.9/109.2) 156.8 113.1 (156.7) (1 15.8)

159.411 58.9 123.5/115.1 (1 58.3/158.6) (123.7/118.8) 154.8/156.2 I13.3/113.9 (157.5) (115.8) 162.9 120.0 [el (162.3) (119.1) 162N163.5 [el 120.8/120.6 (160.8/ 16 1.2) (1 l9.3/ 120.9)

(159.1/161.2) (117.6/119.8) 159.9/158.2 I16.0/116.8 (157.2) (118.7) 156.91158.3 114.0/115.2

161.1/163 111.8/111.2

161 116.6

- -

(156.8) ( I 17. I )

( I 57.9) (12 1.2)

(158.4) (12 1.0)

160.0 115.6 ( 156.2) (120.5)

152.7 111.9 (152.8) (109.6)

117.5 ( I 17.3) 124.6 (1 23.7)

113.9-119.9 [el (119.0) 118.5/119.0 [el ( I 18.5) 119.1 [el (1 20.9)

122.9 ( 1 19.8) 117.8/118.9 (119.5)

116.2 [el (119.6) 121.1 (122.8) 119.5 [el -

119.6/121.3 [el

I20.4/ 120.9

- -

~

1271

122. 371

130,401

1241

~- [a] Rechenwerte mit dem MM2-Kraftfeld nach ANinger et al. 1451 mi1 Enveiterungen 128. 29, 461. [b] Experimentelle Werte aus der Verbrennungswarme und der Sublimationsenthalpie (in Klammern MM2-Rechenwerte) 1491. [c] C, aus Rest R', wenn nicht anden vermerkt. [d] Elektronenbeugungsexperimente. [el C. aus Rest R2. [Q Ringspannung abgezogen: H,(Cyclopropan)= 28.12, H.(Adamantan) = 7.9 kcal/mol. [a lm Kristall licgen zwei unabhangige Molekille vor. [h] Abgeleitet aus dem p-rerf-Butylderivat. [i] Zur Kennzeichnung der Rotamere 5e und 5f siehe Abb. 4 und 5. F] Berechnung mit Kraftfeld nach Lit. 1491.

nicht von vornherein zu erwarten, da zur Parametrisierung des MM2-Kraftfeldes bisher hochgespannte Verbindungen wie in Tabelle 1 nicht herangezogen worden Die hiermit nachgewiesene VerlPBlichkeit des MM2-Kraft-

feldes zur Berechnung sterisch stark deformierter Verbin- dungen berechtigt dazu, auch Rechenwerte der Strukturda- ten zur Diskussion der Zusammenhange von Struktur und Spannung heranzuziehen.

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4. Zusammenbruch des additiven Strukturmodells durch Spannungsdeformation

Die Ergebnisse in Tabelle 1 lassen klar erkennen, daB bei gespannten Verbindungen, deren Bildungswarmen nicht mehr durch einfache Inkrementrechnungen verifi- zierbar sind, auch Strukturparameter gefunden werden, die von den Normwerten fur Bindungslangen, Bindungswin- kel und Torsionswinkel stark abweichen. An den Struktu- ren der gespannten vier- und sechsfach substituierten Ethane lassen sich aber gemeinsame Merkmale erkennen, die als Leitlinien zur Deutung der Strukturen anderer ver- zweigter Molekiile dienen konnen. Die im starren, additi- ven Strukturmodell rnit normierten Bindungen und Win- keln erreichte Vereinheitlichung ist zugunsten individuel- ler Strukturparameter jedes Molekiils verloren gegangen. Diese Parameter lassen sich allerdings erfolgreich durch die Kraftfeldmethode erfassen, die damit pragmatisch die Basis fur ein ,,deformierbares Strukturmodell" wird. Fast trivial, aber sehr wesentlich, ist dabei die Erkenntnis, daD sich die Spannung in einem Molekiil iiber weite Bereiche verteilt und sich nicht in der Veranderung einzelner Bin- dungslangen oder -winkel erschilpft. Viele interne Koordi- naten verlndern sich so, daB die AbstoBung zu eng be- nachbarter Atome im Molekiil unterbleibt. Jede einzelne Deformation wird durch einen geringen Anteil der Ge- sarntspannung erkauft. Beispielsweise errechnet sich die zur Dehnung einer C-C-Bindung auf 160 pm notwendige Energie auf weniger als 2 kcal/moltsO~.

4.1. Winkeldeformation

Die Schwingungsspektroskopie lehrt, daB Winkeldefor- mationen energetisch giinstiger sind als die Bindungsdeh- nung, denn Valenzschwingungen haben die gr6Deren Kraftkonstanten. Zudem, und das ist noch entscheidender, bringt die Aufweitung eines Winkels zwei Gruppen leich- ter weit auseinander als eine Bewegung entlang der Kern- verbindungslinie. Die Praferenz der Winkeldeformation uor der Bindungsdehnung labt sich eindrucksvoll beim Ver- gleich der vierfach substituierten Ethane (C,-C,-Reihen 5-7) mit den sechsfach substituierten Ethanen (C,-C,- Reihen 1-4) in Tabelle 1 demonstrieren. Bei den ersteren weichen die vier Reste der gegenseitigen Repulsion durch Aufweitung der C,C,C,-Winkel an den zentralen tertiaren C-Atomen bei gleichzeitiger Verkleinerung der CCH-Win- kel aus. Den sechs Resten in den C,-C,-Systemen 1-4 ist dies sehr vie1 weniger milglich (siehe aber Id), weil jede CCC-Winkelaufweitung zur Kompression eines anderen CCC-Winkels im Zentrum des Molekiils fiihrt. Die C,-C,- Systeme vermeiden die Repulsion daher durch starkere Bindungsdehnung.

Das Wechselspiel zwischen der relativen Raumerfiillung der vier Reste an einem vierbindigen Kohlenstoffatom und der Deformation seiner geminalen Bindungswinkel wird an den alkylierten Methanen 9 in Tabelle 2 anschaulich. Es fallt auf, daD das zentrale C-Atom von Neopentan 9a, das vier gleiche Reste tragt (R'-R4=CH3), die ideale Te- traederstruktur annimrnt. Der mittlere CCC-Winkel in Pro- pan 9b ist durch die allerdings geringe Repulsion zwischen den beiden Methylgruppen auf 113 aufgeweitet. Das Aus- maB der Verzerrung der CCC-Bindungswinkel in 9 hiingt

Tabelle 2. Spannung und Winkelaufweitung durch geminale Repulsion in Methanen 9 mit zwei, drei oder vier Substuenten (EFF-Resultate) [a].

R1\ /R2 9

R 'R4

R' R2 R3 R' a["] H, [kcal/mol)

9n Me Me Me Me 109 0.0 9b Me Me H H 113 0.0 9c Ph rBu H H 114 0.7 9d Et rBu H H 1 I7 1.6 9e rBu rBu H H 125 7.4 9r rBu rBu Me H 121 13.9 9s rBu rBu Me Me 118 21.6

[a] Berechnet rnit dem Kraftfeld MM2 145.53.541 mi1 der Erweiterung auf Al- kylbenzole [46].

dabei weniger von der Gesamtspannung als vielmehr von den GroDenunterschieden der vier Reste R'-R4 ab. Das mit nur 7 kcal/mol relativ wenig gespannte Di-tert-butyl- methan (2,2,4,4-Tetramethylpentan) 9e hat einen CCC- Winkel von 125 O (nach Kristallstrukturanalyse 124- 126°)[51~521. Bei 9e tritt der seltene Fall ein, daR eine ein- zelne interne Koordinate mit einem hohen Anteil von ca. 40% der Gesamtspannung belastet wird (ca. 3 kcal/mol werden nach MM2 zur Winkeldeformation bentitigt)[451.

Die fur die geminale Repulsion maDgebende Raumer- fiillung eines Restes hangt entscheidend von seiner Form ab, wie es der Vergleich von Ethyl- und Phenylrest in 9c und 9d (Tabelle 2) belegt. Der nach Atomzahl und Volu- men grol3ere Phenylrest erzeugt mit dem geminalen terr- Butylrest in 9c eine geringere Spannung und einen kleine- ren CCC-Winkel als die kleinere Ethylgruppe in 9d.

Daraus ergibt sich, daD sich die Bindungswinkel des vierbindigen Kohlenstoffs sehr leicht den raumlichen An- forderungen der vier Substituenten anpassen.

Betrachtet man unter diesem Aspekt die Winkeldefor- mationen in den hochverzweigten Ethanen in Tabelle 1, dann zeigt sich auch hier ein eindeutiger Zusammenhang rnit GroBe und Form der Substituenten R', RZ und R3. Der starke Gr6Denunterschied zwischen H und einem Alkylrest hat die bereits erwahnte, besonders starke Winkeldeforma- tion in den C,-C,-Ethanen zur Folge. Sie ist bei den Di- arylethanen 6 und beim Dicyclohexenylethan 7 etwas gerin- ger. Der 1-Cyclohexenylrest mit einem trigonalen C-Atom an der Verkniipfungsstelle gleicht bei der geminalen Re- pulsion also eher dem flachen Phenyl- als dem Cyclohe- xylring. Die quartaren Zentren in den C,-C,-Reihen 1-4 sind generell weniger verzerrt, doch auch hier pragen Gril- Denunterschiede das Muster der Deformation. In der am starksten gespannten Verbindung Id stellt man auf fast 120" vergrilaerte Bindungswinkel an den zentralen C-Ato- men fest.

Wie fiir Di-tert-butylmethan 9e in Tabelle 2 bereits ge- zeigt, wird ein sekundiires CH,-Zentrum unter sterischern Druck der geminalen Reste besonders leicht verzerrt. Die groben CCC-Winkel an den a-C-Atomen der n-Alkyl-Sei- tenketten in 1 sind ebenfalls eine Folge dieses Phlno- mens.

Die Winkelaufweitung infolge geminaler Repulsion ist entscheidend fur das konformative Verhalten venweigter

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Page 6: Konsequenzen der Spannung für die Struktur aliphatischer Moleküle

Kohlenstoffketten. Dies wird in Abschnitt 5 ausfiihrlich diskutiert werden.

4.2. Bindungsdehnung

Die sterische AbstoRung in den Verbindungen der Klas- sen 1-7 fuhrt neben der Winkeldeformation auch zur Bin- dungsdehnung. Wie nach der vorangegangenen Diskus- sion erwartet, sind davon Bindungen zwischen hoher al- kylierten - z. B. quartlren - C-Atomen starker betroffen als die zwischen tertiaren oder gar sekundaren C-Atomen.

16L -

1 162- -

I I I

10 20 30 LO 50 H,(MM2) [kcal/rnoll -

Abb. I . Abhkngigkeit drr CC-Bindungslangen d ( C - C ) von der Moleklil- spannung H,(MM2) in Alkanen. 0 R’R2CH-CHR’R2(C,-C,) [37, 401, 0 R’R’R’C-CRIR’R’(C,-C,) [36,40], A (CH,),C-CHR’R’(C,-C) [53].

Dies zeigt die Auftragung in Abbildung I : Die Steigung der Korrelation zwischen der Lange der zentralen C-C- Bindung und der Spannungsenthalpie ist bei den C,-C,- Alkanen steiler als in der C,-C,-Reihe und am geringsten in der C,-C,-Reihe. Die Lange der zentralen C-C-Bin-

H3C CH, H,C CH3 I I I I

Ad-C-C-Ad t B u - C - C - t B u I I I I

H3C CH, H,C CH,

i d 10

A d = 1 - A d a m a n t y l

dung hangt in den beiden zuerst genannten Reihen er- staunlich weitgehend linear von der Gesamtspannung des Systems ab. Die Molekiilhalften bilden innerhalb dieser Reihen offenbar weitgehend gleichformige sterische Wi- derlager, so daR es zu qualitativ gleichartiger und nur quantitativ unterschiedlicher Verzerrung des Molekulgerii- stes kommt. Der die Bindungsdehnung bewirkende Anteil der Gesamtspannung mu13 innerhalb einer Reihe etwa konstant bleiben oder sich auch linear mit der Gesamt- spannung andern. Abweichungen stellt man in der C,-C,- Reihe erst bei den hochstgespannten Verbindungen 2,2,3,3,4,4,5,5-0ctamethylhexan 10, 3,3,4,4-Tetraethylhe- xan 11 und 2,3-Di( l-adamantyl)-2,3-dimethylbutan Id fest. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, da13

es sich hier gerade urn diejenigen C,-C,-Alkane handelt, die auch stark verzerrte C,-C,-C,- und C,-C,-Cp-Bin- dungswinkel enthalten (siehe Tabelle 1 und Abschnitt 4.1).

Verbindung Id hat mit 164.7, 164.0 und 163.9 pm die lsngsten C-C-Bindungen, die jemals in einem acyclischen Geriist gemessen wurden[’21, und diese Bindungen sind so- gar direkt benachbarttZ6l (siehe Tabelle l). Die gute Uber- einstimmung der experimentellen und der MM2-Rechen- werte ist dabei beachtlich. Die zentrale C,-C,-Bindung im strukturell ahnlichen Octamethylhexan ist mit 162.9 pm (MM2-Rechenwert) kurzer. Offenbar ermbglicht der im Vergleich zum polycyclischen Adamantangeriist fle- xiblere terr-Butylrest starkere Deformation durch Winkel- aufweitung im Molekiil. Die oft gestellte Frage nach der prinzipiellen Grenze der Dehnbarkeit von Bindungen fin- det hier eine allgemeine Antwort. Die vielseitige Defor- mierbarkeit der Alkylketten verhindert in acyclischen Mo- lekiilen eine noch starkere Dehnung von Bindungen. Von der hohen Gesamtspannung von iiber 40 kcal/mol in Id stecken nur etwa 3 kcal/mol in der D e h n ~ n g I ~ ~ . ~ ’ ] der zen- tralen Bindung auf 164 pm. Selbst bei den C,-C,-Ethanen iiuDert sich also nur ein sehr geringer Teil der Gesamtspan- nung als Dehnung der zentralen Bindung.

Im Gegensatz zur C,-C,- und zur C,-C,-Reihe stellt man fur die C,-C,-Reihe1371 nur mehr qualitativ eine di- rekte Beziehung zwischen der Lange der zentralen Bin- dung und der Spannungsenthalpie fest (Abb. 1). Vor allem die Verbindungen mit linearen Seitenketten haben ver- kurzte zentrale Bindungen, weil die leicht deformierbaren Winkel an den Methylengruppen der Seitenketten der Spannung besonders gut ausweichen konnen (siehe Ab- schnitt 4.1).

Bereits in anderem Zusammenhang haben wir gezeigt, da13 die in Abbildung 1 demonstrierte lineare Korrelation der C,-C,-Reihe auch bei Phenyl-, Cyan- und anders sub- stituierten Verbindungen nachzuweisen istt71, wenn auch mit etwas grol3erer Streubreite. Dabei ist die Feststellung, daR fur Verbindungen der Klassen 3 und 12 mit flachen Phenyl- bzw. stabchenformigen Nitrilgruppen vergleichs- weise kiirzere zentrale C-C-Bindungen gefunden werden, von Interesse. Diese Substituenten bieten der Winkeldefor- mation offensichtlich wieder bessere Moglichkeiten.

R’ R’

I 1

(C6H,)2:- 7 (C,H5), NC-C-C-CN I I

R R R2 R2 12 3

Angesichts dieser Befunde ist es verstandlich, da13 die Lange einer Bindung keinen Hinweis auf ihre Starke gibt”’. Die Homolyse findet immer an derjenigen Bindung statt, deren Bruch zu den a m wenigsten gespannten und am besten stabilisierten Radikalen fiihrt, wie wir in detail- lierten kinetischen Studien belegt haben. Auch in Id ist die etwas kiirzere zentrale Bindung eindeutig schwacher als die etwas langere benachbarte C,-C,-Bindung.

5. Vorzugskonformationen

Eine Winkelaufweitung als Folge der AbstoRung zwi- schen geminalen Resten hat direkte Auswirkungen auf die

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Page 7: Konsequenzen der Spannung für die Struktur aliphatischer Moleküle

Vorzugskonf~rmationenl~~~~~. Die in der Reihe der C,-C,- Alkane 5 typischen Winkelverzerrungen (siehe Abschnitt 4. I ) vermindern zwar die geminale AbstoBung, vergr6Dern aber in der anti-Konformation die vicinale Repulsion, wie

H H R H

H R

13 14 15

man an der Newman-Projektion der C,-C,-Bindung in 13 und 14 erkennt. In der Konformation 15 mit gauche-stan- digen H-Atomen konnen die Reste R Positionen mit mini- maler vicinaler und geminaler AbstoDung erreichen. So ist nach Kraftfeldrechnungen z. B. das anfi-Rotamer von 1,2- Di-fert-butyl-l,2-dicyclohexylethan (3,4-Dicyclohexyl- 2,2,5,5-tetramethylhexan) um 10 kcal/mol weniger stabil als die gauche-Vorzugskonformation[22~371. Noch weit star- ker ist dieser Unterschied bei Tetra-tert-butylethan 5g133*44.55] oder den isomeren 3,4-Di( l-adamantyl)-2,2,5,5- te t ramethylhe~anen~~'~, die stark verzerrte gauche-Konfor- mationen ahnlich 15 bevorzugen, in denen vicinale H- Atome und Reste R sogar fast ekliptisch angeordnet sind. Es ist eine offene Frage, warum bisher in keinem Fall eine Struktur mit nicht alternierender Newman-Projektion ge- funden wurde, wie sie von Mislow et al. auf der Basis alte- rer Kraftfeldrechnungen fur 5g vorgeschlagen worden war155c1. Sogar 2J-Dimethylbutan 5a bevorzugt die gauche- Konformation 15 (R= CH3) l e i ~ h t ~ ~ ' . ~ ~ ~ . Unterscheiden sich die beiden Reste in C,-C,-Alkanen 5 in ihrer Raum- erfullung, so ist wegen der geringeren vicinalen Repulsion das D,L-Diastereomer 16 stabiler als die meso-Form 17.

B B

Rs RL

16 (D.L) 17 ( m e s o )

In der Vorzugskonformation des D,L-Diastereomers 16 sind namlich die beiden groDen Reste RL von der durch die kleinen H-Atome bewirkten sterischen Lucke flankiert. In der meso-Verbindung 17 kann nur einer der groRen Re- ste RL diese Vorzugsposition einnehmen, wahrend der an- dere sich in gauche-Anordnung zu zwei Resten R befin- det. Deshalb ist ~,~-1,2-Dicyclohexyl-l,2-di-tert-butyl- ethan 5d thermodynamisch um 6 kcal/mol stabiler als das meso-Diastereomer 5c['*I. Diese schon friiher an C,-C,-AI- kanen und phenylsubstituierten Analoga aufgezeigten, konformationsbestimmenden B e ~ i e h u n g e n ' ~ . ~ ~ ' lassen sich wesentlich allgemeiner anwenden als bisher angenom- men.

Fur ein symmetrisch substituiertes Ethan[s61 mit drei Substituenten unterschiedlicher Raumbeanspruchung (R', R2, R', gekennzeichnet mit L, M und S) lassen sich bezug- lich der zentralen Bindung funf gestaffelte, alternierende Rotamere unterscheiden. Zwei davon (I und 11) entspre-

chen der meso-Form (eryfhro) und drei (111-V) der D,L-

Form (threo). In Abbildung 2 sind diese in der Newman- Projektion unter schematischer Angabe der Raumbean- spruchung dargestellt. Die erwartete VergroRerung des Bindungswinkels L-C-M und Verkleinerung der Winkel L-C-S und M-C-S an den zentralen C-Atomen (siehe Abschnitt 4.1) wurde in den Projektionen bereits beriick- sichtigt.

L * M L

w

M

I1 I L

L * M L

L * P

111

L M S

Abb. 2. Modell zur Konformationsanalyse von C-C-Bindungen unter Be- riicksichtigung der geminalen AbstoBung zwischen Resten unterschiedlicher Gr6Oe (L= gro0, M = mittel, S = klein). * = jeweils bevorzugte Konformation. I , 11: meso; I l l - V : D.L. Von I l l -V ist jeweils n u r ein Enantiomer gezeich- net.

Die Konsequenzen dieser Winkelaufweitung sind aus Abbildung 2 leicht ablesbar. Beurteiit nach der Repulsion zwischen den Resten erscheint in der meso-Reihe das Ro- tamer I eindeutig ungunstiger als das Rotamer 11. Die Ver- zerrung des Winkels am zentralen C-Atom bewegt in I die mittleren Reste M auf die grol3en Reste L zu. In I1 bewirkt der aufgeweitete Bindungswinkel zwischen L- und M-Rest dagegen ein Ausweichen vor der vicinalen Wechselwir- kung zwischen L und M.

Das bei idealer Tetraedergeometrie ein wenig stabilere Konformer I mit den groReren Resten L in anttStellung wird also mit zunehmender Verzerrung der zentralen Bin- dungswinkel infolge steigender GroRenunterschiede zwi- schen den Resten ungunstiger.

Durch analoge Argumentation erkennt man IV als be- vorzugte Konformation der D,L-Reihe in Abbildung 2. Bei zunehmender Aufweitung des Bindungswinkels zwischen L- und M-Resten konnen hier wieder beide groBen Reste L von der geringen vicinalen Repulsion des kleinsten Substi- tuenten profitieren. Deshalb wird mit zunehmendem Gro- Benunterschied der Reste IV im Vergleich zu allen ande- fen Rotameren das stabilste: Das D,L-Diastereomer wird stabiler als die meso-Form.

Weitere Aussagen lassen sich fur besondere Kombina- tionen von Resten treffen. Fur zwei gleiche oder ahnlich groRe Reste verschwinden die Unterschiede zwischen 11, IV und V (siehe 5e und 5f in Tabelle 1 und Abb. 3).

Bei kleinen Gr6Bendifferenzen der Reste R verwischen sich die Unterschiede, insbesondere zwischen IV und V. In klarer ubereinstimmung mit diesem Modell liegt jedoch der meso-2,3-Diisobutyl-2,3-diphenyl-bernsteinsaureester 4b (L= iBu, M = Ph, S = COOMe) in der gauche-Konfor-

Angew. Chem. 97 (198s) 531-510 537

Page 8: Konsequenzen der Spannung für die Struktur aliphatischer Moleküle

mation I1 VO~[*~.~"! Der Methoxycarbonylrest envies sich auch, gemessen an der Gesamtspannung, als ,,kleiner" als der Phenylre~tl~~]. Nach Kraftfeldrechnungen ist die anti- Form I um 1.7 k c a l h o l weniger stabil[*'l.

L L

L L

18 19

Ein weiterer Sonderfall liegt in der C,-C,-Reihe vor, wenn zwei grol3e Reste R' mit jeweils zwei kleinen Resten R2 und R' im Molekiil auftreten. Bevorzugt ist natiirlich die Konformation 18 rnit anti-standigen Resten L, aber der Torsionswinkel zwischen diesen Resten betrggt nicht 180°, sondern nut 165-175" (siehe Abb. 2). Es liegen also Kon- formationen entsprechend IV vor, und zwar erstaunlicher- weise auch dann, wenn R2 und R3 Methylgruppen sind wie in l a und Id (vgl. 19). Offenbar unterscheiden sich die Methylgruppen in 19 hinsichtlich ihrer vicinalen Repul- sion. Ein Paar mit geringerer sterischer Wirksamkeit (S in Abb. 2) kommt sich naher und vermindert die Gesamt- spannung. Dies ist, wie wir friiher ~eigten[~", darin begriin- det, da13 sich Methylgruppen nicht wie Kugeln verhalten, sondern durch Verzahnung paanveise die gegenseitige Ab- stol3ung vemngern konnen.

Phenylringe pragen die Konformation eines substituier- ten Ethans in anderer Weise. Durch ihre Scheibenform entgehen sie der geminalen Repulsion leichter und verzer- ren daher die Winkel am Ethankohlenstoff weit weniger (siehe Tabelle 2). 1,2-Diphenylethane 2 der C,-C,-Reihe mit n-Alkylseitenketten nehmen anti-Konformationen I oder 111 an mit normalen 18O0-Torsionswinkeln zwischen den Phenylgruppen. Ebenso folgen die Diarylethane 6 der C,-C,-Reihe mit kleinen Alkylresten (Methyl bis Isopro- pyl) den herkommlichen Konformationsregeln: meso- und D,L-Konfiguration bevorzugen die Konformationen I bzw. 111 mit anti-standigen H-Atomen; die meso-Form ist etwas stabiler als die for form['^'. Erst mit tert-Alkylresten (6a- 66) steigt die geminale Repulsion so stark, dal3 wegen der resultierenden Winkelverzerrung in der D,L-Reihe die gauche-Konformation IV bevorzugt ist. Die meso-Verbin- dung behalt dagegen die anti-Konformation I und bleibt stabiler als die ~ , ~ - F o r m [ ' ~ . ' ~ ] .

6. Rotationsbarrieren und die lsolierung stabiler Rotationsisomere

Die Hohe der Barriere fur die Rotation um die zentrale Bindung eines Ethanderivats ist keine direkte Funktion der Gesamtspannung oder der Summe der GruppengrbSen. Sechsfach substituierte C,-C,-Ethane zeigen ziemlich gleichmaoige Rotationsprofile und in der Regel keine ho- hen Barrieren (AG* I 1 3 kcal/mol, siehe Abb. 3). Bei der Rotation um die zentrale Bindung konnen sich sekundlre Reste simultan mitdrehen (wie durch einen Zahnradef- fekt); dadurch kann die Veranderung der inneren Beweg- lichkeit und der Enthalpie bei der Rotation eine kompli- zierte Funktion ~erden[ '~]. In Abbildung 3 erkennt man

dies besonders gut am Rotationsprofil des Isopropylderi- vats.

t 5 5 F

Abb. 3. Rotalionspotentiale der zentralen C,-C,-Bindungen in den Kohlen- wasserstoffen R(CH,)2C-C(CH,)2R nach MM2-Berechnungen 1571.

C,-C,-Ethane mit groljen Resten haben sehr steile Tor- s i ~ n s p r o f i l e [ ~ ~ * ~ ~ ' . Bei Tetra-terf-butylethan 5g ergibt sich sogar eine hohere Barriere fur die Rotation um die zentrale Bindung als fur deren Dissoziation.

tBu, ,I3 20 . R = 1-Norbornyl CH-CF

R' t B u 5e.f. R = 1-Adamantyl

Ausgehend von diesem Phanomen und basierend auf orientierenden Kraftfeldberechnungen synthetisierten wir die Verbindungen 20 und 5e, f[@' [siehe Reaktion (h)]. Durch NMR-Spektroskopie lie13 sich zeigen, dal3 in beiden Fallen drei Isomere entstanden waren, die den drei Rota- meren I1 (meso), IV und V (D, L) aus Abbildung 2 zuge- ordnet werden konnten. Die beiden konformationsstabilen Rotamere D ,Me und D,L-Sf konnten sogar durch manu- elle Kristallauslese rein isoliert und nach fraktionierender Kristallisation durch Rontgen-Strukturanalyse untersucht ~ e r d e n [ ' " . ~ ~ ~ (siehe Abb. 4). 5e entspricht der anti-Konfor- mation IV und 5f der gauche-Konformation V, wenn L= I-Adamantyl, M =tert-Butyl und S= H.

Die zuvor durch NMR-Spektroskopie getroffene Zuord- nung der Rotamere beruhte auf einem charakteristischen Unterschied zwischen den zur Methin-C-H-Bindung gauche- bzw. anti-standigen tert-Butylresten. Die gauche- standigen terr-Butylreste haben wie auch in Tetra-tert- butylethan 5g eine geringere Rotationsbarriere (If,,, = 3 kcal/mol) als die anti-standigen (H,,, = 8 kcal/mol ; bei- des MM2-Werte)140.".551 (Abb. 5).

Bei 5e und 5f handelt es sich unseres Wissens um die ersten stabilen, rotameren, aliphatischen Kohlenwasser- stoffe[601. Ihre stark verzerrten Strukturen, insbesondere die

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Page 9: Konsequenzen der Spannung für die Struktur aliphatischer Moleküle

(S.SI-5e

tBu tBu

[S.S)-Sf

Abb. 4. Strukcuren und Newman-Projeklionen der beiden Rotamere run n,L-

3,4-Di( 1 -adamantyl)-2,2,5,5-tetramethylhexan mit wichtigen Bindungslangen Ipm] und -winkeln I”] 130,401. Ad- I-Adamantyl. Abgebildet sind die (S.S)- Enantiomere.

9 AHmt 8 kcal/mol

9 AHrnt 3 kcal/mol

51c

(R,R) -5e ( R , R ) - 51 m s o

Abb. 5. Newman-Projettionen von Tetra-rerr-butylethan 5g. den beidcn Ro- tameren von o,L-3,4-Di( I-adamantyl)-2,2.5.5-tetramethylhexan (40, 591 (abge- bildet: (R.R)-Enantiomere) und der entsprechenden meso-Verbindung. Ad .. I-Adamantyl.

Newman-Projektionen, bestgtigen auf das beste die in die- sem Beitrag fur C,-C,-Kohlenwasserstoffe abgeleiteten und auf andere Verbindungen ubertragenen Regeln zur Konformationsanalyse an C-C-Bindungen.

7. SchluBfolgerung und Ausblick

Ausgehend von den Arbeiten D. H. R . Bartonsr6‘l sind allgemeine Regeln zur Konformationsanalyse entwickelt worden, die es rnit Hilfe geometrisch standardisierter Mo- lekulmodelle ermoglicht haben, eine ungewohnliche Fulle von Struktur- und Reaktionsfragen einheitlich zu betrach-

ten. Bei gespannten Molekiilstrukturen werden jedoch die Grenzen der einfachen Konformationsanalyse ebenso er- reicht wie die Grenzen der Giiltigkeit der Standardwerte fur Bindungslhgen, Bindungswinkel und Torsionsprofile. Die Konformationsanalyse jedes gespannten Molekiils wird wieder zu einem individuellen Problem, zu dessen Losung sich die Kraftfeldmethode als bestens geeignet er- wiesen hat.

In Kenntnis der Strukturdaten vieler gespannter Verbin- dungen ist es aber auch moglich, neue, verfeinerte Leitli- nien der qualitativen Konformationsanalyse gesattigter Kohlenstoffgeriiste aufzuzeigen. Dabei kommt den Folgen der WinkelvergroBerung durch geminale AbstoBung gro- Oer Gruppen besondere Bedeutung fur die Konformation zu. 1st eine Winkelvergriil3erung energetisch ungunstig, so dominiert als Folge der Spannung die Bindungsdehnung. Die Spannung verteilt sich dabei stets iiber viele Koordina- ten der Struktur, so daB dem Ausmal3 der Deformation einzelner Bindungswinkel oder der Dehnung einzelner Bindungen klare Grenzen gesetzt sind. Der individuelle EinfluB eines Substituenten auf die Konformation ist da- bei weniger von seiner GroBe als von seiner Form abhan-

Die Moglichkeit, mit der Kraftfeldmethode ungewohnli- che Molekiilgeometrien rechnerisch zu erfassen, hat nicht nur fur die Bestimmung intramolekularer, sondern auch intermolekularer Wechselwirkungen Bedeutung. SchlieB- lich konnen van-der-Waals-Wechselwirkungen die Gestalt verfugbarer Reaktionskanale1621 und damit die Selektivitat z. B. der Radikalrek~mbination[~~~ oder der asymmetri- schen S y n t h e ~ e ~ ” ~ beeinflussen. Noch weiterreichend diirfte ihre Bedeutung aber fur Erkennungsprozesse in bio- logischen Systemen seinl14. 15.64.651.

gig.

Wir danken zahlreichen Mitarbeitern, deren Namen in den Literaturzitaten genannt sind, fur die ausgezeichnete Koope- ration, ProJ H.-G. von Schnering und Dr. K . Peters (Stutt- gart) sowie Pro$ H. J. Lindner (Darmstadt) fur zahlreiche Kristallstrukturanalysen und Pro$ H. Fritz und Dr. D . Hun- kler (Freiburg) fur ihre Hiye bei den NMR-Untersuchungen. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie danken wir fur die Forderung dieser Arbeit.

Eingegangen am 1 1 . MBrr 1985 [A 5411

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[Is] W. Bernlohr, H.-D. Beckhaus, K. Peters, H.-G. von Schnering, C. RU- chardt, Chem. Ber. 1/7(1984) 1013.

[I91 G. Kratt. H.-D. Beckhaus, H. J. Lindner, C. Riichardt, Chem. Ber. 116 (1983) 3235.

[20] W. Bernlohr, H.-D. Beckhaus, H. J. Lindner, C. Riichardt. Chem. Ber. 117 (1984) 3303.

[21] S. G. Baxter, H. Fritz, G. Hellmann, B. Kitschke, H. J. Lindner, K. Mis- low. C. Riichardt, S. Weiner, 1. Am. Chem. Soc. 101 (1979) 4493.

[22] H.-D. Beckhaus, G . Hellmann, C. Riichardt, B. Kitschke, H. J. Lindner, H. J. Fritz, Chem. Ber. 111 (1978) 3764.

[23] H.-D. Beckhaus, K. J. McCullough, H. Fritz, C. Riichardt, B. Kitschke, H. J. Lindner, D. A. Dougherty, K. Mislow, Chem. Ber. 113 (1980) 1867.

[24] K. H. Eichin, H.-D. Beckhaus, S. Hellmann, H. Fritz, E.-M. Peters, K. Peters, H.-G. von Schnering, C. Riichardt, Chem. Ber. 116 (1983) 1787.

(251 H.-D. Beckhaus, G . Hellmann, C. Riichardt, B. Kitschke, H. J. Lindner, Chem. Ber. 11 1 (1978) 3780.

1261 M. A. Flamm-ter Meer, H.-D. Beckhaus, K. Peters, H . 4 . von Schnering, C. Rilchardt, Chem. Ber. 1985. im Druck.

1271 W. Littke, U. Driick, Angew. Chem. 91 (1979) 434; Angew. Chem. Inf. Ed. Engl. I8 (1979) 406.

[28] W. Barbe, H.-D. Beckhaus, H. J. Lindner, C. Riichardt, Chem. Ber. 116 (1983) 1017.

[29] R. Rausch, Disserfafion, Universitat Freiburg 1984. 1301 K. Peters, H.-G. von Schnering, penijnliche Mitteilung. 13 I ] H. J. Lindner, persBnliche Mitteilung. (321 U. Burkert, N. L. Allinger: Molecular Mechanics, ACS-Monograph Se-

ries 177, American Chemical Society, Washington DC 1982. [33] a) E. Osawa, H. Musso, Angew. Chem. 95 (1983) 1 ; Angew. Chem. I n / .

Ed. Engl. 22 (1983) 1 ; b) Top. Stereochem. 5 (1982) 118. [341 a) 0. Ermer: Aspekte uon Krafifeldrechnungen. W. Bauer Verlag, Mnn-

chen 1981; b) J. F. Blount, K. Mislow, Tetrahedron Leff . 1975. 909. [35j 1. L. Fry, E. M. Engler, P. von R. Schleyer. J . Am. Chem. Soc. 94 (1972)

4628 und spatere Publikationen; P. Miiller, J. Mareda, Tetrahedron Left. 25 (1984) 1703 und friihere Publikationen; D. F. DeTar, N. P. Luthra, J . Am. Chem. SOC. 102 (1979) 4505 und friihere Publikationen; M. Hirota, K. Abe, H. Tashiro, M. Nishio, Chem. Lett. 1982, 777; P. G. M. Wuts, M. A. Walter, J. Org. Chem. 49 (1984) 4573; D. A. Dougherty, Tetrahe- dron Letf. 23 (1982)4891; D. N. J. White, M. J. Bovill, J. Chem. Soc. Per- kin Trans. 2 1983, 225; 1. H. Williams, Chem. Phys. Leff. 88 (1982) 462; M. R. Smith, J. M. Harris, J . Org. Chem. 43 (1978) 3588.

1361 R. Winiker, H.-D. Beckhaus, C. Riichardt, Chem. Ber. 113 (1980) 3456. [37] G. Hellmann, S. Hellmann, H.-D. Beckhaus, C . Riichardt, Chem. Ber.

[38l G. Hellmann, H.-D. Beckhaus, C. Riichardt. Chem. Ber. I12 (1979)

[39] G. Kratt, H.-D. Beckhaus, W. BernlOhr, C. Ruchardt, Thermochim. Acfa

[40] M. A. Flamm-ter Meer, Disserfafion, Universitat Freiburg 1984. [41] M. Zamkanei, J . K. Kaiser, H. Birkhofer, H.-D. Beckhaus, C. Riichardt.

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115 (1982) 3364.

1808.

62 (1983) 279.

Chem. Ber. 116 (1983) 3216.

[42] S. Inaba, I. Ojima, Tetrahedron Lett. 1977. 2009. I431 H. G. Viehe. R. Merenyi, L. Stella, Z. Janousek, Angew. Chem. 91 (1979)

982; Angew. Chem. Inf. Ed. Engl. 18 (1979) 917. [44] M. A. Flamm-ter Meer, H.-D. Beckhaus, C. Riichardt, Thermochim. Acfa

80 (1984) 81. [45] N. L. Allinger, J. Am. Chem. Soc. 99 (1977) 8172; b) N. L. Allinger, Y .

H. Yuh: Quanrum Chemistry Program Exchange. Indiana Univ., Pro- gram No. 395.

[46] H.-D. Beckhaus, Chem. Ber. 116 (1983) 86. [47] L. S. Bartell, T. L. Boates, J. Mol. Smruct. 32 (1976) 379. [48] W. Ritter, W. Hull, H.-J. Cantow, Tetrahedron Lett. 1978. 3093. [49] N. L. Allinger, J. T. Sprague, 1. Am. Chem. Soc. 94 (1972) 5734. [SO] Diese Energiebetriige ergeben sich aus den Funktionen der Bindungs-

dehnung in den Kraftfeldern (2.B. MM2[451) oder gemBB dem Morse- Potential einer CC-Einfdchbindung.

[51] C. A. Johnson, A. Guenzi. R. B. Nachbar, J. F. Blount, 0. Wennerstrom, K. Mislow, 1. Am. Chem. Sw. 104 (1982) 5163, bestimmten fur Bis(9- triptycy1)methan durch Kristallstrukturanalyse den entsprechenden Winkel zu 129.3" und teilen dort unter Lit. [Ilbj Winkel von 123-126" fur Analogstrukturen von 9e mit.

[52] C. W. Bum, D. R. Holmes, Nature (London) 174 (1954) 549; Discuss. Fa- raday Soc. 25 (1985) 95, bestimmten den C-CH1-C-Winkel in Poly- isobutylen durch Rontgen-Strukturanalyse zu 126" (siehe auch [16a]).

I531 S. Hellmann, H.-D. Beckhaus, C. Riichardt, Chem. Ber. 116 (1983) 2219.

[54] S. Hellmann, Disserration. Universitiit Freiburg 1982. [55] a) H.-D. Beckhaus, G. Hellmann, C. Riichardt, Chem. Ber. 1 1 1 (1978)

72; b) E. Osawa, H. Shirahama, T. Matsumoto, J . Am. Chrm. Soc. I01 (1979) 4824; c) W. D. Hounshell, P. A. Dougherty, K. Mislow, ibid. 100 (1978) 3149.

[56] Die folgende Diskussion IiiBt sich auch auf C-C-Bindungen mit sechs verschiedenen Substituenten L, M, S bzw. L', M' und S' an den beiden Enden iibertragen und damit allgemein zur qualitativen Konformations- analyse derdrtiger Strukturtypen iibernehmen.

[57] H.-D. Beckhaus, C. Riichardt, J. E. Anderson, Tetrahedron 38 (1982) 229.

1581 Siehe hierzu H.-B. Bilrgi, W. D. Hounshell, R. B. Nachhar, K. Mislow, J. Am. Chem. SOC. 105 (1983) 1427, don Lit. [ S l ] und weitere Zitate.

(591 5e und 5C fallen als Racemate an; abgebildet werden kann natiirlich je- weils nur die (R ,R) - oder die (S.S)-Form. (R,R)-Se und (R.R)-SC sind Rotamere und zugleich Diastereomere, die sich nicht in ihrer absoluten Konfiguration unterscheiden. Das Vorzeichen des Torsionswinkels zwi- schen gleichen Rcsten ist jedoch bei den beiden Rotameren verschieden: bei (R.R)-Se positiv (P) und bei (R .R) -Sf negativ (M); siehe hiemu V. Prelog, G . Helmchen, Angew. Chem. 94 (1982) 614; Angew. Chem. Inf . Ed. Engl. 21 (1982) 567. Fur (S.S)-5e und (S.S)-Sf (Abb. 4) gilt das Um- gekehrte (M bzw. P).

[60] lsolierbare Rotamere siehe auch J. S. Lomas, P. K. Luong, J.-E. Dubois, J. Org. Chem. 42 (1977) 3394; B. Tiffon, J. S. Lomas, Org. Magn. Reson. 22 (1984) 29; M. Oki, Angew. Chem. 88 (1976) 67; Angew. Chem. 1nt. Ed. Engl. I5 (1976) 87; S. Murata, S. Kanno, Y. Tanabe. M. Nakamura. M. Oki. Bull. Chem. Soc. Jpn. 58 (1984) 525, zit. Lit.

[all D. H. R. Barton: Some Recent Progress in Conformational Analysis in Theorefical Organic Chemistry (Kekule-Symposium), Butterworths, Lon- don 1959, S. 127; b) E. L. Eliel, Angew. Chem. 84 (1972) 779; Angew. Chem. Inf. Ed. Engl. / I (1972) 739, zit. Lit.

[62] Siehe auch J. D. Dunitz, Phil. Trans. R. Soc. London 8272 (1975) 99. [631 A. Peymann, Diplomarbeif. Universitiit Freiburg 1983; H.-D. Beckhaus,

1641 Siehe z. B. W. Graham, L. Mangold, Endeavour, New Ser. 7 (1984) 2. 1651 J . M. Blaney, P. K. Weiner, A. Dearing, P. A. Kollmann, E. C. Jorgen-

son, S. J. Oatley, J. M. Burridge, C. C. F. Blake, 1. Am. Chem. Soc. 104 (1982) 6424.

A. Peymann, unver6ffentlicht.

540 Angew. Chem. Y7(1985) 531-540