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10.02.03 Konstruktivismus, Rationalismus und Theorien Internationaler Beziehungen – warum empirisch nichts so heiß gegessen wird, wie es theoretisch gekocht wurde von Thomas Risse Beitrag für Gunther Hellmann, Klaus Dieter Wolf und Michael Zürn (Hrsg.), Forschungsstand und Perspektiven der Internationalen Beziehungen in Deutschland Adresse des Autoren: Arbeitsstelle Transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Freie Universität Berlin Ihnestr. 22 14195 Berlin Tel.: +49-(0)30-838 55527 Fax: +49-(0)30-838 54160 Email: [email protected] Web: http://www.fu-berlin.de/atasp

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10.02.03

Konstruktivismus, Rationalismus und Theorien Internationaler Beziehungen –

warum empirisch nichts so heiß gegessen wird,

wie es theoretisch gekocht wurde

von

Thomas Risse

Beitrag für Gunther Hellmann, Klaus Dieter Wolf und Michael Zürn (Hrsg.), Forschungsstand und

Perspektiven der Internationalen Beziehungen in Deutschland

Adresse des Autoren: Arbeitsstelle Transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Freie Universität Berlin Ihnestr. 22 14195 Berlin Tel.: +49-(0)30-838 55527 Fax: +49-(0)30-838 54160 Email: [email protected] Web: http://www.fu-berlin.de/atasp

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Einleitung

Als die Sektion Internationale Politik der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft

(DVPW) unter der Herausgeberschaft von Volker Rittberger vor zwölf Jahren zum letzten Mal eine

Bestandsaufnahme unseres Faches veröffentlichte (Rittberger 1990), suchte man dort vergebens

nach einem Beitrag zu konstruktivistischen Ansätzen in der Theorie internationaler Politik. In die-

sem Band finden sich dagegen zwei Beiträge zum Thema. Selbstverständlich kann dies den damali-

gen Autorinnen und Autoren nicht vorgeworfen werden, denn auch in der anglo-amerikanischen

Diskussion waren zu diesem Zeitpunkt „reflexive“, „interpretative“ und schließlich konstruktivisti-

sche Ansätze nicht über erste metatheoretische Gehversuche hinausgekommen (vgl. z. B.

Kratochwil und Ruggie 1986; Wendt 1987; Onuf 1989; Keohane 1989; Kratochwil 1989).

Auch sonst hat sich in der deutschsprachigen Internationale Beziehungen-Forschung einiges getan.

Die von Rittberger und Hummel im damaligen Einleitungsbeitrag angemahnte Gründung einer ei-

genen Fachzeitschrift ist inzwischen mit der „Zeitschrift für Internationale Beziehungen“ (ZIB) er-

folgt (Rittberger und Hummel 1990, 38), die nicht unwesentlich zur Theoriediskussion der deutsch-

sprachigen Forschung im Fach Internationale Beziehungen in den 90er Jahren und schließlich zu

einem eigenständigen deutschsprachigen Beitrag zur internationalen Debatte um den Konstrukti-

vismus geführt hat.

In diesem Aufsatz geht es mir um dreierlei.1 Erstens fasse ich zusammen, was aus meiner Sicht die

konstruktivistische Herausforderung an konventionelle Theorien der Internationalen Beziehungen

darstellt, die auf dem Paradigma der rationalen Wahl („rational choice“) beruhen. Dabei konzent-

riere ich mich auf handlungstheoretische Ansätze aus konstruktivistischer Perspektive. Auf diesem

Terrain operieren rationalistische Theorien internationaler Beziehungen, so dass hier die Gemein-

samkeiten und Unterschieden präzise herausgearbeitet werden können (für eine Diskussion anderer

konstruktivistischer Ansätze vgl. den Beitrag von Antje Wiener).2

1 Für ausführliche und kritische Kommentare zum Entwurf dieses Beitrags bedanke ich mich u.a. bei Tanja A. Börzel, Gunilla Fincke, Stefano Guzzini, Gunther Hellmann, Markus Jachtenfuchs, Frank Schimmelfennig, Holger Stritzel, Silke Weinlich und Michael Zürn. 2 Es wäre einen eigenen Beitrag wert, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen strukturalistischen Ansätzen herkömmlicher (z. B. die Weltsystemtheorie) und konstruktivistischer Provenienz zu diskutieren (z. B. den Holismus Alexander Wendts).

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Zweitens gebe ich einen Überblick über den Stand konstruktivistischer Forschung unter besonderer

Berücksichtigung der deutschsprachigen Internationalen Beziehungen. Dabei konzentriere ich mich

auf den „moderaten“ Konstruktivismus – im Unterschied etwa zu radikal-konstruktivistischen An-

sätzen in der skandinavischen und britischen Forschung über Internationale Beziehungen (vgl. dazu

ebenfalls den Beitrag von Antje Wiener). Dies geschieht aus zwei Gründen. Zum einen handelt es

sich um die in der deutschsprachigen ForscherInnengemeinschaft vorherrschende Version des Kon-

struktivismus. Zum anderen geht es radikal-konstruktivistischen Ansätzen nur noch am Rande um

die Auseinandersetzung mit „rational choice“.

Die Auseinandersetzung mit rationalistischen Ansätzen der Internationalen Beziehungen kenn-

zeichnet den dritten Schwerpunkt dieses Beitrags. Dabei geht es mir darum, anhand einiger kon-

kreter Beispiele potentielle theoretische Brückenschläge zwischen rationalistischen und moderat-

konstruktivistischen Ansätzen in den Internationalen Beziehungen auszuloten.

Meine zentrale These lautet gemäß des Untertitels dieses Beitrags: Es wird empirisch nichts so heiß

gegessen, wie es (handlungs-) theoretisch gekocht wurde. Anders ausgedrückt: Das Fach Internati-

onale Beziehungen hat es zu allererst mit konkreten Problemen von Krieg und Frieden, von Demo-

kratie, Menschenrechten, Wohlfahrt und sozialer Gerechtigkeit in der Weltgesellschaft zu tun. Sozi-

alwissenschaftliche Forschung ist kein Selbstzweck, sondern soll zur Reflexion, Kritik und Verän-

derung der teilweise katastrophalen Zustände in der internationalen Politik beitragen. Dies ist die

Messlatte, an der sich der Mehrwert theoretischer Debatten erweisen muss. Der Paradigmenstreit

zwischen Rationalismus und Konstruktivismus ist daher nur so lange sinnvoll und bedeutsam, wie

er zur substantiellen Theoriebildung über internationale Politik und zur theoretisch gehaltvollen

empirischen Forschung beiträgt. Dabei hat Theoriebildung die Aufgabe, Begriffe und Urteile be-

reitzustellen, „die nicht die empirische Wirklichkeit sind, auch nicht sie abbilden, aber sie in gülti-

ger Weise denkend ordnen lassen“ (Weber 1992, 260).

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Konstruktivismus und Rationalismus : Worum geht es? 3

Konstruktivismus als substantielle Theorie der Internationalen Beziehungen?

Im Fach Internationale Beziehungen und vor allem bei Studierenden der internationalen Politik

herrscht nach wie vor eine erhebliche Verwirrung darüber, worum es eigentlich bei der Kontroverse

zwischen „Rational Choice“ und Konstruktivismus geht (siehe dazu Fearon und Wendt 2002; zum

folgenden Risse 1999a; Ulbert 2002). Dabei wird sehr häufig die konstruktivistische Sichtweise mit

einer substantiellen Theorie der internationalen Politik verwechselt, so daß Konstruktivismus im

gleichen Atemzug mit Realismus, Liberalismus, Marxismus, Institutionalismus oder anderen -ismen

des Faches genannt wird. Zwar ist es richtig, dass sich die meisten außenpolitischen Realisten einer

rationalistischen Ontologie verbunden fühlen. Denn die Struktur des internationalen Systems als

uni-, bi- oder multipolar wird im Neorealismus von den Einheiten des Systems aus abgeleitet, in

diesem Fall den materiellen Machtressourcen der Staaten. Aber weder kritische Theorien internati-

onaler Beziehungen, die ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse verfolgen, noch liberale An-

sätze, die den Zusammenhang zwischen Strukturen und Prozessen in den gesellschaftlichen Umfel-

dern einerseits und der internationalen Politik andererseits betonen, noch gar institutionalistische

Theorien, deren zentrales Thema die Erklärung internationaler Kooperation ist, lassen sich immer

eindeutig rationalistischen oder konstruktivistischen Annahmen zuordnen. Wer sich mit der Rolle

von Ideen und Normen in der Weltpolitik befaßt, kann dies von sehr unterschiedlichen metatheore-

tischen Perspektiven her tun (für eine rationalistische Analyse von Ideen in der Außenpolitik vgl. z.

B. Goldstein und Keohane 1993).

Dass die konstruktivistische Perspektive nicht mit einer substantiellen Theorie der Internationalen

Beziehungen verwechselt werden sollte, hat sie mit dem „rational choice“-Ansatz gemeinsam. Das

Paradigma der rationalen Wahl als solches sagt über die inhaltlichen Präferenzen der Akteure nichts

aus. Diese können sowohl altruistisch als auch egoistisch ausfallen. Allerdings hat es sich im Fach

Internationale Beziehungen eingebürgert, „rational choice“-Ansätze mit einer Perspektive gleichzu-

setzen, die den Akteuren egoistische Präferenzen und instrumentell-strategisches Handeln im Sinne

des homo oeconomicus unterstellt („thick rationalism“, vgl. Green und Shapiro 1994, 17-19). Aber

selbst wenn wir den homo oeconomicus unterstellen, wissen wir immer noch nicht, ob dieser

Mensch sich an relativen oder an absoluten Gewinnen orientiert (vgl. die „Neo-Neo“-Debatte zwi-

3 Dieser Teil stellt eine überarbeitete deutsche Fassung meines Beitrags für den von Helen Milner und Ira Katznelson herausgegebenen “State of the Discipline”-Sammelband der American Political Science Association dar (Risse 2002).

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schen Neorealismus und neoliberalem Institutionalismus, Baldwin 1993). Neorealismus und neoli-

beraler (rationalistischer) Institutionalismus unterscheiden sich im wesentlichen darin, dass sie un-

terschiedliche Arten egoistischer Präferenzen unterstellen.

Das gleiche gilt analog für den sozialen Konstruktivismus in den Internationalen Beziehungen.

Zwar wird zumeist dem homo oeconomicus von „rational choice“ der homo sociologicus, der in

vielfältige soziale Bezüge eingebundene Akteur des Sozialkonstruktivismus gegenübergestellt. Um

aber herauszufinden, welche sozialen Strukturen des internationalen Systems wie auf die Sinnkon-

struktionen der Akteure einwirken und wie diese wiederum die soziale Struktur durch ihre Praxis

reproduzieren und rekonstituieren, dazu bedarf es einer substantiellen Theorie.

Inzwischen hat sich der soziale Konstruktivismus in den Internationalen Beziehungen so weit aus-

differenziert, dass wir es hier mit äußerst unterschiedlichen substanziellen Theoriebildungen zu tun

haben. Man vergleiche etwa

• die von Alexander Wendt entwickelte systemische Theorie der internationalen Politik aus

sozialkonstruktivistischer Perspektive als Gegenentwurf zu Kenneth Waltz’s strukurellem Rea-

lismus (Wendt 1999; dazu Guzzini und Leander 2001; siehe dagegen Waltz 1979);4

• konstruktivistisch inspirierte liberale und institutionalistische Ansätze, die sowohl die

deutschsprachige Diskussion als auch den Großteil der US-amerikanischen Beiträge beherr-

schen (vgl. die „ZIB-Debatte“; Hasenclever 2001; Risse-Kappen 1995b; Katzenstein 1996;

Finnemore 1996a; Adler und Barnett 1998; Klotz 1995; Kier 1997; Überblicke in Adler 1997,

2002; Checkel 1998; Hopf 1998; Jetschke und Liese 1998);

• neo-gramscianische Ansätze, die versuchen, eine Brücke zwischen Neomarxismus und Sozial-

konstruktivismus zu schlagen und dabei die unabhängige Rolle von Ideen und Institutionen in

der internationalen Politik thematisieren (Cox und Sinclair 1996; Cox 1983, 1987; vor allem jetzt

Van Apeldoorn 2001);

• verschiedene feministische Theoriebildungen, die sich mehr oder weniger explizit auf sozialkon-

struktivistische Argumentationen beziehen (so Locher und Prügl 2001; Locher 2001; siehe auch

Tickner 2002);

4 Es ist interessant, dass viele Kritiker des Sozialkonstruktivismus Wendts Theorie mit einer staatszentrierten Perspektive sozialkonstruktivistischer Ansätze per se verwechseln (so z.B. sogar Checkel 1998 in seinem ansonsten nach wie vor hervorragenden Literaturbericht).

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• radikal-konstruktivistisch inspirierte und sprachtheoretisch orientierte Außenpolitik-Analysen

(Campbell 1992; Fierke 1998, Fierke 1996; Zehfuß 1998; Milliken 1999; Krause und Williams

1997; Zehfuss 2002; Doty 1993, 1996; Weldes 1999; Weldes u. a. 1999;

• den „Versicherheitlichungs“-Ansatz der Kopenhagener Gruppe um Ole Waever und Barry Bu-

zan, der klassisch-realistische Perspektiven sozialkonstruktivistisch weiterentwickelt hat (Buzan

u. a. 1998; Waever 1995; dazu jetzt Weinlich 2002).

Fast alle substantiellen Theorieangebote und Fragestellungen der Internationalen Beziehungen sind

inzwischen durch konstruktivistische Ansätze bereichert bzw. neu interpretiert worden. Dabei zeigt

sich dann auch, dass die Übergänge beispielsweise von einer rationalistisch inspirierten liberalen

Theorie der internationalen Politik zu einer konstruktivistischen Interpretation derselben recht flie-

ßend geworden sind. Dazu unten mehr!

Eine konstruktivistische Epistemologie oder gar Methode?

Genauso problematisch wie die Verwechslung des Sozialkonstruktivismus mit einer substantiellen

Theorie der internationalen Beziehungen ist es, wenn Konstruktivisten eine epistemologische

Position unterstellt wird, die sich angeblich grundlegend von derjenigen rationalistischer Theorien

der internationalen Beziehungen unterscheide. Zwar grenzen sich die meisten Konstruktivisten von

„positivistischen“ Ansätzen in der internationalen Politik ab und unterstellen dem Konstruktivismus

einen „post-positivistischen“ epistemologischen Standpunkt (so z. B. Adler 1997, 2002; Kratochwil

1993; Ruggie 1998; Smith 1996). Was damit aber im einzelnen gemeint ist, bleibt zumeist unklar

(vgl. dazu Jepperson 2000; Wight 2002; siehe auch den Beitrag von Peter Mayer). Insgesamt

scheint es bei dieser Debatte um zwei Fragen zu gehen (Fearon und Wendt 2002, 57):

1. Können wir außerhalb unser jeweiligen Diskursgemeinschaften und ihrer Konventionen etwas

über die „Welt da draußen“ wissen?

2. Sind kausale Erklärungen in den Sozialwissenschaften möglich, und unterscheiden sie sich von

verstehenden Sinninterpretationen (vgl. Hollis und Smith 1990)?

Während rationalistische Autorinnen und Autoren in den Internationale Beziehungen beide Fragen

zumeist positiv beantworten, finden wir unter sozialen Konstruktivisten ganz unterschiedliche Ant-

worten. Auf die erste Frage antworten beispielsweise Anhänger des kritischen wissenschaftlichen

Realismus (nicht zu verwechseln mit dem Realismus als Theorie der Internationalen Beziehungen)

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positiv (z. B. Wendt 1999; Patomäki und Wight 2000), wohingegen die „doppelte Hermeneutik“

(Sozialwissenschaften als Interpretation der Selbstinterpretationen der Akteure, vgl. Giddens 1982,

1993), der Pragmatismus und der Post-strukturalismus hier eher zu skeptischen Einschätzungen

kommt. Die drei letzteren Positionen stimmen dahingehend über ein, dass wissenschaftliche

„Wahrheit“ nicht mehr in einem noch so gelungenen Entsprechungsverhältnis zwischen Beobach-

tungsaussagen und gesellschaftlicher Wirklichkeit gefunden werden kann. Sie unterscheiden sich

aber grundlegend in bezug auf die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden. Die einen ar-

gumentieren, dass „Wahrheit“ über den immer neu herzustellenden und herauszufordernden Dis-

kurs der ForscherInnengemeinschaft (Habermas 1972/1995) gefunden werden kann. Die anderen

halten auch das für eine Illusion und nähern sich damit einer relativistischen Position. Schließlich

bleibt kontrovers, was die „doppelte Hermeneutik“ impliziert in bezug auf die Eingebundenheit der

ForscherInnen in die soziale Welt. Ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse kritischer Sozialwis-

senschaften (Habermas 1968) wird jedenfalls nicht von allen Sozialkonstruktivisten in den Interna-

tionale Beziehungen geteilt.

Was die zweite Frage angeht, so wird auch diese unter den Konstruktivisten unterschiedlich beant-

wortet. Die einen halten in Anlehnung an Hollis und Smith an einer striken Unterscheidung zwi-

schen „verstehen“ und „erklären“ fest und lehnen letztere als „szientistische Vorgehensweise“ ab

(Hollis und Smith 1990). Die anderen beharren mit Max Weber darauf, dass es den Sozialwissen-

schaften um das interpretative Verstehen sozialen Verhaltens geht, um dessen Ursachen, Gründe

und Wirkungen erklären zu können (Weber 1968; vgl. Wight 2002, 32). Damit entfällt aber die Di-

chotomie von „verstehen“ und „erklären“.

Langer Rede kurzer Sinn: Wenn die gesellschaftliche Wirklichkeit sozial konstruiert ist, dann wird

man als Konstruktivist eine platte empirizistische Position ablehnen müssen, nach der die Welt

nicht nur „objektiv“ gegeben ist, sondern auch „objektiv“ erkannt werden kann und nach der Beo-

bachtungsaussagen über die Welt unabhängig von ihrem Theoriebezug die Wahrheit wissenschaftli-

cher Erkenntnis ermöglichen. Aber mit dieser trivialen Erkenntnis, die auch schon der kritische Ra-

tionalismus eines Karl Popper teilt, sind höchst vielfältige epistemologische Positionen vereinbar –

unter anderem der wissenschaftstheoretische Standpunkt der so gern als „positivistisch“ gescholte-

nen King, Keohane und Verba (King u. a. 1994). Zumindest ist es unmöglich, Konstruktivismus

und Rationalismus anhand einer bestimmten wissenschaftstheoretischen Position voneinander zu

unterscheiden. Soviel sollte hier deutlich geworden sein.

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Ebensowenig geht es bei der Debatte zwischen rationalistischen und sozialkonstruktivistischen An-

sätzen um einen Methodenstreit. Rationalistische Autorinnen und konstruktivistische Autoren un-

terscheiden sich beispielsweise nicht dadurch, dass die einen quantitative und die anderen qualitita-

tive Methoden benutzen. Die Arbeiten der Stanford-Schule des soziologischen Institutionalismus

um John Meyer, die sich einer – wenn auch stark strukturalistischen - konstruktivistischen Ontolo-

gie im weiteren Sinne verpflichtet sehen, bestehen fast ausschließlich aus quantitativen Studien mit

Zeitreihenanalysen (Boli und Thomas 1997, 1998, 1999). Die Arbeiten von Lars-Erik Cederman

und Barry O’Neill zeigen darüber hinaus, dass nicht einmal mehr spieltheoretische Methoden ein-

deutig „rational choice“-Ansätzen zugeordnet werden können (Cederman 1995, 1997; O'Neill

1999). Und seit die Gralshüter der amerikanischen „rational choice“-Literatur wie Robert Bates und

Bruce Bueno de Mesquita Narrative, historische Fallstudien und „process tracing“ entdeckt haben,

lassen sich auch genuin interpretative Verfahren nicht mehr eindeutig eine der beiden Paradigmen

zuordnen (Bates u. a. 1998; Bueno de Mesquita 2002). Es bleibt abzuwarten, wann rationalistische

Spieltheoretiker die Diskursanalyse entdecken. Fällt dann die letzte Domäne „konstruktivistischer“

Methoden?

Der ontologische Kern der Debatte zwischen Konstruktivismus und „rational choice“

Struktur und Akteur

Aber was macht die sozialkonstruktivistische Perspektive aus, wenn es sich dabei weder um einen

besonderen epistemologischen Standpunkt handelt noch um eine Theorie der internationalen Politik

mit konkreten Aussagen über die soziale Struktur der Welt und das Handeln der Akteure in ihr?

Meines Erachtens kann das Kernprogramm sozialkonstruktivistischer Ansätze folgendermaßen zu-

sammengefaßt werden: Die soziale Welt ist durch das gesellschaftliche Handeln und die Sinninter-

pretationen der Akteure allererst konstituiert. Soziale Strukturen fallen nicht „vom Himmel“, son-

dern sind sozial konstruiert, daher historisch kontingent und veränderbar (Berger und Luckmann

1966; Giddens 1984; Schütz 1974). Daraus folgt die wechselseitige Konstituiertheit von sozialen

Strukuren und Akteuren (Wendt 1987; Carlsnaes 1992; Dessler 1989). Gesellschaftliche Strukturen

konstituieren Akteure, insofern sie ihnen eine soziale Identität vermitteln und darüber hinaus

Handlungsmöglichkeiten eröffnen bzw. einschränken. Insofern existieren soziale Akteure nicht

außerhalb ihrer gesellschaftlichen Umgebung und außerhalb kollektiv geteilter Sinn- un Bedeu-

tungsstrukturen („Kultur“ im weiteren Sinne). Gleichzeitig gilt, daß Akteure durch ihre Interaktio-

nen und ihre Alltagspraxis diese Strukturen reproduzieren und gleichzeitig prinzipiell verändern

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können. Damit ist keineswegs behauptet, daß sich Strukturen jederzeit voluntaristisch verändern

lassen. Die Strukturierungstheorie weist lediglich darauf hin, daß es die Praxis der Akteure ist, die

die sozialen Strukturen reproduziert.

Das Beharren auf der wechselseitigen Konstituiertheit von Struktur und Akteur richtet sich gegen

den methodologischen Individualismus rationalistischer Ansätze, denenzufolge das Handeln des

Individuums die „elementare Einheit des sozialen Lebens“ darstellt (Elster 1989, 13). „Rational

choice“-Ansätze unterscheiden sich hier fundamental von sozialkonstruktivistischen, insofern sie

gesellschafts- und handlungstheoretisch „von unten nach oben“, von den Akteuren zu den sozialen

Strukturen argumentieren. Gesellschaftliche Phänomene werden durch die Rückführung auf ein-

zelne Akteure und deren Dispositionen erklärt (Zürn 1992, 35-39). Demgegenüber beharren sozial-

konstruktivistische Theorien auf einer ontologischen Mittelposition zwischen Akteur und Struktur

(vgl. auch Adler 1997). Forschungspraktisch lässt sich die wechselseitige Konstituiertheit von Ak-

teur und Struktur allerdings nicht immer durchhalten. Verschiedene sozialkonstruktivistische Ar-

beiten zu den Internationalen Beziehungen lassen sich daher danach unterscheiden, ob sie eher

strukturtheoretisch argumentieren (z. B. Wendt 1999, aber auch die diskurstheoretischen Ansätze,

etwa Milliken 1999; Laffey und Weldes 1997) oder eher handlungstheoretisch (z. B. Checkel 1998,

2001a; Risse 2000). Im folgenden konzentriere ich mich auf letztere Variante.

Konstitutive Effekte sozialer Strukturen

Mit der wechselseitigen Konstituiertheit von Akteur und Struktur eng zusammen hängt die Beto-

nung konstitutiver Wirkungen sozialer Strukturen für die Akteure und deren Handeln durch den

Sozialkonstruktivismus (Onuf 1989; Kratochwil 1989; Wendt 1999). Soziale Normen üben nicht

nur kausale Wirkungen auf Akteurshandeln aus, sie definieren häufig auch die Identität von Akteu-

ren und damit deren Interessen und soziale Präferenzen. Souveränität als fundamentale Norm der

internationalen Staatenwelt reguliert nicht nur die diplomatischen Interaktionen der Regierungen.

Sie konstituiert gleichzeitig das internationale System als Staatenwelt, insofern Souveränität ein

fundamentales Merkmal von Staaten im Unterschied zu anderen korporativen Akteuren in der inter-

nationalen Politik darstellt. Souveränität definiert allererst, was ein Staat ist (Biersteker 2002). Auch

andere internationale Normen üben solche konstitutiven Effekte aus. Internationale Menschen-

rechtsnormen beispielsweise schützen Individuen nicht nur vor staatlichen Machtübergriffen; zu-

nehmend definieren sie auch, wer sich als Mitglied der „zivilisierten“ internationalen Gemeinschaft

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zählen kann. Konstitutive Normen bestimmen also soziale Identitäten von Akteuren – und damit

grundlegende Interessen und Präferenzen. Wer ich bin, hängt auch damit zusammen, in welche so-

zialen Strukturen und Sinnzusammenhänge ich eingebettet bin.

Damit ist nicht behauptet, dass konstitutive Normen niemals verletzt werden oder sich nie ändern.

Der entscheidende Punkt ist, dass die konstitutiven Effekt internationaler Normen – im Unterschied

zu deren regulativen Wirkungen - nicht über deren Handlungsfolgen herausgefunden werden kön-

nen, sondern nur über die (konsensualen) Sinnkonstruktionen der Akteure. Im Laufe der Jahrhun-

derte hat sich beispielsweise das Souveränitätsverständnis zum Teil einschneidend gewandelt, vor

allem was das damit eng zusammenhängende Verbot der Einmischung in die inneren Angelegen-

heiten der Staaten angeht. Aber die Souveränitätsnorm verliert nicht deshalb ihre konstitutiven Wir-

kungen für die Staatengemeinschaft, weil sie häufig verletzt wird im Sinne einer „organisierten

Heuchelei“ (Krasner 1999). Der entscheidende Punkt, auf den Konstruktivisten immer wieder hin-

weisen, besteht darin, dass wir die entscheidenden Merkmale sozialer Akteure häufig gar nicht be-

schreiben können ohne Verweis auf die sozialen Strukturen, in die sie eingebettet sind.

Handlungstheoretische Differenzen zwischen „Rational Choice“ und Konstruktivismus

Schließlich können die Unterschiede zwischen dem rationalistischen Paradigma und sozialkon-

struktivistischen Ansätzen auch daran festgemacht werden, dass sie verschiedene Handlungslogiken

betonen. In diesem Zusammenhang haben March und Olsen die Unterscheidung zwischen einer

Logik zweckrationalen Handelns („logic of consequentialism“) und einer Logik der Angemessen-

heit („logic of appropriateness“) eingeführt (March und Olsen 1989, 1998). Rationalistische An-

sätze der internationalen Politik – ob als realistische, liberale oder institutionalistische Theorien –

folgen einer Logik instrumenteller Rationalität. Zielorientierte Akteure versuchen, in strategischen

Interaktionen ihren Nutzen zu maximieren oder zu optimieren auf der Grundlage von gegebenen

und transitiv geordneten Präferenzen. Sie verhalten sich instrumentell rational, indem sie Kosten

und Nutzen verschiedener Verhaltensweisen kalkulieren und dabei das antizipierte Verhalten ihrer

Interaktionspartner in diese Kalküle einbeziehen (strategische Rationalität). Die sogenannte „Neo-

Neo-Debatte“ zwischen Realisten und neoliberalen oder rationalistischen Institutionalismus be-

wegte sich innerhalb des rationalistischen Paradigmas. Die Frage war, ob und wie internationale

Kooperation unter der Annahme strategischer Rationalität in einem anarchischen internationalen

System zu erklären sei (Grieco 1988; Baldwin 1993). Rationalistische Institutionalisten wiesen dar-

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auf hin, dass egoistische Nutzenmaximierer in der internationalen Politik unter Umständen ihre ei-

genen Ziele nur in Kooperation mit anderen Akteuren erreichen können.

Die Logik der Angemessenheit oder normgeleitetes Handeln unterscheidet sich von instrumentell-

strategischem Verhalten dadurch, dass Akteure in einer gegebenen Situation danach streben, das

sozial Angemessene und Richtige zu tun, anstatt strategische Ziele zu optimieren. Sie versuchen,

die für die gegebene soziale Situation angemessene Regel zu finden und sich danach zu verhalten:

„Human actors are imagined to follow rules that associate particular identities to particular situa-

tions, approaching individual opportunities for action by assessing similarities between current

identities and choice dilemmas and more general concepts of self and identities“ (March und Olsen

1998, 951). Wenn die Normen bekannt und eindeutig sind, dann werden sie gewohnheitsmäßig und

quasi „selbstverständlich“ eingehalten, ohne dass die Regeleinhaltung in jedem Fall einen bewuss-

ten Vorgang darstellen muss. Die Logik der Angemessenheit impliziert, dass Normen und Regeln

nicht nur kausal-regulative, sondern eben auch konstitutive Wirkungen auf die Interessen und sozi-

alen Identitäten der Akteure haben („Zivilisierte Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft

foltern ihre Bürgerinnen und Bürger nicht. Alles andere sind Schurkenstaaten.“).

Vor allem der konstruktivistisch argumentierende Institutionalismus (oder soziologische Institutio-

nalismus; vgl. zu den verschiedenen „Institutionalismen“ Hall und Taylor 1996) hat die Logik

normgeleiteten Handelns gegen das zweckrationale Akteursverständnis der rationalistischen Re-

gimetheorie betont. Schon 1986 wiesen Friedrich Kratochwil und John Ruggie darauf hin, dass man

nicht internationale Institutionen als Regelstrukturen untersuchen könne, ohne die spezifisch inter-

subjektive Qualität sozialer Normen in das Zentrum der Analyse zu stellen (Kratochwil und Ruggie

1986; vgl. auch Onuf 1989; Kratochwil 1989). Rationalistische (oder neoliberale) Institutionalisten

konzipierten internationale Regime in erster Linie als Regelsysteme, die das Verhalten von Akteu-

ren, deren Kosten-Nutzen-Berechnungen und Handlungsstrategien beeinflussen. Dagegen blieben

ihre Interessen und Identitäten außen vor und wurden als stabil unterstellt. Demgegenüber entwi-

ckelten soziologische oder konstruktivistische Institutionalisten ein anspruchsvolleres Verständnis

internationaler Institutionen als soziale Sinn- und Bedeutungsstrukturen, die Akteure konstitutieren,

indem sie deren Interessen und Identitäten beeinflussen. Internationale Institutionen wirken nicht

nur verhaltensregulierend. Ihre Normen und Regeln machen soziale Interaktionen in der internatio-

nalen Politik allererst möglich, indem sie wechselseitige Verhaltenserwartungen nicht nur stabilisie-

ren, sondern auch Sinnkonstruktionen und „Wissen“ bereitstellen, die den Akteuren helfen, sich in

der Welt zurechtzufinden. Das Welthandelsregime um die WTO reguliert nicht nur das Verhalten

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der Akteure in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Seine konstitutiven Normen wie Frei-

handel und Multilateralismus institutionalisieren darüber hinaus kollektiv geteiltes Wissen und

Theorien, wie „man“ vernünftigerweise die internationale Ökonomie zum Vorteil aller Beteiligten

organisiert.

Dementsprechend konzentrierte sich eine Reihe konstruktivistischer Autorinnen und Autoren auf

die Analyse solcher konstitutiver Normen in der Weltgesellschaft. Souveränität als konstitutive

Norm der Staatenwelt habe ich bereits erwähnt (Biersteker 2002, Biersteker und Weber 1996). Rod-

ney Halls Arbeiten über die Transformation kollektiver Identitäten von einem territorial zu einem

national definierten Souveränitätsverständnis als konstitutiver Prinzipien der Staatenwelt im 19. und

20. Jahrhundert stehen ebenfalls in diesem Zusammenhang (Hall 1999). Ausgehend von Alexander

Wendts berühmtem Diktum, wonach „Anarchie ist, was die Staaten daraus machen“ (Wendt 1992,

1999), konzentrierten sich viele Konstruktivisten auf die Untersuchung von institutionellen

Arrangements in der Weltgesellschaft, die nicht auf den realistischen Prinzipien eines Selbsthilfe-

system beruhen. Dabei wurde vor allem auf Karl W. Deutschs Theorem pluralistischer Sicherheits-

gemeinschaften (Deutsch und al. 1957) Bezug genommen, und zwar konstruktivistisch gewendet

und neu interpretiert (Adler und Barnett 1998; Cronin 1999; auch Risse-Kappen 1995a; Reus-Smit

1997). Hier geht es nicht so sehr um spezifische internationale Regime, sondern um konstitutive

internationale Normen, die Akteuren der Staaten- und Gesellschaftswelt diejenigen Wissensstruktu-

ren vermitteln, die soziale Interaktionen allererst ermöglichen. Die Bezüge zur sogenannten English

School sind nicht zu übersehen (Bull 1977; Wight 1977). Kein Wunder, dass Barry Buzan, Timothy

Dunne, Chris Brown und andere zur Zeit versuchen, die Debatten der English School unter kon-

struktivistischen Vorzeichen zu neuem Leben zu erwecken (Buzan 1993; Dunne 1995; Brown

2001)!

Diese Variante konstruktivistischer Theoriebildung in den Internationalen Beziehungen übernimmt

letztlich eine systemische Perspektive „von oben nach unten“. Die Betonung liegt auf internationa-

len Institutionen als sozialen Strukturen der Weltgesellschaft mit konstitutiven Folgen für die Iden-

titäten und Interessen der sich darin tummelnden Akteure. Die Nähe dieser Art der Theoriebildung

zum soziologischen Institutionalismus und der Betonung einer „World Polity“ und Weltkultur

durch die Stanford School um John Meyer ist unübersehbar (Überblick in Finnemore 1996b;

Jepperson 2000). Die Frage stellt sich allerdings, ob diese reichlich strukturalistische Perspektive

bei aller Betonung internationaler konstitutiver Normen die Akteure der Weltpolitik allmählich aus

dem Blickwinkel verliert.

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Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in der deutschsprachigen Internationale Beziehun-

gen-Forschung die strukturalistische Variante des konstruktivistischen Institutionalismus kaum eine

Rolle spielt (vgl. aber Bonacker und Brodocz 2001). Eine Ausnahme bildet das „Weltgesellschaft“-

Forschungsprogramm an den Universitäten Darmstadt und Frankfurt, dem es explizit um die Unter-

suchung der sozialen Struktur entgrenzter Räume jenseits der internationalen Staatenwelt geht (vgl.

u.a. Albert u. a. 1996; Albert u. a. 2001; Brock und Albert 1995). Wo in Deutschland empirisch aus

konstruktivistischer Perspektive geforscht wird und wo dabei vor allem auf die Logik der Angemes-

senheit und den konstruktivistischen Institutionalismus Bezug genommen wird, herrscht ansonsten

eine akteurszentrierte Perspektive vor. Dazu zwei Beispiele:

1. Das Forschungsprogramm der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) zu

den „Antinomien des demokratischen Friedens“ (Müller 2002; Hasenclever 2002) bezieht sich

zum Teil explizit auf eine konstruktivistische Perspektive. Dabei geht es dann aber nicht um die

Herausarbeitung des demokratischen Friedens als sozialer Struktur der entwickelten Demokra-

tien der OECD-Welt, sondern um deren vielfältige Brüche. Mit anderen Worten, es geht um die

Herausarbeitung der vielfältigen Varianzen im Verhältnis von Demokratie und Frieden.

2. Die theoriegeleitete Außenpolitikanalyse hat in den 1990er Jahren in Deutschland einen erneu-

ten Aufschwung erlebt, nachdem sie zuvor jahrelang vernachlässigt worden war. Dies betraf

auch und gerade die Untersuchung der deutschen Außenpolitik nach dem Ende des kalten Krie-

ges. Dabei wird zunehmend auf konstruktivistische Ansätze Bezug genommen. So hat die Trie-

rer Forschungsgruppe um Hanns Maull den Zivilmachts-Ansatz inzwischen konstruktivistisch

gewendet und dabei die Bezüge zwischen außenpolitischer Rolle und Identität herausgearbeitet,

um auf diese Weise Kontinuität und Wandel der deutschen Außenpolitik nach der Vereinigung

zu untersuchen (Harnisch und Maull 2001; vgl. auch den Beitrag von Sebastian Harnisch). Das

Tübinger Außenpolitik-Projekt unter der Leitung Volker Rittbergers entwickelte in ähnlicher

Weise eine konstruktivistisch inspirierte Hypothese der Internalisierung internationaler und in-

nenpolitischer Normen und testete sie vergleichend gegen konkurrierende Annahmen – eben-

falls an diversen Sachbereichen der deutschen Außenpolitik nach 1990 (Rittberger 2001).

March und Olsen diskutieren die Logik der Angemessenheit nicht nur als mehr oder weniger unbe-

wusstes Befolgen und Verinnerlichung sozialer Normen durch die Akteure. Normgeleitetes Ver-

halten bezieht sich bei ihnen auch auf Normenkonflikte, soziale Situationen also, in denen Akteure

nicht nur die Handlungssituation definieren, sondern auch herausfinden müssen, welche Normen in

Geltung sind bzw. ob zwischen konkurrierenden Normen ausgewählt werden muss. Nun kann letz-

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teres natürlich auch zweckrational erfolgen. Ich verhalte mich in einem Normenkonflikt gemäß

derjenigen Regel, die meinen Interessen am besten nützt. In diesem Fälle käme der Logik instru-

mentellen Handelns die Priorität über die Logik der Angemessenheit bei der Behandlung und Lö-

sung von Normenkonflikten zu.

Es gibt aber noch einen dritten Handlungsmodus, der in der Theorie von March und Olsen implizit

angesprochen, aber nicht weiter ausgeführt wird: argumentatives oder verständigungsorientiertes

Handeln.5 Damit wären wir bei der „ZIB-Debatte“ als genuin deutschsprachigem Beitrag zur Ausei-

nandersetzung zwischen Rationalismus und Konstruktivismus in den Internationalen Beziehungen

(vgl. vor allem Müller 1994, 1995; Keck 1995, 1997; Schneider 1994; Zangl und Zürn 1996; Jaeger

1996; Müller 1996; Risse-Kappen 1995c; kritisch Zehfuß 1998). Dazu im folgenden mehr!

Die Logik kommunikativen Handelns und die Entwicklung einer konstruktivistischen Ver-

handlungstheorie

Häufig sind sich instrumentell-rationale Akteure über ihre eigenen Interessen im unklaren oder ver-

fügen nicht über ausreichendes Wissen, um ihre Ziele verfolgen zu können. Ebensowenig sind sich

normengeleitete Akteure in allen Fällen darüber im klaren, welche Regel die jeweils angemessene

ist oder gar, ob die jeweilige Norm überhaupt moralisch vertretbar ist. In solchen Situationen bietet

verständigungsorientiertes Handeln einen Ausweg. In theoretischen oder praktischen Diskursen

können Akteure sich über die Situationsdefinition ebenso wie über die „richtigen“ Normen und

Regeln verständigen. Verständigungsorientiertes Handeln (zum theoretischen Hintergrund vgl.

insbesondere Habermas 1981, 1992, 1995) impliziert idealtypischerweise, dass Akteure ihre Inte-

ressen und Handlungsziele hintan- oder gar zur Disposition stellen und sich gegenseitig als gleich-

berechtigt im Kommunikationsprozess anerkennen. Es geht also um die Durchsetzungskraft des

„besseren Arguments“, nicht um die Verwirklichung der eigenen Präferenzen.

Nachdem Harald Müller 1994 die ZIB-Debatte mit einem Generalangriff auf die rationalistische

Institutionenanalyse und deren vermutete Unfähigkeit eröffnet hatte, die „logische Lücke“ zwischen

Kooperationsbedarf und tatsächlichem Zustandekommen internationaler Kooperation zu schließen, 5 Ich bevorzuge den Begriff “argumentatives Handeln” für das gemeinte, weil kommunikatives Handeln allzu leicht mit Kommunikation als solcher verwechselt werden kann. Kommunikation findet aber in allen drei hier diskutierten Handlungsmodi statt.

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gab es anschließend eine mehrjährige Auseinandersetzung in der deutschsprachigen Internationale

Beziehungen (siehe dazu zusammenfassend Risse 2000). Sie konzentrierte sich im wesentlichen auf

zwei Fragestellungen:

1. Ist verständigungsorientiertes Handeln ein empirisch gehaltvolles Konzept zur Analyse

internationaler Beziehungen und Verhandlungen, bei denen es doch meistens um knallhartes

„bargaining“ auf der Grundlage fester Präferenzen der Akteure gehe?

2. Inwieweit sind rationalistische Ansätze in der Lage, Argumentation und kommunikative

Verständigung theoretisch-konzeptionell in den Griff zu bekommen? Stellt die Logik argumen-

tativer Verständigung tatsächlich eine grundsätzliche Handlungsalternative zum zweckorien-

tierten Handeln dar?

Selbstverständlich wurden beide Fragen in der Kontroverse nicht abschließend geklärt oder gar be-

antwortet. Da ich selbst Partei bin, wird man von mir auch kein neutrales Urteil erwarten dürfen.

Aus meiner Sicht hat sich die erste Frage insofern erledigt, als zumindest darüber Einigkeit erzielt

werden konnte, dass sie ohne empirische Forschung nicht zu beantworten sei. Inzwischen sind nati-

onal und international eine Reihe von Forschungsprojekten angelaufen (vgl. z.B. Keohane 2001;

Checkel 2001b; Schimmelfennig 2001; Risse 1999b; Holzinger 2001a, b), die empirisch die Frage

anzugehen versuchen, welche Rolle Argumentation und verständigungsorientiertes Handeln in der

internationalen Politik spielen und welche Wirkungen solches Handeln hat.

Was die zweite Frage angeht, so hat es einige Klärungen und Präzisierungen darüber gegeben, wor-

auf sich denn nun der Streit bezieht und was Scheinprobleme darstellen. Vor allem Zangl und Zürn

haben in der ZIB-Debatte herausgearbeitet, dass „Wissensdiskurse“, bei denen es um die Klärung

empirischer Tatbestände in der Welt und die Verständigung über die Definition der Situation geht,

durchaus mit anspruchsvollen rationalistischen Ansätzen vereinbar sind (Zangl und Zürn 1996).

Auch instrumentell-rationale Akteure haben ein Interesse daran, „to get the facts right“. Verständi-

gung über empirisches Wissen angesichts von Ungewissheit über die Welt und Unsicherheit über

zentrale Fakten, die zur Problembewältigung geklärt werden müssen, stellt für „rational choice“-

Ansätze kein grundsätzliches theoretisches Problem dar. Wenn es in diesem Zusammenhang zu

einer Neubestimmung der eigenen Interessen kommt, weil die Akteure über neue und im Prozeß

argumentativer Verständigung gemeinsam erarbeitete Informationen verfügen, dann ist dies durch-

aus mit rationalistischen Grundannahmen vereinbar.

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Problematisch wird es für instrumentell-strategisches Handeln, wenn es um die Verständigung über

Prinzipien, Normen und Regeln geht, also praktische Diskurse in der Habermasschen Terminologie.

Argumentationsprozesse über moralische Fragen, über die Geltungsgründe von Normen, über Nor-

menkonflikte und die Anwendung von Normen in bestimmten Handlungssituationen implizieren,

dass die Interessen und auch Identitäten der Akteure selbst im Kommunikationsprozeß zur Disposi-

tion stehen. Denn Akteure, die sich auf moralische Diskurse einlassen, gehen immer das Risiko ein,

dass sich ihre eigenen Interessen nicht mehr normativ rechtfertigen lassen. Damit verlassen wir aber

die Logik zweckrationalen Handelns (vgl. NEUES MS: MÜLLER).

Aber können wir in der internationalen Politik davon ausgehen, dass Akteure sich auf einen morali-

schen Diskurs über die Gültigkeit und Rechtfertigung von Prinzipien und Normen einlassen? Diese

Frage kann anhand der Analyse internationaler Verhandlungen untersucht werden, die insofern

„hard cases“ für argumentatives Handeln darstellen, als es hier nicht in erster Linie um die verstän-

digungsorientierte Wahrheitssuche geht, sondern um die Regelung von Kooperationsproblemen in

der Weltgesellschaft.6 D.h., wir können im allgemeinen davon ausgehen, dass die Repräsentanten

der Staaten- wie der Gesellschaftswelt in solchen Verhandlungssystemen zunächst instrumentell

und strategisch motiviert sind. Bei internationalen Verhandlungen geht es nicht um die Geltungsan-

sprüche internationaler Normen, sondern um die Durchsetzung und den Abgleich unterschiedlicher

nationaler Interessen.

Andererseits zeigen die Ergebnisse verschiedener empirischer Projekte, dass reine „bargaining“-Se-

quenzen in internationalen Verhandlungen außerordentlich selten sind. Anders ausgedrückt: Argu-

mentiert wird eigentlich immer (Holzinger 2001b; Müller und Risse 2001). Selbst in

Verhandlungssequenzen, in denen es um nichts anderes geht als um distributive Konflikte und die

Aufteilung eines kleinen „Kuchens“ unter den Akteuren, beobachten wir immer wieder, dass die

Verhandlungspartner versuchen, ihre Positionen mit Argumenten und allgemeinen Rechtfertigungs-

versuchen zu untermauern. Handelt es sich hier um ein soziales Ritual, oder wird unterstellt, dass

die eigenen Interessen mithilfe von Argumenten (statt mit materiellen Anreizen, Drohungen oder

dem Einsatz diverser Machtressourcen) durchgesetzt werden können?

6 In einem von der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekt untersuchten Harald Müller und ich die Rolle argumentativen Handelns in diversen multilateralen Verhandlungen (Müller und Risse 2001; siehe auch das ähnlich gelagerte Projekt am WZB, das Mediationen in innenpolitischen Konflikten untersucht hat und über das Katharina Holzinger berichtet (Holzinger 2001a, b).

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Und wie ist die Allgegenwart von argumentativer Rechtfertigung in diesen Verhandlungssystemen

zu erklären? Zunächst bedeutet der Befund für die Kontroverse um argumentatives Handeln, dass

sich die Perspektive der Untersuchung verschiebt. Es geht nicht mehr darum zu zeigen, dass in der

internationalen Politik argumentiert wird. Das ist nicht strittig. Die Frage ist vielmehr, ob Argu-

mentieren und das Vorbringen von Geltungsgründen irgendeine Wirkung im Verhandlungsprozess

hat. Es könnte sich ja auch um ein Ritual von Verhandlungen handeln, um eine Form symbolischer

Politik.

Hier stehen sich in der Debatte zwei Positionen gegenüber: Frank Schimmelfennig hat das Konzept

rhetorischen Handelns für das Fach Internationale Beziehungen nutzbar gemacht (Schimmelfennig

2000, 2001; i.E.; vgl. ähnlich Holzinger 2001a, b). Instrumentell-strategische Akteure benutzen

Argumente und tragen Rechtfertigungsgründe vor, um die eigenen Interessen und Präferenzen ge-

genüber den Verhandlungspartnern und – soweit vorhanden – vor einer interessierten Öffentlichkeit

zu legitimieren. Im Vordergrund steht die Notwendigkeit, egoistische Präferenzen mithilfe univer-

saler Prinzipien und allgemein anerkannter Normen zu rechtfertigen zu müssen. Begründet wird

dies mit dem Legitimationserfordernis, insofern die Akteure Mitglieder einer (internationalen) Ge-

meinschaft sind, in der bestimmte Prinzipien und Normen gelten. Denn die Notwendigkeit, die ei-

genen Interessen zu legitimieren, entsteht nur dann, wenn man eine normativ integrierte Gesell-

schaft unterstellt – im Falle der internationalen Beziehungen also eine soziale Struktur der internati-

onalen Politik. Rhetorisches Handeln versucht damit einen Brückenschlag zwischen der Logik

zweckrationalen Handelns und der Logik der Angemessenheit.

Demgegenüber halten Harald Müller und ich daran fest, dass auch rhetorisches Handeln nicht nur

der Logik der Angemessenheit unterliegt (dies erscheint unbestritten), sondern auch der Logik ver-

ständigungsorientierten Handelns. Was die Logik der Angemessenheit angeht, so impliziert die

Rede von Legitimation und Legitimität als Grundlage von Rechtfertigungserfordernissen, dass

Schimmelfennigs instrumentell-strategische Akteure eingebettet sind in soziale Zusammenhänge

und Institutionen. Damit definieren diese sozialen Institutionen und normativen Strukturen, wer

welche egoistischen Interessen in der Weltgesellschaft vortragen und rechtfertigen kann. Der sozi-

ale Konstruktivismus spricht in diesem Zusammenhang von konstitutiven Effekten (s. o.).

Hinzu kommt zweierlei: Erstens impliziert diejenige, die überhaupt Gründe zur Legitimation ihrer

egoistischen Interessen vorträgt, dass andere – seien es Verhandlungspartner, sei es eine Zuhörer-

schaft – sich unter Umständen von diesen Argumenten überzeugen lassen. Die rhetorisch Han-

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delnde ist zwar nicht bereit, sich selbst überzeugen zu lassen, will aber andere überzeugen. Ohne

diese Unterstellung wäre es sinnlos, die eigenen Interessen rechtfertigen zu wollen. Mit anderen

Worten, rhetorisches Handeln gelingt nur, wenn die Zuhörerschaft oder die Verhandlungspartner

verständigungsorientiert handeln und grundsätzlich bereit sind, sich vom besseren Argument über-

zeugen zu lassen. Zweitens ist das Vortragen universaler Rechtfertigungsgründe für die rhetorisch

Handelnde nicht ungefährlich (Ms. MÜLLER). Denn wer sein Handeln oder seine Interessen durch

das Vortragen von Gründen zu rechtfertigen versucht, muss sich um der eigenen Glaubwürdigkeit

willen darauf einlassen, dass andere diese Gründe wiederum hinterfragen, Gegenargumente vor-

bringen, den rhetorischen Schein durchschauen usw. Rhetorisch Handelnde müssen zumindest vor-

geben, dass sie sich auf Gegenargumente ernsthaft einlassen. Gegenprobe: Wer das nicht tut, wer in

einer Verhandlungssequenz die eigene Position stereotyp mit den immer gleichen Argumenten

unabhängig von den Einwänden der Verhandlungspartner vorträgt, deren Glaubwürdigkeit als

Verhandlerin leidet zunehmend. Am Ende leidet sogar die Verfolgung der eigenen Interessen dar-

unter, dass sie immer wieder stereotyp vorgetragen werden. Ritualisiertes Argumentieren wird

schnell als das entlarvt, was es ist, argumentatives Handeln ohne Verständigungsbereitschaft. Zu-

sammengefasst bedeutet das, dass rhetorisches Handeln auf die Logik argumentativer Verständi-

gung zurückbezogen bzw. in diese eingebettet ist, und zwar auf beiden Seiten, derjenigen, die rheto-

risch handeln, und der Zuhörerschaft bzw. der Verhandlungspartner. Genau dies meint die Haber-

massche Theorie kommunikativen Handelns, wenn sie von der „idealen Sprechsituation“ nicht als

gesellschaftlicher Utopie, sondern als kontrafaktischer Unterstellung als Voraussetzung gelungener

Verständigung spricht (Habermas 1992, 391).

Ich habe diesen Prozess an anderer Stelle als „argumentative Selbstverstrickung“ bezeichnet (Risse

1999b; siehe auch Risse u. a. 2002). Im Rahmen unserer Untersuchungen zur internationalen Men-

schenrechtspolitik konnten wir empirisch beobachten, dass menschenrechtsverletzende Staaten sich

aus instrumentell-strategischen Gründen auf die Rechtfertigung ihrer Handlungsweisen einlassen,

um beispielsweise mit internationalem, auch materiellen Druck fertig zu werden. Gleichzeitig er-

möglichen sie damit aber ihren Gegnern – zumeist transnationalen Menschenrechtsnetzwerken -,

eine Gegenargumentation aufzubauen, auf die sie wiederum antworten müssen, um ihre Glaubwür-

digkeit nicht zu verlieren. Rhetorik und Gegenrhetorik werden im Zeitverlauf immer detaillierter

(und legalistischer); beide Seiten bewegen sich argumentativ aufeinander zu bzw. präzisieren den

Dissens. Zugleich haben argumentative Zugeständnisse konkrete Folgen für die konkrete Men-

schenrechtspolitik vor Ort. Auch hier ist Reden nicht billig!

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Für die theoretisch-konzeptionelle Durchdringung der Logik argumentativen Handelns bedeutet

das, dass wir – im Unterschied zur Habermasschen Theorie kommunikativen Handelns, zumindest

in ihrer frühen Formulierung (Habermas 1981) – nicht länger Verständigungsbereitschaft als Hand-

lungsorientierung der Akteure unterstellen müssen, damit argumentative Verständigung in Gang

kommt und gelingt. In den von uns untersuchten Fällen – transnationale Auseinandersetzungen um

die Implementierung internationaler Menschenrechtsnormen und multilaterale Verhandlungen –

konnten wir getrost davon ausgehen, dass sich Akteure aus instrumentell-strategischen Gründen auf

Argumentation und das Vortragen von Rechtfertigungsgründen einlassen. Am Anfang steht also

durchaus rhetorisches Handeln im Sinne Schimmelfennigs. Gleichzeitig können wir aber zeigen,

dass dies nicht am Ende eines Verhandlungsprozesses steht, sondern dass es zu einer argumentati-

ven Selbstverstrickung der Akteure kommt, die durchaus mit einer konsensualen Verständigung

enden kann. Dabei werden die ursprünglichen Handlungsorientierungen im Verlauf des Prozesses

immer unerheblicher. Argumentatives Handeln entwickelt eine eigentümliche Eigendynamik, und

zwar unabhängig von den ursprünglichen Motivationen der Akteure.

Für die Erforschung der Rolle kommunikativen Handelns bedeutet das, die Bedingungen herauszu-arbeiten, unter denen argumentatives Handeln den Prozess und das Ergebnis multilateraler Ver-handlungen beeinflusst. Es kann kaum noch darum gehen herauszufinden, ob argumentiert wird, sondern welche Folgen das hat und unter welchen Kontextbedingungen. Damit hat die ZIB-Debatte von den Höhen der Metatheorie inzwischen zur Herausbildung eines theoretisch angeleiteten empi-rischen Forschungsprogramms geführt mit dem Ziel, eine Verhandlungstheorie aus konstruktivisti-scher Perspektive zu entwickeln, die die „bargaining“-Perspektive, aber eben auch andere Hand-lungslogiken einschließt. Entsprechende Untersuchung haben inzwischen zur Formulierung von Hypothesen geführt, die sich einerseits auf den sozialen Kontext der Verhandlungen, andererseits auf den Argumentationsprozess selbst beziehen (vgl. z.B. Checkel 2001b; Johnston 2001;Müller und Risse 2001; Lynch 1999; aus einer etwas anderen theoretischen Perspektive, die vom Konzept der begrenzten Rationalität inspiriert wurde, vgl. auch ODELL NEUES BUCH). Kontext-Hypothe-sen beziehen sich auf das Ausmaß der Institutionalisierung und des normativen Rahmens, in dem die Verhandlungen stattfinden, die Rolle von Öffentlichkeit (Argumentieren im öffentlichen Raum versus „in camera“) und die Problemstruktur (regulative vs. distributive Konflikte). Hypothesen zum Argumentationsprozess selbst beziehen sich zum einen darauf, ob neutrale Sprecher bzw. sol-che mit moralischer Autorität bzw. Expertenwissen effektiver argumentieren können, zum anderen, ob Argumente umso überzeugender wirken, je mehr sie mit den Erfahrungen der Zuhörerschaft bzw. mit vorher akzeptierten Normen und Prinzipien übereinstimmen (Resonanzhypothese).

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Die Debatte um kommunikatives und verständigungsorientiertes Handeln in der internationalen Po-

litik hat damit längst den Raum „reiner“ Theoriebildung verlassen und sich in die Niederungen em-

pirischer Forschung begeben. Wie beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Konzept rhetori-

schen Handelns zeigt, lassen sich auf der Ebene der Handlungstheorie durchaus Übergänge zwi-

schen rationalistischen und konstruktivistischen Ansätzen aufzeigen, ohne die Unterschiede zwi-

schen beiden zu verwischen. Auf weitere mögliche Brückenschläge zwischen Rationalismus und

Konstruktivismus soll im folgenden verwiesen werden.

Brückenschläge zwischen Konstruktivismus und Rationalismus

Die bisherigen Ausführungen haben zu zeigen versucht, dass sich konstruktivistisch inspirierte For-

schung auch in der deutschsprachigen Diskussion der Internationalen Beziehungen nicht mehr auf

metatheoretische und konzeptionelle Fragen beschränkt, sondern zur Herausbildung von theoriege-

leiteten empirischen Forschungsprogrammen geführt hat, die sich mit konkreten Rätseln in der Welt

der internationalen Politik beschäftigen. Dabei zeigt sich, dass analytische Kategorien und Hand-

lungslogiken, die auf der theoretischen Ebene strikt auseinanderzuhalten sind (wie etwa die drei

oben diskutieren Logiken), in der empirischen Wirklichkeit durchaus nicht immer klar voneinander

zu trennen sind bzw. ineinander verschränkt vorkommen. Dies wurde schon bei der Erörterung von

kommunikativem Handeln zwischen rhetorischer Argumentation und argumentativer Verständi-

gung deutlich. Ähnliches gilt für den Zusammenhang zwischen der Logik instrumenteller Rationa-

lität und der Logik der Angemessenheit. Wenn wir beispielsweise davon ausgehen, dass der

Wunsch nach sozialer Anerkennung ein menschliches Grundbedürfnis darstellt, dann müßte regel-

geleitetes Verhalten die Nutzenfunktionen auch instrumentell rationaler Akteure beeinflussen. Rati-

onalistische Theorien könnten dann modellieren, unter welchen Bedingungen der Wunsch nach so-

zialer Anerkennung (und damit die Befolgung sozialer Normen) höher bewertet wird als die Maxi-

mierung eng gefaßter egoistischer Präferenzen, und umgekehrt. Konstruktivisten würden an dieser

Stelle einwenden, dass das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung letztlich mit dem methodologi-

schen Indidividualismus von „rational choice“ nur schwer vereinbar ist, sondern einen homo socio-

logicus unterstellt, den in soziale Zusammenhänge und Strukturen eingebetteten Akteur. Die Logik

der Angemessenheit würde dann die Kosten-Nutzen-Kalküle zweckrationaler Akteure beeinflussen,

indem sie zuallererst definiert, was „Kosten“ und was sozialverträgliche „Nutzen“ konstituieren.

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Dazu im folgenden einige Überlegungen mit dem Ziel, Brückenschläge zwischen rationalistischen

und konstruktivistischen Herangehensweisen aufzuzeigen (vgl. auch den Beitrag von Antje Wie-

ner). Allerdings sind die theoretischen Voraussetzungen solcher Brückenschläge deutlich zu ma-

chen.7 Metatheoretisch ausgedrückt bewegen sich die Brückenschläge auf der Ebene

handlungstheoretischer Versionen des sozialen Konstruktivismus und damit auf einem Territorium,

auf dem sich auch die Logik rationaler Wahl bewegt. Dabei insistieren Konstruktivisten darauf,

dass es noch andere Handlungslogiken gibt als diejenige instrumentell-strategischen Handelns und

dass weder die Logik der Angemessenheit noch die Logik argumentativer Verständigung mit dem

methodologischen Individualismus von „rational choice“ vereinbar sind. Denn die Logik der An-

gemessenheit stellt die handlungstheoretische Konsequenz aus der konstitutiven Eingebundenheit

von Akteuren in Gesellschaft dar, während die Logik argumentativen Handelns auf die ebenfalls

konstitutive intersubjektive Qualität von Verständigung verweist (dazu schon Kratochwil und Rug-

gie 1986). Allerdings fällt es dem sozialen Konstruktivismus leichter als „rational choice“-Ansät-

zen, den Brückenschlag zur rationalistischen Handlungslogik instrumentell-strategischen Handelns

zu betreiben. Denn mit dem ontologischen „middle ground“ des Konstruktivismus (Adler 1997,

2002) ist zweckrationales Handeln durchaus vereinbar, wohingegen es „rational choice“-Ansätzen

schwerer fallen dürfte, die Logik der Angemessenheit bzw. verständigungsorientierten Handelns zu

theoritisieren, ohne den Grundsatz des methodologischen Individualismus zu verletzen.

Der Dialog zwischen Rationalismus und Konstruktivismus wird sehr viel schwieriger, wenn wir

strukturtheoretische Varianten des Konstruktivismus einbeziehen. Und zwar weniger aus episte-

mologischen Gründen („Positivismus“-Streit), sondern aufgrund letztlich inkompatibler ontologi-

scher Positionen. Für die diskurstheoretische Variante einer Theorie von Kommunikation ist bei-

spielsweise die oben referierte Debatte zwischen den Vertretern rhetorischen Handelns und denje-

nigen eines Habermasschen Ansatzes argumentativer Verständigung kaum nachvollziehbar. Danach

sind Akteure in Sprachspiele und Diskurse sozial eingebunden, die wiederum Kontexte von Macht

und Herrschaft darstellen. Die Unterscheidung zwischen rhetorischem Handeln als Gebrauch von

Argumenten zur Durchsetzung der eigenen Interessen und argumentativen Handeln mit dem Ziel

der Verständigung wird sinnlos, weil sie auf einer handlungstheoretischen Ebene angesiedelt ist und

damit Diskurs als soziale Struktur von Sprechakten aus dem Blickfeld verliert (vgl. dazu Zehfuss

1998, 2002; Diez 2001; ähnlich auch Laffey und Weldes 1997; Milliken 1999; Weldes u. a. 1999).

7 Zum folgenden verdanke ich wichtige Hinweise Stefano Guzzini, Gunilla Fincke und Silke Weinlich.

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Daher im folgenden die Konzentration auf die handlungstheoretische Ebene! Ich arbeite mich an

drei Themen ab, die Rationalisten und Konstruktivisten in den letzten Jahren diskutiert haben, näm-

lich das Verständnis konstitutiver und regulativer Normen, die Frage nach der Sozialisation von

Akteuren in internationale Normen und die Bedeutung kollektiver Identitäten in der internationalen

Politik.

Konstitutive und regulative Wirkungen internationaler Normen

Wie oben betont, heben rationalistische Institutionalisten vor allem die regulativen Wirkungen in-

ternationaler Normen hervor. Internationale Institutionen beeinflussen das Verhalten von Akteuren

und ihre Wahlmöglichkeiten im Sinne von Kosten-Nutzen-Kalkülen. Mit diesem Institutionen-

verständnis ist vereinbar, dass internationale Normen die Strategien oder Politiken von Akteuren

beeinflussen, mit denen sie ihre – exogen vorgegebenen Ziele – erreichen wollen. Je mehr hingegen

institutionelle Arrangements sich auf die zugrundelegenden Ziele, Interessen und Identitäten der

Akteure auswirken, desto eher geht es um konstitutive Effekte. Hier betreten wir allmählich das

Territorium des konstruktivistischen Institutionalismus. Viele Autoren interpretieren nach wie vor

die wesentliche Differenz zwischen rationalistischem und konstruktivistisch/soziologischem Insti-

tutionalismus dahingehend, dass letzterer die zugrundeliegenden Interessen und Ziele der Akteure

(„preferences over outcomes“) sowie ihre Identitäten endogenisiert (DiMaggio und Powell 1991, 9;

Thelen und Steinmo 1992, 8).

Wenn dem so wäre, dann könnte sich eine einfache Arbeitsteilung zwischen Rationalismus und

Konstruktivismus bei der Analyse internationaler Institutionen herausbilden. Konstruktivisten

müssten die Präferenzen und Identitäten der Akteure erklären, die dann in die Nutzenkalküle ein-

fließen, aufgrund derer sie handeln. Für letztere wären rationalistische Institutionalisten zuständig

(so ähnlich auch Zangl und Zürn 1996). Dass es nicht so einfach ist, zeigt schon die

Auseinandersetzung um argumentatives Handeln. Denn verständigungsorientiertes Handeln bezieht

sich auf einen Interaktionsmodus, bei dem Präferenzen nicht länger als fix angenommen werden

können. Auch die Logik der Angemessenheit geht über konstitutive Effekte auf Akteurspräferenzen

und –identitäten hinaus und impliziert Auswirkungen konstitutiver Normen auf das konkreten Ver-

halten. Die Arbeitsteilung zwischen Rationalismus und Konstruktivismus läßt sich so einfach nicht

bewerkstelligen.

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Andererseits ist es schwierig, zwischen den regulatorischen und den konstitutiven Wirkungen inter-

nationaler Normen trennscharf zu unterscheiden. Nina Tannenwald hat z. B. darauf hingewiesen,

dass viele soziale Normen sowohl konstitutieren als auch regulieren (Tannenwald 1999, 437). Wie

oben erwähnt, regulieren Menschenrechtsnormen nicht nur das Verhalten von Regierungen gegen-

über ihren Staatsbürger/innen, sie definieren gleichzeitig, was es heisst, ein „ordentliches Mitglied

der zivilisierten Staatengemeinschaft“ zu sein. Folterstaaten gehören einfach nicht mehr zur zivili-

sierten Staatengemeinschaft. Aber woher wissen wir, was konstitutive Effekte internationaler Nor-

men sind und worin unterscheiden sie sich von deren regulativen Wirkungen? Soziale Konstrukti-

visten haben bisher noch kaum empirisch gehaltvolle Indikatoren entwickelt, um konstitutive Wir-

kungen von Normen feststellen zu können. Wenn alles konstituiert, wird der Begriff inhaltsleer.

Nicht jede internationale Norm beeinflusst die Identität der Akteure. Regeleinhaltung hilft bei der

Unterscheidung zwischen konstitutiven und regulativen Aspekten internationaler Normen auch

nicht weiter, denn es ist nicht klar, warum konstitutive Normen eher eingehalten werden sollten als

regulative. Krasners Studie zur Souveränität als „organisierter Heuchelei“ argumentiert beispiels-

weise, dass konstitutive Aspekte der Souveränitätsnorm von der Normeinhaltung entkoppelt seien,

da die Souveränitätsnorm in der Geschichte so häufig verletzt wurde (Krasner 1999). Wenn man

soziologischen Institutionalisten folgt, die die Entkopplung von Normanerkennung als Grundvor-

aussetzung gesellschaftlicher Integration einerseits und Normeinhaltung als pragmatischem Ent-

scheidungsverhalten der Akteure andererseits betonen (z.B. Meyer und Rowen 1991, 58), dann

könnte man sogar argumentieren, dass es gerade konstitutive Normen sind, die im praktischen Ver-

halten eher verletzt werden. Und zwar deshalb, weil ihre primäre Funktion gar nicht darin besteht,

das menschliche Zusammenleben zu regeln, sondern einen geteilten Bedeutungszusammenhang in

einer Gesellschaft zu konstitutieren.

Die konstruktivistische Forschung über internationale Beziehungen hat bisher wenig zur empiri-

schen Indikatorenbildung über konstitutive Wirkungen internationaler Normen beigetragen (siehe

aber Biersteker u.a. zur Diskussion um Souveränität, Biersteker 2002, Biersteker und Weber 1996,

Cronin, Hall, Adler-Barnett und moderne Vertreter der „englischen Schule“ zu transnationalen Ge-

meinschaften, Cronin 1999; Hall 1999; Adler und Barnett 1998; Brown 2001; Dunne 1995, 1998).

Aus diesen Ansätzen ergibt sich zumindest der Hinweis auf die kommunikativen Praktiken der Ak-

teure, um herauszufinden, ob internationale Normen in erster Linie regulieren oder Akteursinteres-

sen und –identitäten konstitutieren. Je stärker Akteure sich auf die jeweilige Norm beziehen, um

sich im Verhältnis zu anderen Akteuren zu beschreiben und zu definieren und je stärker diese

Selbstverständnisse von der relevanten Gemeinschaft (Staatenwelt oder Gesellschaftswelt) geteilt

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werden, auf die sich Akteure beziehen, desto eher haben wir vermutlich konstitutive Normen aufge-

spürt. Je weniger Akteure in ihren kommunikativen Praktiken ein instrumentelles Verhältnis zu in-

ternationalen Normen an den Tag legen, desto eher geht es wohl um deren konstitutive Wirkungen

(vgl. auch Schimmelfennigs Studie zur EU- und NATO-Osterweiterung, Schimmelfennig forthco-

ming). Dies lässt sich vor allem dann untersuchen, wenn Akteure mit dem Vorwurf der Normverlet-

zung konfrontiert werden. Aber diese allgemeine Hinweise müssen dringend präzisiert werden, um

zu einer empirisch tragfähigen Erforschung konstitutiver Normen zu gelangen.

Sozialisation

FRAGE AN DIE HERAUSGEBER: SOLL ICH MICH HIERZU ÜBERHAUPT ÄUßERN AN-

GESICHTS DES BEITRAGS VON FS? WENN’S PLATZPROBLEME GIBT, KANN DIESER

TEIL GESTRICHEN WERDEN.

Eng verbunden mit der Frage nach den konstitutiven Wirkungen ist die Frage nach der Sozialisation

von Akteuren in internationale Normen hinein (vgl. auch den Beitrag von Frank Schimmelfennig).

Sozialisierungsprozesse, allgemein verstanden als die Einführung neuer Mitglieder in eine beste-

hende (internationale) Gesellschaft und deren institutionellen Regeln, sind so etwas wie ein Para-

dethema der handlungstheoretisch orientierten konstruktivistischen Internationale Beziehungen-

Forschung geworden (vgl. z.B. Checkel 1999, 2001b; Schimmelfennig 1994). Für die Internationale

Beziehungen-Forschung geht es hier vor allem um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen

Mitglieder der internationalen Gesellschaft (Staaten und private Akteure) internationale Normen

internalisieren, d.h. sich „zu eigen“ machen und letztendlich sich an diese Normen halten. Soziali-

sationsprozesse in der Weltgesellschaft haben also eine kognitive und eine Verhaltenskomponente.

Die meisten konstruktivistischen Ansätze gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass Verhal-

tensänderungen im Sinne der habituellen Normeinhaltung („compliance“) zwar das gewünschte

Ergebnis von Sozialisationsprozessen darstellen, dass dauerhafte Normeinhaltung aber ohne ein

Mindestmaß an Internalisierung und Institutionalisierung der Normen durch die Akteure kaum aus-

kommen wird. Allerdings ist vielfach umstritten, was eigentlich mit „Internalisierung“ gemeint ist.

Drei Verständnisse von innenpolitischer Internalisierung von internationalen Normen können unter-

schieden werden:

1. Es kann um die Institutionalisierung der Normen in die nationalen Rechtssysteme bzw. die

Verfahrensvorschriften („standing operating procedures“) nationaler Bürokratien gehen. EU-

Recht, aber auch die meisten völkerrechtlichen Verträge werden routinemäßig in nationales

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Recht transponiert. Diese innenpolitische Institutionalisierung ist eine notwendige Bedingung

der faktischen Normeinhaltung, insofern letztere dann nicht mehr an Überzeugungsprozesse in-

dividueller Akteure gebunden ist. Wenn das Folterverbot in die SOPs nationaler Polizeien ein-

gegangen ist, wird die Überzeugung einzelner Polizisten über die Richtigkeit des Verbots irrele-

vant. Erforderlich ist einzig und allein das Wissen um die Bedeutung der Norm.

2. Letzterer Punkt verweist auf eine kognitive Komponente der Norminternalisierung, die gleich-

sam als Mindestvoraussetzung der Normeinhaltung aufgefasst werden kann. Akteure müssen

um die jeweils gültige „Logik der Angemessenheit“ wissen, d.h. sie müssen die internationalen

Normen soweit internalisiert haben, dass sie zumindest darüber Bescheid wissen, was in einer

bestimmten Verhaltenssituation von ihnen erwartet wird.

3. Davon zu unterscheiden ist die Normeinhaltung aufgrund individuellen Glaubens in die Richtig-

keit der jeweiligen internationalen Normen. Die konstruktivistisch-inspirierte Internationale Be-

ziehungen-Forschung hat dies lange Zeit zum Hauptkriterium für Norminternalisierung ge-

macht. Von soziologischer Seite wurde dies dahingehend kritisiert, dass die normative Integra-

tion einer Gesellschaft nicht erfordert, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Normen und Re-

geln für richtig zu halten haben, die sie befolgen. Es genügt völlig, dass Individuen über das

Handlungswissen verfügen, was in einer bestimmten Situation von ihnen erwartet wird (dazu

Jepperson 2000).

Welche Mechanismen kennzeichnen nun einen Sozialisiationsprozess? Checkel unterscheidet hier

zwischen Sozialisation über die häufige Interaktion mit Mitgliedern einer Gruppe oder Gemein-

schaft (Kontakthypothese), Lern- und Überzeugungsprozessen sowie diversen Anreizstrukturen

(Checkel 2001b). Die beiden ersteren Mechanismen seien eher mit konstruktivistischen Annahmen

vereinbar, die Betonung von sozialen Anreizen sowie materiellen wie immateriellen Sanktionen

entspreche rationalistischen Konzepten. Wenn man davon ausgeht, dass alle drei Mechanismen für

die erfolgreiche Sozialisation internationaler Normen erforderlich sind, ist der Brückenschlag zwi-

schen Konstruktivismus und Rationalismus hier bereits angelegt.

Allerdings wäre weiter zu spezifizieren, wie die diversen Mechanismen aufeinander bezogen sind.

Ein Vorschlag liegt mit dem „Spiralmodell“ der innenpolitischen Internalisierung internationaler

Menschenrechtsnormen vor (Risse u. a. 2002, Risse u. a. 1999b). Das Spiralmodell versucht, die

Mechanismen der kommunikativen Lern- und Überzeugungsprozesse, der instrumentellen Anpas-

sung an Anreize und Bestrafungen und der Institutionalisierung von Normen in einem Konzept zu-

sammenzufassen. Dieses Konzept beruht auf einer sequentiellen Logik, in der „rationalistische“

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Mechanismen vor allem in frühen Phasen des Sozialisiationsprozesse vorherrschen, wohingegen

später „konstruktivistische“ Triebkräfte dominieren. Eine ähnliche sequentielle Logik liegt bei dem

Versuch von Finnemore und Sikkink vor, die Entstehung internationaler Normen und die Entwick-

lung einer Normkaskade zu erklären (Finnemore und Sikkink 1998). Auch Schimmelfennigs Arbei-

ten zur EU- und NATO-Osterweiterung beruhen auf einer sequentiellen Logik, allerdings steht hier

am Anfang die Logik der Angemessenheit, aufgrund derer die konstitutiven Normen der internatio-

nalen Gemeinschaft – hier EU und NATO – von den Akteuren internalisiert werden. Im weiteren

Verlauf verhalten sich die Akteure strategisch-instrumentell zu diesen kollektiv geteilten Normen,

und es gelingt ihnen durch rhetorisches Handeln, ihre Ziele durchzusetzen (Schimmelfennig 2000,

2001, forthcoming; vgl. auch die Diskussion bei Schimmelfennig in desse Beitrag).

Mir scheint, dass die zukünftige Forschung über Sozialisationsprozesse in den internationalen Be-

ziehungen sich auf die (Weiter-) Entwicklung solcher komplexen Modelle konzentrieren sollte, um

die verschiedenen Handlungslogiken zu integrieren und die Übergangspunkte genauer zu spezifizie-

ren.

Kollektive Identitäten

Auch das Thema kollektiver Identitäten hat sich zu einem Paradethema konstruktivistischer For-

schung der Internationalen Beziehungen entwickelt (vor allem angestossen durch Wendts Arbeiten,

siehe Wendt 1996, 1999). Aber auch hier wäre es verfehlt, „rational choice“-Annahmen gleichsam

per definition aus der Untersuchung der Entstehung wie der Wirkung kollektiver Identitäten in der

internationalen Politik auszuschliessen. An diesem Beispiel läßt sich ein weiterer theoretischer

Brückenschlag zwischen Rationalismus und Konstruktivismus aufzeigen, was die Beziehung der

von beiden Meta-Theorien betonten Handlungslogiken angeht. March und Olsen haben in diesem

Zusammenhang darauf verwiesen, dass eine „klare [Handlungs] Logik über eine unklare dominiere“

(March und Olsen 1998, 952): „Wenn Präferenzen und ihre Konsequenzen präzise sind und

Identitäten oder ihre Regeln ambivalent, dann dürfte eine Logik der Zweckrationalität [consequenti-

alism] wichtiger sein.“ Und umgekehrt.

Am Beispiel kollektiver Identitäten und ihrer Rolle in der internationalen Politik läßt sich dies gut

verdeutlichen. Zwar sind kollektive Identitäten per definitionem soziale Konstruktionen (auch und

gerade solche, die sich als primordiale gerieren). Das bedeutet aber keineswegs, dass nutzenmaxi-

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mierende Akteuren sie nicht für ihre Zwecke manipulieren können – im Sinne von strategischen

Konstruktionen (Finnemore und Sikkink 1998). So läßt sich beispielsweise zeigen, dass ethno-

nationalistische Identitäten häufig von Machteliten manipuliert werden zum Zwecke der eigenen

Herrschaftssicherung. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen, in denen kollek-

tive Identitäten umstritten, also unklar sind, gelingt es Machteliten häufig, über strategische Identi-

tätskonstruktionen den eigenen Herrschaftsanspruch zu festigen und politische Anhängerschaft zu

mobilisieren – bis hin zu ethno-nationalistischen Kriegen (vgl. dazu die hervorragende Diskussion

bei Fearon und Laitin 2000). Ex-Jugoslawien ist das wohl herausragendste Beispiel für das Ausnut-

zen solcher Mechanismen in der jüngsten europäischen Geschichte. Der theoretische Punkt ist, dass

in diesem Fall eine klare Logik (der Präferenzen von Herrschaftseliten) eine ambivalente Logik

(unklare und in die Krise geratene kollektive Identitäten) dominiert hat.

Natürlich können auch Machteliten kollektive Identitäten nicht gleichsam freischwebend manipulie-

ren. Aus der Analyse von Handlungsrahmen („frames“) wissen wir (Gamson 1992), dass neue „fra-

mes“ – und dazu gehören auch Identitätskonstruktionen – nicht einfach aus dem Nichts konstruiert

werden können, sondern an bestehende Resonanzstrukturen angepasst werden müssen. Aber dies

läßt Machteliten immer noch großen Raum für Manipulationen, weil sich in den historischen My-

then einer Gesellschaft jeweils Anknüpfungspunkte für höchst unterschiedliche Identitätskonstruk-

tionen finden lassen.

Bei der Untersuchung kollektiver Identitäten läßt sich auch der umgekehrte Mechanismus zeigen.

Wenn die eigenen Interessen und Präferenzen unklar sind, die kollektiven Identitäten aber klar,

dann triumphiert die Logik der Angemessenheit. Die Geschichte des Euros ist hierfür ein gutes Bei-

spiel (vgl. Risse u. a. 1999a; ähnlich könnte man auch die EU-Osterweiterung interpretieren, zumin-

dest was die Grundsatzentscheidungen der EU angeht, vgl. Schimmelfennig 2000): Weder für

Großbritannien noch für die Bundesrepublik läßt sich die Frage Anfang der 90er Jahre eindeutig

beantworten, ob die gemeinsame Währung den ökonomischen Interessen des Landes eher nützt

oder schadet. Auch die machtpolitischen Präferenzen beider Länder in Europa ließen hier keine ein-

deutige Antwort zu (Beispiel: Nutzt es der deutschen Machtstellung in Europa, wenn man als größte

Ökonomie über die EZB die gemeinsame Währung steuern kann? Oder schadet es im Vergleich zu

einer Situation, in der die nur der deutschen monetären Stabilität verpflichtete Bundesbank de facto

europäische Zentralbank ist?) Die kollektiven Identitäten der politischen Eliten beider Länder zu

diesem Zeitpunkt waren dagegen recht klar (europäisches Deutschland vs. europa-skeptisches Eng-

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land). Die gegenläufigen Positionen beider Länder lassen sich daher recht plausibel über die unter-

schiedlichen kollektiven Identitäten erklären.

Der Fall Italien ist ähnlich gelagert: Hier gelang es einer Gruppe von Finanz- und politischen Eliten,

die italienische Europabegeisterung („entrare l’Europa“) als Mechanismus auszunutzen, um jede

innenpolitische Opposition gegen die Reform der öffentlichen Finanzen (als Eintrittskarte zur

WWU) zum Schweigen zu bringen (Sbragia 2001). In diesem letzteren Fall ist der Zusammenhang

zwischen „konstruktivistischen“ und „rationalistischen“ Handlungslogiken sogar noch komplizier-

ter: Stabile Präferenzen einer Elitengruppe bei unklaren Präferenzen, aber konsensualer kollektiver

Identität der italienischen Gesellschaft!

Bei der konkreten empirischen Forschung der Bedeutung kollektiver Identitäten in der internatio-

nalen und nationalen Politik stellt sich also heraus, dass die von unterschiedlichen Metatheorien

thematisierten Handlungslogiken entweder zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Tragen kommen

(sequentielle Logik) oder dass eine klare Logik über eine unklare dominiert. Auch hier gilt, dass die

künftige Forschung im Fach Internationale Beziehungen in Deutschland die meta-theoretischen

Grabenkämpfe überwinden und sich präziser um die jeweiligen Übergänge zwischen den diversen

Handlungslogiken kümmern sollte.

Schlußfolgerungen

Die Kernaussagen dieses Beitrags lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

1. Bei der Auseinandersetzung zwischen (zweck-)rationalistischen und konstruktivistischen Ansät-

zen der Internationalen Beziehungen geht es weder um substantielle Theoriebildung der inter-

nationalen Politik noch um Epistemologie oder gar Methodologie. Vielmehr ist die entschei-

dende Differenz zwischen beiden Paradigmen auf der ontologischen Ebene angesiedelt, nämlich

bei der Bestimmung des Verhältnisses von Struktur und Akteur sowie des Verhältnisses von re-

gulativen und konstitutiven Wirkungen sozialer Normen und Strukturen. Handlungstheoretisch

ausgedrückt thematisieren „rational choice“ und sozialer Konstruktivismus unterschiedliche Lo-

gik sozialen Handeln. Dabei lassen sich die Logiken instrumentell-strategischen, normangemes-

senen und verständigungsorientieren Handelns idealtypisch voneinander unterscheiden.

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2. Der wichtigste Beitrag der deutschsprachigen Theoriediskussion zur Auseinandersetzung zwi-

schen „rational choice“ und Konstruktivismus besteht wohl in der Klärung des Verhältnisses

von argumentativem oder verständigungsorientierem Handeln einerseits und zweckrationalem

Handeln andererseits (die „ZIB“-Debatte). Diese Debatte hat inzwischen die Ebene des meta-

theoretischen Prinzipienstreits verlassen und sich in die Niederungen empirischer Forschung

begeben. Dabei zeichnet sich in Umrissen die Entwicklung einer konstruktivistischen Verhand-

lungstheorie ab, die Elemente aller drei Handlungslogiken zu integrieren versucht.

3. Ähnliche Brückenschläge zwischen rationalistischen und konstruktivistischen Ansätzen werden

im Rahmen der Weiterentwicklung liberaler und institutionalistischer Theorien der internatio-

nalen Beziehungen versucht. Dabei geht es um die Erforschung der Entstehung aber auch der

Wirkungen internationaler Normen, von Sozialisationsprozessen in der internationalen Politik

und in internationalen Institutionen und Organisationen, sowie um die Untersuchung kollektiver

Identitäten und ihrer Wirkungen auf internationale Politik. Der deutschsprachige Beitrag zu die-

ser Diskussion besteht vor allem in der Wiederbelebung einer theoriegeleiteten Außenpolitik-

Forschung, die sich konstruktivistische Annahmen und Vorgehensweisen bei der Analyse der

deutschen Außenpolitik zunutze macht. Schließlich hat die Debatte um das Regieren jenseits

des Nationalstaates – „global governance“ – dazu geführt, das verstärkt auf konstruktivistische

Beiträge zurückgegriffen wird.

Es wird also empirisch in der Tat nichts so heiß gegessen, wie es (handlungs-) theoretisch gekocht

wurde. Wer konkrete Rätsel der internationalen Politik untersuchen will – von den zentralen und

seit dem 11.9.2001 wieder die Debatte beherrschenden Themen von Krieg und Frieden über die in-

ternationalen Wirtschaftsbeziehungen (vgl. dazu LEANDER-AUFSATZ) zur internationalen Men-

schenrechts- und Umweltpolitik, den interessieren (meta-) theoretische Diskussionen im allgemei-

nen weniger. Die ForscherInnengemeinschaft – auch in Deutschland – muss sich darüber im klaren

sein, dass Theoriediskussionen sinnlos werden, wenn sie nicht mehr an konkrete empirische Fragen

zurückgebunden sind. Der deutschsprachige „mainstream“ im Fach Internationale Beziehungen hat

sich inzwischen mehr oder weniger am Postulat theoriegeleiteter empirischer Forschung orientiert.

Die oben angedeuteten Brückenschläge zwischen „rational choice“ und Konstruktivismus verfolgen

den Zweck, solchen Untersuchungen theoretische Hilfestellungen anzudeuten.

Allerdings geht es mir nicht um eine theoretische „Friede, Freude, Eierkuchen“-Perspektive. Einem

moderaten Sozialkonstruktivismus, wie er in diesem Beitrag vertreten wurde, fällt es naturgemäß

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leichter als „rational choice“-Ansätzen einerseits und radikaleren Vertretern des Sozialkonstrukti-

vismus andererseits, Brückenschläge zu den jeweils anderen theoretischen Perspektiven zu betrei-

ben. Denn erstens argumentiert diese Perspektive stark akteursorientiert und handlungstheoretisch,

so dass die Debatte mit „rational choice“ einfacher möglicher ist als aus der Perspektiver von eher

strukturzentrierten und insbesondere diskurstheoretischen Varianten des Sozialkonstruktivismus.

Zweitens hat ein moderater Sozialkonstruktivismus nur wenige Probleme, die Logik instrumentell-

strategischen Handelns einzubetten in eine allgemeine Handlungstheorie, die dann solche sozialen

Situationen spezifiziert, in denen strategisches Handeln sozial angemessen ist. Umgekehrt dürfte es

dem „rational choice“-Paradigma schwerer fallen, die Logiken der Angemessenheit bzw. des ver-

ständigungsorientierten Handeln theoretisch in den Griff zu bekommen, ohne die eigenen ontologi-

schen Ausgangspunkte – etwa den methodologischen Individualismus – zu verletzen. Aber darüber

kann man sich ja dann streiten.

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