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Kontakt auf Kristan

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Nr. 1920

Kontakt auf Kristan

Intrigen auf der Handelswelt - siekämpfen um die Terra-Technik

von Hubert Haensel

Seit Perry Rhodan im Jahr 1288 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - das entsprichtdem Jahr 4875 alter Zelt - die mysteriöse Brücke in die Unendlichkeil betreten hat,wurde der Terraner In Ereignisse von großer Bedeutung verwickelt. Mit seinem lang-jährigen Freund Reginald Bull geriet er beispielsweise in die Galaxis Plantagoo undkonnte dort gerade noch im letzten Moment einen galaktischen Krieg eindämmen.

Reisen in andere Regionen des Kosmos sowie Besuche auf der Erde machtenPerry Rhodan eines klar: Die Menschheit steht erneut im Spannungsfeld kosmischerMächte, muß zum wiederholten Mal in einem Konflikt mitwirken, von dem sie bislangnicht einmal etwas ahnte.

Die eine Seite dieses Konfliktes ist mittlerweile bekannt: Es ist die Koalition Thore-gon, die für den Frieden im Kosmos und die Freiheit des einzelnen eintritt. Zur Koali-tion gehören sechs verschiedene Völker in verschiedenen Galaxien - und eines die-ser Völker sind neuerdings die Terraner.

Über den Gegenspieler weiß man jedoch nicht soviel. Bekannt ist bislang nur, daßein Wesen namens Shabazza als sein Handlanger großes Unheil über mehrere Ga-laxien gebracht hat, auch über die heimatliche Milchstraße.

Um Shabazzas Aktivitäten zu stoppen, muß Rhodan, der neuerdings als SechsterBote von Thoregon »eingesetzt« wurde, zuerst sein alles Raumschiff, die SOL, zu-rückerobern. Die Reise führt In die WhirIpool-Galaxis - und dort kommt es zum KON-TAKT AUF KRISTAN …

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Die Hautpersonen des Romans:Vurtoon und Teiskoll - Zwei Agenten der Hamaraden werden an verschiedenen Fronten aktiv.Stendal Navajo - Der Bürgermeister der Nation Alashan fürchtet die Entdeckung.Perry Rhodan - Der Terraner geht auf der Freihandelswelt auf Erkundung.Ska Kijathe - Die Systemanalytikerin bricht in ein Netzwerk ein.Eismer Störmengord - Der Goldner interessiert sich für eine Hochleistungs - Positronik.

1.Eastside von DaGlausch

4. März 1290 NGZ

Auf den Bildschirmen der optischen Zie-lerfassung wurde das Tsk-Mutterschiff deut-licher. Mit höchsten Beschleunigungswertenversuchten die Insektoiden, den Verfolgernzu entkommen - sie würden es nicht schaf-fen, das war abzusehen.

Vurtoon glotzte auf die Anzeige, die inrasch wechselnden Symbolen die schrump-fende Distanz zu dem deutlich größerenRaumer der Tsk wiedergab. Nur noch dreiMindesteinheiten bis zur sicheren Schußdi-stanz.

»Die Enterkommandos ausschleusen !Vorgehen wie gewöhnlich. Aber wir wollenweder Gefangene noch andere Beute, son-dern einzig und allein das neue Aggregat,und das unbeschädigt und mit den Bauplä-nen!«

Vurtoons Sprungbein zuckte. Der Hama-raden-Agent kratzte sich ziemlich ungeniert,während er die wulstigen Lippen in einerArt und Weise verzog, die dem verächtli-chen Grinsen eines Terraners gleichgekom-men wäre. Das Tampa-Konsortium würdenicht lange Freude an dem MehrzweckorterZZ-89 haben.

Ein ineinander verschachteltes Gewirr ei-förmiger Blasen, so präsentierte sich dasTsk-Mutterschiff. Das Licht der nahen rotenSonne und der Schattenwurf verwandeltendas Ziel in ein bizarres Gebilde.

Vurtoons Finger klatschten auf die Feuer-kontrollen Ein leichtes Flirren über beidenBugspitzen der BEBENZORN, mehr war imnormalen Erfassungsbereich nicht zu erken-nen, erst im Ziel vereinten sich die Waffen-

strahlen in einer aufwallenden roten Woge,die dem Schutzschirm der Tsk Energien ent-zog.

Gleichzeitig starteten die Angriffsjäger.Eine Dreißiger-Einheit. Keines der ovalenBoote wurde durch das Abwehrfeuer derTsk gefährdet.

Die zweite Dreißiger-Staffel jagte hinausin den Raum.

»Die Tsk senden wider Erwarten keinenNotruf«, kam die Meldung der Funkzentrale.

Glaubten die Insektoiden, mit dem ver-gleichsweise kleinen Angreifer selbst fertigzu werden? Ein solcher Irrtum konnte töd-lich für sie sein. Oder ahnten sie, daß derÜberfall ausschließlich der fremden Technikgalt, und sie wollten vermeiden, daß einNotruf weitere Beutejäger auf den Plan rief?

Über die Ereignisse auf dem Planeten Kri-stan war Vurtoon soweit informiert, wie esfür seinen Auftrag wichtig war. Er wußte,daß ein fremdes kugelförmiges Raumschiffauf der Handelswelt gelandet war und des-sen Besatzung eine technische Meisterlei-stung zum Verkauf angeboten hatte, ebenden ZZ-89, ein winziges Gerät, das Hyperor-tung bis zu 450 Lichtjahren Entfernung mitnormal lichtschneller Tastung vereinte. DieVermarktung versprach hohen Profit. Unterdiesen Voraussetzungen erschien es nichtverwunderlich, daß außer dem Vertreter desHamaraden-Reiches auch das Tampa-Konsortium, die Guaranteka sowie zahlrei-che andere Gruppen versucht hatten, mit denAnbietern handelseinig zu werden.

Das Konsortium hatte den Zuschlag erhal-ten - und Vurtoons Auftrag lautete schlichtund einfach, eine kleine Korrektur vorzu-nehmen. Die Tsk, die Kristan vor eineinhalbTagen mit dem Prototyp und den Plänenverlassen hatten, durften ihr Ziel nicht errei-

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chen.Der Schutzschirm des Mutterschiffs brach

soeben in mehreren Sektoren zusammen,flackernde Energieschleier verwehten imAll. Beim Versuch, in die Strukturlücke ein-zufliegen, wurden drei Angriffsjäger ver-nichtet - Vurtoon registrierte es ohne jedeRegung.

Niemand würde die Hamaraden mit die-sem Überfall in Verbindung bringen. EinSchiff wie die BEBENZORN war keinemVolk der Eastside von DaGlausch zuzuord-nen. Es hatte seltsamen dürren Kreaturen ge-hört, deren Heimatsystem in Bebenhaft ge-fallen war. Auf der Flucht vor den hype-renergetischen Stoßfronten hatten die weni-gen Flüchtlinge auch noch das letzte verlo-ren, was ihnen bis dahin geblieben war,denn sie hatten ausgerechnet in einem zumHamaraden-Reich gehörenden Sonnensy-stem Zuflucht gesucht.

Im Intervalltakt feuerten die Buggeschüt-ze der BEBENZORN und fegten denflackernden Schutzschirm des Tsk-Mutterschiffs vollends davon. Gierig stürz-ten sich die Jäger auf die eiförmigen Schiffs-segmente …

»Distanzortung«, erklang es aufgeregt.»Mehrere Einheiten verlassen in unmittelba-rer Nähe den Zwischenraum.«

Vurtoon reagierte nicht sofort. Erst als dieoptische Wiedergabe umsprang und einzweites großes Tsk-Mutterschiff sowie sie-ben oder acht andere Raumer zeigte, die sichrasch näherten, brüllte er wütend auf.

Deshalb also hatten die Tsk keinen Notrufausgestrahlt: Sie waren im Verband geflo-gen und hatten genau gewußt, daß Hilfe ein-treffen würde.

»Die Übermacht ist zu groß. Wir könnennicht standhalten …«

Zwei neue Sonnen flammten auf - Jäger,die im Feuer der zum Tampa-Konsortiumgehörenden Schiffe verglühten. Gleichzeitighämmerten die ersten Strahleschüsse in denSchutzschirm der BEBENZORN.

Die Situation hatte sich schlagartig verän-dert. Selbst wenn die Enterkommandos es

schafften, in das Mutterschiff einzudringen,der Rückweg würde ihnen auf jeden Fallverwehrt sein. Und die Gefahr einer Identifi-kation durch die Tsk wuchs ins Unermeßli-che. Widerwillig gab Vurtoon den Impulszum Abbruch der Aktion.

Weitere Jäger fielen den Tampa-Einheitenzum Opfer. Auch die BEBENZORN wurdehärter attackiert. Sie feuerte mittlerweile ausallen Projektoren; die Chance, den Gegnernzu entkommen, wurde mit jeder Zeiteinheitgeringer.

Vurtoon ließ die Störminen ausstoßen -eine Technik der Dürren, die alle bekanntenNavigationssysteme lahmlegte. Die Minenzogen winzige Leuchtspuren durch dieSchwärze des Alls, während sie sich selbstverzehrten.

Die Tsk mußten jetzt irrsinnige Werte aufden Schirmen haben, denn ihr Feuer wurdeunkontrolliert und ziellos. Aber auch die Jä-ger waren von Systemausfällen betroffen.Nur wenige schafften es noch einzuschleu-sen, andere kollidierten und vergingen in ei-ner Serie von Explosionen.

Unmittelbar vor dem Übertritt der BE-BENZORN in den Zwischenraum loste Vur-toon den allgemeinen Vernichtungsimpulsaus. Was an Jägern draußen war, wurde vonden eigenen Waffensystemen atomisiert.Nichts blieb zurück, was auf Hamaradenschließen ließ.

Auf einen solchen Fehlschlag war Vur-toon nicht vorbereitet gewesen Währendsein Schiff mit zigtausendfacher Lichtge-schwindigkeit ziellos durch das übergeord-nete Kontinuum raste, tauchte er sein Kha-ram ins Wasserbecken und benetzte die aus-getrocknete Schuppenhaut mit dem beleben-den Naß. Er fühlte sich erst wieder wohler,als er das feuchte Tuch in den Nacken legenkonnte.

Eine Chance war verspielt, aber anderewürden kommen. Daß er wertvolles Materialverloren hatte, zählte weitaus schwerer. Nurhatte Vurtoon sich noch nie von einem Fehl-schlag aufhalten lassen.

4 Hubert Haensel

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*Freihandelswelt Kristan

13. März 1290 NGZ

Ein dumpfes Gurgeln drang aus der Tiefeherauf. Noch ehe Teiskoll sich über die Ur-sache der seltsamen Geräusche klarwerdenkonnte, brach der Boden auf.

Fünf Schritte vor dem Hamaraden schiendas Erdreich zu explodieren. In einer gewal-tigen Eruption schleuderte eine schwefelgel-be Wolke Sand und Geröll in die Höhe. DieLuft war erfüllt von ohrenbetäubendem Fau-chen und Zischen.

Augenblicke später prasselte der Dreckwieder herab. Schmerzhafte Schläge zwan-gen Teiskoll, den Kopf schützend unter denArmen zu verbergen. Dennoch verzichtete erdarauf, seinen individuellen Schutzschirmzu aktivieren, die Streustrahlung hätte ihnund seine Hamun verraten.

Der Ausbruch endete ebenso abrupt, wieer begonnen hatte. Nur das Fauchen derschweflig gelben Gase blieb. Es stank er-bärmlich nach faulen Eiern und anderen un-angenehmen Dingen, und die wogendenDunstschleier schienen das Land erstickenzu wollen.

Schemenhaft torkelten Teiskolls Männerdurch den Nebel. Einer kam auf ihn zu, eswar Tjirak - Teiskoll erkannte ihn erst, als erunmittelbar vor ihm stand.

»Morgaram ist tot.«Ausgeschlossen. Morgaram war einer der

besten Kämpfer, so ein Mann starb nichteinfach …

»Er kauerte neben mir, als die Eruptionkam«, fuhr Tjirak fort. »Der Ausbruch hatihm den halben Schädel weggerissen.«

Also waren sie nur noch fünf. Gegen einevermutlich doppelt so große Zahl der letztenGuaranteka. Teiskoll schmatzte leise, umseine Entschlossenheit auszudrücken.

»Wir greifen an wie geplant.«Der Klang der eigenen Stimme erschreck-

te ihn. Der Schwefeldampf verätzte seineSchleimhäute; bald würde er Blut spucken,

wenn er nicht rechtzeitig dieser gelben Hölleentkam.

Weiter. Tjirak an seiner Seite hantiertemit dem Energiescanner. Die Anzeigen wa-ren deutlicher geworden, hinter dem näch-sten Hügel lag der Unterschlupf der Guaran-teka.

Kristalline Strukturen zersplitterten bei je-dem Schritt, eine dicke Schwefelschichtüberzog die vorhin noch grünen Pflanzen,die sich schlangengleich über den Boden ge-wunden hatten. Teiskoll hatte Kristan niegemocht, diese Welt, die als vierter vonneun Planeten die Sonne Kromsoe umkrei-ste. Alle anderen Planeten waren entwederGasriesen, Gluthöllen oder zu ewigem Eiserstarrt.

Dieser verdammte Schwefel in der Luft… Teiskoll zwang sich, flach zu atmen, eineHand hatte er ohnehin längst vor den Mundgepreßt. Er fühlte sich inwendig wund,glaubte aber zu spüren, wie Heilsekrete sei-ne Luftrohre hinabliefen.

Kristans Atmosphäre war oft durchsetztmit übelriechenden Beimengungen, die einscharfer Wind übers Land trug. Daß als ein-ziger der in gemäßigten Breiten liegendeKontinent Babosa bewohnt war, mochte dar-an liegen - von den anderen Festlandmassenhieß es, sie verwandelten sich zu bestimm-ten Jahreszeiten in wahre Giftküchen.

Bilder vor seinem inneren Auge: Düster-nis, die sich wie ein Leichentuch aus derHöhe herabsenkte … Nebelschwaden, ge-spenstisch erhellt von heftigen Gewittern inder unteren Atmosphäre …

Zwei kräftige Fäuste hielten Teiskoll zu-rück. »Gefahr!« raunte Tjirak.

Eine Induktionsspirale war im Boden ver-legt. Der Scanner zeigte nur die winzigenLeiterstränge an, doch keinerlei Energiefluß;der würde erst aktiviert werden, sobald eingrößeres Lebewesen die unsichtbare Grenzeüberschritt.

Unendlich vorsichtig trugen die Hamara-den den Sand ab. Erst nachdem die Über-brückungen angebracht waren, die in einemfaustgroßen Gleichrichter endeten, durch-

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trennte Tjirak die Spirale.Gesichter … schemenhafte Gestalten Sie

quälten Teiskoll. Immer öfter sah er sie inletzter Zeit in seinen Traumen, inzwischensogar, wenn er wach war.

Keine Ahnung, wer sie waren - noch nicht-, aber irgendwie hatten diese Gesichter einebesondere Bedeutung für ihn … Er sah ihreweit aufgerissenen Augen und erkannte dieTodesfurcht darin …

Eine Hand umklammerte seinen Mund, erschlug instinktiv zu, streckte seinen Gegnermit einem Fußtritt zu Boden und setzte nach- Tjirak streckte die Arme zur Seite und öff-nete den Mund zum Zeichen seiner Kapitu-lation.

»Greif mich nie wieder an, nie wieder!«herrschte Teiskoll seinen unmittelbaren Un-tergebenen an.

Tjiraks wulstige breite Lippen zucktenleicht. »Dann verrate mir endlich, was mitdir los ist, Teiskoll«, stieß er abgehackt her-vor.

»Mit mir? Nichts! - Absolut nichts.« DerHamarade vollführte eine entschieden ableh-nende Geste. Nur noch fünfzig Sprünge vor-aus lag das Versteck der Guaranteka …

»Du hast plötzlich am ganzen Leib gezit-tert, Teiskoll, und du warst im Begriff, los-zuschreien. Ich mußte dich daran hindern.«

»Unsinn!« Teiskoll wandte sich um. »Wirgreifen an!«

Doch die Unsicherheit nagte in ihm. Jehartnäckiger er versuchte, sie zu vertreiben,desto mehr bedrängten und quälten ihn diefremden Gesichter.

Verschwindet! herrschte er sie in Gedan-ken an. Ich brauche euch nicht!

Vorübergehend war da wieder die Norma-lität. Tjirak öffnete den Zugang zum Bunkerder Guaranteka, er brauchte nur wenige Ein-heiten dazu.

Eine unbeleuchtete Rampe führte schrägabwärts. Sie war leer. »Keine weiteren Fal-len«, verkündete Tjirak. »Wir sind …«

Er starb im Feuer automatischer Waffen,in dem Augenblick, in dem er sich auf dieRampe schwang. Wahrscheinlich blieb ihm

nicht einmal die Zeit zu begreifen, was mitihm geschah.

Dann stürmten die Hamun-Agenten vor-wärts. Ihre Strahlschüsse schalteten die Ab-wehrwaffen aus; Guaranteka, die sich ihnenentgegenstellten, wurden niedergekämpft.Jetzt zeigte sich die Überlegenheit der Ha-maraden, die zwar nicht mehr das Überra-schungsmoment auf ihrer Seite hatten, wohlaber ihre körperliche Konstitution. Gewalti-ge Sprünge, bis zu zehn Meter weit, ließensie die Korridore der Station in Windeseiledurchqueren.

Sie machten keine Gefangenen, strecktendie Gegner nieder, wo immer sie ihrer an-sichtig wurden.

Längst war die Sonne hinter wogendemDunst verschwunden. Bedrohlich dieSchwärze, die sich aus der Hohe herabsenk-te, ein rotierender Rüssel, von gewaltigenenergetischen Entladungen umflossen …

Mit verheerender Wucht fegte der Orkandurch die Straßen der Stadt, er wirbelte so-gar schwere Fahrzeuge vor sich her. Dannpeitschte der Regen heftig herab.

Inmitten dieses tobenden Chaos standTeiskoll, geduckt und die Arme weit ausge-streckt. »Komm schon!« brüllte er, obwohlder Sturm ihm die Worte von den Lippen rißund sie ungehört verwehte. »Lauf!«

Realität und Phantasie verwischten sich.Teiskoll starrte in ein fremdes Gesicht undhatte Mühe, sich zurechtzufinden. Schwerwog die Waffe in seiner Hand, er riß dieMündung herum und feuerte wieder.

Eine der befreiten Geiseln hetzte auf ihnzu, hatte endlich begriffen, daß ihre einzigeChance dann lag, sich hinter die Hamun inSicherheit zu bringen.

Teiskolls Schuß traf den Guaranteka, dereben auf den Gefangenen anlegte, konnteaber nicht mehr verhindern, daß auch derGegner schoß. Der scharf gebündelte Glut-strahl fraß sich in den Rücken des Fliehen-den …

Blitze zuckte in ununterbrochener Folgeüber den Himmel.

Vor ihm ein regloser Körper … Schmer-

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zen und tiefe Trauer durchfluteten Teiskoll.Die Geisel starb. Teiskoll ließ sich lang-

sam neben ihr auf die Knie sinken, hielt nurdas Sprungbein angezogen für den Fall, daßer sofort reagieren mußte.

Zögernd streckte er die Hand aus. Wie inseinem Traum …

Er schloß die Augen, sah wieder diesesfremde Gesicht vor sich - fremd und dochseltsam vertraut, beinahe wie ein Stück vonihm.

Es war das Gesicht einer Frau, das ihn inseinen Träumen verfolgte. Ihre Lippen öff-neten sich, doch er verstand nicht, was siesagte.

Ein Strahlschuß tötete sie.Der Mörder stand neben ihm. Teiskoll

brauchte nur die Hand auszustrecken, umihn festzuhalten. Warum tat er es nicht?

Er reagierte verwirrt. Auch die Geisel wartot. Aber andere hatten sich retten können.

»Wir sprengen den Stützpunkt!« befahlTeiskoll den überlebenden Hamun. »Undjetzt raus hier!«

Die Luft war nicht mehr ganz so schwef-lig, als sie die Anlage verließen. Es dauertenur kurze Zeit, bis die Gleiter erschienen,mit denen sie an der Küste gelandet waren.

Hinter ihnen verwandelte sich der Bunkerder Guaranteka in einen glutflüssigen See.Damit war ein Kapitel in der Geschichte desPlaneten endgültig abgeschlossen.

*Eastside von DaGlausch

27. März 1290 NGZ

Vurtoon hatte sich gelbgrün verfärbt, zu-dem trat Schweiß zwischen seinen Schuppenhervor und ließ sie bedrohlich glänzen. Waser eben in einer Werbesendung des Tampa-Konsortiums empfangen hatte, erfüllte ihnmit Zorn.

Auf zwei Welten fertigte das Konsortiuminzwischen das fremdartige Gerät in Sehe,aber der Preis für das einzelne Aggregat wartrotzdem schwindelerregend hoch In derWerbung wurde nicht mehr der nichtssagen-

de Name ZZ-89 benutzt, vielmehr war voneinem revolutionären neuen Ortersystem dieRede, das sich speziell für den Einbau inKleinraumschiffe eignete.

»Rechtmäßig steht uns dieses Gerät zu!«dröhnte Vurtoon im Brustton der Überzeu-gung. »Dann wäre es in guten Händen undwürde nicht jedem dahergelaufenen Volkverkauft werden.«

Er dachte an einen Aufmarsch vonKampfschiffen. Wer diesen Orter besaß,dem war es möglich. Angriffsformationenrechtzeitig zu erkennen und Abwehrmaß-nahmen zu treffen.

Fünf Lichtjahre vom HandelsplanetenLeilanz XI entfernt wartete die BEBEN-ZORN im Ortungsschutz einer kleinen Son-ne, deren Planeten unbedeutende kahle Fels-wüsten waren. Zwei Asteroidengürtel ließenvermuten, daß dieses System vor Jahrtausen-den von einer Bebenzone gestreift wordenwar.

Vor drei Hamarad-Tagen hatte Vurtoonden Befehl erhalten, einen Neubau desMehrzweckorters zu beschaffen. Bessernoch, mehrere Exemplare. Ein Team hoch-karätiger Wissenschaftler stand bereit, dieAggregate auseinanderzunehmen, um ihreFunktionsweise zu ergründen und einen ei-genen Nachbau zu ermöglichen. Die Anwei-sung hatte offen gelassen, wie die ZZ-89 zubeschaffen seien; nur die absolute Dringlich-keit war deutlich geworden.

»Wir könnten die Orter käuflich beschaf-fen«, hatte der Erste Offizier verlauten las-sen. Es hatte ein Scherz sein sollen, dochVurtoon war für eine solche Art Humornicht empfänglich.

»Kaufen ist das letzte, was wir tun wer-den!« hatte der Agent den Raumfahrer ange-brüllt. »Nicht eine Miro-Einheit geben wirdafür aus!«

Ein Mittelsmann war auf Leilanz XI abge-setzt worden, und seither wartete die BE-BENZORN im sonnennahen Orbit auf dasvereinbarte Signal. Als es endlich eintraf,verriet die Dechiffrierung, daß ein Schiff derChii-Yik auf direktem Heimatkurs flog.

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Die dürren, glashäutigen Achtbeiner wa-ren Gewohnheitstiere. Keiner wußte, wohersie wirklich kamen, doch ihre Handelsschif-fe benutzten stets dieselben markanten Son-nen für ihre Orientierungsmanöver - Sterne,deren Spektrum besonders hohe Anteile vonKalzium und mehreren Metallen aufwies,aber nur einen geringen Prozentsatz Wasser-stoff.

Zweihundertunddreißig Lichtjahre vonLeilanz XI entfernt in Richtung Kessel be-fand sich ein solcher Stern. Die BEBEN-ZORN erreichte ihn zwei Stunden vor denChii-Yik.

Vurtoon hatte seine Vorbereitungen schonkurz nach dem Rücksturz abgeschlossen.Zwei der letzten Jäger opferte er, um dievermeintliche Havarie glaubhaft erscheinenzu lassen; die erwartete Beute war weit mehrals diesen Einsatz wert.

Die Chii-Yik verließen den Linearraumlediglich acht Lichtminuten entfernt. Natür-lich empfingen sie den auf Hyperfrequenzausgestrahlten Notruf, aber sie antwortetennicht.

»Keine Reaktion«, stellte der Erste Offi-zier der BEBENZORN überrascht fest. »Siebeschleunigen schon wieder für den näch-sten Zwischenraumeintritt.«

Chii-Yik galten als neugierig und hilfsbe-reit zugleich. Beides Eigenschaften, die siein den Augen der kriegerischen Hamaradenverwundbar machten. Nur diesmal schienendie Achtbeiner sich darüber hinwegzusetzen.

»Sie gleiten uns durch die Finger. Wirmüssen angreifen.«

»Abwarten!« bestimmte Vurtoon. Das fi-ligran wirkende Schiff war noch zu weit ent-fernt, die Chancen für einen erfolgreichenAngriff waren entsprechend vage.

Dann verschwand das Schiff von denSchirmen …

… und tauchte nur noch 120.000 Kilome-ter entfernt wieder auf. Langsam kam es nä-her.

»Wir registrieren aktive Impulse.«Vurtoon verzog die Lippen zu einer ge-

ringschätzigen Grimasse Die Chii-Yik wa-

ren vorsichtig, konnten selbst jetzt noch miteinem überraschenden Manöver ihr Heil ineiner schnellen Flucht suchen.

Allerdings würden sie nichts orten, wasArgwohn weckte. Die peripheren Energie-verbraucher waren lahmgelegt, die Waffen-systeme von der Versorgung abgekoppelt,sogar der Hypersender wurde mit jedem Au-genblick schwächer. Distanz noch fünfzig-tausend … »Worauf warten wir?« drängteder Erste Offizier.

»Darauf, daß uns die Beute nicht mehrentkommt «

Bei einer Distanz von zwanzigtausend Ki-lometern schleusten die Chii-Yik ein Bei-boot aus. Ihre Vorsicht bereitete VurtoonMagengrimmen. Die BEBENZORN mußteblitzartig zuschlagen, denn Chii-Yik-Schiffewaren dafür bekannt, daß sie schon bei ge-ringer Geschwindigkeit in den Zwischen-raum überwechseln konnten.

»Ruhende Energie auf die Waffensyste-me!«

Fünf oder sechs Minimai-Einheiten noch.Vurtoons Finger senkten sich auf die Tast-felder der Zielerfassung und die Feuerleit-kontrolle. In der Optik war ein hell leuchten-der winziger Stern zu sehen, das kleine Bei-boot wurde von der Sonne voll angestrahlt.

Entfernung schätzungsweise noch knapphundert Kilometer.

»Ruhende Energie aktivieren!« Alle Bild-schirme und Monitoren flammten auf. Zu-gleich setzte das Summen der Luftumwäl-zung wieder ein.

Vurtoon schaltete die Zielerfassung. Le-diglich um dreieinhalb Bogengrad lag dasFiligranschiff neben dem Zentrum. »Jetzt! -Feuer!«

Zwanzigtausend Kilometer entfernt zer-fetzte der Thermoschuß die Trägerkonstruk-tion des Steuerbordtriebwerks und ließ sieaufglühen. Ausströmende hochverdichteteStützmasse entzündete sich mehrere hundertMeter neben dem Schiff.

Die BEBENZORN drehte den Chii-Yikentgegen. Ein zweiter Schuß verwandeltedas fliehende Beiboot in ein Wrack, das der

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Sonne entgegenstürzte. Wer immer dort drü-ben an Bord und vielleicht noch am Lebenwar, Vurtoon dachte nicht daran, seinetwe-gen eine Rettungsaktion zu starten. Wichtigwar allein das Filigranschiff, dessen Besat-zung wohl alle Hände voll damit zu tun hat-te, das Leck im Stützmassetank zu schlie-ßen. Offenbar hatte sich der Druck verrin-gert, denn die Flammen loderten bereits be-drohlich nahe an der aufgerissenen Bord-wand.

Noch immer keine Gegenwehr. Der An-griff mußte die Chii-Yik völlig überraschthaben »Filigranschiff im Traktorstrahl ver-ankert!« meldete der Erste Offizier.

Vurtoon gehörte selbst zu dem Enterkom-mando, das wenig später in den fremdenRaumer eindrang. Sie fanden lediglich drei-ßig verstörte Achtfüßer vor, die sie in einemLaderaum zusammentrieben, um das Schiffungestört durchsuchen zu können. Abernichts außer dem Orterneubau, einem Wür-fel von neunzig Zentimetern Kantenlänge,erschien interessant genug, sich damit zu be-fassen.

Mehrere Sprengsätze zerstörten die Ein-richtung der Funkzentrale und die Haupt-kontrollen. Das Schiff würde sich nie mehraus eigener Kraft bewegen können - davonabgesehen war es der Sonne schon nahe ge-nug, um in wenigen Tagen zu verglühen.

Vurtoon spürte weder Bedauern nochMitleid mit den Chii-Yik Er hatte einen Be-fehl ausgeführt und einen Fehler einigerma-ßen wieder ausgebügelt. Das allem zähltefür ihn.

2.Nation Alashan. Thorrtimer- System

4 April 1290 NGZ

Sie saßen einander gegenüber, dennochvermied es jeder geflissentlich, dem anderenin die Augen zu schauen. Die Wand zwi-schen ihnen, in ihren Köpfen aufgerichtet,war deutlich zu spüren - obwohl sie sich ge-troffen hatten, um gemeinsam Stein fürStein abzutragen. Vor kurzem hätten sie es

fast geschafft, so etwas wie Partner zu wer-den, doch dann hatten einige Kleinigkeitenihre Gegensätze wieder aufbrechen lassen.

Bedächtig drehte Gia de Moleon das Glas,in dem grün der Vurguzz schimmerte. Ruck-artig hob die Leiterin des Terranischen Liga-Dienstes den Kopf. Wer sie nicht kannte,mochte die auf dem Mars geborene Frau füreine liebenswerte, alternde Dame halten, dieinzwischen die Einhundertunddreißig über-schritten hatte. Ihr Haar war angegraut, ihreHaltung leicht gebeugt, und die unauffälliggraue Kleidung paßte sich dem blassen Teintan. Doch in ihren braunen Augen loderte un-gezähmte Energie, als sie ihr Gegenüber mitihrem Blick zu durchbohren schien.

»Warum trinkst du nicht. Stendal?« fuhrsie den Mann herausfordernd an. »Der Vor-rat reicht, bis wir nach Terra zurückkehrenkönnen.«

Stendal Navajo schüttelte den Kopf. Starrerwiderte er ihren Blick, hob dann aberruckartig sein Glas und trank den Vurguzzin einem Zug.

»Nicht weil du es mir befohlen hast. Gia«,sagte er. »sondern weil ich jetzt einen gutenSchluck gebraucht habe.«

Seit dem l. Februar war Navajo gewählterBürgermeister der Nation Alashan. Gia hattewährend des Wahlkampfs und auch danachmit ihrer schlechten Meinung über ihn nichthinter dem Berg gehalten. Sie waren keineFeinde deshalb, aber das Verhältnis zwi-schen ihnen knisterte vor Spannung.

Stendal Navajo preßte seine ohnehinschon dünnen Lippen zusammen. Die Ha-kennase und das strenge Gesicht mit dendichten Augenbrauen wirkten wie verstei-nert.

Das Gesicht eines Raubvogels, der nachBeute sucht, schoß es Gia durch den Sinn.Sie ärgerte sich über solche Gedanken, diediskriminierend waren und keineswegs zursachlichen Diskussion beitrugen, doch indieser Hinsicht schaffte sie es nicht, über ih-ren eigenen Schatten zu springen. Zu tief saßder Ärger über Stendals Wahl in ihr.

Wenigstens hatte er diesen gräßlichen

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schwarzen Zylinder abgenommen und nebensich auf den freien Stuhl gelegt. Der Zylin-der sowie das frackartige und ebenfallsschwarze Kleidungsstück, das er für ge-wöhnlich trug, ließen ihn wie ei nen altterra-nischen Totengräber erscheinen. Das gefielihr nicht. Die wenigsten Terraner wußtenheute noch, was ein Totengräber war - aberGia de Moleon kannte solche Einzelheitender Geschichte.

»Wie soll es weitergehen?« fragte sie lei-se. »Alashan gehört nicht in diese Galaxis,nicht auf diese Welt und …«

Stendal Navajo ignorierte ihre Worte. Erbestellte einen zweiten Vurguzz. »Am be-sten gleich die Flasche!« rief er dem Robo-ter hinterher. »Ich ertrage heute keine oppor-tunistische Schönfärberei.«

In seiner Ehrlichkeit war Navajo oft ver-letzend. Er merkte es nicht einmal.

Bis vor der Wahl hatte Stendal als zurück-haltender Sonderling gegolten, so kannte sieihn auch als ehemaligen TLD-Agenten imRessort Einsatzplanung. Daß er mit nichteinmal 45 Jahren aus dem aktiven Dienstausgeschieden war, um sich nur seinemHobby zu widmen, der Taubenzucht, hattesie ebenfalls nie verstanden. Im Augenblickwurden die Volieren von zwei Haushaltsro-botern gepflegt.

Gias Plan, mit den renovierten und mitselbstgebauten Raumschiffen den Abgrundvon 23.5 Millionen Lichtjahren zur Milch-straße zu überwinden, hielt er für ein reinesSelbstmordkommando. Stendal diskutiertenicht einmal darüber. Sein erklärtes Zielwar, die Nation Alashan zu einem sicherenOrt zu machen, an dem alle in Ruhe undFrieden leben konnten.

»Erkennst du wirklich nicht, wie vieleAlashaner darunter leiden, daß sie vonFreunden und Verwandten getrennt sind?«platzte Gia de Moleon heraus.

»Alles ist relativ«, antwortete er. »An die-se Situation müssen wir uns gewöhnen. DerTod wäre schlimmer.«

»Sag bitte nicht, daß du dich mit dieserEinstellung auch noch als der große Wohltä-

ter fühlst«, fuhr Gia de Moleon auf. »Dasbist du nämlich nicht.«

Stendal grinste herausfordernd. »Hast dumich hierhergebeten, um mir das zu sagen?Das hättest du einfacher haben können.«

Gias Blick schweifte ab. Vor dem Kos-mosKlub, der früheren Terrania-Bar, pul-sierte der Gleiterverkehr. Wäre der Himmelüber Thorrim nicht ein wenig intensiver blaugewesen als auf der guten alten Erde, manhätte glauben können, alles sei wie immer.

Aber draußen wurde mit Hochdruck gear-beitet. Roboterkolonnen, Menschen undThorrimer hatten vor Wochen damit begon-nen, Alashan zu tarnen In den syntronischenSimulationen war die Stadt längst als orien-talisch anmutende Siedlung am Rande vonZortengaam zu sehen, scheinbar natürlichgewachsen und nicht mehr das wie mit demLineal gezogene rechteckige Areal von drei-ßig mal zwanzig Kilometern des ehemaligenFaktorelements. Aus dem All war Alashanin der bisherigen Form sofort als Fremdkör-per zu identifizieren.

Gia drehte ihr Glas, während der Robotereine volle Flasche auf den Tisch stellte.Stendals süffisantes Lächeln erinnerte siedaran, weshalb ihr Gegenüber im Jahr 1285NGZ aus dem TLD ausgeschieden war. Na-vajo vertrat überzeugt die Meinung, sie hättein der Milchstraße mindestens ebenso vieleBrände entfacht wie mit riskanten Agentene-insätzen wieder gelöscht. Was die Situationin Alashan anbetraf, schien er genau dassel-be zu denken wie damals.

Gia war nahe daran, aufzustehen und zugehen. Nur gönnte sie Navajo diesen Tri-umph nicht. Außerdem war der Anstoß zudiesem Treffen im KosmosKlub von ihr aus-gegangen.

»Hatten wir nicht vor, miteinander zu re-den?« erinnerte Stendal. »Oder wollen wiruns lieber anschwei …?«

Mitten im Wort brach er ab, auf seinerStirn erschien eine steile Sorgenfalte.Gleichzeitig legte er einen Finger auf den inseinem Gehörgang steckenden Empfänger.

»Raumalarm!« stieß er hervor.

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Gia de Moleon erhielt zeitgleich die ent-sprechende Warnung aus dem TLD-Tower.

In viereinhalb Lichtstunden Entfernungwar ein nicht identifiziertes Raumschiff ma-terialisiert.

Dscherro? Oder wieder ein merkwürdigesSchiff in der Art, mit dem Alaska Saedelaereverschwunden war?

Masseanalyse und energetischer Printwiesen Ähnlichkeiten mit den Räumern derGehörnten auf. Auf geradlinigem Kurs, aberoffenbar im freien Fall drang das Schiff indie Randzone des Thorrtimer-Systems ein.

»Bislang kein Versuch einer Kontaktauf-nahme«, wurde gemeldet.

Zehn Minuten nach der ersten Ortung in-formierte Stendal Navajo den Statthalter JarMakromeer im Zentralpalast von Zorten-gaam. Mittlerweile führte Stendal seineAmtsgeschäfte von einem Verwaltungsge-bäude nahe der Octavian-Anlage aus, gingaber dennoch gelegentlich in den TLD-Tower. Der mehr als zwei Kilometer tief inden Boden reichende Turm war groß genug,daß Gia und er sich nicht ständig über denWeg liefen.

Allen optimistischen Voraussagen zumTrotz war die ALVAREZ, in Hangar D desLandefelds am Tower, noch nicht flugfähig.Und die GOOD HOPE III wurde erst inzwei bis drei Tagen zurückerwartet.

Hartnäckig schwieg das fremde Raum-schiff Wie eine stumme Drohung hing esdraußen im All und näherte sich mit knappfünf Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

»Wenn sie nicht blind und taub sind, müs-sen sie unsere Ortungsimpulse registriert ha-ben.«

»Weshalb reagieren sie dann nicht?«Gia de Moleon zuckte mit den Achseln.

»Sie warten. Vielleicht auf Verstärkung.Aber wenn sie angreifen, dann …«

»Das werden sie nicht tun«, behaupteteNavajo.

»Wie lange inzwischen?«»Dreiundvierzig Minuten.«Es machte wenig Sinn, die Space-Jets in

den Raum zu schicken. Die zehn für Polizei-

aufgaben zur Verfügung stehenden Diskus-schiffe waren ohnehin nur einfach licht-schnell Abgesehen davon stellten sie so et-was wie eine letzte Verteidigung in Plane-tennähe dar. Gia de Moleon ärgerte sichnach wie vor, da man im TLD-Tower nicht»richtig« schwere Waffen besaß - aber da-mit, daß die Alashaner mitsamt dem TLD-Tower plötzlich ohne die terranische Sy-stemverteidigung auskommen mußten, hatteja niemand rechnen können.

»Die Dscherro-Boliden schrecken jedenab«, behauptete der Bürgermeister im Brust-ton der Überzeugung.

Leider war es so gut wie unmöglich, dieSchiffe, die zur fliegenden Burg GOU-SHARAN gehört hatten, zu übernehmen undin den Einsatz zu schicken - obwohl es im-merhin gelungen war, mit ihrer Hilfe dieHorde des Taka Hossos zu vertreiben Aberein solcher Gewaltakt gemeinsamer An-strengung von Menschen und Thorrimern,aus der nackten Not heraus geboren, ließsich schwerlich wiederholen.

»Das ist das Problem«, sagte Gia de Mo-leon. »Und du verschwendest alle Energiedarauf, aus alten Schiffen neue bauen zu las-sen, anstelle …« Sie wurde unterbrochen.

Zwei weitere unbekannte Raumer mate-rialisierten am Rand des Sonnensystems.Die Meldungen überschlugen sich.

*

Alle energetischen Systeme, soweit nichtfür lebensnotwendige Zwecke benötigt, wur-den zurückgefahren. Die automatische Fa-brik, von der Besatzung der GOOD HOPEIII vor beinahe fünf Wochen gegen denMehrzweckorter ZZ-89 und dessen Kon-struktionspläne eingetauscht, stellte aus Si-cherheitsgründen die Fertigung ein In dreiSchichten arbeiteten inzwischen rund um dieUhr tausend Personen an der Herstellungtechnischer Kleinode, die in DaGlausch rei-ßenden Absatz fanden. Mit dem Verkauffertiger Güter war größerer Profit zu erwirt-schaften als mit der Preisgabe von Bauplä-

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nen. Außerdem lag es nicht im Interesse derNation Alashan, daß ihr technisches Know-how in dieser von Unruhe geprägten Galaxiszum Standard wurde.

Die rege fließenden Einnahmen hattenden Kauf einer zweiten Fabrik ermöglicht,die in wenigen Tagen ebenfalls die Produkti-on aufnehmen sollte.

Nur eine wirksame Verteidigung warnoch nicht auf die Beine gestellt. Da dieFaktordampf-Barriere nicht mehr existierte,gab es für Alashan keinen Ortungs- undSichtschutz. Und bis die ersten Transform-geschütze gebaut werden konnten, würdennoch Monate vergehen.

Während Gia de Moleon Alashan in denZustand energetischer »Verdunkelung« ver-setzte, suchte Stendal Navajo König CornMarkee auf, um von ihm die Bereitstellungzweier Schiffe zu erbitten. Anders ließ sichnicht herausfinden, wer an der Grenze desSystems erschienen war.

»Fremde kommen und gehen«, argumen-tierte Corn Markee. »Wenn sie mit uns Han-del treiben wollen, lassen sie es uns wissen,wenn nicht, verweht der Sternenstaub ihreSpuren.«

»Sehr poetisch, fürwahr«, protestierteStendal Navajo. »Leider ist das Vogel-Strauß-Politik.«

»Ich weiß nicht, was du meinst, Bürger-meister.«

»Zwei Schiffe, König, mehr verlange ichnicht von dir.«

»Die Besatzungen werden sterben …«»Falls die Fremden Angriffsabsichten ha-

ben, sollten wir das frühzeitig herausfinden.Männer und Frauen der Nation Alashan wer-den an Bord gehen - so viele wie nötig, umdeine Besatzungen keiner unnötigen Gefahrauszusetzen.«

Corn Markees Gesicht verzerrte sich in ei-ner schwer zu deutenden Grimasse. »DasLeben war ruhiger, bevor eure Stadt Alashanerschien«, sagte er leise. »Und ungefährli-cher.«

»Also wäre es dir lieber, die Dscherrowürden sich noch immer …«

»Nein, nein - natürlich nicht.« Der Herr-scher der Thorrimer winkte aufgeregt ab.»Ich meine nur, auf eine bekannte Gefahrkönnen wir uns besser einstellen.«

»Genau das wollte ich dir erklären«, nick-te der Bürgermeister.

Dreieinhalb Stunden nach dem Erschei-nen des ersten fremden Raumschiffs amRand des Sonnensystems starteten zweiHandelsraumer der Thorrimer. Ihre Funkan-fragen blieben unbeantwortet.

Zwei kurze Linearetappen brachten dielanggezogenen Linsen mit den kegelförmi-gen Verdickungen bis auf wenige zehntau-send Kilometer an die im freien Fall befind-lichen fremden Schiffe heran.

*

»Was ist das?«Verwirrt blickte Gia de Moleon auf den

Bildschirm, auf dem drei bizarre Raumer zusehen waren. Die Übertragung vom Randdes Systems erfolgte als Richtimpuls.

Die Schiffe wirkten skelettartig. Gia fühl-te sich an riesige Fische erinnert, derenSchuppenhaut und Fleisch bis auf die Grätenentfernt worden waren.

Hunderte metergroße und in ständiger Be-wegung befindliche Leuchtkörper wirbeltenin unmittelbarer Nähe der »Gräten« durch-einander, ihre Lichtausbeute war gigantisch.

»… Plasmaklumpen?«»Ich kann es nicht definieren«, gestand

Stendal Navajo.Eine gallertartige Masse, die sich durch

stete Kontraktion und Ausdehnung bewegte?Auch die Syntronauswertung brachte keineKlarheit, deutlich wurde nur, daß viele die-ser seltsamen Gebilde sich über den bloßlie-genden Schiffsspanten zusammenballten.Wo immer sie das Material berührten, be-gannen sie auseinanderzufließen und diefunkelnde Schicht zu verstärken.

»Flüssiges Gedächtnismetall«, behaupteteNavajo unvermittelt. »Das ist wohl die ef-fektivste Art, Schäden zu beheben.«

»Wenn es so wäre - nur, ich glaube nicht

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daran.« Die TLD-Chefin aktivierte einenHyperkomkanal zu den Thorrimer-Schiffen»Noch immer kein Kontakt?« drängte sieungeduldig.

June Farewell, eine Kosmopsychologin,erschien auf dem Monitor.

»Wir werden ignoriert, obwohl wir demmittleren Schiff inzwischen bis auf fünfzigKilometer nahe sind. Nichts verändert sich.«

»Für uns sieht es so aus, als bestünden dieSchiffe nur aus den Spanten. Wir können dieSterne dahinter erkennen.«

»Das können wir auch«, sagte Farewell.»Trotzdem zeigen die Massetaster mehr an.«

»Ich will Ergebnisse sehen! Was sagendie Thorrimer? DaGlausch ist schließlich ih-re Heimat.«

»Die Crew steht dem Phänomen ratlos ge-genüber; ihr Drang zur Flucht ist starker alsdie Neugierde.«

Mittlerweile hatte die Anzahl der imWeltraum schwebenden Gallertklumpen ab-genommen. Je schwächer ihr Lichtscheinwurde, desto deutlicher zeichnete sich einvages Flirren innerhalb der Spanten ab.

Zwei Funksonden, von den Thorrimer-Frachtern ausgestoßen, näherten sich demmittleren Skelettschiff. Die erste Boje drangzwischen den Spanten ein.

Sekundenbruchteile später riß der Kontaktzur Sonde ab. Auch die zweite Einheit ver-schwand.

»Masse-Scan zeigt rapide steigende Wer-te« wurde von den Frachtern gemeldet.

»Seid ihr sicher? Ich meine, die Geräteunserer Freunde sind nicht der gewohnteStandard Wir …«

»Schutzschirme aktivieren Fluchtkurs!«brüllte Stendal Navajo.

Zu spät. Innerhalb von Sekundenbruchtei-len löschte eine grelle Lichtflut die Wieder-gabe auf den Schirmen aus, und niemand inAlashan konnte erkennen, was geschehenwar.

»Es besteht keine Funkverbindung mehr«,wurde gemeldet »Die fremden Schiffe sindverschwunden.« »Was ist mit den Frach-tern?« »Wir haben sie noch in der Ortung,

aber sie driften ab. Können keinen Versuchder Besatzungen feststellen, den Kurs zukorrigieren.«

Von König Corn Markee kam Minutenspäter die bange Anfrage, was da draußengeschehen sei. »Drei Schiffe, das ist eine un-gute Zahl«, behauptete er sichtlich erschüt-tert. »Das bringt Unglück.«

»Wir tun, was wir können, um die Sacheunter Kontrolle zu bringen«, versprach dieTLD-Chefin, obwohl sie genau wußte, daßihr die Hände gebunden waren.

Zehn Minuten vergingen. Immer nochstürzten die Frachter ohne Lebenszeichender Besatzungen durch den Raum.

Dann, endlich, gab es wieder eine Hyper-funkverbindung. June Fareweti zeigte sichnoch sichtlich verwirrt, auch die übrige Zen-tralebesatzung hatte keine Erklärung parat.Von dem zehnminütigen Blackout warenMenschen, Thorrimer und die Schiffspo-sitroniken gleichermaßen betroffen.

»… trotzdem war es kein Angriff«, be-hauptete June überzeugt. »Ich konnte Furchtspüren, Panik beinahe.«

»Du konntest was?«»Jeder hier hat es wahrgenommen, aber

jeder irgendwie anders. Die Fremden hattenAngst vor uns.«

»Haben sie Psychostrahler eingesetzt?«fragte Gia de Moleon ungläubig.

»Dann wären die Positroniken nicht be-troffen gewesen. Nein«, June Farewellschüttelte entschieden den Kopf. »das waretwas anderes, eine Art Stasisfeld viel-leicht.«

Gia nickte bedeutungsschwer. »Wenn dieFremden Thorrim angeflogen hätten, müß-ten sie längst …«

Der Raumalarm übertönte jedes gespro-chene Wort.

3.Nation Alashan, Thorrtimer-System

4. April 1290 NGZ

In unmittelbarer Nähe des Planeten warein Schiff aufgetaucht. Sein Kurs zielte auf

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Zortengaam.Erst nach Sekunden der Anspannung wur-

de deutlich, daß die GOOD HOPE III vonihrem Frachtflug zurückkehrte. Nicht nurGia de Moleon atmete erleichtert auf, als dieKommandantin Fee Kellind sich meldete.

Die GOOD HOPE III brachte Rohstoffefür die Fabriken. Fee hatte technische Er-zeugnisse der Nation Alashan in klingendeMünze umgesetzt und im großen Stil einge-kauft. Mittlerweile gab es zwei Handelswel-ten, auf denen Händler aller Couleur schonsehnsüchtig jede neue Landung des Kugel-raumers erwarteten. Kaum jemand fragtenach dem Woher oder Wohin, gab es dochfür alle Beteiligten jede Menge Miro-Creditszu verdienen.

Seit dem 3. März, als die Bauteile für dieerste Fabrik in Alashan eingetroffen waren,war viel geschehen. Der Aufbau eines florie-renden High-Tech-Handels gestaltete sicheinfacher als anfangs vermutet - jede Liefe-rung wurde den »Fremden in dem Kugel-schiff« schier aus den Händen gerissen.

Die GOOD HOPE III landete wieder aufdem ehemaligen Ausweichlandefeld derLFT im Südosten des Stadtteils.

»Beim nächstenmal wissen wir nichtmehr, wo wir runtergehen sollen«, grinsteJon Cavalien, der Chef der Ortung, als Feeund Gia über Interkom den Zwischenfall mitden Skelettraumern diskutierten. »Die Tar-nung wird perfekt.« Grinsend entblößte ersein lückenhaftes Gebiß. »Für Fremde wirdAlashan dann nicht mehr als Fremdkörpererkennbar ein.«

Auf Gia de Moleons Stirn erschien einesteile Falte. »Warum habe ich bloß den Ein-druck, Jon, daß du dem Bürgermeister nachdem Mund redest7«

Der dunkelhäutige Riese kratzte sich ander Schläfe. »Weil ich sonst schweigsamerbin, Gia?«

»Das wird es wohl sein«, pflichtete dieTLD-Chefin bei. »Eine solche Euphorie istmir suspekt.«

Cavalien grinste schräg und wandte sichab. »Ich würde mich nicht wundern, wenn

die Laus, die Gia über die Leber gelaufenist, Navajo heißt«, murmelte er, leise genug,daß nur Fee ihn verstehen konnte »Jon hatvöllig recht«, sagte die Kommandantin indem Moment. »Ich war ebenfalls überraschtvon den Fortschritte der letzten Tage. Wäh-rend des Landeanflugs wurde deutlich, daßder Unterschied zu Zortengaam verwischt.Irgendwie orientalisch, würde ich sagen. DieOctavian-Anlage wirkt auf mich wie ein rie-siger Basar, die verschachtelten Straßen-überdachungen und der ganze Zierat erfüllenihren Zweck. Sogar die neuen Straßen zwi-schen Zortengaam und Alashan wirken wieim Laufe vieler Jahrzehnte gewachsen, vonden Pflanzungen ganz zu schweigen.«

»Ob wir jedoch die Bewohner des Ksalta-rin-Systems täuschen können, bleibt dahin-gestellt. Aber vermutlich müssen wir dasnicht.«

»Weil die Thorrimer irgendwann dasSchutzabkommen mit den Ksaltar getroffenhaben? Das hindert sie nicht, Begehrlichkeitzu entwickeln, sobald sie von unserer High-Tech erfahren.«

»Die Ksaltar fürchten die Dscherro, dashat sich ja schon erwiesen. Und solange dieBoliden für jeden Besucher zu orten sind,werden sie uns kaum anfliegen.«

*

Flora Ransom genoß die Strahlen der Mit-tagssonne. Ein auffrischender Wind trugverhaltenen Baulärm von der nur wenige Ki-lometer entfernten Octavian-Anlage herüber.

Die hoch stehende Sonne blendete, Floramußte ihre Augen mit den Händen beschat-ten. Die Wohntürme hatten sich verändert,wirkten inzwischen wie eine gigantisch ver-schachtelte Anlage, die ehemals klare Lini-enführung war einer unüberschaubaren Viel-falt ausschweifender Baustile gewichen. Et-liche energetische Förderbänder waren abge-baut, andere in tiefere Etagen verlegt wor-den.

Flora zuckte jäh zusammen und schreckteaus ihrer Betrachtung auf, als Frenchy wil-

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der als jemals zuvor gegen die Bauchdeckestrampelte; sie stöhnte unterdrückt und preß-te beide Hände auf ihren Leib. Fünf Wochennoch bis zum Geburtstermin. Sie wußtelängst, daß sie ein Mädchen erwartete, undHank wußte es auch, aber er hatte keine Ge-legenheit, das übermütige Strampeln seinerTochter zu fühlen, denn er war auf Terra zu-rückgeblieben.

»Irgendwann«, seufzte Flora Ransom imSelbstgespräch, »wirst du deine Tochterkennenlernen. Sie ist schon jetzt ein überauslebhaftes Mädchen.«

Flora vermißte Hank mehr als alles ande-re. Mit jedem neuen Tag auf dieser fremdenWelt in einer noch fremderen Galaxis, Mil-lionen Lichtjahre von der Milchstraße ent-fernt, wurden ihre Sehnsucht und das Heim-weh größer.

Irgendwann … Die Mitarbeiterin derStadtverwaltung hatte die Hoffnung aufge-geben, bald zur Erde zurückkehren zu kön-nen. Wahrscheinlich würden Jahre vergehen,bis es endlich soweit war. Hank konnteFrenchy vielleicht erst als kleine junge Fraukennenlernen.

Hastig wischte Flora sich über die Wan-gen. Niemand sollte sehen, daß sie weinte.

Alles war in Veränderung begriffen. DenMenschen in Alashan wurde im Moment dasletzte Stück Heimat genommen, das sie nochhatten - vor ihr wühlten Desintegratorfräsenden Boden auf, griffen Traktorstrahlen nachden mächtigen Baumriesen des Parks undentwurzelten sie. Knorrige alte Eichen wur-den auf Gleiter verladen und weggeschafft.Irgendwo in Zortengaam würden sie einenneuen Standplatz erhalten, von den Thorri-mern als ebenso exotisch bestaunt wie diebis zu zwanzig Meter hohen Levabäume inAlashan. Kugelförmige Baumkronen mitgrünblauen Blättern würden künftig das Ge-sicht des Stadtteils prägen, dazu die hüftho-hen, schnurgerade wachsenden Klaaf-Hecken und das Niedermoss WeitläufigeAreale leuchteten schon gelb von den üppi-gen Beeren der Bodenpflanze.

Die schlanken, ausgemergelt wirkenden

Einheimischen arbeiteten Hand in Hand mitMännern und Frauen der Nation Alashanund einer Heerschar terranischer Roboter.Tausende Thorrimer gehörten inzwischenzum täglichen Erscheinungsbild in Alashan,und ihre Hilfe beruhte nicht nur auf Freund-schaft, sondern ebenso auf einer gehörigenPortion Eigennutz: Jeder Angriff auf dieTerraner würde zwangsläufig die Thorrimer-Hauptstadt Zortengaam treffen.

Der Weckton ihres Armbands erinnerteFlora Ransom daran, daß sie nicht ewig denBauarbeiten zusehen konnte. Sie hatte zutun.

Stendal wollte bald seine Ressortministerernennen, dazu brauchte man eine Zeremo-nie. Flora kannte die Namen der Betreffen-den längst, vor allem Gia de Moleons wegenhatte es lange Debatten gegeben, aber Sten-dal behauptete, er könne mit dem Beschlußleben.

Über dem Zugang zum unterirdischenRohrbahnsystem, den Flora benutzte, wur-den verschachtelte Dächer aus thorrimschenFertigelementen aufgestellt; die gelben Bee-ren von Niedermoss hingen von den Traufenherab In der Schwerelosigkeit des Antigrav-schachts mußte Frenchy sich umgedreht ha-ben, denn ihre Fußtritte wurden schmerzhaf-ter als je zuvor. Nur mit Mühe konnte Floraeinen Aufschrei Unterdrücken. Sie schwitzteund fror gleichzeitig, während sie auf dennächsten Schwebezug nach Süden RichtungTLD-Tower wartete Kalter Schweiß standihr auf der Stirn - und wie aus heiteremHimmel kam die erste Wehe. Flora Ransomverkrampfte sich und begann hastiger zu at-men, dennoch wurde ihr schwarz vor Augen.

Fünf Wochen vor dem Termin, schoß esihr durch den Sinn. Das kann nicht sein.

»Ist dir nicht gut?« Wie aus weiter Femeund in Watte gepackt erklang die Stimme ei-ner Passantin.

Flora konnte nicht antworten, weil in demAugenblick eine noch heftigere Schmerz-welle ihren Leib durchraste.

»Du bist schneeweiß. Ich rufe einen Me-dorobot.«

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»Nein.« Die Mitarbeiterin im Bürgermei-steramt versuchte ein Lächeln, spürte abersofort, daß nur eine gequälte Grimasse dar-aus wurde. »Es geht schon wieder … nur einkleiner Schwächeanfall.

Kein Wunder«, versuchte sie, auch sichselbst zu beruhigen, »ich habe in den letztenTagen viel zuviel gearbeitet «

Der Zug schwebte ein. Trotz der Schmer-zen wollte Flora aussteigen. Sie ignorierte,daß das heftige Ziehen in beinahe Drei-Minuten-Abständen wiederkehrte.

»Ich sehe doch, daß es dir nicht gutgeht.«Die Frau war Flora gefolgt und legte ihr für-sorglich die Hand auf die Schulter. »Du er-wartest dein erstes Kind? Ein Mädchen oder…?«

Flora konnte nicht mehr antworten. Siespürte eine plötzliche Nässe, die sich nichtverbergen ließ.

»Es wird höchste Zeit, daß du in die Kli-nik kommst. Nein, keine Widerrede, ichbringe dich hin. Die geplatzte Fruchtblasedarfst du nicht ignorieren.«

Die Rohrbahn hielt. Menschen und Thor-rimer fluteten an ihr vorbei Flora registriertees wie in Trance. Auch daß sie an der näch-sten Haltestelle den Wagen verließ. Die Frauneben ihr, von der sie noch nicht einmal denNamen kannte, hatte inzwischen einen Kran-kengleiter angefordert Der Transporter mitzwei Medorobotern schwebte ein, noch wäh-rend sie neben der Rohrbahn verharrte.

»Stendal Navajo wartet auf mich«, brach-te Flora stockend hervor. Das Pflichtbewußt-sein wollte sie vorantreiben.

»Ist er der Vater?«Flora lachte bitter Das war so etwas wie

Galgenhumor. »Der Vater lebt nur lächerli-che dreiundzwanzigeinhalb Millionen Licht-jahre entfernt.«

»Alles Gute!« rief ihr die Passantin hin-terher, während der Gleiter schon abhob.»Wir kriegen das wieder ins Lot.«

Nicht einmal eine Stunde später hielt Flo-ra Ransom ihre Tochter im Arm. Die Geburtwar komplikationslos verlaufen, und nacheiner überaus lautstarken Unmutsäußerung

blickte Frenchy bereits aus wasserhellen Au-gen aufmerksam in die Runde.

Üppiges schwarzes Lockenhaar, einStupsnäschen und wunderbare Grübchen er-innerten Flora an Hank. Die Kleine hatteviel von ihrem Vater.

Ein Tablett mit medizinischen Gerätenklirrte zu Boden. Frenchy zuckte zwar kurzzusammen, begann jedoch nicht zu weinen,sondern hob eher suchend den Kopf»Neugierig bist du überhaupt nicht?« flü-sterte Flora. »Aber glaube mir, ich wüßteauch gerne, was dich hier erwartet.«

Vor ungefähr einem halben Jahr warAlashan auf die Welt der Thorrimer ver-schlagen worden. Bislang hatte Flora Ran-som wenig über zwischenmenschliche Be-ziehungen nachgedacht, doch als der Chef-mediker ihr zur gesunden Tochter gratulierthatte, war von durchschnittlich fünf Gebur-ten pro Tag die Rede gewesen. Über acht-hundert Kinder hatten also inzwischen dasLicht der Sonne von Thorrim erblickt, dieSol zwar ähnelte, aber größer war und gutein Fünftel lichtstärker In dieser Nacht warFlora Ransom zum erstenmal seit langemwieder glücklich. Dennoch schlief sieschlecht, sie vermißte das Rumoren in ihremLeib. Als sie den Kopf hob, um nach Fren-chy zu sehen, die friedlich schlief, aktivierteder Zimmerservo ein fahles Dämmerlicht.

Im Morgengrauen schreckte Flora durchlautes Poltern auf. Eine Holographie hattesich aus ihrer Wandhalterung gelöst. Natür-lich war auch Frenchy aufgeweckt worden,sie strampelte mit Armen und Beinen undwimmerte leise. Die federleichte Wärme-decke über ihr hob sich plötzlich allen Ge-setzen der Schwerkraft zum Trotz in die Hö-he und fiel außerhalb des Kinderbettes zuBoden.

Flora stockte schier der Atem. »Frenchy!«stieß sie hervor. »Das … das hast du nichtgetan - oder doch?«

Ungläubig starrte sie zu dem Säuglinghinüber, und alles mögliche raste ihr dabeidurch den Sinn. Was verheimlichten ihr dieMediker? Sie hatte ein Monster geboren, ein

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Kind mit übernatürlichen Fähigkeiten.Unsinn, sie reagierte nur überreizt. Das al-

les war zu plötzlich gekommen …Ich hatte fast acht Monate Zeit, mich dar-

auf vorzubereiten. Warum sehe ich Jetzttrotzdem Gespenster?

Hank fehlte ihr. Wäre er in Alashan gewe-sen, die Welt würde anders aussehen. Sieumklammerte ihr Kissen mit beiden Armenund drückte ihr Gesicht hinein.

Ich muß mit den Medikern reden. Siemüssen wissen, was zu tun ist.

Warum sollte ich? Sie würden Frenchynur immer neuen Untersuchungen unterzie-hen … und was ist denn geschehen? Garnichts. Ich habe mich getauscht, das ist es.Immer fällt irgendwo irgendwas runter.Frenchy hat keine Mutantenfähigkeiten.

Flora schlief nicht mehr, sie beobachteteihre Tochter ununterbrochen. Kurz nach achtkam ein Medoroboter und nahm Untersu-chungen vor.

Er weiß es. Natürlich. Die Strahlung derfremden Sonne oder die hyperenergetischenVerhältnisse dieser Galaxis machen unsereKinder zu Mutanten.

»Alles ist bestens in Ordnung«, sagte derMedo. »Frenchy wird sich prächtig ent-wickeln.«

Dos wird sie. Klar doch. Sie ist schließ-lich meine Tochter.

Am späten Vormittag erschien StendalNavajo mit einem Strauß gelber Nieder-moss-Beeren und gratulierte. Floras Selbst-vorwürfe, daß sie ihre Arbeit nicht zu Endebringen konnte, ließ er nicht gelten.

»Wir sind inzwischen ein eingespieltesTeam« sagte er. »Du wirst sehen, morgenklappt alles wie am Schnürchen - deine Vor-arbeiten waren perfekt.«

»Stendal!« rief sie ihm hinterher, als erzehn Minuten später im Begriff war, dasZimmer zu verlassen.

Unter der Tür wandte er sich um.»Was sagen die Wissenschaftler? Wie

stark weichen die Strahlungswerte der Son-ne von Sol ab, und kann es sein, daß dieKesselbeben … ich meine, daß sie auch

Auswirkungen auf Alashan haben?«Der Griff nach seinem Zylinder ließ Unsi-

cherheit erkennen. Oder täuschte sie sichschon wieder? Flora wußte nicht mehr, wassie glauben sollte, alles war plötzlich so ver-wirrend.

»Falls es dich beruhigt«, Stendal nickteverstehend, »aus der Richtung haben wirnichts zu befürchten. Höchstens sobald wie-der Dscherro auf der Bildfläche erscheinenoder ein anderes kriegslüsternes Volk. Aberdagegen treffen wir unsere Vorbereitungen.«

Als Navajo gegangen war, gab Flora ihrerTochter die Brust. Sie gehörte zu dem klei-neren Teil der Menschheit, der sich die Na-türlichkeit in möglichst vielen Bereichen be-wahren wollte, und dazu zählte eben auch,daß Säuglinge nicht schon in den ersten Wo-chen ihres Lebens mit synthetisierten Nah-rungsmitteln in Berührung kamen. Hankdachte ebenso.

Der Tag und die folgende Nacht verliefenruhig und ohne Zwischenfall. Vielleicht warFrenchys vermeintliche telekinetische Kraftwirklich nur auf ein dummes Zusammentref-fen verschiedener Umstände zurückzuführengewesen.

Die »Ministerweihe«, wie sie es genannthatte, verfolgte Flora Ransom im Trivid. Eswar eine kurze, aber eindrucksvolle Zeremo-nie, in deren Verlauf sich auch Thorrimerund Nation Alashan gegenseitig ihrerFreundschaft und Hochachtung versicherten.

Die Ernennung von Ressortministerndurch Stendal war in der Tat längst überfäl-lig gewesen. Verwaltung und Finanzen ka-men endlich in feste Hände, Staatssekretärim Ministerium für äußere Beziehungen,vorwiegend natürlich zu den Thorrimern,wurde selbstverständlich der bisherige Thor-rimer-Beauftragte Jedder Colusha - und le-diglich was die Sicherheit der Nation Alas-han anbetraf, mochte der eine oder andereüberrascht reagieren. Immerhin war vielendas zwiespältige Verhältnis zwischen Sten-dal und Gia de Moleon bekannt.

Weitere Ministerien würden nach Bedarfgeschaffen werden.

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Sanft drückte Flora ihre Tochter an sich.»Vielleicht läuft doch bald alles in geregel-ten Bahnen«, murmelte sie. »Ich wünsche esuns.«

*

Das Hologramm der frischgebackenenMinisterin für Sicherheit schwebte etwadreißig Zentimeter über der Schreibtisch-platte.

»Wenn ich mich so umsehe«, bemerkteGia de Moleon mit leicht spöttischem Unter-ton, »dann muß ich feststellen, daß du dichkomfortabel eingerichtet hast. Trotzdem fra-ge ich mich, ob dein altes Büro im Towernicht schöner war«

»Ich habe zu tun«, sagte Stendal Navajoungeduldig, »die letzten Bauarbeiten in Ab-stimmung mit den Thorrimern stehen an. Al-so komm zur Sache«

»Die GOOD HOPE III ist vor wenigenMinuten gestartet.«

»Ich weiß.« Navajo nickte wie beiläufig.»Fee Kellind spielt wieder Weihnachtsmannmit den Erzeugnissen unserer Fabriken.«

»Wir verschenken nichts«, protestierteGia. Gleichzeitig ärgerte sie sich, daß Nava-jo es geschafft halte, sie aus der Reserve zulocken.

»Das habe ich auch nicht behauptet«,seufzte der Bürgermeister.

»Eigentlich ziehen wir am selben Strang…«

»… nur leider in unterschiedliche Rich-tungen, Gia.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich lasse mirdeine Ansichten nicht aufzwängen, Stendal.Solltest du geglaubt haben, mich mit demMinisterposten mundtot zu machen, dannhast du dich geirrt. Und falls es dich interes-siert: Fee Kellind wurde von mir beauftragt,mit den Verkaufserlösen auf Kristan drin-gend benötigte Rohstoffe zu beschaffen.«

Ruckartig ging Stendal Navajos Kopf indie Höhe. Erst jetzt hielt er es für nötig, Giawirklich anzuschauen.

»Wofür?« fragte er, aber seine Stimme

klang schon fast wieder desinteressiert. »Wirhaben kein Neubauprogramm für Raum-schiffe.«

»Noch nicht.«Mit einer ungehaltenen Handbewegung

wischte der Bürgermeister alle Wenn undAber vom Tisch »Bei Gelegenheit reden wirdarüber weiter«, sagte Gia de Moleon undunterbrach die Verbindung. Sie ahnte, daß esStendal Navajo war, der Minuten später beiihr zurückrief, aber sie nahm das Gesprächnicht an.

4.Freihandelswelt Kristan

12. April 1290 NGZ

»Beziehungen sind wirklich das Salz inder Suppe des Lebens.« Reginald Bull ver-zog die Mundwinkel zur Andeutung einesGrinsens; ohne seinen leicht spöttischenTonfall hätte sogar Perry Rhodan die Ernst-haftigkeit dieser Feststellung nicht ange-zweifelt.

Soeben setzte die GLIMMER auf demNord-Raumhafen von Cyros auf. EismerStörmengord hatte das einzige noch freieLandefeld zugewiesen bekommen, obwohlDutzende Raumer im Orbit auf eine Lande-erlaubnis warteten Das hatte Bully mit»Beziehungen« gemeint: Bebenforscher wa-ren in DaGlausch geachtet, aber zugleichauch gefürchtet wie die Pest - erst wenn sichherausstellte, daß sie keine Bebenwarnungverbreiten wollten, schlug beginnende Panikrasch in grenzenlose Erleichterung um. Des-halb konnte Eismer Störmengord nach einerWoche Raumflug ohne Wartezeit auf demFreihandelsplaneten landen.

Kristan war Anlaufpunkt ungezählter Völ-ker, das spiegelte sich vor allem auf denRaumhäfen wider. Eine unglaubliche Viel-falt teilweise bizarrer Raumschiffe drängtesich auf den markierten Pisten.

Dies war also die Welt, von der die Kon-struktionsunterlagen des terranischen Mehr-zweckorters ZZ-89 stammten. Ska Kijathe,die Systemanalytikerin, hatte die entspre-

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chende Aussage auf Leilanz XI aus demRechnernetz der Tampa-Büros herausgezo-gen. Auch daß die Niederlassung auf Kristanfür den exklusiven Ankauf der Unterlagenmit 1500 Bonuspunkten ausgezeichnet wor-den war.

»Keine terranischen Schiffe auf der Pi-ste.« Bully zuckte seufzend mit den Achsen.»Ich kann weder Kugelraumer noch eine an-dere bekannte Form erkennen.«

Flüchtig war die Vermutung aufgekeimt,die Konstruktionsunterlagen könnten vonder SOL stammen, doch das war schlicht-weg eine Unmöglichkeit. Das Hantelschiffhatte bei seinem Verschwinden in unbe-kannten Weltraumtiefen zwar unterschied-lichste Ortersysteme an Bord gehabt, aberbestimmt keinen ZZ-89 - diese Konstruktionwar neueren Datums.

»Weiß ich, welche verrückten Terranerinzwischen bis M 51 geflogen sind?« murrtePoulton Kreyn. »Du hast ja auch schon ver-mutet, daß es Terrania-Süd hierher verschla-gen hat. Und vielleicht ist …«Er mahlte mitden Zähnen und erzeugte ein durch Markund Bein gehendes knirschendes Geräusch,zugleich fuhr er sich demonstrativ mit derHandkante über die Kehle.

»Das ist in der Tat verrückt«, protestierteMondra Diamond. »Poulton, dein Pessimis-mus benagt mir nicht.«

Der Ertruser verzog den Mund. »Mach,was du willst. Ich sehe die Dinge eben reali-stisch.«

»Aber, aber, meine Herrschaften!« Bullystreckte die Arme aus, als wolle er Mondraund Poulton auf Distanz halten. »Wir wer-den doch nicht in alte Unarten zurückfallen.Ich schlage vor, daß wir uns draußen umse-hen.«

»Irgendwer wird uns schon Auskunft ge-ben, was Sache ist«, pflichtete Ska Kijathebei.

Bis auf die Schirme der Außenbeobach-tung hatte Störmengord alle Funktionen sei-ner Yacht abgeschaltet Nur die Schirmfeld-projektoren arbeiteten in latenter Bereit-schaft.

Langsam wandte der Bebenforscher sichseinen Passagieren zu, er öffnete den Mundweit genüg, um die haiartigen Zackenzähnezu entblößen, zugleich begann er ausgiebig,seine riesige Höckernase zu massieren. Per-ry Rhodan kannte ihn inzwischen gut genug,um diese Geste als Ausdruck von EismersUnsicherheit zu erkennen.

»Seid vorsichtig!« warnte Störmengord»Die Stadt ist kein gutes Pflaster für Frem-de, die zuviel fragen. Ich kenne Kristan «

Er hatte den Tod seiner Artgenossin nochnicht überwunden, das war ihm anzumerken.Daß die Goldnerin von skrupellosen Händ-lern umgebracht worden war, hatte seinemSelbstverständnis einen schweren Schlagversetzt Insbesondere Bully und Tautmo Aa-genfelt gegenüber entwickelte er inzwischenGefühle wie Dankbarkeit, weil sie ihm ge-holfen hatten.

»Wir wissen auf uns aufzupassen«, be-schwichtigte Rhodan. »Aber wie ist das mirdir? Ich vermute, die Liegegebühren sindsündhaft teuer. Wie lange kannst du dieGLIMMER hier unten lassen?«

»Unbegrenzt«, antwortete Eismer Stör-mengord. »Die Companeii sind froh, daß ichkeine Bebenwarnung ausgegeben habe.«

*

Bei näherem Hinsehen entpuppte sich derRaumhafen als brodelnder Hexenkessel.Zwischen den Schiffen und den riesigen La-gerhallen, die mangels anderer Ausdeh-nungsmöglichkeiten in die Höhe sowie aufdie äußeren Landefelder wucherten, uner-sättlichen Krebsgeschwüren gleich, herrsch-te ein unaufhörlicher Strom von Fahrzeugenaller Art. In diesem Gewirr eine Übersichtzu bekommen fiel schwer.

Reginald Bull wischte sich den Schweißvon der Stirn, als Perry und er nach mehre-ren Kilometern endlich den Schatten einesVerwaltungsgebäudes erreichten. Was Rho-dan sagte, verstand er nicht einmal, weileben ein Konvoi offener Trucks vorbeidon-nerte. Staub und welkes Laub wurden aufge-

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wirbelt und reizten zum Husten.Aus der Höhe erklang ein orgelndes

Dröhnen und Fauchen. Ein Stern fiel ausdem Zenit - eine lodernde Feuerkugel Zehn,fünfzehn Kilometer hoch mochte sie nochsein.

Alarmsirenen schrillten über das Hafenge-lände. Sekundenbruchteile später schwenktedie Feuerkugel seitlich aus und raste, einenlänger werdenden Schweif hinter sich her-ziehend, nach Osten. Ein Raumschiff zwei-fellos, dessen Besatzung entweder die Kon-trolle oder die Geduld verloren hatte. Nacheiner halben Minute verschwand das Schiffhinter dem Horizont.

Rhodan und Bull tauchten ein in eineWelt voller Gegensätze, die hochstehendeTechnik und Improvisation geschickt mit-einander verband. Plötzlich steckten sie mit-tendrin in einer Gruppe kreischender Wesen,die sich aus einem Rohrbahnschacht auf dieStraße ergossen und stadteinwärts fluteten.Vor den enger werdenden Gassen stauten siesich kurz und strömten dann noch hastigerhindurch. Keiner beachtete die beiden Terra-ner, man war auf dieser Welt an die fremd-artigsten Wesen gewöhnt.

»Ein Königreich für einen Stadtplan«,seufzte Bully. »Ich vermute, das Tampa-Bü-ro liegt entweder in Hafennähe oder im Re-gierungsviertel.«

Die Menge hatte sie auf einen halbkreis-förmigen, in mehreren Terrassen angelegtenPlatz mitgespült. Gelbes, schäumendes Was-ser plätscherte in Rinnsalen eine steile Mau-er hinunter, schlängelte sich mäandernd alsmeterbreiter Bach quer über den Platz undstieg im Inneren eines gläsernen Kunstwerksin vielen Kapillaren wieder in die Höhe.Fliegende Händler bevölkerten die freie Flä-che und überboten sich gegenseitig im An-preisen ihrer Waren Die einen verkauftenkastenförmige Roboter, rostige Modelle, dieBully mit größtem Mißtrauen betrachtete,die anderen hatten undefinierbare Warenaufgestapelt, Haushaltsgegenstände offen-bar, mit denen ein Terraner wenig anzufan-gen wußte.

»Du scheinst bekannt zu sein wie ein bun-ter Hund, Bully«, sagte Rhodan unvermit-telt.

»Wer? Ich?« Reginald Bull schaute vonden Waren auf, die er ausgiebig betrachtethatte. Er folgte Perrys Blick mit den Augenund seufzte ergeben.

»Zumindest hat sie dich minutenlang fi-xiert.«

»Sie« hatte im Schatten eines fächerför-migen Baumes gewartet und eilte nun mitraumgreifenden Schritten näher - Bully gingwie Rhodan spontan davon aus, daß es sichum einen weiblichen Vertreter der Spezieshandelte. Die grell geschminkten, von hoch-gebogenen Federn umrahmten dunklen Au-gen, die Wespentaille und der einem Kleidähnelnde regenbogenfarbene Umhang legtendie Vermutung nahe. Aber auch das wareben nur relativ und entsprach der Vorstel-lungswelt eines Terraners.

Ein kräftiger Schnabel öffnete sich undstieß schrille Töne aus. Bully mußte denKopf in den Nacken legen, um zu dem Vo-gelgesicht aufzusehen, zwei dreifingrigeHände tasteten indessen über sein Stoppel-haar.

»Du bist fremd in Cyros«, zwitscherte dasWesen. »Du bist auf der Suche … ja, nacheinem Gebäude. Ich sehe es in deinen Ge-danken.«

Eine Telepathin? Aber er war mentalsta-bilisiert. Unwillkürlich wich Bully einenSchritt zurück, doch schon glitten zwei wei-tere Hände, die bis eben unter dem Feder-kleid verborgen gewesen waren, über seinenSERUN.

Bully wurde energischer und stieß dieoberen Arme zurück. In dem Moment mach-te sich Unruhe breit, hektische Rufe erklan-gen von allen Seiten, und aus den Augen-winkeln heraus sah Bull eine Vielzahlschwerer Gleiter einschweben.

Das Vogelwesen krächzte nur noch -»KrisPol!« - und drückte Bully etwasschrecklich Klebriges in die Hand, dannhetzte es mit weiten Sprüngen davon. DieKrisPol war die schwerbewaffnete Ord-

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nungstruppe des Planeten, wie die Terranervon Eismer wußten - die Ordnungshüternahmen nicht gerade viel Rücksicht.

Das zeigte sich sofort. Schüsse fielen. DieKrisPol trieb Gruppen von Händlern undKäufern zusammen, ein Warenlager wurdein Brand geschossen, und während Bullyvergeblich versuchte, das klebrige Ding los-zuwerden, das an einen faustgroßen Kiefern-zapfen erinnerte, schaute er plötzlich in dieflimmernden Abstrahlmündungen mehrererThermowaffen.

»He, was soll das?« entfuhr es ihm. Erstals Perry Rhodan die Frage leicht abgewan-delt in Glausching stellte, registrierte er, daßer sich unwillkürlich des Interkosmo bedienthatte.

»Wir suchen das hiesige Büro des Tampa-Konsortiums«, fügte Bully hinzu Keiner derPolizisten gab Antwort. Während jeweilszwei Bewaffnete Perry und ihn wie Schwer-verbrecher in Schach hielten, nahmen ihmdie anderen vorsichtig den Zapfen ab.

»Der Besitz einer derart großen MengeQurzom ist strafbar. Kannst du die Kautionzahlen?«

»Was für eine Kaution?«»Dann wird gegen euch verhandelt.« Die

Polizisten dirigierten Perry und ihn zu einemder mittlerweile gelandeten Gleiter.

Natürlich hätten sie ihre Anzüge aktivie-ren und den Burschen zeigen können, wasHigh-Tech wert war, doch eine solche Kon-frontation wäre kaum hilfreich gewesen. Zu-mindest im Augenblick schien es besser, gu-te Miene zum bösen Spiel zu machen.

Kräftige Fäuste bugsierten Bull auf dieLadefläche des Gleiters. Nach ihm war Rho-dan dran. Allzu genau schien es die KrisPolmit der Auswahl ihrer Gefangenen nicht zunehmen.

»Was hat mein Freund verbrochen?«wollte Perry Rhodan wissen. Er erhielt keineAntwort.

Der Gleiter flog Richtung Stadtzentrum.In den engen Gassen dieses Viertels fandwohl eine Art Treibjagd statt, jedenfallsblitzten in der Tiefe immer wieder Thermo-

schüsse auf.

*

»Wir wollen deinen Mist nicht Habe ichmich endlich deutlich genug ausgedrückt?«Blitzschnell packte Poulton Kreyn zu undwirbelte den aufdringlichen Straßenhändlerin die Höhe. Der Kerl, immerhin ein Drei-Zentner-Koloß, strampelte mit Armen undBeinen, brachte aber keinen Laut mehr her-vor Poulton fing ihn an den Schultern aufund stellte ihn auf die Beine zurück, tippteihm freundschaftlich grinsend auf die Schul-ter, als wolle er ihn ungespitzt in den Bodenschlagen.

»Vierhundertfünfzig Miro-Credits«, jap-ste der Händler. Sein blaues Faltengesichtschwabbelte vor Erregung. »Das ist meinletztes Angebot.«

»Der Bursche ist auf beiden Ohren taub«,seufzte Tautmo Aagenfelt im Selbstge-spräch. »Laßt uns endlich hier verschwin-den!« Ihm behagte die heruntergekommeneUmgebung nicht. »Gesindel, gestrauchelteExistenzen und Abschaum«, hatte er erst vorwenigen Minuten festgestellt. »Das kanndoch nicht alles sein, was Cyros zu bietenhat.«

»Vierhundertfünfzig …« Der Händlerschien schon wieder vergessen zu haben,daß der Riese mit dem Sichelhaarkamm ihmkörperlich weit überlegen war, er wandtesich an Mondra Diamond und hielt ihr denlangläufigen Strahler hin, den er zielsicheraus seinem reichhaltigen Warenangebot her-ausgefischt hatte »Ihr seid fremd auf Kri-stan, also braucht ihr eine Waffe …«

»Nein!«»Vierhundertdreißig. Der Strahler ist ein

Prachtstück …« Ein drittes Stielauge schobsich zwischen den Speckfalten hervor undblinzelte Mondra an.

Fast ein Dutzend Kollegen des Blauhäuti-gen hatten sich inzwischen zusammengefun-den, ihre Haltung ließ nicht gerade freund-schaftliche Absichten erkennen. Für einenMoment bedauerte Mondra, daß sie Tautmos

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Drängen nachgegeben hatte, auf die SE-RUNS zu verzichten. Ausgerechnet derFeigling Aagenfelt hatte darauf bestanden:»Wollen wir Land und Leute kennenlernenoder nicht? Mit hochgezüchteter Technikzwischen uns werden wir immer als Fremdebetrachtet werden und Begehrlichkeitenwecken.« Aber jetzt suchte Tautmo schonwieder Poulton Kreyns Nähe, er war undblieb eine furchtsame Natur.

Die Waffe, die ihr der Händler unter dieNase hielt, war ein historisches Stück. Bloß-liegende, eng gewundene Kühlschlangen,die Mündung von einem anfälligen nadel-spitzen Projektorkranz umgeben und daseingehängte Energiemagazin so plump, daßes die Handhabung merklich störte. Bedäch-tig drehte Mondra das Exemplar und schüt-telte dabei den Kopf - eine Geste, die derBlaue wohl als Zustimmung auffaßte, denner begann feist zu strahlen.

»Fünfzig Miro-Credits wären noch zuvielbezahlt.«

Schlagartig verschwand das Lachen ausseinem Gesicht. »Fünfzig?« keuchte er solaut, daß jeder der Umstehenden es hörenkonnte »Du bist eine Hexe. Fünfzig, dannkannst du mich gleich erschießen …«

»Nicht einmal das ist möglich.« Mondrahatte endlich die verdreckte Ladeanzeige ge-funden und klinkte das Magazin aus.»Leer«, stellte sie fest. »Damit holst du kei-ne Blattlaus mehr vom Baum.«

»Warte … Das, das ist ein Versehen …Natürlich bekommst du ein neues Magazin.«

»Ich habe kein Interesse.«»Dreihundert. Mein letztes Angebot. Und

nur, weil du dich auskennst, weil …«Wortlos warf Mondra dem Dicken den

Strahler zu und folgte Poulton Kreyn, vordem die Blauen nun doch zurückwichen.

»Wir kaufen keinen Schrott«, fühlte Taut-mo Aagenfelt sich bemüßigt, danach hatte eres eilig, mit Poulton Schritt zu halten. »Daßsich das Gesindel immer und überall amRande der Raumhäfen niederlassen muß«,wandte er sich an Mondra.

»Weil da die schnellsten und leichtesten

Geschäfte warten.« Mehr sagte sie nicht. Je-des Wort zuviel konnte Tautmo wieder inseiner Absicht bestärken, ihr auf die Nervenzu fallen. Eigentlich sollte er längst wissen,daß sie sich nicht mit ihm einlassen würde,doch er ignorierte das. Er mochte ein hervor-ragender Physiker sein, aber er lebte in einerTraumwelt der Gefühle, die es so nicht gab.

Linker Hand wuchsen die düsteren Sil-houetten von Lagerhallen auf. Lastengleiterhingen wie ein Fliegenschwarm in der Luft,das leise Surren ihrer Triebwerke erfüllte dieGassen. Hin und wieder stießen einzelneMaschinen aus der Höhe herab und wurdenvon den Hallen verschluckt.

Zur Rechten erstreckte sich ein kleinerSee, dahinter begann hügeliges Gelände.Graue Wohnbauten klebten wie Nesterdichtgedrängt an den Hängen, und selbstüber der Wasseroberfläche schwebten weit-läufige Bauwerke.

»Die Region dort wirkt vertrauenswürdi-ger«, murmelte Aagenfelt.

»Die besten Kontakte gibt's immer inKneipen.« Poulton Kreyn hatte ein von vielLaserreklame umgebenes Gebäude entdecktund steuerte geradewegs darauf zu.

Lärm drang nach draußen, ebenso eineVielzahl undefinierbarer Gerüche. Das holo-graphische Eingangsportal veränderte sichunaufhörlich, paßte sich der Statur der Besu-cher an und vermutlich auch dem Baustildes jeweiligen Heimatplaneten.

Als Poulton mit weit ausgreifendenSchritten auf das Tor zusteuerte, begann dieFassade zu flimmern. Sekundenlang wech-selte der Steuercomputer eine Legion ver-schiedener Versionen, bevor die Bildsteue-rung in einer wahren Explosionen von Licht-punkten zusammenbrach. Banale, halb ver-witterte Kunststoffplatten wurden sichtbar.Ausgetretene Steinstufen führten zu einemdüster gähnenden Eingang, aus dem eben ei-ne Schar Companen taumelte. Die nur einenMeter zehn großen Humanoiden mit denverrunzelten Gesichtern behinderten sich ge-genseitig, als Poulton Kreyn ihnen den Wegvertrat. Seine Fragen beantworteten sie mit

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unzusammenhängenden Ausflüchten, undsie nutzten den Augenblick, in dem der Er-truser sich zu Mondra und Tautmo umdreh-te, um die Beine in die Hand zu nehmen. Sonüchtern waren sie jedenfalls noch.

Poulton schickte sich an, die Spelunke zubetreten.

»Da drin erfahren wir nichts!« rief Aagen-felt hinter ihm her. »Wir sollten weiterge-hen.«

»Aber ich habe einen verdammten Hun-ger«, knurrte der Ertruser, obwohl er erst ei-ne Stunde vorher, noch an Bord der GLIM-MER, eine Mahlzeit zu sich genommen hat-te. Ohne auf seine Begleiter zu warten, ver-schwand er im Gebäudeinnern.

»Ich geh da nicht rein, Mondra«, brachteAagenfelt stockend hervor. »Das ist zu unsi-cher … He, du kannst mich doch hier nichtallein lassen.«

Mondra hatte die Tür fast erreicht Ärgersprach aus ihrem Blick »Wenn du wartenwillst, ich hindere dich nicht daran, wennnicht …«

Alles ging blitzschnell, weder Mondranoch Tautmo hatten die Blauen kommen se-hen. Sie waren plötzlich da, umklammertenden Physiker unsanft und zerrten ihn mitsich, weg aus dem Bereich des Hauptein-gangs in eine der Seitengassen, in denenFahrzeugwracks und anderer Unrat lagen.

Aus den Augenwinkeln heraus registrierteAagenfelt, daß auch Mondra von zwei Blau-en weggeschleift wurde Ihre Gegenwehrverpuffte bei den Fleischkolossen nahezuwirkungslos, außerdem drückte einer etwasgegen ihr Gesicht, und Mondra sackte dar-aufhin schlaff in sich zusammen.

Das war der Moment, in dem Tautmo Aa-genfelt zu schreien begann, teils aus Panik,teils aus Furcht um Mondra. Obwohl sie ihmstets die kalte Schulter zeigte, hatte er dieHoffnung noch nicht aufgegeben, daß sie ei-nes Tages seine Gefühle erwidern würdeOder entsprang ihre Ablehnung gar demEingeständnis, daß er ihr längst nicht sogleichgültig war? Frauen waren für den Phy-siker schlechter zu berechnen als eine fünf-

dimensionale Gleichung mit vier Unbekann-ten.

»Mondra!« brüllte Aagenfelt. »Haltedurch!«

Sein Sträuben kam für die Blauen soüberraschend, daß er es wirklich schaffte, ei-ne Hand freizubekommen. Er war selbst ammeisten überrascht davon, hieb seine Faustaber sofort in den fülligen Leib des anderenGegners, der ihn immer noch festhielt Einrasender Schmerz durchtobte Tautmos Armbis hoch in die Schulter, gleichzeitig traf ihnein mörderischer Hieb in den Rücken. Ertaumelte, prallte gegen den Fettwanst vorihm und brachte nur noch ein halb ersticktesGurgeln über die Lippen.

Ein zweiter Hieb traf seine Schläfe. Dannwurde es plötzlich finstere Nacht um ihn.

*

Ska Kijathe war an Bord der GLIMMERzurückgeblieben. Gemeinsam mit Treul undGoriph, den beiden Swoons, hatte sie sich indie Datennetze von Cyros eingeklinkt.

Knapp eine Stunde brauchte sie, um sichin dem fremden System zurechtzufinden.Kristan erwies sich in vielerlei Hinsicht alsein brodelnder Hexenkessel. Geschäfte stan-den auf dieser Welt im Vordergrund, dabeischien es den meisten, die daran teilnahmen,egal zu sein, ob legal oder nicht, solange dererwartete Profit stimmte. In der Hinsicht warCyros nicht so sehr viel anders als vergleich-bare Metropolen Millionen Lichtjahre weitentfernt.

Ska vermißte die Schnelligkeit eines Syn-trons, obwohl der Bordrechner der GLIM-MER durchaus seine guten Seiten hatte.Aber irgendwie war vieles umständlicher.

Vier Stunden nachdem sie begonnen hat-te, landete die Terranerin in einer Sackgasse,aus der es kein Entkommen zu geben schien.Sie drehte sich im Kreis, bekam immer wie-der nur dieselben verwaltungstechnischenDateien auf den Schirm, Verkaufsstatistikendes Tampa-Büros. Zahlenkolonnen, dochkeinen erläuternden Text dazu.

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Je intensiver sie versuchte, die Dateien zuknacken, desto weiter entfernte sie sich vomeigentlichen Ziel.

»Du solltest dir eine Pause gönnen«, sagteTreul und stemmte seine kleinen Fäuste indie Seite.

»Ich bin so dicht dran, ich spüre es förm-lich …«

Eine Sternenkarte wurde sichtbar, minde-stens dreißig Sonnen mit Symbolen mar-kiert, die für Tampa-Büros standen, und fürjede Niederlassung eine eigene Statistik.Aber keine einzelnen Geschäftsvorfälle, kei-ne Pläne, keine Daten über Sicherheitsmaß-nahmen.

Skas Finger huschten hastiger über die er-gonomisch ungewohnte Tastatur.

»Anhalten!« rief Goriph unvermittelt.»Genau die Tabellen hatten wir eben schonmal.«

Ska schüttelte den Kopf. Trotzdem rief siedie letzten Anzeigen nochmals auf. Siebrauchte weitere zwanzig Minuten, bis sichGoriphs Behauptung tatsächlich bestätigte.Die Verkaufszahlen zweier weit voneinan-der entfernter Niederlassungen waren nahe-zu identisch. Und nicht nur das, auch die an-deren Tabellen besaßen eine verblüffendeÄhnlichkeit miteinander, sobald man denKopiermodus erst einmal entdeckt hatte.

»Ein Blockadeprogramm«, bemerkteTreul.

»Ich komme nicht durch- Mist, elender!«Ska reagierte zunehmend gereizt. Selten hat-te sie ihr Gefühlsleben so zur Schau gestellt.Ihrem mönchischen Auftreten entsprachenAskese und Zurückhaltung, darin hatte sieeine vollkommene Perfektion erreicht. Aberdiesmal ignorierte sie sogar den kleinen in-dischen Elefanten Norman, der zaghaft mitdem Rüssel nach ihr tastete.

Zum wer weiß wievielten Mal landete Skawieder am Ausgangspunkt »Jede Menge po-sitronische Wächter sind eingebaut«,schimpfte sie. »Es gibt nur einen Weg, siezu überlisten: Ich muß mich selbst ein-schleusen Das ist zwar ein absolut primitivesNiveau, aber vielleicht doch wirkungsvoll.«

»Ich entsinne mich«, sagte Treul. »AufSwoofon gab es früher auch solche individu-ell-virtuelle Datentechnik …«

»Vergiß es!« piepste Goriph mit ihremdünnen Stimmchen und wedelte abwehrendmit den Armen. »Viel zu gefährlich.«

»Kennst du eine bessere Möglichkeit?Oder du, Treul?«

Die beiden nur dreißig Zentimeter großenwandelnden Gurken schauten sich verwirrtan.

»Warte wenigstens, bis die anderen zu-rück sind«, schlug Treul vor.

»Das wäre verlorene Zeit.« Ska streiftesich bereits die Datenhandschuhe über. Dieweiteren Anschlüsse folgten, als letztes derHelm, der ihre mentalen Impulse in für denBordrechner der GLIMMER verständlicheSequenzen umwandelte. Das Ganze war kei-ne SERT-Steuerung, wie sie in der terrani-schen Flotte über lange Zeit hinweg Stan-dard gewesen war, sondern eher einem vir-tuellen Surfen vergleichbar. Das Risikoschätzte Ska Kijathe als nicht außergewöhn-lich hoch ein.

»Falls es Probleme gibt, holen wir dich daraus«, versprachen die Swoons.

Dieser Satz Hallte in Ska nach, als dasHinübergleiten ins Netz sie wie ein Ham-merschlag traf. Sie stürzte in einen endlosscheinenden Abgrund und ruderte vergeb-lich mit Armen und Beinen. Lichtblitzehuschten durch die Dunkelheit, wurden grel-ler und häufiger … Positronenströme, die siemit sich rissen.

In Gedanken sah sie ihren Körper in demSessel neben dem Bordcomputer liegen.Flammen brachen aus der Haut hervor undgriffen rasend schnell um sich. Ska Kijathespürte die ansteigende Hitze, sie schrie, aberkeiner der Swoons erlöste sie aus der Qual.

Ich phantasiere nur.Der Schmerz ebbte ab, als Ska sich trei-

ben ließ.Zum Tampa-Büro, hämmerten ihre Ge-

danken.Tabellen … endlose Zahlenkolonnen …

Schatten huschten über sie hinweg, Ska

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konnte nicht erkennen, um was es sich han-delte. Sie selbst war ein Fremdkörper in die-ser Umgebung und hatte Mühe, endlich Hin-weise auf das Tampa-Konsortium zu ent-decken Oft war sie virtuell auf Reisen ge-gangen, hatte in ausgeklügelten Program-men ferne Galaxien besucht und der Zeit einSchnippchen geschlagen, doch was hier ge-schah, war damit nicht zu vergleichen. Esgab keine Sicherheitsschaltungen, die sierechtzeitig zurückholten; je öfter sie zwi-schen den antiquierten Datenautobahnenwechselte, desto mehr schien die Bindungzu ihrem Körper zu schwinden.

Das ist nicht real, schoß es ihr durch denSinn. Vergeblich redete sie sich ein, daß alleEindrücke und Empfindungen nur aufge-pfropft waren, die aufkeimende Panik konn-te sie damit nicht Unterdrücken.

Als hätten ihre eigenen düsteren Gedan-ken das ausgelöst, nahmen die Wächterpro-gramme Gestalt an. Ska entging den zu-schnappenden Kieferzangen eines Spinnen-monsters nur um Haaresbreite, sie warf sichnach vorne, tauchte unter dem haarigen Leibhindurch und hastete weiter, verfolgt von ei-ner größer werdenden Schar bizarrer Mon-stren.

Übergangslos rückten die Wände engerzusammen, Ska Kijathe steckte nun in einempulsierenden Tunnel, der sich in Gedanken-schnelle mit Eis überzog. Lähmend fraß dieKälte sich in ihre Gliedmaßen vor. Außer-dem begann es zu schneien, ein dichtesSchneetreiben degradierte die Verfolger zudunklen Schemen.

Ska sah kaum noch die Hand vor Augenund hätte beinahe die Abzweigung verpaßt.Eine innere Stimme warnte sie, daß sie nichtin dem größeren Datenkanal bleiben durfte.Also zwei, drei Schritte zurück! Geradenoch rechtzeitig sprang sie in den abwärtsführenden Seitenstollen, denn nur Sekundenspäter stakten die monströsen Spinnen vor-bei.

Die Kälte wurde unerträglich.Das alles ist nur eine Vision … Vergeb-

lich versuchte Ska sich an den letzten Rest

von Logik zu klammem, der ihr sagte, daßkeine ihrer Wahrnehmungen Wirklichkeitwar. Meterdicke Eiszapfen stachen ihr ent-gegen, wuchsen unkontrolliert ineinander,und plötzlich gab es keinen Weg mehr, denSka gehen konnte. Das Eis schloß sie ein, esdehnte sich weiter aus, begann sie zu er-drücken …

*

Ein dumpfes Gurgeln kam über Ska Kija-thes Lippen Sie hatte jegliche Farbe verlorenund kauerte blaß wie ein Häufchen Elend imSessel. Nur gelegentlich zuckten ihre Arme,als versuche sie sich aufzurichten oder dieHandschuhe abzustreifen.

Norman stand neben ihr und pendelte auf-geregt mit dem Schädel. Dazu stieß derZwergelefant ein klägliches Trompeten aus.

Vor zehn Minuten hatte Ska sich in dasDatennetz von Cyros eingeklinkt, ihr Zu-stand hatte sich seitdem zusehends ver-schlechtert. Sie reagierte nicht auf die Rufeder Swoons, nicht einmal darauf, daß Goriphneben ihr auf der Sessellehne landete.

»Wir müssen ihr helfen!« stieß Goriphendlich hervor.

»Warte noch«, wehrte Treul ab. »Wennsie es jetzt nicht schafft, wird sie wohl kei-nen zweiten Versuch …«

Ska zitterte wie Espenlaub.»Ihre Körpertemperatur sinkt rapide!« rief

Goriph erschrocken. »Wir müssen sie darausholen.«

Treul betätigte seinen Mikrogravitatorund schwebte hoch zur Amilehne. Schrägvon unten fixierte er seine Gefährtin.

»Wir warten noch zwei oder drei Minu-ten«, sagte er. »Ich übernehme die Verant-wortung.«

Beinahe hätte Skas Linke ihn von derLehne gewischt.

Die »Tibeterin«, wie sie oft genannt wur-de, verkrampfte die Arme vor dem Oberkör-per und sank ganz langsam vornüber.

»Sie stirbt!« brüllte Goriph mit sich über-schlagender Stimme. »Unternimm endlich

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was!«Norman flüchtete sich kläglich trompe-

tend unter die Computerkonsole.

*

Die Kälte lahmte jeden Widerstand. Da-tenübertragungen erstarrten im Eis, aberauch die positronischen Wächter, die sicherneut genähert hatten, waren zu monströsenSkulpturen gefroren, deren skurrile Zer-brechlichkeit in Ska so etwas wie Genugtu-ung hervorrief.

Sie versuchte, sich zu konzentrieren, dieerlöschende Lebensglut möglichst lange zubewahren.

Mit der Kälte war die Müdigkeit gekom-men, und bald würde sie vor Buddhas Ange-sicht stehen. Hoch in den Bergen, die dasDach der Welt bildeten, hatte sie seinenAtem gespürt … Von ganz fern, mit demschwindenden Rest ihres Bewußtseins,glaubte Ska den Klang von Gebetsmühlenzu hören; sie sah wieder die kargen Kloster-mauern mit den Gebetsfahnen, hinter denensie etliche Jahre ihres Lebens verbracht hatte… Kerzen brannten vor der goldenen Statue,unzählig viele Kerzen - Ska Kijathe sehnegellend auf, als die winzigen Flammen sichzum Feuersturm vereinten, der mit derWucht ihrer aufgestauten Gefühle durch denKorridor fauchte und das Eis schmolz.

Mit auflodernden Gliedern stakten ihr dieSpinnenmonster und all die gräßlichen Krea-turen entgegen, die Ska seit ihrer Kindheit insich getragen hatte und die nichts anderesgewesen waren als Ausgeburten des eigenenUnterbewußtseins. In dem Moment erkanntesie die Struktur der positronischen Sperren,die das Datennetz des Tampa-Büros vor un-befugten Zugriffen absichern sollten, eineteuflisch einfache Falle, in der jeder Ein-dringling sich mit den ureigensten Ängstenkonfrontiert sah und die vermeintliche Ge-fahr sich hochschaukelte.

Das Feuer erlosch - aber wo der Weg wei-terführen sollte, herrschte nun das Vakuumdes Weltraums, es gab keinen festen Boden

mehr, auf dem sie Halt fand. Ska blickte hin-ab auf schnell rotierende Spiralen, sie sahSterne entstehen und als Rote Riesen explo-dieren, und sie spürte den heftiger werden-den Sog, der sie in die Unendlichkeit hinaus-zerren wollte. Auch das war nur eine Projek-tion ihrer eigenen Ängste.

Ska Kijathe besaß keine Vorstellung da-von, wieviel Zeit sie wirklich benötigt hatte,die virtuelle Umgebung zu überwinden, aberunvermittelt erschloß sich ihr die überwälti-gende Fülle komprimierter Daten. Sie waram Ziel angelangt.

5.Eastside von DaGlausch

12. April 1290 NGZ

»Schach!« sagte Tsualar Gross voll In-brunst. Der Computerfachmann der GOODHOPE III lächelte zufrieden - zum erstenmalseit acht Partien hatte er seinen Gegner ge-nau da, wo er ihn schon immer hatte habenwollen.

Die Überraschung war Tuck Mergenbur-gh anzusehen. Der Cheftechniker beugtesich weit nach vorne, berührte mit der Nasebeinahe die Feldabgrenzung des3-D-Würfels. Aber dann tat er etwas, was»Tsu« gar nicht behagte, er zog seinen Läu-fer diagonal durch das Spielfeld und postier-te ihn vor den eigenen König. Außerdem be-drohte er damit Tsus Turm.

»Wie machst du das?« ächzte Tsualar ent-geistert.

Tuck verzog die Mundwinkel zu einembreiten Grinsen. »Je weiter weg von der ver-dammten Bande, desto besser.« Er meinteseine Frau und die vier Kinder, die in Alas-han auf ihn warteten. Wieso ausgerechnet er,der hemdsärmelige, beinahe schon fettleibi-ge Typ, der nichts mehr liebte als seine per-sönliche Freiheit, sich die Fesseln eineslangjährigen Ehevertrags angelegt und sogarvier Kinder in die Welt gesetzt hatte, wußtekeiner der Besatzung so recht zu erklären.

Tsualar Gross brachte seinen Turm in Si-cherheit und verlor daraufhin prompt seinen

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zweiten Springer.»Ich weiß nicht, ob es richtig war, daß wir

uns tiefer in DaGlausch vorgewagt haben alsbei allen Flügen zuvor«, murmelte er gedan-kenverloren. »Einige tausend Lichtjahrenoch, und wir erreichen den Kessel.«

»Von mir aus kann's gar nicht weit genugsein - du hast keine Familie, also kannst duda nicht mitreden. Außerdem ist Fee derMeinung, es schade gar nicht, wenn wirmehr kennen als nur den galaktischen Vor-garten. - Du bist am Zug.«

»Das mußt du mir nicht auch noch aufsBrot schmieren, Tuck.«

»Willst du aufgeben?«»Niemals!«Mergenburgh hob die Schultern und

kratzte sich die Bartstoppeln.Tsu zog, Mergenburgh setzte nach:»Schach, mein Freund, und matt.«Stöhnend ließ Tsualar Gross den Kopf auf

die Handflächen sinken. »Dein Glück wirdmir ewig ein Rätsel bleiben.«

»Das ist kein Glück, sondern Perfektionund Berechnung, so, wie Fee sich diese Weltnahe dem Kessel herausgesucht hat, um aus-gerechnet hier unsere Hyperfunkanlagen zuGeld zu machen Ich glaube, die Ware wurdeuns bisher nirgends so schnell aus den Hän-den gerissen.«

»Ich verstehe trotzdem nicht, was das mitdem Schachspiel zu tun hat.«

»Sieh mal, mein Junge.« Tuck Mergen-burgh, mit seinen 59 Jahren fast doppelt soalt wie Gross, konnte sich diese Anrede er-lauben. »Fee plant eben auch jeden Zuggründlich, bevor sie ihn ausführt, und derErfolg gibt ihr recht. Wenn wir in zweiStunden starten und erneut Kristan anflie-gen, um unser sauer verdientes Geld auszu-geben …«

Der Vibrationsalarm versetzte sogar dieSchachfiguren in Schwingung. Das war Rot-Alarm, ohne jede Vorwarnung.

Planung, ja? fragte Tsus Blick noch, dannsprintete er los.

Innerhalb von nicht einmal dreißig Sekun-den hatte jedes Besatzungsmitglied der

GOOD HOPE III seine Gefechtspositioneingenommen.

*

Starke Fesselfelder hielten das Schiff amBoden fest. Die Projektorleistung war aus-reichend, um den Start des Kugelraumers zuunterbinden.

Das Hologramm in der Zentralemittezeigte das Schiff sowie die sichtbar gemach-ten Traktorstrahlen. Immer noch kamenneue Messungen hinzu.

Dreiundvierzig Projektorstationen zählteFee Kellind, knapp die Hälfte davon warenmobile Einheiten.

»Da will jemand sein Geld zurück«, be-hauptete Ors Tecken.

Cavalieri, der dunkelhäutige Hüne, grinsteden Cheffunker herausfordernd an. »Duweißt das natürlich, Ors, weil du den Funk-verkehr mit deinen …«.er tippte sich de-monstrativ an die Schläfe, »… mit deinenGedanken empfangen und ausgewertethast.«

In Teckens tiefliegenden kleinen Augenblitzte es amüsiert auf »Falsch geraten, dies-mal vermute ich nur«, relativierte er seineAussage. »Ausnahmsweise habe ich nichtauf den Funk geachtet.«

»Das solltest du schleunigst nachholen.«»Ist schon auf Syntron geschaltet, doch

wenn du unbedingt eine zutreffende Aussa-ge hören willst: Die planetare Regierung hältuns fest und wird ein Ultimatum stellen. Umdas herauszufinden, brauche ich meine be-sonderen Fähigkeiten nicht, dazu gehörennur ein bißchen Logik und schnelle Auffas-sungsgabe.« Ors Tecken war und blieb einSchwätzer, allerdings einer mit Sachver-stand.

Die Kommandantin hatte inzwischen Be-rechnungen vorliegen. Demnach war dievolle Schubkraft der Ringwulsttriebwerkeausreichend, um die Fesselfelder zu über-winden. Ein Gewaltstart konnte jedoch nichtohne größere Zerstörungen abgehen, auchdie GOOD HOPE III selbst würde beträcht-

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liche Schäden erleiden.»Also unternehmen wir nichts?« fragte

Mergenburgh.»Vorerst warten wir ab«, bestätigte Fee

Kellind und schickte sich an, die Zentrale zuverlassen.

Den Kopf schüttelnd, die Arme ver-schränkt, vertrat der Cheftechniker ihr denWeg. »Wir müssen die TARA-V-UH-Roboter ausschleusen oder die Bord-waffen einsetzen.«

Ein vielsagendes Lächeln umspielte FeesMundwinkel, als sie Mergenburgh mit zweiFingern zur Seite schob. »Die Kommandan-tin geht erst mal einen Vurguzz trinken«,stellte sie fest. »Bis unsere ›netten Freunde‹mit ihrer Forderung herausrücken, bleibt ge-nügend Zeit, die wollen uns weichkochen.«

»Sie werden unser Zögern als Schwächeauslegen.«

Fee Kellind zuckte mit den Achseln. »Istes nicht das Recht des Stärkeren, auch ein-mal eine Schwäche zu zeigen?«

*

Die Kommandantin war der Zentrale nurwenigen Minuten ferngeblieben und hattedanach ihren Platz auf dem erhöhten Podestnicht mehr verlassen. Zielsicher warf sie dieschluckweise geleerte Vurguzz-Dose in denAbfallsammler.

»Große Ereignisse werfen ihre Schattenvoraus.« Jon Cavalieris Bemerkung, als dieersten dickbauchigen Frachter in der Näheder GOOD HOPE III gestartet waren, hingnoch immer wie ein böses Omen im Raum.Obwohl das inzwischen vierzig Minuten zu-rücklag.

»Funkanruf auf Normalfrequenz«, melde-te Ors Tecken.

Keine Miene zuckte in Fees Gesicht.»Durchstellen!«Auf dem Schirm erschien das spitz zulau-

fende Gesicht eines Cumuren. Der ockerfar-bene Pelz wies deutliche graue Verfärbun-gen auf, möglicherweise Anzeichen eineshohen Alters. Fee fühlte sich bei dem An-

blick an einen terranischen Ameisenbärenerinnert, nur daß auf dem vorderen Teil desRüssels das einzige Auge dieses Wesenssaß. Wo Gehör und Geruchssinn plaziertwaren, hatte sie noch nicht herausgefunden;die Öffnung für die Nahrungsaufnahmemochte hinter den schwarzen Barteln ver-borgen sein, die knapp vor dem Halsansatzeine Handspanne weit nach unten hingen.Filigrane Auswüchse auf dem Oberkörpererzeugten jene Schallschwingungen, die mitleicht schnarrendem Begleitton ein einiger-maßen verständliches Glausching ergaben.

»Wie Sie sehen. Nacktgesicht, hindernwir Ihr Schiff am Start.«

»Tatsächlich?«Fees Bemerkung verfehlte die beabsich-

tigte Wirkung. Ihr Gesprächspartner schiendie feine Nuancierung nicht wahrzunehmen.

»Betrachten Sie Ihr Schiff als beschlag-nahmt und in unsere Flotte eingegliedert. Siewerden uns die Funktionen erklären, danacherweisen wir uns großzügig und setzen Sieauf einem Planeten Ihrer Wahl ab, selbstver-ständlich nicht auf der Heimatwelt IhresVolkes.«

Scheinbar gelangweilt betrachtete Fee ih-re Fingerspitzen.

»Ist das der Dank dafür, daß wir deinemVolk unsere Technik verkauft haben? So be-handelt man keine Geschäftspartner.«

Der Cumure reagierte nicht auf die ver-trauliche Anrede. »Sie haben zehn MinutenZeit, Ihr Schiff zu verlassen, Nacktgesicht.Anschließend holen wir uns, was uns zu-steht.« Er unterbrach die Verbindung. Natür-lich hatte er nicht den Begriff »Minuten« be-nutzt, sondern das entsprechende Pendantseiner Welt, doch die Umrechnung durch diesyntronischen Translatoren ergab diesenWert »Ich registriere Fahrzeugbewegun-gen!« meldete Cavalieri. »Da rollt einigesauf uns zu.«

Panzer näherten sich von allen Seiten,plumpe, kastenförmige Konstruktionen mitaufmontierten Thermogeschützen. Ein De-tail-Scan war ihrer reflektierenden Metalle-gierungen wegen nicht möglich.

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»Alle Schutzschirme aktivieren! DieKampfroboter bereitstellen, aber noch nichtausschleusen! Einsatz nur auf meinen Be-fehl!«

Sekunden nach Fristablauf eröffneten diePanzer das Feuer. Die Schirmfeldbelastungkletterte auf fünfunddreißig Prozent und ver-harrte auf dem Wert.

»Raumschiffe unbekannten Typs im An-flug!«

Sechs Dreiecksschiffe, jedes vom Bug biszum Heck vierzig Meter messend, beteilig-ten sich aus wenigen Kilometern Höhe andem Angriff. Eine Feuerlohe rollte über dasHafengelände hinweg. Neunzig Prozent Be-lastung.

»Das ist ein klassisches Patt«, murmelteMergenburgh »Fragt sich nur, wann die Cu-muren das einsehen.«

Die ersten Bodenfahrzeuge setzten bereitszurück, weil überschlagende Entladungendie Piste in eine zähflüssige Masse verwan-delten. Inmitten des brodelnden, loderndenChaos stand der Kugelraumer scheinbar un-berührt.

Ein Panzer explodierte ohne sichtbare äu-ßere Einwirkung. Minuten später verglühteder zweite in einer irrlichternden Wolke.

»Ich registriere ein allgemein ansteigen-des energetisches Potential!« rief Jon Cava-lieri von den Ortungen. »Da braut sich eingewaltiges Unwetter zusammen. Mein Gott,das ist …«

Der Himmel schien aufzureißen, und ob-wohl die Sonne sehr hoch stand, breitetesich eine undurchdringliche Schwärze aus,die den Tag zur Nacht machte. Mehr noch:Diese Schwärze kannte nicht einmal dasLicht der Sterne, die in diesem Sektor derDoppelgalaxie besonders dicht standen.

Blitze wie gigantische Flammenspeerezuckten auf den Kontinent herab, der anhe-bende Sturm wütete heftiger als jeder Orkan»… das sind fünfdimensionale Stoßfron-ten!«

Das äußere Schirmfeld brach zusammen,die innere Schale begann zu flackern. Abergleich darauf war alles wie zuvor. Fee nahm

mit schnellen Schaltungen die eingeleitetenStartvorbereitungen zurück: das Rumorender Konverter tief im Bauch des Schiffesebbte ab.

Die Sonne brach durch die aufreißendeWolkendecke, gleichzeitig öffnete der Him-mel alle Schleusen. Eine Sintflut brach überden Raumhafen und die nahe gelegene Stadtherein.

»Funkspruch an die Cumuren«, wandteFee sich an den Cheffunker. »Wir bieten un-sere Hilfe an.«

Keine Reaktion erfolgte. Allerdingsherrschte auf allen Frequenzen ein heillosesDurcheinander. Der unerwartete Ausbruchder Hyperenergien schien als Vorbote einesnahenden Kesselbebens angesehen zu wer-den.

»Ich kann keine weiteren Aufrißfrontenanmessen«, stellte Cavalieri fest. »Das sagtfreilich nicht aus, was vielleicht in wenigenStunden geschehen wird.«

Über der GOOD HOPE III hingen nurnoch zwei Dreiecksschiffe. Von den übrigenRaumern war weit entfernt abgestürzt undexplodiert, ein schwarzer Rauchpilz mar-kierte die Absturzstelle, die anderen hatteder Hyperraum verschluckt.

Flackernde Energieschleier erhellten dieobersten Atmosphäreschichten; ihr Farben-spiel erinnerte an gigantische Polarlichter.Immer noch blieb das Hilfsangebot unbeant-wortet. Helle Panik herrschte auf dem Kon-tinent, Raumschiffe flohen mit Gewaltstartsund peitschten die ohnehin aufgewühlte At-mosphäre weiter auf. Der Sturm erreichteSpitzengeschwindigkeiten von über dreihun-dert Stundenkilometern, dann prasselte Ha-gel herab; die faustgroßen Eiskörner häuftensich in Minuten-schnelle kniehoch.

»Die nächste Angriffswelle rollt!« melde-te Cavalieri.

Was ging nur in den Cumuren vor?Glaubten sie angesichts einer vielleicht be-stehenden Katastrophe nun erst recht diefremde Technik erobern zu müssen?

Neue Dreiecksschiffe tauchten hinter demHorizont auf Einige Fesselfeldprojektoren

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waren ausgefallen, trotzdem hielten immernoch starke energetische Bande den Kugel-raumer auf der Piste fest. Die Bewaffnungder GOOD HOPE III beschränkte sich aufDesintegratoren kleineren Kalibers für dieAsteroidenabwehr. Fee Kellind erteilte denFeuerbefehl.

Die grünlich flirrenden Strahlbahnen derDesintegratorgeschütze griffen nach mehre-ren Projektorstationen, deren Abwehrfeldernur kurzfristig standhielten Danach began-nen die molekularen Bindungskräfte imTrefferbereich zu schwinden. Der Sturmverwehte die bröckelnde Materie, noch ehesie in ihre Atome zerfiel.

Als die GOOD HOPE III abhob, eröffne-ten die Cumuren weitgehend ziellos undsichtlich überstürzt das Feuer.

Rasend schnell fiel der Planet unter demKugelraumer zurück. Schon jetzt war zu er-kennen, daß die Verfolger Mühe hatten, dieDistanz zu halten. Mit 430 Kilometern proSekundenquadrat betrug die Beschleunigungder GOOD HOPE III gut das Doppelte desWertes der Dreiecksschiffe »Kurs auf dasKromsoe-System und Kristan?«

Die Kommandantin schüttelte den Kopf.»Wir warten noch einen oder zwei Tage undbeobachten. Ich will sicher sein, daß unsereHilfe wirklich nicht benötigt wird.«

»Bestimmt nicht.« Jon Cavalieri entblößteseine großen Zähne zu einem schwer zudeutenden Lächeln. »Ich messe kaum nochfünfdimensionale Anomalien an - nichts je-denfalls, was für diesen Sektor ungewöhn-lich wäre.«

6.Freihandelswelt Kristan12.- 13. April 1290NGZ

Nach wie vor war Tpiskoll sich über dieIdentität der dunkelhäutigen Fremden im un-klaren. Obwohl er alles darangesetzt hatte,mehr über ihre Herkunft und ihre Absichtenzu erfahren, war das Ergebnis denkbar ma-ger ausgefallen.

Möglich, daß die Zweibeiner nur ihre

Chance gesehen hatten, das mit dem Endeder Guaranteka entstandene Machtvakuumzu füllen. Aber woher waren sie gekommen?Niemand wußte es, niemand hatte je den Na-men KOMPANIE gehört. Teiskoll rekapitu-lierte alle Fakten, wahrend er im Schnellaufdie nächtlichen Aufzeichnungen kontrollier-te, die das gegenüberliegende Gebäude derKOMPANIE zeigten. Weder Infrarot nochandere techniken brachten ein verwertbaresErgebnis. Das Büro schien unbedeutend zusein. Dennoch wußte Teiskoll, daß er sichauf seinen Riecher verlassen konnte. An sei-nen drei Beinen konnte er abzählen, daß dieDunkelhäutigen mehr zu verbergen hattenals Guarant jemals vorher.

Die Fakten hatte er längst notiert:Erstens: Das fremde Kugelschiff namens

GOOD HOPE III landete in Cyros Unbe-kannte Zweibeiner, vermutlich aus dem we-nig erforschten galaktischen Bereich jenseitsdes Kessels stammend, boten Konstruktions-unterlagen und Kompaktorter von nie gese-hener Präzision feil. Der Preis dafür war ei-ne vollautomatische, programmierbare Fa-brik. Auf den Tag genau drei Wochen nachihrer Ankunft waren die Fremden, die sichNation Alashan nannten, wieder gestartet.Zweitens: Die 120-Meter-Kugel war zweiWochen später noch einmal erschienen, ihreBesatzung hatte weitere Kompaktorter freiverkauft. Kurze Zeit danach hatte das Tam-pa-Konsortium die ersten Nachbauten aufden Markt gebracht. Flüchtig dachte Teis-koll an Vurtoon, seinen Freund seit derAgentenausbildung, dem es gelungen war,einen Nachbau zu erbeuten, ohne daß dieHamaraden als Angreifer vermutet wurden.Teiskoll wunderte sich ohnehin, weshalb dieZweibeiner der Nation Alashan sich selbstdurch den Verkauf der Konstruktionsunter-lagen das Geschäft kaputtgemacht hatten.Aber das war ihre Sache.

Drittens: Nur wenige Tage später hatteTeiskoll erstmals von der Existenz derKOMPANIE gehört, auch das eine Organi-sation, die über ein technisch sehr viel höhe-res Niveau verfügte als zum Beispiel das

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Hamaraden-Reich Einige tragbare Schutz-schirmprojektoren hatte die KOMPANIEauf den Markt gebracht - gerade ausrei-chend, um die Stimmung anzuheizen undganz Kristan neugierig zu machen. Inzwi-schen brodelte die Neugierde am Siede-punkt, denn seit kurzem hieß es, daß dieKOMPANIE eine unvorstellbar leistungsfä-hige Positronik vorstellen und natürlich ver-kaufen würde. Teiskoll hatte es in Rekord-zeit geschafft, seinen kompletten Hamun-Stützpunkt in ein Nachbargebäude derKOMPANIE zu verlagern. Daß gegenüberkeine Waren produziert, sondern nur gela-gert wurden, war ihm inzwischen klar. Aberder Stützpunkt in Cyros war längst nicht sointeressant wie die Herkunftswelt der KOM-PANIE Selbst wenn die im Umlauf befindli-chen Gerüchte und Behauptungen nur teil-weise einen wahren Kern hatten, mußten un-glaubliche technische Errungenschaften zuholen sein.

Viertens: Anfangs hatte Teiskoll sogar inErwägung gezogen, diese angebliche NationAlashan und KOMPANIE könnten einen ge-meinsamen Ursprung haben, inzwischenhatte er diese Theorie wieder verworfen.Vielleicht waren beide Völker auf der Fluchtvor Kesselbeben und bauten sich in derEastside eine neue Existenz auf - das warnichts Ungewöhnliches.

Teiskoll vergewisserte sich, daß fünf sei-ner Hamun unablässig das Gebäude derKOMPANIE beobachteten Anschließendverließ er sein Büro, rechtzeitig genug, umja nicht die Vorführung der sensationellenPositronik zu verpassen, die alles in denSchatten stellen sollte, was in DaGlausch jeentwickelt worden war. GroßsprecherischeWorte waren dies, aber Teiskoll zweifeltenicht daran, daß sich gerade deswegen halbCyros versammeln würde.

Er aktivierte die Schutzvorrichtungen, diedas Beste darstellten, was Hamaraden-Tech-nik zu bieten hatte. Cyros war ein heißesPflaster; die einzigen in der16-Millionen-Metropole, denen Teiskoll be-dingungslos vertraute, waren seine eigenen

Agenten. Doch sie konnten ausfallen. EinEindringling würde jedenfalls seine Überra-schungen erleben und vermutlich auch nichtüberleben.

*

Sechzehn Zentner Knochen und vor allemMuskelmasse sorgten dafür, daß es in derKneipe spontan ruhiger wurde. PoultonKreyn war es gewohnt, daß man ihn im er-sten Moment entgeistert anstarrte, sich dannjedoch schnell zur Seite drehte. Besondersjene, die seinen zweieinhalb Metern Körper-größe und der Schulterbreite von über zweiMetern unterlegen waren, verhielten sich ex-akt nach diesem Schema.

Kreyn verzog die Mundwinkel zu einemfreundlichen Grinsen und stapfte auf einender sternförmig angelegten Thekenflügel zu.Eine Gruppe Companeii verfolgte jeden sei-ner Schritte. Erst als Kreyn ihren Tisch hin-ter sich gelassen hatte, atmeten sie sichtlichauf.

Automatisch entstand an der besetztenTheke ein freier Platz Zwei Tsk hatten esplötzlich eilig, ihre Getränke hinunterzustür-zen, ihre antennenartigen Fühler dehntensich Poulton Kreyn entgegen, dann ver-schwanden sie im unergründlichen Hinter-grund des Lokals.

»Was gibt's zu essen?« dröhnte der Ertru-ser.

Das Wesen auf der anderen Seite der The-ke war zwar eine Handspanne größer als erselbst, dafür aber unglaublich dürr. Mit vierHänden räumte es gleichzeitig zurückkom-mende Speiseplatten beiseite und schenkteGetränke ein. Sein einziges großes Augezwinkerte unentwegt. Das Blinzeln reizteKreyn.

Endlich rasselte der Kerl eine Litanei un-verständlicher Ausdrücke herunter. PoultonKreyn winkte ab »Was davon ist genieß-bar7« wollte er wissen.

Neben ihm stand ein Humanoider mitbrauner, faltiger Lederhaut. Er war auf denZentimeter so groß wie Poulton und wirkte

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äußerst kräftig, aber auch schwerfällig. Et-was an ihm erschien schief und völlig ver-zerrt; Poulton brauchte einige Augenblicke,um zu erkennen, daß der Mund seines Nach-barn in der linken Wange saß.

»Laß Tschurucha-um in Ruhe«, stieß derSchiefgesichtige in bellendem, aggressivklingendem Tonfall hervor, wobei er kräfti-ge gelbe Mahlzähne und gefährlich ausse-hende Reißzahne entblößte. »Er hat genugzu tun.«

»Und ich habe Hunger«, brauste Poultonauf. »Hunger ist schlimmer als der Tod.Merk dir das!«

Alles geschah so blitzschnell, daß selbstder Ertruser nur instinktiv reagierte. Halsund Schädel seines Nebenmanns schnelltenplötzlich nach vorne, die braunen Reißzähnezielten auf Poultons Schulter. Es krachtedumpf, als der Schiefgesichtige mit PoultonKreyns Ellenbogen Bekanntschaft schloß,ein gurgelndes Ächzen folgte, als der Ertru-ser gänzlich herumwirbelte und den Angrei-fer von den Füßen fegte.

»Wenn ein Prolongide einer Provokationwegen zubeißt, endet das meist tödlich«,sagte jemand zu Poultons Linken. »Wer im-mer du bist, Großer, du hast dir soeben einenerbitterten Todfeind geschaffen. Du mußtden Prolongiden töten, bevor er dir zuvor-kommt.«

»Was soll ich dir zubereiten lassen?«fragte der Mann hinter der Theke.

Kreyn hörte kaum hin, er suchte MondraDiamond und Tautmo Aagenfelt, die erdicht hinter sich gewähnt hatte, aber offen-bar hatten sie die Kneipe gar nicht betreten.

»He, was ist los mit dir?«Poulton stürmte nach draußen. Fast hatte

er es befürchtet: Mondra und Tautmo warenverschwunden. Dem Physiker traute er zu,daß er zurück zur GLIMMER wollte, aberdie Frau …

Poulton sprang die Treppen hinunter undhastete suchend die Straße entlang. Zwei derblauhäutigen und fettleibigen Händler ka-men ihm entgegen; als sie ihn bemerkten,machten sie auf dem Absatz kehrt und rann-

ten davon. Was sie gerade in Händen gehal-ten hatten, ließen sie dabei achtlos fallen.

Es war das Oberteil von Aagenfelts Kom-bination.

Kreyn blickte um sich. Die Blauen konn-ten nur aus einer der Seitengassen gekom-men sein Lag da nicht eine reglose Gestalt?Und ein paar Meter weiter, hinter einemquerstehenden Gleiter, wurde offenbar ge-kämpft. Der Ertruser spurtete los.

Aagenfelt war entweder tot oder ohne Be-wußtsein, er trug nur noch die Unterwäscheam Leib. Aber um ihn konnte Poulton sichnicht kümmern, denn Mondra brauchte seineHilfe dringender. Bis eben schien sie sichverzweifelt gegen zwei überlegene Gegnergewehrt zu haben, nun ging sie steif zu Bo-den.

Wie ein Rachegott brach Poulton Kreynüber die Blauen herein. Einem hieb er dieFaust in den Leib, den anderen hebelte eraus und schmetterte ihn gegen das Gleiter-wrack. Gleichzeitig spürte er eine Berührungim Nacken, ein gräßliches Zischen, und sei-ne Gliedmaßen begannen unkontrolliert zuzucken. Schon der Versuch, sich umzudre-hen, endete damit, daß er auf die Knie fiel.Alles um ihn her schien in wirbelnder Bewe-gung begriffen zu sein; eine gräßliche Übel-keit umfing ihn.

Er sah, daß die Blauen sich an Mondra zuschaffen machten, aber sein eigener wüten-der Aufschrei kam ihm nur vor wie eindumpfes Stöhnen. Unkontrolliert schlug erum sich, es war, als kämpfe er dabei gegendie Zeit selbst, die seine Bewegungen starkverlangsamte. Alles erschien ihm wie inZeitlupe gefangen, dennoch brachte er einenneuerlichen Hieb an, der seine Gegner in dieFlucht zwang.

»Mooonnndraaa …« Er rüttelte die jungeFrau an den Schultern, zerrte sie schließlichaus der Gosse hoch. Die Blauen hatten ihralles abgenommen, was ihnen irgendwiewertvoll erschienen war: das Oberteil ihrerKombination, ihre Halskette ebenso wie dasKombiarmband und den kleinen Paralysator,den sie, wie jeder von ihnen, versteckt getra-

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Page 33: Kontakt auf Kristan

gen hatte.Schwerfällig aktivierte Kreyn sein eigenes

Armband, aber niemand antwortete ihm. DieCrew schien die GLIMMER verlassen zuhaben.

Endlich ließen die Lähmungserscheinun-gen nach. Der Ertruser vermochte nicht zusagen, wie lange dieser Zustand angehaltenhatte, jedoch kaum mehr als fünf Minuten.Passanten schlugen einen weiten Bogen umdas Gleiterwrack, und weshalb die KrisPolnoch immer nicht erschienen war, konnte ernur vermuten, Korruption steckte überallhinter dem System Mondra stöhnte verhal-ten. Poulton hängte ihr seine Jacke um undbedeckte ihre nicht gerade üppige Blöße.Das Ergebnis sah aus, als hätte die schlankeSchönheit sich in ein Vier-Mann-Zelt einge-wickelt.

Tautmo Aagenfelt war noch ohne Besin-nung, lediglich seine Augäpfel rollten unterden geschlossenen Lidern hektisch hin undher. Auch ihn hatten die Händler im wahr-sten Sinne des Wortes bis aufs Hemd ausge-plündert.

»Danke, Poulton«, ächzte Mondra. »Ich… kann mich kaum noch erinnern.«

»Die Halunken scheinen euch ein extremstarkes Betäubungsmittel verpaßt zu haben.«

Die Frau übergab sich, erst danach kehrteFarbe in ihr Gesicht zurück.

»Ich dachte, du schlägst dir in der Kneipeden Wanst voll«, brachte sie ächzend hervor.»Danke, Poulton.«

»Schon gut, vergiß es, Mondra. Ich glau-be, keiner von euch hat den besten Eindruckvon mir.«

Sie starrte ihn aus weit aufgerissenen Au-gen an wie ein Kaninchen, das sich einerSchlange gegenübersieht und nicht mehr fä-hig ist, die Flucht zu ergreifen. »Ah«, brach-te sie hervor, nicht eben geistreich, undPoulton Kreyn begann bereits zu bedauern,daß er sich zu einer solchen Beichte hattehinreißen lassen. »Weißt du was. Poulton«,sagte sie dann frisch von der Leber weg,»ich lade dich zum Essen ein.«

Der Ertruser fürchtete schon, sich verhört

zu haben, doch als Mondra Diamond ihmspontan die Hand hinstreckte, begann erdröhnend zu lachen. Trotzdem schlug er ein.

*

Als Ska Kijathe die Augen öffnete, sah siedie mittlerweile vertraute Zentrale derGLIMMER. »Den Göttern von Swoofon seiDank, sie hat's geschafft!« hörte sie ein dün-nes Stimmchen hinter sich Sie konnte denKopf noch nicht drehen. Jeder einzelne Kno-chen und jede Muskelfaser schmerzte.

Ärger stieg in ihr auf. Viel zu früh hattendie Swoons ihre Verbindungen zum Bord-computer der GLIMMER gekappt. Sie waram Ziel gewesen, hatte die Sicherungen derTampa-Daten überwunden …

… und dann hatten Treul und Goriphnichts Eiligeres zu tun gehabt, als sie zu-rückzuholen. Obwohl sie nun wußte, was sieerwartete, würde sie die Tortur nicht nocheinmal auf sich nehmen. Es mußte einen an-deren Weg geben, die benötigten Daten zubeschaffen. Ska stieß eine deftige Verwün-schung aus. »Ich kann nicht glauben, daß al-les umsonst war …«

»Du hast doch genügend Material mitge-bracht«, wandte Treul ein.

»Was habe ich?« Hastig befreite Ska sichvon den Datenhandschuhen, die ihr plötzlichlästig waren.

»Dem Umfang nach zu urteilen, dürftedabeisein, was wir haben wollten.« Goriphaktivierte ein Suchprogramm, Augenblickespäter baute sich über dem Bordrechner einHologramm auf.

Das Tampa-Büro hatte kontinentale Trivi-deo-Berichte über einen blutigen Zwischen-fall gespeichert. Fünf oder sechs WochenStandardzeit lag das Ereignis zurück, dasgleichzeitig den Beginn vom Ende einerVerbrecherorganisation namens Guarantekabedeutet hatte. In unscharfen, aus großer Di-stanz aufgenommenen Bildern wurden Bo-denkämpfe im Bereich von Lagerhallen undgelandeten Raumschiffen dokumentiert.

»Das sind Menschen!« stieß Ska verblüfft

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hervor »Sie tragen SERUNS.«Vielleicht hatte sie recht. Deutlich zu er-

kennen war es jedenfalls nicht.Dann kam ein Kugelraumschiff ins Bild

Kurz nur, für Sekundenbruchteile, doch dasgenügte.

»Terraner«, jubelte Ska Kijathe. »KeinZweifel, sie haben den ZZ-89 nach Kristangebracht.«

Die Hochrechnung des Bordcomputersanhand bekannter oder zumindest bestimm-barer Größen ergab einen Durchmesser desKugelraumers von 120 Metern. Ein Schiffs-name war leider auch bei nachträglicherBildbearbeitung nicht zu erkennen.

Vergeblich versuchte Ska Kijathe, eineFunkverbindung zu Perry Rhodan und Regi-nald Bull zubekommen. Keiner von beidenantwortete.

*

»Ich wollte schon immer Urlaub beitrockenem Brot und Wasser«, maulte Regi-nald Bull. »Um ehrlich zu sein, ich bin gera-dezu versessen darauf.«

»Dann hast du endlich, was du wolltest.Würdest du jetzt bitte den Mund halten?«

Die KrisPol hatte Perry Rhodan und Regi-nald Bull in eine energetisch gesicherte Zel-le gesperrt. Die Bewaffneten hatten sich ge-rade noch der Mühe unterzogen, zu erklären,daß Qurzom eine der illegalen Drogen war,auf deren Besitz hohe Strafen standen.

»Wir sind reingelegt worden«, hatte Bullyprotestiert. »Versteht ihr? Dieses Vogelwe-sen mußte das Zeug loswerden und hat esmir …« Niemand hatte seine Rechtfertigunghören wollen.

»Moo! Aktivmodus!«Rhodan lächelte, als die kleine silberne

Figur, die entfernt einer Buddha-Statue äh-nelte, sich von der rechten Brustseite seinesgalornischen Raumanzugs löste und zu Bo-den, schwebte. Die Befehle gab er nur überdie Halskrause seines Raumanzugs, immer-hin stand zu befürchten, daß die KrisPol ihreGefangenen abhörte.

Moo brauchte nicht lange, um die Ener-giebarriere zu neutralisieren. Ein winzigesQuadrat von knapp zwölf Zentimetern Sel-tenlänge begann sich milchig zu verfärben,dann glitt das Zwitterwesen - nach eigenerAussage empfand es sich als halb lebendigund halb robotisch - problemlos hindurch.

»Und wie geht es weiter?« wollte Bullywissen. »Wie lange bleiben wir hier?«

»Bis Moo alle interessanten Daten besorgthat«, erwiderte Rhodan. »Immerhin sitzenwir hier an der Quelle.«

»Wir sollten Mondra und die anderen ver-ständigen.«

»Laß das Funkgerät abgeschaltet. Ich hal-te das momentan für sicherer …«

Bully zog die Brauen hoch. »Shabazza iswatching you?« grinste er, wurde aber soforternst. »Ich geb's zu, das war ein schlechterScherz. Aber …« Er unterbrach sich undspähte interessiert zu Rhodan hinüber, derüber seine Halskrause Informationen vonMoo empfing. »Was sagt dein persönlicherBuddha?«

»Moo hat die Haupt-Datenleitung derKrisPol gefunden und fährt momentan meh-rere Suchroutinen.«

»Schön und gut.« Bully begann eine unru-hige Wanderung. »Aber stell dir vor, die Po-lizisten entdecken ihn.«

»Und wennschon … Seit wann bist dunervös?«

»Mit fast dreitausend Jahren Lebenserfah-rung habe ich wohl das Recht, nervös zusein, oder? Ich frage mich, welche Schwei-nerei Shabazza als nächstes plant. Und wirhaben nichts Besseres zu tun, als einem ZZ-89 nachzulaufen.«

»Das ist immerhin eine Spur.«»Keine besonders vielversprechende, Per-

ry, wenn du mich fragst. In der Milchstraßegibt es genügend Schiffe, die den Abgrundnach DaGlausch überwinden können. Dasweißt du genausogut wie ich.«

Rhodan hatte kaum noch hingehört, son-dern sich intensiv der Technik seines galor-nischen Raumanzugs gewidmet. Als er denBlick wieder hob und Bully anschaute, lag

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ein eigenartiges Glitzern in seinen Augen.»Hallo«, machte Reginald Bull über-

rascht. »Was hat Moo herausgefunden? -Die SOL?«

»Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist einKugelraumer mindestens zweimal auf Kri-stan gelandet.«

»Ist der Schiffsname bekannt?«»GOOD HOPE III.«Bully grinste schräg. »Sehr sinnig«, stellte

er fest. »Das deutet auf alles und jeden hin.«»Auch auf den Stadtteil Alashan«, sagte

Rhodan. »Wir sollten diese Möglichkeit kei-nesfalls außer acht lassen.«

Shabazza steckte hinter dem Anschlag aufdie Heliotischen Bollwerke, das war ziem-lich sicher. Er hatte dafür gesorgt, daß diebarbarischen Dscherro nach Terra gelangtwaren, während andererseits zwei Faktorele-mente, aus Kalkutta und aus Terrania City,in unbekannte Regionen des Kosmos ver-schwanden. Kalkutta-Nord war auf einemSphärenrad der Nonggo wiedergefundenworden, von Alashan gab es bislang keineSpur.

»Achtung!« stieß Perry Rhodan geradenoch hervor, bevor unvermittelt eine Wandder energetischen Zelle erlosch. »Sie habenMoos Manipulationen entdeckt!«

Perry und Bull blickten geradewegs in dieflirrenden Projektormündungen langläufigerStrahler. Die Uniformierten der KrisPol gin-gen kein Risiko ein.

Im Hintergrund des Raumes herrschte Tu-mult. Offensichtlich versuchten mehrere un-terschiedliche Wesen vergeblich, etwas ein-zufangen. Um Perrys Mundwinkel zuckte esamüsiert - die Männer würden Moo be-stimmt nicht erwischen, dazu war die galor-nische Technik zu ausgefeilt.

Schüsse fielen. Verwünschungen warenzu hören, laut gebrüllte Befehle.

Die Aufregung brandete hoch und machteauch vor den Männern nicht halt, die PerryRhodan und Reginald Bull bedrohten.Rhodans Wächter hatte ein kantiges, vorge-wölbtes Gesicht, das seine Abstammung vonEchsen nicht leugnen konnte; eine klebrige

Zunge zuckte unruhig von einem Winkel desverhornten Mundes zum anderen.

»Ich weiß nicht, wie ihr das gemacht habt,aber ruft dieses … Ding sofort zurück!«

Rhodan breitete die Arme aus, was einnervöses Zucken mit der Waffe zur Folgehatte. »Ich weiß nicht, wovon du redest«,behauptete er.

»Von der silbernen Kreatur, die denHauptrechner angezapft hat.«

Perry Rhodan schüttelte den Kopf, ob-wohl er nicht sicher war, daß sein Gegen-über diese Geste auch deuten konnte. »Biseben waren wir in der Zelle eingesperrt«,sagte er. »Was hätten wir …?«

»Ihr gehört zu den Fremden an Bord desKugelraumschiffs« kam die Feststellung.»Eure Technik ist hoch entwickelt. Zieht dieAnzuge aus!« Ein unmißverständlicherWink mit dem Strahler begleitete die Auf-forderung, die eigentlich um Stunden zu spätkam. Inzwischen würde der Echsenab-kömmling nicht zögern, bei der geringstenihm verdächtigen Bewegung zu feuern; sei-ne Hand verkrampfte sich jedenfalls um denAuslöser.

Ein kaum merkliches Nicken Rhodans.Bully gab im gleichen Augenblick dem Ser-vo seines SERUNS den Befehl zur Aktivie-rung des Deftektorschirms.

Die KrisPol-Männer reagierten auf dieVeränderung zu spät und falsch dazu, siehatten nicht vorhersehen können, daß ihreGefangenen sich gedankenschnell zur Seitewerfen würden, also feuerten sie blindlingsgeradeaus. Beide Thermoschüsse entludensich fauchend und flossen an der Rückwandder Zelle funkensprühend auseinander.

Alarmsirenen heulten auf.Im Schutz der Unsichtbarkeit trat Regi-

nald Bull hinter einen KrisPol-Mann, derhektisch an einem Computerterminal han-tierte. Wie es aussah, war er im Begriff, dengesamten Gebäudekomplex hermetisch ab-zuriegeln »Hast du Moo wieder, Perry?«fragte Bull über Funk. Kein Laut drangdurch seine Akustik-Abschirmung.

Die Frage war überflüssig. Etwa zwanzig

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Meter entfernt eröffneten Polizisten plötz-lich das Feuer. Die Thermoenergien verwan-delten etliche Einrichtungsgegenstände in ei-ne blasenwerfende, qualmende Masse, dielangsam in sich zusammensank. Lösch-schaum sprühte aus bislang verborgenenDüsen und vergrößerte das herrschendeChaos noch.

Auf den Monitoren konnte Bully mitver-folgen, daß Strahlensperren geschlossenwurden; das KrisPol-Gebäude entpupptesich als Festung, in die wohl nicht einmal ei-ne Stubenfliege unbemerkt eindringen konn-te. Entsprechendes galt vermutlich für denWeg nach draußen.

Inzwischen seitlich neben dem Terminalstehend, ließ Bully seine Finger wahllosüber die Tastatur huschen - mit dem Ergeb-nis, daß sich mehrere Sperren wieder aufzu-lösen begannen. Im ersten Augenblick starr-te der Polizist ungläubig auf die Wiederga-be, dann wollte er auffahren und eine War-nung schreien, doch er kam nicht über denAnsatz der Bewegung hinaus. Nur ein un-hörbares Gurgeln hing für Sekundenbruch-teile auf seinen Lippen, bevor er bewußtlosin sich zusammensackte. Bull hatte einengezielten Dagorgriff angesetzt und auf An-hieb eine Schlagader des Echsenabkömm-lings erwischt.

»Moo ist wieder bei mir«, meldete Rho-dan. »Laß uns verschwinden!«

»Gleich.« In aller Eile löschte Bully einEnergiegitter nach dem anderen.

Als die Meute heranhetzte, befand sichReginald Bull aber schon auf dem Weg nachdraußen. Hinter Rhodan folgte er einembreiten, vielfach gewundenen Korridor.

Die Verfolger waren schnell. Schon bau-ten sich neue Sperren auf, die von den Or-tungen der SERUNS als wahre Leuchtfeuerwiedergegeben wurden.

Im achten Stock sprang Rhodan in vollemLauf durch eine riesige Panoramascheibe.Mit peitschendem Knall zerbarst das glas-ähnliche Material, und wer noch nicht ge-ahnt hatte, wohin die Unsichtbaren geflohenwaren, wußte es nun. Für Sekundenbruchtei-

le aktivierte der Pikosyn den Schutzschirm,Perry Rhodan wurde in einen flirrendenFunkenregen getaucht, als Tausende winzi-ger Splitter verglühten.

»Immerhin haben wir herausgefunden,daß Terraner auf Kristan waren«, resümierteBully, als er sich ebenfalls vom Antigrav indie Tiefe tragen ließ. »Oder eben Terra-Abkömmlinge. Das Universum ist ein Dorf,Perry, man ist wirklich nirgends ganz al-lein.«

*

Wie ein Lauffeuer hatte es sich herumge-sprochen, daß ein Bebenforscher aus demzahlenmäßig nur noch kleinen Volk derGoldner gelandet war. Viele der in Cyros le-benden Wesen waren vor Kesselbeben ge-flohen, die ihre Heimatwelten zerstört hat-ten. Es gab Hunderte von Stadtteilen, sehrvoneinander verschieden, und meist galt dasRecht des Stärkeren. Korruption war keinDelikt, sondern etwas völlig Normales, undselbst die schwer bewaffnete KrisPol, die ei-ne gewisse Ordnung aufrechterhielt, war ge-gen die Verlockungen der Miro-Creditsnicht gefeit.

Die an den Raumhafen angrenzendenElendsviertel sah Störmengord nur aus derLuft. Mehrere Tsk hatten ihn vor den Hafen-gebäuden auf der Straße bestürmt und ver-sucht, eine Bebenprognose von ihm zu be-kommen. Sie sagten offen heraus, daß sie inCyros gelandet waren, weil sie das Geschäftihres Lebens witterten, doch die Furcht voreiner bevorstehenden Bebenhaft im Krom-soe-System erwies sich als weit größer alsihre Profitgier.

Störmengord verstand es geschickt, densechsgliedrigen Insektoiden die Informatio-nen über ihr erhofftes Geschäft zu entlockenund sich ihnen als Begleiter anzubiedern.Weil auch ihn die Ware reizte, die in weni-ger als zwei Stunden erstmals angebotenwurde. Vorausgesetzt, die umlaufenden Ge-rüchte entsprachen wenigstens teilweise derWahrheit.

36 Hubert Haensel

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Vorübergehend schaffte Eismer Störmen-gord es sogar, die Trauer um seine Artge-nossin zu verdrängen.

Eine nahezu unüberschaubare Menge hat-te sich in der Nähe des Stadtzentrums ver-sammelt. Die Gassen und Plätze ringsumwaren völlig verstopft, und über den Lager-hallen selbst hingen Hunderte von Maschi-nen in der Luft. Bunte Laser zeichneten be-wegte Reklamebilder auf die Fassaden undin den leicht bewölkten Himmel.

Die Tsk nutzten ihre Kieferzangen, umsich den Weg freizubeißen, und EismerStörmengord profitierte davon. Angesichtsdes Massenaufmarsches hatten die Veran-stalter schon vor der festgelegten Zeit be-gonnen. Hausgroße Hologramme machtenbis in den hintersten Winkel sichtbar, wasgeschah.

Zwei dunkelhäutige Humanoide begrüß-ten die Kaufinteressenten. Auf den erstenBlick verglich Störmengord sie mit PerryRhodan und Reginald Bull, aber dann sta-chen ihm doch die Unterschiede ins Auge:nicht nur ihre dunkle Haut, sondern vor al-lem die Knochenwülste, die ihre Schädel un-förmig erscheinen ließen.

Die Fremden, eine Leuchtschrift bezeich-nete sie als Angehörige der sogenanntenKOMPANIE, waren nahezu kahl. Einegroße Knollennase kontrastierte stark zu dentief liegenden Augen, und wenn sie denMund öffneten, blitzten spitze Eckzähne auf.Ihre Finger wirkten schlank, Störmengordzählte sieben an jeder Hand, zwei mehr alsbei seinen Passagieren.

Eine Staffel der KrisPol drängte allzuneugierige Interessenten gewaltsam zurück.Trotzdem kamen kaum Proteste auf; keinerwollte ganz ausgeschlossen werden.

Die Positroniken waren kleine Kästen inweitgehend glatten, metallenen Gehäusen.Eigentlich sahen sie derart unscheinbar undgeringwertig aus, daß es kaum lohnen wür-de, nur eine Handvoll Miro-Münzen dafürauszugeben. Doch Eismer Störmengorddachte an den ebenfalls wenig auffälligenMehrzweckorter ZZ-89 und dessen revolu-

tionäre Reichweite. Die Dunkelhäutigen ver-sprachen bestimmt nicht zuviel, wenn sievon potenzierter Rechenleistung im Ver-gleich zu den gebräuchlichen Positronikensprachen.

Aufgeregt tänzelten die Tsk hin und her,sie hatten ihre Fühler bis auf Meterlängeausgefahren und betasteten sich gegenseitigziemlich hektisch Dabei stießen sie abge-hackte, schrille Lautfolgen aus.

Störmengord drängte sich weiter nachvorne, bis er hoffnungslos eingekeilt warzwischen Prolongiden und Companeii, zwi-schen Hamaraden, Hamarauden und Thorri-mern sowie den Angehörigen anderer Völ-ker. Eine erdrückende Mischung von Körpe-rausdünstungen, Duftwässern und unbe-kannten Aromen raubte ihm fast den Atem.Zu seiner Linken hechelten zwei Mukovs ih-re Aufregung aus beiden Mündern; ihreSchuppenhaut hatte sich kräftig gelb ver-färbt, deutliches Zeichen dafür, daß ihreKörpertemperatur nicht weiter steigen durfteDas schlürfende, fauchende Hecheln zehrtean Störmengords Nerven.

Mühsam schob er einige Companeii zurSeite und zwängte sich schrittweise durchdie wogende Menge, hinüber zu den Verla-derampen, von wo aus sich vielleicht ein et-was besserer Blick bot.

Jemand hielt ihm eine Qurzom unter dieNase. »Nur fünfhundert Miro-Einheiten,Goldner. Das ist geschenkt für drei Tageglücklicher Träume.«

»Verschwinde« Störmengord entblößteseine Zähne in einer drohenden Geste, mitdem Erfolg, daß ihm eine wüste Schimpfti-rade folgte.

Er mußte einsehen, daß er es niemalsschaffen würde, die feilgebotene Positronikvon nahem zu betrachten. Mehr als fünfhun-dert Meter trennten ihn noch von den Dun-kelhäutigen, die inzwischen mit der Vorfüh-rung begonnen hatten.

Die holographische Wiedergabe zeigtezwei Multiflex-Schnittstellen, die den An-schluß an nahezu alle bekannten Hauptsyste-me ermöglichten. Allein in der Eastside von

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DaGlausch existierten Dutzende unter-schiedlicher Standards, die zum Teil erstnach gravierenden Veränderungen kompati-bel wurden. Die Vertreter der KOMPANIEbewiesen die Funktionsfähigkeit ihrer Po-sitronik innerhalb von Systemverbunden derTsk ebenso wie bei Companeii-Computernund anderen.

Doch das war erst der Auftakt Für dieDarstellung der Rechnerleistung hatten dieDunkelhäutigen den direkten Vergleich ge-wählt - ihre Positronik gegen eine Verbund-schaltung von drei Companeii-Rechnern, be-stehend aus zwei Raumschiffs-Positronikenund dem Hauptcomputer der Stadtverwal-tung.

Die Aufgabenstellung kam aus den Rei-hen der potentiellen Käufer.

Umfangreiche Rechenoperationen imkaufmännischen Bereich bewältigte das Ge-rät der KOMPANIE zwar um Bruchteile ei-ner Zeiteinheit schneller als der Verbund,doch das rief bei manchem der angespanntWartenden nur Unzufriedenheit hervor. Je-der hatte mehr erwartet.

Der erste deutliche Leistungsunterschiedzeigte sich, als astrophysikalische Problemeeiner Lösung harrten. Zweieinhalb Zeitein-heiten war das Testmodell schneller und zu-dem im Ergebnis exakter als der Rechner-verbund.

Störmengord begann, unruhig seinen Na-senhöcker zu massieren Die Abweichungder Ergebnisse betrug beinahe zehn Prozent,und wie sich nach einer längeren Überprü-fung herausstellte, hatte die Positronik derKOMPANIE genau gerechnet. Ein solchesGerät konnte die Bebenvorhersage sicherermachen.

»Wieviel?« brüllte ein Prolongide mitsich überschlagender Stimme.

»Über den Preis reden wir später«, ver-kündete das gut fünf Meter große Holo-gramm eines der Fremden. »Vorher wollenwir noch einen Leistungsbeweis demonstrie-ren.«

Die Spannung auf dem Platz vor den La-gerhallen und in den angrenzenden Gassen

trieb ihrem Höhepunkt entgegen. Die Vor-stellung, daß die Menge sich plötzlich in Be-wegung setzen und wie eine unaufhaltsameFlut alles mit sich reißen würde, erfüllteStörmengord mit Unbehagen. Immerhin er-kannte er die wachsende Gier in den Gesich-tern vieler Umstehender.

Eine fünfdimensionale Problemstellungwurde gefordert, die Berechnung einer si-cheren Flugroute von Kristan aus in die Nä-he des Kessels von DaGlausch. Allein dieDatenüberspielung an die KOMPANIE be-nötigte geraume Zeit. Eismer Störmengordertappte sich dabei, daß auch seine Unruhewuchs, immer wieder strich er mit allenzwölf Fingern durch sein schulterlangesHaar und zwirbelte die roten Strähnen.

Das Ergebnis der Testpositronik lag zu-erst vor, eine gewagte Route, die jedoch, dasmußte der Bebenforscher staunend anerken-nen, jede potentielle Gefährdung ausschloß.

Eine kleine Ewigkeit schien zu vergehen,bis der Vergleich kam. Das Raunen derMenge war berechtigt, die Zweitversion er-schien deutlich schlechter und hielt einerNachprüfung nur bedingt stand.

Doch ebenso imposant wie die Leistungihrer Positronik war der Preis, den die Dun-kelhäutig nannten. Er war nicht nur impo-sant, sondern wahrhaft gigantisch. EismerStörmengords Hoffnungen und hochfliegen-de Pläne zerplatzten jäh Um den gefordertenPreis aufzubringen, hätte er die GLIMMERverkaufen müssen.

Die von den Fremden angemietete Staffelder KrisPol hatte auf einmal alle Hände vollzu tun, die enttäuschten und mißmutigen In-teressenten zurückzudrängen, die niemalsgenügend Miro-Einheiten besitzen würden.Nur wenige Dutzend kapitalkräftige Käuferdurften die flirrenden Energiesperren durch-dringen.

Träge wälzte sich der leer ausgehendeMob durch die Straßen. Hie und da kam eszu Prügeleien, fielen sogar Schusse, die Be-teiligten wurden von der KrisPol festgenom-men und abgeführt, sie würden beträchtlicheSummen für ihre Freilassung bezahlen müs-

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sen.Auch Störmengord hing seiner Enttäu-

schung nach. Während der Platz sich all-mählich leerte, grübelte er darüber nach, wieder Ring von Zophengorn eine solche Rech-nerleistung beurteilen würde. Mit entspre-chendem Kapitalaufwand mußte es möglichsein, endlich ein funktionierendes Beben-Frühwarnsystem einzurichten … Ohne daßer sich dessen richtig bewußt geworden war,hatte er seine Schritte hinüber zu der Hallegelenkt, in der die Fremden ihre Verkaufs-verhandlungen führten.

Ein Polizist vertrat ihm den Weg. »Duwillst kaufen?«

Störmengord reagierte nicht sofort.»Offenbar verfügst du nicht über genü-

gend Miro-Credits? Dann verschwinde!«Ein unmißverständlicher Wink mit der entsi-cherten Waffe wies Eismer den Weg.

Was sollte er tun? Seine Euphorie warschnell wieder verweht und hatte ein unan-genehmes Gefühl der Leere hinterlassen. Zuwissen, daß es hochstehende Technik gab,diese aber nicht eingesetzt werden konnte,weil das nötige Kapital fehlte, war deprimie-rend. Das Direktorium von Zophengornwürde niemals bereit sein, eine astronomi-sche Summe zu investieren, um auch nureinen Teil der Schiffe der Bebenforscher mitden neuen Positroniken auszurüsten. Davonabgesehen würden die angebotenen Rechnerohnehin von Mittelsmännern für die Flagg-schiffe der mächtigsten Sternenreiche ge-kauft werden.

Ziellos hastete Störmengord durch Cyros.Auf gewisse Weise war es eine Flucht vorallem, was ihm in letzter Zeit widerfahrenwar.

In einer der ungezählten Kneipen grübelteer über sein Leben und Einsamkeit nach, dieseit langem sein Begleiter war. Bin ich wirk-lich zufrieden damit? fragte er sich. Er fandkeine Antwort darauf.

Als der Bebenforscher endlich wieder anBord der GLIMMER ging, war der neueMorgen längst angebrochen.

7.Freihandelswelt Kristan

13. April 1290 NGZ

Die Vorführung war überaus imposant ge-wesen. Drei Super-Positroniken hatten in-zwischen den Besitzer gewechselt, zu Prei-sen, die Teiskolls Lippen anhaltend scham-rot färbten. Um zwei weitere Computer wur-de noch gefeilscht; das Tampa-Konsortium,das bislang leer ausgegangen war, zeigtesich entschlossen, wenigstens einen Rechnerin seinen Besitz zu bringen.

Teiskoll justierte die Empfindlichkeit sei-nes Abhörgeräts nach. Rund zweihundertMeter von der Lagerhalle entfernt kauerte erhinter der Dachkante einer Pflanzung imachten Stockwerk eines Verwaltungsgebäu-des Gerade hier konnte er sicher sein, nichtvon den Companeii entdeckt zu werden SeitWochen hatte niemand den Außenbereichbetreten, in dem die Natur sich selbst über-lassen blieb; Grünstreifen wie diese entlangder Gebäudekanten dienten den Companeiials Alibi für die Zerstörung weiter Landstri-che des Kontinents. Die ausgedehnten Krüp-pelwälder, die dem Moloch der wucherndenStädte und Raumhafen zum Opfer gefallenwaren, hatten früher zu einer erheblichenLuftverbesserung beigetragen.

Den Zuschlag für die vierte Positronik er-hielten tatsächlich drei Beauftragte des Kon-sortiums. Andere Käufer brüllten wilddurcheinander und bezichtigten sich gegen-seitig des Betrugs und unlauterer Mittel. Derbeginnende Tumult wurde von der KrisPolrasch unterdrückt, etliche Händler mußtenden Platz verlassen.

Mit hörbarem Unverständnis blubberteTeiskoll vor sich hin. Er verstand die Frem-den der KOMPANIE nicht, daß sie eine der-art sterile Abwicklung ihrer Geschäfte vor-zogen. Handel mußte lebhaft und lautstarksein und durfte vor gegenseitigen Beschimp-fungen nicht zurückschrecken.

»Die letzte Positronik geht wieder an denMeistbietenden«, hörte Teiskoll die Stimme

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eines KOMPANIE-Angehörigen. Der Zwei-beiner sprach das Glausching mit eigenwilli-gem Akzent.

… ein Feuersturm peitschte über denHimmel und beleuchtet den gigantischenWirbel, der an der Grenze zum Weltraumentstanden war. Zwei fliehende Fährenkämpften vergeblich dagegen an.

Teiskoll schloß die Augen, als grelle Ex-plosionsblitze vom Ende der Fähren künde-ten. Hellweiße Energiefahnen rasten demZentrum des Wirbels entgegen, aber nochehe sie sich darin vereinen konnten, geschahdas Unbegreifliche: Die Sonne färbte sichschwarz, hing plötzlich wie ein riesigesdunkles Loch am Himmel …

Ein halb ersticktes Gurgeln auf den Lip-pen, riß der Hamarade eine Handvoll Blättervon den Krüppelbäumen und schob sie sichzwischen die Lippen - die beruhigende Wir-kung trat fast umgehend ein.

Waren diese seltsamen Wachträume, dieihn seit geraumer Zeit quälten, wirklich nurTrugbilder? Er hatte seine Personalakte stu-diert, aber keinen Hinweis darauf gefunden,daß er sich je auf einer Welt im Kesselbebenbefunden hatte.

»… wir nennen den fünfdimensionalstrahlenden Schwingquarz Howalgonium«,hörte Teiskoll einen der Angehörigen derKOMPANIE sagen, »und wir benötigengroße Mengen davon.«

»Wieviel?«»Dreihundert Kilogramm für den Anfang.

Später mehr.«»Das … das ist …«»Unmöglich?«»Nein, natürlich nicht Aber wir benötigen

Zeit, um eine solche Menge zu beschaffen.Drei Wochen mindestens Und der Preis …«

»Die Einnahmen aus den verkauften Po-sitroniken und zwei weitere schnelle Rech-ner zusätzlich. Dafür wollen wir das Howal-gonium in spätestens einer halben Woche.«

Teiskoll konnte nicht erkennen, mit wemdie KOMPANIE verhandelte; der Stimmla-ge nach war der Unbekannte ein Prolongide.Nur daß ausgerechnet er über Schwingquar-

ze verfügen konnte, wollte dem Hamaradennicht in den Sinn. Zweifellos versuchte derProlongide, die Zweibeiner zu übertölpeln.

Der Preis war gut. Überschlägig errechne-te Teiskoll, daß das Howalgonium einen re-spektablen Ertrag abwerfen würde.Schwingquarz dieser Art wurde in hochmo-dernen Anlagen benötigt, wenn er jedochbedachte, daß in vielen Raumschiffen Ho-walgonium nur grammweise vorhanden war,ließ die Menge von dreihundert Kilogrammauf unglaubliche technische Errungenschaf-ten schließen.

Hastig, aber keineswegs überstürzt packteer seine Richtmikrophone und das Aufzeich-nungsgerät zusammen und verließ das Ge-bäude.

»Die Stimmerkennung ist abgeschlossen«,wisperte der in seinen Gehörgang implan-tierte winzige Funkempfänger. Entfernungenbis zu fünfzig Kilometer konnten auf dieseWeise überbrückt werden.»Verhandlungspartner der KOMPANIE isttatsächlich ein Prolongide, ein guter Be-kannter sogar.«

»Turaschnum«, vermutete Teiskoll spon-tan.

Er hörte ein heftiges Schmatzen. »Woherwußtest du …?«

»Eingebung.« Teiskoll überquerte denPlatz vor der Lagerhalle mit weit ausgreifen-den Schritten. »Laßt Turaschnum nicht ausden Augen! Ich will wissen, was er unter-nimmt und …« Mehrere Polizisten kamenauf ihn zu, er blickte ihnen aufmerksam ent-gegen.

»Die Lagerhalle wurde angemietet und istnoch Sperrgebiet, Hamarade. Hier kannst dunicht weitergehen.«

»Ich will zur KOMPANIE.«Eine hastige Geste der Verneinung. »Die

Positroniken sind verkauft, also geh!«Was gibt es dann noch zu bewachen?1m

letzten Moment verkniff sich Teiskoll dieseFrage. Schließlich war der Verkaufserlös al-les andere als klein, und zwielichtige Ele-mente gab es überall.

»Ich bin hier, um über Schwingquarze zu

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verhandeln«, erklärte er.Die Polizisten zeigten sich unbeeindruckt.»Die KOMPANIE benötigt Schwingquar-

ze in großer Menge«, fügte Teiskoll bedeu-tungsschwer hinzu.

»Woher willst du das wissen?«»Ich habe es … erfahren. Und ich kann zu

guten Konditionen liefern. Also laßt michmit einem Vertreter der KOMPANIE re-den!«

Die Entschlossenheit seines Auftretensschien wenigstens einen der Polizisten über-zeugt zu haben, jedenfalls hatte er einen kur-zen Wortwechsel über Funk, danach forderteer Teiskoll auf, ihn zu begleiten.

Sie betraten die Lagerhalle, in der dieKOMPANIE ihre Vorstellung arrangiert hat-te. Die Halle war längst weitgehend leer.

Gemessenen Schrittes näherte sich einerder Dunkelhäutigen. Teiskoll hatte schonaus der Distanz das Empfinden, daß diesesWesen ihn eindringlich musterte.

Zwei Schritte vor ihm blieb der Fremdestehen, hob beide Hände in Brusthöhe undrichtete die Handflächen gegeneinander.Teiskoll empfand das als Aufforderung, seinAnliegen vorzutragen, doch als er beginnenwollte, wurde er sofort unterbrochen.

Der Dunkelhäutige wandte sich an denKrisPol-Mann: »Es ist gut«, sagte er. »Ichkomme allein zurecht. - Du kannst gehen«,fügte er hinzu. »Danke.«

»Ich bin …«, begann Teiskoll von neuem,abermals brach er mit einem blubberndenGeräusch ab.

»Mein Name ist Tim Makenstein«, sagteder Dunkelhäutige.

»Ich nehme an, du hast eine plausible Er-klärung dafür, daß du uns belauscht hast.«

Für einen Augenblick verkrampfte sichTeiskolls Sprungbein, ein fast schon angebo-rener Reflex, der dem Bedürfnis eines jedenHamaraden nach Geheimhaltung und Si-cherheit entsprang. Gleichzeitig erkannte er,daß dieser Tim Makenstein nicht aggressivreagierte, sondern allem Anschein nachwirklich eine Antwort auf seine Frage er-wartete.

Der Dunkelhäutige war auf die Finger-breite so groß wie Teiskoll selbst, seine Hautglänzte im Kunstlicht der Halle wie frischpolierter edler Karamis, und er verfügte übereine Ausstrahlung, die Teiskoll bislang nuran wenigen Individuen beobachtet hatte.Überheblichkeit? Nein, das bestimmt nichtEher die Gewißheit, nichts auf dieser Weltwirklich fürchten zu müssen.

»Ich war bislang der Ansicht, Hamara denverstehen und sprechen Glausching.«

»Natürlich tun wir das.« Teiskollschnappte nach Luft. »Weshalb …?«

»Dann beantworte einfach meine Frage!«Etwas Zwingendes lag in dem Tonfall.

»Oft ist es gut, bei großen Geschäftenmehr zu wissen als die Mitbewerber«, stießTeiskoll hervor »Es ist nur recht und billig,sich aller zur Verfügung stehender Möglich-keiten zu bedienen. Ich hörte, daß die KOM-PANIE eine große Menge Schwingquarzsucht - ich kann entsprechende Ware lie-fern.«

»Es gibt bereits einen Lieferanten.«»Der Prolongide kann niemals in so kurz-

er Zeit so viel reines Howalgonium zusam-menbekommen.«

Die Augen des Zweibeiners verengtensich, zugleich schlug die Haut auf seinerSchädeldecke Falten. »Du kannst es?« woll-te er wissen.

»Ich versuche es zumindest. Und meinPreis ist nicht ganz so hoch.«

»… aber immer noch überteuert.«»Du hast den Preis des Prolongiden ak-

zeptiert, Tim Makenstein, vergiß das nicht.«Der Zweibeiner lachte. »Ich weiß deine

Ehrlichkeit zu schätzen, nur deswegen redeich überhaupt noch mit dir. Andererseitsweiß ich gerne, wer meine Geschäftspartnersind.«

»Ich heiße Teiskoll.«»Das ist sehr aufschlußreich.«»Ich führe in Cyros die Geschäfte für

einen kleinen Konzern, der aus dem Zusam-menschluß dreier Sonnensysteme entstand.«Das war nicht einmal gelogen, die Hamungalt auf Kristan in der Tat als Handelsorga-

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nisation, und bislang hatte nicht einmal dieKrisPol die Tarnung durchschaut.

»Ich weiß, daß du uns seit Stunden vondem Verwaltungsbau auf der anderen Seitedes Platzes beobachtet hast«, erklärte TimMakenstein »Du hattest dich am Rand derDachterrasse im achten Stockwerk verbor-gen, und wenn ich gewollt hätte, hättest dunichts von dem verstanden, was hier ge sagtwurde. Es wäre sogar möglich gewesen,dich vorübergehend zu betäuben.«

Teiskoll reagierte mit Schweigen. Nichteinen Lidschlag lang zweifelte er daran, daßTim Makenstein die technischen Möglich-keiten dazu besaß. Und zweifellos noch wei-taus mehr. Bis eben hatte er einfach nur eineoder mehrere Positroniken der Fremden ha-ben wollen - nun reifte in seinen Gedankenein viel verwegenerer Plan. Die KOMPA-NIE verfügte über unglaubliche Errungen-schaften. Wer es verstand, sich all dieseWunder zu sichern …

»Bis wann kannst du liefern, Teiskoll?«»Ich drei, spätestens in vier Tagen.« »Ichnehme deine Ware und die des Prolongiden.Vorausgesetzt, die Qualität ist gut.«

*

Zu sorglos war er bislang gewesen. Teis-koll rechnete plötzlich damit, daß die KOM-PANIE ihn überwachte. Er war sich auchgar nicht mehr so sicher, daß die Zweibeinerden Stützpunkt der Hamun nicht kannten.Wahrscheinlich hatten die Fremden - er be-zeichnete sie immer noch so - längst heraus-gefunden, daß sie beobachtet wurden.

Hatten sie am Ende viele der vermeintlichgewonnenen Ergebnisse manipuliert? Dannwußten sie wohl auch, daß die Hamun kei-nem Konzern angehörte, sondern eine hama-radische Spionageorganisation war. WennTim Makenstein einem Geschäft mit der Ha-mun dennoch nicht abgeneigt war, bestätigtedas nur einen großen Bedarf der KOMPA-NIE an Schwingquarzen.

Teiskoll hatte jedenfalls seine Konsequen-zen gezogen und sich nicht, wie zunächst

geplant, von Cyros aus per Hyperfunk mitVurtoon in Verbindung gesetzt, sondern erhatte Kristan mit einem kleinen Raumbootverlassen und mit zwei Linearflügen acht-undzwanzig Lichtjahre hinter sich gebrachtDie Ortungen zeigten keine Verfolger.

Über Richtfunk und verschlüsselt gabTeiskoll seine Informationen an zwei Relais-satelliten weiter. Vom Howalgonium wardie Rede und davon, daß der Prolongide Tu-raschnum Kristan überstürzt verlassen hatte.Hamun-Agenten waren in Turaschnums Bü-ros eingedrungen und hatten den Zugriffs-kode zu seinem Hauptrechner geknackt.Zwei mögliche Ziele des Prolongiden warenseitdem bekannt. - Vurtoon würde wissen,wie er mit den Daten umzugehen hatte.

Nach acht Stunden Wartezeit erhielt Teis-koll endlich einen gerafften Hyperimpuls,der nicht mehr und nicht weniger besagte,als daß Vurtoon eingreifen würde.

8.Freihandelswelt Kristan

15.April 1290 NGZ

Ein Lächeln huschte über Ska KijathesGesicht, als sie sich zurücklehnte und tiefdurchatmete. Sie schürzte die Lippen, wäh-rend sie Reginald Bulls fragendem Blick be-gegnete, gleich darauf glitten ihre Finger er-neut über die Sensorfelder des Hauptrech-ners der GLIMMER, Ein metergroßes Holo-gramm entstand. Es zeigte zwei eigenartigeKreaturen, beide humanoid und annäherndgleich groß, aber darin erschöpfte sich be-reits die Ähnlichkeit.

Das eine Wesen hatte einen dreieckigen,auf der Spitze stehenden Schädel mitschmallippigem Mund, nur angedeuteter Na-se und ausdrucksstarken, schrägen unddunklen Augen. Die blonde Haarpracht zogsich wie eine Mähne in den Nacken hin; dieblaue Hautfarbe schimmerte in unterschied-lichen Schattierungen, es war unmöglich, ei-ne einheitliche Nuance zu erkennen.

Das zweite Geschöpf strahlte eine gewis-se Gemütlichkeit aus, was nicht zuletzt sei-

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nen runderen Körperformen zuzuschreibenwar. Fast halslos saß der kugelförmige Schä-del auf den breiten Schultern, der Mund er-schien wie ein pumpender, stetig in Bewe-gung befindlicher Ringmuskel, die Nase be-saß Ähnlichkeit mit einem Vogelschnabel,und auch das rötliche Federkleid, das denSchädel überzog, ließ auf die Abstammungvon Vogelwesen schließen.

»Gefällt mir nicht.« Reginald Bull schüt-telte unwillig den Kopf. »Das kann dochnicht dein Ernst sein, Ska.«

»Doch, das ist es.« Die »Tibeterin«, derenFachgebiete nicht nur Positroniken und Syn-troniken, sondern auch Systemanalyse undallgemein Logik waren, schaltete mit einerknappen Bewegung die Projektion wiederab.

Poulton Kreyn, der Ertruser, kratzte sichdeutlich hörbar den Sichelhaarkamm.»Wenn du mich fragst, Bully, Ska hat dasperfekt hingekriegt Du solltest ihr dankbarsein.«

»Ach …?«»Das war die einzige Lösung, damit Perry

und du euch wieder in der Stadt sehen lassenkönnt.«

»Poulton hat völlig recht«, pflichtete Per-ry Rhodan bei. »Ska hat fast sechzehn Stun-den gebraucht, um unbemerkt ins Netz derKrisPol einzudringen und alle Daten zu ver-ändern, die uns beide betreffen …«

Beschwichtigend hob Bully die Hände.»Ist schon gut, ich hab's nicht so gemeint.Entschuldige bitte, Ska, natürlich wollte ichdeine Arbeit nicht in Zweifel ziehen, son-dern nur …«

»… dein neues Aussehen?« erklang diehelle Stimme von Goriph. Die Swoon-Frausaß auf einer Konsole und ließ die Beinebaumeln.

»Damit wäre das wohl geklärt.« Der Er-truser vollführte eine Handbewegung, als fe-ge er alle noch kommenden Einwände vomTisch. »Wann gehen wir wieder nach drau-ßen? Ich muß mich nützlich machen, bevorich mehr Speck ansetze.«

Bull wirkte sichtlich zufrieden, denn

Kreyn war tatsächlich im Begriff, sich zuseinem Vorteil zu verändern - falls die Phaseseiner zur Schau gestellten Gutmütigkeit an-hielt. Inzwischen war ihm sogar zu Ohrengekommen, daß Kreyn gelegentlich Mon-dras kleinen Elefanten mit Brocken seineseigenen Essens fütterte und ihn nicht mehrnur als willkommene Nachspeise betrachte-te. Es sei denn, Norman erschien Poulton alszuwenig fett und er versuchte, ihn zu mä-sten, auch das konnte Grund seiner Verhal-tensänderung sein.

Bully grinste innerlich. Wenn er es rechtbedachte, war eine Äußerung von EismerStörmengord schuld. Der Bebenforscher hat-te während des Anflugs auf Kristan PoultonKreyn mit einem Fettkoloß verglichen undden Ertruser damit an der Ehre gepackt; Fettund Muskelpakete waren eben doch grund-verschiedene Dinge.

Störmengord hatte ausführlich von demVerkauf der neuartigen Positroniken durchdie KOMPANIE berichtet. Aufgrund seinerSchilderung behauptete Ska Kijathe mitNachdruck, daß einfache Rechner die ge-nannten Leistungen gewiß nicht erbringenkonnten. Es sei denn, jemand hätte sie mit-tels einer syntronischen Prozessorbox aufge-rüstet. Das Problem war nur, daß Syntroni-ken in DaGlausch mit einiger Sicherheit un-bekannt waren.

Vom Ablauf her gab es kaum Probleme,wenn es darum ging, das Herzstück einerPositronik durch eine syntrongesteuerte Pro-zessorbox zu ersetzen. Allerdings konnte derSyntron in einer veränderten Umgebung nie-mals seine volle Leistung ausspielen, weildie positronische Peripherie gar nicht in derLage war, diese zu unterstützen.

»Flickwerk, mehr nicht«, hatte Ska Kija-the dazu gesagt. »Aber eben für die Verhält-nisse in DaGlausch doch imposantes Flick-werk.«

Störmengords Beschreibung dunkelhäuti-ger Humanoider, die einem unbekanntenVolk angehörten, bedeutete angesichts desVielvölkergemischs der Doppelgalaxis nichtallzuviel. Weitaus interessanter erschienen

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da schon die von Ska aus dem Tampa-Büroabgezogenen Informationen. Der120-Meter-Kugelraumer entstammte mit ei-niger Sicherheit galaktischer Produktionoder war nach entsprechenden Plänen ge-baut worden. Leider ließen die Bildsequen-zen nicht erkennen, ob das Schiff über einenRingwulst verfügte oder ob es sich um einemodernere Bauweise mit Metagravantriebgehandelt hatte.

Die in Bodenkämpfe verstrickten Besat-zungsmitglieder mochten Menschen gewe-sen sein, doch letzte Gewißheit hatte aucheine mehrmalige Analyse mit den Mittelnder Glimmer nicht erbracht.

»Wir halten also fest: Ein Kugelraumerlandet auf Kristan, die Besatzung verkauftden Mehrzweckorter ZZ-89, der für unslängst ein alter Hut ist. Da wir das Originalnicht kennen, sondern nur den hiesigen, äu-ßerlich veränderten Nachbau, können wir le-diglich Vermutungen anstellen, woher derZZ-89 letztlich stammt.« Reginald Bullzuckte mit den Achseln. »Ob die KOMPA-NIE damit in Zusammenhang steht …«

*

Zwei Polizisten kamen geradewegs aufihn zu. Reginald Bull hielt die Luft an undzählte in Gedanken bis zehn - aber nur einschiefer Blick streifte ihn, dann waren dieUniformierten vorbei. Fauchend wie ein un-ter Überdruck stehender Wasserkessel ließer die Luft ab. »Sie haben uns nicht einmalbeachtet. Ska hat wirklich ganze Arbeit ge-leistet.«

»Die Polizisten suchen einen kleinen,dicken, rot gefiederten Vogel«, brachtePoulton Kreyn überraschend leise hervor.

»Ach?«Perry Rhodan räusperte sich dezent, doch

bevor er seinen Unmut kundtun konnte, leg-te Bull los: »Ich habe alles unter Kontrolle,Perry, keine Sorge. Das Ortungsbild zeigtnur homogene Fassade ohne Wärmeleitfä-higkeit weder Infrarot noch Energiemessun-gen sind möglich. Ich kann dir sagen, wel-

che Fläche der KOMPANIE zur Verfügungsteht, aber nicht, wie viele Personen sich dadrinnen befinden.«

»Keine hyperenergetischen Vorgänge«,meldete Kreyn »Abgesehen von Störfeldernaus Richtung der Raumhäfen.«

Sie standen im Schatten eines gelbenGlaskäfigs, der in Form zweier ineinander-greifender Halbkreise errichtet war. JederRaum in den insgesamt vier Etagen schieninnerhalb gewisser Grenzen dem Sonnen-stand nachgeführt zu werden, weshalb derEindruck eines wahllos verschachteltenKonglomerats entstand. Das Summen hy-draulischer Dreh- und Hebevorrichtungenhing in der Luft.

Ungefähr fünfhundert Meter entfernt, ineinem eher spartanisch wirkenden Gebäude,befand sich die Niederlassung der KOMPA-NIE. In diesem Bereich der Stadt drängtensich die absonderlichsten Baustile, manchefiligran, andere plump und unansehnlich wieBunker.

Das Gebäude der KOMPANIE ähnelte ei-ner zusammengestauchten Spindel. DerGrunddurchmesser betrug zwanzig Meter,über der zweiten Etage durchmaß das Bau-werk schon das Doppelte, hier lag zugleicheine Symmetrieachse. Vom Dach wuchertenHängepflanzen herab.

»Was unternehmen wir?« wollte Kreynwissen. »Ich schlage vor, wir gehen einfachhinüber und sehen uns um …«

»Abgelehnt«, sagte Bull.»Wieso?«»Weil wir nicht zwangsläufig auf Terra-

ner stoßen müssen. Falls Shabazza seineFinger im Spiel hat, begehen wir vielleichteinen nicht wiedergutzumachenden Fehler.Es gibt genügend Chancen dafür, daß dieKOMPANIE mit der SOL zu tun hat.«

Bully unterbrach sich, weil in dem Mo-ment drei Personen das Gebäude verließen.Die optischen Systeme des SERUNS zoom-ten sie gedankenschnell heran. Daß die Stra-ßen stark frequentiert waren, minderte dieQualität der Wiedergabe nur unwesentlich.

Die Fremden waren eindeutig humanoid,

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ihre Größe lag zwischen 1,80 und 1,95 Me-tern. Die dunkle Hautfarbe hatte EismerStörmengord schon beschrieben, ebenso dieKnochenwulste über den Schädeln. DemUmfang nach zu schließen, verfügten dieFremden über das zwei- bis dreifache Ge-hirnvolumen eines Menschen.

»Masken dieser Art sind einfach herzu-stellen«, argwöhnte Bully. »Die zwei zusätz-lichen Finger an jeder Hand fallen da nichtins Gewicht. - Seht euch ihre Bewegungenan, wie sie laufen und sich umsehen, alsfürchteten sie, verfolgt zu werden.«

Er hatte recht. Der Pikosyn des SERUNSanalysierte jede einzelne Phase des aufrech-ten Ganges ebenso wie die zu erkennendenKörperdrehungen zur Seite. Abweichungenzu menschlicher Motorik gab es nicht.

Die Dunkelhäutigen verschwanden in derMenge.

»Ich folge ihnen«, schlug Kreyn spontanvor.

Rhodan hielt ihn zurück. »Moo erledigtdas unauffälliger für uns. Wir sollten unsstatt dessen das Gebäude näher ansehen.«

Die halborganische Buddhafigur löstesich von seinem Raumanzug und ver-schwand. Rhodan verzichtete darauf, Moozu kontrollieren, der durchaus eigenständighandeln konnte Er selbst schritt zügig aus.Bull und der Ertruser folgten ihm mit zweiSchritt Abstand Nur wenige Passanten nah-men Notiz von den drei Fremden, lediglichPoulton Kreyn wurde von den kleinwüchsi-gen Companeii mit argwöhnischen Blickenbedacht. Auch einige Tsk schlugen vor-sichtshalber einen weiten Bogen.

Das Gebäude der KOMPANIE wirkteverlassen. Die spiegelnden Scheiben ebensowie der geschlossene Eingang erwecktenden Eindruck, daß Besucher nicht gern gese-hen, womöglich sogar unerwünscht waren.

Hundert Meter entfernt, im Schatten einesüberkragenden Dachelements, beobachteteRhodan von neuem.

»Was hindert uns daran, ganz offizielldrüben hineinzuspazieren?« fragte PoultonKreyn. »Wir wollen eine Positronik kaufen.

Das ist doch nicht verboten, oder?«Bully schürzte die Lippen und ließ sich,

vorübergehend von zwei gelbhäutigen, un-glaublich dürren Kreaturen ablenken. Aufvier mehrgliedrigen Beinen stakten sie vor-bei, und ihre Bewegungen erinnerten aneinen schlecht animierten antiquierten Trick-film.

»Shabazza hindert uns daran«, sagte Bullyschließlich »Falls die KOMPANIE zu sei-nem Einflußbereich gehört, wird uns jederder Dunkelhäutigen sofort als Menschenidentifizieren.«

Kreyns Rechte zuckte vor, packte Bull amHandgelenk und zog ihn mit unwiderstehli-cher Kraft herum. »Wir aktivieren die De-flektorschirme und …«

»Denk nicht mal an so was.« sagte Rho-dan in dem Moment. »In dem Spindelbau isthochmoderne Technik installiert, einigesmehr als der allgemeine Standard. Es siehtganz so aus, als hätten wir nicht einmal mitden SERUNS eine Chance, unbemerkt ein-zudringen.«

Mehrere Stunden lang sondierten sie dasTerrain der umliegenden Straßen und Plätze.In dem Völkergemisch nahm kaum einerNotiz von ihnen. Lediglich zwei Prolongi-den verlangten die Lieferung weiterer hand-licher Hyperorter. Sie wurden aggressiv, alsBully ihnen klarzumachen versuchte, daß siedie falschen Leute belästigten, doch PoultonKreyn klärte die Situation mit unmißver-ständlicher »Überredungskunst«.

»Tut mir leid, daß ich die Burschen einwenig hart anpacken mußte«, sagte erschließlich, und das klang beinahe wie eineEntschuldigung.

Reginald Bulls Überraschung war nichtgespielt. Verblüfft schaute er den Ertruseran.

»Bist du krank, Poulton? Ich meine, duhast dir doch hoffentlich nicht den Magenverdorben oder so?«

»Vielleicht habe ich endlich verstanden,was es heißt, zu einer wirklichen Gemein-schaft zu gehören. Bislang war ich nur Be-satzungen wie auf der ÖRVEN gewohnt, al-

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les Haisabschneider, vor denen man sich inacht nehmen mußte. Das ist jetzt anders …Ich habe lange gebraucht, das festzustellen,beinahe zu lange.«

Spielerisch boxte Bully den Ertruser indie Seite. »Ich wußte von Anfang an, daßwir auf dich zählen können, schon als dumehr tot als lebendig und mit einem Ratten-schwanz von Medorobotern im Gefolge er-schienen bist, um auf der KAUR-RANG an-zuheuern. Obwohl damals mein erster Ge-danke war: Schaff dir bloß den Kerl vomHals!«

»Dafür könnte ich dich heute noch unge-spitzt in den Boden schlagen«, grollteKreyn. Gleich darauf begann er zu lachen.»Keine Sorge, ich tu's nicht«, fügte er hinzu,als das Lachein um Bullys Mundwinkel ge-fror.

Moo war längst wieder zurückgekehrt, derkleine Roboter hatte die drei dunkelhäutigenHumanoiden bis zu einer nahe gelegenenLagerhalle verfolgt, dort aber nichts Unge-wöhnliches vorgefunden. Die Männer derKOMPANIE verhandelten lediglich mit ei-ner Gruppe Companeii über Warenlieferun-gen. Daß sie sich der UmgangsspracheGlausching bedienten, war zu erwarten ge-wesen und ließ keine Wertung zu. Aus eini-gen vagen Andeutungen ging allerdings her-vor, daß sie in Kürze ein eigenes Raumschiffüber Kristan erwarteten.

Moo war es, der eine Mikrowellenstrah-lung meldete, die seit wenigen Minuten überdem Gebäude der KOMPANIE und dem an-grenzenden Platz lag.

»… es handelt sich um modifizierte Wel-len, die von exakt bestimmbaren Elementenreflektiert werden. Silizium ist ein solches,aber ebenso höherwertige High-Tech-Bausteine. Hauswände durchdringt dieStrahlung nur mit geringen Verlusten.«

»Das heißt, außer uns beobachtet noch je-mand die KOMPANIE?« fragte Perry Rho-dan.

»Dieser Jemand sitzt in dem Gebäude ge-genüber«, bestätigte Moo. »Wobei der Ver-such mit den Mikrowellen fehlschlägt; ich

kann zwar Reflexionen anmessen, doch siesind überaus chaotisch.«

»Trotzdem«, grinste Reginald Bull.»Wenn jemand mehr über die KOMPANIEweiß, dann diese Leute. Fragen wir siedoch.«

In der Folge widmeten sie ihre Aufmerk-samkeit nun vorwiegend näher gelegenenBauwerken. Innerhalb kurzer Zeit fanden sieheraus, daß es sich bei den Beobachtern umHamaraden handelte, denen eine Palettetechnischer Spielereien zur Verfügungstand. Diese Hamaraden unterhielten einengut ausgerüsteten Stützpunkt Alles deutetedarauf hin, daß sie der KOMPANIE nichterst seit gestern oder heute, sondern schonseit Wochen nachspionierten.

»Mit anderen Worten: Was wir über dieDunkelhäutigen wissen wollen, ist den Ha-maraden womöglich seit geraumer Zeit be-kannt«, sagte Kreyn. »Warum fragen wir sienicht?«

»Das wäre zu einfach.« Bully verzog dasGesicht. »Das kann gar nicht klappen.«

Er behielt recht Poulton Kreyn, den sievorschickten, während sie sich im Schutzder Deflektorfelder ein Bild zu machen ver-suchten, wurde schroff abgewiesen. Die Ha-maraden reagierten nervös.

»Wir hätten sie sofort auf die KOMPA-NIE ansprechen sollen«, stellte ReginaldBull fest.

»Das können wir immer noch«, fügteKreyn hinzu. »Wenn es sein muß, sogar mitdem nötigen Nachdruck.«

»Wir statten den Hamaraden einen nächt-lichen Besuch ab«, entschied Rhodan ausdem Bauch heraus.

»Hausfriedensbruch, Einbruch, Diebstahl…« An den Fingern zählte Reginald Bull diebevorstehenden Gesetzesverstöße ab. »Wirwerden also mal wieder über unseren eige-nen Schatten springen. Moralbegriffe sind soherrlich dehnbar und lassen sich mit etwasgutem Willen jeder Situation anpassen.«

»So ist es«, bestätigte Poulton Kreyn, demgar nicht auffiel, wie selbstironisch ReginaldBull seine Worte gemeint hatte.

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9.Freihandelswelt Kristan15./16. April 1290 NGZ

Teiskoll hatte die Männer der KOMPA-NIE nicht aus den Augen gelassen - zuvielhing für ihn davon ab, daß das in die Wegegeleitete Geschäft wirklich in seinem Sinndurchgeführt wurde. Ein winziger Robotspi-on beobachtete das Treffen mit den Compa-neii vom Auslaßgitter eines Lüftungsschach-tes herab; Teiskoll verfolgte das Gespräch,das im übrigen belanglos blieb, in einemhalben Kilometer Entfernung über einenhandflachen-großen flexiblen BildschirmFalls es nötig wurde, konnte er das Wieder-gabegerät zusammenknüllen und damit des-sen Selbstzerstörung einleiten. Teiskoll warstolz auf die hochentwickelte Spionagetech-nik seines Volkes, die auch im Falle des Ho-walgoniums zum Einsatz gelangen würde.

Vurtoon hatte sich vor wenigen Stundenwährend eines Orientierungsaustritts seinesRaumschiffes mit einem gerafften und ko-dierten Funkspruch gemeldet. Kurz nachMittemacht würde er mit einem Frachter aufdem Südwestraumhafen landen. Die BE-BENZORN blieb dreißig Lichtjahre entferntim Ortungsschutz eines Doppelsystems.

Das Geschäftsessen, mit dem die Compa-neii und die Dunkelhäutigen ihre Zusam-menarbeit bekräftigen hatte das Flair einesSchlafmittels. Teiskoll lauschte jeder Nuan-ce, die sein gerade mal fingernagelgroßerRobotspion übermittelte, aber je länger erzuhörte, desto mehr erschien ihm, daß dieVertreter der KOMPANIE nur eine großan-gelegte Show abzogen.

Erst als zwei hochrangige Angehörige derKrisPol hinzustießen, wurde der Tonfall ver-schwörerisch. Eine beachtliche Summewechselte den Besitzer, als Gegenleistungdafür verlangten Tim Makenstein und seineBegleiter, daß sie unbehelligt walten undschalten konnten.

»Unser Büro wird seit Tagen beobachtet«,sagte Makenstein. »Sollten die Spionagever-

suche nicht rasch aufhören, sehen wir unsgezwungen. Kristan zu verlassen. Dann wirdes hier keine besondere Technik mehr zukaufen geben.«

Trotz der mit Beginn der Nacht abgesun-kenen Temperaturen begann Teiskoll zuschwitzen Die KOMPANIE hatte also be-merkt, daß sie observiert wurde, aber offen-sichtlich war der Hamun-Stützpunkt nochnicht bekannt. Das konnte sich mit einer dergefürchteten Razzien der KrisPol schnell än-dern.

»Ein kleiner silberner Roboter hat uns bisin die Lagerhalle verfolgt«, fuhr Makensteinfort. »Es war uns unmöglich, ihn abzuschie-ßen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.« Mitzwei gespreizten Fingern zeigte er die Größedes Roboters.

»Die KrisPol kümmert sich darum«, ver-sprach einer der Companeii.

Ein Roboter von ungefähr zehn Zentime-tern Größe … Teiskoll hatte keine Ahnung,wer solche Spione einsetzte. Die Guarantekaexistierte nicht mehr, das Tampa-Kon-sortium verfügte zwar ebenfalls über ausge-zeichnete Möglichkeiten, aber Roboter wa-ren im allgemeinen nicht kleiner als einenhalben Meter, ansonsten wurden nur unter-schiedlich geformte Sonden eingesetzt.

Teiskolls Gesichtshaut trocknete aus, einZeichen seiner steigenden Erregung. Sekun-denlang spielte er mit dem Gedanken, seineBeobachtung einzustellen. Es wäre aber ver-rückt gewesen, deswegen das Geschäft mitdem Schwingquarz zu gefährden …

Er brachte die Überlegung nicht zu Ende,denn von seinem Standort aus konnte er denhell erleuchteten Eingang des Lokals gutüberblicken In dem Moment erschienen dortdie Zweibeiner und strebten ihrem in einigerEntfernung geparkten Gleiter entgegen. Au-genblicke später waren sie wieder aus derDirektsicht verschwunden.

Was dann geschah, ließ Teiskolls Hautvollends spröde werden. Auf dem Bild-schirm in seiner Handfläche wuchs das Kon-terfei eines der Fremden an, als hätte dieSonde abrupt in den Zoombereich geschal-

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tet. Doch dem war nicht so, Teiskoll hattekeinen Steuerbefehl gegeben.

Ein Augenpaar starrte ihn durchdringendan. Der Hamarade empfand den Blick alsungeheuer stechend.

»Hallo, Teiskoll«, sagte Makenstein.»Warum gibst du dich nicht offen zu erken-nen, und wir fliegen gemeinsam zum Raum-hafen?«

Das Gefühl, als hatte man ihm dasSprungbein weggezogen, wurde über mäch-tig. Teiskoll hatte die KOMPANIE über diebevorstehende Ankunft des Howalgoniumsinformiert, aber nicht mehr. Ich habe sie un-terschätzt, durchzuckte es ihn. Ihre Technikist perfekt. Vielleicht ist der ganze Plan hin-fällig …

»Ich erwarte dich, Teiskoll.«Der Bildschirm wurde dunkel, weil die

Spionsonde nicht mehr existierte. Mit einerruckartigen Bewegung knüllte der Hamaradeden Bildschirm zusammen, und schon imnächsten Moment zwang ihn die unerträg-lich werdende Hitze, die Hand zu öffnen.Nur ein paar irrlichternd verglühende Staub-teilchen erreichten noch den Boden.

Er hatte überreagiert, das wurde ihmgleichzeitig klar. Seine Geschäftspartner zubeobachten war nicht strafbar, immerhinging es bei dem Howalgonium-Handel umeine sehr große Summe. Genau das würde erMakenstein sagen, um keinen weiteren Ver-dacht aufkommen zu lassen. Und warumsollten die Zweibeiner das Howalgoniumanders überprüfen als auf seine Reinheit?Nein, es gab keinen Anlaß, nervös zu wer-den.

*

Howalgonium war eines der seltenen Ele-mente. Größere Mengen davon zu besorgenerschien fast unmöglich, und selbst Vurtoonhatte in der Kürze der Zeit nicht die ge-wünschten 300 Kilogramm aufgetrieben.

Darüber dachte Teiskoll nach, als derFrachter langsam auf den Raumhafen herab-sank Die nachglutenden Triebwerksdüsen

erschienen in der Nacht wie gefräßige Mäu-ler. Weitere Schiffe landeten in Minutenab-ständen, andere verschwanden, auf Flam-menspeeren reitend, zwischen den funkeln-den Sternen. Immer von neuem fauchten er-hitzte Druckwellen über die angrenzendenStadtviertel hinweg, und das Donnern undTosen in diesem Bereich hielt wohl keinerder Anwohner über Jahre hinweg aus.

Makenstein selbst steuerte den Gleiterüber den angewiesenen Korridor zum Frach-ter hinüber. Eine Hangarschleuse stand of-fen, das Schott schloß sich unmittelbar hin-ter der schweren Maschine.

Sollte Vurtoon auf die wahnwitzige Ideeverfallen sein, die Männer der KOMPANIEals Geiseln zu nehmen? Teiskoll erschraküber seine eigenen Gedanken. Aber so ver-rückt konnte Vurtoon nicht sein. Wenn er esgeschafft hatte, einen Sender in das Howal-gonium einzuarbeiten, würde die Heimat-welt der KOMPANIE bald kein Geheimnismehr sein.

Wie lange war er Vurtoon nicht mehr be-gegnet? Nur vier, allerhöchstens fünf Hama-rad-Jahre konnten vergangen sein. Sie warenein perfektes Team gewesen und hatten esmit jedem Gegner aufgenommen. Vergeb-lich versuchte Teiskoll, sich zu erinnern,doch ]e intensiver er in den verstaubtenWinkeln seines Bewußtseins kramte, destomehr schien ihm die Vergangenheit zu ent-gleiten.

Da waren sie wieder, diese schemenhaftenGesichter, die ihn seit Wochen zunehmendbeunruhigten. Er kannte sie nicht, verbandweder Orte noch besondere Geschehnissemit ihnen, aber dennoch erschienen sie ihmseltsam vertraut.

Die Luft bebte vom Donnern startenderRaumschiffe. Aber nicht nur die Triebwerkeverbrannten den Boden, die gesamte Atmo-sphäre hatte sich aufgeheizt. Feuerscheinfärbte den nahen Horizont, und der Bodenbrach auf und …

»Was ist los mit dir. Teiskoll?« Einschmerzhafter Hieb traf seine Leibesmitteund riß ihn die Realität zurück. »Willst du

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mich deinen Begleitern nicht vorstellen?Ich vermute, sie gehören zur KOMPA-

NIE.«Vurtoon wirkte kantiger denn je, seine

Bewegungen waren die eines stets auf Beutelauernden Raubtiers, und die vernarbten,aufgequollenen Lippen ließen viele Verwun-dungen erkennen. Vurtoon war nie einer Ge-fahr aus dem Weg gegangen.

Wieder diese wie Schlaglichter auf-flackernden Bilder einer sterbenden Welt.Teiskoll konnte nichts mit ihnen anfangen,schob sie weit von sich.

Wie in Trance hörte er sich reden. Dannholten die Zweibeiner umfangreiches Meß-gerät aus dem Gleiter, und Vurtoon führtesie zu dem Howalgonium Nur 248 Kilo-gramm waren es insgesamt, vier massiveBlöcke des fünfdimensional strahlendenSchwingquarzes, jeder exakt 62 Kilogrammschwer.

Makenstein zeigte sich nur vorübergehendenttäuscht. »Wir haben mehr erwartet«, sag-te er. »Wenigstens scheint die Qualität inOrdnung zu sein.«

Wozu benötigten die Fremden eine solcheMenge? Hatten sie vor, eine gewaltigeRaumflotte zu bauen? Teiskoll verbiß sichdie Frage, weil Übelkeit in seinen Eingewei-den fraß. Gebannt schaute er zu, wie dieZweibeiner alle vier Howalgonium-blöckeuntersuchten. Ihre Instrumente wirkten un-glaublich kompakt und schienen doch über-aus feinfühlig zu sein, hoffentlich nicht zuempfindlich.

In welchem der Blöcke hatte Vurtoon denHyperfunk-Peilsender versteckt? Natürlichwürde der Schwingquarz zu den Produkti-onsstätten der KOMPANIE geliefert unddort verarbeitet werden. Mit der Zerteilungdes Howalgoniums würde der Sender auto-matisch den Betrieb aufnehmen und inner-halb weniger Minuten seine gesamten Ener-gievorräte in einem Hyper-Peilimpuls ver-zehren. Mehr Energie war einfach nicht ineinem Volumen von 20 mal 20 mal 25 Zen-timeter unterzubringen, aber Teiskoll nahmohnehin an, daß die Fremden den Impuls

sehr schnell registrieren würden.Sonnengluten fegten aus der Höhe herab,

eines der startenden Raumschiffe war explo-diert und stürzte zurück auf die Piste. Immernoch stürmten Flüchtlinge in weiten Sprün-gen den wartenden Gleitern entgegen. DieSchwärze des Firmaments wurde inzwischenvon gewaltigen Aufrißfronten verschlungen.Diese Welt lag im Sterben, das ganze Sy-stem konnte den Bebenfronten nicht stand-halten …

Die Frau an Teiskolls Seite stürzte. »Ichkann nicht mehr«, schrie sie gegen das Cha-os an. Die Sehnen ihres Sprungbeins warengerissen, sie mußte große Schmerzen haben.Ihr Schreien ging in ein Wimmern über, alsTeiskoll sich über sie beugte und versuchte,sie unter den Armen zu fassen und hochzu-heben …

»Das Howalgonium ist in Ordnung«, sag-te Makenstein. »Wann können wir mit einerweiteren Lieferung rechnen?«

»In drei bis vier Wochen«, antworteteVurtoon, während Teiskoll noch versuchte,seine Erinnerungen zurückzudrängen.

Die Männer der KOMPANIE bezahltenden geforderten Preis, ohne auch nur einFeilschen zu versuchen. Selten hatte Teis-koll solche Geschäftspartner erlebt. Irgend-wie standen sie über den Dingen, dieser Ein-druck wurde deutlicher als jemals zuvor.

Wer sind sie? fragte er sich immer wieder.Woher kommen sie, und was beabsichtigensie wirklich?

10.Freihandelswelt Kristan

16. April 1290 NGZ

»Sie sind übervorsichtig«, stellte ReginaldBull zähneknirschend fest. »Ich möchte bloßwissen, was diese Hamaraden zu verbergenhaben. Eine solche Absicherung ist dochnicht normal, oder?«

Rhodan massierte sich schweigend denNasenrücken. Die Ortungen ihrer Anzügehatten insgesamt sechs Sensoren festgestellt,die das Gebäude lückenlos absicherten. Die

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Pikosyns stellten die einander überlappen-den Meßbereiche optisch dar.

»Einfach, aber wirkungsvoll«, kommen-tierte Ska Kijathe. »Nicht einmal die Deflek-torschirme helfen da.«

»Wir müssen alle Sensoren gleichzeitiglahmlegen.« Bully kratzte sich nachdenklichan der Schläfe. »Wenn mich nicht allestäuscht, ist jeweils einer der Schaltkreiseausschließlich für die gegenseitige Überwa-chung zuständig. Wir brauchen ein exaktfrequenzmoduliertes Energiefeld.«

»Diese Möglichkeit haben die Hamaradenebenfalls in Erwägung gezogen«, sagte Rho-dan.

»Ich verstehe nicht.«»Die Empfindlichkeit der Sensoren unter-

liegt einer sehr unregelmäßigen Schwan-kung.«

»Perfekt abgeschirmt«, seufzte Bully.»Ich habe davon leider nichts in der Anzei-ge. Dein Galornenanzug kann tatsächlich et-was mehr als die SERUNS. Stell dir vor, wirhätten die komplette Baolin-Nda-Technikzur Verfügung …«

»Warum gehen wir nicht einfach rein undräumen den Laden aus?« fragte PoultonKreyn ungeduldig. »Ist doch egal, ob dieHamaraden aufmerksam werden oder nicht,Hauptsache, wir kriegen raus, was mit derKOMPANIE ist. - Tut mir leid, Perry, aberdie Leute, mit denen ich mein halbes Lebenlang zusammen war, haben meist erst ge-schossen und später Fragen gestellt.«

»Ich nehme an, die Antworten warenspärlich gesät«, sagte Reginald Bull, bevorRhodan den Ertruser zurechtweisen konnte.

»Inzwischen weiß ich, daß das nicht dierichtige Methode war«, gestand Kreyn.

Die Swoons kehrten von der Vorderseitedes Gebäudes zurück. »Bei der KOMPANIEist alles ruhig«, meldeten sie. »Ebenso aufden angrenzenden Straßen. - Wie weit seidihr?«

»Kann sich nur noch um Stunden han-deln«, kommentierte Bull.

»Wo nichts zu holen ist, bedarf es auchkeiner Absicherungen«, bemerkte Goriph.

»Wer sagt das?«»Treul hat es festgestellt. Wir haben nicht

einmal die Chance, übers Dach einzudrin-gen.«

»Das Kaffeekränzchen hätten wir auch anBord der GLIMMER abhalten können«,seufzte Ska Kijathe. »Entweder wir machenjetzt Nägel mit Köpfen, oder wir drehenum.«

»Letzteres«, ließ sich Tautmo Aagenfeltvernehmen.

Kreyn wollte in polterndes Lachen aus-brechen, biß sich aber sofort auf die Zunge.»Wozu haben wir ihn eigentlich mitgenom-men? Wir sind ohnehin zu viele.«

»Erstens«, sagte Perry Rhodan und ju-stierte einen der nur chipgroßen Frequen-zwandler, »brauchen wir vielleicht einen gu-ten Physiker. Zweitens wissen wir nicht,wieviel Zeit uns bleibt, wenn wir erst drinsind. Je eher wir fündig werden, desto bes-ser.«

Zwei fahlgrüne Anzeigen bewiesen, daßder Modulator bereit war. Ska Kijathe undReginald Bull veränderten bereits die Gr-undeinstellungen der nächsten Geräte.

Zwanzig Minuten benötigten sie, um dieautomatische Frequenznachführung auf diefestgestellten Schwankungen zu eichen.Rhodan gab danach den Aktivierungsim-puls.

»Der Pikosyn registriert nur eine leichteVeränderung«, murmelte Bully. »Moment -jetzt … es gibt Schwankungsintervalle.«

»Das Minimum beträgt zehn Sekunden.Genau diese Spanne haben wir zur Verfü-gung, um die Sperre zu durchdringen.«

Perry Rhodan selbst war der erste, der dieWirksamkeit der Frequenzwandler testete.Um die energetische Verriegelung des Ein-gangsbereichs zu knacken, benötigte er an-schließend lediglich zweieinhalb Minuten.Eine einfache siebenstellige Kombinationwar nötig, für die eine normale Positronikzweifellos Stunden benötigt hätte, nicht je-doch der galornische Pikosyn.

Im letzten Moment desaktivierte Rhodandie mit dem Zugang synchronisierte automa-

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tische Beleuchtung. Seine Begleiter hattendie SERUN-Helme bereits geschlossen undorientierten sich über die Head-up-Displays,er selbst aktivierte nun ebenfalls den Form-energiehelm. Sie betraten eine riesige, an einkleines Museum erinnernde Halle. Jedochhatten die zur Schau gestellten Skulpturenauf den ersten Blick wenig mit Hamaradengemeinsam, eher schienen sie von derenVorgängern zurückgelassen worden zu sein.

Die Gruppe teilte sich auf. Mondra Dia-mond schloß sich spontan Rhodan an, eben-so die beiden Swoons Treul und Goriph.Poulton Kreyn und Ska Kijathe wollten mitBully die oberen Etagen durchsuchen, undTautmo Aagenfelt fühlte sich offenbar in derNähe des Ertrusers besonders sicher.

»Wir suchen nur nach Daten über dieKOMPANIE«, erinnerte Rhodan. »Alles an-dere ist zweitrangig.«

»Wissen wir«, bestätigte Kreyn. »Ist dochklar … Oh, verdammt! «Er hatte den Arm ineiner ausschweifenden Geste nach vorne ge-streckt und verharrte abrupt, als ein winzigerheller Lichtpunkt auf seinem Handrückenerschien. Der Laserstrahl ging von einer derStatuen aus.

»Nicht bewegen, Poulton!« warnte Bull.»Sonst gibt's Probleme.«

Ein erster Scan verriet, daß die Statuenplötzlich von Induktionsströmen durchflos-sen wurden. Sobald der aktivierte Laser-strahl von Poultons Hand abglitt, würdenwohl einige Überraschungen aktiviert wer-den, die mindestens eine vorzeitige Ent-deckung bedeuteten.

»Das ist dein Part, Tautmo«, sagte Rho-dan.

»Ich?« Aagenfelt verstand nicht recht.»Was soll ich tun?«

»Die Statue zerlegen oder sonstwas. Aufjeden Fall muß der Laser weg - ohne daßhier drin der Alarm losgeht.«

Um ein Haar hätte Aagenfelt selbst in ei-ner ungeschickten Drehung den flirrendenStrahl durchbrochen, im allerletzten Mo-ment warf er sich herum … und grinste ver-legen.

Treul und Goriph halfen ihm, die Schä-delverkleidung der Statue abzulösen. Ein aufden ersten Blick unüberschaubares Gewirrvon Leiterelementen kam darunter zum Vor-schein.

»Nichts berühren!« warnte Aagenfelt.»Da steckt mehr dahinter, als es den An-schein hat.«

Der Physiker behielt recht, denn schritt-weise desaktivierte er ein Abwehrsystem aushochenergetischen Feldern und Nadlerwaf-fen, deren Wirkungsfelder sich überlappten.Leicht zugängliche Impulsstrecken kappteTautmo Aagenfelt, andere isolierte er mitnichtleitendem Material, indem er kurzer-hand die Verkleidung eines Meßwerkzeugszersplitterte.

Das krachende Geräusch hatte Bully her-umfahren und zur Waffe greifen lassen. MitLeichenbittermiene heftete er den Strahlerwieder an das Magnetholster.

»Wunderbar, wenn ein Top-Physikernoch improvisieren kann«, seufzte er. »Duhättest uns vorwarnen sollen, Tautmo.«

Aagenfelt reagierte nicht, doch gleich dar-auf erlosch der Lichtpunkt auf KreynsHandrücken.

»Das war's dann wohl«, stieß der Ertrusergrollend hervor. »Nun aber mal los.«

»Warte!« befahl Rhodan. »Niemandstürmt wie ein Elefant durch den Porzellan-laden. Wahrscheinlich gibt es in anderenRäumen zusätzliche Sperren.«

Poulton Kreyn wußte zwar, was ein Ele-fant war - ein willkommener Happen für dengroßen Hunger -, Mondra hatte ihm auch ge-sagt, daß diese Tiere vor Jahrtausenden nichtnur fünfzig Zentimeter groß gewesen waren,sondern beachtliche Kolosse. Unter einemPorzellanladen konnte er sich trotzdem ab-solut nichts vorstellen. Vermutlich war dasein antiquierter Ausdruck aus der Frühzeitdes Solaren Imperiums.

Mit einem heftigen Augenaufschlag des-aktivierte Kreyn die Funkanlage seines SE-RUNS. »Servo«, murmelte er dann nahezulautlos, so daß die Automatik ihm die Wortevon den Lippen ablesen mußte. »Erbitte Be-

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griffserläuterung Porzellanladen.« »KeinenSchritt weiter!« warnte Reginald Bull.

Mittlerweile befanden er und seine Grup-pe sich im zweiten Geschoß. Vor ihnen lagein Kontrollraum, nicht überwältigend großzwar, aber dafür mit Bildschirmgalerien undPositroniken ausgestattet. Auch eine kom-plette Hyperfunkanlage war vorhanden.

Die Taster zeigten fingerdicke Hohlräumeinnerhalb der obersten Bodenschicht, auf ei-ner Breite von mehreren Metern verliefensie parallel zum Eingang.

»Das sind Sensoren, die auf Gewichtsver-änderungen reagieren«, stellte Aagenfeltfest. »Um sie abzuschalten, brauchen wir dieHauptkontrolle, doch die kann überall imHaus verborgen sein.«

»Oder wir benutzen unser Hirn und denAntigrav«, platzte Ska Kijathe heraus.»Solange die Hamaraden nicht mit besserenTricks aufwarten, sehe ich keine Veranlas-sung, immer neue obskure Schaltkreise zuunterbrechen.« Sie wandte sich an Bully:»Außer Mondra besitzt keiner von uns eineGeheimdienstausbildung, aber unseren Ver-stand, den können wir trotzdem einsetzen.«

Was sollte er dazu sagen? Die wachsendeAnspannung war deutlich zu spüren. Vor al-lem lag das wohl daran, daß sie noch immermit leeren Händen dastanden - sobald jederseine Aufgabe hatte und Daten aus den Ar-chiven der Hamaraden kopieren konnte,würden sich die Gemüter von selbst beruhi-gen.

Die Gravopaks trugen sie in den Kontroll-raum hinein, der gut zwanzig mal zehn Me-ter maß und exakt in der Gebäudemitte lag.Außer diesem Zugang gab es noch einenAntigravschacht, dessen Benutzung sich al-lerdings von selbst verbot. Die Hamaradenwaren offensichtlich notorisch mißtrauischund hatten sich in jeder nur erdenklichenHinsicht gegen ungebetenen Besuch abgesi-chert.

Ska Kijathe ließ sich bereits auf einem derfür Hamaraden konstruierten Sitze nieder,der ihr nur ein ziemlich wackliges Vergnü-gen bereitete. Zu ihrer Überraschung erwies

sich der Rechner, den sie einschaltete, alssehr leistungsstark »In Ordnung«, stimmteBully zu. »Wir überspielen auf die Pikosyns,was wir können. Auswertungen nehmen wirspäter vor.«

Tautmo Aagenfelt hatte sich ein Terminalan der Stirnseite des Raumes ausgesucht.Die holographische Wiedergabe einer un-wirtlich anmutenden Planetenlandschaft un-mittelbar dahinter erweckte den Eindruck ki-lometerweiter Tiefe, doch tatsachlich bildeteeine massive Wand den Abschluß.

Aagenfelt verharrte einige Augenblickelänger als beabsichtigt vor der kahlen Land-schaft, einer rostbraunen Einöde. Ein steterWind hatte tiefe Rillen in den Boden einge-schliffen, und selbst in der Projektion fegtenStaub- und Sandschleier darüber hinweg.

Vereinzelt ragten unterarmlange, wurzel-artige Gebilde aus dem Geröll empor. Malstiegen sie höher empor, dann zogen sie sichwieder zurück, filigrane Härchen filtertenoffenbar Staub und mikroskopisch kleinePartikel aus der Atmosphäre.

Auf einer Aggregatverkleidung neben derHolowand stand eine solche armdicke Wur-zel. Dekoration?

Aagenfelt glaubte zu fühlen, wie etwasUnheimliches sich heranschlich, ein Schauerlief seinen Rücken hinab. Gebannt starrte erdas Ding an, dessen Seitenhärchen sich inwellenförmiger Bewegung aufzurichten be-gannen.

Alles in ihm drängte danach, sich herum-zuwerfen und davonzulaufen, weg von derunheimlichen Ausstrahlung, die plötzlich inseinem Hinterkopf nistete. Er konnte esnicht, mußte in hilfloser Untätigkeit mit an-sehen, wie die holographische Planetenland-schaft sich zu verändern begann.

Düsternis bestimmte immer mehr dieWiedergabe.

Seine eigenen furchtsamen Gedanken wa-ren es, die er jäh vor sich ausgebreitet sah,die Erinnerung an das Sphärenrad der Nong-go, an seine Einsamkeit und die Ahnung desnahenden Todes. Das Ziehen unter der Schä-deldecke wurde intensiver, schmerzhaft.

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Tautmo Aagenfelt wollte schreien - er konn-te es nicht, brachte keinen Laut hervor, derdie Freunde gewarnt hätte. In ohnmächtigerHilflosigkeit verfiel er der vermeintlichenWurzel, deren Spitze sich zu bewegen be-gann wie der kantige Schädel einer Schlan-ge.

Immer tiefer verstrickte der Physiker sichin die Angstträume seiner eigenen Existenz.Bilder aus der Kindheit quollen an die Ober-fläche seines Bewußtseins, schreckenerre-gende Sequenzen, die irgendwann seineFurchtsamkeit begründet hatten.

Im nächsten Moment war es, als zerreißeein Vorhang in ihm, unvermittelt lag bloß,weshalb Rhodan und sein Begleiter in dasGebäude der Hamaraden eingedrungen wa-ren: Das Hologramm zeigte ein Abbild desKontrollraums und ließ erkennen, daß Datenabgezapft wurden … Gellend sehne TautmoAagenfelt auf, weil er den tobendenSchmerz nicht mehr aushielt, dann brach erbewußtlos zusammen.

Daß die seltsame Kreatur ihn von der Ag-gregatverkleidung herab ansprang und sichim Brustteil seines SERUNS verbiß, ohnedaß der Pikosyn Abwehrmaßnahmen einlei-tete, registrierte er schon nicht mehr.

*

Tautmo Aagenfelts Aufschrei und seinZusammenbruch lösten die Katastrophenicht aus, sie machten nur deutlich, daß dieAbwehrmaßnahmen der Hamaraden unter-schätzt worden waren.

Irgend etwas Dunkles, Schlangenartigeszuckte auf seinem Brustkorb, und nur Poul-ton Kreyn reagierte mit der gewohntenSchnelligkeit und griff dieses Etwas mit blo-ßen Fäusten an. Die Sensoren der SERUN-Handschuhe vermittelten ihm das Gefühl, inSäure zu greifen, trotzdem krallte er die Fin-ger fester in die zuckende Muskelmasse hin-ein, bis die Kreatur - Kreyn dachte in demMoment gar nicht darüber nach, womit er esmöglicherweise zu tun hatte - endlich vonihrem Opfer abließ.

Das zuckende Muskelbündel entwickelteeine ungeahnte Kraft, und nur einer instink-tiven Seitwärtsdrehung verdankte Poulton,daß das kantige Maul sich nicht in seinemAnzug festbiß.

Poulton Kreyn achtete nicht auf die Stim-men im Helmfunk, er hatte genug damit zutun, zu verhindern, daß das Schlangenwesensich um sein Handgelenk wand. Wild schluger um sich, hinterließ tiefe Dellen in zweiAggregaten und schmetterte die Kreaturschließlich auf den Boden. Es gab ein gräß-lich knirschendes Geräusch, als er zutrat,Muskeln spannten sich ein letztes Mal unterseinem Stiefel an, danach erlahmten die Be-wegungen. Der Ertruser registrierte, daß dasWandholo in einem psychedelischen Auf-wallen zu explodieren schien.

»… wir müssen hier abbrechen, Ska!«hörte er Bullys Drängen. »Begreif doch, daßAlarm ausgelöst wurde.«

»Nur noch ein paar Minuten, dann findeich Daten über die KOMPANIE.«

»Wir haben nicht einmal eine einzige.«Energetische Barrieren bauten sich auf.

Reginald Bulls füllige Gestalt wurde von ei-nem fahlen Leuchten eingehüllt, das sich ge-dankenschnell zusammenzog, aber als diesesLeuchten den Individualschirm berührte,zerstob es in einem prasselnden Funkenre-gen.

Ein Paralysatorgeschütz hämmerte seinenervenlähmenden Energien in den Raum,die allerdings den Schutz der SERUNS nichtdurchschlagen konnten. Weitere energeti-sche Sphären entstanden, als versuche eineAutomatik, die Eindringlinge zu isolieren.

Poulton Kreyn registrierte ansteigendeOzonwerte. Dem Traktorstrahl, der ihn zuBoden zwingen wollte, widerstand er, ledig-lich Ska Kijathe wurde von dem wandern-den Feld überrascht und herumgewirbelt. Ineiner instinktiven Abwehrreaktion fuhr siedie Leistung ihres Antigravs hoch und klebteim nächsten Augenblick, mit Armen undBeinen rudernd, an der Decke, während un-ter ihr zwei Hamaraden den Raum stürmtenund sofort das Feuer eröffneten. Einen von

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beiden streckte Reginald Bull mit einemLähmschuß nieder, den anderen schickteKreyn ins Reich der Träume.

»Wir ziehen uns zurück!« befahl Bully.»Schließlich sind wir die Eindringlinge.Auch wenn die Hamaraden Dreck amStecken haben, will ich keine Eskalationprovozieren.«

Energieortung aus dem Bereich des Anti-gravschachts … Eben noch hatte Bully er-wogen, über den Schacht zu Rhodan vorzu-stoßen, dessen Gruppe ebenfalls angegriffenwurde, doch die angemessenen starken Fel-der ließen den Rückzug über die Treppe ge-raten erscheinen.

Aagenfelt wimmerte leise, als Kreyn ihnsich unter den linken Arm klemmte und imSchutz des Individualschirms zwei Sperrendurchbrach. Ska feuerte indessen mit gebün-deltem Thermostrahl auf einen Fesselfeld-projektor, den sie unter einer Deckenverzie-rung ausgemacht hatte. Zähflüssige Plastver-kleidung tropfte in dünnem Rinnsal herab,gleich darauf wirbelte eine Explosion auf-glühende Splitter durch den Raum.

Bully und Ska Kijathe erreichten den Zu-gang zum Treppenhaus nahezu gleichzeitig.Ska sicherte unter der Tür, und Bull stürmte,eine ungezielte Paralysatorsalve abgebend,nach draußen. Der geräumige Treppen-schacht hätte einer kleinen Armee Auf-marschplatz bieten können.

Mehrere Thermoschüsse verfehlten Bullynur knapp, im Laufen warf er sich zur Seite,rollte sich über die Schulter ab und feuertein die Höhe, ungefähr dorthin, wo der Geg-ner stehen mußte. Auch Ska schoß, und sieerwischte den Hamaraden im Sprungansatz;ein halb ersticktes Gurgeln ausstoßend, roll-te das Wesen die Stufen herab Der Wegnach oben schien frei zu sein, wohingegenvon unten heftiger Kampflärm ertönte. Bullyhastete dennoch zum nächsten Treppenab-satz hinunter. Die Deflektorfelder nütztennichts mehr, andernfalls wäre er eben kaumgezielt beschossen worden. Kreyn stellte denimmer noch benommen wirkenden Physikerauf die eigenen Beine zurück. »Du kannst

selbst laufen, ich brauche beide Hände fürdiese Breitmäuler.«

Vom Erdgeschoß stürmten Hamaradenherauf Aagenfelt hörte sie kommen und warfsich herum.

»Nach oben!« rief er mit sich überschla-gender Stimme. »Dort sind wir sicher.«

»Wir müssen zusammenbleiben, Taut-mo!«

Aagenfelt hörte nicht, er hetzte mit weitausgreifenden Sprüngen die Treppe hinauf.Er blieb unbehelligt, und genau das schienihn sogar vergessen zu lassen, daß er plötz-lich auf sich allein gestellt war.

Abrupt sah er sich fünf Hamaraden ge-genüber. Ihre Waffen redeten eine unmiß-verständliche Sprache.

»Nein.« Tautmo Aagenfelt schüttelte denKopf. »Ich … bin unbewaffnet. Ihr dürftmich nicht töten, ich bin Physiker.«

Sie verstanden ihn nicht. Weil er, anstattdie Außenübertragung zu aktivieren, die ge-samte Akustik abgeschaltet hatte.

Tautmo Aagenfelt schwitzte und fror zu-gleich. Daß der SERUN ihn bis zu einemgewissen Grad schützte, daran dachte er garnicht.

»Wir … sind Freunde«, keuchte er. »EinMißverständnis, wirklich …«

Einer der Froschköpfigen warf etwas aufihn. Aagenfelt schrie unwillkürlich auf, alsdas Ding im Individualschirm verglühte.

»Wir müssen miteinander reden, verstehtihr?« Endlich war die Übertragung wiederaktiviert. Auch wenn er die Worte in seinerErregung in Interkosmo stammelte, der Pi-kosyn übersetzte sie über die Translator-funktion ins Glausching.

Ein Funkenregen überzog den Schutz-schirm, ein intensives grelles Flimmern.Warnlampen flackerten auf.

»Schirmfeldausfall steht bevor«, meldeteder Servo »Das ist ausgeschlossen«, keuchteTautmo. »Sag, daß du dich irrst. Sagschon!«

Keine Antwort. Aber der Schirm brachzusammen. Einfach so. Beste terranischeTechnik, die versagte doch nicht einfach.

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»Nein!« brüllte Aagenfelt, als zwei Fäusteihn unvermittelt von hinten packten und her-umwirbelten, er konnte nur mehr die Armehochreißen und versuchen, den unvermeid-lich kommenden Aufprall etwas abzufedern.Als er aufschlug, sah er Ska da oben stehen,wo er sich eben noch befunden hatte, dannüberschlug er sich wieder, und zwei Ther-moschüsse verfehlten ihn nur um Haares-breite.

»Defensivfunktionen wiederhergestellt«,meldete der Servo. Keinen Augenblick zufrüh. Der nächste Strahltreffer, der seinenBrustkorb verbrannt und ihn wohl getötethätte, wurde vollständig absorbiert.

Ska Kijathe stand noch immer auf demTreppenabsatz. Ein Sternenmeer hüllte sieein, fraß sich durch ihren Schutzschirm hin-durch, und dann ließen Schüsse das silberneFlirren zerstieben. Ska wurde gegen dieWand geschleudert, für Sekundenbruchteilesah es so aus, als wolle sie sich noch herum-werfen, aber im nächsten Moment fuhrenneue Glutfinger in ihren Leib. Der Strahlerentglitt den kraftlos werdenden Fingern, pol-terte die Stufen herab.

Die »Tibeterin« starb, und Tautmo Aa-genfelt kämpfte gegen das unwiderstehlichwerdende Empfinden an, sich übergeben zumüssen. Das darf nicht sein! hämmerte jederhastige Pulsschlag durch seinen Körper.Mein Gott, sie darf nicht sterben, sie ….

Ska Kijathe war schon tot, als sie in sichzusammensank, und als ihre Waffe wie einestumme Aufforderung vor Aagenfelt liegen-blieb, zerbrach etwas in dem Physiker.

Er riß den Strahler hoch und drückte ab.Blindlings. Immer und immer wieder.

*

»Ein paar Daten«, keuchte Bully. »Wegenein paar Daten haben wir einen Krieg vomZaun gebrochen.«

Wo er eben noch einen sicheren Flucht-weg gewähnt hatte, stieß er auf eine massiveWand. Die Ortung verriet ihm, daß sie in ih-rem Inneren durch ein Energiefeld verstärkt

wurde. Aber auch der Servo behauptete, daßgenau an dieser Stelle vor kurzem ein breiterDurchgang existiert hatte. Der einzige gang-bare Weg führte nun hinab in die Unterge-schosse.

»Wir haben uns nicht an einer Handels-niederlassung vergriffen, sondern an einerFestung«, stieß Reginald Bull zerknirschthervor. »Recht geschieht uns! Warum füh-ren wir uns auf wie die Axt im Wald, anstattdie Hamaraden um ihre Hilfe zu bitten?«

Das Gebäude schien gespickt zu sein mitautomatischen Waffen, Energiefeldern undvariablen Wänden, und ohne die SERUNShätten die Terraner nicht den Hauch einerChance besessen.

Unvermittelt hielt Rhodan inne. Er hobdie Arme und drehte die Handflächen nachaußen.

»Wir wollen nicht kämpfen!« rief er.»Hört ihr mich? Wir sind bereit zu verhan-deln, uns liegt nicht daran, weitere Zerstö-rungen anzurichten. Töten wollen wir auchniemanden.«

Die nachfolgende Stille hatte etwas Un-heilvolles. Langsam drehte Bully sich ein-mal um sich selbst; der Energiepegel bliebkonstant, das deutete nicht gerade daraufhin, daß die Hamaraden zum Einlenken be-reit waren.

Sie sind vorsichtig, schoß es Bully durchden Sinn. Wir an ihrer Stelle wären dasauch. Aber wir haben Fehler gemacht, dienicht hätten geschehen dürfen, wir wissendoch, wie schnell ein vermeintlich harmlo-ses Unterfangen kippen kann.

Mondra Diamond hatte die Augen ge-schlossen, als könne sie auf die Art feststel-len, wo die Hamaraden als nächstes zuschla-gen würden. Den Strahler hielt sie mit bei-den Händen, doch die Mündung zeigte zuBoden. Mondra war jetzt ganz die durchtrai-nierte Agentin, eine hinreißende, zugleichgefährliche Frau Poulton Kreyn stand zehnMeter entfernt, er war schon am weitestenvorgedrungen. Im Schatten seines massigenOberkörpers schwebten die Swoons zweiMeter über dem Boden.

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»Es ist noch nicht zu spät, um miteinanderzu reden«, sagte Perry Rhodan. »Ich bin be-reit, allein und unbewaffnet zu euch zu kom-men.«

»Das darfst du nicht riskieren, Perry«,protestierte Bull sofort.

»Hast du einen besseren Vorschlag?«Rhodan reichte ihm seinen Strahler.

»Schwankungen im Energiefeld«, meldeteTreul. »Da entsteht ein Durchgang.«

Eine der Wände verschob sich. Aber be-vor Rhodan hindurchtreten konnte, taumelteTautmo Aagenfelt herein.

»Ska ist tot!« sprudelte der Physiker her-vor. »Sie haben Ska getötet, und sie werdenuns ebenso umbringen.«

Poulton Kreyns Aufschrei hallte in vielfa-chem Echo wider. In ohnmächtigem Zornriß er seinen Strahler hoch und feuerte aufeines der bereits identifizierten optischenÜberwachungssysteme.

Als Antwort auf seine Reaktion entstan-den zwei neue energetische Sperren.

*

Die Hamaraden schienen es sich in denKopf gesetzt zu haben, die Eindringlinge zuvernichten. Aber das allein erklärte nicht dieWut, mit der sie angriffen. Ska Kijathes Todzeigte zudem erschreckend, daß sie durchausdie Möglichkeiten hatten, einen SERUN-Schirm zu knacken.

»Die Hamaraden haben offenbar brisanteDaten zu verbergen«, folgerte ReginaldBull. »Und sie scheinen zu glauben, daß wirfündig geworden sind. Wir haben in einWespennest gestochen.«

»Shabazza?«Reginald Bull zuckte mit den Achseln.

»Das Tragische daran wäre, daß die Hama-raden und wir womöglich Verbündete sind,uns aber trotzdem gegenseitig ans Leder ge-hen.« Sein Blick wurde starr, nachdenklichfixierte er das silberne Relief auf Rhodansrechter Brustseite. »Gibt es keine Möglich-keit, Moo als Vermittler einzusetzen?«

Rhodan schüttelte den Kopf. Was immer

der Terraner hatte sagen wollen, ging in demneuen Angriff der Hamaraden unter.

Diesmal schienen sie fest entschlossen,den Eindringlingen den Garaus zu machen.In den engbegrenzten Räumlichkeiten be-gann die Luft zu kochen.

»Wenn wir jetzt nicht durchbrechen,schaffen wir es nie!«

Der Ertruser hetzte los. Mit der Gewalt ei-nes kleinen Panzers walzte er den ersten Ha-maraden entgegen, die kaum richtig begrei-fen konnten, was da auf sie zukam, bevor sievon gewaltigen Hieben zur Seite geschleu-dert wurden. Energiegewitter tobten inKreyns Schutzschirm.

Rhodans Warnung kam zu spät. OderKreyn schlug sie in den Wind. Jedenfallsgab es eine grelle Entladung, als er mit zweiHamaraden zusammenprallte und derenSchutzschirme sein geschwächtes Defensiv-system endgültig überlasteten.

Poulton Kreyn starb im Feuer der GegnerVielleicht war es genau das, was er gewollthatte; im Bett an Altersschwäche zu sterben,davor hatte er sich wohl sein Leben lang ge-fürchtet.

11.Freihandelswelt Kristan

16.Apil 1290 NGZ

»Ich hatte nicht erwartet, daß wir soschnell einen Erfolg verbuchen könnten«,sagte Tim Makenstein erfreut. »248 Kilo-gramm reines Howalgonium, damit läßt sichein Grundstock legen, der unsere Ziele in er-reichbare Nahe rückt.«

»Wir dürfen dennoch nicht zuviel erwar-ten«, gab Jers Demlin zu bedenken, einerder Männer, die geholfen hatten, das Howal-gonium in die Dependance zu transportieren.»Daß die technische Innovation inDaGlausch stagniert, ist nicht nur auf dieKesselbeben und ihre teils verheerendenAuswirkungen zurückzuführen. Auch derMangel an Howalgonium trägt dazu bei.«

»Wir kaufen auf, was wir kriegen kön-nen.« Nachdenklich betrachtete Makenstein

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den schwarzen Container, einen Kubus vonzwei Metern Grundfläche und einem MeterHöhe, in dem die vier Partien Schwingquarzsicher untergebracht waren. Howalgoniumwar nicht ganz unkritisch zu behandeln, vorallem war es unmöglich, die Ladung ohnegrößere Sicherheitsmaßnahmen im Detail zuüberprüfen.

Wichtig war in der Hinsicht lediglich, daßdie Hamun-Agenten nicht versucht hatten,das Gewicht zu manipulieren und ver-gleichsweise wertlose Ware an den Mann zubringen. Die Messungen hatten eindeutig dieMenge von 248 Kilogramm bestätigt. Mor-gen, spätestens übermorgen, würde dasSchiff landen und die Fracht übernehmen.

»Das ist ein Erfolg, den wir ruhigen Ge-wissens begießen dürfen.«

Bei den Companeii gab es ein Getränk,das zwar keinen Alkohol enthielt, aber den-noch ähnlich berauschend wirkte; davon hat-te Makenstein sich einen beachtlichen Vor-rat beschafft. Um die bauchigen Flaschen zuöffnen, mußte er nur eine Hand um den Fla-schenhals legen Der Verschlußstopfen löstesich durch die Wärme und die Körper-schwingung auf und reicherte das Getränkmit Mineralien an, die letzten Endes für dasAroma verantwortlich waren.

Ein Dutzend Trinkkelche warteten darauf,gefüllt zu werden. Die grünliche Farbe derbeinahe öligen Flüssigkeit erinnerte an Vur-guzz.

Tim Makenstein hob sein Glas. »Auf dieerste Lieferung Howalgonium und auf …«Er wurde unterbrochen.

»Wir verzeichnen heftige Energieentla-dungen in allernächster Nähe. Die Signatu-ren deuten auf Thermowaffen hin. Außer-dem messen wir fünfdimensionale Struktu-ren an.«

Makenstein stellte seinen Kelch hart zu-rück Eine steile Falte der Besorgnis grubsich über seiner Nasenwurzel ein. »Wo?«fragte er scharf, obschon er die Antwortwußte, noch ehe sie ausgesprochen wurde.

»Im Stützpunkt der Hamun wird seit kurz-em erbittert gekämpft.«

Tim Makenstein trank nun doch einenkräftigen Schluck, mit dem Handrückenwischte er sich über die Lippen Er wußte soziemlich alles über die Hamaraden, die sichgegenüber angesiedelt hatten und den An-schein mehr oder weniger ehrlicher Händlerzu erwecken suchten. In Wahrheit war dieHamun eine der schlagkräftigsten Agenten-gruppen auf Kristan. Daß sie Tag und Nachtmit geradezu rührendem Eifer bemüht wa-ren, die KOMPANIE auszuspionieren, lagauf der Hand. Makenstein duldete ihre Akti-vitäten, weil ein bekannter Feind am bestenkontrolliert werden konnte. Die Hamun hattebis heute ohnehin nur das erfahren, was siewissen durfte.

»Falls die KrisPol den Stützpunkt aushe-ben wollte, wüßten wir das, oder?«

»Natürlich.« Demlin nickte eifrig. Ernippte nur an seinem Glas, und sein Blickverlor sich in weiter Feme.

»Worüber denkst du nach. Jers?«»Ich frage mich, ob unser Gegner aufge-

taucht ist, dessentwegen wir die Masken an-gelegt haben.«

Tim Makenstein kippte den Rest seinesGetränks. »Ab sofort gilt volle Gefechtsbe-reitschaft! Wir beschränken uns noch aufsBeobachten, aber ich will über alle Verände-rungen informiert sein.«

Die Streustrahlung wurde starker. Letzt-lich platzte eine Feststellung wie eine Bom-be in die bislang halbwegs heile Welt derKOMPANIE: Die charakteristischen Or-tungsprofile von SERUNS zeichneten sichin dem allgemeinen Wirrwarr ab.

Menschen?Für Tim Makenstein war schon die Ver-

mutung Grund genug, die Kampfroboter inden Einsatz zu schicken.

*

Mondra Diamond war zwischen Ener-giebarrieren eingekeilt und hatte kaum nochBewegungsfreiheit. Eine Funkverbindungwar selbst auf die geringe Distanz nichtmehr möglich; die Hamaraden verstanden es

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inzwischen äußerst wirkungsvoll, die Kom-munikation zu stören.

Entweder Mondra selbst oder der Pikosynihres SERUNS hatte den Individualschirmabgeschaltet. Exakt in dem Moment war dieBarriere zum Stillstand gekommen.

Wohin die beiden Swoons verschwundenwaren, wußten weder Rhodan noch Bully.Möglich, daß sie ihrer geringen Größe we-gen einen Fluchtweg gefunden hatten; eben-so wahrscheinlich erschien es jedoch, daßsie, weniger gut als die übrigen Mitgliederdes Trupps geschützt, nicht mehr unter denLebenden weilten.

Der Kampf war aussichtslos geworden.Rhodan warf seinen Strahler weg. Diesmalfolgte Bully dem Beispiel. Schwerbewaffne-te Hamaraden standen hinter den Energieb-arrieren und starrten sie aus ihren Froschau-gen an. Unmöglich, den Gesichtern eine Re-gung zu entnehmen. Doch endlich kam Be-wegung ins Geschehen. Zwei Hamaradendurchschritten die Barrieren, als seien diesenicht vorhanden.

»Was wißt ihr?« Der mit den wulstigen,vernarbt wirkenden Lippen wandte sich anRhodan.

»Was willst du hören?«Ein offenbar äußerst abfälliges Schmatzen

beantwortete Rhodans Gegenfrage.»Tim Makenstein schickt euch? Er wollte

unsere Abwesenheit wegen des Howalgoni-um-Handels ausnutzen, aber wir wußten,daß wir der KOMPANIE nicht trauen dür-fen.«

»Wir gehören nicht zur KOMPANIE«,platzte Bully heraus. »Im Gegenteil. Wirhatten gehofft, bei euch mehr zu erfahren…«

Daß den Hamaraden ihr drittes Bein nichtnur für weite Sprünge diente, sondern auchals äußerst effektive Waffe, war eine fürBully schmerzliche Erfahrung. Der Tritt ei-nes Pferdes konnte nicht heftiger sein als derüberraschende Angriff des Froschgesichti-gen, der ihn stürzen ließ.

Im nächsten Moment setzte der HamaradeRhodan die Waffe auf die Brust.

»Du bist so gut wie tot!« blubberte er.»Glaubst du, daß ich mich wirklich noch fürdich interessiere?«

*

Nie durfte man sich bei Geschäften soweit in Sicherheit wähnen, daß darüber dasgesunde Mißtrauen verlorenging. Beinahehätte Teiskoll geglaubt, daß es der KOMPA-NIE nur um den Erwerb von Schwingquarzging, doch das unbemerkte Vordringen derZweibeiner bis zu den Positroniken bewiesihre Gefährlichkeit. Vor allen Dingen durfteTim Makenstein nicht erfahren, daß in ei-nem der Howalgoniumblöcke ein Peilsenderverborgen war.

Bessere Technik wog noch lange nicht dieKampfmoral der Hamun auf. Es war fürTeiskoll eine Genugtuung, die Zweibeiner indie Knie zu zwingen. Und wenn erst dieHeimatweit der Fremden ausfindig gemachtwar, würde er seinen Erfolg fortsetzen, umden Hamaraden den Platz in DaGlausch zusichern, der ihnen seit 15.000 Jahren zu-stand. Teiskoll verfluchte das Kesselbeben,das die Ur-Hamar aus ihrer Heimat vertrie-ben hatte.

Vurtoon versetzte soeben dem etwasrundlichen Zweibeiner einen heftigen Tritt,dann riß er seine Waffe hoch. Teiskollglaubte schon, er würde schießen, doch Vur-toon zögerte aus unerfindlichem Grund.

»Du bist so gut wie tot …!«Siedendheiß schlug die Erregung über

Teiskoll zusammen. Genau diese Worte hat-te er vor Jahren schon gehört.

Schreie …Chaos …Eine sterbende Welt, gefangen in den

Ausläufern eines verheerenden Bebens …Vurtoon schlug den Zweibeiner ins Ge-

sicht, brüllte ihn an. Teiskoll achtete nichtdarauf, weil ihn die wiederkehrende Erinne-rung in ihren Bann zog. Er glaubte, wahn-sinnig werden zu müssen.

Die Frau war verletzt, ihr Gesicht hatteplötzlich wieder einen Namen: Milnar. Sie

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war Teiskolls Gefährtin und würde in Kürzeihr gemeinsames Kind zur Welt bringen.Falls sie es schafften, der sterbenden Weltzu entkommen. Noch war Zeit dazu.

»Laß sie!« herrschte Vurtoon ihn an.»Wir müssen weiter! Sie ist nur Ballast, mitihr schaffen wir es nicht.«

Teiskoll achtete nicht darauf. Verzweifeltversuchte er, Milnar zu stutzen. Ein kräftigerFausthieb seines Freundes hinderte ihn dar-an. »Du bist so gut wie tot!« schrie VurtoonMilnar an. »Glaubst du, daß Teiskoll sichwirklich für dich interessiert?«

In dem Moment hatte der Agent sich aufVurtoon gestürzt, aber dann war etwas inseinem Schädel explodiert.

Neue Erinnerungsfetzen:Eingepfercht an Bord des letzten Raum-

schiffes, das die sterbende Welt verließ …Milnar war tot. Vurtoon hatte sie nieder-

geschossen, um sich selbst und Teiskoll zuretten.

Ein Operationssaal. Ärzte verbanden sei-nen Schädel mit unzähligen Apparaturen,die Schmerzen wurden grauenvoll. Danachwar seine Erinnerung an Milnar und sein Le-ben mit ihr ausgelöscht. Vertrauen - welchbitteren Beigeschmack hatte dieses Wort miteinemmal.

Erneut aufbrandender Kampflärmschreckte Teiskoll auf. Deutlich hörte er Ex-plosionen aus den höher gelegenen Stock-werken. Auch Vurtoon hob den Kopf undschien zu lauschen, sein Mund verzerrte sichzur Grimasse, als er die Waffe auf denZweibeiner richtete, um diesmal wirklich zutöten. Ein Verräter blieb immer ein Verräter.

Damals war es ihm um die eigene Exi-stenz gegangen, heute sehr wahrscheinlichum die Macht.

»Vurtoon« Mit beiden Händen schlugTeiskoll zu »Das ist für Milnar und was dumit mir gemacht hast.«

Sein unbeherrschter Schlag, schräg vonunten herauf geführt, traf Vurtoons Unterar-me und wirbelte den Strahler hoch, derSchuß verfehlte den Zweibeiner und wurdevon einer der Energiebarrieren abgelenkt.

Zweimal trat Teiskoll mit aller Kraft zu,dann bekam er endlich den Strahler zu fas-sen, wirbelte die Waffe herum und schlugauf den Auslöser. Vurtoons Todesschrei ver-hallte fast ungehört in dem losbrechendenChaos. Kegelförmige Roboter drangen indas Untergeschoß ein.

*

»Das sind TARA-V-UH, Perry!« Regi-nald Bull stieß ein heiseres Ächzen aus.

»Weißt du, was das bedeutet? Sie sind ei-ne Stunde zu spät dran Wären sie eher ge-kommen, könnten Ska und Poulton noch le-ben.«

Hinter ihnen schlugen die ersten Flammenaus dem Gebäude der Hamaraden. DieKampfroboter hatten noch rechtzeitig einge-griffen, um das Blatt zu wenden. Ihrer Feu-erkraft hatten die Hamaraden wenig entge-gensetzen können.

Rhodan wußte nicht, wie viele Gegnerums Leben gekommen waren, doch jederTote war ein Toter zuviel, und der Anlaß da-für war im nachhinein betrachtet so unend-lich unwichtig. Nicht Shabazza steckte hin-ter der KOMPANIE, sondern Menschen,egal wie sie nach DaGlausch gelangt seinmochten. Daß Treul und Goriph überlebthatten und von den TARA aus ihrem ener-getischen Gefängnis befreit worden waren,empfand Rhodan nur als schwachen Trost.

Im Schutz ihrer Deflektorschirme über-querten die Kampfroboter die breite Straße,die sich trotz nächtlicher Stunde rasch beleb-te.

Kurz darauf fanden die Geretteten sich ineiner gemütlichen Lounge wieder. Zeit, sichmit der neuen Umgebung vertraut zu ma-chen, blieb ihnen aber vorerst nicht.

»Perry Rhodan und Reginald Bull höchst-persönlich«, sagte eine markante Stimme.»Dabei haben wir, als wir die Roboter los-schickten, eher erwartet, mit irgendwelchenhöher ausgerüsteten Feinden zusammenzu-treffen.«

»Seltsam«, sagte Mondra Diamond, »uns

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erging es ähnlich, als wir von der KOMPA-NIE hörten.«

»Wer seid ihr wirklich?« fragte TautmoAagenfelt.

»Mein Name ist Makenstein, Tim Maken-stein.«

»Namen sind Schall und Rauch«, erinner-te Bully. »Vor allem Millionen Lichtjahrevon der Milchstraße entfernt.«

»Auch dann, wenn wir die Nation Alas-han vertreten?«

»Alashan!« rief Bully. »Ich glaub's nicht.Also doch …«

»In dem Fall haben wir allerdings sehrviel miteinander zu reden«, sagte Perry Rho-dan schnell. »Das Faktorelement Terrania-Süd wurde ]a gegen unbekanntes Terrain mitder Dscherro-Burg GOUSHARAN ausge-tauscht. Falls Alashan mit weiteren Dscherrokonfrontiert wurde …«

»Diese Begegnung haben wir überlebt«,erklärte Makenstein. »und ich kann auch miteurer Anwesenheit umgehen, ohne darausallzuviel Hoffnung zu schöpfen. Wie aller-dings die Stimmung in Alashan umschlagenwird oder auch nicht, wage ich nicht voraus-zusagen.«

»Das erinnert mich an längst vergangeneZeiten«, platzte Bully heraus. »Damals, vorunserer Mondlandung, als die Menschensich über die Existenz von Außerirdischennoch verbal die Köpfe einschlugen. Weißdu, welches geflügelte Wort seinerzeit dieRunde machte?« Erst als Makenstein denKopf schüttelte, fuhr er fort: »Wenn einesTages wirklich Fremde landen, verehren wirsie entweder als Götter, oder wir bringen sieum.«

*

Am frühen Abend des 17. April 1290Neuer Galaktischer Zeitrechnung landete dieGOOD HOPE III auf Kristan.

Rhodan und seine Begleiter hatten sich in-zwischen von Eismer Störmengord verab-schiedet. Einerseits schien der Bebenfor-scher erfreut, daß er endlich wieder allein

sein würde, andererseits hatte er sich wohllängst an die Begleitung gewöhnt. Er würdesich von nun an geraume Zeit im Zophen-gorn-Satelliten aufhalten.

Sein Angebot klang ehrlich. Für den Fall,daß Rhodan Hilfe benötigte, und im Aus-tausch gegen einen jener syntronischenChips, wie sie in den Positroniken derKOMPANIE eingebaut waren, würde erRhodan jederzeit und in jeder Hinsicht un-terstützen.

Sie trennten sich in der gegenseitigen Ge-wißheit, wirklich Freunde geworden zu sein.

Der Aufenthalt des Kugelraumers dauertenicht einmal eine Stunde.

»Wir wollen unnötiges Aufsehen vermei-den«, erklärte die Kommandantin Fee Kel-lind. »Wenn die Nation Alashan auf Dauerüberleben will, müssen wir Neider fernhal-ten und auch für Shabazza mögliche Spurenverwischen. Deshalb wurde die KOMPA-NIE auf Kristan eingerichtet - wir versorgensie heimlich mit Waren. Unsere Leute tretennur noch in Maske auf - bei der ersten Lan-dung wurde das leider versäumt.«

Rhodan und Bull hatten die Sicherheits-vorkehrungen miterlebt und mehrmals in ob-skuren Gebäuden den Gleiter gewechselt.Als sie schließlich bei der GOOD HOPE IIIangelangten, war ihre Spur verwischt. Aufdem Landefeld wurden inzwischen mehrereContainer voll einfacher Waren verkauft -welchen Grund sonst hätte der Kugelraumerfür die Landung haben sollen?

Der schwarze Container, den Fee Kellindunter größten Sicherheitsvorkehrungen ver-laden ließ, enthielt Howalgonium für denKrisen/all Robinson. Mehr als diese sehrknappe Auskunft ließ die Kommandantinsich nicht entlocken.

Der kurze Flug ins Thorrtimer-Systemverlief ereignislos. Der Umweg war jedochbeträchtlich. Fee Kellind begründete denZickzackkurs mit einem routinemäßigen Ab-lenkungsmanöver für mögliche Verfolger.

Als der 120-Meter-Kugelraumer in denLandeanflug auf Thorrim überging, war der18. April schon etliche Stunden alt. Alashan

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war mittlerweile nicht mehr von der StadtZortengaam zu unterscheiden. Stolz redetedie Kommandantin davon, daß die Umge-staltung des Faktorelements in Rekordzeitäußerst erfolgreich abgeschlossen wordenwar.

Zügig näherte sich das Schiff dem Lande-feld am unterirdischen TLD-Tower. Nur vonden Antigravtriebwerken getragen, schwebtedie GOOD HOPE III ein.

Epilog

Ein Teil seiner Haut war verbrannt. Er

würde Narben zurückbehalten. Aber schlim-mer waren die seelischen Narben, die seinezurückgewonnene Erinnerung hinterlassenhatte. Dagegen halfen die stärkstenSchmerzmittel nicht.

Teiskoll kauerte am Rand einer Lagerhal-le und blickte den startenden Raumschiffennach. Eines davon gehörte der KOMPANIE.

Bald würde das Howalgonium im gehei-men Stützpunkt der Zweibeiner eintreffen -und mit ihm auch der Hyperfunk-Peilsender.

E N D E

Der Kontakt ist hergestellt: Perry Rhodan und seine Begleiter haben Anschluß an die Nati-on Alashan gefunden, jene Terraner, die es aus der Milchstraße in die Galaxis DaGlauschverschlagen hat. Bei dem Unternehmen auf Kristan fanden leider zwei Wegbegleiter des Ter-raners den Tod. In der heimatlichen Milchstraße stehen derzeit große Veränderungen an.Während die Terraner noch darum bemüht sind, ihre Hauptstadt von Schutt und Asche zu be-freien, streben die Arkoniden zu neuen Zielen. Das erfährt unter anderem Atlan …

Mehr darüber im nächsten PERRY RHODAN-Roman, den H. G. Francis geschrieben hat.Er beleuchtet das Geschehen in der Menschheitsgalaxis, sein Roman trägt den Titel:

PROJEKT MIRKANDOL

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