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Konzepte der Politik – ein Kompetenzmodell

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Page 1: Konzepte der Politik – ein Kompetenzmodell

Konzepte der Politik – ein Kompetenzmodell

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Schriftenreihe Band 1016

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Georg Weißeno, Joachim Detjen, Ingo Juchler, Peter Massing, Dagmar Richter

Konzepte der Politik– ein Kompetenzmodell

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Bonn 2010

© Bundeszentrale für politische Bildung Adenauerallee 86, 53113 Bonn

Redaktion: Franz Kiefer (verantw.), Georg Weißeno, Herstellung: Wolfgang Hölker

Eine Buchhandelsausgabe besorgt der Wochenschau Verlag.

Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar. Für die inhaltlichen Aussagen tragen die Autor/-innen die Verantwortung.

Hinweis: Die Inhalte der im Text und Anhang zitierten Internet-Links unterliegen der Verantwortung der jeweiligen Anbieter/-innen. Für eventuelle Schäden und Forderungen können Herausgeberin und Autor/-innen keine Haftung übernehmen.

Umschlaggestaltung: M. Rechl, KasselUmschlagzeichnung: Reinhard K. Schmitt, KarlsruheSatzherstellung: Naumilkat, Düsseldorf Druck: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-8389-0016-2

www.bpb.de

Dr. Georg Weißeno, Professor für Politikwissenschaft und ihre Didaktik Pädagogische Hochschule KarlsruheDr. Joachim Detjen, Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politische Bildung Katholische Universität Eichstätt-IngolstadtDr. Ingo Juchler, Professor für Politikwissenschaft und Didaktik der Politik Universität GöttingenDr. Peter Massing, Professor für Sozialkunde und Didaktik der Politik Freie Universität BerlinDr. Dagmar Richter, Professorin für Sachunterricht und seine Didaktik Technische Universität Braunschweig

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Inhalt

Vorwort 7

Einleitung 9

I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung 15

1. PolitikkompetenzundkonzeptuellesLernen– einneuespolitikdidaktischesModell 16

2. PhilosophiedesFachesPolitischeBildung 23

3. Politikbegriff 28

4. PolitikdidaktischeKonzeptionen 36

II. Basis- und Fachkonzepte 47

1. KonstruktionpolitischerBasis-undFachkonzepte 48

2. BasiskonzeptOrdnung 53

3. FachkonzepteOrdnung 613.1 Demokratie 613.2 EuropäischeIntegration 653.3 Gewaltenteilung 693.4 Grundrechte 723.5 InternationaleBeziehungen 763.6 Markt 793.7 Rechtsstaat 833.8 Repräsentation 873.9 Sozialstaat 913.10 Staat 95

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Inhalt

4. BasiskonzeptEntscheidung 98

5. FachkonzepteEntscheidung 1085.1 EuropäischeAkteure 1085.2 Interessengruppen 1115.3 Konf likt 1155.4 Legitimation 1185.5 Macht 1225.6 Massenmedien 1255.7 Öffentlichkeit 1295.8 Opposition 1325.9 Parlament 1365.10 Parteien 1405.11 Regierung 1435.12 Wahlen 148

6. BasiskonzeptGemeinwohl 151

7. FachkonzepteGemeinwohl 1617.1 Freiheit 1617.2 Frieden 1657.3 Gerechtigkeit 1687.4 Gleichheit 1727.5 Menschenwürde 1767.6 Nachhaltigkeit 1797.7 ÖffentlicheGüter 1837.8 Sicherheit 187

8. Mindeststandards 1908.1 MindeststandardsfürdiePrimarstufe 1918.2 MindeststandardsfürdieSekundarstufeI 192

III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung 195

»DerEntscheidungsprozessinderEuropäischenUnion« 196

Literatur 214

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Vorwort

»Demokraten fallen nicht vom Himmel« (Theodor Eschenburg). »Nie-mandwirdalsDemokratgeboren«(MichaelTh.Greven).MitsolchenundähnlichenFormelnwird immerwiederdaraufhingewiesen,dass inderDemokratievondenBürgerinnenundBürgerneineVielzahlvonKom-petenzenverlangtwerdenundzulernensind.InderpolitischenBildunggiltseitjenerBeutelsbacherTagungimJahre1976alseinerihrerGrundsät-zefürdiegesamteBildungsarbeitdas»Überwältigungsverbot«:Esistnichterlaubt,dieSchüler/-innen–mitwelchenMittelnauchimmer–imSinneerwünschterMeinungenzuüberrumpelnunddamitander›GewinnungeinesselbstständigenUrteils‹zuhindern.

MeinungenabersetzenWissenvorausundwerdenerstdurchWissenfundiert.MitWissenkannmanInteressenundÜberzeugungenbesserfor-mulieren,bessermitanderendiskutierenundsichimFalleeinesKonf lik-tesbesserbehaupten.BeteiligungampolitischenGeschehensetzteinWis-senumMöglichkeiten,umVerfahrenundumdieAkteurevoraus.DazumüssendieSchülerinnenundSchüler lernen,Nachrichtenzu lesenundihreZusammenhängezuverstehen.LebendigeundgelebteDemokratieistAufgabepolitischerBildung,unddahermusssiedieEntwicklungde-mokratischerKompetenzenfördern.

DochwelchesWissenbildetdenMinimalstandardfüreineDemokra-tinundeinenDemokraten?

DieseFrage istberechtigtundklingteinfach.IhreBeantwortung je-dochstelltseitJahrzehnteneinegroßeHerausforderungfürdiePolitikdi-daktikdar.EsgabvieleAnläufedazu,einenBildungskanonzudefinieren.WährendmanmitdiesemAnliegenwissenschaftlichnichtsehrweitge-kommenist,habendieRichtlinienineinigenBundesländerndiesaufihreWeiseumgesetzt.EinKonsensistaberdarüberbishernieerzieltworden,undinvielenCurriculawerdenbisheutekeinegenauenAngabengemachtüberdasWissen,dasinderSchulevermitteltwerdenmuss.

DasindiesemBandvorgestellteModellversuchtauspolitikdidaktischerSicht,dasschulischepolitischeWissenimSinnevonStandardszudefinie-ren.DieAutoren/-innenhaben sich aufMaximal-undRegelstandardsfüralleSchulstufendurchVerfahrengeeinigt.IhrKompetenzmodeller-hebtdenAnspruch,PolitikalsinhaltlichenKernbereichdesFachesPoli-

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Vorwort

tischeBildungzuklären.Zugleichbegründensiepolitikwissenschaftlichundpolitikdidaktisch,warumdiesesWissenvermitteltwerdensoll.Da-beinutzensieneuesteErkenntnissederLernpsychologiezurKonstruktionundzumAufbauvonWissenimGehirn.LehrerinnenundLehrernwieauchSchülerinnenundSchülernwerdenkonkreteHinweisezuFehlkon-zepten,ThemenundBegriffsnetzenangeboten.

IchdankedenAutor/-innenfürdieMöglichkeit,mitdiesemModeller-neuteinenfachdidaktischenDiskursanstoßenzukönnen,denndieFest-legungdomänenspezifischerKompetenzenistnichtnurinderFachwis-senschaft, sondern auch in der schulischenPraxis auf breiteAkzeptanzangewiesen.

FranzKiefer

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Einleitung

In bildungspolitischenDiskussionen orientiert sich dieAuseinanderset-zungmitLernprozessenzunehmendanKompetenzen.Diese lassensichbeschreibenalsFähigkeiten, alsWissenundVerstehen,alsKönnenundHandeln,alsErfahrungundMotivation(Weinert,2001).DerErwerbvonKompetenzensolldenEinzelnenzurBewältigungvonHandlungsproble-menineinerdurchPluralitätundständigenWandelgeprägtenGesellschaftbefähigen.DieOrientierungdesschulischenLernensanKompetenzener-fordertBildungsstandards,dieZiele inkonkreteAnforderungenumset-zenunddabeifestlegen,welcheKompetenzendieSchüler/-innenwannundaufwelcherJahrgangsstufeerreichthabensollen.DieserProzesssollschließlichinVerfahrenmünden,mitdenendieKompetenzniveausempi-rischzuverlässigerfasstwerdenkönnen(Ditton,2008).EineAufgabe,diedieKultusministerkonferenz dem Institut zurQualitätsentwicklung imBildungswesen(IQB)übertragenhat.

VordiesemHintergrundsindvorallemdieFachdidaktikenaufgefor-dert,KompetenzmodellezuentwickelnundnormativfestzulegensowieauchihreempirischeÜberprüfungzuübernehmen.DieKlieme-Exper-tise (2003,S. 26f )hathierzu7Merkmale formuliert,umallenBetei-ligtenindenSchulendieverbindlichenZieleundKompetenzanforde-rungenmöglichsteindeutigzuvermitteln:Fachlichkeit,Fokussierung,Kumulativität,Verbindlichkeit für alle,Differenzierung,Verständlich-keitundRealisierbarkeit.DabeimüssendieKompetenzensystematischgeordnetsein,umdieArbeitimUnterrichtundandenSchulenanzulei-tenundzuerleichtern.InderPolitikdidaktikwirdseit2004eineintensi-veAuseinandersetzungüberdieMöglichkeitenvonKompetenzbeschrei-bungengeführt.ImgleichenJahrhatdieGesellschaftfürPolitikdidaktikundpolitische Jugend-undErwachsenenbildung (GPJE) einen ersten,eherbildungspolitischinspiriertenEntwurfvorgelegt.InderFolgegabeseineReihevonInterpretationsversucheneinzelnerWissenschaftler/-innen,dieauchVorschlägezurSchließungvonLeerstellendiesesEnt-wurfszurDiskussionstellten.SiekonzentriertensichinihrenBeiträgenschwerpunktmäßigaufeinepräzisereBeschreibungderFachkompetenz(Weißeno, 2006; Brunold, 2008; Detjen, 2008b; Henkenborg, 2008;Juchler,2008; Massing,2008;Richter,2008;Sander,2008;u.v.a)und

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Einleitung

formuliertenihrejeweiligenModellemiteinerhohenpraktischenAu-genscheinvalidität.

DiekonkreteFestlegungeinerinhaltsbezogenenPolitikkompetenzistvon zentralerBedeutung für content standards alsZusammenfassung derLerninhalte,diedieSchüler/-innenbeherrschenmüssen.WenndiePoli-tikdidaktikfundierteStandardsfürihrSchulfachhabenmöchte,musssie»diedomänenspezifischenKompetenzenzudenenaus anderenFächern(Domänen)konzeptionellabgrenzenunddies idealerWeiseauchempi-rischzeigenkönnen«(Köller,2008,S.165).DesWeiterenisteswichtig,dassdieFestlegungdomänenspezifischerKompetenzenaufAkzeptanzinderDisziplinundinderschulischenPraxisstößt.

UmeinenerstenSchrittindieseRichtungzugehenundumdieLegi-timationsbasiszuerhöhen,habensichfünfWissenschaftler/-innenaufeingemeinsames,theoretischesModellfürdieseDarstellunggeeinigt.Eser-hebtdenAnspruch,Politikals inhaltlichenKernbereichdesSchulfachesPolitischeBildungzuklären(Fokussierung).DasErgebnisderKonkreti-sierungisteinsystematisches,konsensualerarbeitetesKompetenzmodell.Dadurch sollen die Schwächen der individuellen, induktiv erarbeitetenKataloge,denenderRahmeneinesModellsfehlt,dasdieAuswahl(meta-)theoretischbegründenkann,behobenwerden.

DasvorliegendeKompetenzmodelldesFachwissensbeschreibtdiein-haltsbezogenenkognitivenFähigkeiten,überdieSchüler/-innenverfü-genmüssen,um fachliche (hier:politische)Probleme lösenzukönnen.Diebildungs-undlerntheoretischenHintergründederEntscheidung,einsolchesModelldesschulischenFachwissenszuentwickeln,sindausführ-lichindenKapitelnI/2-4undII/1dargelegt.SiedieneninersterLiniederpolitikdidaktischenFundierungderfachwissenschaftlichenAuswahl-entscheidungen.Dabeisollverdeutlichtwerden,welcheÜberlegungenindieFormulierungundKonstruktionvonBildungsstandardseingef lossensindbzw.fürsiegrundlegendsind.DerRekursaufdieerziehungswissen-schaftlicheDiskussionsollzeigen,aufwelcherwissenschaftlichenBasisdasModellberuht.

IndenLehrplänenoderCurriculaderBundesländergabeszwarschonimmerbildungspolitischmotivierteVersuchederschulischenPraxis,ge-wünschteInhaltealsLernstofffestzuschreiben.SiekamenjedochüberdieFestlegungvonUnterrichtshemenoderLernzielkatalogennicht hinaus.Diesüberraschtnicht,hatsichdochdiePolitikdidaktikalswissenschaft-licheBezugsdisziplineinerkonkretenFestlegungvonBasiswissenbisherweitgehendverweigert.DadurchbliebendieKonturendes Schulfaches

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Einleitung

vage und die Vielzahl von Schulfachbezeichnungen wie Sozialwissen-schaften, Sozialkunde, Politik, Gemeinschaftskunde, Gesellschaftslehreu.v.m.hatdieseSituationnochverschärft.

Erschwerendkommthinzu,dasseinerdergrößtenNachteiletraditio-nellerCurriculadarinbesteht, »dass sieeinenallumfassendenAnspruchhaben– auchundgerade,wenn siedenLehrpersonendieFreiheit zurAuswahllassenwollen.EinLehrplanundübrigensaucheinLehrbuch,diealleVariantendesUnterrichtszulassenwollen,verliereneheranOrien-tierungskraftalssiezusteigern.DerRufnach›Verschlankung‹oder›Ent-rümpelungderLehrpläne‹begleitetdaherdieLehrplanreformenderLän-derseitJahren.GeradedieBildungsstandardsmüssenaufzentraleAspektefokussiert sein« (Kliemeu.a., 2003, S. 19).DieseFokussierung auf denFachaspektprägtdasvorliegendeKompetenzmodell.NichtallesWünsch-barekonnteindasModellaufgenommenwerden,wasAnlasszuintensi-venDiskussioneninderWissenschaftlergruppegab.

DieFokussierung selbst erfolgt indieserDarstellungüberBasis-undFachkonzepte.Basiskonzepte(key concepts)bezeichneneinigewenigezen-tralePrinzipienbzw.ParadigmenderDomäne.SiesinddieMajor-IdeeneinesFaches.DasvorliegendeModellbeschränktsichaufdrei:Ordnung,EntscheidungundGemeinwohl.SiesindzumVerständnisdesPolitischenunverzichtbarundgebenderDomäneeineStruktur,diesievonanderenDomänenwiez.B.derÖkonomikoderderSoziologieunterscheidet.Ba-siskonzeptemüssenabererstnochdurchFachkonzeptekonkretisiertwer-den.Diese aus denFachdidaktiken derNaturwissenschaften übernom-meneStruktur zurSystematisierungder inderSchule zuerwerbendenKonzeptedientderÜbersichtlichkeitunderleichtertdenLehrer/-innendieHandhabbarkeitderPlanungvonUnterricht.KonzepteerlaubendasAbrufenvonbedeutungs-undwahrnehmungsbezogenenWissensinhalten(Anderson,2001)ausdemGedächtnis.Sie sindRepräsentationenspezi-fischerKategorien.»WissenimengerenSinn…mussnotwendigerweisedembewusstenZugriffzugänglichundverbalisierbarsein«(Pfeiffer,2008,S.77).InsofernfindensichindenÜbersichtenindiesemBandzahlrei-cheBegriffs-oderWortlisten,diedieKonzepteinhaltlichweiterkonkre-tisieren.

FürdieEntwicklungunddasVerständnisderKonzepteistderRekursaufdiePolitikwissenschafterforderlich,umzusachlichrichtigenAussa-genüberdiepolitischeWirklichkeitzukommen.DeshalbhabendiefünfAutor/-innendiepolitikwissenschaftlichenAussagenineinemgemeinsa-menArbeitsprozessinmehrerenWorkshopsgesichtetundanschließendzu

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Einleitung

demvorliegendenModellzusammengeführt.AusfachdidaktischerPers-pektivewurdenentsprechendeTheorien,AussagenundempirischeEr-gebnissehinsichtlichihrerRelevanzfürdenPolitikunterrichtgeprüftunddiejenigenAussagenübernommen,diealscommon sensesowohlinderPo-litikwissenschaftalsauchinderPolitikdidaktikgeltenkönnen.DieFest-legungaufeinentheoretischenAnsatzodergardieAusformulierungeineseigenenAnsatzessolltesoausgeschlossenwerden.AlsErgebnisdieseslän-gerenwissenschaftlichenDiskursesistdasvorliegendeKompetenzmodellfürdasFachwissenentstanden.AussagenzuanderenKompetenzbereichenfinden sich indieserDarstellungnicht,wärenaber zurErstellungeinesallgemeinenKompetenzmodellsunerlässlich.DieserBandbeschränktsichbewusstaufeineKompetenzdimension.

Schaubild 1: Basis- und Fachkonzepte der Politik

DieAussagen zu den einzelnenBasis- undFachkonzepten sind immergleichaufgebaut.DieBeschreibungderBasiskonzeptedefiniertunder-läutertzunächstdasKonstrukt,bevorderBezugzurinternationalenundglobalenEbenehergestelltwird.DanachwerdendieTheorienzumKon-struktdiskutiert.BeiderkürzerenDarstellungderFachkonzeptewirdzu-nächstdieEssenzdesKonzeptsdargestellt,bevorespolitikwissenschaftlichvertieftwird.UmdasKonzeptfürdiepraktischePlanungdesLehrenden

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Einleitung

handhabbarzumachen,werdenanschließendeinigeinderPraxisvorkom-mendeFehlvorstellungendargestellt.Sieberuhenauf intuitiverEmpiriederAutor/-innenundkönnennochnichtaufsystematische,reliableempi-rischeBefundeeinerfachdidaktischenFehlkonzeptforschungzurückgrei-fen.DadieEinteilungundOrdnungderFachkonzepteausanalytischenGründenerfolgte,wirdimFolgendenbenannt,woVernetzungenzuan-derenFachkonzeptenmöglichsind.Damitwirddeutlich,dassderUnter-richtnichtaufdiedirekteVermittlungvonFachkonzeptenzurückgreifenkann,sondernbeiderBehandlungderThemenaufihrebewussteVerwen-dungachtenmuss.DieUnterrichtsthemeneinesSchuljahresmüsseneineindenKerncurriculabestimmteAnzahlanFachkonzeptenkonzeptuali-sieren.HierzusindauchdiekonstituierendenBegriffeheranzuziehen.FürerfolgreichesLernengilt,dassdieSchüler/-innenmitdemindieserDar-stellungvorgestelltenFachvokabularangemessenumgehenkönnen.DerweiterenKonkretisierungdiesesZusammenhangsdientdiefolgendeAn-regung fürBeispielthemen.DerErläuterungderFachkonzepte schließtsicheinUnterrichtsbeispiel an,dasdiePlanungder fachlichenDimen-sionenkonkretisiert.

DasvorliegendeModellderFachkompetenzdeckterklärtermaßennichteinKerncurriculumab,sondernnurdeninhaltlichenKernfachlichenLer-nens.DabeisindimBuchMaximalstandardsfürdieeinzelnenSchulstufenformuliert.Diesgilteszuberücksichtigen,wennmanüberdievorgestell-tenStandardsdiskutiert.»StandardssolleneinKriteriumfürdieLerner-gebnissejederSchule,jederKlasseundkonsequenterweisejedereinzelnenSchülerinundjedeseinzelnenSchülers sein«(Kliemeu.a.,2003,S.39).DarüberhinausbeschreibtdasModellkeineRegelstandards.DazumüsstedannaufmancheFachkonzepteundkonstituierendeBegriffeinderPri-mar-undderSekundarstufeIverzichtetwerden.UmdieSpannbreitederLeistungsanforderungen indenStandards zuverdeutlichen,werdenzu-sätzlichMindeststandardsformuliert.DiejeweiligenBeschreibungenkön-nendabeiweiterbestehenbleiben.WiedieFestlegungvonMindeststan-dardskriteriengeleiteterfolgtist,wirdimKapitelII/8gezeigt.

DasBuchstelltaustheoretischerpolitikdidaktischerPerspektivedieAn-forderungenaneinecivic literacyvor.EskonkretisiertdieAnsprücheaneineGrundbildung,diedazubefähigt,anderpolitischenKulturderBundesre-publikDeutschlandteilzunehmen.DieseAnsprüchebasierenweitgehendaufnormativenEntscheidungen,dienocheinerempirischenValidierungbedürfen. IndiesemSinnekönnendie formuliertenStandards auch alselaboriertesModellfürempirischeStudiendienen.Esistzukünftigver-

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Einleitung

stärktempirischeForschungnötig,dieüberprüft,obdieSchüler/-innentatsächlichüberdieseKonzepteverfügenunddamitanwendungsbezoge-neAufgabenlösenkönnen.Dannwirdsichzeigen,obdiehiertheoretischfundiertenKonstrukte soklar sind,dassdieMessungenerfolgreich seinkönnen.ErsteempirischeÜberprüfungenmitnormiertenFragebögenvoneinzelnenFachkonzeptenliegenvor.Allesinallemmöchtedasvorliegen-deModella.)denwissenschaftlichenAnsprüchenderPolitikdidaktikge-nügen, indemeserstmalseinkonsensualgewonneneskonkretesModelldesFachwissensentwirft,b.)dieAnforderungenempirischerForschunganeinepräziseBeschreibungderzuprüfendenKonzepteundihrerAspek-teerfüllen,undc.)hinreichendkonkretfürdiePlanungkompetenzorien-tiertenUnterrichtssein.MitdemBuchwerdenwissenschaftlichfundierteStandardsfürdiePraxisvorgestellt,dieinKerncurriculaunddertäglichenPraxisgleichermaßenBerücksichtigungfindenkönnen.

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen – ein neues politikdidaktisches Modell

Seit den Konstanzer Beschlüssen von 1997 steuert die Kultusminister-konferenz (KMK)dasBildungssystem in eineneueRichtung.Landes-undbundesweitwirddieEinhaltungvonStandards inbestimmtenFä-chernüberprüftunddiebisherigeInput-Steuerung,beiderRichtliniendasWünschbaremehroderwenigerdetailliertformulierten,ergänztdurchdieOutput-Steuerung.NationaleBildungsstandards,derenEntwicklung2003begann,legendomänenspezifischeundfächerübergreifendeKompetenzenfüreinzelne Jahrgangsstufen fest.Siegreifen allgemeineund fachspezi-fischeBildungszieleaufundbenennendieKompetenzen,dieSchüler/-innenbiszueinembestimmtenZeitpunktihrerSchullaufbahnerreichthabensollen.DarüberhinauskönnendieBildungsstandardsmitHilfevonTestaufgabenoperationalisiertundihrErwerb(outcome)überprüftwerden.BildungsstandardsdienenzugleichalsOrientierungfüreinenkompetenz-orientiertenUnterricht.InallenLändernwerdenmittlerweilef lächende-ckendeVergleichsarbeitenzumZweckederFeststellungvonLeistungs-ständeneingeführtund andieBildungsstandards angebunden (Vock&Pandt,2008).DieKMKhatbisherallerdingsnochkeineBildungsstandardsfürdenPolitikunterrichtbeschlossen.

EinwichtigesElementderBildungsstandards istdieAusformulierungderjeweiligen»Fachphilosophie«alsallgemeinerZielhorizont(Kliemeet.al., 2003, S.17).DieseDiskussionenwerden in der Politikdidaktik seitJahrzehntenintensivgeführt(vgl.KapitelI,2).AuchimEntwurfvonna-tionalen Bildungsstandards der Gesellschaft für politische Jugend- undErwachsenenbildung (GPJE, 2004) sindhierzuErwartungen formuliertworden.AndiesenEntwurfknüpftdashiervorzustellendeModellan.Bil-dungsstandardsweisendesWeiterenKompetenzenaus.AuchsiewurdeninderFachdidaktikPolitikdiskutiert(PolitischeBildung,3,2004;Massing,2004;Sander,2008)undstellenwichtigeBezügefürdiesenBanddar.

Politikkompetenz

DiePolitikkompetenzumfasst imSinnedesweiten lernpsychologischenKompetenzbegriffsvonWeinert(2001)affektive,motivationale,volitio-

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1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen

nale,sozialeundkognitiveBereiche.ZurKonkretisierungderkognitivenFähigkeitenbedarfeseinesModells,dasdieStrukturdesFachwissensinderDomänePolitikbeschreibt.DieseAufgabesteht indiesemBandimVordergrund.DiePolitikkompetenzwirdaufdieseWeiseanFachinhaltegebunden(Hartig&Klieme,2006,S.129).SeitdenDiskussionenumBil-dungsstandardsrücktdaspolitischeWissenindentheoretischenpolitik-didaktischenDebattenwieinderempirischenForschungzunehmendinsZentrum(Weißeno,2007a).Esisthieraberdeutlichdaraufhinzuweisen,dassdasWissennichtdieeinzigeKompetenzdimensionderPolitikkom-petenzist,diekonkretisiertwerdenmuss.DieKompetenzdiskussionsetztdabeizudemandereAkzentealsdiepolitikdidaktischeTradition,beiderfachdidaktischeKategorienformuliertwurden(vgl.KapitelI,4).

FolgtmanderEinteilungvonBlum(2006,S.17),dannlassensichdieerlernbarenkognitivenFähigkeitenundFertigkeitennocheinmalinin-haltsbezogeneundallgemeineKompetenzenordnen.AllgemeineKompe-tenzenwieArgumentieren,Problemlösen,Modellieren,VerwendenvonDarstellungen,Kommunizieren,Urteilenusw.werdeninallenFächern–somitauchimPolitikunterricht-gefördert.GleichwohlistdieTrennungvonallgemeinenundinhaltsbezogenenKompetenzen,vonmotivationa-len,affektivenundkognitivenKompetenzeninderForschungwieauchinderUnterrichtspraxisnichtimmereinfach.Bezogenaufdieinhaltsbezoge-nePolitikkompetenzbedeutetdies,dasssiez.B.mitderallgemeinenLese-kompetenzkonfundiert(vermischt)seinkann.AuchallgemeineKompe-tenzenwiedieUrteilsfähigkeitbeeinf lussenmöglicherweiseihrerseitsdieFähigkeit,diefachlichenLernaufgabenrichtigzulösen.

Grundsätzlichgilt,dassnebeneinerbegriff lichenEssenz,diezurBil-dungeinergemeinsamenFachsprachenötigist,KonzepteundTheoriendesPolitischenvielfachnurkontextbezogeneindeutigsind.InihreKon-struktiongehenu.a.politischeInteressenundEinstellungensowieunter-schiedlicheSelbstbilderundhistorischeInterpretationenein(Oberle,Eck&Weißeno 2008).DerGPJE-Entwurf fürBildungsstandards versucht,diesmitdemBegriff»konzeptuellesDeutungswissen«auszudrücken.DieBedeutungdiesesBegriffsbleibtjedochoffen:»EshandeltsichumWissen,dassichaufgrundlegendeKonzeptefürdasVerstehenvonPolitik,Wirt-schaft,GesellschaftundRechtbezieht«(GPJE,2004,S.13).Diegrundle-gendenKonzeptewerdennichtgenannt.

DiesemBandliegteinKompetenzbegriffzugrunde,dermit»prinzipiellerlernbaren, mehr oder minder bereichsspezifischen Kenntnissen, Fer-tigkeitenundStrategien« (Baumertu.a.,2001,S.22)beschriebenwird.DiekognitivePolitikkompetenzbeziehtsichdarauf,fachliche,alsopoli-

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

tischeFragenzu ref lektieren. ImWissenderLernenden sindFachkon-zeptemit»Schülervorstellungen(Fehlvorstellungen,typischeFehler,typi-scheSchwierigkeitenoderSchülerstrategien)«(Baumertu.a.,2006,S.494)verbunden.ZieldesUnterrichtsistes,dieFehlvorstellungenderSchüler/-innen zu berücksichtigen und sie zunehmend in Fachwissen zu über-führen. Damit sie ihre Funktionen erfüllen können, müssen kognitiveKompetenzenüberprüfbarsein.SooperationalisiertwerdensiezuInstru-mentenu.a.• fürdieDiagnosedesWissensstandessowohlderSchüler/-innenalsauch

derLehrkräfte(undggf.Eltern);• fürdieDiagnosevonwissensbasiertenLernschwierigkeitenbeiSchüler/

-innen;• zurkriterialenLeistungsmessung;• zurLehr-Lern-Forschung.

DerhierherangezogeneKompetenzbegriffsowiederimFolgendenkon-kretisierteWissensbegrifferlaubeneinefachdidaktischbegründeteKon-struktionpolitischerBasis-undFachkonzepte.Siewerdensoweitausfor-muliert, dass sie empirischüberprüftwerdenundzu stufenspezifischenVorschlägenfürverschiedeneKompetenzniveausimBereichdesFachwis-sensführenkönnen.DieKonstruktionderKonzepteistdamitsowohlan-schlussfähig an internationaleDiskussionenals auchanDiskussionen inanderenFachdidaktikeninDeutschland.DieseArbeitstehtfürdiePoli-tikdidaktikbislangausundistvondenvorliegendenVersuchennochnichtgeleistetworden.

Civic Literacy und Fachwissen

DiePolitikkompetenzenlassensichnichtalleinausfachlichenBildungs-zielenundderStrukturdesGegenstandsbereichesPolitik ableiten, son-dernmüssenaucheine theoretischeFundierung inderLernpsychologieaufweisen(Schecker&Parchmann,2006,S.47).DielernpsychologischeSichtweiseverlangt,dassStufenkonzeptefürdiePolitikkompetenzunddieeinzelnenAltersstufenanzulegensind.DeshalbwirdindiesemBandje-desFachkonzeptauchschulstufenspezifischbeschrieben,obwohlesbislangdazunochkeinesystematischeempirischeForschunggibt.

Der vorliegende Band versucht, ein Modell von Fachkonzepten zukonstituieren,dassichamVerständnisvonLiteracynachBybeeorientiert.SeinKonzepteinermodernenAllgemeinbildungbeschreibtBasisfähigkei-

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1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen

ten,diefürdieInhalte,dieimmanenteStufungunddieLernarrangementsvonBildungsprozessennotwendigsind.EsbestimmtinderVorbereitungdeswissenschaftsorientiertenLernensdieStufederGrundbildung(Bybee,997,S.56ff ).InAnlehnungandiesenAnsatzundmitBezugaufdieDo-mänePolitikwirdhierderBegriffCivic LiteracyimSinnevonpolitischerGrundbildungbenutzt,dievierStufenbeinhaltet:• nominaleCivic Literacy(CL):KenntnispolitischerThemen,Namenund

Wörter,die jedoch falschverstandenwerden (z.B.AngelaMerkel istAußenministerin;derBundespräsidentistderKönigvonDeutschland).

• funktionaleCivic Literacy: korrekteVerwendungvonBegriffen (z.B.Wahl);Faktenwissen.

• konzeptuelleundprozeduraleCivic Literacy:Verständniszentralerpoli-tischerKonzepteundderBedeutungpolitischerVerfahren,HerstellungvonBeziehungenzwischenFakten,BegriffenundPrinzipien(z.B.Par-lamentmitkonstruktivemMisstrauensvotum,Vertrauensfrage,Kom-missionen).

• multidimensionaleCivic Literacy:VerständnisderBesonderheitenpoli-tischenDenkens;FähigkeitzurEinordnunginwirtschaftliche,sozialeundkulturelleZusammenhänge(z.B.EigenlogikenderMachtbegrif-feinderPolitikwissenschaftundderÖkonomik)(Weißeno,2008b).

DerAnsatz einerCivic LiteracyunddieStufungverdeutlichen,dassdiePolitikkompetenz nicht aus der Politikwissenschaft abgeleitet werdenkann.DasinderschulischenBildungzuerwerbendeFachwissenkonstitu-iertsicherstdurchdiedidaktischeKonstruktiondespolitikwissenschaftli-chenWissens.DieserKonstruktionsprozesshatdieAuswahl,Komprimie-rungundSequenzierungdesWissenszulegitimieren.Dazugehörenvorallembildungstheoretische,lerntheoretischeundkognitionswissenschaftli-cheÜberlegungen.DiewissensbezogenenKompetenzenermöglichendenLernenden,sichpolitischesWissenstrukturiertundkumulativanzueignenundzuref lektierenimSinnevonkonzeptuellemWissen.

Konzeptuelles politisches Wissen umfasst systematisch zusammen-hängendeInformationenausderDomänePolitik,d.h.zumdefiniertenRealitätsbereichPolitik.PolitischesWissenstehtimZusammenhangzurpolitischenWirklichkeitsowiezurpolitischenErfahrungunderfülltdasKriteriumderRichtigkeit.EshatseinFundamentindenakademischenReferenzdisziplinen,allenvoraninderPolitikwissenschaft(vgl.KapI,3).EsstellteineneigenenWissensbereichdar,indessenDefinitionErfahrun-genderUnterrichtspraxiseinf ließen.Insofernistereindidaktischdefi-nierter,spezifischerWissensbereich(Baumertu.a.,2006,S.495).

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

EineWissensdomänewiePolitikwirdmitihrenspezifischenSachgebie-tenüberihreKonzepteundModellerepräsentiert(Richter,2008).EineDomäneweistnebeneigenenKonzeptenaucheigeneRegelnundPrinzi-pienderStrukturierungdesWissensauf.BildungsstandardskonzentrierensichaufdenKernbereichdesjeweiligenLernbereichsbzw.Unterrichtsfa-ches(Fokussierung)(Kliemeet.al.,2003,S.27f ).FürdasFachwissenbe-deutetdieseineKonzentrationaufdiegrundlegendenBegriffe(Basiskon-zepte)unddas ihnen zuzuordnendeGrundlagenwissen (Fachkonzepte).DieFestlegung eines nachpolitikdidaktischenund lernpsychologischenGesichtspunktenkonstruiertenModells,dasdieFachkonzeptedarstellt,istnotwendig,damitdieSchüler/-innenvergleichbareWissensstrukturenaufbauenkönnen.DieFachkonzeptedienenderStrukturierungdesLern-angebotsundderpolitischenDenkweisen.

HierbeikönnenFaktenwissenundkonzeptuellesWissenunterschiedenwerden.Faktenwissenistjederzeitverfüg-undabrufbarundf ließtindaskonzeptuelleWissenein.KonzeptuellesWissensiehtvonspezifischenEr-fahrungenabundkategorisiertstattdessendieMerkmaleundKennzeichenderjeweiligenErfahrungsklasse(Anderson,2001,S.153ff ).DieseKatego-risierungerfolgtübersemantischeNetzeundSchemata(Weißeno,2006).WennSchüler/-innenüberkonzeptuellesPolitikwissenverfügen,könnensieinspäterenAnwendungssituationenalsBürger/-innenzurichtigenLö-sungenkommen,obwohlsieeineErfahrungmitdererforderlichenrich-tigenAntwortnichtgemachthaben.WerübereinFachkonzeptWahlenverfügt,kannz.B.einenBerichtüberdenAblaufderWahlenineineman-derenLandeinschätzenunderschließen,obwohldasdetaillierteFakten-wissenzumkonkretenFallnichtvorhandenist.MitHilfevonBasis-undFachkonzeptenwirdWisseninseinerspezifischenFunktionalitätpräsen-tiert,d.h.nebenderInformationwirdsomitauchdieBedeutungderIn-formationfürPhänomene,Fragenetc.derDomänevermittelt.EswerdenVorstellungen,OrdnungsschemataoderFrageweisendesPolitischenver-mittelt, sodasses zueinemVerstehenundRef lektierendesPolitischenbeimLernendenkommenkann.

Wissenserwerb

DieWissenserwerbsforschunggehtmehrheitlichdavonaus,dassallesWis-sen inKonzepten repräsentiert ist.Wissenserwerbsprozesse sind inhalts-bezogene strukturelle Lernprozesse, wobei Korrespondenzen zwischenLehrstoffstrukturen (bezogen auf Fachwissen) und kognitiven Struktu-

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1. Politikkompetenz und konzeptuelles Lernen

renderLernendenbestehen(Seel,2004).DennderindividuelleWissens-aufbaugeschiehtderWissenspsychologiezufolgeüberBegriffsbildungen(Pfeiffer,2008).InderkognitivenTheoriewerdenBegriffe(concepts)alskognitive Wissenseinheiten, als Vorstellungskomplexe und WertungenüberzentraleMerkmalevonDingenoderPhänomenendefiniert.DiesesVerständnisunterscheidetsichvonderLinguistik(BegriffalsBezeichnen-desundBezeichnetes),derPhilosophie(BegriffalsIdee,alsAbstraktions-klasseusw.)oderauchderAlltagssprache,woBegriffeoftmalsmit›Wör-tern‹gleichgesetztwerden(Richter,2007a).KonzeptesindkeinestatischenPhänomene(Säljö,1999),sondernsieverändernsichimhistorischenPro-zess,aberauchindividuellbeimWissenserwerb(zumconceptual changevgl.Stark,2002,2003).

DieBedeutungvonBegriffenerschließtsichnachSodian(1998,S.633)inderRegelerstausihremStellenwertinnerhalbeinesbegriff lichenAppa-rates.EswerdenNetzwerkevonKonzeptenkonstruiert(vgl.Wellman&Gelman, 1992). Begriffserwerbsprozesse werden daher als Strukturbil-dungsvorgängebeschrieben(Reusser,1998,S.141).EinegutorganisierteWissensbasisgiltalsVoraussetzungfürerfolgreichesLernen–imdoppeltenSinne:DasWissenistimUnterrichtgutstrukturiertzupräsentieren,unddasWissenmussvondenLernendenmitihremVorwissenvernetztwerdenkönnen.WissenscheinteinenotwendigeBedingungfürLernfortschrittederSchülerinnenundSchülerzusein(Baumertu.a.,2006,S.496).

KognitionswissenschaftlichgehtesaufderEbenederSubjekteumde-klarativesWissen,welches sachsystematisch bereits alsVorwissen orga-nisiertoderimUnterrichtneuanzueignenist.DieindividuellenModel-lederSchüler/-innenbeiderAufgabenlösunglassensichinverschiedeneNiveausklassifizieren,wobeidashöchsteNiveaualspolitischesVerständ-nisbezeichnetwerdenkann(s.Bybee).DieEinschätzungüberdiemögli-chenKompetenzniveaus,diediejeweiligeLerngruppeerreichenkann,istfürdieLehrendenwichtig.Dannkannesgelingen,denkumulativenWis-sensaufbausystematischunddomänenspezifischzuorganisieren.Daheristfestzulegen,welchepolitischenKonzeptevondenSchülerinnenundSchü-lerninwelcherKomplexitätaufwelcherKlassenstufezulernensind.Diese(normative)EntscheidungistzunächsteinErgebnistheoretischerfachdi-daktischerDiskussion.AufgrundfehlenderempirischerForschungenkön-nenhierbishernursolcheErgebnissepräsentiertwerden,dieaberempi-rischeStudiennachsichziehensollten(GPJE,2005,2007;Manzel,2007;Weißeno,Götzmann&Eck,2008;Eck&Weißeno,2009;Richter,2009).

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

Der Nutzen von Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

EinVorteildeskompetenzorientiertenAnsatzesliegtdarin,dassentspre-chendeLernaufgabenleichtzukonstruierensind.DiesliegtanderklarenStrukturderBasis-undFachkonzepte,die inden früherenLehrplänenbzw.Curriculanichtvorhandenwaren.Eine strukturierteAbfolgevonInstruktionensolleinenKompetenzzuwachsgewährleisten.EineLeitfragekannsein:»WelcheBegriffesindinwelcherAbfolgemitwelchemMaterialzukonzeptualisieren,umdendefiniertenWissenszuwachszuerreichen?«(Blum,2006).StandardorientiertesUnterrichtenerfordertwirklichkeits-bezogeneAufgabenstellungen.DieSchülerinnenundSchülersollenfach-licheProblemelösen,keineSchematamemorierenundanwenden.Unter-richt und Lernaufgaben müssen die inhaltsbezogenen und allgemeinenKompetenzen fördernundweiterentwickeln.Dazu ist ein fachlich an-spruchsvoller,kognitivaktivierenderundzumLernenmotivierenderPoli-tikunterrichterforderlich(Helmke,2003).Konkretbedeutetdies,dassdieMaterialienundLernaufgabennurdanngeeignetsind,wennsieAussa-genzudenvorabfestgelegtenBasis-undFachkonzeptenmachenundmitihnen einzelne allgemeineKompetenzen gefördertwerden können.Esmussklarsein,welchesKompetenzpotentialineinerAufgabeoderineinerUnterrichtsstundesteckt,wasvomLernendenbeimBearbeitenerwartetwirdundwiedieLösungenbzw.Ergebnisseeinzuordnensind.

BeiderKonstruktionvonLernaufgabenisteswichtig,dieTagespoli-tikaufzugreifen.Dabeikommtesdaraufan,denSchüler/-innenmitHil-fe konkreter Vorgänge den Anwendungsbezug der Lernaufgaben an-handvonvorfindbarenEreignissendeutlichzumachen.DieslässtbeidenSchüler/-innenverschiedeneVorstellungsräumebeiderLösungderAuf-gabezu.DerAnwendungsbezugerleichtertdasLernen,weilerdieGele-genheitdazubietet,dieentsprechendenkompetenzorientiertenTätigkei-tenselbstzuvollziehen.EskommtdabeiaufdieVernetzungan,sowohlinnerhalbdespolitischen WissensalsauchzwischenWissenundReali-tät.GeradeoffeneAufgabenvariantensindhierzubesondersgeeignet.EinpolitischesVerständniskannnurdannentstehen,wennderUnterrichtbeidenSchüler/-inneninhaltlicheVorstellungenzupolitischenBegriffenundVerfahrenaufbaut.ImPolitikunterrichtwirdeinGroßteilderAktivitätenhierfüraufzubringensein.

ErstdieVermittlungausgewählter,fachdidaktischref lektierterundimLehrplanfestgelegterKonzepteerlaubtes,dassausverschiedenenaktuellenUnterrichtsthemensukzessiveeinVerstehendesPolitischenbeidenLer-nendenaufgebautwerdenkann.Oder,wieTenorthundWelteresformu-

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2. Philosophie des Faches Politische Bildung

lieren,dass»dasthematischBesonderemitdemstrukturellAllgemeinendesKanons«verbundenwerdenkann(Tenorth&Welter,2009,S.181).DieDisziplinistdamitprofessionellenfachdidaktischenRef lexionenzu-gänglich(ebd.).DiePolitikwissenschaftistdieDisziplinbzw.Domäne,dieeinegedanklicheundbegriff licheOrdnung indieWeltdesPolitischenbringt. InsofernhatdiePolitikdidaktikdieseOrdnungsversuche in ihreTheoriebildungeinzubeziehen,wennesdarumgeht,dieAnforderungenanstandardorientiertenUnterrichtzu formulierenundempirischzuer-forschen.EinnachhaltigerKompetenzaufbauimUnterrichterfordertAk-tivitätendesPräzisierens,Ordnens,Definierens,KlassifizierensoderVer-allgemeinerns.Dies fördertdenAufbaukonzeptuellenWissensbeidenLernenden.

DasindiesemBuchvorliegende,fachdidaktischundlerntheoretischbe-gründeteModellderPolitikfürdieSchulehateineAuswahlderfürdenUnterrichtzentralenFachbegriffeund-konzeptevorgenommen,umdemLehrendendasUnterrichtenzuerleichtern.EserhebtdenAnspruch,daszuvermittelndeWissenfachdidaktischsinnvollreduziertundgeordnetzuhaben.

2. Philosophie des Faches Politische Bildung

DiepolitischeBildung stehtheutealsSammelbegriff für schulischeBe-mühungenzurVermittlungpolitischerKompetenzen.InderVergangen-heitsuchtendiversepolitischeHerrschaftsformendiepolitischeBildunginDeutschlandimmerwiederfürihrejeeigenenZweckedienstbarzuma-chen, so insbesonderedasKaiserreich,derNationalsozialismusunddieDDR(Sander,2003).InderBundesrepublikwirdv.a.dieschulischepoli-tischeBildungalsMöglichkeitfüreineErziehungzupolitischerMündig-keitunddamitUrteilsfähigkeiterachtet,welchefunktionalfürdiegedeih-licheEntwicklungderDemokratieist(Detjen,2007).

DerTerminuspolitischeBildungverweistaufdenGegenstand,welcherfürdessenTheoriebildungrelevantist:DasPolitische.Dieseszeichnetsichinsbesonderedurchdas»FaktumderPluralität«(Arendt,2001,S.17)aus,durchdasVorhandenseineinerVielfaltvonMeinungen,welcheimPro-zessderpolitischenÖffentlichkeitaufeinandertreffenundverhandeltwer-den.DerPolitikdidaktikalswissenschaftlicherDisziplinstelltsichdeshalb

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

u.a.dieAufgabesystematischangelegterRef lexionderjenigenAnregun-gen,welchefürdieErmöglichunggelingenderpolitischerPraxiserforder-lichsind.AlsDisziplin,dieauchaufdiePraxispolitischenHandelnsbezo-genist,kanndiePolitikdidaktiknichtaufpräskriptiveAnteileverzichten,sondernbedarfnormativerOrientierung.DerpolitikdidaktischenTheoriestelltsichdiedezidiertnormativeAufgabenachderErarbeitungvonAus-sagenüberdas»Was«,»Warum«und»Wozu«politischerBildung.

Politische Bildung erfolgt in den einzelnen Bundesländern in allenSchulformenmitunterschiedlichenFachbezeichnungenundStundenan-teilen.InderPrimarstufefindetpolitischeBildunginderRegelimInte-grationsfachSachunterrichtstatt,wobeidieserUnterrichtAnteileausdenNatur-unddenSozialwissenschaftenenthält.HierbeisinddieLehrplänerelativoffengehalten.Zielistesdabei,dieSchülerinnenundSchüleraufeinLebenalsBürgerinundBürgereinesdemokratischenGemeinwesensvorzubereiten(Detjen,2007).

IndenSekundarstufen IundIIgibtesunterschiedlicheFachbezeich-nungenfürpolitischeBildung:Politik,Sozialkunde,Gemeinschaftskunde,PolitischeBildung,Gesellschaftslehre.DanebenistdiepolitischeBildungTeilvonFächerkombinationenwiePolitik/Wirtschaft,Gesellschaftswis-senschaften,Geschichte/Politik,Sozialkunde/Wirtschaftslehre,Sozialwis-senschaftenetc.DarüberhinausexistierenzusätzlichandereeigenständigeFächerwieWirtschaftslehre,Wirtschaftswissenschaften,Wirtschaftskunde,Wirtschaft/Rechtusw. IndenLandesverfassungenmehrererBundeslän-dernistpolitischeBildungalsSchulfachfestverankert(Weißeno,2007b).

ImFokusschulischerpolitischerBildungstehtthematischstetsdiePoli-tik,wenngleichdieserGegenstandauchaufandereInhaltsfelderausgreift.DabeiwirdvoneinemumfassendenPolitikbegriffausgegangen,welcherauchökonomischeProzesse,geschichtlicheBedingtheitensowierechtli-che,gesellschaftlicheundökologischeThemenmiteinbezieht.ImUnter-richtsfachPolitischeBildungwerdensomitdiefachlichenPerspektivenderSozialwissenschafteneingebracht.ImZentrumdesUnterrichtsfachespoli-tischeBildungstehenpolitischeFragenundProbleme,dieinanderenFä-chernnureinenNebenaspektdarstellenkönnen.PolitischeBildungstütztsichdabeiaufeinenumfassendenPolitikbegriff,dersichaufdieRegelungvongrundlegendenFragenundProblemendesgesamtgesellschaftlichenZusammenlebensbezieht(GPJE,2004a).

UnbeschadetdiesesumfassendenPolitikverständnissesbildetdiePoli-tikdenKernderpolitischenBildung(Massing&Weißeno,1995),weshalbbeiderBehandlungderbereitsangeführtenInhaltsfelderÖkonomie,Ge-schichte,Recht,GesellschaftundÖkologie,aberauchbeiInhaltsfeldern

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2. Philosophie des Faches Politische Bildung

wieEineWelt,Europa,FriedenundGender Mainstreaming inderpoliti-schenBildunggleichwohleinexplizitpolitischerZugangzuwählenist.EntsprechendfindetbeiderAuswahlundStrukturierungderkonkretenInhaltepolitischerBildungdiePrämisseBeachtung,dassdiesevoneinerpolitischenPerspektiveausgehtundalsdidaktischerFokusinderschuli-schenPolitischenBildungBerücksichtigungfindet.

VordiesemHintergrundistdiepolitischeBildungaufBezügezuan-derenWissenschaftenangewiesen.AlsLeitwissenschaftgiltdiePolitik-wissenschaft, derenTheorien,MethodenundBefundedie Integration,KoordinationundKooperationzudenBezugswissenschaftenWirtschafts-wissenschaft,Geschichte,SoziologieundJurisprudenzleisten.DieEigen-logikendieserWissenschaftenwerdenvonderpolitischenBildungzwarinRechnunggestellt,dochlässtessichnichtvermeiden,dassderenErgebnis-seselektiv,d.h.bezogenaufdieErkenntnisinteressenderpolitischenBil-dungrezipiertwerden(Massing,2007).

DieZielederpolitischenBildungsindvielfachgeprägtdurchdenje-weiligenpolitischenKontext.DiePhasenachdemZweitenWeltkriegwarinderBundesrepublikwesentlichbestimmtvonderpolitikpädagogischenKontroversezwischeneinerpolitischenErziehungzurPartnerschaftundeineranderPluralismustheorieorientiertenpolitischenBildung:TheodorWilhelmaliasFriedrichOetingerwarinderunmittelbarenNachkriegs-zeitdurchdievonihmkonstatierteAbneigungderMenschengegenal-lesPolitischezurAusrichtung seinerKonzeptionanderDemokratiealsLebensformimSinneJohnDeweysmotiviert(Oetinger,1951)undstanddamitimEinklangmitder»säkularenMission«(Plé,1990)deramerika-nischenBesatzungsmacht,welchedieDeutschenaufderGrundlagederDeweyschenVorstellungendurchRe-education zurDemokratie erzie-henwollte. ImUnterschiedzurWilhelmschenKonzeptioneinerpoliti-scheErziehungzurPartnerschaftgingTheodorLitt inpluralismustheo-retischerTraditionvonderanthropologischenPrämisseder»VielfältigkeitderMeinungenundWollungen«aus,imUnterschiedzutotalitärenSyste-menermöglichediedemokratischeStaatsformgeradeauchdieDivergenzderMeinungen(Litt,1958).DeshalbgehörezumWesenderDemokra-tieauchderpolitischeKampf,wasauchinderpolitischenBildungseinenNiederschlag finden sollte.DieTraditionsliniedieserKontroversewur-dezuBeginndesneuenJahrtausendsdurchGerhardHimmelmannwie-deraufgenommenundentwickeltesichzurDebatteumdieFrage,obdieZielperspektivepolitischerBildungmitengemdidaktischenFokusinDe-mokratie-LernenoderobsieinPolitik-LernenalsdidaktischeOrientie-rungsmarke fürdenUmgangmitderVielfaltdivergierenderpolitischer

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

AuffassungeninderSphäredesPolitischenbestehensollte(Himmelmann,2001;Massing,2004).

Für dieZielbestimmungpolitischerBildungmaßgeblich ist dieFra-ge,wiediedemdemokratischenGemeinwesenangemesseneBürgerrol-lekonzeptualisiertwerdensoll,welcheKenntnisseundFähigkeiten–vomEndedespolitischenErziehungsprozesseshergedacht–dieEntlassschüle-rinnenund-schüleraufweisensollen.HierzustellteWilhelmHennisbe-reitsimJahre1957einModelldesBürgersvor,dasdamalskontroversdis-kutiertwurdeundalsEntwurfauch indieheutigeDiskussionEingangfand.HennisziehtbeiseinerVorstellungdesModellsdesBürgersalsVer-gleichdenidealenZuschauereinesFußballspielsheranundgelangtzudemSchluss,dassvom»politischenMenschen«strukturelldasgleicheverlangtwerdenmüssewievom»rechtenZuschauer«:»ErmusszumindestsovielWissenvondenZusammenhängenpolitischenLebensbesitzen,dass erdieseWeltnichtalsfremde,seinerEinsichtentzogenebetrachtet.(…)Werweiß,wasbedeutendundunbedeutendist,wirdnichtzujenenschreck-lichenVereinfachungenundKurzschlüssenfähigsein,imJuden,imKa-pital,inderBürokratisierung,derKircheoderwassonstdasUnheilderWelt sehen.«DieAufgabedesLehrersbzw.derLehrerin inderSchulesieht Hennisdeshalbnicht inderunmittelbarenErziehungzur»rechtenAktion«, sondernzur»rechtenRe-Aktion«. (Hennis,1968).Dieaktuel-leDiskussioninderpolitischenBildungüberdieKonzeptualisierungderBürgerrolleknüpftandieseÜberlegungenvonHennisanunderweitertdieseumeinedifferenzierteStaffelungbürgerschaftlicherQualifikationen.

PeterMassinggelangthierbeizurUnterscheidungvondreiBürgermo-dellen:• DerBürgerals»ref lektierterZuschauer«sollimWesentlichenüberkog-

nitiveKompetenzenverfügen.• DerBürgerals»Interventionsbürger«sollnebenkognitivenauchüber

prozedurale Kompetenzen verfügen, welche sich auszeichnen durchWissen imSinne vonKenntnissenüber die tatsächlich vorhandenenEinf lusschancenundBeteiligungsmöglichkeiten ampolitischenWil-lensbildungs-undEntscheidungsprozess,dieFähigkeitzumrationalenpolitischenUrteilunddieprinzipielleHandlungsbereitschaftaufGrundvonkommunikativen, aber auch strategischenund taktischenFertig-keiten.

• Der»Aktivbürger«,derpolitischeBeteiligungalsseinewichtigsteAuf-gabeansieht,derdaspolitischeGeschehenaktivmitbestimmenwillundkann.DerAktivbürgersollkognitive,prozeduraleundhabituelleKom-petenzenvereinen(Massing,1999).

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2. Philosophie des Faches Politische Bildung

In ähnlicherWeiseplädiert auch JoachimDetjendafür,dassdiepoliti-scheBildungbeiihrerZieldefinitionaufvierGruppenRücksichtnehmensollte.Siesolltedenref lektiertenZuschaueralsihrMinimalzielansehen,alsanspruchsvolleres,aberwohldochrealistischesRegelzielsolltesiedeninterventionsfähigenZuschauerbetrachten,derAktivbürgersolltevonderpolitischenBildungalsMaximalzielihrerArbeiterachtetwerdenunddieDesinteressiertenbildeten schließlicheine ständigeHerausforderung fürdieBildungsbemühung(Detjen,2000).

DieBürgermodelleunterscheidensichfolglichinsbesonderenachdemGradderPartizipationsfähigkeit derBürgerinnenundBürger ampoli-tischenProzess.Diese steht jedoch inAbhängigkeitvonderprinzipiel-lenPartizipationswilligkeitundmithininderEntscheidungsfreiheitjederBürgerinundjedesBürgers.DiePartizipationswilligkeitkannschlechter-dingsnichtimPolitikunterricht»vermittelt«werden,willdiesernichtdieSchülerinnenund Schüler präformierenund ihreEntscheidungsfreiheitdiesbezüglichinunzulässigerweiseeinschränken.DieswürdeimÜbrigenauchdenPrinzipiendesBeutelsbacherKonsensesvon1976widersprechen,dernebendemKontroversitätsgebotfürpolitischstrittigeInhaltev.a.aucheinÜberwältigungsverbotvorsiehtunddamitdieEntscheidungs-respekti-veUrteilsfähigkeitderSchülerinnenundSchülerbetont(Wehling,1977).

UnstrittigistdasZielpolitischerBildung,LernendezupolitischerMün-digkeitrespektiveUrteilskraftzubefähigen.DaspolitikdidaktischeTheo-remder politischenUrteilsbildungnimmt epistemologisch seinenAus-ganginderEpochederAufklärung,wonachAufklärungder»AusgangdesMenschenausseinerselbstverschuldetenUnmündigkeit«ist(Kant,1991,53).ImHinblickaufdieFörderungswürdigkeitderpolitischenUrteilsfä-higkeitalsAufgabederpolitischenBildungistanzuführen,dassdiePoli-tik inderDemokratie,das legitimierendePrinzipderDemokratieunddieUrteilsfähigkeit derBürger sichgegenseitigbedingen.Dabei bildetdieAnnahme,dassdiePolitikeineimKernrationaleAuseinandersetzungumdiekonkreteGestaltdesGemeinwohls ist,dieunverzichtbare sach-logischeVoraussetzungdafür, inderFörderungderpolitischenUrteils-fähigkeitderBürgerinnenundBürgereinewichtigeBildungsaufgabezusehen.Weiterhin setztdieStaats-undRegierungsformderDemokratiezuihrerLegitimationdieFähigkeitderBürgerinnenundBürgervoraus,diePolitikselbständigundmiteinemMindestmaßanRationalitätzube-urteilen.SchließlichistdieFörderungpolitischerUrteilsfähigkeitumderBürgerinnenundBürgerselbstwillenangezeigt,indemsichdiepolitischeBildungumdieQualifizierungderMenschenzurPolitik,umderenra-tionaleUrteilsfähigkeitbemüht(Detjen,2007).DieBefähigungderLer-

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

nendenzurpolitischenUrteilsbildungalsdemokratiefunktionaleAufga-bederpolitischenBildungfürderen(spätere)TeilhabeanderpolitischenÖffentlichkeitdarfsichallerdingsnichtaufeinenationalstaatlichvereng-teRef lektionbeschränken,sondernwirdaufgrundpolitischerundöko-nomischerGlobalisierungsprozessetransnationalbestimmt( Juchler,2005).

3. Politikbegriff

Anforderungen an eine Definition der Politik

DiepolitischeBildungbedarfeinestheoretischkonsistentenundzugleichdidaktischpraktikablenBegriffesderPolitik.Esistjedochnichteinfach,einensolchenBegriffzudefinieren,weildiePolitikeinaußerordentlichvielschichtigessowieandenRändernauchunscharfesPhänomenist.Sozerf ließendieGrenzenzwischenPolitikundNichtpolitikbeiSchlagwor-tenwie»PolitikderLebensführung«,»PolitikderLebensstile«und»All-tagspolitik«. Denn diese um Anerkennung von Lebensentwürfen krei-senden»Politiken«schlagensichinstitutionellüberhauptnichtniederundereignensichjenseitsallerVerfasstheit.DerOrtdesPolitischenlässtsichinihnenjedenfallsnichtmehrerkennen(Massing,2004,S.90).

EinbrauchbarerPolitikbegriffmussAussagenüberdenSinngehaltoderdieZweckbestimmungderPolitikenthalten.ErmussweiterhinAngabenüberdieReichweitederPolitikmachen,sichalsodarüberäußern,welchesachlichenMateriendiePolitikerfasstsowiewelcheräumlicheundzeitlicheAusdehnungdiePolitikhat.FernermusssichdiePolitikanalytischmitHilfevonKategorienerfassenlassen.EinfürdiepolitischeBildungzuverwenden-derPolitikbegriffmussschließlichdasKriteriumerfüllen,mitdennormati-venGrundlagendesdemokratischenVerfassungsstaateskompatibelzusein.

Die Zweckbestimmung von Politik

Man bewegt sich weit außerhalb des Streites politikwissenschaftlicherTheorienundForschungsansätze,wennmanbezüglichderZweckbestim-mungvonPolitiksehrallgemeinfeststellt,dasssieeinesituationsbezoge-ne,pragmatischzubewältigendeAufgabeist,mittelsEntscheidungendasZusammenlebenvonMenschenangesichtsbestehenderWert-undInter-

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3. Politikbegriff

essendivergenzenzuregelnundgemeinsameProblemekommunikativso-wieunterBerücksichtigungvonGrundwertenzulösen.

DiehieraufaufbauendeDefinition lautet: »Politik ist jenesmenschli-cheHandeln,dasallgemeinverbindlicheundamGemeinwohlorientier-teEntscheidungenundRegelungeninundzwischenGruppenvonMen-schenvorbereitetundherstellt«(Patzelt,1993,S.14;Meyer,2006,S.41).HierbereitsistallerdingsschoneineEinschränkungzumachen.DasGe-meinwohlistderüblichenormativeBezugspunktderPolitik.Esgibtje-dochauchpolitischeOrdnungen,politischeAkteureundpolitischeHand-lungsweisen,denendieseOrientierungfehlt.

PolitikimVerständnisderebenvorgestelltenDefinitionisteineWeisemenschlichenHandelns,d.h.aberPraxis.Praxiskannmanauchbegrei-fenalsdenkendesTunderMenschenimUmgangmiteinanderbzw.alsre-f lexivgeleitetenVersuchderErmöglichungdesZusammenlebens.PraxisistdamitimKerneinederVernunftaufgetrageneAufgabe,Handlungs-normendurchdieErörterungvonZielen,Mitteln,BedingungenundFor-mendesZusammenlebenszuerstellen.DahinterstehtdieVorstellung,dassderMensch sichkraft seinerVernunftmitSeinesgleichenüberdasSeinderDinge,überseinVerhältniszudenDingen,überzwischenmenschli-cheVerhältnisseundüberdas,wasnützlichundschädlichsowiegerechtundungerechtist,verständigenkann.DerzuletztgenanntePunktmachtdaraufaufmerksam,dassPraxisaucheineethischeKomponentehat(Sutor,1984,S.13ff,33ff,41ff ).

PolitikzieltabaufdieHerstellungallgemeinverbindlicherRegelungenundEntscheidungen.Damitistzumeinengesagt,dassdieMenschenof-fensichtlichsolcheRegelnundEntscheidungenbenötigen.WoMenschenzusammenleben,mussimmerwiederKlarheitüberdieRegelnherrschen,diefürsiegeltensollen.ZumanderendrücktdasWort»Entscheidung«aus,dassesinderPolitikfastimmermehrereHandlungsmöglichkeitengibt.WeildiePolitikzwischenmehrerenAlternativenauswählenkann,trägtsieeinenprinzipielloffenenCharakter.

DerRegelungsbedarfwieauchderProzesszurHerstellungvonRegelnhängenvonderGrößedesjeweiligensozialenVerbandesab.Ineinfachen,d.h.überschaubarenundnichtarbeitsteiligorganisiertenGemeinschaftenkönnendiewenigenRegelnnebenbeivereinbartwerden.Komplexe,d.h.anonyme,sozialgeschichteteunddurchorganisierteGesellschaftenbenö-tigenfürdieimmerwiederneuanfallendenKoordinierungs-undRege-lungswünschespezielleInstitutionen,diemitsachgerechtenKompetenzenausgestattetundmitgeeignetenPersonenbesetztsind.DieseInstitutionenbildendassogenanntepolitischeEntscheidungssystem.

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

PolitikistzielbestimmtesHandeln.UmdasangestrebteZielzuerreichen,durchläuftdiePolitikeinenProzess.Sofernernichtgewaltsamdarange-hindertwird,istderpolitischeProzessfastimmervonKonf liktengeprägt.Dasmeint:AkteuremitunterschiedlichenSichtweisenundInteressenrin-gendarum,ihrePositionmöglichststarkdurchzusetzen.PolitischePro-zesse sind durch kommunikativeAktivitätenwieVerhandlungen,Ver-sprechungenundDrohungen,durchdenEinsatzvonTaktikunddurchdieNutzungvonMachtmittelngekennzeichnet.DasErgebniseinespoli-tischenProzesseshängtstarkdavonab,wiedieAkteuresichdieserInstru-mentezubedienenwissen.

PolitikistschließlicheinHandeln,dasderBewältigungvonSituatio-nendient,überderenRegelungkeineEinigkeitbesteht.SieistdeshalbderVersuchderVermittlungundVereinbarungunterschiedlicher,möglicher-weisesogargegensätzlicherAbsichtenvonIndividuenundGruppen.IhreAntwortenlösenbeidenMenschenunterschiedlicheBetroffenheitaus,dasiehäufigdieeinenbegünstigtunddieanderenbelastet.

Unterschiedliche Reichweiten der Politik

BezüglichderReichweitederPolitiklässtsichfesthalten,dasssiepoten-tiellalleEbenenmenschlichenZusammenlebenserfasst,alsovomsozia-lenNahbereichbiszurglobalenEbenereicht.Politikistalsoubiquitär.Be-züglichderräumlichenAusdehnungunterscheidetmaneinenweitenvoneinemengenPolitikbegriff(Rohe,1994,S.135ff ).

PolitikimweitenSinnekommtinallenSozialgebildenvor:InderFa-milie,imFreundeskreis,imVerein,inderKirchengemeinde,inderUni-versität,imUnternehmenundanvielenanderenStellen.IndiesenGebil-dendessozialenNahraumsgehtesabernichtprimärumPolitik.PolitikistnichtderSinndieserGebilde.SiehabenvielmehrspezifischeZweck-setzungen:SodieErziehungdesNachwuchses,dieFreizeitgestaltung,diePf legedesGlaubens,dieVermittlungvonBildung,dieProduktionvonGüternundDienstleistungenundanderesmehr.Dennochkommtes indiesenGebildenzuKonf likten.UnddieseKonf likteverlangenLösungen,folglichpolitischeAnstrengungen.GleichwohlistdieIntensitätdesPoliti-schenindiesenGebildeninsofernrelativgering,alsdieBemühungenumLösungenhiersehrstarkvonSachgesetzlichkeitenundgemeinsamenIn-teressenundÜberzeugungenbestimmtsind.

GehtesindenerwähntenSozialgebildennursekundärumPolitik,soverhält es sichmitdenpolitischenVerbändenwiedenStaatenundden

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3. Politikbegriff

internationalenOrganisationenanders.SiesindumderPolitikwillenein-gerichtetworden,unddeshalb findethierPolitik imengenSinne statt.PolitikimengenSinnemeinteinHandeln,dasgesamtgesellschaftlichver-bindlicheRegelungenbzw.RegelungenzwischenStaatenzumGegen-standhat.ImZentrumstehtdaspolitischeHandelndesStaates.

DerStaat regelt die allgemeinenVerhältnisse sämtlicher in ihmver-einigtenIndividuenundGruppenundermöglichtsoersteingedeihlichesZusammenleben.InGestaltderAußenpolitikbestimmterdasVerhältnisdereigenenGesellschaftzuanderenGesellschaften.Esverhält sichmit-hinso,dassderStaatdieGesellschaftüberhaupterstzueinererfahrbarenundhandlungsfähigen,ebenpolitischenEinheitkonstituiert.ZweifellosistPolitikimengenSinnevonhöchsterRelevanzfürdiepolitischeBildung.

DiePolitikimengenSinnelässtsichabernichtaufdiestaatlicheSphäreeingrenzen.ImZeichenzunehmenderIntegrationnimmtnämlichdieBe-deutungdespolitischenHandelnsderEuropäischenGemeinschaft,einerArtSubstitutdesStaates,deutlichzu.EsgibtaberauchdieTendenz,dassdie Politik immermehr dieGestalt gesellschaftlicher Selbstregulierungannimmt.Eserweitert sichebensoderpolitischeRaum indemSinne,dassvieleEntscheidungeninqualitativneuartigemMaßeüberdasgesell-schaftlicheLebenhinausreichenundBedingungendesLebensundÜber-lebens,diefrüherschicksalhafthingenommenwurden,beeinf lussen,wiedasWetter,dieLebensdauerunddieReproduktiondermenschlichenGat-tung(Greven,1999,S.9).

BezüglichderzeitlichenAusdehnunglassensichidealtypischdreiZonenderPolitikunterscheiden:EsgibtpolitischeSituationenundProblemevonäußerstkurzerDauer,wieeskennzeichnendfürdieaktuellenEreignissederTagespolitikist.EsgibtweiterhinProblemlagenundKonstellationen,diediePolitikübereinenmittel-oderlängerfristigenZeitraumbestim-men.UndesgibtPolitikalsdauerndemenschlicheAufgabe,dasmensch-licheZusammenlebenzuregeln(Sander,2008,S.178ff ).

Die Frage nach der Reichweite der Politik ist mit der Angabe ihrerräumlichenundzeitlichenAusdehnungnochnichtabschließendbeantwor-tet.OffenistnochdieFrage,obdiePolitikaufbestimmteGegenstandsbe-reichebzw.RegelungsmaterienbegrenztistoderobdiesnichtderFallist.

Diesbezüglich ist zu sagen, dass es schlechterdings keinen BereichmenschlicherExistenzgibt,dernichtpolitischwerdenkann.Politikfel-der wie beispielsweise Bildungspolitik, Sicherheitspolitik, Rentenpoli-tikundSteuerpolitikdeutendiesenSachverhalteherallgemeinan.DennauchdieRechtschreibung,LadenschlusszeitenundManagergehälterkön-nenGegenstandderPolitikwerden.Hierausfolgt:PolitikistkeinSach-

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

bereichnebenanderenwieWirtschaft,KulturundGesundheit.PolitikistvielmehrdiepotentielleDispositionüberSachfragenallerArt.DaherkannsieimPrinzipjederzeitfürjedeSacheaktuellwerden(Buchheim,1981,S.130).

Das spezifisch Politische kann also mit keinem Politikfeld identischsein.VielmehrmussdasspezifischPolitischeaufallePolitikfelderanwend-barsein.DieausderWissenschaftstheoriestammendeUnterscheidunginFormalobjektundMaterialobjektkannzurKlarheitdarüberverhelfen,wasdasEigentlichederPolitikausmacht.NachdieserUnterscheidungisteineWissenschaftnichtdurchdenGegenstand(Materialobjekt),sonderndurchihremethodischgeleiteteZugangsweise(Formalobjekt)gekennzeichnet.SokannsicheineWissenschaftmitvielenverschiedenenMaterialobjektenbeschäftigen,mussdabeiaberihrFormalobjekt,alsoihrenFragehorizont,jeweilszurAnwendungbringen.UmgekehrtkanndasgleicheMaterial-objektvielenWissenschaftengemeinsamsein,dieesaberunterjeweilsan-derenPerspektivenbetrachten.

ÜberträgtmandieUnterscheidunginFormalobjektundMaterialob-jektaufdiePolitik,ergibtsich,dasssehrvieleGegenständeausdenunter-schiedlichstenSachbereichenmaterialzuihrgehören,wieetwaGesund-heit,Bildung,SicherheitundInfrastruktur.Entscheidendistaber,dassdieFüllederMaterialobjektedurcheinFormalobjekt ineine integrierendePerspektivegebrachtwird.DiesesFormalobjektderPolitikistdieAufga-be,mittelsverbindlicherEntscheidungengemeinsameProblemeunterBe-rücksichtigungvonGrundwertenzulösen(Sutor,1984,S.25f ).

Die analytische Erfassung der Politik

Politik vollzieht sich stets dreidimensional. Die drei Dimensionen sindOrdnungoderForm(polity),InhalteoderZiele(policy)undProzessoderHandeln(politics).DiedreiDimensionenergebensichausdemSachverhalt,dassdiePolitikeinGeschehenist,indemimRahmenfesterFormenumderVerwirklichungbestimmterInhaltewegenAktivitätenstattfinden.ImgleichzeitigenWirksamwerdenderdreiDimensionenliegtdiespezifischeLogikderPolitik.DieseLogikunterscheidetsichdeutlichvonderLogikökonomischeroderkulturellerProzesse.

DiedreiDimensionensetzensichjeweilsauseinerReihevonFakto-renzusammen.DieseFaktorensindsowohlRealfaktorenalsauchanalyti-scheKategorien.Dasheißt,dasssieeinerseitsdieWirklichkeitprägenunddamit empirisch beobachtbar sindund andererseits als Instrumente zur

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3. Politikbegriff

AnalysederPolitik fungierenund indieserEigenschaftalsdidaktischerLeitfadenzurVermittlungundzumVerstehenderPolitikdienenkönnen(Meyer,2006,S.83ff ).

Politydrücktaus,dassPolitiksichineinemOrdnungsrahmenvollzieht,derdieBedingungendespolitischenHandelnsangibt,politischeProzes-sealsoinbestimmteBahnenlenkt.DerRahmenistzwarnichtunverän-derbar,aberdochnichtbeliebigundzujederZeitveränderbar.Denneristselbst»geronnene«PolitikoderdasfestgeschriebeneErgebniseinstmalsundgegebenenfallsimmernochvorliegenderMachtverhältnisse.Erneigtdementsprechend zurBeharrung.Auf nationalerEbenewird derOrd-nungsrahmenweitgehenddurchdieVerfassungunddieRechtsordnungfestgelegt.InderinternationalenPolitiksindzwischenstaatlicheAbkom-menunddieNormendesVölkerrechtswichtigeOrdnungselemente.

DerOrdnungsrahmenbestehtabernichtnurausgeschriebenenNor-men,sondernauchausdermentalenVerfasstheitderGesellschaft,diemanalspolitischeKulturbezeichnenkann.DiehierversammeltenpolitischenOrientierungs-undVerhaltensmuster,WertüberzeugungenundLoyalitä-tenbeeinf lussendenpolitischenProzessunddiepolitischenInhaltever-mutlichnichtwenigerstarkalsdiegeschriebeneVerfassung.

Policydrücktaus,dassesinderPolitikumdieVerwirklichungbestimm-terinhaltlicherVorstellungenbzw.umdieLösunggesellschaftlicherPro-blemegeht.Vonihrwirderwartet,dieGestaltungdergesellschaftlichenVerhältnissesovorzunehmen,dassdieBetroffenendieLösungfürsichalsförderlichakzeptieren.ZudiesemZweckentwickelnParteienundRegie-rungenProgrammeundversuchen,sieinEntscheidungenumzuwandeln.

DieGestaltungsaufgabederPolitikwirdauchdeutlichindenBezeich-nungen fürdieverschiedenen staatlichenPolitikfelderwiebeispielswei-se Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Umweltpolitik, Sozialpolitik undBildungspolitik.

PoliticsdrücktdenHandlungsaspektderPolitikaus.DaspolitischeHan-delnnimmthäufigdieGestaltkonf likthafterProzessean.Diesgiltjeden-fallsfürdemokratischeVerfassungsstaaten.InihnenwerdenstrittigeFra-genöffentlichausgetragen.DerStreitselbstbeziehtsichaufdiepolitischeWillensbildungundEntscheidungsfindung.UmindieserHinsichterfolg-reichzusein,istderKampfumMachtundEinf lussunerlässlich.Derpoli-tischeAlltagistdaherstarkvonderAuseinandersetzungumMachtanteilezwischendenverschiedenenGruppenundPersonenbestimmt.ImRah-menderpolitischenAuseinandersetzungwerden strategischeund takti-scheMaßnahmenerwogenundgegebenenfallsdurchgeführt.ZudiesenMaßnahmenkönnendieSuchenachBündnispartnern,dieAusnutzung

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

vonVerfahrensvorschriften,dieBemühungumKompromisse,aberauchdaskompromissloseDurchsetzendereigenenPositiongehören.Schließ-lichcharakterisierendieBesorgungvonZustimmungunddieSuchenachKonsensdenpolitischenProzess.

DiesepolitischenHandlungsweisengelten für alle anderPolitikbe-teiligten Akteure. Akteure sind einmal Personen wie beispielsweiseRegierungsmitglieder,Parlamentarier,ParteifunktionäreundInteressen-verbandsvertreter.AkteuresindaberauchKollektive,alsoParteien,Parla-mentsfraktionen,RegierungenundInteressenverbände.ImweitestenSin-nezählenauchdieMedienund letztlich– inGestaltderWählerschaft–dasVolkzudenAkteuren(Detjen,2006,S.32f ).

Drei politische Denk- und Handlungsmodelle

DiepolitischeBildungistkeinewertfreieVeranstaltung.Ihristaufgege-ben,jungenMenschenOrientierungshilfenfürihregegenwärtigeundzu-künftigeExistenz alsMitgliederderbestehendenGesellschaft sowie alsBürgerderexistierendenpolitischenOrdnungzuvermitteln.Sie istderfreiheitlichenGesellschaftunddem ihrentsprechendendemokratischenVerfassungsstaatverpf lichtet.

Nun lassen sich inder empirischenBeobachtungwie inderhistori-schenErfahrungdreiganzverschiedene,inihrenIntentionengegensätz-lichepolitischeDenk-undHandlungsmodelleidentifizieren.Oftbildensie den geistigen Hintergrund für extrem auseinanderfallende politi-scheUrteileundpolitischeHandlungsimperative.Sieverhaltensichauchunterschiedlich zu den Werten des demokratischen Verfassungsstaates.DolfSternbergerhatdieModelletheoriegeschichtlichzurückgeführtaufAristoteles, Machiavelli und Augustinus. Er spricht vom anthropologi-schenoderVerständigungsmodell,vomdämonologischenoderMachtmo-dellundvomeschatologischenoderHeilsmodellderPolitik(Sternberger,1978,S.87ff,159ff,269ff ).

AngelpunktdesaristotelischenVerständigungsmodells istderGedan-ke,dassderMenschvonNaturauseinpolitischesWesenistundzudemalseinzigesLebewesenüberSpracheundVernunftverfügt.DieseAusstattungbefähigtdenMenschen,sichinkommunikativerAuseinandersetzungüberdaspolitischzuTuendezuverständigen.DaspolitischzuTuendezieltaufdasguteLebender imstaatlichenGemeinwesenvereinigtenMenschen.DieZielbestimmungdes gutenLebens bewirkt, dass dieses Politikver-ständnisdeutlichethischeZügeträgt.

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3. Politikbegriff

PolitikistimVerständigungsmodelldasständigeBemühen,imRahmenderVerfassungaufdemWegedesöffentlichausgetragenenStreitesdieje-weilsbesteLösungfürdasGemeinwohlfreierundgleicherBürger/-innenzu finden.Indieser streitigenAuseinandersetzungspieltdieMachteineerheblicheRolle.DasVerständigungsmodell liegt der politischenOrd-nungunddempolitischenProzessdesdemokratischenVerfassungsstaa-teszugrunde.

DasmachiavellistischeMachtmodell führtzueinerdämonologischen,d.h.amoralischenundzynischenPolitik.EsgehthiernichtumdieGestal-tungdesgutenLebensderMenschen.VielmehrgehtesumdieEroberungunddieBehauptungderMachtfürdenoderdieHerrschenden.HierbeimoralischeVorstellungenzuberücksichtigenkannunterUmständeneinGebotderKlugheitsein.DennochmussnichtzwingendRücksichtaufdieMoralgenommenwerden.ImZweifelsfallesolltediesemModellzufolgeeinPolitikerkeineSkrupelzeigen,wennesumseineMachtstellunggeht.

FürdasMachtmodellistdiePolitikimKernnichtsanderesalsdieTech-nikderMachtbehauptunginderAuseinandersetzungmitallenArtenvonWiderständen.Es gibt harte undweicheTechnikenderMachtbehaup-tung.AmbestenbehauptetsichderjenigePolitiker,derbeideTechnikengeschickteinzusetzenweiß.EinsolcherPolitikerpraktiziertjenachSitua-tionkriegerischeunddiplomatische,kühneundlistige,grausameundmil-deMittel.SeinTundientaberimmernureinemeinzigenoberstenZweck,unddieserZweckistdieBehauptungdereigenenMacht.

DasaugustinischeHeilsmodellargumentiertmiteschatologischenKate-gorien.DieEschatologieistdieLehrevondenletztenDingenamEndederWelt.DiewirksamsteEschatologieistimChristentumbeheimatet.InderOffenbarungdesJohannesistdieRedevomUntergangderReiche,vomletztenGefechtzwischenGutenundBösenundvomjüngstenGericht.EsistaberauchdieRedevoneinemneuenAnfangjenseitsdieserEreignis-sesowievoneinemneuenHimmelundeinerneuenErde.DieEschatolo-gieistalsodasWissenvomEndedesaltenBestehendenundvomAufgangdesneuenZukünftigen.InsbesondereenthältsieeineVerheißungaufEr-lösungvomÜbelderbisherigenWelt.DieEschatologieträgtdamitdeut-licheheilsgeschichtlicheZüge.NachchristlicherAuffassung istdievonderOffenbarungversprocheneZukunftinGestaltderKircheaberbereitsWirklichkeitgeworden.

GanzanderswirktdaseschatologischeDenkmuster,wennmandieVer-heißungfürnochnichtrealisierthältundzusätzlichannimmt,dassmansiemitHilfederPolitikherbeizwingenkann.EinesolchePolitikzeichnetsichzwangsläufigdurcheinebesondereRadikalitätaus.Denneineescha-

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

tologischePolitikkann sichmitnichtsGeringeremzufriedengebenalsmiteinerkompromisslosenAbwendungvonderbisherigenOrdnung,diedenMakelträgt,falschundüberholtzusein.DieAnhängereinespoliti-schenHeilsmodellsvereinteinfanatischerGlaubenandieRichtigkeitihrerPosition.SieneigenzubesondersextremenFormenvonGesinnungsethik.WeiterhinneigtdaseschatologischeDenkenzupolitischer Indoktrinie-rungundMissionierung.DieVerantwortbarkeitpolitischenHandelnsfürdiebestehendeOrdnunggiltdemgegenüberalsvölligunerheblich.DenndasBestehendeistzuüberwinden.

DiedreivorgestelltenGrundmusterpolitischenDenkensundHandelnszwingendiepolitischeBildungzueinerEntscheidung,wennesumdieBewertunggeht.DasMachtmodellwieauchdasHeilsmodell sprengendieLegitimitätsgrundlagendesdemokratischenVerfassungsstaates.Die-senistdiepolitischeBildungsbemühungjedochverpf lichtet.Folglichdarfsie sichbeiderThematisierungpolitischerÄußerungenundHandlun-gen,dieeindeutigdemMacht-oderdemHeilsmodellzuzuordnensind,nichtaufdaswertneutraleAnalysierenbeschränken.Siewürdeaufdie-seWeisedieFundamentedesdemokratischenVerfassungsstaatesunter-grabenunddamitdenSinngrundihrerTätigkeitverletzen(Sternberger,1978,S.440ff ).

4. Politikdidaktische Konzeptionen

Politikdidaktik als Wissenschaft

WasunterPolitikdidaktikzuverstehenist,wirdunterihrenVertreter/-innenkontroversdiskutiert.SichtetmandieindenletztenJahrenpub-liziertepolitikdidaktischeLiteratur, lassen sichunterschiedlicheAnsätzemitunterschiedlichenFragestellungen,MethodenundIntentionenerken-nen.DieFachdiskussioninderPolitikdidaktikistprofessionellergewor-den,aberauchdifferenzierter, spezialisierterundheterogener.DennochkönntemanaufeinereherformalenEbeneÜbereinstimmungfinden,dassPolitikdidaktikeineeigenständigewissenschaftlicheDisziplinist,diesichmitdempolitischenLehrenundLerneninderSchuleundimUnterrichtbeschäftigt.

DabeistelltsieFragenaufdreiEbenen.AufderEbeneder»Ziel-undIn-haltsklärung«fragtsienachdenInhalten,nachdem,wasgelehrtundge-

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4. Politikdidaktische Konzeptionen

lerntwerdensoll,mitwelchenZielenundIntentionen,nachihrerAuswahlundwiesiebegründetwerdenkönnen.AufderEbeneder»Lehr-Lern-Forschung« stellt sieFragennachdenSubjekten,die imLernprozess alseinzelneoder alsGruppemiteinander inBeziehung treten, sowienachdemBedingungsumfeld, in dem sie lehrenund lernen.Auf derEbeneder»OrganisationdesLernprozesses« stellt sieFragennachderAuswahlderMethodenundMedien,derArbeits-undInteraktionsformenundde-renFolgenfürdenUnterricht.AufdenjeweiligenEbenenstehtdiePoli-tikdidaktikmitunterschiedlichenWissenschafteninBeziehung.MitderErziehungswissenschaftundderpädagogischenPsychologie ebensowiemitPolitikwissenschaft,Soziologie,ÖkonomikundRechtswissenschaf-ten.BringtsieihreFragenundAntwortenineinenplausiblentheoreti-schenGesamtzusammenhang lässt sichvonpolitikdidaktischenKonzep-tionensprechen(Hilligen,1985,145).

DiemeistenKonzeptionenundAnsätzederPolitikdidaktiksindem-pirischundnormativundversuchenbeideAspektemiteinanderzuver-binden.D.h.siezielenaufeineanspruchvolleVerknüpfungvonempiri-schenundnormativenElementen.AufderEbenederInhalteundZieleentwickelnsiediese,unterBerücksichtigungderErgebnissederPolitik-wissenschaft, imBezug auf das politische SystemderDemokratie.AlsempirischeDisziplin bezieht sichdiePolitikdidaktik auf die politischeRealitätderDemokratieunddieErgebnissederentsprechendenLehr-/Lernforschung.Sieversucht,dievielschichtigepolitischeundschulischeWirklichkeitvereinfachend,aberangemessenwirklichkeitsgetreunach-zubilden.DazubenötigtsienebeneinemkomplexenPolitikbegriffeineVorstellungvondenFunktionsvoraussetzungenunddenFunktionsbe-dingungendesdemokratischenpolitischenSystems.ZusätzlichzudieserVerankerungimEmpirischenderPolitikunddesFachunterrichtsbrauchtPolitikdidaktik jedocheineebenso starkeVerankerung imNormativenderDemokratie.

DernormativeBezugspunktDemokratieenthält fürdiePolitikdidak-tikdabeidreizentraleDimensionen.DiesebeziehensichzumeinenaufdieDemokratiealspolitischesSystem,zumanderenaufdasIndividuumundseineQualifikationenalsBürgerinoderBürger.AufderEbenederZie-lehatdiePolitikdidaktikdieAufgabe,KonzeptepolitischerBildung zuentwickeln, die eineOrientierung aufdaspolitischeSystemvermitteln.PolitischeBildungistdanneinMittel,BürgerinnenundBürgerüberdiekomplexenZusammenhängeeinesdemokratischenpolitischenSystemszuinformierenundaufdieseWeiseseineLegitimitätzuerhöhenundeinenBeitragzuseinerStabilisierungzuleisten.AufderEbenederInhaltebenö-

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

tigenPolitikdidaktikundpolitischeBildungeinenkomplexenDemokra-tiebegriff(Scharpf,1971),derdieInput-undOutput-Perspektivedesdemo-kratischenSystemsmiteinanderverknüpft.DerInput informiertüberdieVorgängeunddieWertigkeitderpolitischenWillensbildungundEntschei-dunginderDemokratie.DerOutputdientdazu,dieQualitätderpolitischenEntscheidungundderpolitischenSteuerungzubestimmen.StabilisierungundLegitimitätserhöhungalsZiele sowie Input-undOutputorientierungimRahmeneineskomplexenDemokratiebegriffsalsInhaltesindnorma-tiveSichtweisen.SobaldsiemitderpolitischenWirklichkeitkonfrontiertwerden,ergebensichDiskrepanzenzwischendennormativenAnsprüchenundderRealitätderDemokratie.DieseverweisenaufdenTatbestand,dassDemokratieeinunabgeschlossenesProjektist,dassichnurinderöffentli-chenAuseinandersetzungweiterentwickelnlässt.

AllerdingsführtdieKluftzwischenNormundWirklichkeitnichtaussichherauszuderdemokratischenPraxisderBürgerinnenundBürger,indersichDemokratieselbstfortschreibt,sondernesbedarfdesöffentlichenWillensderBürgerinnenundBürgerundentsprechenderKompetenzenineinesolchePraxisaucheinzutreten.Damitist–wiederaufderEbenederZiele–derdrittenormativeBezugspunktpolitikdidaktischerKon-zeptionengenannt:dasIndividuum,dasalsBürgerinoderBürgerinderDemokratiedurchAutonomieundpolitischeMündigkeitgekennzeich-netseinsoll.AutonomiemeintdieFähigkeit,selbstständig,eigenverant-wortlichundkompetentVerantwortungzuübernehmen.VonpolitischerMündigkeitsprechenwirdort,woderMenschzueigenemDenkenge-langtist,woergelernthat,Vorgefundeneskritischzuref lektierenundaufdieserBasispolitischzuhandeln.DiedazunotwendigenKompetenzen,diesichimAnschlussandiepolitikwissenschaftlicheDemokratietheorieinkognitiveundprozeduraleKompetenzenundinhabituelleDispositio-nen(Buchstein,1995,S. 295ff )unterteilenlassen,kannu.a.diepolitischeBildungvermitteln.

Zusammenfassend lassen sichausdembisherGesagtenvierKriterienentwickeln,mitdenenpolitikdidaktischeKonzeptionenundpolitikdidak-tischeAnsätzebeschriebenwerdenkönnen:1. AufderEbenederInhalteunduntereinemempirischenAnspruchgeht

esumdieBeschreibungderpolitischenWirklichkeitderDemokratiemitHilfeeineskomplexenPolitikbegriffs.

2.AufderEbenederInhalteunduntereinemnormativenAnspruchgehtesumeinekomplexeVorstellungvonDemokratie,ihrenBedingungen,ihrenZumutungenundihrerZukunft, inderdieInput-undOutput-dimensiondesdemokratischenSystemstheoretischverknüpftist.

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4. Politikdidaktische Konzeptionen

3.AufderEbenederZielegehtesuntereinemnormativenAnspruchumeineStärkungderLegitimitätdesdemokratischenSystemsundumsei-neStabilisierung.

4.AufderEbenederZielegehtesuntereinemnormativenAnspruchumdieAutonomieunddiepolitischeMündigkeitderIndividueninihrerRollealsBürgerinundalsBürgersowieumdieVermittlungderdazunotwendigenKompetenzenundDispositionen.

OhnedenAnsprucherhebenzukönnen,andieserStelleeinetieferrei-chendeAnalysevorlegenzukönnen,werdenvordemHintergrunddervier Vergleichskriterien im Folgenden ausgewählte politikdidaktischeKonzeptionenundAnsätzeskizziert.

Vergleich politikdidaktischer Konzeptionen

VonimeigentlichenSinnepolitikdidaktischenKonzeptionenkannmanerst seit der »Einsichtendidaktik« vonKurtG.Fischer sprechen (Gagel,2005, S. 133ff ). Darin finden sich empirische Aussagen zur Politik inderDemokratieundnormativeAnforderungenandieBürgerinunddenBürger. Fischer beschreibt Politik empirisch im Wesentlichen als Wil-lensbildungs-undEntscheidungsprozessmitdemZielderDurchsetzungindividueller,Gruppen-undInstitutioneninteressen.DemokratischePoli-tik soll sichdann ständigumdie Integrationunterschiedlicher Interes-sen inderGesellschaftbemühen.Fischerhat einpluralistischesDemo-kratieverständnis, dennoch liegt seiner politikdidaktischen KonzeptionkeinkomplexesDemokratiekonzept zugrundeundder zentralenorma-tiveBezugspunktistnichtdaspolitischeSystem,sondernsehrvielstärkerdasIndividuum.PolitischeBildungzieltbeiFischeraufSelbstbestimmungundMitbestimmungdesMenschenab.Erplädiert füreinenmündigen,urteilsfähigenundbeteiligungsbereitenBürgernichtinersterLinie,weildasdemokratischeSystemaufeinensolchenangewiesenist,umlangfris-tigbestehenzukönnen,sonderndieserBürgeristSelbstzweckunderbe-nötigtsolcheFähigkeiten,damiterdasbestehendedemokratischeSystemgegebenenfallsverändernkann,umseineAutonomieundMündigkeitzuerweitern(Fischer,1970,S.60).

HermannGieseckeistvielleichtderersteDidaktiker,dereindeutigfor-dert,dassderGegenstanddesPolitikunterrichtsdiePolitikist.Politikde-finiert er als »dasnochnichtEntschiedene«, das in ersterLinie erfahr-barwirdalsKonf likt.EmpirischistPolitikfürihnfastausschließlichin

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

denkonf likthaftenProzesseninderGesellschaftzusehenundalleVer-suchedasPolitischestoff lichfestzulegen,seienzumScheiternverurteilt.Gieseckegewinnt aufdieseWeise zwareinen scharfkonturierten, aberkeinen komplexen Politikbegriff. Er vernachlässigt sowohl den Hand-lungsrahmenalsauchdieInhaltederPolitik.Dasgleichegiltfürseinnor-mativesDemokratiekonzept,dasalleindieInputseitebetont.DemokratieistdanachidentischmitMitbestimmung,Mündigkeit,EmanzipationundAufklärungundkeineMethoderationalerpolitischerEntscheidungsfin-dung»fürdasVolk«.DerzentralenormativeBezugspunktistdasIndividu-uminseinerRollealsBürgeroderBürgerinundnichtdasdemokratischepolitischeSystem.MitbestimmungoderPartizipationalszentraleKatego-rienhabennichtdenZweck,zurLegitimitätoderzurStabilisierungderDemokratiebeizutragen,sonderndieEmanzipation,d.h.dieAutonomieunddiepolitischeMündigkeitdesMenschenzufördern(Giesecke,1972).

WolfgangHilligensPolitikbegriffhatzwar imVergleichzu Gieseckeein weniger klares Profil, ist aber komplexer und als empirischer Be-griffderRealitätangemessener.Hilligenerfasstdamitdeninstitutionel-lenHandlungsrahmenderPolitik(polity),ebensodieinhaltlichenHand-lungsprogrammeundZiele, definiert als dieAufgabenorientierungderPolitik,dieerimmerwiederbetont.Zwartrittbeiihmderkonf likthafteProzesspolitischerWillensbildungundEntscheidungetwasindenHinter-grund,abernichtsostark,dassdiePolitics-Dimensionvernachlässigtodergarübersehenwürde.AuchderDemokratiebegriffHilligensistkomple-xer.ErbewegtsichnichtnuraufeinerprogrammatischenEbene,sondernbeziehtdiepolitischegesellschaftlicheWirklichkeitmitein.Seinnormati-verAnspruchdrücktsichinden»dreiOptionen«aus,diezumeinendidak-tischeGrundentscheidungensind,zumandereneinDemokratiemodellinkomprimierterFormmarkieren.IndererstenOptiongehtesumdieUn-antastbarkeitderMenschenwürdeunddieAufrechterhaltungderGrund-rechte.InderzweitenumdieHerstellungderpolitischenVoraussetzun-genfürdiefreieEntfaltungderPersönlichkeitundfürdieÜberwindungsozialerUngleichheit,fürChancengleichheit,SelbstbestimmungundMit-bestimmung.DiedritteOptionbeziehtsichaufdieNotwendigkeit,Spiel-räumeundInstitutionenfürpolitischeAlternativenzuerhalten,zuverbes-sernundneuzuschaffen.

DiesesnormativeModellentsprichtnichtderRealitätderDemokra-tie.HilligengehtesdeshalbauchnichtumLegitimationundSystemsta-bilität, sonderndernormativeBezugdespolitischenSystems isthier indieZukunftverlagert.PolitischeBildunghatdieAufgabe,diebestehendepolitisch-gesellschaftlicheWirklichkeit zuverändern,bestehendegesell-

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4. Politikdidaktische Konzeptionen

schaftlicheUngleichheitenzuüberwinden,neueMöglichkeitenderPar-tizipationzuerschließenundsoeineDemokratieerstherzustellen,inderChancengleichheit undSelbstbestimmungverwirklicht sind.Vomnor-mativenBezugspunktdesIndividuumsinseinerRollealsBürgerinundBürgeristesAufgabederpolitischenBildung,ihnenFähigkeitenzurSys-temkritik zu vermitteln, siemitKonf liktfähigkeit auszustatten und siezurReformderbestehendenDemokratieinRichtung»mehrDemokra-tie«anzuregen.DiebeidennormativenBezugspunkte»politischesSystem«alsDemokratieeinerseitsundBürgerqualifikationenanderseitssetzenein-andervorausundstehenineinemdialektischenSpannungsverhältniszu-einander(Hilligen,1985).

Ernst August Roloff gründet sein politikdidaktisches Konzept imWesentlichenaufeinennormativenPolitikbegriff,der ineinenormati-veDemokratievorstellungmündet.RollofbeschreibtnichtempirischdieRealitätdespolitischenSystemsundseinZielistauchnichtdieErhöhungdesLegitimationskonsensesoderdieStabilisierungdesSystems,sondernerfordertalsZielderPolitik,einestrikteOrientierunganWertenundeineebensostrikteBindungandieVerfassungalsalleinigeRichtliniestaatli-chenHandelns (Roloff,1974).Demokratie ist für ihndannMittelundZweckzugleichundvorallemderWegzurSelbstbestimmung.Selbstbe-stimmunginderDemokratieheißt,dassdieStaatsgewaltnichtnurvomVolkausgeht,sondernauchvomVolkunmittelbarausgeübtwird.Dahin-ter stehtoffensichtlicheineVorstellungvondirekterDemokratie,ohnedassdiesenäher ausgeführtwird.ErhöhungderLegitimationundSys-temstabilitätspielendannauchkeineRolle.DerzentralenormativeBe-zugspunktder fachdidaktischenKonzeption istdas Individuum,das alsBürger/-in »grundrechtsmündig«, »konf liktfähig«und»entscheidungsfä-higseinsoll,damitesdienormativeVerpf lichtung,diesichausderFun-damentalnorm»Menschenwürde«ergibt,injederSituationundüberaller-füllenkann(Roloff,1974,S.55).

BeiRolfSchmiedererkommtPolitikinhaltlichbeschriebenkaumvor.WennSchmiederer empirischeAussagenmacht, dannüber dieGesell-schaftalsGanzesmitdemZiel,dieNotwendigkeiteinerradikalenGesell-schaftsveränderungzubegründen.Demokratieistvonihmalleinnorma-tivgefasstalsutopischesGegenmodellzurbestehendenGesellschaft.SieistdieOrdnungdesbefreitenLebens,inwelcheroptimalematerielle,geis-tigeundseelischeBedürfnisbefriedigunggewährleistet ist (Schmiederer,1971).DerzentralenormativeBezugspunktistjedochdieSelbstverwirk-lichungundSelbstbestimmungdesIndividuums,dieerallerdingsinderbestehendenGesellschaftnicht fürmöglichhält.DieseElementekenn-

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

zeichnenletztlichauchseinespätereKonzeption(Schmiederer,1977),auchwennerdortdaraufverzichtet,Schüler/-innenzurGesellschaftsverände-runganzuregen,sondernesihnenselbstüberlässt,obundwiesiepolitischaktivwerden.

DieimBezugaufdieobenformuliertenKriterienvielleichtdifferen-zierteste fachdidaktische Konzeption stammt von Bernhard Sutor. DieKonzeption enthält einen komplexenPolitikbegriff und ein komplexesDemokratiemodell.DarüberhinauserhebtSutordenAnspruch,empiri-scheAspekteundnormativeAnforderungenmiteinanderzuverknüpfen(Sutor,1973).SoverwendetereinenempirischenundnormativenPolitik-begriff.EmpirischbeziehtsichdieseraufdenHandlungsrahmenvonPoli-tik,insbesondereaufdieInstitutionen,aufdieInhaltederPolitik,diealsAufgaben formuliertwerden,undaufdenpolitischenWillensbildungs-undEntscheidungsprozess.DarinlässtsicheinepluralistischePolitiktheo-rieerkennen.SiebeschreibtnichtnurempirischdieRealitätdesPoliti-schen,sieverstehtsichauchnormativalsHerausforderungandenStatusquo. Dieser politiktheoretische Ansatz mündet in ein Konkurrenzmo-dellderDemokratie,dasinseinerIn put-Dimensionu.a.durchdieNot-wendigkeitpolitischerBeteiligungundinseinerOutput-DimensiondurchdenAnspruchgekennzeichnetist,dassdemokratischePolitikdieAufga-behat, denWiderspruch zwischen rechtlich-politischerGleichheit undsozialerUngleichheit zumildern. In seiner späterenpolitikdidaktischenKonzeptionverzichtetSutordarauf,sichaufeinDemokratiemodellfest-zulegen(Sutor,1984).ErstecktzwarGrenzenab,sozuVorstellungenvonidentitärenDemokratiekonzepteninderNachfolgevonRousseauundzumarxistisch-emanzipatorischenVorstellungen,siehtaberimRahmendesfreiheitlichenVerfassungsstaatesgrundsätzlichRaumfürunterschiedlichakzentuierteDemokratiemodelle.DenzentralennormativenBezugspunktfindeternichtinderLegitimierungdespolitischenSystemsundimZiel,dieses zu stabilisieren, sondern imIndividuumalsPerson,die aufgrundihrerFähigkeitzusittlicherSelbstbestimmungunabdingbareWürdebe-sitzt,undderSelbstverantwortungfürdieihrzurechenbarenHandlungenundMitverantwortungfürdievonihrbeeinf lussbarensozialenundpoli-tischenVerhältnissenzukommt.

EtwazeitgleichhatBernhardClaußenseine»KritischePolitikdidaktik«(Claußen,1981)formuliert.ErversuchtdiefrühekritischeTheorie,dieeralsemanzipatorischeSozialwissenschaftbeschreibt, systematisch ineinerdidaktischenKonzeptionzurpolitischenBildungzuentfalten,dienega-tivdialektischundmaterialistischverfährtunddieselbstKritischeTheorieseinwill.DadiekritischePolitikdidaktiknichtvoneinergegenstandsbe-

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4. Politikdidaktische Konzeptionen

zogenenSystematikausgehtundauchnichtvoneinemrelativfestgefüg-tenBegriffs-undVerknüpfungszusammenhangargumentiert,verzichtetClaußenweitgehendauf einen inhaltlichdefiniertenPolitikbegriffundaufeinDemokratiemodell.

Alle bisher erwähnten politikdidaktischen Konzeptionen (vielleichtaußerderKonzeptionBernhardClaußens)enthalteninunterschiedlicherAusprägungPolitikbegriffeundVorstellungenvonDemokratie.Diemeis-tenverzichtenjedochaufinhaltlicheKonkretisierungen,ausdenensicheinKonzeptinhaltlichenGrundwissensableitenließe.

InderaktuellenpolitikdidaktischenDiskussionerfährtderGegenstandPolitikundderDemokratiebegriff,derenKonturen sowohl als empiri-sche als auch als normativeBezugspunkteundeutlicherwerden, unter-schiedlicheBedeutung.Inseinerkonstruktivistischinspirierten»Kommu-nikativenFachdidaktik«gehtTilmanGrammes(Grammes,1995)davonaus,dassalleLernfelderdesSozialkundeunterrichts–Gesellschaft,Politik,Wirtschaft,Recht–kommunikativstrukturiertsind.EntsprechendmusseinkonstitutiverPolitikbegriff,der fachdidaktischaufschließendwirkenkann,diekommunikativeDimensiondesPolitischenaufnehmenunddaszugrundeliegendeDemokratiemodell ist dasder »kommunikativenDe-mokratie«. Politik in der Demokratie ist danach ein dialogischer Kon-f liktmodusundkeinabgrenzbarerunddefinierbarerGegenstandsbereich.Grammesverzichtet auf einedarüberhinausgehendeBeschreibungvonPolitikundDemokratieundpolitischeBildungbedeutetBegegnungmitGesellschaftundDialogemitPersonenundGruppen.KommunikationaufunterschiedlichenEbenenscheinthierdernormativeBezugspunktzusein.AuchWolfgangSanderentwickeltinseinemkonstruktivistischenpolitik-didaktischenAnsatzkeinen inhaltlichdifferenziertenPolitikbegriffundkeininhaltlichkonkretesDemokratiekonzept.ErsiehtjedochdenGrund-wertFreiheitalsdasSpezifikumvonDemokratie(Sander,2008,S.50ff ).InderDemokratiegewinntpolitischeBildungihrenSinnausderFreiheit,nicht ausGleichheitundSolidarität,unddieFreiheitderPerson istderzentralenormativeBezugspunkt.

DieKritikerdiesesAnsatzesgehenüberwiegendvoneinemkomple-xeren,empirischangereichertenPolitikbegriffundvoneinemkomplexe-rennormativenDemokratiemodellaus,indem»Freiheitbefördern«zwareinwichtigesZielist,aberdieFreiheitinderDemokratieineinemSpan-nungsverhältnis zur Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit gesehenwird(Weißeno,2002,S. 113).AuchGotthardBreitundIngoJuchlerver-weisenaufGrundlageeinesempirischorientiertenPolitikbegriffsdarauf,dassalsGrundwertederDemokratienebenFreiheitauchGleichheit,Soli-

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I. Bildungsstandards und Kompetenzorientierung

darität,LebenundFrieden(Breit,2000,S. 222)gelten,unddassderkons-titutiveVerweisungszusammenhangvonpolitischerGleichheitundFrei-heitinderDemokratienichtvernachlässigtwerdendarf( Juchler,2005).DiesePolitikdidaktikersehenoffensichtlich»PolitikalsKern«undgehenvoneinemkomplexerenDemokratiemodellaus,ohnedasssieesineineinhaltlich konkretere Form bringen. Auch die Autoren, die in Anleh-nungandieaktuellepolitikwissenschaftlicheDemokratietheorieBürger-leitbilder (Ackermann,2002;Detjen,2000;Massing,2002a)entwickelthaben(denkritischenZuschauer,derinterventionsfähigenBürgerunddenAktivbürger)undaufdieserGrundlageunterschiedlicheKompetenzen–kognitiveundprozeduraleKompetenzensowiehabituelleDispositionen–(Buchstein,1995)formulieren,beziehensichzwaraufPolitikbegriffeundaufnormativeDemokratiemodelle,definierenihrDemokratieverständnisabernurinAnsätzeninhaltlichundsehendennormativenBezugspunktinderBürgerinunddemBürgerundseinenKompetenzenundTugenden.

InjüngsterZeitscheintjedochdieEinsichtgewachsenzusein,dasseszunehmenddringlicherwird,konkreteInhalteimSinnevonFachwissenzuformulierenundempirischzuüberprüfen,umanschlussfähigandiean-derenFachdidaktikenzubleiben.BishertutsichdiePolitikdidaktikaller-dingsschwerdamit,diesesnotwendigeFachwissenzubeschreiben,zude-finierenunddamitnormativzubestimmen.

SonenntWolfgangSandereinref lektiertesGrundverständnisdertra-gendenPrinzipienundFunktionsweisenderpolitischen,wirtschaftlichenundgesellschaftlichenOrdnungderBundesrepublikundihrertransnatio-nalenVerf lechtungen (Sander, 2008, S. 95ff ), ohnediesekonkreter zubenennen oder inhaltlich zu füllen. Bei Joachim Detjen hat das Fach-wissendendemokratischenVerfassungsstaatzumGegenstand.Danachbil-denfolgendeSachverhaltedaskognitiveZentrumdesPolitikunterrichts:DerPluralismusalsgesellschaftlichesSubstratderDemokratie,dasSystemder Grundrechte, die Staatsfundamentalnormen (Demokratie, Rechts-staat,Sozialstaat,Bundesstaat),dieVerfassungsorgane (Bundestag,Bun-desrat,Bundesregierung,Bundespräsident,Bundesverfassungsgericht)unddieMechanismenihresZusammenwirkensbeimRegieren,beimGesetze-GebenundbeimRechtsprechen(GewaltenteilungindenbeidenGestaltenalsgeteilteMachtundalskontrolliertepolitischeMacht,(Detjen,2008).PeterMassingzählt zumnotwendigenFachwissen:KenntnisseüberdieDemokratieund ihre Ideengeschichte, ebensoKenntnisseüberdie ins-titutionelleOrdnungdespolitischenSystems, seineverfassungsmäßigenGrundlagen, diewichtigstenPrinzipienund Institutionen, dieRegeln,nachdenen entschiedenwird sowieüber vorhandeneEinf lussmöglich-

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4. Politikdidaktische Konzeptionen

keitenundPartizipationschancen.HinzukommtWissenüberfunktionaleZusammenhängedespolitischenSystemssowieüberseineweltpolitischenundweltwirtschaftlichenAbhängigkeiten(Massing,2008).Wasinhaltlichkonkretdamitgemeintist,bleibtjedochunbestimmt.

Auch die unterschiedlichen Kategorienmodelle der Politikdidaktikklärendie Inhaltsfrage letztlichnicht,wieGeorgWeißenokritischan-merkt(Weißeno,2006,S.135ff ),unddieVorschlägezuBasiskonzepten,wiesieu.a.GeorgWeißeno(Weißeno,2006),WolfgangSander(Sander,2008),JoachimDetjen(Detjen,2008),PeterMassing(Massing,2008)undDagmarRichter(Richter,2008)vorgelegthaben,bleibenmehroderwe-nigerinhaltlichoffen.GeradeaberweiljedeFestlegungnuralsSetzungerfolgenkann,bedarfeinModellderBasis-undFachkonzepte,umnach-haltigwirkenzukönnen,derAkzeptanzundderLegitimationdurchdieGemeinschaftderPolitikdidaktiker/-innen.UmdiesenDiskursaberüber-hauptführenzukönnen,istesnotwenig,Basis-undFachkonzeptezufor-mulieren,diedenAnspruchhaben,dieKompetenzdimensionFachwissenfestzulegen.DennohnesielässtsichdieKompetenzdimensionFachwissennuralsadditiver»Wissenskanon«darstellen(Richter,2008,S.164).

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II. Basis- und Fachkonzepte

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II. Basis- und Fachkonzepte

1. Konstruktion politischer Basis- und Fachkonzepte

Basiskonzepte(key concepts)bezeichnenzentralePrinzipienbzw.Paradig-men der Domäne, also Grundvorstellungen des jeweiligen Faches. SierepräsentierendasSpezifischeeinerDomäne fürdenUnterricht anall-gemeinbildendenSchulen.BasiskonzepteentstehendurchdidaktischeSet-zungenundlassensichverstehenals»strukturierteVernetzungaufeinan-derbezogenerBegriffe,TheorienunderklärenderModellvorstellungen«(Demuthetal.,2005,S.57).DiehierpräsentiertenBasiskonzepteerge-bensichausdenBegründungenzumPolitikbegriffinKapitelI/3,indemdieBedeutungdesGemeinwohls sowiediederDimensionenOrdnungundEntscheidungfürdieDomänePolitikaufgezeigtwird.Politikdidak-tischformuliertbedeutetdies,dasssichdasPolitischenichtverstehenlässt,wennmankeineVorstellungvonGemeinwohl,politischerOrdnungundEntscheidunghat.BasiskonzeptestellendieGrundlagefürdensystema-tischenWissensaufbaudarunddienenderhorizontalenundvertikalenVernetzungdesWissensimUnterricht.InsofernhabensieWerkzeugcha-rakter.KumulativesLernenfindetstatt,indemdieBasiskonzepteinver-schiedenenThemenkonkretisiertwerden;siewerdeninunterschiedlichenKontextensituiert (anchored instruction).Sie sollendenLernendenhelfen,dasfachlicheWissenzu-undeinzuordnen,alsosystematischundstruktu-riertzuerlernen,damitihrWissenweiterhinanschlussfähigist.Siedie-nendemAufbaueinesgutstrukturiertenundvernetztenWissens,indemsieFachinhaltevernetzen.»KumulativeLernprozessewerdenunterstützt,dabestimmteBetrachtungs-undDeutungsweisenbeidenverschiedenenInhaltendurchdie Jahrgangsstufenhindurch immerwiedererkenntnis-wirksamaufgegriffen,explizitthematisiertunderweitertwerdenundAn-wendungfinden«(Martensen,2008,S.25).FürdieLernendenwerdeso-mitderZuwachsvonKompetenzerfahrbar(ebd.).

BasiskonzeptelassensichweiterausdifferenziereninFachkonzepte,alsospezifischeKonzeptederDomänePolitik.FachkonzepteumfassendasdenBasiskonzeptenzuzuordnendeGrundlagenwissen.WelcheFachkonzepteeinBasiskonzeptkonstituieren,istnichtbeliebig,sonderneineAuswahl,dieaufderGrundlagepolitikwissenschaftlicherTheorienundmitBlickaufpolitischeBildunghinerfolgt.DieBasiskonzeptebegründendiePer-spektive,mitdenendieFachkonzeptevorrangigimUnterrichtbetrachtetwerdensollten.DahersinddieBasiskonzepteumfassenddargestellt,d.h.siewerdendefiniert,deskriptiverläutert,aufnationaleundglobalePoli-

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1. Konstruktion politischer Basis- und Fachkonzepte

tikbezogenundmitpolitikwissenschaftlichenTheorienbegründet.Den-nochistdieZuordnungvonFach-zuBasiskonzeptennichtstrenglogischherzuleiten.FachkonzepteweisenmehroderwenigerstarkeBezügezual-lenBasiskonzeptenauf;diesliegtandemCharakterderBasiskonzeptealsordnendeBegriffedesPolitischen.Basiskonzeptesindbesondershervor-gehoben,essindausgewählteFachkonzepte.

DieüberschaubareAnzahlanFachkonzeptenstelltgleichfallseinefachdi-daktischmotivierteAuswahldar,diesichaufzentraleElementederDomänekonzentrierenunddasschulischeGrundlagenwissendefinieren.Fachkon-zeptestellendiekriterielleNormzurBewertungdesWissensvonSchüler/-innendar.Basis-undFachkonzeptecharakterisierendahereinenKernbe-reichdesWissensderDomäneimdidaktischenInteresse.AuchFachkonzepteübernehmen Integrations- und Ordnungsfunktionen für das inhaltlicheAuf bereitenderUnterrichtsthemensowie fürdasLernen. Insgesamtent-stehtalsoeinGef lechtvonKonzepten,einestrukturierteVernetzung,diesichdazueignet,politischePhänomene,Ereignisse,Prozesseusw.zube-schreiben, zu analysierenund zu ref lektieren.VonUnterrichtseinheit zuUnterrichtseinheitsolltendieBasis-undFachkonzeptefürdieLernendendifferenzierterundvernetzterwerden.DieLernendensolltendasWissenzu-nehmendsituationsunabhängigernutzenkönnen(imSinnevonscaffolding).Sukzessivewird somitkonzeptuellesWissenaufhöherenAbstraktionsni-veausvondenSchüler/-innenerworben.DieFachkonzeptebewährensichdannfürdieSchüler/-innen,wennsiefürverschiedenepolitischeKontexteundBeispieleerklärendeFunktionenübernehmenkönnen.

DiehiergewählteDarstellungderFachkonzeptebeginntzunächstmiteinerDefinitiondesFachkonzeptsundseiner»Essenz«.ZwarsindDefini-tionenimmerVerkürzungenundreduzierenoftmalsVielfaltaufschein-bar Eindeutiges. Dennoch ist es didaktisch nötig, eine Definition alsAusgangspunktfürweiteredifferenzierendeRef lexionenzugeben,damitimVermittlungsprozesszunächsteineVerständigungsbasisgeschaffenwer-denkann:WasbedeutetdasFachkonzept»imKern«?ErstdieseKlärungermöglichtes,sichimweiterenBildungsverlaufübervariierendeErweite-rungendesFachkonzeptszuverständigen.DieErweiterungenentsprecheninderRegelunterschiedlichenpolitikwissenschaftlichenTheorienbzw.Diskussionssträngen.Dochauchsierekurrierenjenseitsallerunterschiedli-chenBegründungen,BezügeoderPositionenaufdiegleiche»Sache«,d.h.aufdasgleicheFachkonzept.NacheinerDefinitionwirdderBezugdesFachkonzeptszumzugeordnetenBasiskonzeptdargestellt.Es folgenEr-gänzungen,ProblematisierungenundErweiterungenausderPerspekti-vederWissenschaft.

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II. Basis- und Fachkonzepte

ZuvielenFachkonzeptenhabendieLernendenvorjeglichemUnterrichtschonvorunterrichtlicheVorstellungen.Diesekönnenrichtigoderfalsch,differenziertodervagesein.SiewerdeninderFachliteraturalsPräkon-zeptebezeichnet,diesichimLernprozessalsunterschiedlichhilfreicher-weisen(Wodzinski,1996).AufjedenFallsindPräkonzepteimUnterrichtaufzugreifenundmitdenzulernendenKonzeptenzuverknüpfen.SonstbestehtdieGefahr,dassinderSchulegelerntesWissenträgebleibt(Renkl,1996),alsonicht fürHandlungenoderRef lexionenaktiviertwird.DerAufbauvonPräkonzeptenerfolgtüberfachunspezifischeBegriffe,derenBezügeundZusammenhängeeinenVorstellungsraumbzw.Denkrahmeneröffnen,mitdenenpolitischePhänomenegedeutet,erklärtoderbewer-tetwerden.Konzeptesindhingegenperdefinitionemrichtig,d.h.sieent-sprechendenhierausgeführtenDefinitionenundwissenschaftsorientier-tenErläuterungen.NurvordemHintergrundderKonzepte lassen sichdaherPräkonzepte in ihrerQualitätbeurteilen.Fehlvorstellungenbzw.Fehlkonzepte (misconceptions) sindAbweichungenvomFachkonzept,diesichalsfalschkennzeichnenlassenundfürdieeinKonzeptwechselnötigist(conceptual change)(Schnotz,2001).ObeineAbweichungnochzutole-rierenistoderobsieschoneinFehlkonzeptdarstellt,istjedochinderPra-xisnichtimmereinfachzuerkennen.Ebensowenigistvorabdeutlich,obsichdiePräkonzeptederLernendenunkompliziertineinKonzeptüber-führenlassen,indemesbeispielsweiseweiterdifferenziertwird,oderobFehlkonzeptedaserfolgreicheLernenbehindernundLernendegravieren-deKonzeptwechselvornehmenmüssen.

FehlkonzeptesindinderAlltagsweltvorhanden.EbensowiekeinePer-sonohneVorurteileist,lässtsichsagen,dasskaumjemandohnepolitischeFehlkonzepteist.AuchLehrendekönnenFehlkonzeptehabenundsogarinUnterrichtsmaterialienkommenFehlkonzepteoderzumindestungüns-tigeSchwerpunktsetzungenoderTrendsvor,diedasLerneneherbehin-dernalsfördern.EntsprechendeBeispielewerdenindiesemBuchzuje-demFachkonzeptgegeben.DiesbedeutetkeinePraxisschelte,sondernsollhelfen,möglicheStolpersteineimUnterrichtzukennenundsomitzuver-meiden.

ZumInitiierendesKonzeptaufbausbeiSchüler/-innenistesfürLeh-rende wichtig, deren Präkonzepte diagnostizieren zu können. Metho-dischbietensichhierAssoziationsreihen,Concept Mapsu.ä.an.InFormeinerTabellewerdendaherfürjedesFachkonzeptkonstituierendeBegrif-fefürdiePrimar-unddieSekundarstufenpräsentiert,diemitdenenderSchüler/-innenverglichenwerdenkönnen.FürdieKonzeptentwicklungbeimVermittlungsprozessistzuprüfen,wiedieKonzeptezusammenhän-

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1. Konstruktion politischer Basis- und Fachkonzepte

gen,wiesiebegriff lichanzureichernsindundwelcheanderenKonzep-tealsVoraussetzungfürdasVerständnisdesjeweilsbetrachtetenFachkon-zeptsgeltenkönnen.DennauchdieFachkonzeptestehenmiteinanderinBeziehung.Dieswirdzumeinendarandeutlich,dasssiesichoftmalsge-genseitigbereichernunddasssiezusammeneinBasiskonzeptkonstituie-ren.Dieswirdaberzumanderenauchdarandeutlich,dasssieBeziehungenzudenanderenzweiBasiskonzeptenaufweisenundsichsomiteinBezie-hungsnetzüberalleBasiskonzeptehinwegergibt.DieseZusammenhängewerdenindenAusführungenzudenFachkonzeptengleichfallsdargestellt,dasiefürdiePlanungvonUnterrichtwichtigsind:WiekönnenLernen-dedarinunterstütztwerden,Fach-undBasiskonzepteaufzubauen?Wel-cheFachkonzeptesindaufwelcherSchulstufezuerweitern,zudifferen-zierenundzuvernetzen?

AusdenzuvermittelndenBasis-undFachkonzeptenlassensichdiver-seUnterrichtsthemen formulieren.DieBasis-undFachkonzeptedeter-minierennichtdieUnterrichtsthemen,sonderndieBeispielthemensollenlediglichAnregungengebenunddiePhantasiederLehrendenbef lügeln.DieindiesemBandgenanntenBeispielthemensindvielenLehrendeninderRegelvertraut.Sosolldeutlichwerden,dassdieOrientierungaufBa-sis-undFachkonzeptenichtdazuführt,neueInhalteoderUnterrichts-themeneinzuführen.DaszuvermittelndeWissenwirdfüralleBeteilig-tenklarerbenannt.DiesträgtzurStrukturierungdesUnterrichtsbei,waseinewichtigeKomponenteseinerQualitätdarstellt(Helmke,2003).Wei-tereAspektederUnterrichtsqualitätimZusammenhangmitKonzepten,fürdieesempirischeBelegegibt,beziehensichaufdieSpracharbeit,beiderAlltagsbegriffedurchFachbegriffebereichertwerden,sowieaufMög-lichkeitenderDiagnose,dieeine»ÜberprüfungderLernfortschritteaufderEbenederKonzepte«erlauben(Müller&Helmke,2008,S.38f ).

ZusammengefasststelltsichdasLernenmitHilfevonBasis-undFach-konzeptenfolgendermaßendar:DieErarbeitungpolitischerThemensetztandenPräkonzeptenderLernendenan.DieerarbeitetenFachkonzeptewiederholensichinverschiedenenKontextenbzw.Themen,sodassihreVertiefung, Vernetzung und zunehmende Strukturierung, also LösungvondenkonkretenKontextenerfolgenkann.DurchdieständigeEinbe-ziehungderBasiskonzeptewerdenauchdieseimVerlaufderLernprozesseweiterentwickelt.SiebildensomitdiegrundlegendeWissensstrukturfürPolitik,dasiedieFachkonzeptemiteinanderverzahnen.Beispielefürder-artigenUnterricht findensich innaturwissenschaftlichenUnterrichtsfä-chernwie»ChemieimKontext«(Martensen,2008)undsindzurzeitnochalsForschungsdesideratfürdiePolitikdidaktikzubeschreiben.Ebensofeh-

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II. Basis- und Fachkonzepte

lenbislanginderPolitikdidaktikForschungenzurFunktionvonLernauf-gaben,zuihrenSchwierigkeitsgradenundQualitätsmerkmalen,dieent-scheidendzurVerbesserungvonUnterrichtbeitragen(Thonhauser,2008).

DiehiervorgelegtenThemenvorschlägesinddifferenziertnachSchul-stufen,d.h.siebeginneninderPrimarstufeundschließenmitderSekun-darstufe II.Diesbedeutetabernicht,dass tatsächlich jedesFachkonzeptbeispielsweise in der Primarstufe im Rahmen eines Unterrichtsthemasunterrichtetwerdensollte.SchonausZeitgründenistdiesmeistnichtzurealisieren.DieFreiheit,diedieKerncurriculaz.B.fürdenSachunterrichtbieten, soll hier aber nicht eingeschränktwerden, so dassThemenvor-schlägeauchfürFachkonzeptegemachtwerden,dieoftmalsnichtzudenKerncurriculagehören.FürdieSekundarstufeIIbietensichüberdiehiergenanntenThemenbeispielehinaus insbesondereMethodenzurRef lek-tionüberBasis-undFachkonzeptean.BeispielsweisekanneinpolitischerGegenstandmitverschiedenenBasiskonzeptenstrukturiertundanschlie-ßendmiteinanderverglichenwerden,sodassdiejeweiligePerspektiveaufdenGegenstanddeutlichwird:diePerspektivederOrdnung,derEntschei-dungoderdesGemeinwohls.

Basis- und Fachkonzepte gehören als fachwissenschaftliches WissenzumPedagogical Content Knowledge(Shulman,1986;Bromme,1995),dasals»Einzelstoff lich-didaktischesWissen«übersetztwird.FürLehrendebietenBasis-undFachkonzeptedenVorteil,beiderStrukturierungundSequen-zierungvonThemenzuhelfen,indemStrukturundGenesedesWissensunddamitdieLogikderDomänedeutlichsind.Zudemerlaubensieihnen,eineexemplarischeAuswahlausderFüllemöglicherThementreffenzukönnen,dasiezentraleAspektedesPolitischenfokussieren.Sieermögli-cheneineübersichtlichePlanungundgezielteAuswahlderLehrmateriali-en.DieseFunktionenerinnernanpolitikdidaktischeKategorien,diesichzurFormulierungvonLeitfragenfürdenUnterrichteignen,alsoPerspek-tivenaufdieInhaltebezeichnen.KonzeptehingegeneignensichzurAus-wahlundBestimmungdesFachwissens,dasimUnterrichtvermitteltwer-densoll.InsofernstehenKonzepteundKategoriennichtinKonkurrenzzueinander,sondernergänzensichimfachdidaktischenDenkenundun-terrichtlicherPraxis.ExemplarischwirdeineUnterrichtsplanungimKa-pitelIIIgezeigt.

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2. Basiskonzept Ordnung

2. Basiskonzept Ordnung

Definition

OrdnungineinemallgemeinenVerständnis istdieVoraussetzungallenmenschlichenZusammenlebens.Die imengerenSinnepolitischeOrd-nungstelltdenRahmendar,innerhalbdessenpolitischeHandlungs-undEntscheidungsprozesseverlaufenkönnen.DiewichtigsteFunktionpoli-tischerOrdnungistdarinzusehen,dasssieVerlässlichkeitschafft,politi-scheProzessezumindestinGrenzenberechenbarundvoraussehbarmachtundabsoluterBeliebigkeitSchrankensetzt.DerBegriffpolitischeOrd-nungstehtinKonkurrenzzuanderenBegriffenwie:Regierungssystem,StaatoderpolitischesSystem.InderPolitikwissenschaftbestehtEinver-nehmendarüber,dassderBegriffpolitischeOrdnungumfassenderistalsderBegriffRegierungssystem,dersichimWesentlichennuraufdieimengerenSinnepolitischenInstitutionenunddiedortstattfindendenPro-zessederpolitischenEntscheidungbezieht.PolitischeOrdnungumfasstauchmehralsderBegriffStaat.DerBegriffpolitischeOrdnungkannne-benprämodernen,nicht staatlicheFormenderpolitischenHerrschafts-ausübung auch politischeGegebenheiten der »nachstaatlichenEpoche«umfassen,indenenderStaatnichtmehrdieeinzigedauerhaftorganisier-teStrukturderGesellschaftist.DarüberhinausbeinhaltetdiepolitischeOrdnungnebenderinstitutionellenWirksamkeitderEinzelfaktorenpo-litischerHerrschaftundihrerBeziehungenuntereinanderzusätzlichdenBereichnichtformalisierterAuswirkungenherrschaftlicherRegelungenaufdieGestaltungdesgesellschaftlichenLebens (Weber-Schäfer,1989,S.765).DaherbeinhaltetdiepolitischeOrdnungStaatundVerfassung,fügtdiesenabernochdasganzeSystemdervomStaatgesetztenNormenfürdieGesellschafthinzu.

InsofernzeigtderBegriff»politischeOrdnung«ÄhnlichkeitmitdemBegriff»politischesSystem«.EingenauererBlickmachtjedochdeutlich,dasspolitischeOrdnungwenigerumfassendistalspolitischesSystem.LegtmaneinVerständnisvonPolitikzugrunde,dassichandendreiDimensio-nendesPolitischenorientiert,schließtdaspolitischeSystemalledreiDi-mensionenein,währendpolitischeOrdnungsichineinemweitenSinnevorallemaufdieDimension»polity«bezieht,d.h.aufdieVerfassung,zen-traleVerfassungsprinzipien,Organisationsformensowiepolitischeundad-ministrativeInstitutionensowieaufdierechtlichenGrundlagenunddie

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II. Basis- und Fachkonzepte

erklärtenZiele,denensichdieVerfassungverpf lichtethat.ZurpolitischenOrdnunggehörtfernerdiepolitischeKultur,diediepolitischeOrdnunglegitimiertunddadurchstabilisiert.DerBegriffpolitischeOrdnungbe-ziehtsichüberwiegendaufdienationalstaatlicheEbene,wirdaberzuneh-mendauchaufderinternationalenEbeneangewendet.

OrdnunggehörtzudenBasiskonzeptenderPolitik,weilsiewieEnt-scheidungundGemeinwohl zudenBegriffengroßerReichweite zählt.SolcheBegriffedurchziehendiePolitikwissenschaftalsGanzes.WerüberdasPolitischenachdenkt,wird immer auf sie stoßen.DasBasiskonzeptOrdnungkonstituiertsichdurchdieFachkonzepteStaat,Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie,Rechtsstaat, Sozialstaat,GrundrechteundMarkt,dieneben ihrernationalstaatlichenPerspektiveauchWirkungenaufder internationalenEbenezeigen, indemsieOrdnungsvorstellungenund–formenderinternationalenPolitikbeeinf lussen.DieseAspektewer-dendurchdasFachkonzept»InternationaleOrdnung«repräsentiert.

Darüber hinaus ist das Basiskonzept Ordnung mit dem Basiskon-zeptEntscheidungundGemeinwohl verknüpft. In diesemKontext er-geben sichBeziehungenzudenFachkonzeptenLegitimität,Öffentlich-keit, europäische Integration des Basiskonzepts Entscheidung sowie zudenFachkonzeptenöffentlicheGüter,Frieden,Sicherheit,Menschenwür-deundFreiheitdesBasiskonzeptsGemeinwohl.DieBeziehungzudie-semBasiskonzeptistallerdingsnochenger,sofernderVersuch,eine»guteOrdnung«herzustellenundaufrechtzuerhalten,alsInhaltderPolitikbe-stimmtwird.IndiesemFallistdie»guteOrdnung«derAusdruckdesGe-meinwohls.Gehtesdarum,waspolitischeOrdnungenseinsollten,alsoumnormativeAussagen,kannmanvonpolitischenOrdnungskonzeptenodervonpolitischenOrdnungsideensprechen.DazugehörenauchAussa-gendarüber,welcheAngelegenheiteninderGesellschaftpolitischsindundwelchenicht,d.h.welcheAngelegenheitenineineGesellschaftvonpoliti-schenInstanzenaufgegriffenwerdensollenundwelchenicht.

Erläuterung

EinepolitischeOrdnung ist für jedeGesellschaft konstitutiv, sounter-schiedlichsieauchhinsichtlichihrerprinzipiellenGrundlagenundWert-vorstellungen und auch bezüglich ihrer konkreten Ausgestaltung ist(Berg-Schlosser&Stammen,1995,S.144).BevorEinzelheitenpolitischerOrdnungenerläutertwerdenkönnen,isteszunächstnotwendigzuklä-ren,inwelchemVerhältnisdiepolitischeOrdnungzurgesellschaftlichen

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2. Basiskonzept Ordnung

Ordnungsteht,dennderBegriffdesPolitischenverweistaufdenderGe-sellschaft.SchließlichsindpolitischeOrdnungenimmersozialeOrdnun-gen,undpolitischeFormendesZusammenwirkenssindSonderformendesgesellschaftlichenZusammenwirkens.EinepolitischeOrdnungistdanach»dieOrdnungderGesellschaft,welchevonderpolitischenHerrschaftbe-wirktundgestaltetwird«(Hättich,1969,S.76).InderPolitikwissenschaftbestehtÜbereinstimmungdarüber,dasszwischenbeidenOrdnungeneinengerinnererZusammenhangbesteht.WiedieBeziehungzwischenbei-denOrdnungenjedochgenauzusehenist,wirdkontroversdiskutiert.

DabeikönnendreiprinzipiellePositionenunterschiedenwerden.DieeinePositiongehtdavonaus,dassdieEntscheidungfürodergegeneinebestimmteGesellschaftsordnunggleichzeitig auchdieEntscheidung fürodergegeneinepolitischeOrdnungbeinhaltet.GesellschaftlicheOrdnun-genschaffensichgleichsamdieihnenentsprechendepolitischeOrdnung.SoentsprichtmitletzterKonsequenzeinermarktwirtschaftlichen-kapita-listischenodersozialistischenWirtschafts-undGesellschaftsordnungim-merauchdieentsprechendepolitischeOrdnung,diesichdafüralszweck-dienlicherweist(Rohe,1994,S.44).

DiezweitePositionkehrtdieseArgumentationum.Siebehauptet,dassdieEntscheidung füreinebestimmtepolitischeOrdnung,z.B. füreineparlamentarischeDemokratie,auchzwingenddieEntscheidungfüreinebestimmtegesellschaftlicheundwirtschaftlicheOrdnung, z.B.Pluralis-musundMarktwirtschaftmit sichbringe.Tatsächlich lassensich inderGeschichte und Gegenwart eine Reihe von Beispielen finden, die dieAnnahmestützen,dasszwischenWirtschafts-undGesellschaftsordnungeinerseitsundderpolitischenOrdnungandererseitsmehralszufälligeBe-ziehungenbestehen.»Manmusssorgfältigdarübernachdenken,warumindenehemaligen staatssozialistischenGesellschaftenkeinepolitischeDe-mokratieexistierte.MankanninderTatplausibleGründefürdieThe-sebeibringen,dassDemokratiesichnuraufdemBodeneinerstaatsunab-hängigenBürgergesellschaftentfaltenkannunddassletzterewiederumdasVorhandenseineinermarktförmigorganisiertenWirtschaft zurVoraus-setzunghabe«(Rohe,1994,S.45).LogischzwingendistdieserZusam-menhangfreilichnicht.DeshalbgehtdiedrittePositiondavonaus,dassderZusammenhangzwischenpolitischerOrdnungundwirtschaftlicherodergesellschaftlicherOrdnungwenigerengistalsdiebeidenanderenPositio-nenbehaupten.AufdemBodendergleichenoderdochähnlichergesell-schaftlicherund/oderwirtschaftlicherOrdnungenkönnensichhöchstun-terschiedlichepolitischeOrdnungenentwickeln.Gesellschaften,diemanverkürztmarktwirtschaftlichoderkapitalistischnennt,könnendurchaus

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II. Basis- und Fachkonzepte

ebensoeineautoritärepolitischeOrdnungwieeinedemokratischeOrd-nungbesitzen.AlleBehauptungenübereinennotwendigenZusammen-hang von gesellschaftlicher und politischer Ordnung sind höchst frag-würdig.Dasheißt jedochnicht,dasskeinerleiZusammenhangbesteht.Dennochlässtessichrechtfertigen,hieralleinvonpolitischerOrdnungzusprechenunddabeidiegesellschaftlicheundwirtschaftlicheOrdnungzuvernachlässigen.

DapolitischeOrdnungeneineGrundbedingungdesmenschlichenZu-sammenlebensdarstellen,sindsiehistorischzuallenZeitendermenschli-chenGeschichtenachzuweisen.BeiderVielfaltderhistorischenErschei-nungsformenpolitischerOrdnungenlässtsicheineEntwicklungstendenzvoneinfachenzukomplexerenFormenfeststellen.Diesereichenimdia-chronenVerlauf vonprimitivenClanstrukturenüber früheReichedesOrients,diegriechischenStadtstaaten,dieRömischeRepublikzuneu-zeitlichenmodernenStaatsformen,vontotalitärenRegimenbiszukons-titutionellenDemokratien.

DiepolitischenOrdnungenunddiedamiteinhergehendenAuseinan-dersetzungenumderenAusgestaltungstelleneinzeitlosesunduniversel-lesPhänomendar(Stammen,1993,S.21ff ).WährendbeiderhistorischenStaatsformenlehre(z.B.beiHerodotoderAristoteles)dasDreierschema(inderRegelMonarchie,Aristokratie,Demokratie)dominierte, findetsichinmodernenTypologieneherdieZweiteilungin»Autokratie«und»Demokratie«.ImWeiterenstehthierdiepolitischeOrdnungderDemo-kratieimZentrum,dieinverschiedeneUntertypenaufgegliedertwerdenkann.Dabeilässtsichz.B.dierepräsentativeDemokratievonderdirek-tenDemokratieoderdiepräsidentielleDemokratievonderparlamen-tarischenDemokratieunterscheiden.Unabhängigvon ihrer jeweiligenAusformungisteinedemokratischepolitischeOrdnungdadurchgekenn-zeichnet,dasssiedenIndividueneinenHandlungsrahmenbietet,derdieVoraussetzungfürdieGewährleistunggleicherFreiheitenineinerselbst-bestimmtenGemeinschaftbildet.EinedemokratischepolitischeOrdnungalleinkannjedochnochkein»gutesLeben«garantieren,etwafreivonma-teriellerNot.DaesWohlfahrt,materielleSicherheitauchineinerauto-ritärenOrdnunggebenkann,dieunsversorgt,ohnedasswirunsinihranerkennen (Möllers, 2008,S.22),benötigenpolitischeOrdnungen inwestlichenDemokratienzuihrerLegitimationauchrechtsstaatlicheundsozialstaatlichePrinzipien.

In der Bundesrepublik Deutschland sind die Grundlagen der politi-schenOrdnungimGrundgesetzfestgelegt.AlsLeitprinzipderpolitischenOrdnunginDeutschlandgiltdieUnverletzlichkeitderMenschenwürde

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2. Basiskonzept Ordnung

(Art. 1 Abs. 1 GG). Die Menschenwürdegarantie bildet den AusdruckeinerverbindlichenundunabänderlichenAbsageanjedeFormeinerto-talitärenOrdnung(Haltern,2006).WeiterhinwerdenimerstenArtikeldesGrundgesetzesdie»unverletzlichenundunveräußerlichenMenschen-rechte«angeführt,diealsnaturrechtlicheNormenderVerfassungvorausliegenund letztlichvorpositive,d.h.nichtvonMenschengesetzteunddeshalbvonMenschennichtzubeseitigendeNormendarstellen.Diepo-litischeOrdnungderBundesrepublikDeutschlandwirdinihremKernals»FreiheitlichdemokratischeGrundordnung«(derBegriffistinArt.18und21 II GGenthalten)vomBundesverfassungsgerichtdefiniert.DasBundes-verfassungsgerichthatdiefdGOalseineOrdnungbestimmt,»dieunterAusschluss jeglicherGewalt-undWillkürherrschafteinerechtsstaatlicheHerrschaftsordnungaufderGrundlagederSelbstbestimmungdesVolkesnachdemWillenderjeweiligenMehrheitundderFreiheitundGleich-heitdarstellt.ZudengrundlegendenPrinzipiendieserOrdnungsindmin-destenszu rechnen:dieAchtungvorden imGrundgesetzkonkretisier-tenMenschenrechten,vorallemdemRechtderPersönlichkeitaufLebenundfreieEntfaltung,dieVolkssouveränität,dieGewaltenteilung,dieVer-antwortlichkeitderRegierung,dieGesetzmäßigkeitderVerwaltung,dieUnabhängigkeitderGerichte,dasMehrparteienprinzipunddieChancen-gleichheitfürallepolitischenParteienmitdemRechtaufverfassungsmä-ßigeBildungundAusübungeinerOpposition«(BVerfGE2,12f ).

FernerhabenPolitikwissenschaftundauchRechtswissenschaftausdenentsprechendenFormulierungendesGrundgesetzesvierVerfassungsprinzi-pienherausgearbeitet,diediepolitischeOrdnungderBundesrepublikprä-gen:dasDemokratieprinzip,dasRechtsstaatsprinzip,dasSozialstaatsprin-zip und das Bundesstaatsprinzip. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzipfassen die differenzierter formulierten übrigen Prinzipien freiheitlicherdemokratischerGrundordnungzusammen,wobeidasRechtsstaatsprin-zipauchalsInstrumentdient,einetotalitäreAusweitungundgenerelleineunkontrollierteAusübungderStaatsgewaltzuverhindern.SieistTeildesVersuchs,diealteFragezubeantworten,wieOrdnungundFreiheitzu-gleichverwirklichtwerdenkönnen.DasSozialstaatsprinzipverpf lichtetdenStaatdarauf,fürdiesozialeSicherungseinerBürgerundfürsozialenAusgleichzusorgen.AlleindasBundesstaatsprinzipstellteinezusätzliche,dieTraditionendeutscherStaatlichkeitindieZukunftverlängerteWert-entscheidungdar(Patzelt,2008,S.111).

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II. Basis- und Fachkonzepte

Internationale und globale Ebene

ZumBasiskonzeptOrdnunggehörenauchFragendesVerhältnisseszwi-scheneinzelnenGesellschaftenundihrenHerrschaftssystemenundmithinFragenderinternationalenBeziehungensowieinternationalerOrdnung.

Aufder internationalenEbene stellennebendenStaaten insbesonde-re internationale Organisationen, Zusammenschlüsse, Bündnisse undnichtstaatliche Akteure die wesentlichen Faktoren zur GewährleistunginternationalerOrdnungsstrukturendar.DieseVielfaltvonOrganisatio-nenimKontextderinternationalenOrdnungbedingt,dassPrinzipien,diefürstaatlicheOrdnungengeltenundfürdieseeinennormativenMaßstabdarstellenkönnen,imHinblickaufdieinternationaleOrdnungsstrukturnurbedingtübertragbarundanwendbarsind.Darüberhinausbeziehenin-ternationaleOrganisationenihredemokratischeLegitimitätvorallemausderLegitimitätderStaaten,diesiebegründen(Möllers,2008,S.96).

NachdemEndedesZweitenWeltkriegeswardasprägendeMusterderinternationalen Ordnung die durch den Systemgegensatz von Ost undWest vorgegebene Bipolarität der beiden Machtpole Sowjetunion undUSA(Gaddis,1997).DerZusammenbruchderkommunistischenOrdnun-geninderSowjetunionundderenSatellitenstaaten1989bis1991führtezueinemJahrzehntdesweltordnungspolitischenInterregnums,inwelchemdieMöglichkeitzueinerneuenGestaltungderweltpolitischenOrdnungdurchinternationaleOrganisationenbestand(Cox,1999).Dieweltpoliti-scheOrdnungseitBeginndes21.Jahrhundertsweisthingegeneineuni-polareGrundstruktur auf,diedurchdiepolitische,wirtschaftlicheundmilitärischeVormachtstellungder einzig verbliebenenWeltmachtUSAbestimmtwird:»DiederzeitigeOrdnungdesinternationalenSystemswirdangesichtsdernochbestehendenUnipolaritätinersterLinievondenUSAgeprägt,ohnedassdieseallerdingsinderLagewären,sieselbstundein-seitigzubestimmen.UndderenPolitikerfolgt(...)ineinemSpannungs-feldeines›realistischen‹undrobustenUnilateralismus,derauspragmati-schenGründengelegentlichvonmultilateralenZugeständnissengemildertwird,undeinem›idealistischen‹Projektdes›Demokratieexports‹,daswie-derumalsMitteleigenerInteressendurchsetzungbegriffenwird«(Hippler,2006,S.40f ).

AngesichtsderPrägungdesgegenwärtigenZeitaltersdurchglobalisie-rendeTendenzennimmtdieAbhängigkeiteinzelnerNationalstaatenvonbestimmtenanderenStaatenabundihreAbhängigkeitvonderpolitischenOrdnungderWeltgesellschaftzu.DieimGrundgesetzfundiertepolitischeOrdnungderBundesrepublikDeutschlandträgtdiesemUmstanddurch

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2. Basiskonzept Ordnung

dieSelbstverpf lichtungDeutschlandszurMitwirkungbeiderEntwick-lungderEuropäischenUnionalsStaatszielbestimmungRechnung.DieBeherrschbarkeitderwirtschaftlichenundpolitischenGlobalisierungistzuderzentralenFragederglobalenOrdnungspolitikgeworden.DieNatio-nalstaaten,früherdieeinzigeInstanzpolitischerSouveränität,habendurchdieGlobalisierungzumTeildieFähigkeitverloren,dieWeltproblememitdenherkömmlichenVerfahrenderMacht-undInteressenpolitikzube-wältigen (Messner,2000).DerVersucheinerAntwort aufdievielfälti-genHerausforderungenderGlobalisierung,dienichtmehrimnational-staatlichenRahmenzubewältigensind,wirddurchGlobalGovernance,derWeltordnungspolitikunternommen(Serra,2008).GlobalGovernancestelltdasUnterfangendar, aufwirtschaftlicher undpolitischerEbene zu in-ternationalenKooperationenzugelangen,welcheininternationalenOr-ganisationendurchAkteurewiedenVereintenNationen,derWelthan-delsorganisation,denG8-Staaten(inZukunftG20),demInternationalenWährungsfond,derWeltbanksowieNicht-Regierungsorganisationener-folgt.

ModelleeinerWeltordnungspolitik sindmitderdoppeltenFragederPraktikabilitätundderLegitimitätkonfrontiert:

Wiesoll,erstens,beiheterogenerInteressenstruktur ineinemSystemsich überlappender und durchdringender, geteilter Souveränitäten einefreiwilligeSelbstkoordinationerfolgen?Undwiekann, zweitens,wenndieseKoordinationnicht freiwillig erfolgt, einVerfahrengewährleistetwerden,dasdemokratischenGrundsätzenentspricht?IndiesemZusam-menhangwerdenVorschlägefüreinedemokratisiertepolitischeWeltord-nungdiskutiert.

DieGrundideedieserVorschlägebestehtdarin,dasVolkderVerein-tenNationenalsSubjektderDemokratieaufstaatenübergreifenderEbe-neeinzusetzen.DieKommissionfürWeltordnungspolitik(1995,S.286)schlägtinihremBerichtvor,sichdiesemProjektüberdenAusbaubeste-henderParlamentarierversammlungenanzunähernundinderZwischen-zeitaufeineErneuerungderGeneralversammlungalsVoraussetzungfüreineDemokratisierungderUNdurcheinezweiteKammerzudrängen(Brock,1998,S.46ff ).EinweitererVorschlagsiehtdieLösungderPro-blemeineinerStärkungderzivilgesellschaftlichenPräsenzandenOrtenderinternationalenStaatenpolitikundderSchaffungeinertransstaatlichendemokratischenÖffentlichkeit.AusgehendvonderbereitserfolgtenEin-beziehungvonNichtregierungsorganisationenindieWeltkonferenzendervergangenenJahre,z.B.durchBeteiligunganVorbereitungstreffen,durchdieErstellungnationalerBerichte,durchihreMitwirkungamKonferenz-

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II. Basis- und Fachkonzepte

geschehenunddurchdiePlanungvonFolgeaktivitäten,könnteeinständi-gesForumderZivilgesellschafteinberufenwerden,das»derinternationa-lenBürgergesellschaftdirektenZugangzumUN-SystemverschaffenunddamitstetigeEinf lussmöglichkeiteneröffnenwürde«(Brock,1998,S.46;KommissionfürWeltordnungspolitik,1995,S.287f ).

Politische Ordnung und politische Theorien

DasProblemderpolitischenOrdnung,ihrerStabilisierungundihrerLegi-timationfindetsichinfastallenpolitischenTheorien.Indemdiesez.B.nachderRolledesLegitimitätsglaubensimpolitischenLebenfragen,ge-hensiedavonaus,dassMenscheneinepolitischeOrdnung,derenGeset-zeundRegelnsieunterliegen,indenGrundzügenfürzustimmungswür-dighaltenmüssen,wenndieOrdnungdauerhaftseinsoll.AufdieFragenach der Stabilisierung politischerOrdnungen geben sie unterschiedli-cheAntworten.Solautetz.B.dieAntwortderSystemtheorievonTalcottParsons:WoSysteme sind, istOrdnung.DieElemente sind funktionalaufeinanderbezogenunddienenzusammendemÜberlebendesGanzen,sei dies einOrganismusoder eineGesellschaft (Parsons, 1951;Ladwig,2009,S.219).DerLiberalismusbeantwortetdieFragenachderStabilitätvonfreiheitlichenpolitischenOrdnungenmitderNotwendigkeitstaatli-cherHerrschaft.Kontraktualistenhaltenden»Vertrag«füreingutesMo-dell,einevernünftigeundstabilepolitischeOrdnungzuschaffen,unddiePluralismustheorieinderFormulierungErnstFraenkelsvertrautaufden»nichtkontroversenSektor«undeinenMinimalkonsens,umdiepolitischeOrdnung aufrechtzuerhalten (Fraenkel, 1991).DieBeispiele ließen sichfortführen.HinzukommenTheorienpolitischerOrdnung,die als sys-tematischeWissenschaftdievergleichendeAnalyse allermöglichenpo-litischenOrdnungen,alsempirischeWissenschaftdieAnalyseundDar-stellungenderkonkrethistorischrealisiertenHerrschaftsformenumfasst.NebendenGegenständender traditionellen Staatsformenlehre gehörendazuauchFragendesVerhältnisseszwischeneinzelnenGesellschaftenundihrenHerrschaftssystemenundderPrägungderGesellschaftdurchAktederpolitischenHerrschaft(Weber-Schäfer,1985,S.765).

DiezentraletheoretischeDebattezurpolitischenOrdnungaufeuropä-ischerEbenedrehtsichumdieverfassungshistorisch,rechtsvergleichendunddemokratietheoretischinspirierteWeiterentwicklungderüberliefer-tenKategorienwelt,dieEuropäischeUnionalseineGebilde suigeneriszwischenBundesstaatundStaatenbundzubeschreiben.Dabeifunktionie-

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3. Fachkonzepte Ordnung

renBegriffewie»Bund«und»Mehrebenensystem«alsAnknüpfungspunk-tefüreinenstrukturellenVergleichderpolitischenOrdnungen.Darüberhinausbildetdashäufigkonstatierte»Demokratie-undLegitimitätsdefi-zit«einzentralesElementderpolitischenundwissenschaftlichenDiskus-sionumdieeuropäischeOrdnung.

AufglobalerEbenewirddieEntwicklungpolitischerOrdnungsstruk-turen theoretischunterdemStichwort »KonstitutionalisierungdesVöl-kerrechtsdiskutiert«(Walter,2001).IndieserDebattesolldieEntstehungpolitischerLegitimationsstrukturenvorallemaufderEbenederVerein-tenNationenunddieEntwicklungeinereigeneninternationalenGemein-wohlkonzeptiondieDiagnosevoneinerwerdendenVerfassungsähnlich-keitimVölkerrechtrechtfertigen(Fassbender,1998).

3. Fachkonzepte Ordnung

3.1 Demokratie

Essenz des Fachkonzepts

DemokratieistderOberbegrifffüreineVielzahlpolitischerOrdnungsvor-stellungen.Allebeanspruchenfürsich»government of the people, by the people, for the people«(AbrahamLincoln)zusein,d.h.,dieHerrschaftgehtausdemVolkhervor(of )undwirddurchdasVolk(by)undinseinemInteresse( for)ausgeübt.DemokratieistengverwandtmitdemPrinzipderVolkssouve-ränität,nachdemalleStaatsgewaltvomVolkausgehtundsichvordemVolklegitimierenmuss.AusgeübtwerdenkanndemokratischeHerrschaftzumeinenunmittelbardurchdasVolkinVolksversammlungenoderdurchAbstimmungeninVolksentscheiden,zumanderendurchgewähltePerso-nen,d.h.Repräsentanten.DemokratischeHerrschaftsausübungdientdemWohleundNutzendesVolkesundnichtdenjeweilsHerrschenden.

DerdemokratischeVerfassungsstaatisteineKombinationausdreiDe-mokratiemodellen:InderVerfassungsdemokratiestehtniemandoberhalbderVerfassungunddamitdesRechts,auchdasVolknicht.InderKon-kurrenzdemokratieentscheidennichtalleüberalles,sondernrelativkleineGruppenGewähltersindmitdenpolitischenEntscheidungenbetraut.DieExistenzpolitischerElitensowiepolitischeFührunggiltnichtalsVerstoß

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II. Basis- und Fachkonzepte

gegendieIdeederDemokratie.InderrepräsentativenDemokratiewerdenAbgeordnetegewählt,dieimNamendesVolkes,aberohnedessenbinden-denAuftragdasGemeinwohlgestalten.DieRepräsentantenmüssensichgegenüberdenRepräsentiertenpolitischverantworten.

DerdemokratischeVerfassungsstaat istdurch folgendeMerkmalege-prägt:RechtlicheGleichheitallerBürger/-innen,allgemeinesWahlrecht,umfassende Partizipationsrechte und -chancen der Bürger/-innen, dis-kursiveÖffentlichkeit,GeltungdesMehrheitsprinzips,Herrschaftsanver-trauungaufZeit, gewaltenteiligeOrganisationderStaatsgewalt,Mehr-parteiensystem,Parteienwettbewerb,PluralismusderInteressenverbände,offenerpolitischerWillensbildungsprozessundfreieEntfaltungsmöglich-keitenderOpposition(Schmidt,2006,S.21f,S.26).

Politikwissenschaftliche Vertiefung

DieDemokratieweisteinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.SiecharakterisiertamumfassendstendenfreiheitlichenVerfassungsstaat.DemokratietheoretischlassensichzweiunterschiedlicheRichtungennor-mativerDemokratietheorieunterscheiden.FürdieeineTheorierichtungstehtvorallemRousseau.AufihnlassensichdieSouveränitätsdemokratie,dieIdentitätsdemokratieunddieunmittelbareDemokratiezurückführen.DieSouveränitätsdemokratiegehtvonderAnnahmeaus,dassdasVolkalsSouveränankeinvorgängigesRechtgebundenist.DieVolksversammlunggiltalsdashöchste,alleinmitoriginärenHerrschaftsrechtenausgestatteteundprinzipielluniversalzuständigeEntscheidungsorgan.DieIdentitäts-demokratieenthältdieVorstellung,dassdieDemokratieFremdherrschaft,verstandenalsHerrschaftdereinenüberdieanderen,ausschließt.Unmit-telbareDemokratiebedeutet,dassdieAngehörigeneinessozialenVerban-dessichihreGesetzeselbstgeben.EswerdenkeinerepräsentativenOrga-nekonstituiert.

DieandereTheorieströmunggehtzurückaufLockeundistvonspä-terenDemokratietheoretikern (Montesquieu,Burke,Federalists,Sieyès,Mill,Tocqueville,Schumpeter,Fraenkel)zurKonkurrenz-,zurrepräsen-tativenundzurpluralistischenDemokratieweiterentwickeltworden. Inder politikwissenschaftlichen Demokratieforschung der Gegenwart las-sen sichempirische, formaleundnormativeDemokratietheorienunter-scheiden.EmpirischeTheorienbeschreibenpolitischeSysteme,die sichdemokratischnennen.SieklassifizierendieunterschiedlichenTypenwiedieparlamentarischeunddiepräsidentielleDemokratie,dieKonkurrenz-

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3. Fachkonzepte Ordnung

unddieKonkordanzdemokratiesowiedieMehrheits-unddieKonsensde-mokratie,messenihreLeistungsfähigkeitundbenennenihreFunktions-voraussetzungen(Schmidt,2006,S.307).FormaleTheorienkonstruierenModellederDemokratie,mitderenHilfesieFunktionsabläufeexistieren-derDemokratieerklärenwollen.DazugehörenRational-Choice-ModellesowiedieSystemtheorie.NormativeDemokratietheorienbegründen,wasDemokratie idealerWeiseausmachtundwie siediesenIdealenentspre-chendausgestaltetwerdenkann.Dazuzählendieelitäre,diepartizipative,diedeliberative,dieassoziative,diestarkeunddiepostmoderneDemokra-tietheorie(Buchstein,2004,S.48ff ).

Fehlkonzepte

EinhäufigesFehlkonzeptistdieVorstellung,DemokratieermöglichedemEinzelnenSelbstbestimmung.DemokratiebedeutetjedochnichtSelbstbe-stimmungdesEinzelnen,sondernSelbstbestimmungdesVolkes,wasnichtmitHerrschaftsfreiheitgleichzusetzenist.HerrschaftinderDemokratieistjedochkeineangemaßteHerrschaft,sonderneinevonderMehrheitdesVolkesanvertraute,verantwortliche,zeitlichundsachlichbegrenzte,diederKritikundKontrolleunterliegtunddieergänztwirddurchAnteilnah-medesVolkesanderpolitischenWillensbildung(Hesse,1999,S.61f ).EinweiteresFehlkonzeptistdieErwartung,dassdemokratischgefällteEnt-scheidungendeshalbgerechtseinmüssen,weilsiedemokratischzustandegekommensind.DemokratienhabenjedochdieNeigung,dieBedürfnis-sedesAugenblickszuLastenderZukunftzubefriedigen.SchließlichwirdderDemokratienichtseltenetwaszugeschrieben,wasdemRechtsstaatzuverdankenist:z.B.dasSystemderGrundrechte,dieRechtssicherheitundderumfassendeRechtsschutz(Schmidt,2006,S.529,536).

Vernetzung des Fachkonzepts

Dem Fachkonzept Demokratie geht das Verständnis der Fachkonzep-teRechtsstaatundSozialstaatvoraus.Beideprägendiemodernewestli-cheDemokratie.Dasgleichegilt fürdasFachkonzeptGewaltenteilung,Repräsentation und Grundrechte. Demokratien beinhalten bestimmteFormen vonpolitischenEntscheidungen. ImRahmendiesesBasiskon-zeptsbestehteinengerZusammenhangzudenFachkonzeptenParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Wahlen,Parlament,Regierung,Op-

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II. Basis- und Fachkonzepte

position,LegitimationundÖffentlichkeit.BezogenaufdasBasiskonzeptGemeinwohlsinddieFachkonzepteGerechtigkeit,Menschenwürde,Frei-heit,GleichheitundNachhaltigkeitgrundlegend.

Beispielthemen

Bereits inderPrimarstufekanneinerstesVerständnisder repräsentati-venundderunmittelbarenDemokratieangebahntwerden.DieKlassen-sprecherwahlgibtGelegenheit,überdemokratischeWahlverfahrensowieüberdieAnforderungendiesesrepräsentativenAmteszusprechen.IsteinKlassenrateingerichtet,liegteineInstitutionderunmittelbarenDemokra-tievor.DiedemokratischenElementedesKlassenrateskönnenebenfallsimGesprächherausgearbeitetwerden.InderSekundarstufeIlassensichdieElementedesdemokratischenVerfassungsstaatesvermitteln.InderSekun-darstufeIIkannüberdieWeiterentwicklungderbestehendendemokra-tischenVerfassungsordnungnachgedachtwerden.Dabeikönnenmoder-neTheorienwiediedeliberativeDemokratietheorieoderdieTheoriederstarkenDemokratieindenBlickgenommenwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Demokratie zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte Fachkonzepte

Ordnung Repräsentation,Gewaltenteilung,Rechtsstaat

EntscheidungParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Parlament,Regierung,Opposition,Wahlen,Legitimation,Öffentlichkeit

Gemeinwohl Menschenwürde,Freiheit,Gleichheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Demokratie

Schulstufen Begriffe

Primarstufe Mehrheitsprinzip,Abstimmung,Diskussion

SekundarstufeI Volksbegehren,Volksentscheid,Mehrparteiensystem

SekundarstufeIIVolkssouveränität,Pluralismustheorie,Identitätstheorie,Verfassungsstaat

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3. Fachkonzepte Ordnung

3.2 Europäische Integration

Essenz des Fachkonzepts

DieEuropäischeIntegrationstelltdenEinigungsprozesseuropäischerStaa-tendar.DerzeitumfasstdieEuropäischenUnion(EU)27Mitgliedstaa-ten.DieeuropäischeIntegrationzieltaufeinesupranationalewirtschaft-liche,sozialeundpolitischeOrdnungsstrukturdereuropäischenStaaten.DieEuropäischeUniongründetaufihrenVerträgen.Darinsindu.a.dieZuständigkeitenderEUfürverschiedenePolitikfelderunddieAusgestal-tungderIntegrationfestgelegt,diebildlichdurchdasDrei-Säulen-Modelldargestelltwerdenkann:dieersteSäulebildendieEuropäischeGemein-schaft,diezweiteSäuledieGemeinsameAußen-undSicherheitspolitik(GASP)unddiedritteSäulediepolizeilicheundjustizielleZusammenar-beit.WährendfürdieEuropäischeGemeinschafteineintegrierte,suprana-tionaleGemeinschaftspolitikgilt,arbeitendieMitgliedstaatenderEUbeiderGASPsowiederInnen-undJustizpolitikintergouvernementalzusam-men(Algieri,2008).IndiesenbeidenletztgenanntenBereichenfindeteinezunehmendabgestimmtePolitikderintegriertenMitgliedstaatenstatt.DadasinstitutionelleGefügederEUmitseinenverschiedenenPartizipations-undEntscheidungsebenenmitkeinembishervorhandenennationalstaatli-chenoderinternationalenSystemverglichenwerdenkann,wirddieEUalspolitischeOrdnungsui generisverstanden(Gusy&Schewe,2008).

Politikwissenschaftliche Vertiefung

DaessichbeiderIntegrationderMitgliedstaatenderEUumeinepoli-tischeOrdnungsui generishandelt,istderBezugzumBasiskonzeptOrd-nungoffensichtlich.EineinPolitikundWissenschaftoffeneundkontro-versdiskutierteFrageistdienachdemgewolltenEndzustand,derFinalitätdeseuropäischenIntegrationsprozessesunddamitdereuropäischenOrd-nung.DieseFrage istumsostrittiger,da inderIntegrationswissenschaftunterschiedlicheAnsätzezurErklärungundZieldesIntegrationsprozes-sesvorhandensind(Thalmaier,2005).Alsklassischgeltenföderalistische,intergouvernementaleundneo-funktionalistischeAnsätze.

Gemäßdes föderalistischenAnsatzes sollteursprünglicheineinmali-gerVerfassungssprungzueinerZurückstufungderdominierendenRol-lederNationalstaatenund zurGründungeines »europäischenBundes-

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II. Basis- und Fachkonzepte

staates« führen.Zieldes föderalistischenAnsatzes istkein »europäischerSuperstaat«,sonderndieBändigungzentralistischerTendenzendurchdieFestlegunggemeinsamerGrundrechteund-werte,einevertikaleundho-rizontaleGewaltenteilungdemokratischer Institutionen sowieeinekla-reKompetenzordnung,dienachdemPrinzipderSubsidiaritätallenbe-teiligten politischen Ebenen eigene Aufgabenbereiche zuweist (Große,Hüttmann&Fischer,2005;Giering&Metz,2007).

Schaubild 2: Vernetzung des Fachkonzepts europäische Integration

DagegengehtderstaatszentrierteIntergouvernementalismusalsgänzlichandereOrdnungsvorstellungvoneinerunabdingbaren»Balance of Power«zwischendenMitgliedstaatenaus.DabeiwirddasPrimatderNationen,derenKooperationnichtüberdenStatuseines»Staatenbundes«odereiner»Konföderation«hinausgeht,indenMittelpunktgestellt.Somitistbeidie-sereuropäischenOrdnungsideederNationalstaatundseineSouveränität

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3. Fachkonzepte Ordnung

allesanderealsüberwunden.AllerdingsbleibtbeidieserKonzeptionof-fen,unterwelchenUmständenes zurAusweitunggemeinsamerRege-lungenaufneuePolitikbereichekommenkannundwannderSchrittvonzwischenstaatlicherKooperationzunichtrevidierbarersupranationalerIn-tegrationtatsächlichvollzogenist(Bieling,2005;Giering&Metz,2007).

AlsweitereeuropäischeOrdnungskonzeptiongehtschließlichderNeo-Funktionalismusdavonaus,dassdieeinmalbegonneneZusammenarbeitinwenigkontroversenPolitikfelderndurchsogenannteSpill-over-EffekteaufandereSachgebieteerweitertundsomitdiesupranationaleIntegrationstetigausgebautwird.AlsfunktionalistischeFormelgiltdeshalb,dassdieinstitutionelleGestaltderwirtschaftlichenoderpolitischenAufgabefolgt(»form follows function«).AllerdingsbleibtauchbeidiesereuropäischenOrd-nungskonzeptionoffen,welcheArtpolitischerUniondarausletztlichent-steht(Wolf,2005;Giering&Metz2007).

Fehlkonzepte

AlsunterrichtlicheVorgaben finden indenKerncurricula zumGegen-standdereuropäischenIntegrationzwarvielfachdiedaranbeteiligtenOr-gane Erwähnung. Die ursprüngliche Motivation für den europäischenVergemeinschaftungsprozess sowie die politisch kontrovers diskutierteFragenachdemgewolltenEndzustanddieserpolitischenOrdnungblei-benindenCurriculajedochoftmalsaußenvor.GleichesgiltfürdieVer-mittlungdeseuropäischenMehrebenensystems.OhnedessenVerständnisbleibtdieunterrichtlicheAuseinandersetzungmitdeneuropäischenOrga-nenjedochalleinaufderinstitutionenkundlichenEbene.

Vernetzung des Fachkonzepts

FürdieVermittlungdereuropäischenIntegrationistdieAuseinanderset-zungmitdemeuropäischenMehrebenensystemunddamitauchmitdemFachkonzept europäischeAkteure unabdingbar. In diesemSystem ver-suchenkommunale, regionale, nationale und europäischeAkteure ihreInteresseneinzubringenunddurchzusetzen,wodurchdiesesFachkonzeptauchmitdemBasiskonzeptEntscheidungverbundenist.WeiterhinistdasFachkonzept europäische Integration mit dem Fachkonzept Gewalten-teilungvernetzt.DieMöglichkeitenundGrenzenderEntwicklungdie-serpolitischenOrdnungwerdenindenverschiedeneneuropapolitischen

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II. Basis- und Fachkonzepte

Konzeptionendeutlich,diewiederummitdenFachkonzeptenDemokra-tie,Grundrechte,Rechtsstaat,Parlament,RegierungundLegitimation,FreiheitundSicherheitverknüpftsind.

Beispielthemen

InsbesondereaufderSekundarstufeIkanndiehistorisch-politischeEnt-wicklungdeseuropäischenIntegrationsprozessesthematisiertwerden,wo-beieinSchwerpunktaufderpolitischenMotivationfürdenEinigungspro-zessliegenkann.WeiterhinisthierdieThematisierungderverschiedenenErweiterungsstufen sowie der Herausbildung integrierter Bereiche desBinnenmarktesmöglich. Schließlich sollten auch bereits in der Sekun-darstufeIdiezwischenstaatlicheZusammenarbeit,beispielsweiseanhanddergemeinsamenAußen-undSicherheitspolitik, sowiedaseuropäischeMehrebenensysteminAnsätzenthematisiertwerden.

InderSekundarstufeIIbietetsichinsbesonderedieThematisierungderFinalität der europäischen Integration an.Nicht zuletzt sollten sichdieLernendenhierauchmitderdemokratischenLegitimitätdieserpolitischenOrdnungsui generisauseinandersetzen.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Europäische Integration zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Demokratie,Grundrechte,Rechtsstaat

Entscheidung EuropäischeAkteure,Parlament,Regierung,Legitimation

Gemeinwohl Freiheit,Sicherheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Europäische Integration

Schulstufen Begriffe

SekundarstufeIBinnenmarkt,Vergemeinschaftungsprozess,Erweiterung,GemeinsameAußen-undSicherheitspolitik

SekundarstufeIIIntegrationsprozess,europäischesMehrebenensystem,Intergouvernementalismus

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3. Fachkonzepte Ordnung

3.3 Gewaltenteilung

Essenz des Fachkonzepts

Gewaltenteilung ist ein System der Hemmung und Balancierung derStaatsgewalt. IhrZweck ist dieMäßigung staatlicherHerrschaft.DieseMäßigungwiederumsolldieFreiheitderBürger-/innenschützen.Gewal-tenteilungwirddurchzweiengzusammengehörendeMechanismenbe-wirkt,nämlichGewaltentrennungundGewaltenverschränkung.

GewaltentrennungmeintdieAufteilungderStaatsgewalt,d.h.dervomStaat ausgeübten Funktionen auf verschiedene Staatsorgane. Es soll keinStaatsorgangeben,das füralleFunktionenzuständig ist.DenndieswäregleichbedeutendmiteinerdieFreiheitbedrohendenMachtkonzentration.MitGewaltenverschränkungistzweierleigemeint:ZumeinenderMecha-nismus,dassanderErfüllungbestimmterStaatsfunktionenmehrereStaats-organe beteiligt sind. Man kann dies geteilte politische Macht nennen.TypischhierfüristdieGesetzgebung,anderBundestag,Bundesrat,Bundes-regierung und Bundespräsident beteiligt sind. Geteilte politische MachtzwingtdieBeteiligtenzurZusammenarbeitundfördertdamitKompromis-se.GewaltenverschränkungbezeichnetzumanderendenMechanismus,dassdieverschiedenenStaatsorganenacheigenemErmessenaufeinandereinwir-kenunddasjeweilsandereOrganzubestimmtenReaktionenveranlassenoderzwingenkönnen.MankanndieskontrolliertepolitischeMachtnen-nen.EinBeispielhierfüristdievonderparlamentarischenOppositionver-anlassteabstrakteNormenkontrollklagebeimVerfassungsgerichtgegeneinvonderParlamentsmehrheitverabschiedetesGesetz.KontrolliertepolitischeMachtverhindertselbstherrlichesVerhalten(Loewenstein,1969,S.39ff ).

MankanneinehorizontalevoneinervertikalenGewaltenteilungun-terscheiden.DiehorizontaleGewaltenteilungbeziehtsichaufdasVerhält-nisvonStaatsorganen,dieaufderselbenstaatlichenEbeneangesiedeltsind.InDeutschlandsindesdieEbenendesBundesundderLänder.Diever-tikaleGewaltenteilungbezieht sichdagegenaufdieAufteilungderBe-fugnissezwischendenverschiedenenEbenen.SohabendieEuropäischeUnion,derBundunddieLänderjeeigeneKompetenzen.DadurchwirddieKonzentrationstaatlicherMachtaufeinerEbeneverhindert.

DieGewaltenteilungbeschränktsichnichtaufdieEbenestaatlicherIn-stitutionen.DenngewaltenteilendeElementegibtesauchinderGesell-schaft.SobezeichnetmandiePresseaufgrunddervonihrausgehendenKontrollwirkungals»vierteGewalt«.ParteienundInteressengruppenbil-

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II. Basis- und Fachkonzepte

deneineArt»pluralistischeGewaltenteilung«inderGesellschaft.Siefor-men außerdem den politischen Willen vor, der von den Staatsorganendann in staatlicheEntscheidungen transformiertwird.DieseArbeitstei-lungkannmandezisiveGewaltenteilungnennen(Steffani,1997,S.48ff ).

Politikwissenschaftliche Vertiefung

DieGewaltenteilungweistengeBezügezumBasiskonzeptOrdnungauf.WiekeinanderesFachkonzeptdrücktdieGewaltenteilungnämlicheinenaufFreiheitsbewahrunggerichtetenOrdnungswillenaus.DieGewalten-teilungisteinGrundzugallerfreiheitlichenVerfassungsordnungen.

Diebekanntesteundeinf lussreichsteGewaltenteilungslehrestammtvonMontesquieu.MontesquieuunterschieddiedreiFunktionenLegislative,ExekutiveundJudikative.DieExekutiveordneteerdemMonarchenzu.DieLegislativevertrauteereinergewähltenKörperschaftdesVolkessowieeinerAdelskörperschaftan.DemMonarchengabereinVetorechtbeiderGesetzgebung.DamitwarenallegesellschaftlichenKräfte,nämlichVolk,AdelundKönigshaus,anderGesetzgebung,d.h.dermaßgeblichenHerr-schaftsausübung,beteiligt.DieJudikativesollteeinenachStändengeord-neteRichterschaftübernehmen.DieRichterschaftspielteinderGewal-tenbalancejedochkeineeigenständigeRolle.

ImparlamentarischenRegierungssystemderBundesrepublikDeutsch-landgibteseinenanderenDualismus:HierstehensichdieRegierungs-mehrheit, bestehend aus der Parlamentsmehrheit sowie derRegierung,unddieparlamentarischeOppositiongegenüber.EineigenständigesGe-wichtbesitztdanebendasVerfassungsgericht.

Fehlkonzepte

DasFachkonzeptistmiteinigenFehlkonzeptenbelastet.EinGrundhier-fürliegtimWortbestandteil»Gewalt«,derirreführendist.Denneswirdnichthinreichenddeutlich,dass »Gewalt«eineStaatsfunktionundnichteinStaatsorganmeint.Hinzukommt,dass»Gewalt«imDeutschenAsso-ziationenzu»Gewalttätigkeit«auslöst.

Die fast schon kanonische Geltung beanspruchende Dreiteilung inLegislative,ExekutiveundJudikativeistkeineswegsüberzeugend(Kägi,1969,S.294ff ).InsbesondereverdecktdieexekutiveGewalt,dassdiedie-serGewaltüblicherweisezugeordneteRegierungnichteinfachnur»exe-

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3. Fachkonzepte Ordnung

kutiert«,sondern»regiert«,d.h.aktivundprospektivgestaltet.Manmüss-tefolglichvoneinerweiterenGewalt,nämlichderGubernative,sprechen.DieBehauptungjedenfalls,dassesdiemaßgeblicheAufgabederRegie-rungsei,dieGesetzezu»exekutieren«,isteinFehlkonzept.

AlstypischesFehlkonzeptistauchdieBehauptungzuwerten,dassfürdieLegislativedasParlament,inDeutschlandalsoderBundestag,zuständigist.Diesistnichtdirektfalsch,dadasParlamenttatsächlichdasmaßgeblicheGesetzgebungsorganist.DennochdrücktdieBehauptungdieWirklichkeitnurunvollkommenaus.InDeutschlandetwasindnebendemBundestagnochderBundesrat,dieBundesregierung,derBundespräsidentundgege-benenfallsnochdasBundesverfassungsgerichtanderLegislativebeteiligt.

VieleSchulbüchertradierendasFehlkonzept,dass»das«ParlamentdieGesetze»macht«.EbensofindensichinvielenSchulbüchernschematischeDarstellungen,dieaufeinerunkritischenRezeptionderDreiteilungderGewaltenberuhen.

Vernetzung des Fachkonzepts

DieGewaltenteilungisteinanspruchsvollesKonzept,dassichnichtdurcheineoberf lächlicheLektüreeinigerGrundgesetzartikelundebensonichtdurcheineunkritischeÜbernahmederAusführungenMontesquieuser-schließt.DieKonzepteRegierung,ParlamentundOppositionrepräsen-tieren Akteure des politischen Prozesses. Sie sind anschaulicher als dieGewaltenteilungundsolltendeshalbinderKonzeptentwicklungvoran-gehen.DerDualismusvonRegierungsmehrheitundOppositionistindie-senKonzeptenimplizitenthalten.

Beispielthemen

DiePrimarstufekannbereitseinVerständnisderGewaltenteilunganbah-nen. So sind die unterschiedlichenZuständigkeiten desBürgermeistersunddesGemeinderatesinderGemeindeAusdruckdesGewaltenteilungs-prinzips.EingeeignetesThemakönntesein:»KönntedieGemeindenichtohnegewähltenRatauskommen?«

InderSekundarstufeIkanndasKonzeptGewaltenteilungausgedehntwerdenaufdieinstitutionelleOrdnungdesBundesodereinesLandes.MitHilfegeeigneterThemenlassensichdieverschiedenenAspektedesGewal-tenteilungsprinzipserschließen:»WelcheOrganesindanderGesetzgebung

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II. Basis- und Fachkonzepte

beteiligt?WelcheMöglichkeitenderBeteiligunghabensiejeweils?Wa-rumsindsiejeweilsbeteiligt?«»WarumkannderBundestagdieAnwesen-heitjedesMitgliedsderBundesregierungverlangen?«»WelchenSinnha-benImmunitätundIndemnitätderAbgeordneten?«

InderSekundarstufeIIkönnenpolitischeOrdnungsmodellewiedieDe-mokratie und die Autokratie thematisiert werden. Zur begriff lichen Er-fassungderOrdnungsmodellebietet sicheinRückgriffaufdasGewalten-teilungskonzeptan.AndieDemokratiekönntediekritischeFragegerichtetwerden,obdieGewaltenteilungdieDemokratienichteherschwächtalsstärkt.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Gewaltenteilung zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Rechtsstaat,Demokratie

EntscheidungParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Parlament,Regierung,Opposition,Legitimation,Öffentlichkeit

Gemeinwohl Gerechtigkeit,Freiheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Gewaltenteilung

Schulstufen BegriffePrimarstufe Zuständigkeit

SekundarstufeIVertrauensfrage,KonstruktivesMisstrauensvotum,Pluralismus,Bundesstaat,Verfassungsgericht

SekundarstufeII Machtteilung,Machtkontrolle

3.4 Grundrechte

Essenz des Fachkonzepts

GrundrechtesinddieineineVerfassungübernommenenMenschenrechte.SiesindElementarrechte,diedemEinzelnendurchdieVerfassungverbrieftundgarantiertsind.SieverleihendemIndividuumeinenRechtsstatus,derihmnichteinfachvonBehördenunddurchRichterspruchentzogenwer-

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3. Fachkonzepte Ordnung

denkann.GrundrechtelassensichinFreiheitsrechteundGleichheitsrech-teunterscheiden.DieFreiheitsrechteuntergliedern sich inRechte zumSchutzederFreiheit derPerson (persönlicheFreiheitsrechte), in gesell-schaftlich-politischeMitwirkungsrechte(politischeFreiheitsrechte)undinRechtezurfreienwirtschaftlichenBetätigung(wirtschaftlicheFreiheits-rechte).DieGleichheitsrechtenormierenentwederrechtlicheGleichheitoderbeauftragendenStaat,bestehendeUngleichheitenzubeseitigen.

NebendenGrundrechtengibtesauchGrundpf lichten.DerGesetzesge-horsamistdievorrangigePf lichteinesjedenGesellschaftsmitgliedes.DieübrigenGrundpf lichtennehmendieLeistungskraftdesEinzelnenfürdieBelangedesGemeinwesensinAnspruch.HierzugehörendieWehrpf lichtbzw.dieErsatzdienstpf licht,dieausderSozialpf lichtigkeitdesEigentumsresultierendeEigentumsabtretungspf lichtunddie Steuerzahlungspf licht(Hofmann,1992,S.332f ).

DieFreiheitsrechtegeltennichtunbegrenzt.DasergibtsichschonausderÜberlegung,dassderFreiheitsraumdesEinzelnendortendet,woderFreiheitsraumeinesanderenbeginnt.EbensowürdedieVerabsolutierungeinesGrundrechts zurWirkungslosigkeit anderermit ihm in sachlicherSpannungstehenderGrundrechteführen.SchließlichgibteswichtigeBe-langederAllgemeinheit(Gemeinwohl),diedurcheinenunbeschränktenFreiheitsgebrauchübermäßig beeinträchtigtwerdenkönnten.DieFrei-heitsrechtesinddeshalbfastimmermitbestimmtenSchrankenversehen.DiewichtigsteSchrankeistderGesetzesvorbehalt.EinGesetzesvorgehaltermächtigt denGesetzgeber ausdrücklich, dieGrenzen eines Freiheits-rechtsinFormeinesGesetzeszubestimmen.DasentsprechendeGrund-rechtgiltdannnachMaßgabediesesGesetzes(Hesse,1995,S.154ff ).

DieGrundrechtewerdendurchmehrereVorkehrungengeschützt:SodürfendieGrundrechtenichtbeseitigtoderabgeschafftwerden.Siedür-fenauchnichtausgehöhltwerden.Weiterhinkannmandierechtsprechen-deGewaltanrufen,wennmansichinseinenRechtenvonderöffentlichenGewaltverletztfühlt.SchließlichgibtesdieVerfassungsbeschwerde.SiekannvonjedermannbeimBundesverfassungsgerichtmitderBehauptungerhobenwerden,durchdieöffentlicheGewaltineinemGrundrechtver-letztwordenzusein.

Politikwissenschaftliche VertiefungDieGrundrechteweiseneinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.DennsiesindentscheidendeOrdnungselementedesfreiheitlichenVer-

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II. Basis- und Fachkonzepte

fassungsstaates.DieeigentlicheGeburtsstundederMenschenrechteschlägtim18.Jahrhundert.ZudieserZeitentstanddasmoderneindividualistischeNaturrecht.DiesesNaturrechtdenktvomIndividuumher.EsstelltsichdasIndividuumalsmitnatürlichenRechtenbegabtvor.WeiterhinnimmteseinenatürlicheGleichheitderIndividuenan(Kühnhardt,1991,S.43ff ).MankanndieGrundrechtedengroßenpolitisch-geistigenStrömungenzu-ordnen.SoentstammendieFreiheitsrechtegroßenteilsdemLiberalismus.EinigeBestimmungen, sodieUnantastbarkeit derMenschenwürde, dieGlaubensfreiheit,dasElternrechtunddieVerankerungdesReligionsunter-richts,tragenchristlich-naturrechtlicheZüge.SozialistischeAkzentelassensichimRechtaufGewerkschaftsbildung,inderSozialbindungdesEigen-tumssowieinderZulässigkeiteinerSozialisierungvonGrundundBoden,NaturschätzenundProduktionsmittelnerkennen.

DieGrundrechte stehen inSpannungzueinanderwie auchzuande-renVerfassungswerten.DieseSpannungenverlangeneinenAusgleich,derdurchdieGesetzeoderdieRechtsprechungvorgenommenwird.

Fehlkonzepte

SchwerpunktmäßigthematisiertwerdendieGrundrechteindenKerncur-riculaderSekundarstufeI.DieSchulbücherwidmendemGegenstandbrei-teAufmerksamkeit.AllerdingsfehlennichtseltenHinweiseaufdieGrund-rechtsschranken.DaheristdieVorstellungweitverbreitet,dieGeltungvonGrundrechten sei unbeschränkt.Hierwird übersehen, dass diemeistenGrundrechtenurnachMaßgabevonGesetzen(Gesetzesvorbehalt)gelten.

WeiterhinkannderGrundrechtsgebrauchzuKonf liktenführen,wennGrundrechte in Spannung zueinander stehen. Sie müssen dann zumAusgleichgebrachtwerden,wasmit einerRelativierungverbunden ist.Schließlich findenGrundrechte ihreGrenzen in anderenRechtswertenmitVerfassungsrang.BeidesstößtbeivielenMenschenaufUnverständnis.Weitgehend ignoriertwirddieDimensionderGrundpf lichten,obwohldieseineinemgewissenSinnedieKehrseitederFreiheitsrechtedarstellen.

Vernetzung des Fachkonzepts

DasVerstehendesKonzeptssetztkeinWissenüberandereFachkonzep-tevoraus.DieKonzeptentwicklungistaberunbedingtangewiesenaufdieErfassungdesallgemeinenFreiheitsrechtsunddesGleichheitsgrundsatzes.

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3. Fachkonzepte Ordnung

In der Konzeptentwicklung ist die Differenzierung der verschiede-nenArtenderFreiheitsrechte vorzunehmen:PersönlicheFreiheitsrech-te(Privatsphäre,Glaubensfreiheit,Freizügigkeit),politischeFreiheitsrech-te (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit) undwirtschaftlicheFreiheitsrechte(Berufswahlfreiheit,Eigentumsrecht).DieKonzeptentwicklung darf die Dimension der Grundpf lichten wie denRechtsgehorsam, die Wehr- bzw. Ersatzdienstpf licht, die Pf licht, eineEnteignungzudulden,sowiedieSteuerzahlungspf lichtnichtaußerAchtlassen.

Beispielthemen

InderPrimarstufekönnensichdieLernendenmitdenKinderrechtenaus-einandersetzen,dieinderKinderrechtskonventionderVereintenNatio-nenaufgeführtsind.EineweitereMöglichkeitist,diewichtigstenGrund-rechteaufdieSituationvonKindernzuübertragen.

InderSekundarstufeIbietetsichdieErörterungvonRechtskonf lik-tenan,indenenGrundrechtetangiertsind.DabeigehtesentwederumKonf liktezwischendenRechtspositionendesEinzelnenundstaatlichenZugriffen (Beispielthema: »Welche Informationen über den EinzelnendarfeineVolkszählungerheben?«)bzw.staatlichenSchutzaufträgen(Bei-spielthema:»IstderSchwangerschaftsabbruchnichteigentlicheinepriva-teAngelegenheit?«)oderumkonf ligierendeRechtsansprücheEinzelner(Beispielthema:»IstderAufrufzumBoykotteinesanderennichtAusdruckderMeinungsfreiheit?«).

InderSekundarstufeIIkannderStellenwertderGrundrechtefürdendemokratischenVerfassungsstaaterörtertwerden.DabeikönnenauchdiegeschichtlicheHerkunftundderphilosophischeHintergrundderGrund-rechtethematisiertwerden.SchließlichkannderBlickvondenGrund-rechtenzudenMenschenrechtenerweitertwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Grundrechte zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Rechtsstaat

Entscheidung Legitimation

Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Freiheit,Gleichheit

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II. Basis- und Fachkonzepte

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Grundrechte

Schulstufen BegriffePrimarstufe Meinungsfreiheit

SekundarstufeIPressefreiheit,Versammlungsfreiheit,Vereinigungsfreiheit,Berufsfreiheit,Eigentumsrecht,Rechtsgehorsam,Wehr-undErsatzdienstpf licht

SekundarstufeIIGlaubensfreiheit,Gewissensfreiheit,Menschenrechte,Naturrecht

3.5 Internationale Beziehungen

Essenz des Fachkonzepts

InternationaleBeziehungenstellendasBeziehungsgef lechtverschiedenerinternationalerAkteure imAktionsfelddes internationalenSystemsdar.InternationaleOrdnungsstrukturensuchendeninternationalenBeziehun-gen einenordnungspolitischenRahmen zu gebenund auf dieseWeiseauchrechtlicheinzuhegen.NachdemErstenWeltkriegwurdemitdemVölkerbunderstmalsderAnsatzderkollektivenSicherheitfürdieinter-nationaleBeziehungeneingeführt,welcher seit demEndedesZweitenWeltkriegesdurchdieVereintenNationenalskollektivesSicherheitssystemzurWahrungderinternationalenOrdnungfortgeführtwurde.NebendenStaatenalsHauptakteurensindpolitisch-militärischeBündnissystemewiedieNATO,wirtschaftspolitischeOrganisationenundZusammenschlüssewiedieWTOunddieG8-Staaten(G20-Staaten)sowieNichtregierungs-organisationenweiterewichtigeAkteureimGef lechtderinternationalenBeziehungen.

Politikwissenschaftliche Vertiefung

DasFachkonzeptistaufgrundseinerordnungspolitischenBestimmungTeildesBasiskonzeptesOrdnung.MitderEntwicklungdesVölkerrechtsein-hergehtdienormativeEinschränkungderSouveränitätderStaaten,wasAuswirkungensowohlfürdasinnerstaatlichewiefürdaszwischenstaatli-

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3. Fachkonzepte Ordnung

chepolitischeOrdnungsgefügezeitigt.ZwarsinddieEinzelstaatennachwievordiezentralenAkteurederzwischenstaatlichenbzw.internationa-lenBeziehungen.DochwirddiestaatlicheSouveränitätetwahinsichtlichderMöglichkeitderAusübungmilitärischerGewaltdurchdieÄchtungderGewaltalseinesMittelsderzwischenstaatlichenBeziehungenerheb-licheingeschränkt.SodarfGewaltnachderChartaderVereintenNatio-nennurnochzurSelbstverteidigungundimRahmensolcherAktionenausgeübtwerden,diederUN-Sicherheitsratgebilligthat(Dozler,2001).

DieAkteurederinternationalenBeziehungen–nebendenStaatenauchpolitisch-militärischeBündnisse,wirtschaftspolitischeInstitutionensowieNichtregierungsorganisationen– sowieFaktorenwieMacht, Ideologie,RechtundKonf likte,welchedie internationalePolitikmaßgeblichbe-stimmen,werdenvondenverschiedenenTheorieansätzenderinternatio-nalenPolitikentsprechendder jeweiligenPerspektive sehrunterschied-lichanalysiert.NebendenbeidentraditionellenTheoriendesRealismusunddesIdealismusmitihrerAusrichtungaufStrukturenderinternatio-nalen Ordnung wie Machtverteilung, Abhängigkeit und Interdepen-denz(Kegley,2002)fokussierennunmehrdieAnsätzederneuenlibera-lenTheorieetwagesellschaftlichePräferenzbildungsprozesse(Moravcsik,1997)sowiedenEinf lussvonnichtstaatlichenAkteurenaufdieinterna-tionalenBeziehungen(Milner,2009),konstruktivistischeAnsätzedieso-zialeKonstruktionvonBeziehungs-,Verhaltens-undDeutungsmusternimKontextder internationalenOrdnung (Wendt,2007) sowieAnsätzederpolitischenPsychologiedieInformationsverarbeitung,WissenssystemeundpsychologischeAspekteinBeziehungenzwischenGruppen(Volkan,Julius&Montville,1990).WeiterhinwerdenimKontextdesNord-Süd-VerhältnissesinsbesonderedieMöglichkeitenderVerknüpfungvonUn-terstützungsmaßnahmenfürEntwicklungsländermitderForderungnachderBeachtungvonPrinzipendesundderAchtungderMenschenrechtekontroversdiskutiert(Smith,2007).SchließlichstelltdieHerstellungver-bindlicherAbmachungenzurSteuerungglobalerProblemeeineweitereKontroverseimKontextderinternationalenBeziehungendar,wobeidieEntwicklungeinesKonzeptsderWeltordnungspolitik–Global Governance–diskutiertwird(Wheatley,2009).

Fehlkonzepte

Bei der unterrichtlichen Auseinandersetzung mit dem FachkonzeptkönnenalsFehlkonzeptedieIdealisierungderVereintenNationenalsGa-

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II. Basis- und Fachkonzepte

rantfürdieinternationaleOrdnungunddieBeschreibungderinternatio-nalenOrdnungalsChaosgelten.Hieristinsbesonderezuberücksichtigen,dassdieEinzelstaatennachwievorihrepartikulärenInteressenindenin-ternationalenBeziehungendurchzusetzensuchen,wasihnenentsprechenddervon ihnen repräsentiertenMachtressourcenauchgelingt.EinFehl-konzeptistesaberanzunehmen,dassdieStaatenmachenkönnen,wassiewollen.FürdenUnterrichtistesdeshalbumsobedeutsamer,dieProzess-haftigkeitderEntwicklungeinerinternationalenOrdnungdurchdieVer-rechtlichungderinternationalenBeziehungenzuverdeutlichenunddiesenichtschonalsgegebenvorauszusetzen.

Vernetzung des Fachkonzepts

DieHerausbildungeinesSystemskollektiverSicherheitnachdemEndedesZweitenWeltkriegesbringtdieEinschränkungderEinzelstaatenimHin-blickaufihreMöglichkeitderAusübungvonSouveränitätindeninterna-tionalenBeziehungenmitsich.DieserBegriffistmithinvernetztmitdemFachkonzept europäische Integration, wiewohl die Einschränkung derEinzelstaatenbeider internationalenOrdnungnicht soweitreichend istwiederSouveränitätstransferderMitgliedstaatenderEuropäischenUnion.WeiterhinistderBegriffderEinschränkungderEinzelstaatenverf loch-tenmitdenFachkonzeptenStaat,Macht,Konf likt,europäischeAkteure,FriedenundSicherheit,FreiheitundMenschenwürde.

Beispielthemen

DasFachkonzepteignetsichzurunterrichtlichenBearbeitungfürdieSe-kundarstufeIabdenKlassenstufen9oder10.AlsUnterrichtsthemeneig-nensichhierdieChartaderVereintenNationenalsvölkerrechtlicheBasisder internationalenOrdnungunddie damit einhergehendeEinschrän-kungderSouveränitätderEinzelstaatensowiedieinternationalenMen-schenrechteamFallbeispielderhumanitärenInterventionderVereintenNationenzumSchutzderinternationalenMenschenrechteinSomaliaimJahre1993.In der Sekundarstufe II kann eine vertiefendeAuseinandersetzungmitdemFachkonzepterfolgen,wobeihierzudieverschiedenenTheorienderinternationalenBeziehungenalsAnalysespektrumzurUntersuchungvonFallbeispielen der internationalen Politik herangezogen werden sollten.

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3. Fachkonzepte Ordnung

FüreineBearbeitungderkomplexenZusammenhängevonUNO-Charta,EinschränkungderEinzelstaatenundinternationaleMenschenrechtebie-tetsichdasThemaIrak-KriegaufdemForumderVereintenNationenan.Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Internationale Beziehungen zu Basis-

und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Staat,europäischeIntegration

Entscheidung Macht,Konf likt,europäischeAkteure

Gemeinwohl Frieden,Sicherheit,Freiheit,Menschenwürde

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Internationale Beziehungen

Schulstufen BegriffeSekundarstufeI ChartaderVereintenNationen,humanitäreIntervention

SekundarstufeIIRealismus,Idealismus,Global Governance, Good Governance, NGO

3.6 Markt

Essenz des Fachkonzepts

DerMarktistderOrt,woVerkäuferundKäufervonGüternundDienst-leistungenaufeinandertreffenundderPreisausdemVerhältnisvonAn-gebotundNachfrageermitteltwird.Esgibt zahlreicheMärkte, sodenGüter-,denDienstleistungs-,denArbeits-,denKapital-unddenImmo-bilienmarkt. Märkte sind das zentrale Koordinierungsinstrument frei-erWirtschaftsordnungen.Siebringendieentgegengesetzten,aufden jeeigenenNutzengerichtetenInteressenvonVerkäufernundKäufernzumAusgleich,indembeieinembestimmtenPreisbeideSeitenzurTransak-tionbereit sind.Dieser alsMarkt-oderGleichgewichtspreisbezeichne-tePreiserfülltwichtigeFunktionen:ErhateineAusgleichsfunktion,da

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II. Basis- und Fachkonzepte

erdie InteressendermeistenBeteiligtenbefriedigt.Denner führtzumgrößtmöglichenUmsatzund»räumt«somitdenMarkt.ErhateineAus-schaltungsfunktion,dadiejenigenAnbietervomMarktausgeschaltetwer-den,diewegenzuhoherKostennichtkonkurrenzfähigeGüterproduzie-ren.ErhateineLenkungs-oderAllokationsfunktion,daerdafürsorgt,dassdieknappenProduktionsfaktorengenauzurHerstellungderjenigenGüterundDienstleistungenbereitgestelltwerden,diedenWünschenderVerbraucherentsprechen.SchließlichhatderMarktpreiseineVerteilungs-funktion,indemererfolgreicheAnbietermithohenEinkommenbelohnt.

AuffunktionierendenMärktenherrschenWettbewerbundKonkurrenzzwischendenAnbieternwiezwischendenNachfragern.DieFunktions-fähigkeitistbeiVorliegenvonMarktmachtgefährdet.IndiesemFallneh-menAnbieteroderNachfrageraufeinemMarkteinebeherrschendeStel-lungein.TypischhierfürsindKartelle.DadieBetreffendendieseSituationeinseitigfürihreInteressenausnutzenkönnen,sindstaatlicheMaßnahmenzurErhaltungoderWiederherstellungdesmarktwirtschaftlichenWettbe-werbserforderlich(Wettbewerbspolitik).InderMarktformenlehreunter-scheidetmandievollständigeKonkurrenz(Polypol),OligopolundMo-nopol.Polypole,OligopoleundMonopolekannesaufAnbieter-wieaufNachfragerseitegeben.

Politikwissenschaftliche Vertiefung

DaderMarktdaswirtschaftlicheVerhaltenderMenschenordnetundzu-demderStaatdieRahmenbedingungendesWirtschaftensfestlegt,isteinengerBezugdesFachkonzeptszumBasiskonzeptOrdnunggegeben.Die-serBezugwirdangesichtsverschiedenermarktwirtschaftlicherOrdnungennochoffensichtlicher.DieOrdnungenreichenvonderfreienMarktwirt-schaftüberdiesozialeMarktwirtschaftunddiegelenkteMarktwirtschaftbishinzumfreiheitlichenSozialismusmitseinerFörderungderGemein-wirtschaftunddervonihmbefürwortetenstaatlichenInvestitionslenkung.AllgemeinlassensichhinsichtlichderWirtschaftsordnungkontinentaleu-ropäische,asiatischeundMittelmeermodelleunterscheiden(Amable,2003).Politikwissenschaftlich wie wirtschaftswissenschaftlich kontrovers dis-kutiertwirddieFrage,wasdurchdenMarktundwasdurchdiePolitikhergestelltwerden soll.EsgibtnämlicheinprinzipiellesSpannungsfeldzwischenPolitikundÖkonomie:DieLogikdesMarktesfolgtdenindivi-duellenNutzenkalkülenprivaterAkteure.DieLogikderPolitikisthinge-genaufdiegesamtwirtschaftlicheWohlfahrt,dasGemeinwohl,gerichtet.

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3. Fachkonzepte Ordnung

InderRegelwirdpolitischerHandlungsbedarfdannangemeldet,wennineinemMarktsinnvolleGüternichtodernichtinausreichenderMengeproduziertwerdenoderwenndasErgebnisdesMarktprozessesalssozialungerechtempfundenwird.DiePolitikvollbringtdanneinenBalanceaktzwischenAllokationseffizienzundVerteilungsgerechtigkeit(Czada,2003,S.6).

Offensichtlich kann marktförmigen Prozessen nicht alles überlassenwerden.DerMarktversagt insbesondere in zweiFällen:Kollektivgüter(öffentlicheGüter),zudenenjedermannZutritthat,ohneeinenPreiszah-lenzumüssen,bietenkeinenAnreizzurmarktwirtschaftlichenProduk-tion.WennderStaatnichttätigwird,fehlendieseGüter.NegativeexterneEffektetretenauf,wennbeiderProduktionvonGüternderAllgemeinheitKostenentstehen,dievomVerursachernichtausgeglichenwerden.DieseKostenwerdenbeiderPreiskalkulationnichtberücksichtigt.Somitver-sagtderPreismechanismus.

DieTheoriedesMarktversagensbildeteineLegitimationsgrundlagefürstaatlicheInterventionenundRegulierungen.DieFinanzkrisevon2008istBelegdafür,dass zahlreiche Interventionennotwendigwerdenkön-nen.AngesichtswachsenderStaatsverschuldungundzumTeilineffizien-terRegulierungenhatsichaucheinekonkurrierendeTheoriedesStaats-versagensentwickelt.VordemHintergrunddieserTheorieistunterdenBegriffenPrivatisierung,LiberalisierungundDeregulierungdieLogikdesMarktesaufBereicheausgedehntworden,fürdievormalsderStaatoderdieKommunenzuständigwaren.AnderGesundheitspolitikzeigensichjedochnichtnurdieStärken, sondern auchdieSchwächendesMarkt-prinzips:DerMarktvermagzwardiemedizintechnischeEntwicklungef-fizient voranzutreiben, die Überlassung dieser Technik allein an kauf-kräftigeNachfragerverbietetsichaberausethischenGründen(Hegelich,Kerkmann&Meyer,2007,S.121ff ).

Fehlkonzepte

DasFachkonzeptMarktwirdinallenKerncurriculaimZusammenhangmit dem Wirtschaftsgeschehen genannt. Dasselbe gilt für den BegriffMarktwirtschaft.Allerdings stehendieordnungspolitischenAspektedesFachkonzeptsnichtimVordergrund.Esdominierenbetriebswirtschaftli-cheBetrachtungenderGütermärkte.FürdiepolitischeBildungsindje-dochdievolkswirtschaftlichePerspektiveundwirtschaftspolitischeGe-sichtspunkteweitausbedeutsamer.

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II. Basis- und Fachkonzepte

Mit dem Markt sind viele Fehlkonzepte verbunden: »Marktidealisten«vermuten,dasssämtlichewirtschaftlicheAktivitätenineinermarktwirt-schaftlichenOrdnungmarktförmigverlaufen.Sieunterstellen,dassaufal-lenMärktendie–ideale–vollständigeKonkurrenzherrscht.Weiterhinnehmensieunkritischan,dassMarktergebnisseautomatischsozialgerechtsind,weil sie aufdenFreiheitsgebrauchzurückgehen.Schließlichüber-sehensiegernesozialeUngleichheiten,diezuungleichenMarktchancenführen.»Marktkritiker«ignorierendieengeVerbindungzwischenMarktundFreiheit.Sieunterschätzendie InnovationskraftunddasLeistungs-vermögendesMarktes.ZugleichüberschätzensiedieMöglichkeitenderstaatlichenSteuerungdesWirtschaftsgeschehens.SchließlichüberbetonensiedievomMarktproduziertenUngleichheitenundübersehendiesozial-staatlichenAusgleichsleistungen.

Vernetzung des Fachkonzepts

DieSchüler/-innenkönnendenUnterschiedzwischenprivatenundöf-fentlichen Gütern bei der Diskussion der zu ergreifenden Maßnahmenherstellen.WichtigfürdenKonzeptaufbauistfernerdieEinschätzungderBedeutungderÖffentlichkeit,wennüberdieVerteilungderGüter,dieMarktformenoderüberdiewirtschaftspolitischenEntscheidungendisku-tiertwird.EsgilteinVerständnisvondenMöglichkeitendernationalensowieeuropäischenAkteureimKontextglobalisierterMärkteaufzubauen.AngesichtsderzunehmendenGlobalisierungderMärkteundderExport-abhängigkeitDeutschlandsistderBezugzumFachkonzeptInternationa-leBeziehungenerforderlich.

Beispielthemen

Themenwie»Arbeitslosigkeit«oderdasVerhaltenderWirtschaftssubjek-tekönnenbereitsinderGrundschuleangesprochenwerden.ThematischsindimUnterrichtderSekundarstrufeIdieMarktformenunddiePreis-bildung,VerbraucherundProduzentenzubehandeln.VonneuerBedeu-tungistdasThema»wirtschafts-undfinanzpolitischeRegulierungsauf-gabendesStaates«.EingeeignetesThemafürdieSekundarstufeIIistdieErörterungderFrage,wieeinidealesWirtschaftssystemaussehensoll.WaswirddemMarktüberlassen?WelcheRegulierungensollendasVerhaltenderMarktakteuresteuern?WelcheRollesollderStaatspielen?

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3. Fachkonzepte Ordnung

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Markt zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung InternationaleBeziehungen

Entscheidung Regierung,Öffentlichkeit,europ.Akteure

Gemeinwohl öffentlicheGüter

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Markt

Schulstufen BegriffePrimarstufe Güter,Arbeit,Produzent,Konsument,Angebot,Nachfrage

SekundarstufeIWettbewerb,Konkurrenz,Preisbildung,Kartell,Tarifpolitik,Wirtschaftspolitik,Wirtschaftsordnung,Marktformen,Nutzenmaximierung,Binnenmarkt

SekundarstufeIIOrdnungspolitik,Wirtschafts-undFinanzsysteme,Notenbanken,Planwirtschaft,Sozialismus,Marktwirtschaft,Kapitalismus

3.7 Rechtsstaat

Essenz des Fachkonzepts

RechtsstaatbedeutetPrimatdesRechtsvorderPolitik.Rechtsstaatheißtda-her,dassstaatlichesHandeln,welcherArtauchimmer,anGesetzundRecht,letztlichandieVerfassunggebundenist.HierdurchsolldieMachtdesStaa-tesgegenüberderFreiheitssphärederIndividuengemäßigtwerden.NebenderFreiheitssicherungsollderRechtsstaatnochRechtssicherheitsowieGe-rechtigkeitgewährleisten.ErbildetdamitdasGegenprinzipzumWillkür-staat,derdieStaatsgewaltfreisetztvonjeglicherrechtlichenBindung.

ZumRechtsstaatwerdendiefolgendenGrundsätzegezählt:ErstensdieGeltungvonGrundrechtenalsunmittelbaranzuwendendesundgegebenen-fallseinzuklagendesRecht.ZweitensdieGewaltenteilungmitseinermacht-verteilendenundmachtmäßigendenWirkung.DrittensdieUnabhängigkeitderRichter-/innen:Siesindsachlichundpersonellunabhängig,unterliegen

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II. Basis- und Fachkonzepte

jedochderBindungandasGesetz.ViertensdieGesetzmäßigkeitderVer-waltung:JederEingriffindieRechtssphäredesEinzelnenbedarfzwingendeinergesetzlichenGrundlage.FünftensdergerichtlicheRechtsschutzge-gendieöffentlicheGewalt:HierfürstehtderordentlicheRechtswegoffen.BeiVerletzung vonGrundrechten kannVerfassungsbeschwerde erhobenwerden.SechstensbesondereSchutzbestimmungenbeiFreiheitsentziehungsowie imStrafverfahren.HierzugehörendasRechtaufdengesetzlichenRichter, derAnspruch auf rechtlichesGehör und dieÖffentlichkeit desGerichtsverfahrens.SiebentensderGrundsatzderVerhältnismäßigkeit:DieSchwereeinesEingriffesunddadurchbewirkteNutzenmüssenineineman-gemessenenVerhältnisstehen.DasistnurdannderFall,wennderdurchdenEingriffbewirkteNutzendenNachteildesEingriffesüberwiegt.

DieKrönungdesRechtsstaatesbildetdieVerfassungsstaatlichkeit.DieVer-fassungstellthiernachdiehöchstrangigeNormdar.InihrsinddieRechts-werteaufgehoben,deneneineGesellschaftmaßgeblicheBedeutungzuspricht.DerGesetzgeberstehtnichtoberhalbderVerfassung,sondernistansiege-bunden.ErkanndieVerfassungnuruntererschwertenBedingungenändern.DerVerfassungskernentziehtsichsogarjeglicherVeränderung.SchließlichisteineVerfassungsgerichtsbarkeiteingerichtet,welchedieVerfassungvorjederVerletzungschützt(Zippelius&Würtenberger,2008,S.108ff ).

Politikwissenschaftliche VertiefungDerRechtsstaatweisteinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.ErgehörtzusammenmitderDemokratieunddemSozialstaatzudenkon-stituierendenElementendesdemokratischenVerfassungsstaates.

IdeengeschichtlichwurzeltderRechtsstaatinderAufklärungsphiloso-phie,voralleminderAuffassung,esseieinGebotderVernunft,vonall-gemeinenGesetzenregiertzuwerden.HinzukamenzweiweiterePrin-zipien,nämlichdieAnerkennungderMenschen-undBürgerrechtesowiedieGewaltenteilung.

DerRechtsstaattrugursprünglichkeinedemokratischen,sondernlibe-raleZüge.ErwareinpolitischerKampfbegriffdesBürgertumsgegeneinefürsorglich-vormundschaftlicheObrigkeitundfürindividuelleSelbstbe-stimmungundRechtsgleichheit.AlswichtigeBestandteilederFreiheitgaltendieEigentumssicherungunddieNichtinterventiondesStaates inwirtschaftlicheAbläufe.

DiesesRechtsstaatsdenkenunterschiedsichdamitdeutlichvonderan-gelsächsischen»ruleoflaw«:DennesvernachlässigtediepolitischeFrei-

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3. Fachkonzepte Ordnung

heitundlegteaufdieEtablierungderDemokratiewenigGewicht(Hesse,1968,S.557f ).DerGrundhierfürlagindenpolitischenVerhältnissendes19.Jahrhunderts.DieMonarchiewarnochsofestetabliert,dassdasBür-gertumnichtaufeineVerwirklichungderVolkssouveränitäthoffendurfte.

DieimliberalenDenkengefordertewirtschaftlichePassivitätdesStaa-tes führte zwar zu einerFreisetzung allerKräfte, aber ebenso zu einerkrassensozialenUngleichheit.AufdemBodenderRechtsgleichheitfan-densichdieSchwachenineinerneuen,nämlichsozialenUnfreiheitwie-der.DieAntwortaufdieseLageistdersozialeRechtsstaatdes20.Jahrhun-derts.DieseristzuständigfürdieDaseinsvorsorgeseinerBürger/-innen.ErkümmertsichweiterhinumdieGestaltungundgegebenenfallsUmge-staltungdersozialenVerhältnisse.VorallemwirkterdergesellschaftlichenUngleichheitaktiventgegen.SchließlichüberlässterdieWirtschaftnichtihreneigenenRegeln,sondernordnetundlenktsie.DersozialeRechts-staatistsomitplanender,vorsorgenderundverteilenderStaat.

FehlkonzepteDerRechtsstaattauchtinallenKerncurriculavorzugsweisederSekundar-stufe I auf.Erwirddaherdurchwegauch indenSchulbüchern themati-siert.Häufigbeschränkt sichdieDarstellung jedochaufdasThema»DerJugendlicheimRecht«.IndiesemZusammenhangbereitendieSchulbücherdannzivilrechtlicheundstrafrechtlicheAspekteauf.ZwarwerdenaufdieseWeiseElementedesRechtsstaatesberührt,abernurinengenAusschnitten.DiepolitischeBedeutsamkeitdesRechtsstaatsprinzipsbleibtunterbelichtet,wennesnichtzueinerErörterungderrechtsstaatlichenGrundsätzekommt.

Die Menschen erwarten vom Rechtsstaat, dass er für Gerechtigkeitsorgt.DasRechtregeltjedochnurdieallgemeinenRechtsverhältnisse.EskannmithinzuSituationenkommen,diederEinzelnealsungerechtemp-findet.DasRecht istprinzipiellunvollkommen.Diesmuss thematisiertwerden,daesanderenfallszuunerfüllbarenErwartungenandenRechts-staatkommt.EsentstehtdasFehlkonzept,RechtsstaatundGerechtigkeitzuidentifizieren.

Vernetzung des Fachkonzepts

DasKonzeptbirgtsehrvieleGrundsätzeinsichwierichterlicheUnabhän-gigkeit,GesetzmäßigkeitstaatlichenHandelns,Rechtsschutz,Rechtsgaran-

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II. Basis- und Fachkonzepte

tien bei Freiheitsentzug, Verhältnismäßigkeit und Verfassungsstaatlich-keit.

DieKonzeptentwicklungkannmiteinerKontrastierungselbstgegebe-nerRegelnmitstaatlichenGesetzenbeginnen.DabeikönntedievomGe-setz ausgehendeBindungswirkungund diemit ihmverbundene Sank-tionbeiGesetzesverletzungthematisiertwerden.ImZusammenhangmitderstrafrechtlichenSanktionkanndieUnabhängigkeitdesRichtersher-ausgestelltwerden.AufdieserBasiskönnenweitereAspektedesKonzeptshinzugefügtwerden,sodieRechtsgarantienbeiFreiheitsentzugundderRechtsschutz.

Beispielthemen

BereitsinderPrimarstufekönnenAspektedesRechtsstaatesthematisiertwerden:»IstmaneinguterRichterineigenerSache?«»WorinbestehtderUnterschiedzwischenparteiischerundunparteiischerStreitschlichtung?«»WelcheFolgenfürdasZusammenlebenhates,wennjemanddauernddieRegelnverletztundniemandeinschreitet?«

InderSekundarstufeIkönnendiePrinzipienrechtsstaatlicherGerichts-verfahrenherausgearbeitetwerden.DiesePrinzipienerschließensichan-schaulich,wennVerfahrenvordemnationalsozialistischenVolksgerichts-hofkontrastierendhinzugezogenwerden.DasPrinzipderGesetzmäßigkeitderVerwaltungerschließtsichmittelsderFrage:»WarumführtjederBe-scheid(Steuer-,Einberufungs-,Bußgeldbescheid)diegesetzlicheGrund-lageaufundenthälteineRechtshilfebelehrung?«

In der Sekundarstufe II können Verfassungsgerichtsurteile erörtertwerden.DieseUrteileverdeutlichendenRangderVerfassungalsobersteNorm.DieVerfassungsstaatlichkeitkommtzumVorschein,wenninUr-teilendasHandelnvonVerfassungsorganenfürungültigerklärtwird.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Rechtsstaat zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Gewaltenteilung,Demokratie

Entscheidung Legitimation,Öffentlichkeit,Konf likt

Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Freiheit,Gleichheit

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3. Fachkonzepte Ordnung

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Rechtsstaat

Schulstufen BegriffePrimarstufe Staatsanwalt,Verteidiger,Richter,Gesetz

SekundarstufeIStrafprozess,Zivilprozess,Verhältnismäßigkeit,Bundesverfassungsgericht

SekundarstufeII Verfassungsstaatlichkeit,Verfassungsbeschwerde

3.8 Repräsentation

Essenz des FachkonzeptsRepräsentation meint im Kern, dass Nicht-Anwesendes durch einenRepräsentantenvergegenwärtigtwird.ImgesellschaftlichenZusammen-leben istRepräsentationunvermeidlich.Denneine ausunüberschaubarvielenMitgliedernbestehendeGesamtheitvonMenschenkannnurdurchEinzelneeinheitlichhandelnundsichartikulieren.DieseEinzelnentre-tenstellvertretendandieStellederGesamtheitundsprechen,entscheidenundhandeln für sie.Deshalbheißen sieRepräsentanten (Schüttemeyer,1995,S.544).

Jede Repräsentation basiert auf einer Vertrauensbeziehung zwischenRepräsentantenundRepräsentierten.Vertrauenwirdgebildetundauf-rechterhalten durch Responsivität der Repräsentanten. ResponsivitätmeintAntwortbereitschaftoder,etwasallgemeiner,dieBereitschaft,mitdenRepräsentiertenzukommunizierensowiederenAnregungenzuprü-fenundgegebenenfallsaufzugreifen(Pitkin,1972,S.232ff ).

Soziale Gebilde können in ihrer Einheit wie auch in ihrer Vielfaltrepräsentiertwerden.SowirdetwadieEinheitderGemeindedurchdenBürgermeister, ihreVielfaltdurchdenRatderGemeinde repräsentiert.Man unterscheidet auf staatlicher Ebene entsprechend National- undVolksrepräsentation.DieNationalrepräsentationbeziehtsichaufdieEin-heit,dieVolksrepräsentationaufdieVielfaltdesGemeinwesens (Mantl,1975,S.91ff ).DasBesonderemodernerParlamentebestehtdarin,dasssiesowohldieEinheitalsauchdieVielfaltderNationrepräsentieren.SosollensichParlamentarier/-innennichtnuralsVertreterihrerRegionenverste-hen,sondernimmerauchdasWohldesGanzenimAugehaben.Folglich

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II. Basis- und Fachkonzepte

sinddieAbgeordneteneinerseitsVertreterdesganzenVolkes.AndererseitserwartetmanvondenAbgeordneten,dasssiedenBelangenihresWahl-kreisesbevorzugteAufmerksamkeitwidmen(Fraenkel,1991,S.77f ).

IndenStaatenderGegenwart sinddieRepräsentanten inderRegeldemokratischlegitimiert.DemokratischeLegitimationheißt,dassdieRe-präsentantenunmittelbarodermittelbarvomVolk,denRepräsentierten,gewähltwerden.EineAusnahmehiervonbildetdasStaatsoberhaupt inErbmonarchien.

Abgeordnete in den Parlamenten sollen in einem öffentlichen undstreitigen Diskurs das Gemeinwohl f inden. Ein echter Diskurs setztvoraus,dassdieAbgeordnetennichtdenWeisungenderWähler/-innenunterliegen.OhneWeisungsfreiheitkönntenichtfreidiskutiertwerdenund wäre eine eigenständige Urteilsbildung unmöglich. AbgeordnetebenötigenfolglicheinfreiesMandat.Eingebundenes,d.h.imperativesMandat istmit demGedankender eigenständigenUrteilsbildungun-vereinbar.

RepräsentantenmüssenihreAufgabealsAmtverstehen,wennihrHan-delnlegitimseinsoll.Amtbedeuteterstens,dassdieBefugnis,fürande-reverbindlichzuentscheiden,nichtauseigenem,ursprünglichemRechtausgeübtwird, sondernalsübertrageneVollmacht.Amtbedeutet zwei-tens,dassdie jeweiligeEntscheidungsbefugnis rechtlicheingegrenzt ist.DasAmtistdrittensaufdieFörderungdesGemeinwohlsbezogen.Amtbedeutetschließlichviertens,sichverantwortenzumüssen.VerantwortenmusssicheinAmtsträgervordem,derihnindasAmtberufenhat.SoistderAbgeordnetedenWähler/-innenverantwortlichundderRegierungs-chefdemParlament,dasihnindasAmtgesetzthat.DieVerantwortungselbstbeziehtsichaufdieordnungsgemäßeWahrnehmungderPf lichten,diedurchdasAmtgegebensind(Kielmansegg,1988,S.59).

Politikwissenschaftliche VertiefungDie Repräsentation weist einen engen Bezug zum Basiskonzept Ord-nungauf.DenndieRepräsentationisteinunvermeidlichesMerkmalje-derHerrschaftsordnung.

HistorischgesehenistderGedankederRepräsentationdesVolkesAus-f lussderVorstellung,dassdieHerrschaftsunterworfeneneinenAnspruchaufTeilhabeanderHerrschaftinFormeinerVertretungskörperschaftha-ben.Dabei istdiedemokratischeLegitimierungderVertretungskörper-schafterstjüngerenDatums.

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3. Fachkonzepte Ordnung

DaskeineswegsdurcheindemokratischesWahlrechtlegitimiertebritischeParlamentnahmabdem18. Jahrhundert für sich inAnspruch,Vertre-tungdesGesamtinteressesderNationzusein.DamitwollteeszumAus-druckbringen,dassesauchdiejenigenindieRepräsentationeinschloss,diekeinWahlrechthatten.EsbeanspruchtedamiteinevirtuelleRepräsen-tation.InderGegenwartdominiertdasPrinzipderaktuellenRepräsenta-tion.DiesesPrinzipverlangt,dassdieRepräsentantenausmöglichstallge-meinenWahlenhervorgehenmüssen.Gewährleistetwerdensollso,dassdieBeziehungdesParlamenteszudenRepräsentiertenhinreichendengist(Fraenkel,1991,S.154ff ).

DieempirischePolitikforschungbefasstsichmitrealenundempfunde-nenRepräsentationsdefiziten.DieentsprechendenStichwortelautenPar-teienverdrossenheit,mangelndeBürgernähederPolitiker-/innen,fehlendeÖffentlichkeitdespolitischenProzesses,IntegrationsschwächederParteien.

FehlkonzepteIndenKerncurriculaderSekundarstufenIundII tauchtdieRepräsen-tation inderRegel imZusammenhangmitderDemokratieauf. InderSekundarstufe IwirddasKonzepthäufigaufdieSituationgewählterAb-geordneterverengt.

DieRepräsentation istmit einemgravierendenFehlkonzeptbelastet.VongewähltenRepräsentantenwirdnämlichhäufigerwartet,dasssiedieInteressenihrerWähler/-innenzuvertretenhätten.Abgesehendavon,dassdieGewähltengarnichtwissen,wergenauihreWähler/-innensind,undebensonichtwissenkönnen,wiedieInteressenderWähler/-innenausse-hen,istdieseErwartungganzprinzipiellproblematisch.Dennsiesugge-rierterstens,dassdenRepräsentantendieFormungeineseigenenWillensnichtzusteht.Siesuggeriertzweitens,dassPolitiknichtdemGemeinwohlverpf lichtetist,sondernderVerwirklichungpartikularerInteressen.Sieistdrittensunterkomplex,dasiekeinebefriedigendeAntwortaufdieFragegibt,wasdieAbgeordnetentunsollen,wennverschiedeneWähler/-innenentgegengesetzteErwartungenansieherantragen.

Vernetzung des Fachkonzepts

DasKonzeptlässtsichleichterfassen,dadieRepräsentationuniversalver-breitetistundbereits inderLebenswelt(Klassengemeinschaft,Gemein-

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II. Basis- und Fachkonzepte

de,Kirche,Vereine)anzutreffenist.DieKonzeptentwicklungsetztfolg-lichkeinWissenüberandereFachkonzeptevoraus.

BeispielthemenRepräsentationgibtesinGestaltdesKlassensprechersbzw.derKlassen-sprecherinbereitsinderLebensweltvonGrundschüler/-innen.Mankannalso inderPrimarstufeüberdie charakterlichenEigenschaftenunddieKompetenzen (Amtspf lichten) sprechen, die ein Repräsentant, in die-semFallederKlassensprecher,habensollte.BeiderThematisierungderGemeinde lässt sichdiedoppelteRepräsentationvonBürgermeister/-inundRaterfahrbarmachen.

InderSekundarstufeIkanndasKonzeptausgedehntwerdenaufÄmterimstaatlichenBereich.ImRahmenderBehandlungpolitischerEntschei-dungsfragen lässt sichbewusstmachen,dassPolitiker/-innennicht frei,sondernimRahmenvonKompetenzenhandeln,dasssiesichverantwor-tenmüssenunddass dasGemeinwohl dieRichtschnur ihresHandelnsist.WeiterhinkannüberdieTugendengesprochenwerden,diePolitiker/-innenhabensollten,sowiedarüber,dassPolitiker/-innendasfreieMan-datbrauchen.

InderSekundarstufeIIkönnenimZusammenhangmitderErörterungpolitischerOrdnungsmodelleprinzipielleAspektederRepräsentation,alsodieUnterscheidungenvonNational-undVolksrepräsentationsowievonvirtuellerundaktuellerRepräsentation,zurSprachekommen.WeiterhinkanndasModellderrepräsentativenDemokratiemitzweidieRepräsen-tationgrundsätzlichablehnendenpolitischenOrdnungsvorstellungenkon-frontiertwerden,nämlichderTheoriederIdentitätsdemokratieundderTheoriederradikalenVolkssouveränität.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Repräsentation zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie

EntscheidungParteien,Parlament,Regierung,Wahlen,Legitimation,Öffentlichkeit

Gemeinwohl Gerechtigkeit,Frieden,Nachhaltigkeit

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3. Fachkonzepte Ordnung

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Repräsentation

Schulstufen BegriffePrimarstufe Klassensprecher/-in,Bürgermeister/-in,Gemeinderat

SekundarstufeIFreiesMandat,Amt,Verantwortung,Abgeordneter,Bundespräsident/-in

SekundarstufeII Responsivität

3.9 Sozialstaat

Essenz des FachkonzeptsDerSozialstaathatdieAufgabe,regulierendundkorrigierendingesell-schaftlicheundwirtschaftlicheProzesseeinzugreifen.Erkorrigiertpräven-tivodernachträglichunerwünschteEntwicklungenderMarktwirtschaft.ErsolleinEinkommensminimumgewährleistenundvordenexistentiel-lenRisiken(v.a.Alter,Arbeitslosigkeit,Gesundheit,Unfall,Pf lege,Ar-mut)schützen.InderDemokratieistsomiteinkomplexesGefügewech-selseitigerAbhängigkeitenvonMarkt,StaatundBürger/-innengegeben.DieSozialpolitikwilldiemateriellenLebensbedingungenkompensierend,konstituierendundverteilendgestalten.IhrstehteinEtatvonca.einemDritteldesBruttoinlandsproduktszu.HäufigentstehenKontroversenda-rüber,inwieweitderPrimatderPolitikgegenüberderÖkonomiedurch-zusetzenist.DasBundesverfassungsgerichtverzichtetmeistaufinhaltlicheVorgabenundzeigtderSozialpolitikvielmehrdieSpielräumeundSchran-kenauf.

Ohnehin stehen die sozialpolitischen Staatsaufgaben in KonkurrenzzuanderenZielenundAufgabendesStaates.DerSozialstaatsollsozialeGerechtigkeitherstellenodergewährleisten.ElementeundZielesindaberzugleicherträglicheLebensbedingungen,Eigenverantwortung,sozialeSi-cherheitund sozialeGleichheit.DasPrinzipderSubsidiaritätbietetdenWohlfahrtsverbändeneingroßesAufgabenfeld.HierstehtderSozialstaatinderAufgabenverteilungmitNGO`swieUnternehmen,Vereinen,Stif-tungenetc.

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II. Basis- und Fachkonzepte

Politikwissenschaftliche VertiefungDasSozialstaatsprinzipistimGrundgesetzverankert.DeshalberscheintdasFachkonzepthierschwerpunktmäßigunterdemBasiskonzeptOrd-nung,wenngleichüberdieSozialpolitikauchBezügezuBasiskonzeptenEntscheidungundGemeinwohlgegebensind.InderPolitikwissenschaft(vgl.Schmid,2005)istumstritten,wasdenUrsprung,dieAusprägungunddieDynamikdesSozialstaatsausmacht.Normativenbzw.institu-tionalistischenAnsätzengehtesbeiderBegründungdessozialenFort-schrittsumdieAnalysedesSozialstaatspostulatsdesGrundgesetzesundumdieAuseinandersetzungmitdenZielengroßerErzählungenwiedemLiberalismusoderdemdemokratischenSozialismus.Phasenmodellesol-lendieEntwicklungenundAusgestaltungendesSozialstaatsverdeutli-chen.

FunktionalistischeAnsätzesehendieSozialpolitikunterdemBlickwin-kelderReaktionaufdieVeränderungeninderIndustriegesellschaft.Mo-derneGesellschaften(vgl.Alber,1998)tendierendazu,denProblemdruckdurch die Entwicklung zum Sozialstaat zu lösen (Konvergenztheorie).DemokratischeMehrheiten indenGesellschaften sorgendafür,dass siegegendieökonomischenRisikenabgesichertwerden.Demwirdentge-gengehalten,dassvielmehrdieunterschiedlichenParteienihreWähler/-innennach ihrer sozialenSchichtvertreten.Zudemspielen Interessen-gruppeneinegewichtigeRolle.ZwaristdieSozialpolitikseitBismarcksReformenstrukturelleingebunden,jedochsuchtendieeinzelnenStaatennachunterschiedlichenWegenderGestaltung ihrerSozialausgabenquo-ten(Schmidt,1998).

AndiestrukturierteVielfaltknüpftderAnsatzderDekommodifizie-rungan(Esping–Andersen,1990).DafunktionalistischeAnsätzekaumetwas zur Wirkung und Effektivität der Sozialaufgaben aussagen, ver-gleichtEsping–AndersendieGewährungsozialerRechtemitdendreiIn-dikatorena. StatusderIndividuengegenüberdemMarkt,b.VeränderungdersozialenUngleichheit,c.RolledesStaates,derFamiliesowiederMarktkräfte.

DerGradderDekommodifizierunggibtan,wieweitunterBerücksichti-gungderIndikatorendieLockerungdesZwangszurExistenzsicherungdurchErwerbsarbeitgehenkann.DieliberaleWelt(GB,USA)mitgerin-gerDekommodifizierungsetztaufdieMarktwirtschaftunddieFamilie.DiekonservativeWelt(D,F,I)interveniertausstaatsrechtlichenGründen

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3. Fachkonzepte Ordnung

stärker.DadurchwerdendiesozialenRechtestarkandensozialenStatusgebunden.DiesermittlereGradderDekommodifizierung sorgt fürdieStabilisierungdernormal arbeitendenFamilie.Die sozialdemokratischeWeltinSkandinavienhatsichamstärkstenvondenZwängenderMärkteentferntunddiesozialeUngleichheiterheblichreduziert.

PostmoderneAnsätzeschließlichbetrachtendieVerschiebungderöko-nomischenBasisimZeitalterderGlobalisierungdurchdiezunehmendenDienstleistungen und neuen Technologien. Post-Fordismus, institutio-nelleVeto-Spieler,Gender-Regime,New Politicsusw. sindArgumenta-tionsfiguren, die die Veränderungen verdeutlichen sollen. InsgesamtrichtensichdieneuerenDiskussionenzunehmendaufdieAnalysevoner-folgreichenMusterländern,aufdieAusdifferenzierungempirischerAnaly-senderSozialinvestitionen(v.a.BildungvonHumankapital)undaufAk-tivierungsstrategienusw.(Kaelble&Schmid,2004).

Fehlkonzepte Fehlkonzeptekönnenentstehen,wenneinseitigeWertdebattenoderreininstitutionelle Betrachtungen den politischen Realitäten kaum gerechtwerdenundgegebenenfallseinediffuseAblehnungjeglicherVeränderungdurchdiePolitikbegünstigen.DadurchkannfrustrierendesAnspruchsden-kenbestärktwerden.WirdalleindasSolidaritätsprinzipbetont,bleibtdasPrinzipderEigenverantwortungunbeachtet.BeidePrinzipien sindaberauszubalancieren,was in zahlreichenveröffentlichtenUnterrichtsreihendurchdiehäufigzubeobachtendeReduzierungderBetrachtungaufdieVersicherungsleistungen,dieFinanzierbarkeitunddie inFragegestellteGenerationengerechtigkeitkaumgeschieht.

Vernetzung des FachkonzeptsFürdieKonzeptentwicklungisteineVorstellungvondenAufgabenundGrenzeneinesStaateserforderlich.DabeikönnenFragenderGerechtig-keit,dersozialenGleichheitundSicherheitbeiderBetrachtungdesVer-hältnissesvonEigenverantwortungundsozialerAbsicherungeinbezogenwerden.DieKonzeptualisierunghatdieAufgabenfelderderSozialpolitikzuberücksichtigen,diezwischendenParteienundderRegierungum-stritten ist.SchließlichkommtdemParlament imGesetzgebungsprozesseinewichtigeRollezu.WennauchderMarktdieArbeits-undBeschäfti-

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II. Basis- und Fachkonzepte

gungsverhältnissereguliert,soistdochderEinf lussstarkerInteressengrup-peneinentscheidenderFaktorderSozialpolitik.

BeispielthemenInderGrundschulekönnenFragenimZusammenhangmitdemThemaArbeitthematisiertwerden.InderSekIsindalleThemendesSozialstaatsmöglich.Esempfiehltsich,aktuelleKontroverseninderSozialpolitikauf-zugreifenunddabeinichtnurdieVersicherungssysteme(IstdieRentesi-cher?)oderArbeitsmarktreformenaufzugreifen,sondernauchdiedahinterstehendenKontroversenüberdasSozialstaatsmodell.InderOberstufesindgrundsätzlicheDiskussionenüberdieRollendesStaatesundderIndividu-en,dieModellederExistenzsicherung,dasVerhältnisvonMarktundso-zialenRechtenzuführen.DieThemensolltenmitderzentralenFragederGestaltungdermateriellenLebensbedingungenverknüpftsein,umSozial-staatlichkeitundSozialpolitikstrukturellzufassen.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Sozialstaat zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Staat,Markt

Entscheidung Parteien,Regierung,Parlament,Interessengruppen

Gemeinwohl Gerechtigkeit,Gleichheit,Sicherheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Sozialstaat

Schulstufen BegriffePrimarstufe Arbeitslosigkeit,Arbeitsmarkt,Migration

SekundarstufeISozialstaatsmodell,Sozialversicherungssystem,Hartz–Reformen,Sozialpolitik,Gewerkschaften,Altersstruktur,Eigenverantwortung,Arbeitgeber

SekundarstufeIIsozialeUngleichheit,Subsidiaritätsprinzip,Solidarprinzip,Industriegesellschaft,Sozialinvestitionen,Sozialstaatsmodelle

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3. Fachkonzepte Ordnung

3.10 Staat

Essenz des FachkonzeptsDasZusammenlebenvonMenscheninkleinerenodergrößerensozialenEinheitenwarstetsgeprägtdurcheinejespezifischesanktionierendeOrd-nung.DieseOrdnungdientwesentlichdemZusammenlebenimInnernunddemSchutznachAußen.ImAllgemeinenwirdfürdieseOrganisa-tionsformdesPolitischendasWortStaatalsformalisierterAllgemeinbe-griffbenutzt(Conze,1990).NachderklassischenDefinitionvonGeorgJellinek zeichnet sich der Staat durch drei Elemente aus: Staatsgebiet,StaatsvolkundStaatsgewalt.ZwischenstaatlicheIntegrationsprozessewieetwadieMitgliedschaftDeutschlands inderEuropäischenUnionkön-nenallerdingszuEinbrüchenindentraditionellenKompetenzbereichderStaatsgewaltführen.

IndemDreieckvonStaat,WirtschaftundGesellschaft kommterst-genanntemdieAufgabezu,imGefügewiderstreitenderInteressen-undMächtegruppendieFunktioneinerregulierendenInstanzwahrzunehmen,welchedenpartikulärenökonomischenundgesellschaftlichenKräftenmitüberlegenderEntscheidungsmachtgegenübertritt.DenStaatsorganenob-liegtesdafürzusorgen,dassauchunzureichendorganisierteundunter-repräsentierteInteresseneineangemesseneBerücksichtigungfindenunddass eine ausgewogeneKonkurrenz zwischendenverschiedenen Inter-essenerhaltenbleibt.Allerdings lassen sichaufgrundderGlobalisierungheutewirtschaftlicheEntwicklungenundderenFolgenwenigeralsfrü-herdurchnationalesRechtsteuernoderanstaatlichenGrenzenaufhalten(Zippelius,2007).

Politikwissenschaftliche VertiefungDerStaatbildeteinenkonstitutivenBestandteilderpolitischenOrdnungundweistdeshalbeinenengenBezugzumBasiskonzeptOrdnungauf.AlsGrundlagederpolitischenOrdnungbildeteinmodernerStaateinenter-ritorialbegrenztenpolitischenHerrschaftsverband,der»dasMonopolle-gitimerphysischerGewaltsamkeitfürsich(mitErfolg)beansprucht«.Eristsomitein»aufLegitimitätgestütztesHerrschaftsverhältnisvonMenschenüberMenschen« (MaxWeber).Der Staat besitztmithin zurDurchset-zungseinerEntscheidungenimStaatsgebietnachinnendasGewaltmono-

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II. Basis- und Fachkonzepte

polgegenüberallenBürger/-innenundüberdieSouveränitätnachaußen.ImmodernenStaatsindallerdingsGewaltmonopolundäußereSouveräni-tätinvielfältigerWeisebeschränkt.InderBundesrepublikalseinemmo-dernenVerfassungsstaatwirddasstaatlicheGewaltmonopoldurchdiever-schiedenenOrganeder legislativen,exekutivenund judikativenGewaltgetrenntundinwechselseitigerErgänzungausgeübt.DerVerfassungsstaatzeichnetsichdurchdieGebundenheitsowohldesVolkeswieauchderOr-ganedesVolkesandieGrundwertederVerfassung,vorallemandieMen-schen-undGrundrechteaus.

WeiterhinschwindenfaktischdieSteuerungsmöglichkeitenderStaats-gewalt aufgrund der Globalisierung der Wirtschaft: Der weltweiteInformationsf luss,dieInternationalisierungderFinanzmärkte,dieMachtderinternationalagierendenKonzerneengendiefaktischenEntscheidungs-möglichkeitenderrechtsetzendenInstanzenein.Deshalbnimmtimneu-erenpolitikwissenschaftlichenDiskursumdenStaatdessenReforman-gesichts von Internationalisierungs- und Globalisierungsprozessen einebesondereStellungein(Genschel,Leibfried&Zangl,2007).DiestaatlicheSouveränitätnachaußenhinwirdheutedurchsupranationaleundinterna-tionaleOrganisationenundVereinbarungen,etwaimRahmenderEuropä-ischenUnion,derVereintenNationenundderWelthandelsorganisationinvielfältigerWeisebeschränkt.DasBundesverfassungsgerichtbezeichnetdieEuropäischeUnionalsStaatengebildesui generisdannauchals»Staatenver-bund«,umsievölkerrechtlichvondem(nochnicht)verwendbarenBegriff»Staat«zudifferenzierenundumgleichzeitigzumAusdruckzubringen,dassdieEUwedereinenBundesstaatnocheineKonföderationdarstellt.

WeiterhinstelltdieProblematik»begrenzterStaatlichkeit«beifragilenoderzerfallenenStaateneinenSchwerpunktdesderzeitigenwissenschaft-lichenDiskursesdar (Risse,2007).BesondereAusprägung findendieseFälle inStaatenjenseitsderentwickeltenOECD-Welt.ImExtremfall–wieetwainSomalia–hatderStaataufgehörtzuexistierenunddasGe-waltmonopolfastvollständigverloren.

FehlkonzepteEineGefahrbeiderunterrichtlichenAuseinandersetzungmitdemThemaStaatbestehtdarin,dassderStaatmitderPolitikineinsgesetztwird.Oft-malswerdenvordiesemHintergrundunrealistischeErwartungenandiestaatlichenGestaltungsmöglichkeitengerichtet.Darüberhinaussindland-läufigeBildervomStaatoftwidersprüchlich:ZumeinenwirddemStaat

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3. Fachkonzepte Ordnung

unterstellt,dieBürgerinnenundBürgerdurchSteuernungebührlichzu»schröpfen«.AndererseitswirdimfürsorgendenWohlfahrtsstaatvomStaaterwartet,dasserfürsämtlicheBereichedesLebenszuständigundgegebe-nenfallsindiePf lichtzunehmenist.

DesWeiterenbleibenvieleLehrpläneundSchulbücherimHinblickaufdieunterrichtlicheThematisierungdesGegenstandesStaatimnationalenRahmenverhaftet.ZwarkönnenaufdieseWeisedurchausMomentewiedas staatlicheGewaltmonopol,StaatsvolkundStaatsgebieterörtertwer-den.ZurunterrichtlichenAuseinandersetzungmitstaatlicherSouveränitätmussjedochdiePerspektiveüberdennationalenRahmenhinauserwei-tertundetwadaseuropäischeMehrebenensystemmiteinbezogenwerden.

Vernetzung des FachkonzeptsDieAusdifferenzierung ineineVielzahlvon InstitutionendesStaatsap-paratesbedingt,dassVerknüpfungeninsbesonderezudenFachkonzeptenRegierungsowieRechtsstaat,GewaltenteilungundKonf liktvorgenom-menwerdenkönnen.DasStaatsvolkwiederumlegitimiertinderDemo-kratiedaspolitischeSystem,weshalbhierinsbesondereVerknüpfungenzudenFachkonzeptenDemokratie,ParlamentundWahlenvorgenommenwerdenkönnen.

SchließlichverfügtderStaatweiterhinzurDurchsetzung seinerEnt-scheidungenüberdieSouveränitätnachaußen.VordiesemHintergrundlässtsichdasFachkonzeptStaatauchmitdenFachkonzeptenInternatio-naleBeziehungen,europäischeIntegration,europäischeAkteure,Frieden,Freiheit,SicherheitundöffentlicheGütervernetzen.

BeispielthemenDasFachkonzeptkannbereitsinderPrimarstufeaufkommunalerEbeneamBeispielderstaatlichenOrdnungsaufgabenderPolizeibearbeitetwer-den.InderSekundarstufeIsolltenvornehmlichdieGrundfragenpoliti-scherOrdnung sowiediedenStaatkonstituierendenElementeStaatsge-biet,StaatsvolkundGewaltmonopolthematisiertundvomFaustrechtoderderSelbstjustizabgegrenztwerden.DerBegriffStaatsvolklässtsichinsbe-sondereauchamThemaStaatsbürgerschaftimPolitikunterrichtbearbeiten.

Die Zerfaserung der staatlichen Souveränität nach außen bzw. dieÜbertragung von Souveränitätsrechten auf supranationale Institutionen

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II. Basis- und Fachkonzepte

derEuropäischenUnionlässtsichvoralleminderSekundarstufeIIbehan-deln.HierwäreauchvordemHintergrund,dassdieEuropäischeUnionüberkeineigenesStaatsvolkverfügt,zuerörtern,inwiefernessichbeiderEuropäischenUnionnichtumeinenStaatimherkömmlichenSinne,son-dernumeinepolitischeOrdnungsui generishandelt.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Staat zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte Fachkonzepte

OrdnungRechtsstaat,Gewaltenteilung,Demokratie,europäischeIntegration

EntscheidungParlament,Regierung,europäischeAkteure,Konf likt,Parlament,Wahlen

Gemeinwohl Sicherheit,Frieden,Freiheit,öffentlicheGüter

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Staat

Schulstufen BegriffePrimarstufe Polizei,Grenze

SekundarstufeIStaatsgebiet,Staatsvolk,Gewaltmonopol,Selbstjustiz,Staats-bürgerschaft,Bundeswehr

SekundarstufeIISupranationaleInstitution,Mehrebenensystem,zerfallendeStaaten( failed states),Souveränität

4. Basiskonzept Entscheidung

Definition

IneinemallgemeinenSinneverstehtmanuntereinerEntscheidungdiebe-wussteoderunbewussteWahlzwischenAlternativenoderVariantenvonZielen,Gestaltungs-undHandlungsmöglichkeitenimHinblickaufWert-maßstäbeund/odersonstigePräferenzen(z.B.Interessen).GrundsätzlichlassensichvierArtenvonEntscheidungenvoneinanderabgrenzen:1.IndividuelleEntscheidungen(voneinzelnenfürsichallein)

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4. Basiskonzept Entscheidung

2.Gruppenentscheidungen(vonMenschen,dieinpersönlichemKontaktzueinanderstehen)

3.KollektiveEntscheidungen(vonvielenineinemgroßensozialenGebil-de)

4.KollektivierteEntscheidungen(Entscheidungenvonjemandemfüralle)(Sartori1997,S.212f ).

EntscheidunglässtsichalseinBasiskonzeptderPolitikausfolgendenÜber-legungenherausbegründen.SpeziellaufPolitikbezogenistesunstrittig,dassimAlltagsverständnis»Entscheidungsunfähigkeit«vonpolitischenAk-teurenalsKritikund»Entscheidungsfreudigkeit«alspositivesMerkmalgilt.DasBasiskonzept»Entscheidung«,dasinderPolitikwissenschaftdiskutiertwird,gehtjedochdarüberhinaus.InderPolitikwissenschaftgilt»Entschei-dung«alsprägendesMerkmalvonPolitik.»PolitikistdieGesamtheitderAktivitätenzurVorbereitungundzurHerstellunggesamtgesellschaftlichverbindlicherund/oderamGemeinwohlorientierterundderganzenGe-sellschaft zugutekommenderEntscheidungen« (Meyer2003,S.41).Po-litik ist alsogekennzeichnetdurchEntscheidungen,dieoffen sind,d.h.ineinemHandlungsraumgetroffenwerden,indemimmerAlternativenmöglichsind.ImmergibtesmehralseineMöglichkeit,wiedieEntschei-dunginihremInhaltbeschaffenundinihrerFormzurGeltunggebrachtwirdunddieEntscheidungsollallenzugutekommenundistfürallebin-dend(ebda).IndieserDefinitionlässt sichauchdieengeBeziehungdesBasiskonzeptsEntscheidungzudenbeidenanderenBasiskonzepten»Ord-nung«und»Gemeinwohl«erkennen.D.h.politischeEntscheidungenfin-denimmerineinembestimmtenformalenOrdnungsrahmenstatt,derdenpolitischenEntscheidungsprozessreguliert,undpolitischeEntscheidungenorientierensichaneinemGemeinwohlalseinerregulativenIdeeoderbe-hauptendieszumindest.PolitischeEntscheidungen,diefüralleverbind-lichsind,könnennichtdaraufverzichten,sichausderFörderungeineswieauchimmerbestimmtenWohlsderGemeinschaftzurechtfertigen.

ErläuterungPolitischeEntscheidungensindTeil jenerProzesse,vermittelsdererwe-nigstensmehrereMenschen,größeresozialeGebildeoderaberpolitischeGemeinschaftengleichwelcherArt,geradeangesichtsvonnormalerweisenichtübereinstimmenderPräferenzenundWillensbekundungenderein-zelnenvorübergehendzu»verbindlichenFestlegungengelangenundda-

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II. Basis- und Fachkonzepte

mit dieKontingenz einer Situation für den einzelnenwie für alle ge-meinsam zumindest temporär überwinden«. (Greven 1999, S.66). JedepolitischeEntscheidungberuhtsowohlaufvorangegangenenEntscheidun-genundbestimmtundverändertdieAusgangslagedernächstfolgendenEntscheidungen,hatalsoProzesscharakter.IndiesempolitischenProzessentscheidetdieGesellschaftüberdieGeltungbestimmterabstrakterWerteunddieVerteilungbestimmtermateriellerWerteundInhalte.ErumfasstdiegesellschaftlicheWillensbildung,diezurEntscheidungführt,dieEnt-scheidungselbstundderenDurchsetzungsowieihreAnerkennungoderNichtanerkennunginderGesellschaft,alsodieFragederLegitimität(vgl.Greven2000,S.12).DerBegriffLegitimitätbezeichnetdamiteinFach-konzeptimRahmendesBasiskonzeptsEntscheidung.

DieHerstellungverbindlicherEntscheidungenwurdeinderPolitikwis-senschaftlangeZeitmitdemStaatbzw.mitstaatlichenInstitutionen,derRegierungsowiedemGesetzgebungsprozessinVerbindunggebracht.Die-sesVerständniswirdmitdemBegriff»government«umschrieben.Govern-mentmeintinsbesonderedieformelle,durchVerfassung,RechtundGesetzdefinierteDimensionvonPolitiksowiedieInstitutionendesRegierens,diemitdemstaatlichenMachtmonopolzumZweckederDurchsetzungrechtmäßigerpolitischerEntscheidungenausgestattetsind.

Mittlerweile hat sich die Politikwissenschaft von dieser klassischen»Staatsfixierung«gelöst.IneinemerstenSchrittwurdedasganzeVor-undUmfelddesEntscheidungsprozesses,alsodas,was»politischeWillensbil-dung«genanntwird,einbezogen.DasheißtEinstellungenundVerhaltens-weisenderGesellschaftsmitglieder,soweitsieaufdiesenProzessbezogensind,ebensoWahlen,Parteien,Interessengruppen,Verbände,sozialeBe-wegungensowieAkteure,FormenundAuslöservonProtestundWider-stand.DieeinzelnenAkteure,dieampolitischenEntscheidungsprozessbe-teiligtsind,stellendabeiweitereFachkonzeptedar.

FürdieseArtundWeisewiepolitischeEntscheidungengetroffenundausgeführtwerden,hatsichderBegriff»Governance«durchgesetzt,derfüreinenneuenBlickwinkelderPolitikwissenschaftsteht.PolitischeEntschei-dungenimSinnevonSteuerungundRegelungwerdenjetztimKontextvon zivilgesellschaftlichenundprivatwirtschaftlichenAkteurengesehen.DesWeiterenzeichnetsichGovernancedurchTendenzenstärkerergesell-schaftlicher,ökonomischerundpolitischerSelbststeuerungvonkomplexeninstitutionellenStrukturenaus.Sie istverbundenmitderZunahmevoninterorganisatorischerKooperationundKoordination sowieeinerneuenKombinationvonSteuerungsmodi,wiedemZusammenhangvonVerhand-lungen,HierarchieundAnreizen(Bogumil&Holtkamp2004,S.148).

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4. Basiskonzept Entscheidung

Ob»Government«oder»Governance«,derpolitischeEntscheidungsprozessinseinerGesamtheitistgekennzeichnetdurchKonf likte.D.h.durchVer-suchevonAkteurenbestimmteEntscheidungenzutreffenunddurchzu-setzen,durchVersuchevonanderenAkteurenandereEntscheidungenzutreffenunddurchzusetzenoderEntscheidungenüberhauptzuverhindern,wobeiauch»Nicht-Entscheidungen«als»Entscheidungen«verstandenwer-denmüssen.Damitdieserkonf likthafteProzessnichtzueinerDesinteg-rationderGesellschaftodereinerLähmungdespolitischenSystemsführt,istderProzessindemokratischenSystemenhäufigsoorganisiert,dasszwarviele in irgendeinerWeise anderEntscheidungbeteiligt sind,dieEnt-scheidungimengerenSinnegleichwohlwenigenvorbehaltenbleibt.Da-mitdiesgelingt,wirdderEntscheidungsprozessinmehrerePhasenzerlegtund dem Entscheidungsprozess im engeren Sinne umfangreiche Mei-nungs-undWillensbildungsprozessevorgeschaltet.»AufeinererstenStufegehtesdarum,gesellschaftlicheProblemeundWünscheüberhauptzuer-kennen,siealspolitischeZweckeundZielezuformulierenundPersonenzubestimmen,diedieWünscheweiternachobentragen.Darankönnengegebenenfalls alleGesellschaftsmitgliederüberallgemeineWahlenunddieVielzahlderInteressenverbändebeteiligtwerden(Rohe1994,25).ImnächstenTeildesProzesseswerdendieunterschiedlichenInteressen,Zie-leundWünschegesammelt,gebündelt,zudenvorhandenenMittelnderGesellschaftinBeziehunggesetztundzuhandhabbarenEntscheidungsal-ternativenzusammengefasst.DiesesistinunserempolitischenSystemvorallemdieAufgabenderParteien.AufdernächstenEbenegehtesdannumdieeigentlicheEntscheidung,diegetroffenwird,dieausgeführtundunterUmständengegenWiderstanderzwungenwerdenmuss.DaransindinderRegelParlament,RegierungundVerwaltung,aberu.U.auchdasBundes-verfassungsgerichtbeteiligt.

PolitischeEntscheidungeninDemokratiensindinderRegelMehrheits-entscheidungen.DieMehrheitsentscheidungkürzteinenEntscheidungs-findungsprozessabundbringtihnzumEnde.UnterderVoraussetzung,dass das Mehrheitsprinzip als Entscheidungsregel von allen anerkanntwird,ermöglichtesnichtnurschnellebzw.effizientepolitischeEntschei-dungen,sondernauchEntscheidungen,dieimPrinzip»vonallen«akzep-tiertwerdenundderenDurchführungaufwenigWiderstandstoßendürf-te.MehrheitsentscheidungengebenallerdingsderMehrheitMachtüberdieunterlegeneMinderheitundvondieserMachtkannsiegegebenenfallssehrweitreichendenGebrauchmachen.

Was sollte aber die unterlegeneMinderheit bewegen,Mehrheitsent-scheidungenzuakzeptieren?Mehrheitsentscheidungen,diefüralleGel-

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II. Basis- und Fachkonzepte

tunghabensollen, funktionierenaufDauernurdann,wennbestimmteVorbedingungenerfülltsind.DieAkzeptanzeinersolchenEntscheidungund der damit verbundenenOpfer, die dieMehrheit der unterlegenenMinderheit auferlegt, setzt das Vertrauen der Minderheit in den gutenWillenderMehrheitvoraus.»SoziopsychischeGrundlagediesesVertrau-ensistein›Gemeinsamkeitsglaube‹(MaxWeber),dersichaufpräexisten-te geschichtliche, sprachliche, kulturelle und ethnischeGemeinsamkei-tengründet.KanndiesestarkekollektiveIdentitätvorausgesetztwerden,soverliertdieMehrheitsherrschaftinderTatihrenbedrohlichenCharak-terundkanndannauchMaßnahmenderinterpersonellenundinterregio-nalenUmverteilung legitimieren,dieandernfallsnichtakzeptabel sind.«(Scharpf2001,S.270).EineweitereGrundvoraussetzung,dassMehrheits-entscheidungen funktionieren, ist, dass in einerGesellschaft nicht allesumstrittenistunddeshalbauchnichtallesmehrheitlichentschiedenwer-denmuss.EineweitereBedingungdürftesein,dassdasMehrheitsprinzipvorsichtigunddosierteingesetztwird.»MitanderenWorten:DasMehr-heitsprinzipfunktioniertnurdann,wennesnichtüberallundzujederZeitangewandtwird.Mehrheiten,dieelementareundvitaleInteresseneinergrößerenMinderheithäufigverletzenundohneBereitschaftzuinhaltli-chenKompromissenundohneRücksichtnahmeaufdas »Gemeinwohl«ihrenMehrheitswillendurchsetzen, tragen zwangsläufigdazubei,demMehrheitsprinzipalspolitischemEntscheidungsfindungsprinzipdieallge-meinegesellschaftlicheAnerkennungsgrundlageinnerhalbeinessozialenVerbandeszuentziehen«(Rohe1994,S.24f ).Nichtzuletztisteinewichti-geVorbedingungfürdieAkzeptanzdesMehrheitsprinzipsdarinzusehen,dassdieMinderheitprinzipielldieChancehatoderzumindestberechtigtdaraufhoffenkann,aucheinmalzurMehrheitzuwerden.AlledieseAs-pektegehörenzumBasiskonzept»Entscheidung«.

Internationale und globale Ebene

BisherwardasBasiskonzeptEntscheidungimWesentlichenaufdenNa-tionalstaatbezogenundnicht aufdieEbeneder internationalenBezie-hungenoderderinternationalenPolitik.DieaktuelleSituationderinter-nationalenPolitikistgekennzeichnetdurcheinenBedeutungsverlustderNationalstaaten.DiezunehmendeAuslagerungklassischernationalerRe-gierungsfunktionen in internationaleRegimebzw. imFalle derEuro-päischenUnionintransnationalesRegierenmachtdieGrenzenderhis-torischen Formen demokratischer Willensbildung, Entscheidung und

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4. Basiskonzept Entscheidung

Legitimierung deutlich und bringt zumindest für westliche Demokra-tienund ihreBürgerinnenundBürgerungewohntenormativeDefizi-te. Die Internationalisierung von Politik und politischem Problemlö-sungshandelnlässteinederWesentlichenundbisheralsselbstverständlichvorausgesetzten Existenzbedingungen der Demokratie prekär werden:ihreStabilisierungundEntfaltungineinemstaatlichfixierten,territoria-lemund gemeinschaftsbildendenwie gemeinschaftsprägendenRahmen(Richter, S.173ff ). Internationalisierung und Globalisierung bewirkenunter anderem, dass politischeGestaltungs- undVerantwortungsräumeundwirtschaftlicheundökologischeWirkungsräumeauseinanderfallen.PolitischeVerantwortungwirdimmerschwierigeridentifizierbarundde-mokratischeLegitimationgeht so insLeere. »WenndasWahlvolknichtmehrgenauweiß,werdieeigentlichwichtigenEntscheidungentrifftundaufwelcherEbenediesegetroffenwerden,kannesseineMachtüberdieRegierungnichtmehrausüben.EskommtzugravierendenVeränderun-genimliberal-demokratischenVerständnisvonPartizipationundReprä-sentation,wenndieAllokationvonRechtenundPf lichten,dieRegelnderPartizipationbeiEntscheidungen,dieMechanismenderLegitimationundVerantwortungnichtlängeridentischsind«(Mahnkopf1998,S.66)

DaswesentlicheMerkmal derGlobalisierung besteht darin, dass einabstraktesRaum-undZeitregimedie sozialeZeit-undRaumbindungvon Gesellschaften, Staaten und Individuen abzulösen beginnt. Die-semüssensichanschnellwandelndeStandardsanpassenundjeschnellerihnendieseAnpassunggelingt,destoschnellerverlaufendienachfolgen-denWandlungsprozesse.»AushandlungsprozessewelcherArtauchimmerunddieKontrollevonEntscheidungengeltenimProzessweltmarktorien-tierterModernisierungeheralsStörfaktor,dennsiefolgeneinemsozialenRhythmus,dernichtodernurungenügendindieBeschleunigungsdyna-mikpasst«(ebda,S.59f ).

ZwarverfügenStaatenaufGrunddernurrelativenBeweglichkeitdesKapitalsauchunterdenBedingungenderGlobalisierungnochüberge-samtwirtschaftliche Gestaltungsspielräume, diese bestehen jedoch nurnochinderSteuerungderArtundWeisederAnpassungandieGlobali-sierung.Möglichkeiten,zupolitischtragfähigenKostendieGlobalisierungzuignorierenodergarausderGlobalisierungauszusteigen,bestehennicht.

DiepolitischenHauptakteureaufinternationalerEbenesindzwarim-mernochdieNationalstaatenunddieeinzelstaatlichenRegierungen.SiebetreibenjederfürsichAußenpolitikundzusammengeseheninternatio-nalePolitik(Brock2007,S.236),aberdieZahlderandeninternationalenundglobalenEntscheidungenbeteiligtenAkteurehaterheblichzugenom-

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II. Basis- und Fachkonzepte

men.DazugehörendieinternationalenRegierungsorganisationen(UN,Weltbank,IWF)ebensowiedieWeltkonferenzenderVereintenNationen(WeltkonferenzenderVereintenNationender1990erJahreundihreFol-gekonferenzen), SupranationaleEinrichtungen (einschließlichGerichte)mitWeisungsbefugnisundStrafbefugnisgegenüberStaatenundPersonen(z.B.EinzelbereichederEUwieAußenhandels-undWettbewerbspoli-tik,StreitschlichtungsverfahrenderWTO,Kriegstribunale,Internationa-lerStrafgerichtshof )ebensowieinternationaleInteressengruppen,NGOsundsubstaatlicheVerwaltungseinheiten,dieaußerhalbdeseigenenStaatestätigwerden.DieFolgedavonist,dassinternationaleEntscheidungspro-zesseundEntscheidungenzunehmendunübersichtlichgewordensind.EswerdenimmermehrnationaleGrenzenundRegelungenabgebaut,ohnedassesschongelungenwäreneue,demweiterenglobalenWirkungshori-zont angemessene InstrumentederEntscheidungundRegulierungauf-zubauen.Perspektiven lassen sichauf fünfEbenenerkennen, aufdeneneinAufbautransnationalerZusammenarbeitmöglicherscheintunddamiteineGewinnungpolitischerEntscheidungskompetenzaufderEbenederWeltgesellschaft.

1. DieStärkung,ErweiterungundVeränderungderAufgabenderUNOsowie die Enthierarchisierung oder Entoligarchisierung des UN-SystemsnachderMaxime,»that all nations – large and small, powerfull and weak – schould be able to make their views heard and to participate in deci sions-making«(Boutros-Ghali,1995).

2.DerAusbauunddieVernetzungderSystemeregionalerpolitischerZu-sammenarbeit.

3.Bereichsbezogene transnationaleKooperation, sogenannte transnatio-naleRegime(imBereichdesHandels,desUmweltschutzes,derMen-schenrechteusw.

4.TransnationaleVernetzungzivilgesellschaftlicherPolitik(vgl.Meyer2003,S.255).Dasheißt:StärkungderzivilgesellschaftlichenPräsenzandenOrtender internationalenStaatenpolitikundderSchaffungeinertransstaatlichendemokratischenÖffentlichkeit.AusgehendvonderbereitserfolgtenEinbeziehungvonNichtregierungsorganisationen(NGOs) indieWeltkonferenzendervergangenen Jahre, z.B.durchBeteiligunganVorbereitungstreffen,durchdieErstellungnationalerBerichte,durchihreMitwirkungamKonferenzgeschehenunddurchdiePlanungvonFolgeaktivitäten,könnteeine ständigesForumderZivilgesellschaft einberufenwerden, dass »der internationalenBür-gergesellschaftdirektenZugangzumUN-Systemverschaffenundda-

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4. Basiskonzept Entscheidung

mitstetigeEinf lussmöglichkeitenundEnscheidungschanceneröffnenwürde«(Brock1998,46;KommissionfürWeltordnungspolitik1995,S.287f ).

5.EinweitererVorschlagbeziehtsichaufMöglichkeitenderErweiterungdesZugangsvonIndividuenzuinternationalenEinrichtungeninVer-bindungmitdemAusbauderInternationalenGerichtsbarkeitundaufdieSchaffungvonpolitischenPartizipations-undEntscheidungsmög-lichkeitenfürNicht-StaatsangehörigeaufnationalerEbene(z.B.beiminternationalenSchutzderMenschenrechte).

EntscheidungstheorienEinweitereszentralesElementdesKonzeptsmussindenEntscheidungs-theoriengesehenwerden,dieProblemeundAspektederEntscheidungundderEntscheidungsfindungthematisieren.VonEntscheidungstheorienwerdenvorallemFragenderInformationsverarbeitungbehandelt,sofernderkollektive,mehrstufigeEntscheidungsprozess sich als Informations-verarbeitungsprozessdarstellt, sowieFragenderRisikoabschätzung,derNutzenmessung und der Präferenzordnung interdisziplinär bearbeitet.WichtigeBeiträgekommenausdenWirtschaftswissenschaften,derMa-thematik,derPsychologie,derSoziologie,derKommunikationsforschungundderPolitikwissenschaft.»EineinheitlichestheoretischesGerüstzeich-netsichjedochnichtab«(Klöti2002,S.179).

Prinzipiell lässt sich festhalten, dass Entscheidungstheorien in derPolitikwissenschaft normativ oder deskriptiv orientiert sein können.NormativenEntscheidungstheoriengehtesdarumzuklären,wieEnt-scheidungsträgerbeigegebenenZielenundSituationenentscheidensol-lenoderwie sichpolitischeSteuerungausnormativerSichtverändernsollte(Klöti2002,S.179;Bogumil&Holtkamp2004,S.148).ZielkanndiepraktischeBeratungvonpolitischenAkteurenunddieVerbesserungder Steuerung bzw. der Steuerungsergebnisse in politischen Systemensein.

Dieempirisch-deskriptiveEntscheidungstheorieversuchtdagegendastatsächlicheZustandekommenvonEntscheidungendarzustellenundzuerklären.ImMittelpunktdieserTheorienstehenAblaufundErgebnisvonEntscheidungsprozessen.

ZudennormativenEntscheidungstheoriengehörtdieTheoriederra-tionalenEntscheidung,dieallerdingsinderPolitikwissenschaft(imGe-gensatzzurÖkonomik,indersieeinzentralesParadigmaist)kontrovers

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II. Basis- und Fachkonzepte

diskutiertwirdundbishernochkeinebesondereBedeutungerlangthat.DierationaleEntscheidungstheoriegehtvonderGrundannahmeaus,dassEntscheidungsträgerindividuelleAkteuresind,dieHandlungsalternativenaufGrundihrerNutzenpräferenzenauswählen.DieseNutzenpräferenzensinddieKriterien,mitdenendieKonsequenzenvonHandlungsalternati-venbewertetwerden.DieGewissheitdereintretendenKonsequenzenistjedochnurschwerzuprognostizierenundnachdemGradderGewissheitwerdenunterschiedlicheEntscheidungssituationenbeschrieben:Entschei-dungenmitSicherheit,EntscheidungenmitUnsicherheit,Entscheidun-genunterRisikoundEntscheidungenunterUngewissheit.SolcheThe-orienderrationalenEntscheidungwerdeninderPolitikwissenschaftaufunterschiedlicheGebieteangewendet(z.B.inderWahlforschung),aller-dingskaumaufdenpolitischenEntscheidungsprozess selbst,der als einhochkomplexerProzessunterUngewissheitgesehenwerdenmuss.ErstdieSpieltheorieundihrerneuerenEntwicklungen,diedieebenfallsalsratio-nalangenommenenEntscheidungeneinesGegenspielers(Vetospieler)unddenjeweiligeninstitutionellenHandlungskontextversuchtmiteinzube-ziehen,scheinenfürdieAnalysepolitischerEntscheidungsprozesseprakti-schenNutzenzubringen(Tsebelis,2002).

Dennoch:WirdderpolitischeEntscheidungsprozessinseinerGesamt-heitbetrachtet,sowirddieMengederinteressierendenFragensovielfäl-tigundunübersichtlich,dassdeskriptiveAnsätzeüberwiegen.Sie»gehenvoneinerKritikamrationalenModellaus.Siestellenfest,dassinkonkre-tenEntscheidungssituationeni.d.R.wedersämtlicheAlternativennochderenKonsequenzenbekanntsindunddassderEntscheidungsträgermeistüberkeingeschlossenesSystemvonZielenundPräferenzenverfügt.SiebetonendagegendenzeitlichenAblaufeinerEntscheidungundversuchen,dasZustandekommenvonkomplexenkollektivenEntscheidungenzuer-klären«(Klöti2002,S.180).

DeskriptiveTheorien selbst gehen von verschiedenenModellen aus.FürdieBeschreibungundErklärungdespolitischenEntscheidungspro-zessessindvorallemzweiModellevonBedeutung,diesichweitgehendähnlichsind.

In kybernetischen Modellen wird die Entscheidung als output einerOrganisationverstanden. IndiesemZusammenhang istdieVorstellungder Politik als inkrementale Änderung und des Sich-Durchwurstelns(mud dling-trough)(wiediesLindblomschon1975beschriebenhat),dieinAuseinandersetzungmit rationalenModellenderEntscheidungsfindungentwickeltwurde,nachwievorvonBedeutung.

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4. Basiskonzept Entscheidung

InkrementalePolitikheißt:• PolitischeEntscheidungenorientierensichüberwiegendamStatusquo

undstrebennurkleineVerbesserungenan.• EsgehtdabeiumeineschrittweiseProblemlösung.• EswerdennichtfürfeststehendeZieleadäquateMittelgesucht,sondern

dieZweckewerdenanvorhandeneMittelangepasst.• ImpulsefürpolitischeEntscheidungenergebensichnichtausüberge-

ordnetenZielen,sondernausaktuellenMissständen.• Problemlösungenwerdennichtvon irgendwelchenZentrenkontrol-

liert,sondernfindenunkontrolliertdurcheineVielzahlvonEntschei-dungsträgerstatt.

• EswerdenInteressenundInformationenvondenverschiedenstenSeitenberücksichtigtundesentstehteinungeplanterneuerpolitischerZustand.

• DieBeiträgederverschiedenenEntscheidungsträgerwerdendurcheinenProzessgegenseitigerAnpassungzusammengebrachtundausgeglichen.

• KeineEntscheidungseinheitkanndieanderedominierenoderunterdrü-cken.

InderPolitikwissenschaftwirddiesesModellauchheutenochalsadäqua-teBeschreibungderWirklichkeitpolitischerEntscheidungsprozessegese-hen(vgl.denPolicy Cycle).DienormativeWendungdesModells,dieinderVorstellunggipfelt,dasspolitischeEntscheidungsprozesseauchtatsächlichsoablaufensollen,wirdjedochentschiedenabgelehnt.

DaszweiteModell,dasinderPolitikwissenschafteineRollespielt,istdas sogenannte »BürokratischeModell«.PolitischeEntscheidungen sinddanach das Ergebnis von Verhandlungsprozessen. »Eine Mehrzahl vonAkteurenmitunterschiedlichen Interessen,verschiedenenProblempers-pektivenundungleicherMachtbeteiligt sichaneinemsolchenProzess,derdurchorganisationsspezifischeSpielregelnstrukturiertist«(Klöti2002,S.180f ).DieKritikandiesemModellbeziehtsichaufdieMöglichkeit,dassmächtigeGruppendieAuslösungvonEntscheidungsprozessenver-hindernkönnen (non-decision-making).Neuere staatstheoretischeÜberle-gungenberücksichtigendieKritikansolchenmacht-undeinf lusstheore-tischenKonzeptenundversuchenEntscheidungsprozesseindenRahmenzunehmender Verf lechtung auf territorialer Ebene – international, na-tional, regional, lokal–und in sozialenHandlungssphären–StaatundVerwaltung, Marktwirtschaft und Unternehmen, Zivilgesellschaft undNicht-Regierungsorganisationen, Gesellschaft und Interessenvertretun-gen,ÖffentlichkeitundMedien–zustellen.

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II. Basis- und Fachkonzepte

5. Fachkonzepte Entscheidung

5.1 Europäische Akteure

Essenz des FachkonzeptsEuropäischeAkteuresindElementedespolitischenSystemsderEuropä-ischenUnion.NebendenInstitutionenundihrenMitgliedern(Europä-isches Parlament, Kommission, Ministerrat, Europäischer Gerichtshof )hatsicheineweitersteigendeZahlanAkteurenetabliert,dieihreForde-rungenandasSystemrichten:Gewerkschaften,Parteien,Industrie-,Um-weltschutz-,Finanz-,Automobil-,Verbraucherschutzverbändeusw.DieBürger/-innenkönnenübernationaleWahlen,dieEuropawahl,KlagenvordenGerichten,denBeitrittzuParteienoderInteressengruppenihreForderungenandieEUstellen.DieEntscheidungenderEUbetreffeneineVielzahlvonPolitikfeldern,wiez.B.dieSozial-,Umwelt-,Landschafts-,Finanz-,Außenhandels-,Verteidigungs-,Verkehrspolitik.Die europäi-scheGesetzgebungundFinanzpolitikhatmittlerweileeinengroßenEin-f lussaufdieMachtverteilungundRessourcenzwischenBürgern,GruppenundStaaten.AmBedeutsamstenfürdieEntwicklungdereuropäischenIn-tegrationerweisensichdieInstitutionen.DabeisinddiepolitischenZu-ständigkeitenderverschiedenenOrganederEUuntereinanderwieauchinihremVerhältniszudenMitgliedstaatenderEUvermischt.

Politikwissenschaftliche VertiefungDieAkteureaufdereuropäischenEbenenehmenmehroderwenigerEin-f lussaufdieEntscheidungsfindunginderEU,weshalbderBezugdieserAkteurezumBasiskonzeptEntscheidungevidentist.IhreInteressen,Mo-tiveundHandlungenbestimmendenOutcomedespolitischenSystemsge-nausomitwiedieRegelnder Institutionen.Akteureund InstitutionensindineinemBeziehungsgef lecht.IndenInstitutionensinddieVerfah-rensregeln formeller und die über die Ideologien einf ließenden Über-zeugungeninformellerNatur.GeradefürdieEU-Institutionengilt,dassihreVerfahrensregelnständig inneuenVerträgengeändertwerden.AufdieseWeisewirdeinerseitsdieIntegrationderMitgliedsländerweiterent-wickeltundandererseitswirdsichderindenverbindlichenEntscheidun-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

gensichtbareOutcomeändern,wennsichdiePräferenzenderAkteureoderderInstitutionenändern.

Der Neo-Funktionalismus (Haas, 1958; Wolf, 2006) erklärt denIntegrationsprozess mit dem spill-over Konzept, d.h. der Annahme des»Überschwappens«erfolgreicherIntegrationsprozesseaufandereBereiche.Die treibendenKräftekommenhauptsächlichvonnicht staatlichenAk-teuren,die für ihre sozialenundwirtschaftlichen Interesseneine funk-tionaleEffizienzdesSystemsfordern.DieserAnsatzwirdvonderinter-gouvernementalistischen Theorie in Frage gestellt (Hoffmann, 1966).DanachsinddieMitgliedsstaatenundihrenationalen,geopolitischenIn-teressendietreibendenKräfte.DieErfolgesindbisheraufgeringpoliti-siertenGebietenmitökonomischemundtechnisch-administrativemCha-rakter eingetreten. Diese beiden Ansätze beeinf lussen die theoretischeDiskussionbisheute.DieaktuellenAnsätzeknüpfenjeweilsdarananundsetzenandereAkzente(Hix,2005,S.16f ).

Der liberale Intergouvernementalismus (Moravcsik, 1991) geht voneinerökonomischdefiniertenMachtstrategiederMitgliedsländeraus.DieeuropäischenInstitutionenhabeneinenbegrenztenEinf luss.DenFokusaufdenCharakterdesEU-SystemsunddieFormendeseuropäischenRe-gierens richtet erstderAnsatzdesMehrebenensystems ( Jachtenfuchs&Kohler-Koch,1996).ZahlreicheempirischeStudienwidmensichderAna-lyseder inhaltlichenPolitikgestaltungundProblemlösungsfähigkeitderEUundhierinsbesonderedarauf,wiesichdasinstitutionelleDesignaufdieProzesseundErgebnissederEntscheidungsführungauswirkt(Scharpf,1999). FeministischeAnalysen befassen sichmit der geschlechtsspezifi-schenSelektivitätdesEU-Systems(Abels,2006).AusderPerspektivedesRational Choice Institutionalismus(Tsebelis,1994)werdeneinzelneAus-handelungsprozesseindenInstitutionenmodelliert.DanachistderOut-comemehrvondensupranationalenInstitutionenbestimmt(Kommission,EuropäischesParlament,EUGH)alsvondenMitgliedsstaaten(Hix,2005).

FehlkonzepteBeiderunterrichtlichenUmsetzungdesFachkonzeptesstelltoftmalsderUm-stand,dassnurdieinstitutionellenAkteureEuropäischesParlament,Kommis-sionundMinisterrat,nichtaberGewerkschaften,ParteienunddiediversenVerbändethematisiertwerden,eineProblematikdar–letztgenannteAkteure,diefürdieEntscheidungsfindungiminstitutionellenGefügederEUgleich-fallsvoneminenterBedeutungsind,werdenvielfachnichtwahrgenommen.

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II. Basis- und Fachkonzepte

DarüberhinaushandeltessichbeideroftmalskolportiertenVorstellung,dassdieEntscheidungen inden integriertenPolitikbereichen inGestaltvonVerordnungenundRichtlinienalleinvonBrüsselgefälltwürdenunddieMitgliedstaatendiesenurumzusetzenhätten,umeinFehlkonzept:DieMitgliedstaatensindnachwievoraufunterschiedlichenEbenenamZustandekommeneuropäischerRegelungenbeteiligt.

Vernetzung des FachkonzeptsDasEuropäischeParlament,dieEuropäischeKommissionundderMi-nisterratstellendiewesentlicheneuropäischenAkteuredesinstitutionel-lenDreiecksderEUdarundsinddeshalbkonstitutiv fürdasBasiskon-zeptEntscheidungaufeuropäischerEbene.DasFachkonzeptistvordiesemHintergrundvernetztmit denKonzeptenRepräsentation,Demokratie,europäischeIntegration,ParlamentundWahlen.

WeiterewichtigeeuropäischeAkteurekönnenmitdemÜberbegriffeu-ropäischeInteressengruppenzusammenfasstwerden.EshandeltsichdabeiumsoverschiedeneAkteurewieParteien,Gewerkschaften,Nicht-Regie-rungsorganisationen,Medien,Kirchen,BürgerinitiativenundUnterneh-men.Allen ist dasBemühenumpolitischeEinf lussnahme auf dieEnt-scheidungenderAkteuredesinstitutionellenDreiecksgemeinsam.DieserBegriffstehtmithinimunmittelbarenZusammenhangmitdenFachkon-zeptenInteressengruppen,Legitimität,Öffentlichkeit,MachtundKonf likt.

BeispielthemenInderSekundarstufeIkanndasZusammenwirkenderAkteureEuropäischesParlament,EuropäischeKommissionundMinisterratsowiedieFunktions-logikdieses institutionellenDreiecks thematisiertwerden.Weiterhinkannauf dieser Stufe das Wirken der europäischen Akteure im europäischenMehrebenensystemauchinseinenUnübersichtlichkeitenbehandeltwerden.

DesgleichengiltfürdaspolitischeAgiereneuropäischerInteressengrup-pen.DerenEinf lussnahmeaufdieeuropäischenAkteuredes institutio-nellenDreieckssollteaufderSekundarstufeIIanhandeinesFallbeispielsthematisiertwerden.DaspolitischeZusammenwirkenderverschiedeneneuropäischenAkteureimMehrebenensystemkannexemplarischetwaamZustandekommender Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-Richtlinie)imPolitikunterrichtbehandeltwerden.WeiterhinkönnenaufderSekun-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

darstufeIIdieverschiedenenIntegrationstheoriendeseuropäischenEini-gungsprozessessowiedieFinalitätdiesesProzesseserörtertwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Europäische Akteure zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Repräsentation,Demokratie,europäischeIntegration

EntscheidungParlament,Wahlen,Interessengruppen,Legitimität,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Europäische Akteure

Schulstufen Begriffe

SekundarstufeIEuropäischesParlament,EuropäischeKommission,Ministerrat,EuropäischerGerichtshof,Kommissionspräsident/-in

SekundarstufeIIEuropäischesMehrebenensystem,Intergouvernementalismus,Neo-Funktionalismus

5.2 Interessengruppen

Essenz des FachkonzeptsInteressengruppen sind dauerhaft organisierte Zusammenschlüsse wirt-schaftlicherodergesellschaftlicherGruppen.SieberuheninderRegelauffreiwilligerMitgliedschaft(vgl.Thibaut,2002).NachinnenhabensiedenZweckdieunterschiedlichenEinzelinteressen ihrerMitgliederzukoor-dinieren,zusammenzufassenund ineineüberschaubareReihevonent-scheidbarenForderungenzuverwandeln.NachaußenartikulierensiediegemeinsamenInteressengegenüberanderenGruppenmitabweichendenoderentgegengesetztenInteressenundversuchendirektoderindirektEin-f lussaufpolitischeEntscheidungenzunehmen.ImUnterschiedzupoliti-schenParteienvertretenInteressengruppenstärkerpartikulareInteressenundstrebennichtdieÜbernahmeoderBeteiligunganderRegierungan,

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II. Basis- und Fachkonzepte

auchwennsieanderFormulierungundUmsetzungstaatlicherPolitikbe-teiligtseinkönnen.DamitunterscheidensiesichvonVereinen,diekeineEinf lussnahmeaufdenpolitischenProzessanstreben.

Politikwissenschaftliche VertiefungInDemokratienistderpolitischeWillensbildungs-undEntscheidungspro-zessimmeraucheinProzessderInteressenvermittlung,andemnebendenParteienvorallemdieInteressengruppenbeteiligtsind.DarausresultiertdieengeVerbindungdesFachkonzeptszumBasiskonzeptEntscheidung.InderBewertungdiesesTatbestandesbesteht jedochnachwievorkeineÜber-einstimmung.FürdieeinensindInteressengruppenübermächtige,unde-mokratischeundgemeinwohlgefährdendeOrganisationen,die staatlichenEntscheidungsabläufeunzulässigüberwuchern.FürdieanderengeltenVer-bändealsGaranteneinessinnvollenInformations-undEntscheidungsf lus-seszwischenBürger/-innenundStaat,diewichtigeIntegrations-,Vermitt-lungs-undSteuerungsleistungenfürdaspolitischeSystemerbringen(zudenhistorischenWurzelndiesesKonf liktsvgl.Forsthoff,1971;Fraenkel,1991;Offe,1970).EinedrittePositionistdiedesNeo-Korporatismus.SiegehtvoneinerzunehmendenVerf lechtungzwischenInteressengruppenundstaatli-chenInstitutionenaus. InteressengruppensinddanachkontinuierlichundgeregeltindieEntscheidungsfindungund-durchsetzungeingebunden.

DieneuesteDiskussionumInteressengruppenwirdunterdemBegriff»Lobbyismus«geführt.EinerseitswirddasHandelnder Interessengrup-penalslegitimunddemokratischanerkannt,andererseitswirddieman-gelndeTransparenzdiesesProzesseskritisiert.AuchinderEUwirdderEinf lussvonInteressengruppenimmerstärker.Zumeinenerweiternbe-stehendeInteressengruppenihrenAktionsradiusaufdieeuropäischeEbe-ne,zumanderengründensichneuesupranationaleAkteure,diepolitischeWillensbildungs- und Entscheidungsprozesse auf EU Ebene beeinf lus-sen.AufderinternationalenEbenegewinnenInteressengruppenebenfallsanBedeutung. InternationaleRegime schaffenzunehmendRegelsyste-meundEntscheidungsstrukturenauffreiwilligerBasisundvergrößernsoEinf lussmöglichkeitenundHandlungsspielräumevonInteressengruppen.

ObwohldieAuswirkungenvonGlobalisierungundEuropäisierungaufdasHandelnvonInteressengruppennochkaumuntersuchtsind,kommensowohlempirischeUntersuchungenalsauchtheoretischeÜberlegungenzudemErgebnis,»dassorganisierteInteresseninDeutschlandweiterhinzurgesellschaftlichenSelbstregulierungbeitragenwerden, fürpolitische

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5. Fachkonzepte Entscheidung

WillensbildungunterlässlichbleibenunddieFunktionsfähigkeitvonDe-mokratiesteigernkönnen«(Reutter,2000).

Fehlkonzepte

ObgleichinderPolitikwissenschaftdieNotwendigkeitunddieBedeutungvonInteressengruppenfürdieDemokratiesowiedieLegitimitätihrespoliti-schenHandelnsschonlangeanerkanntwird,hatsichinderÖffentlichkeit,indenMedien,auchimBewusstseinvonJugendlicheneineüberwiegendne-gativeEinstellunggegenüberInteressengruppenerhalten.InteressengruppenerscheinenvorallemalsVertreteregoistischerPartikularinteressen,diedurchBlockadepolitikdieHandlungsfähigkeitdespolitischenSystemseinschrän-ken,dasGemeinwohlgefährdenunddieAutoritätdesStaateszerstören.ZwarlässtsichvielesandenInteressengruppenundihremkonkretenHandelnkri-tischsehen,aberesmussauchAufgabevonPolitikunterrichtsein,LegendenoderVermutungen,dievonder»HerrschaftderVerbände«überdie»Unsicht-barkeitihresweitreichendenpolitischenWirkens«biszuderThesevonder»anonymenMacht«oderder»fünftenGewalt«reichen,zurelativierenunddieLeistungenderInteressengruppenfürdieDemokratieherauszuarbeiten.

Vernetzung des FachkonzeptsInteressengruppenstehenineinembesondersengenZusammenhangmitdemFachkonzeptKonf likt.ZumKonzeptaufbauisteinVerständnisdesFachkonzeptsKonf likt,aberauchderFachkonzepteGewaltenteilungundDemokratie,voralleminFormderpluralistischenDemokratienotwen-dig.Sieermöglichenerstdie systematischeEinordnungvon Interessen-gruppenindenProzessderpolitischenWillensbildungundEntscheidung.DaInteressengruppenzunehmendMassenmediennutzen,umihreInter-essenzukommunizieren,istauchdiesesFachkonzeptzumKonzeptaufbauhilfreich.DiesgiltauchfürdasKonzeptMarkt,agierendochdiezentralenInteressengruppenimmernochaufdemFeldderÖkonomie.

BeispielthemenBereitsinderGrundschulelassensichzentraleAspektedesHandelnsvonInteressengruppenverdeutlichen.EinewichtigeEinsichtbestehtschonda-

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II. Basis- und Fachkonzepte

rin,zuwissen,dassMenschenunterschiedlicheInteressenhabenunddiesedurchsetzenwollen.DamitdiesohneGewaltgeschehenkann,sindRegelnerforderlich.DarüberhinauslässtsichschoninderSchulklasseerfahren,dassInteressenvonEinzelnenwenigerdurchsetzungsfähigsindalsInteres-sen,diedurcheineganzeGruppevertretenwerden.UmInteressendurchGruppenwahrnehmenzukönnen,müssendiese ausden InteressenderEinzelnengemeinsameInteressenauswählen,diesebündelnundsichStra-tegienzurDurchsetzungüberlegen.DabeiwirdesinderRegelauchim-merKonf liktegeben,dienachgemeinsamakzeptiertenRegelnentschie-denwerden.

InderSekundarstufeIsolltenTypenvonInteressengruppen,FormenderInteressenwahrnehmung,StrategienderDurchsetzungunddieVoraus-setzungenvonInteressenwahrnehmunganalysiertwerden.AuchdieBe-deutungderInteressengruppenfürdieDemokratieisteinwichtigerInhalt,dersichmitThemenwie»HerrschaftderVerbände«oder»DiestilleMachtderVerbände«,»VerbändealsfünfteGewalt?«erarbeitenlässt.

InderSekundarstufeIIkönnenergänzenddazuunterschiedlicheAnsät-zederInteressengruppenforschungbehandeltwerdensowiedieVerände-rungenvonInteressengruppenundihrerFunktionenimZusammenhangmitProzessenderEuropäisierungundderGlobalisierung.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Interessengruppen zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Demokratie,Markt

Entscheidung Parteien,Massenmedien

Gemeinwohl Macht,Konf likt,Öffentlichkeit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Interessengruppen

Schulstufen BegriffePrimarstufe Einzelinteresse,Gruppeninteresse

SekundarstufeIGemeinschaftsinteresse,Konf liktregulierung,Interessen-artikulation,Interessenselektion,Interessenaggregation,Lobbying,Pressure,Patronage,Organisationsfähigkeit

SekundarstufeII Pluralismustheorie,Korporatismus

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5. Fachkonzepte Entscheidung

5.3 Konflikt

Essenz des FachkonzeptsIneinemKonf likttrifftUnvereinbaresaufeinander.DieskönnenWerte,Positionen,Ziele,Bedürfnisseu.v.m.sein.Konf liktealsStreit,Auseinan-dersetzungoderKontroversekönnenu.a.zwischenPersonenoderGrup-pen,zwischenSektorenoderGesellschaftsgruppenentstehenundgehörenzumgesellschaftlichenZusammenleben.SozialeKonf liktebeziehensichinderRegelaufNormenoderRessourcenineinerGesellschaft.Siegel-tenalseinGrundelementdessozialenWandels.PolitikwirdprimärdurchgesellschaftlicheProblemebestimmt,diealsInteressenkonf likteoderPosi-tionsdifferenzeninPolitikübersetztwerdenkönnen.PolitischanalysierenlassensichProzessevonKonf likten,indemEntstehung,AusbreitungundVerlaufsowieVerhinderung,AbbauundLösungvonKonf liktenbetrach-tetwerden(politics,dieprozessualeDimensiondesPolitischen).DesWei-terenlassensichKonf likteunterscheidennachdemKonf liktgegenstand,nachdenBeteiligten,nachihremRangzueinanderundentsprechenddenMachtverhältnissen(alsGleichberechtigte,Untergeordneteetc.),nachdenMittelnzurDurchsetzungderInteressenoderauchnachihrerIntensitätundErscheinungsform(offene,versteckteKonf likteusw.).DerfreieAus-tragvonKonf liktenistdemAnspruchnachkennzeichnendfüreinfrei-heitlichesGemeinwesen.WennKonf liktenicht zurSystemveränderungzwingen,wennalsoeinMindestmaßanÜbereinstimmungimHinblickauf InhalteundVerfahren zumAustragvonKonf liktenvorhanden ist,werdensiedurchKompromisse,KonsensoderMehrheitsentscheidungenbeendet,möglicherweiseabernurvorläufig.

Politikwissenschaftliche VertiefungAusKonf liktenergibtsichaufgrundihrergesellschaftlichdesintegrieren-denWirkungdieNotwendigkeit zurpolitischenEntscheidungundda-mitderengeBezugzumentsprechendenBasiskonzept.Entscheidungenlassensichals(vorläufige)SchlusspunktevonKonf liktenverstehen;Kon-f likteindiesemSinnehabeneineintegrierendegesellschaftlicheFunktion.VieleSoziologenundPolitikwissenschaftler/-innenhabensichmitKon-f liktenoderKonf liktstruktureninGesellschaftenbeschäftigtundzahlrei-cheTheorienhervorgebracht(zumÜberblickvgl.Bonacker,2002).Inder

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II. Basis- und Fachkonzepte

marxistisch-kritischenKonf likttheoriegeltenökonomischeVerteilungs-konf likte als Grundkonf likte in Klassengesellschaften, die nur durchgrundsätzlichegesellschaftlicheVeränderungenbeseitigtwerdenkönnen(Krysmanski&Tjaden,1979).Inderliberal-analytischenKonf likttheoriewerdenHerrschafts-bzw.Statuskonf liktealszentralangesehen,dienichtbeseitigtwerdenkönnen,sondernimmerwiederneuzuregulierensind(z.B.Dahrendorf,1958).DiepolitischeOrdnungeinerGesellschaftmussdemzufolgeentsprechendeInstitutionenzurgeordnetenAustragungvonInteressenkonf likten,alsozumInteressenausgleichschaffen(z.B.Tarifpar-teien,Rechtsstaat).Wert-oderOrdnungskonf liktesindhiernachwenigerbedeutsam.AnderswirddiesinpolitikwissenschaftlichenKonf liktmodel-lengesehen,beidenenParteienalsWertegemeinschaftendieKonf liktstruk-tureinerGesellschaftwiderspiegeln(z.B.Stöss,1997).BeidemRingenumGemeinwohlkönnensichWertekonf likteaufdieökonomisch-sozialeOrdnung(Sozialstaatvs.Marktfreiheit)oderaufdiepolitischeOrdnung(liberalevs.autoritärePrinzipien)beziehen.Diekonf likttheoretischeFor-schungwirdvorangetriebendurchempirischeStudienüberUngleichver-hältnisseoderKonkurrenzsituationen inbzw. zwischenGesellschaften.C.WrightMills’UntersuchungüberdieamerikanischeMachteliteundAngestelltenschaft(1956)wurdevondemkonf likttheoretischenZwangs-modell inspiriert,nachdemHerrschaftsprinzipien ineinerdurchwalte-tenGesellschaft zentral sind.Vertreter liberalerAnsätze haltenhinge-geneinezuverlässigeErmittlungderUrsachenvonKonf liktennichtfürmöglich.InderpolitischenIdeengeschichtegibtesjedochauchutopischeEntwürfe,dievonderMöglichkeitkonf liktfreierGesellschaftenausge-hen.Soerkenntdiemarxistisch-kritischeKonf likttheorie imökonomi-schenVerteilungskonf likteinenWert-undOrdnungskonf likt,derüberdenKlassenkonf liktzurLiquidationder»herrschendenKlasse«unddamitzurwahrenGemeinschaftführenkann(Strasser,2001).

FehlkonzepteOftmalswerdenKonf likteimAlltagsverständnisalsetwasNegativesan-gesehenundderBegriff selbstvermieden, indemstattdessenz.B.allge-meinervon »offenenFragen«gesprochenwird.EsbestehtvielfacheineKonf liktfeindlichkeitbzw.einHarmoniebedürfnis,welchesnichtberück-sichtigt,dassnichtdieKonf likteselbst,sondernbestimmteAustragungs-formenproblematischsind.DesWeiterenwerdenFormenderKonf likt-lösungimPrivatenmitFormenpolitischerKonf liktlösungenverwechselt.

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5. Fachkonzepte Entscheidung

WährenderstereaufderBeziehungsebeneangesiedeltsind,d.h.zwischenIndividuenoderGruppenstattfinden,liegenletztereaufeinerSachebene,beziehensichalsoaufstrittigeThemenoderPositionsdifferenzen.

Vernetzung des FachkonzeptsZumErlerneneinerStreitkulturgehörtu.a.,sozialeundpolitischeEbe-nenvonKonf liktenauseinanderzuhalten.HilfreichbeiderAnalysevonKonf liktenkanndaher das FachkonzeptÖffentlichkeit sein. Für einengeordnetenAblaufderKonf liktlösungsinddieElementederpolitischenOrdnungwesentlichundalsFachkonzepteindieKonf liktanalyseeinzu-beziehen.AbernichtimmerwerdenKonf liktenachMaßstäbenvonVer-nunftundimKonsensnachVerhandlungengelöst,sodassessichanbietenkann,sieimZusammenhangmitdemFachkonzeptMachtzudiskutieren.AbzugrenzensindKonf likte,diekommunikativgelöstwerden,vonge-walttätigenFormenderAuseinandersetzung,seiensieinnerstaatlicheroderzwischenstaatlicherNaturwiez.B.KriegeinderinternationalenPolitik.SieweisendaherauchVerbindungenzudenFachkonzeptenSicherheitundFriedenauf.Da insbesondereunterschiedlicheOrientierungenhinsicht-lichnormativerFachkonzeptewieGerechtigkeitoderÖffentlicheGüterstetsaufsNeueInteressenkonf likteineinerheterogenenGesellschaftbe-gründen,sindauchWertklärungsprozesseeinwichtigerBeitragzurKlä-rungvonKonf likten.

BeispielthemenKonf likte sollten schon inderGrundschule thematisiertwerden,da siesowohl derMeinungsbildung als auchderKritikfähigkeit der Schüler/-innendienen.InsbesondereInteressenkonf liktekönnenz.B.beikommu-nalpolitischenThemenzumGegenstandwerden,fürdiesichschonjünge-reSchüler/-innenaufgrundbekannterKonf liktgegenständeinteressieren(Bebauungspläne,Verkehrsprojekteetc.).InderSekundarstufeIlassensichKonf likteprinzipiellmitallenpolitischenFachkonzeptenverknüpfen,dasieTeilvonfastallenEntscheidungsprozesseninpluralenGesellschaftensind,wiez.B.Konf likteumRessourcen.InderSekundarstufeIIkönnenKonf liktezwischenStaatenuntersuchtwerden.AlsThemabietetsichhierderKonf liktüberdenvondenVereinigtenStaatengeführtenKriegimIrakaufdemForumderVereintenNationenan.

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II. Basis- und Fachkonzepte

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Konflikt zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung InternationaleBeziehungen,europäischeIntegration,Markt

Entscheidung Öffentlichkeit,Macht

Gemeinwohl Sicherheit,Frieden,Gerechtigkeit,öffentlicheGüter

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Konflikt

Schulstufen BegriffePrimarstufe Streit,Kompromiss,Interessen,Gewalt,Krieg

SekundarstufeI Dissens,Konsens,Harmonie

SekundarstufeII sozialerWandel,Integration,Utopie

5.4 Legitimation

Essenz des FachkonzeptsUnterLegitimationwirdzumeinenderProzessderHerstellungvonLegi-timitäteinespolitischenSystemsverstanden,zumanderenbezeichnetLegi-timationdiesubjektiveKomponentevonLegitimität,d.h.dieempirischbeobachtbareAnerkennungeinespolitischenSystemsdurchseineMitglie-der.PolitischeLegitimationundpolitischeLegitimitäthängenbegriff lichsoengzusammen,dasssiehäufigidentischverwendetwerden.Legitimi-tät alsnormativerBegriffbezieht sich aufdieobjektivenEigenschafteneinespolitischenSystemsundwirddefiniertalsdieRechtmäßigkeitoderdieAnerkennungswürdigkeit des Systems, seiner Institutionenund derdaringetroffenenpolitischenEntscheidungen.Rechtmäßigisteinpoliti-schesSystemdann,wenninihmdieVerwirklichungbestimmterPrinzi-pien(inderDemokratiez.B.Pluralismus,Partizipationsrechteund-mög-lichkeiten,Rechtsstaatlichkeitusw.)garantiertsind.Anerkennungswürdigistes,wenndiezurNormerhobenenVerhaltenserwartungenverallgemei-nerungsfähigeInteressenzumAusdruckbringen(Habermas,1976).Legi-timationalsstärkerempirischerBegriffbasiertaufdenLegitimitätsüber-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

zeugungenoderdemLegitimitätsglaubenderMitgliedereinespolitischenSystemsundbeziehtsichaufdessenfaktischeAnerkennung.Dieseistnurdanngegeben,wenneinMindestmaßanFreiwilligkeitundBewusstheitvorhandenist.InDemokratienistsiedieBestandsvoraussetzungderpoliti-schenOrdnung.LegitimationerfolgthierdurchdenpermanentenProzessderHerstellungundAufrechterhaltungdesGlaubensandieAngemessen-heitder Institutionenund ihresHandelns.DernormativeLegitimitäts-anspruchvonEntscheidungenundderempirischeLegitimitätsglaubederBeherrschtenwerdenpluralistischundimVergleichzuhistorischenGe-meinwesenprozeduralhergestellt(Heidorn,1982),indemaufrechtferti-gendeGründeöffentlichBezuggenommenwird.

Politikwissenschaftliche VertiefungLegitimationundLegitimitätsinddemBasiskonzeptEntscheidungzuzu-ordnen.LegitimitätiststetsdynamischundnichtstatischzuverstehenundLegitimationhatdenSchwerpunkt inpolitischenEntscheidungsprozes-sen,dienichtalleinaufdieHerstellungverbindlicherRegelndurchMachtberuhen,sondernimmerumRechtfertigungbemühtsind.DerLegitima-tionsdiskursinderPolitikwissenschaftistimmernochvondenIdealtypenlegitimerHerrschaft,dieMaxWeberentwickelthat,geprägt,diesichpri-mär an der ausschlaggebenden Motivation der Herrschaftsunterworfe-nenorientieren,sichdieserHerrschaftzufügen(Weber,1992).Erunter-scheidetfolgendeTypenpolitischerLegitimität:Dietraditionale(GeltungdesimmersoGewesenen),diecharismatische(GeltungskraftderEigen-schaften einerPersonundder durch sie geschaffenenOrdnungen) unddierationaleLegitimität.SiegründetindemGlaubenandieGeltungra-tionalbegründeterNormenundRegeln,die sichgegen alleEinwändevernünftigverteidigenundbegründenlassen.EastoncharakterisiertLegi-timitätalsÜberzeugungderMitgliedereinerGesellschaft,dassdieFunk-tionsweisedespolitischenSystemsweitgehendmitihrenpersönlichenmo-ralischenPrinzipienübereinstimmen(Easton,1965).DieZustimmungundUnterstützung, die sich daraus ergibt, kann diffus oder spezifisch sein.DiffuseUnterstützungistunabhängigvonderEffektivitätdespolitischenSystems.SiestelltquasieinenLegitimitätsvorschussdar.SpezifischeUn-terstützungorientiert sichamoutputundkommtmeistnachträglichzu-stande.DievonLuhmannentworfene»LegitimationdurchVerfahren«be-tontdielegitimitätsstiftendeWirkungprozeduralerVerfahrensregeln,wirdaberalsnormativzublasskritisiert.Dagegenrichtetsichdienormativan-

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II. Basis- und Fachkonzepte

spruchsvolleLegitimationstheorievonHabermas,deralsentscheidendenMaßstabdiediskursiveRechtfertigungvonGeltungsgründenpostuliert(Habermas,1976).ScharpfunterscheidetzwischenInput-LegitimationundOutput-Legitimation.Die inputorientiertePerspektivebetontdieHerr-schaft»durchdasVolk«überpolitischePartizipation,dieoutputorientier-te Perspektive, die Herrschaft »für das Volk« und damit effiziente undeffektive politischeEntscheidungen.BeidePerspektivenwirken inDe-mokratienzusammenundverstärkensichgegenseitig(Scharpf,1970).Inden 1970er Jahrenwar derDiskurs geprägt durchnormativ abgeleiteteLegitimationskriseneher»linker«Autoren,dieeineinhaltlichdiffuseMas-senloyalitätkritisierten (Offe,1972),unddurch seitens »neo-konservati-ver«AutorenkonstatierterLegitimitätsprobleme,dieeineSelbstüberforde-rungdesRegierensinderDemokratiebeschrieben,dieausdemverfehltenStaatsverständnis des Daseinsvorsorgestaats resultierten (Hennis, 1976).Empirischließsichbeidesnichtnachweisen.DievorhandeneempirischeForschungistvorallemaufdieBeschreibungpolitischerLegitimationkon-zentriert,zumTeilinlongitudinalerund/odervergleichenderPerspektive.

FehlkonzepteLegitimationundLegitimitätwerdenhäufigsehrverkürztgesehen.Entwe-derwirdLegitimationalleinaufdenLegalitätsaspektbezogen.LegalitätaberbedarfderRechtfertigungdurchdieübergeordneteLegitimität.Bestehen-deInstitutionen,RegelungenundGesetzesindnichtschondadurchlegiti-miert,dasssiedenkonstitutionellenVerfahrenentsprechen.AberauchderjeweilsgegebeneLegitimitätsglauberechtfertigtpolitischesHandelnnicht,wennervonderLegitimitätsideederMenschenrechteundderDemokratieabweicht.BeiderAnalysevonEntscheidungsprozessenimPolitikunterrichtgehtesimmerauchdarum,denLegitimationsprozessinseinerKomplexitätmiteinzubeziehenundalsGrundlagederUrteilsbildungzuverdeutlichen.

Vernetzung des Fachkonzepts

Für den Konzeptaufbau ist wichtig, dass Legitimation mit allen Fach-konzeptendesBasiskonzeptsEntscheidungverknüpftwird,umdasVer-ständnisdesKernsderLegitimation ineinemdemokratischenGemein-wesenaufzubauenundständigzuerweitern.Eseignetsichbesonders,umdenUnterschiedzwischenDemokratie,AutokratieundDiktaturzuerklä-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

ren.AnknüpfungspunkteergebensichauchzudenFachkonzeptenGewal-tenteilung,Demokratie,StaatundGrundwerte.

BeispielthemenInderPrimarstufekannbeiderThematisierungvonRegeln,Gesetzenusw.hingewiesenwerden,dassvorderAbstimmungeinekommunika-tiveAuseinandersetzungstattfindenmuss.InderSek.IkönnendieBe-griffeLegitimationundLegitimitätz.B.überdasThema»VerbessertdiedirekteDemokratiedenLegitimationsprozess?« eingeführtwerden.DasKonzeptmussinfastallenThemenbereichenzuWahlen,Gesetzgebung,EuropäischeUnion,politischeSysteme,Parteien,Massenmedien,Politi-scheBeteilungberücksichtigtwerden.InderSek.IIlässtessichalstheo-retischesKonzepteinführen,indemz.B.überdieinputorientierteTheorieeinerstarkenDemokratiediskutiertwird.HierkönnenauchLegitimitäts-problemeaufdereuropäischenoderderInternationalenEbenez.B.überdas Thema: »Befindet sich die EU in einem Legitimitäts-Effektivitäts-Dilemma?«behandeltwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Legitimation zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte Fachkonzepte

OrdnungGewaltenteilung,Demokratie,Staat,internationaleBeziehungen

Entscheidung Parteien,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt

Gemeinwohl Gerechtigkeit,Menschenwürde,Nachhaltigkeit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Legitimation

Schulstufen BegriffePrimarstufe Regeln,Mehrheitsentscheidung,Gesetze

SekundarstufeIWillensbildung,Legalität,Transparenz,Rechtfertigung,Kommunikation,Werte

SekundarstufeIIResponsivität,Akzeptanz,Massenloyalität,Input-Output-Orientierung

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II. Basis- und Fachkonzepte

5.5 Macht

Essenz des FachkonzeptsMachtkannvonPersonenoderStrukturen(z.B.vermitteltüberInstitu-tionen)undmitverschiedenenMittelnausgeübtwerden.LangeZeitwardieDefinitionvonMaxWeberführend,wonachMachtverstandenwer-denkannals»jedeChance,innerhalbeinersozialenBeziehungdeneige-nenWillen auch gegenWiderstreben durchzusetzen, gleichvielworaufdieseChanceberuht«(Weber,1980,S.28).HeutewirdmeistdieUnter-scheidungvonHannaPitkinherangezogen,wonachsichMachtbeschrei-benlässtalsBeherrschungvonoderEinf lussnahmeaufAndere(power over)undalsFähigkeitzumautonomenHandeln(power to)(Pitkin,1972,277).Power overisteineasymmetrischesozialeBeziehung,beidermeistHand-lungsmöglichkeiteneingeschränktwerden.Sieisthäufignegativkonno-tiert,währendpower topositivverstandenwirdundsichnichtaufAnde-rebezieht.WeitereDifferenzierungentrennenindiepotentielleMacht,dielatentwirkt,ohnedasssiekonkretausgeübtwerdenmuss(Disposition)undindieaktuelleMacht,derenExistenzaufihreständigeAktualisierungangewiesenist.PolitischeHerrschaftwirdhingegenalsdurchdieVerfas-sunglegitimierteGewaltausübungverstanden.Soübenbeispielsweisepo-litischeInstitutionengegenüberdenBürger/-innenHerrschaftaus,indemsiepolitischeEntscheidungendurchsetzen.SiedienthierderSteuerungimGemeinwesen.AberauchdieBürger/-innenübengegenüberdenInstitu-tionenHerrschaftaus,indemsieversuchen,ihreInteressenbeidenInstitu-tionendurchzusetzen,u.a.durchdieWahlvonAbgeordneten,diesiere-präsentieren.

Politikwissenschaftliche VertiefungBesondersMacht alspower over istpolitischgesehen interessant,damitihr Entscheidungsprozesse beeinf lusst werden, was den engen BezugzumBasiskonzeptEntscheidungverdeutlicht.Entsprechendemachtthe-oretischeAnsätzekönnenmanifesteoder strukturalistisch interpretier-teMachtbeziehungenuntersuchen.ErstereinterpretierenMachtausderPerspektivederAkteure(agency),letztereausderSystemperspektive(struc-ture) (Göhler, 2004,S.248).AufgrundderverschiedenenBegriffe vonMachtundderverschiedenenAnalyseebenenisteinesystematischeStruk-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

turierungderMachttheoriennichtmöglich.Auchempirischistnichtim-merdeutlichzulokalisieren,werMachtausübt(sieistoftubiquitär),werMachterleidet,obsieschonrealausgeübtwirdoder›nur‹latentvorhan-denist.Inderempirisch-analytischenDemokratieforschungwerdenu.a.FragendesMachtzugangs,desWechsels,derMachtbalanceund-kont-rollegestellt,sodassFachkonzeptewieInteressengruppen,WahlenoderÖffentlichkeitzurAnalysedienenkönnen.MedialeInszenierungenvonPolitikwerdenbeispielsweiseanalysiert,indemaufBourdieu(1977)zu-rückgegriffenwird.EruntersuchtSymbolstrukturenundidentifiziertdas»symbolischeKapital«alswichtigenMachtfaktor.SystemtheoretischeAn-sätzeentpersonalisierendasMachtkonzeptundsehenesalsSteuerungs-mediumähnlichdemGeld(Deutsch,1970)oderalsMediumdessozialenTausches,d.h.als»symbolischgeneralisiertesMediumderKommunika-tion« (Luhmann,1975,S.3).Macht ist somit einCode fürdie sozialeSteuerung.(Post-)StrukturalistischeAnsätzeentwickelneinmehrdimen-sionalesMachtkonzept,dasnebenmanifestenMachtbeziehungenweitere,weniger sichtbareStrukturenderMachteinbezieht.FoucaultanalysiertStrukturenderDiskurseundgesellschaftlichePraktiken, indenen sichvielfältige»Kräfteverhältnisse«ausdrücken(1977,S.113).Arendthinge-genbeziehtsichprimäraufpower to.SieunterscheidetAutorität,MachtundGewalt.AutoritätisthiereineEigenschafteinzelnerPersonen,Machthingegenhänge vonderFähigkeit ab, sichmit anderen zusammen zuschließen(power to).EineGruppemüsseMachtverleihen,jemandener-mächtigenbzw.entmachten.Gewalthabestattdesseneineninstrumentel-lenCharakter(diesentsprichtdempower over).SiehängevonWerkzeugenab.Dennochgibteseinenengen,nichtalleinsprachlichenBezugderpo-litischenGewaltzurpolitischenMacht:DieStaatsmachtberuhtauchaufGewalt (Arendt,1970,S.37).Auch in feministischenTheoriengibt eskeineeinheitlichenAnalysenvonMacht(Butler,2001).InempirischenAnalysenwirdz.B.MännlichkeitalsMerkmaldesHerrschaftsapparatesaufgefasstundpatriarchaleHerrschaftsstrukturenu.a.inderBürokratiekritisiert(Krweisky,1992).

FehlkonzepteIm Alltagsverständnis von power over werden vielfach die Ebenen ver-wechselt,indemMachtaufderpersönlichenBeziehungsebenemitMachtaufderpolitischenbzw.institutionellenEbenegleichgesetztwird.MachtwirdimAlltagzudemlandläufignegativkonnotiert,obwohlspätestensseit

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II. Basis- und Fachkonzepte

ArendtdasPositivedespower toumfassenddargestelltwurde.InSchulbü-chernwirddasFachkonzeptmeistentwedernurindirektalsOrdnungs-oderDurchsetzungsmacht thematisiert oder eswird auf dieWeberscheDefinitionzurückgegriffen,diedenWillenthematisiertunddeshalbzueinerpersonenzentriertenBetrachtungverleitet.DabeikommtdieAnaly-sederMachtinAkteurskonstellationenzukurz.DasKonzeptfehltindenStichwortverzeichnissenundGlossarendergängigenSchulbücher.

Vernetzung des FachkonzeptsAls politischesGrundphänomen inAkteurskonstellationen sollteMachtalsKomponente vielerThemen analysiertwerden, damit derFacetten-reichtumdesKonzeptssowieseinBeitragzumBasiskonzeptEntscheidungdeutlichwerden:Als(scheinbarer)Sachzwang,alsNorm,alssymbolischgeneralisiertesMediumderKommunikation,inFormvonUnterdrückungoderDiskriminierung,aberauchalsMachtzumAgenda-Setting.Alspoli-tischesKonzeptistMachtinderDemokratieengverknüpftmit›HerrschaftaufZeit‹, alsomitGewaltenteilungund-verschränkung sowieweiterenFachkonzepten,diezumBasiskonzeptOrdnunggehören.ImZusammen-hangmitdenFachkonzeptenFriedenundSicherheitkannesvordemHin-tergrunddesBasiskonzeptsGemeinwohl analysiertwerden. Interessant,unddasBasiskonzeptEntscheidungvertiefend,istzudemderMachtmiss-brauchinpolitischenSystemenwieDespotismus,TyranneioderDiktatur.

BeispielthemenFürdieGrundschulebietetessichan,Machtbegriff lichvonAutoritätundphysischerGewaltzutrennen.MittelderMachtundpower oversowiepowertosolltenz.B.aufdasHandelnderAkteureinlokalenoderinternationa-lenFragen(Spielplatzbau,Kriegsparteien)bezogensein.LegaleMachtalsHerrschaftsollteinderSekIinFormderGewaltenteilungund-verschrän-kung thematisiertwerden. InFallanalysenzuaktuellenEntscheidungenaufallenPolitikfeldernkönnendieMachtverhältnisseindenAkteurskon-stellationenrekonstruiertwerden.AuchFragenderMachtausübungzwi-schenStaatendurchVerhandlungsindzubearbeiten.InderSekIIkannMachtalsFaktorinpolitiktheoretischenBetrachtungengesehenwerden,z.B.imidealistischenAnsatzderinternationalenBeziehungen.

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5. Fachkonzepte Entscheidung

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Macht zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,internationaleBeziehungen

Entscheidung Interessengruppen,Konf likt,Wahlen

Gemeinwohl Frieden,Gleichheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Macht

Schulstufen BegriffePrimarstufe Autorität,Gewalt,Führung,Gehorsam,Krieg,Verhandlung

SekundarstufeIHerrschaft,Akteure,Loyalität,Staatsgewalt,Bündnis,Einf luss,Beherrschung

SekundarstufeII Agenda-Setting,Kräfteverhältnis,Kooperation

5.6 Massenmedien

Essenz des FachkonzeptsMassenmedienvermittelndurchtechnischeVervielfältigungInformationenaneineVielzahlvonEmpfängern.SiedieneneinerMassenkommunikation,dieprinzipiellwederräumlichnochzeitlichbeschränktist.DieVerfassunggarantiertdenMedienMeinungs-undPressefreiheit(Art.5GG),diePoli-tiksorgtu.a.fürSchutzvorKartellen.PolitischeFunktionenerfüllendieMassenmediendurchdieihnenaufgetragenenAufgabenderInformations-undMeinungsbildungsowiedurchihreKritik-undKontrollfunktion.EineAngebotsvielfaltanMassenmediengewährleistetprinzipiellallenInteres-sengruppendenZugangzurÖffentlichkeitsowiedieRepräsentationvongesellschaftlicherPluralität(Außenpluralismus).Öffentlich-rechtlicheRa-dio-undFernsehsenderhabendenstaatlichenAuftrag,dieGrundversor-gung fürdieöffentlicheMeinungsbildungzu leistenundeinvielfältigesProgramm anzubieten (Innenpluralismus). Alle Medienanbieter werdenvonAufsichtsinstanzenkontrolliert(entsprechendderLandesmediengeset-ze,desJugendschutzesusw.)(Hachmeister,2008).HeutesindMassenmedi-enmehrheitlichinprivatwirtschaftlicherHand.ImRundfunkstaatsvertrag

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II. Basis- und Fachkonzepte

werdenfüralleBundesländereinheitlicheRegelungenfüröffentlich-recht-licheundprivateRundfunkanstaltenfestgelegt.

Politikwissenschaftliche VertiefungDasFachkonzeptMassenmedienistengmitdemBasiskonzeptEntschei-dungverknüpft,denndiePolitikbrauchtMassenmedienalsTrägerderöf-fentlichenMeinungundzurHerstellungvonÖffentlichkeit,insbesonderezurKommunikationvonpolitischenEntscheidungsprozessen.Die sozi-aleBedeutungöffentlicherMeinungsbildungsprozessewurdebereits im19.Jahrhundertbeschrieben(z.B.vonTocqueville).Nach1945wurdederAuf baudesdeutschenRundfunksalsstaatsunabhängigesSystementschei-dendvondenBesatzungsmächtenbestimmt(Kaase,2004,S.543).Infor-mationenüberPolitik solltendurcheinevondenpolitischenAkteurenunabhängige,regelmäßigeundzuverlässigeBerichterstattunggewährleis-tetwerden.DiefrühePhasederKommunikationswissenschaftistvonderWirkungsforschungundinsbesonderederLasswell-Formelgeprägt:»WersagtwasinwelchemKanalzuwemundmitwelcherWirkung?«(Lasswell,1964, S.37). SeitdemwurdenZusammenhänge vonMedienundPoli-tikzunehmendunterdemAspektbetrachtet,wiesiedurchgegenseitigeEinf lüsseRealitätverzerren.DieKommunikationkanndurchVorgabendesMediumshierarchisiert,verdichtet,manipulativodertrivialisiertsein.AuchkönnenMedien aufPolitik z.B. indirektEinf luss nehmendurchAgenda Setting(Eichhorn,1996)oderGatekeepingsowiedirektdurchKom-mentareoderSkandalisierungen.DiePolitikversuchtihrerseitsüberMas-senmedienEinf lussaufdieMeinungs-undWillensbildungderBürgerin-nenundBürgerzunehmen.WahlsoziologischeStudienführtenerstmalsinden1950erund1960er JahrendurchdieStudienvonLazarsfeld zur»TheseeinesüberMeinungsführer(opinion leaders)vermitteltenKommu-nikationsf lusses«(Kaase,2004,S.543).SeitdemsteigtdieBedeutungdesstrategischenKommunikationsmanagementspolitischerAkteure.HierzugehörenauchgezielteVerletzungeninstitutionellerRegelungenzumEr-haltvonAufmerksamkeit.DaMedienwiedasFernsehenkomplexepoliti-scheZusammenhängesichtbarinBildernpräsentieren(müssen),passtsichdiepräsentiertePolitikoftmalsmedialenFunktionslogikenanbzw.sym-bolisiertnurnochPolitik(Meyer,2001;auchSarcinelli,1998).

MassenmedienwiedasInternettragenmaßgeblichzurGlobalisierung,FlexibilisierungundBeschleunigungvonpolitischenundanderenArbeits-abläufenbei.ZudemwerdendirekteKommunikationzwischenBürger/

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5. Fachkonzepte Entscheidung

-innen und Regierungen (citizen empowerment) sowie Formen direkterDemokratie prinzipiellmöglich (z.B.Teledemokratie) (Lindner, 2005).DamitwirdauchdiepolitischeOrdnungberührt.ImSpannungsverhältniszuMassenmedienstehenMikromedien,dieinnerhalbdesInternetsentste-hen(z.B.Podcastsodersog.Social SoftwarewieBlogs).Beiihnenverschwim-mendieGrenzenzwischenöffentlichenundprivatenSphären.Auchver-stärkensiedieIndividualisierungderMassenkommunikation.

FehlkonzepteÜberdieWirkungvonMassenmedienaufdieBürger/-innengibtesun-terschiedlicheAussagen,indenmeistenUnterrichtsmaterialienwerdenje-dochfastnurnegativeWirkungendesMedienkonsumsbehandelt:ZumeinenihreverzerrendenDarstellungenvonPolitikwiez.B.Personalisie-rung,EmotionalisierungoderDramatisierung,zumanderen ihremani-pulativeKraftaufdieKonsumierenden.DiesführtbeiLehrendenhäufigzueinerÜberschätzungdieserWirkungenaufJugendliche.Nichtsdesto-trotzhältsichgleichzeitigdasVorurteil,dassinmittendieserManipula-tionendie»Tagesschau«nurWahresberichte.DesWeiterenfindensichinKerncurriculaEmpfehlungen,mitdemFachDeutschzusammenzuarbei-tenundbeispielsweisedieMediensprachezuanalysieren.DabeikommendiepolitischenFunktionenderMassenmedienzukurz.

Vernetzung des Fachkonzepts

DasFachkonzept Interessengruppen trägt zumKonzeptaufbaubei, dadievielfältigenPartikularinteresseninderGesellschaftmiteinanderkon-kurrierenundauchinKonf liktgeraten.IndemdiesindenMassenme-dienkommuniziertwird,f indenProzesseöffentlicherMeinungsbildungstatt.EngverknüpftistdasFachkonzeptMassenmediendaherauchmitdemderLegitimation.DieBildungderöffentlichenMeinung istTeildesdemokratischenLegitimationsprozesses, der vorderDurchsetzungvonEntscheidungennötig ist. Insofern sinddieFachkonzepteDemo-kratieundMachtfürdenKonzeptaufbauwichtig.ZurAbgrenzungvonöffentlicher und privater Meinung muss das Fachkonzept Öffentlich-keitbekanntsein.AufgrundderengenVerknüpfungenzudenanderenFachkonzeptenkannsich»Massenmedien«alsfachspezif ischesKonzepterstimLaufederSchuljahreherausbilden.Kenntnisseübermedienpoli-

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II. Basis- und Fachkonzepte

tischeund-ökonomischeStrukturenhelfen,FunktionenundWirkun-genvonMassenmedieneinzuschätzen.HierzuistdasFachkonzeptMarkthilfreich.

BeispielthemenSchoninderPrimarstufekanndamitbegonnenwerdenzulernen,poli-tischesKommunizierenmitbzw.indenMedienzudurchschauen,indemPerspektivenverschiedenerGruppenherausgefundenundkritischbewer-tetwerden.HierbefördertdieeigeneHerstellungmedialerInformationenunddaseigene(mediale)KommunizierendasVerstehen.InderSekun-darstufe I solltendieMediengesetze sowiedieFunktionenderMassen-medienfürdieDemokratieimUnterrichtthematisiertwerden.ZudemistesmitThemenzuFragenderLegitimationzuverknüpfen.FürdieSekun-darstufe IIbietet sichdasThema»Lebenwir ineinerMediendemokra-tie?«an.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Massenmedien zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Markt

EntscheidungInteressengruppen,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Massenmedien

Schulstufen BegriffePrimarstufe Kommunikation,Information,Nachricht

SekundarstufeIInteressen,Pressefreiheit,Datenschutz,Internet,Partizipation,Manipulation,Kommentar

SekundarstufeII Gate-Keeper,AgendaSetting,AgendaCutting

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5. Fachkonzepte Entscheidung

5.7 Öffentlichkeit

Essenz des FachkonzeptsÖffentlichkeitmeintzumeinenungehinderteDebatten,DiskussionenundDiskurseüberdasGemeinwohlsowieüberpolitischeEntscheidungenbishin zur Kontrolle politischer Macht durch Transparenz. ÖffentlichkeitalsgrundlegendesdemokratischesPrinzip solldiepolitischeMeinungs-undWillensbildungfördernalsauchdieTrennungvonAmt(öffentlichenInteressen)undPerson(privatenInteressen)bewirken.Zumanderenbe-deutetÖffentlichkeitdieallgemeineundfreieZugänglichkeiteinesrea-lenodervirtuellenOrtesunddiedamitverbundenenMöglichkeitenzurInformation,KommunikationundBeteiligungamGeschehen.Esgibtdi-verseTeil-Öffentlichkeiten inderGesellschaft,aberauchinnerhalbvonOrganisationen,Unternehmenusw., die einenZugangoftmalsnur fürAngehörigebestimmterGruppenermöglichen.ÖffentlichkeitistalsKon-zeptkomplementärbezogenaufdenBegriffPrivatheit;siesinddichotomkonstruiert(Weintraub&Kumar,1997),aberinderPraxisoftmalsnichteindeutig zu trennen.DerBegriffkommtumgangssprachlichhäufig inKompositavor,beidenenderUnterschiedzumPrivatenalsdemNicht-Politischen,demPersönlichen,IntimenoderGeheimenbetontwerdensoll(z.B.öffentlicheMeinung).WelchegesellschaftlichenBereicheöffentlichundwelcheprivatsind,ergibtsichausTraditionen,kannaberpolitischneuentschiedenwerden.

Politikwissenschaftliche VertiefungDieDifferenzierungderSphärenÖffentlichkeitundPrivatheitermöglichtes,ProzessederzunehmendenVerrechtlichung–unddavonabhängenddenBereichbürgerlicherFreiheit – alsErgebnissepolitischerEntschei-dungsprozessezudeuten.DiesbegründetdieengeVerbindungdesFach-konzeptszumBasiskonzeptEntscheidung.DiepolitischeForderungnachÖffentlichkeitentstandim18.Jhd.,alsdasBürgertumdaspolitischeHan-delnderHerrschendenöffentlichdiskutierenundkommentierenwollte(Kleinsteuber,2005,S.628).DieTrennungvonÖffentlichkeitundPri-vatheitwirdkonstitutivfürdasSelbstverständnisdesliberalenVerfassungs-staats.Bisheuteführtdersoziale,kulturelleundtechnischeWandelderGesellschaftzueinemStrukturwandelderÖffentlichkeitundverändertje-

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II. Basis- und Fachkonzepte

weilsihrVerhältniszurPolitik.Habermas(1982)hatdensozialenWandelseitderAufklärunghistorischundsystematisch-theoretischrekonstruiert.FürihnistÖffentlichkeitdieVermittlungssphärezwischenstaatlichenRe-gelungenunddemPrivaten.DieserAnsatzwurdeweitgehendinnachfol-gendenTheorienübernommen.DasPrivatewirdzumLaboratoriumderöffentlichenMeinung,zurRessourcefürdenliberalenStaatoderaberzumindividuellenFreiheitsraum(Rorty,1989;dagegenRössler,2001).»Privat-heitistdiePerspektivedesSubjektsaufsichselbst,ausderessichfürdieFreiheitentscheidet,ThemennichtodernichtnachdenRegelndesÖf-fentlichenzukommunizieren«(Ritter,2008,S.115).

PartizipativeDemokratietheorien(z.B.Cohen&Arato,1992)sehenimKonzeptderÖffentlichkeitdenGarantderIntegrationinpolitischePro-zesse.EinschränkungenvonÖffentlichkeitkönntendieDemokratiebe-schädigen.HierzeigtsicheinengerBezugzumFachkonzeptOpposition,dieu.a.dieAufgabehat,pluralistischeVorstellungenzurFindungdesGe-meinwohlsöffentlichwerdenzulassen.NegtundKlugesehensogareineNotwendigkeitfür»Gegenöffentlichkeiten«(1972).MancheThemenwer-dennicht-öffentlich,wennsiez.B.denStatuseinesStaatsgeheimnisseser-halten.AberauchEinschränkungendesPrivatenwirkensichnegativaus,wennsiezumVerlustbürgerlicherFreiheitenführen(Sofsky,2007).

DieTrennunginöffentlicheundprivateOrtederGesellschaftmitun-terschiedlichenHandlungslogikenundihreZuweisungzuMännernundFrauenfestigtGeschlechtergrenzenalsHerrschaftsverhältnisse(Pateman,1989).DerSlogandererstenFrauenbewegung»DasPrivateistpolitisch«kritisiertinden1970erJahrendiepatriarchaleGrenzziehung.ObwohlesfrüheBeschreibungenderprivatenSphäregibt,z.B.alseinökonomischerBereich,derdemPolitischengegenübersteht(Arendt,1967),wirdderBe-griffPrivatheiterstinjüngsterZeitindernicht-feministischenPolitikwis-senschaftbeachtet.

FehlkonzepteFürdiepolitischundwirtschaftlichhandelndenSubjektesindÖffentlich-keitundPrivatheitnichtimmerklargetrennt.FehlverständnisseentstehendurchunklareDefinitionen, indem ›privat‹ zumeinenals ›nicht-öffent-lich‹,zumanderenals›nicht-staatlich‹charakterisiertwird.Fehlverständ-nissewerdenzudemdadurchgefördert,dasseinigegesellschaftlichePra-xenbestehendeGrenzenzwischenÖffentlichkeitundPrivatheitzuihremVorteilnutzenundz.B.KindererziehungalsprivateAngelegenheitbe-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

zeichnen,diesomitindirektabgewertetwird.Fehlkonzepte,dieaufderUnkenntnisvonMechanismendesÖffentlichenbasieren,drückensichdesWeitereninderHaltungaus,dassderstaatlicheDatenzugriffdiePrivat-sphäreerfassenkönne,wennman»nichtszuverbergenhabe«.DasFach-konzept Öffentlichkeit kommt in Unterrichtsmaterialien nicht explizitvor.InKerncurriculawirdesmeistreduziertaufdieFähigkeit,sichanderÖffentlichkeitzubeteiligen.StetsfehltseinBezugzurPrivatheit.

Vernetzung des FachkonzeptsDasFachkonzeptDemokratiekannohnedieSphärenÖffentlichkeitundPrivatheitnichtverstandenwerden.Sietrennensozialesundpartizipato-rischesHandeln,dasimPrivatenbleibt,vompolitischenHandeln,dasaufdasGemeinwohl,aufMitbestimmungbzw.politischeEntscheidungenunddiepolitischeOrdnungalsHandlungsrahmenbezogenist.BeideSphärenfolgenunterschiedlichenHandlungslogikenundGeltungsansprüchenderKommunikationen.FragendesZugangszurÖffentlichkeitsindmitFach-konzeptenwieMachtoderMassenmedienengverknüpft.InheterogenenGesellschaftenbedeutetdie Integration indieÖffentlichkeitenzugleicheinUmgangmitPluralitätundDifferenzen,diedurchdieSubjekteindengesellschaftlichen (Teil-)Öffentlichkeitenrepräsentiertwerden. InsofernwerdenFachkonzeptewieGleichheit,GerechtigkeitoderFreiheiterstimZusammenhangmitÖffentlichkeitsinnvoll.ImZusammenhangmitdemFachkonzeptEuropäischeIntegrationverdeutlichtsichÖffentlichkeitalsSphäre,dieüberdiestaatlicheEbenehinausgeht.

BeispielthemenInderPrimarstufesolltendieBegriffeöffentlichundprivatanalltagsna-henBeispielenwiedemBriefgeheimnisoder»ThemenfürdenKlassenrat«geklärtwerden.DaspolitischeSpannungsverhältniszwischendemFach-konzeptÖffentlichkeitunddemPrivatenkanninderSekundarstufeIanThemenwieFamilien-,Bildungs-oderArbeitsmarktpolitik, aber auchSicherheitspolitik(z.B.biometrischeVermessungvonPersonen)illustriertwerden, sodassProzessederWillensbildung,dieEntscheidungensowiedieWillkürlichkeitderGrenzziehungendeutlichwerden.ZudemistdieGeschlechterzuordnungkritischherauszuarbeiten.InderSekundarstufeIIkönnendiezweiVerständnissevonÖffentlichkeitmitBlickaufdieinter-

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II. Basis- und Fachkonzepte

nationaleEbene thematisiertwerden: »GibteseineeuropäischeÖffent-lichkeit?«.

Übersicht 1: Bezüge des Fachkonzepts Öffentlichkeit zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Staat,europäischeIntegration

Entscheidung Macht,Massenmedien

Gemeinwohl Gleichheit,Gerechtigkeit,Freiheit

Übersicht 2: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Öffentlichkeit

Schulstufen BegriffePrimarstufe Zugang(Öffentlichkeit),Partizipation,Privatheit

SekundarstufeIKommunikation,Diskurs,öffentlicheMeinung,Transparenz,Offenheit,Medien,Geschlechtergerechtigkeit

SekundarstufeII Verrechtlichung

5.8 Opposition

Essenz des FachkonzeptsOppositionbedeutetimweitestenSinnedieMöglichkeiteinerpolitischenKraftzudenpolitischenMachthabernöffentlichGegenpositionenzube-ziehenund fürderenBeachtungundUnterstützungwerbenzukönnenmitdemZiel,selbstdieMachtzuübernehmen.»IneinempolitischenSys-temistdieRealisierbarkeitpolitischerFreiheitweitgehendbedingtdurchdieEntfaltungsmöglichkeitundRealisierbarkeitpolitischerOpposition«(Steffani,1978)unddieQualitäteinesdemokratischenParlamentszeigtsichandenSpielräumenunddenBeteiligungsmöglichkeiten,dieesderparlamentarischenOppositiongibt– zumaldiese imparlamentarischenRegierungssystemdereigentlicheGegenspielerderRegierungsparteienist(Schmidt,2007).DieOppositionbestehtauseinerodermehrerenPartei-en,dienichtdieRegierungsmehrheitbilden,dieseaber inKonkurrenz

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5. Fachkonzepte Entscheidung

mitanderenParteienanstreben,unddieimParlamentderRegierungundderbzw.densietragende/-nMehrheitsfraktion/-engegenüberstehen.DieWillensäußerungenderOpposition sindnieganzohneEinf luss aufdieRegierendenunddieRegierten.SiestellteineMachtdar,auchdawosienichtHerrschaftausübt.AlsständigeAlternativezurRegierungist»Op-positiondieRegierungvonmorgen«(CarloSchmid).

Politikwissenschaftliche VertiefungObwohldieOppositionanpolitischenEntscheidungeninderRegelnichtbeteiligtist,beziehtsichoppositionellesVerhaltenzentralaufdasBasiskon-zeptEntscheidung.ParlamentarischeOppositionhatdieAufgabe,andieöffentlicheMeinungzuappellierenundsiezumobilisieren,undprägtsodenpolitischenEntscheidungsprozess. InderPolitikwissenschaft domi-niertdieTypologieoppositionellenVerhaltens,dieWinfriedSteffanient-wickelthat.ErunterscheidetpolitischeOppositionnachderSystemin-tention,derWirkungsebeneundderAktionskonsistenz.HinsichtlichderSystemintentiondifferenzierterzwischen systemimmanenteroder loya-lerOppositionundfundamentalerodersystemkonträrerOpposition.EinesystemimmanenteOppositionakzeptiertdie fundamentalenGrundsätzederVerfassungsowiedieSpielregelnderpolitischenMeinungs-undWil-lensbildungdesKonf liktaustrages.EinesystemkonträreOppositionstelltdaspolitischeSystemprinzipiell inFrage,einschließlichder fundamen-talenVerfassungsgrundsätze.BezogenaufdieWirkungsebene sprichtervonOppositioninnerhalbundaußerhalbdesparlamentarischenRaumes.BezüglichderAktionskonsistenzwirdzwischensystematischerundsitu-ationsorientierterOppositionunterschieden.Währenddie systematischeOppositiongrundsätzlichund in allenAktivitäten, inderRegel durchAlternativprogrammeangeleitet,dieRegierungspolitiksystematischbe-kämpft,wendet sichderTypusder situationsorientiertenOpposition jenachSachlageundOpportunitätgegenbestimmteProgrammpunkteundVorhabenderRegierungundderRegierungsmehrheit.

InderpolitikwissenschaftlichenLiteraturwirdeineFüllevonOppo-sitionsfunktionenbeschrieben (Steffani,1978).DiewichtigsteFunktionder Opposition ist jedoch sicherlich die der Regierungskontrolle. Dasheißtallerdingsnicht,dassdiepolitischeMehrheitkeineKontrolleaus-übenwürde.IhreKontrollefindetjedocheherimVerborgenenstatt,umöffentlicherKritikanderRegierungzuvorzukommenundEinbußenihrereigenenMachtpositionvorzubeugen.DieOppositionkritisiertundkon-

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II. Basis- und Fachkonzepte

trolliertmöglichstöffentlichunddirektmitdemZiel,dieRegierungab-zulösen.Dabei lassensichdreiIntentionenderKontrolleunterscheiden.BeiderpolitischenRichtungskontrolleprüftdieOpposition,wieweitdasRegierungshandelndereneigenenpolitischenZielsetzungenentspricht.BeiderEffizienzkontrollegehtesumdieFrage,obdieRegierungzielad-äquateundwirksameMittelökonomischeinsetzt,unddurchdieRechts-kontrollewirdüberprüft,obsichdasRegierungshandelnimRahmendervorgegebenenRechtsnormenbewegt(Rudzio,2006,S.259ff ).AuchdieparlamentarischenKontrollrechteundKontrollinstrumentewerdenüber-durchschnittlichoftvonderOppositioneingesetzt.Siereichenu.a.vom»KonstruktivenMisstrauensvotum«überdieverschiedenen»Anfragen«biszum»Untersuchungsausschuss«.

FehlkonzepteKonf liktscheuundHarmoniebedürfnis,dieimmernochinderpolitischenKulturderBundesrepublikvorhandensind,wirkensichauchaufdieHal-tung zurOpposition aus.WirdKritik anbestimmtenProgrammpunk-tenodereinzelnenVorhabenderRegierungnochakzeptiert,trifftKritikineinemgrundlegendenSinne,diedasKonzeptdespolitischenGegnersprinzipiellinFragestelltundAlternativenaufzeigt,aufwenigerAkzep-tanz.SpurenderVorstellung,esseiAufgabederOpposition,dieRegie-rungzuunterstützen,findensichimmernoch,soinderVorhaltung,dieOppositionseiderewige»Neinsager«.EineweiterefalscheVorstellungistindemVorwurfzusehen,dieOppositionwürdenurredenundnichthan-deln.TatkräftigePolitikstehtdannbloßemRedengegenüber.Oppositio-nellesHandelnkannabernichtunmittelbaresHandeln sein.AlsAdres-sattrittimmerdieÖffentlichkeitauf,indermansichfüreinengünstigenAusgangspunktfürdienächsteWahlbemüht.EinanderesMissverständ-nis,das sichgelegentlich auch inwissenschaftlicherLiteratur findet, istdieVorstellung,dassaufGrunddesneuenDualismusdieKontrollfunk-tiondesParlamentsaufdieOppositionübergegangensei.Ausder»Fol-genlosigkeit«ihrerKritikwirddanninsgesamtaufeinenMachtverlustdesParlamentsgeschlossen.ZwarwerdendieparlamentarischenKontrollin-strumenteüberdurchschnittlichvonSeitenderparlamentarischenOppo-sitioneingesetzt,aberauchdieParlamentsmehrheitkontrolliert»ihreRe-gierung«.Dasheißt,dieRegierungistnichtnurinihrerAktionsfähigkeit,sondernauch in ihremBestandvomVertrauenderParlamentsmehrheitabhängig.

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5. Fachkonzepte Entscheidung

Vernetzung des Fachkonzepts DieFachkonzepteOpposition,RegierungundParlamenthängeneben-soengzusammenwiedieFachkonzepteKonf likt,Parteien,Wahlen.Op-positionkannnurdannzurGeltunggelangen,wenneineoffeneKonf lik-taustragungalsGrundlagederPolitikanerkanntist.WelcheParteienzurRegierungsmehrheitundwelchezurOppositiongehören,istdasErgebnisvonWahlen.Dasheißtauch,dieparlamentarischeOppositionkannsichdamitaufeinenausdrücklichenWählerauftragberufen.AlsWiderpartzurRegierungundzurRegierungsmehrheitistdieOppositioneinElementderGewaltenteilungunddurchdieErfüllungihrerFunktionenträgtsiezurLegitimationdespolitischenSystemsbei.

BeispielthemenImPolitikunterrichtderSekundarstufenIundIIlässtsichvorallemnachdemSinnvonOppositionfragenunddemdahinterstehendenDemokra-tie-undParlamentarismusverständnis.OppositionkannweiterhinunterdemGesichtspunktvonInteressen,Konf liktverhaltenundMachtanaly-siertwerdensowiefürdieSekundarstufeIInachderzugrundeliegendenpolitischenTheorie,z.B.derPluralismustheorie,dieSteffanialseineThe-oriederOppositionbezeichnethat.DarüberhinauskannOppositionimZusammenhangmitpolitischenProzessenundPolitikinhaltenbeschrie-benunderschlossenwerden,umdieKomplexitätpolitischerWirklichkeiterfassenzukönnen.AbderSekundarstufeIbietensichThemenanwie:»DieOpposition– ewigeNeinsager?«, »DemokratieohneOpposition?«oder»DieBundesrepublikzwischenKonkurrenz-undKonkordanzdemo-kratie?«

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Opposition zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie

EntscheidungParteien,Parlament,Regierung,Wahlen,Legitimation,Macht,Konf likt,Öffentlichkeit

Gemeinwohl Freiheit,Gleichheit

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II. Basis- und Fachkonzepte

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Opposition

Schulstufen Begriffe

SekundarstufeIVetospieler,neuerDualismus,Kontrollinstrumente,Kontroll-rechte,Kontrollfunktion,Kritikfunktion,Alternativfunktion

SekundarstufeII Minderheitenschutz,Pluralismustheorie

5.9 Parlament

Essenz des Fachkonzepts ParlamentesindallezurBeratungzusammentretendeKörperschaften,diezwischenRegierendenundExekutiveangesiedeltsindundeinenwesent-lichenTeildergesellschaftlichenInputsindaspolitischeSystemvermitteln.Parlamente ineinemengerenSinnesind»ausregelmäßigstattfindendenWahlenhervorgehendeKörperschaftenmitderAufgabederVolksvertre-tung.SiebestehenauseinerVielzahlanindividuellengleichberechtigtenRepräsentanten,dieübereinfreiesMandatverfügen«(Marschall,2005).SinddieWahlennichtnurregelmäßig,sondernauchfrei,allgemein,gleichundgeheim,sprechenwirvondemokratischenParlamenten.DerDeut-scheBundestagunddieLandesparlamentesind»demokratischeParlamen-te«unddieBundesrepublikeineparlamentarischeDemokratie.BeiUn-terschiedenimEinzelnenwerdeninderLiteraturvierHauptfunktionendesParlamentsgenannt:1.dieWahlfunktion,2.dieGesetzgebungsfunk-tion,3.dieKontrollfunktionund4.dieRepräsentations-undArtikula-tionsfunktion(Ismayr,2001).

Politikwissenschaftliche VertiefungDerBundestaggehörtzumBasiskonzeptEntscheidung.Alseinzigeszent-ralstaatlichesOrgan,dasdirektvomVolkgewähltwird,isterinherausra-genderWeisedemokratischlegitimiertundstehtimZentrumderInstitu-tionen,diepolitischesHandelnzuverbindlichenEntscheidungenführen.EntgegendemklassischenDualismus, indemdasParlament alsGanzesderRegierunggegenübersteht,hatsichimparlamentarischenSystemder

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5. Fachkonzepte Entscheidung

Bundesrepublikein»NeuerDualismus«(Patzelt)durchgesetzt.RegierungundParlamentsmehrheitstehenineinerengenVerbindungundalsEin-heitderOppositiongegenüber.DieshatAuswirkungenaufdieFunktio-nenunddieFunktionserfüllung(Ismayr,2002).InnerhalbderWahlfunk-tionistesu.a.diezentraleAufgabedesBundestages,denBundeskanzlerzuwählen.DerBundestagkannwährendderWahlperiodeeinenKanzler-undRegierungswechselnurdurcheinkonstruktivesMisstrauensvotumherbeiführen,indemermitabsoluterMehrheiteinenneuenBundeskanz-lerwählt.BeiderBestellungoderbeiderEntlassungderBundesminister/-innenkannernichtmitentscheiden,obwohldiesedemParlamentverant-wortlichsind.ÜbereinRechtaufSelbstauf lösungverfügtderBundestagnicht.

Bei der Gesetzgebungsfunktion hat der Deutsche Bundestag Kon-kurrenzdurchdieRegierungunddenBundesrat.BeschränkungenderGesetzgebungsgewaltkönnendurchdasBundesverfassungsgerichtundaufLandesebenedurchdirektdemokratischeElementeerfolgen.

Der»neueDualismus«wirktsichbesondersstarkbeiderKontrollfunk-tiondesParlamentsaus.SowerdendieparlamentarischenKontrollrechteundinstitutionellenKontrollmittelüberwiegendvonderOppositionge-nutzt,währenddieParlamentsmehrheitdieRegierungeherim»Verborge-nen«kontrolliert.UnterderRepräsentations-undArtikulationsfunktionistdieAufgabederständigenSicherungderLegitimitätstaatlichenHan-delnsunterkommunikativenAspektenzuverstehen.ZurSicherungderArbeitsfähigkeithatderBundestagseineWillensbildungaufallenEbenenarbeitsteiligorganisiert.NebendenAusschüssensinddieeigentlichenpoli-tischenHandlungseinheitendieFraktionen.DemAbgeordnetenistnebenImmunität,undIndemnität,vorallemUnabhängigkeitgarantiert.UmdieEffizienzderParlamentsarbeitzusichern,istseineHandlungsfreiheitje-docherheblichvondenEntscheidungenderFraktionabhängig,auchwennesformalkeinenFraktionszwanggibt(Schüttemeyer,2002).Daseuropä-ischeParlamenthatseitseinerGründung(1952)seineKompetenzenzwarmehrmalserweitert,dennochbesitztesimmernochwenigerEinf lussalsdienationalenParlamente.

ParlamentskritikbeziehtsichaufdiestrukturelleAsymmetriezwischenRegierung/ParlamentsmehrheitundOppositionaufdieÜberbetonungdesRepräsentationsprinzips.

ReformvorschlägebeziehensichaufdieStärkungderOppositionsowiedeseinzelnenAbgeordneten,aufdieRevitalisierungdesParlamentsdurchdieEinführungdirektdemokratischerElemente(Marshall,2005)undaufeuropäischerEbeneaufdieStärkungdesParlaments.

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II. Basis- und Fachkonzepte

FehlkonzepteDasParlamentgehörtzudenpolitischenInstitutionen,derenFunktions-logikoffensichtlichnurschwerzuverstehenist.DienormativenVorstel-lungen von dem, was ein Parlament wie tun sollte, sind häufig unzu-treffend oder wenig realitätsgerecht. Eine Folge davon sind Konf liktezwischenden tatsächlichenFunktionsweisendesparlamentarischenSys-temsundjenenVorstellungen,nachdenendieBürger/-innen,aberauchhäufigdieMedien,beurteilen,obdasSystemfunktioniert.FalscheVor-stellungenbeziehensichu.a.aufden»NeuenDualismus«,aufdieArbeits-weisedesBundestages,insbesondereaufdieFunktionunddieBedeutungdesPlenums.HäufigfindetsichauchdieVorstellung,dieRepräsentations-funktionbedeute,dasParlamenthabespiegelbildlichdieSozialstrukturderBevölkerungwiederzugebenunddieFraktionsdisziplin,diefürdasFunk-tionierendesParlamentszentralist,wirdweitgehendnegativbewertet.

Vernetzung des FachkonzeptsDasParlamentstehtmitfastallenanderenFachkonzepteninengerVer-bindung.Besondersnah stehtesdemFachkonzeptWahlen.ZumeinengehtdasParlamentausWahlenhervor,zumanderenhatesselbsteineRei-hevonWahlfunktionen.DieFachkonzepteRegierungundOppositionsindnurimZusammenhangmitdemParlamentzuverstehen.DieBezie-hungzudenParteienistsoeng,dassmanvondenklassischenParlaments-parteien spricht,undderTatbestand,dass etwa1800 InteressengruppenbeimBundestagoffiziellangemeldetsind,verweistaufdasFachkonzeptInteressengruppen. Ähnliches gilt für Gewaltenteilung, RepräsentationundDemokratie.AberauchÖffentlichkeit,MachtundKonf liktprägendasFachkonzeptParlament.

BeispielthemenDieGrundideedesParlamentskannschoninderPrimarstufebehandeltwerden,z.B.imZusammenhanggemeinsamerEntscheidungenoderbeiderWahldesKlassenrats.AuchderSinnunddieAufgabenvonKinder-parlamentenkannimUnterrichtbehandeltwerden.

InderSek.IbietensichzunächstdieAuseinandersetzungmitdemGe-meinderatan,dessenFunktionslogikhäufigleichterzuverstehenist,und

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5. Fachkonzepte Entscheidung

erst danndieErarbeitungdesBundestages.Themenkönnten z.B. sein»Schwächtder›NeueDualismus‹dasParlament?«oder»DerBundestag–zwischenTransparenz,PartizipationundEffizienz«.FürdieSek.IIkön-nenergänzendParlamentarismuskritik,VorschlägezurParlamentsreformsowieErgebnissedervergleichendenParlamentarismusforschungbehan-deltwerden.AuchFunktionsveränderungenundFunktionsverluste desBundestagesalsFolgedereuropäischenIntegrationunddieparlamentari-scheDemokratiejenseitsdesNationalstaatessindinteressanteThemenfürdenUnterrichtindiesenKlassenstufen,z.B.»DasParlament.Hauptverlie-rerdereuropäischenIntegration?«

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Parlament zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie

EntscheidungParteien,Interessengruppen,Regierung,Opposition,Wahlen,Öffentlichkeit,Legitimation,Macht,Konf likt,europäischeAkteure

Gemeinwohl Freiheit,Gleichheit,Nachhaltigkeit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Parlament

Schulstufen BegriffePrimarstufe Abstimmung,Partizipation,Gemeinderat

SekundarstufeI

KonstruktivesMisstrauensvotum,Vertrauensfrage,Gesetzgebungsprozess,Anfragen,Fragestunde,Ausschüsse,Fraktion,Bundestag,Bundesrat,Bundestagspräsident/-in,Kommissionen

SekundarstufeII Funktionsveränderungen

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II. Basis- und Fachkonzepte

5.10 Parteien

Essenz des Fachkonzepts

Parteien sind intermediäreOrganisationen zwischenpolitisch-adminis-trativemSystemundGesellschaft. Sienehmendivergierende InteressenausderGesellschaftauf,aggregierenundorganisierensie,umsiemitdemAnspruch,allgemeineInteressenzusein,indiepolitischenEntscheidungs-organezuvermitteln.UmgekehrtbegründensiediedortgetroffenenEnt-scheidungengegenüberderBevölkerungundtragensozurLegitimationdespolitischenSystemsinsgesamtbei.

ParteienspiegelnpolitischinstitutionelleTraditionenwiderundreagie-ren organisatorisch und programmatisch auf gesellschaftlichenWandel.DieskannzuParteispaltungen,zuneuenParteien(Harmel&Janda,1994;Gunter,2002),zuneuenParteitypenundzueinerAusdifferenzierungdesParteiensystemsführen.DaParteieninihrerGestaltwieinihrenHand-lungs-undAusdrucksmöglichkeitendurchdie jeweiligengesellschaftli-chenundinstitutionellenVerhältnissesowiedenCharakterdespolitischenSystemsbestimmtwerdenundumgekehrtaufdiesezurückwirken,lassensie sich sinnvollnurunterBerücksichtigungdes jeweiligenhistorischenundsystematischenKontextesanalysieren.

Politikwissenschaftliche VertiefungDasFachkonzeptParteienist imBasiskonzeptEntscheidungangesiedelt.InderBundesrepublikwirkensieander»BildungdespolitischenWillensdesVolkesaufallenGebieten«(Art.21GG)mit.SiesindinbesondererWeiseprivilegiert (Parteienprivileg),d.h. siedürfenwegen ihrerpoliti-schenBetätigungnichtverfolgtoderbenachteiligtwerden,undverfas-sungsfeindlicheParteienkönnennurnacheinemkompliziertenAntrags-verfahrendurchdasBundesverfassungsgerichtverbotenwerden.

Parteienwerden inderBundesrepublik staatlich alimentiert,d.h. siewerdenausdenLandeshaushaltenoderausdemBundeshaushaltteilfinan-ziert.DiePolitikwissenschaft, insbesonderediepolitischeSoziologiehateineAnzahlvonunterschiedlichenFunktionskatalogenbezogenaufdieParteienformuliert.BeiallenUnterschiedenimEinzelnenscheinenfol-gendevierFunktionenalswesentlichzugelten.

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5. Fachkonzepte Entscheidung

1. Selektionsfunktion:DurchdieParteienfindeteineRekrutierungundAuswahlderpolitischenElitenaufallenEbenenstatt.

2.Mediatisierungsfunktion:ParteiensindVertretervonpartikularenIn-teressen,dieinderGesellschaftangelegtsindunddiesieinAuseinan-dersetzungmitanderenParteienindenpolitischenEntscheidungspro-zesseinspeisenunddiesieaufdieseWeiserealisierenwollen.

3.Integrations-undAggregationsfunktion:Parteienbemühen sich,ge-genläufigeoderwiderstreitendeInteressenverschiedenergesellschaftli-cherGruppen,dieaußerhalbwieinnerhalbderParteienorganisiertseinkönnen,auszugleichen,zubündeln,zwischenihnenKompromissezufindenundsoeineeigene»parteiliche«Positionzuformulieren.

4.FunktionderFriedensstiftung:IndemdieParteiendieobengenanntenFunktionenwahrnehmen,tragensiegleichzeitigzuminnergesellschaft-lichenFriedenbei.

InderParteienforschung lassen sichheute folgendeAnsätzeunterschei-den.ErfahrungswissenschaftlicheAnsätzeanalysierendieOrganisations-beschaffenheitvonParteiensowieihreInteraktionundihreBeziehungenimgesellschaftlichenKontext.DieOrganisationstheorieuntersuchtunter-schiedlicheParteitypen,ihreinnereStrukturundihrepolitischeEffizienz.DiemoderneParteienforschung,diesichinden1960erJahreentwickelthat, ist systemtheoretisch inspiriert und untersucht die FunktionsweisevonParteienunterBerücksichtigunggesellschaftlicherBestimmungsfak-torenundihrenBeitragfürübergeordneteSystemerfordernisse( Jun,Hass&Niedermayer,2008).PostmoderneAnsätze sindhandlungstheoretischundkonstruktivistischbeeinf lusst.SiebetonendenEigensinnvonPar-teiengegenüberihrerUmwelt.»ParteimitgliederdefinierenimRahmenvonHandlungsschrankenundChancenstrukturenschöpferischselbst,wasUmweltist,undverständigensichuntereinander,wiesiedaraufreagierensollen«(Wiesendahl,2005,S.668).DerWandelvonParteienunddieEnt-stehungneuerParteien sindGegenstandvon soziologischenWertewan-del-undCleavagestheoriensowievonwettbewerbstheoretischenAnsät-zen(Catch-all-Strategien).

Fehlkonzepte

Obwohl in den Sozialwissenschaften – trotz einer Fülle an Kritik imEinzelnen – ein positives Verständnis von Parteien vorherrscht, ist dieEinstellungderÖffentlichkeitundderMedienzudenParteienheutewie-

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II. Basis- und Fachkonzepte

derüberwiegendnegativ.DieshatinDeutschlandseitderWeimarerRe-publik (Antiparteienaffekt)Tradition.Parteienverdrossenheit alsgängigesPolitikbildkannimUnterrichtunbeabsichtigtverstärktwerden,indemPar-teienüberwiegendimZusammenhangvonParteiversagen,KrisedesPar-teiensystems,KorruptionsanfälligkeitvonParteipolitikern,ManipulationvonWähler/-innenbehandeltwerden.IndiesemZusammenhangentstehthäufigeinweiteresFehlkonzeptvonParteien,dieVorstellung von ihrerAllmacht.DassParteiensichgegenseitigkontrollieren,durchstaatlicheIn-stitutionenkontrolliertwerden,wirdseltenerbehandeltebensowiedieAs-pektedesWandels,desEinf lussesderPräferenzenderWähler/-innensowiederParteiorganisationen.VernachlässigtwerdenauchhäufigdieLeistungenderParteienimHinblickaufKonf likt-undKonsensbildungundbeiderMeinungs-undWillensbildung.Auch ihreLeistungen fürdie StabilitätderDemokratieundfürdieGestaltunggesellschaftlichenWandelswerdenkaumbehandelt.DasZusammenwirkenvonFraktionen,RegierungundOppositionwirdinRichtlinien/KerncurriculanichtimKontextderPar-teienbeschrieben.

Vernetzung des FachkonzeptsEin angemessenesVerständnis des FachkonzeptsParteien istVorausset-zungfürdieFachkonzepteDemokratie,Gewaltenteilung,Repräsentation,MarktausdemBasiskonzeptOrdnung.ImBasiskonzeptEntscheidungistesmitallenFachkonzeptenverbundenundimBasiskonzeptGemeinwohlstehtesinengerVerbindungzudenFachkonzeptenGerechtigkeit,öffent-licheGüterundNachhaltigkeit.

BeispielthemenUmdasFachkonzeptinderPrimarstufezubehandeln,eignetsichdasThe-maWahlkampf.DieParteienkonkurrenzunddieRepräsentationsfunktionsindbereitsGrundschüler/-innenüberdieMedienunddieWahlwerbungbekanntundaufallenEbenenderPolitik(Lokal-,Landes-,Bundes-undEuropaebene)vermittelbar.InderSek.IsinddieParteienselbstThema.HiergehtesumFragenderKoalitions-undRegierungsbildung,umdasParteiengesetz,ParteitypenunddieFunktionenvonParteien.SchonhierkönnenFehlkonzepteangesprochenwerdenz.B.mitThemenwie:Ver-ursachervonParteienverdrossenheit:DieParteienselbstoderFehlkonzep-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

tevonihnen.DieBedeutungderWählerpräferenzenfürdieEntwicklungderParteienisteinwichtigerGegenstandsbereichdesUnterrichtsebensowiedieProgrammangebotederParteienaufdenPolitikfeldern,indenenüberEntscheidungendiskutiertwird(Aktualität).InderSek.IIkönnenFragen des Wandels von Parteiensystemen, Veränderungen von gesell-schaftlichenKonf liktstrukturen,ParteientheorienundErgebnissederPar-teienforschungbehandeltwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Parteien zu Basis- und Fach kon zepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Gewaltenteilung,Repräsentation,Demokratie,Markt

EntscheidungInteressengruppen,Massenmedien,Parlament,Regierung,Opposition,Wahlen,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt

Gemeinwohl Gerechtigkeit,öffentlicheGüter,Nachhaltigkeit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Parteien

Schulstufen BegriffePrimarstufe Interessen,Wähler/-innen,Wahlkampf

SekundarstufeIWählerpräferenzen,PolitischeWillensbildung,Koalitionsbildung,Regierungsbildung

SekundarstufeII Programme,Catch-all-Strategie

5.11 Regierung

Essenz des Fachkonzepts RegierungistdieInstitutioninnerhalbeinesfunktionierendenpolitischenSystems,die–»durchInformation,Koordination,PlanungundEntschei-dung,Mittelbeschaffung,OrganisationundKonsensbeschaffung–dieum-fassendeFührungsrolleausübtundder–beidichterRückkoppelungmitden Regierten, hinlänglicher Leistung und glaubwürdiger Begründung

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II. Basis- und Fachkonzepte

ihresTuns–auch legitimerweisedieGesamtleitungaller staatlichenTä-tigkeitzukommt«(Patzelt,2007).Regierungistsosehrvielmehralsblo-ße»Exekutive«,welchedieVorgabeeineranderenInstitution,etwaeinergesetzgebenden Körperschaft, der »Legislative« exekutiert. Allerdings istRegierunggestaltendeMachtnurimRahmenvonVerfassung,geltendemRechtundaufderGrundlagevonGesetzen,die sie selbstnichterlassenkannunddiesieselbstnichtzuihreneigenenZweckenumformulierendarf.

Politikwissenschaftliche VertiefungRegierungundRegierenalspolitischesHandelnundRegierungsfähigkeitimSinnevonProblemlösungsfähigkeitlassensichnurimZusammenhangvonpolitischenundgesellschaftlichenEntscheidungsstrukturenundderenWandelerfassen.DurchihreEinbindungindengesamtenWillensbildungs-undEntscheidungsprozessstehtRegierungineinemengenZusammenhangzumBasiskonzeptEntscheidung.InderPolitikwissenschaftfindensichun-terschiedlicheVersuche,denBegriffdesRegierenszuerfassen.DieinderaristotelischenTraditionstehendePolitikwissenschaftdiskutiert»Regieren«vorallemimZusammenhangmitdemProblemeinergutenOrdnung.DiepolitikwissenschaftlicheRegierungslehreder1960erJahreversuchte»Re-gieren«inpolitisch-philosophischerRef lexionoderalsempirischeRegie-rungsforschungneuzuerschließen(Murswieck,1995).Inden1970erJah-renwurdendieunterschiedlichenAspektedesRegierensaufderGrundlagedesdreidimensionalenPolitikverständnissesinderinstitutionellen,prozes-sualenundinhaltlichenDimensionzusammengefügt.InderzweitenHälf-teder1970erJahreprägtendieDiskussionüber»Regieren«vorallemdieBegriffe»Regierbarkeit«und»Unregierbarkeit«,indensicheinevonrechtswielinkszufindendeKritikanvermeintlichdemokratietypischenStruktur-problemenderpolitischenWillensbildungundEntscheidungindenmoder-nenIndustriegesellschaftenzusammenfanden.AktuellbestimmenProblemewiedieAbnahmestaatlicherSouveränität,derWandelunddasWachstumöffentlicherAufgabendieDiskussionumdieSteuerungs-undHandlungs-fähigkeitderRegierung.InjüngsterZeithabensichsowohlpolitik-undverwaltungswissenschaftliche Ansätze zu ›Policy-Management-Strategien‹entwickelt,dieganzpragmatischdieRegierungsorganisationindenBlicknehmen,sowiekomparativeAnsätze,dieimRahmendesneuenBegriffsvon›Governance‹Ordnungs-undProzessstrukturenstaatlicherundgesell-schaftlicherVerf lechtungundderenAuswirkungenaufdasRegierenunter-suchen(Murswieck,1995).VordemHintergrunddereuropäischenIntegra-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

tionundangesichtsinternationalerundsupranationalerVerf lechtungenistesüberhauptschwierig,deninstitutionellenOrtder»Regierung«zulokalisie-ren.»RegierenohneRegierung«weistdaraufhin,dassRegierungzunächsteinmaleinProzessist.»ImeinfachstenFallprägenihnnurGrundsätze,diedasZielunddiegrundlegendenFormendiesesProzessesbeschreiben,fer-nerRegeln,welchedieRechteundPf lichtender imRegierungsprozesszusammenwirkendenAkteurebeschreiben,sowieVerfahrenderDurchset-zungallgemeinverbindlicherRegelnundEntscheidungen,aufwelchesichdiepolitischenAkteureeinstweilengeeinigthaben«(Patzelt,2007).

Fehlkonzepte

Schaubild 3: Vernetzung des Fachkonzepts Regierung

DemBürgeroderderBürgerinbegegnetPolitikvorallemdurchdieMe-dien.HierbeisindesimWesentlichenRegierungen,diealshandelndeAk-teurewahrgenommenwerden.PolitikwirddurchdieMedienüberwie-

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II. Basis- und Fachkonzepte

gendalsRegierungshandelnvermittelt.StimmtRegierungshandelnnichtmitdenErwartungenderBevölkerungüberein,wächstdieDistanzzwi-schenbeidenundkannzurPolitikverdrossenheitführen.Dieseberuhthäu-figaufeinemFehlverständnisvondenAufgabenundMöglichkeitenderRegierungimpolitischenSystem,dieeinemangemessenenVerständnisvonPolitikimWegestehen.DazugehörtdieVorstellung,dassderStaatmitsei-nenInstitutionenüberdemStreitderParteien,überPolitikundParteipo-litikstehenwürde.DamitverbindetsichdieIdee,dasseseineArtunpoli-tische,reinsachlicheAmtsverwaltunggebenkönne.Regierungsolldanngute, sachlich richtigeEntscheidungen treffen.AuchüberdieMöglich-keitenderBundeskanzlerin/desBundeskanzlersfindensichunangemesse-neDenk-undVorstellungsmuster.DerKanzler/dieKanzlerinsollregierenundnichtsovieltaktieren,reden,»aussitzen«usw.DazugehörtauchdieErwartung–diehäufigdurchdieMediengefördertwird–dieKanzlerin/derKanzlermüsseendlicheinMachtwortsprechen,durchEntscheidungeineDiskussionbeendenusw.SolcheErwartungenwerdenregelmäßigmitdemHinweisaufdieRichtlinienkompetenzgerechtfertigt.DieRichtlini-enkompetenzistjedochinderPraxis,insbesondereinKoalitionsregierun-gen,sogutwiebedeutungslos.AuchdieRegierungalsbloße»Exekutive«zusehen,wirdderKomplexitätdieserInstitutionnichtgerecht.

Vernetzung des FachkonzeptsRegierung,Opposition,ParlamentundParteiensinddieFachkonzepte,dieineinembesondersengenZusammenhangstehen.DieRegierungistdasErgebnisvonWahlenundalsExekutiveElementderhorizontalenGewal-tenteilung. Machterwerb und Machterhalt sind Voraussetzungen jedesRegierungshandelns.DieRegierungistderwichtigsteAkteurimpoliti-schenEntscheidungsprozess,derstetsdurchKonf liktegeprägtist.Entschei-dungenmüssenmehrheitsfähigseinundmüssenvonderMehrheitgetra-genwerden,umalslegitimangesehenundbefolgtzuwerdenundumdenAnsprucherhebenzukönnen,Gemeinwohla posteriorizusein.DazugehörtauchdieOrientierungamKonzeptderNachhaltigkeit.ImpolitischenSys-temderBundesrepublikDeutschlandwirdzurExekutiveRegierungundVerwaltunggerechnet,diezusammendieStaatsorganisationprägenunddamitaufdasFachkonzeptStaatverweisen.Regierungshandelnwirdzu-nehmenduntereuropäischenVorzeichenundunterinternationalenBedin-gungengesehen,wodurchsicheineengeVerbindungzudenFachkonzep-teneuropäischeAkteureundinternationaleBeziehungenergibt.

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5. Fachkonzepte Entscheidung

BeispielthemenRegierungistwenigereinThemafürdiePrimarstufe.InderSek.Iund IIsollten auf derGrundlage desPolitikzyklus undmit besonderemBlickauf den Akteur Regierung, Funktionen, Handlungsmöglichkeiten undHandlungsrestriktionenusw.herausgearbeitetwerdenz.B.indemThe-ma: »Richtliniekompetenz: Machtgrundlage des Bundeskanzlers?«. EinweitererZugangzumInhaltRegierunglässtsichüberdenRegierungs-stildereinzelnenKanzler/-innenfinden:»EinKanzler–einStil?«DabeigehtesnichtumdiePersonalisierungvonPolitik,sondernumdieAna-lyse,wieregiertwirdundinwieweitpolitischeEntscheidungenvondenjeweiligenPersonenundderArt ihrerFührungabhängigsind.AlsGe-genstandderaktuellenpolitikwissenschaftlichenRegierungs-undExeku-tivforschungeignetsicheinsolchesVorgeheninsbesonderefürdieSek.II.FürdieseKlassenstufekannauchzusätzlicheineAuseinandersetzungmitRegierungshandelnunterdenBedingungendereuropäischenIntegrationundderGlobalisierungerfolgenu.a.überdasThema:»BrauchtDeutsch-landeinenEuropaminister?«

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Regierung zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte Fachkonzepte

OrdnungGewaltenteilung,Demokratie,Staat,internationaleBeziehungen

EntscheidungParteien,Parlament,Opposition,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt,europäischeAkteure

Gemeinwohl Nachhaltigkeit,Gerechtigkeit,öffentlicheGüter

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Regierung

Schulstufen Begriffe

SekundarstufeIBundeskanzler/-in,Vertrauensfrage,Minister/-in,Kabinett,Führung

SekundarstufeII Amt,Steuerung,Governance,Verwaltung

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II. Basis- und Fachkonzepte

5.12 Wahlen

Essenz des FachkonzeptsWahlensindeinMittelzurBildungvonKörperschaften(z.B.Parlamen-te)oderzurBestellungvonPersoneninÄmter.ZuWahlengehöreninderRegelvorherfestgelegte,spezifischeVerfahrenz.B.überdieFrage,werwahlberechtigtist,überdieArtundWeise,wiedieStimmenabgegebenwerden,nachwelchenVerfahrendieStimmengezähltwerden,wiederWahlprozesskontrolliertwirdusw.EchteWahlenliegendannvor,wennzwischen echtenAlternativen,Programmenund/oderKandidaten ent-schiedenwerdenkann.Wahlenhaben inderDemokratieeineVielzahlvonFunktionen:Sie legitimierendaspolitischeSystem (Legitimations-funktion),sieermöglichendurchperiodischeWahlbzw.Abwahlderpo-litischenEntscheidungsträgerderenKontrolle(Kontrollfunktion),siedie-nenderRepräsentationderunterschiedlichenMeinungenundInteressenderWählerschaft(Repräsentationsfunktion),siemobilisierendieWähler-schaft fürpolitischeZiele,ProgrammeundLösungsvorschläge (Artiku-lationsfunktion); sie integrierendengesellschaftlichenPluralismusdurchdieBildungeinesaktionsfähigenMehrheitswillensunddurchdieKanali-sierungpolitischerKonf liktezuihrerfriedlichenBeilegung(Integrations-funktion);sieentscheidenüberMehrheitundMinderheit,überRegierungundOpposition (Regierungsbildungsfunktion); sieermöglichenMacht-verschiebungen bis hin zumMachtwechsel (Machtverteilungsfunktion)(Nohlen,2009).

Wie diese Funktionenkonkretwahrgenommenwerden, hängt auchvondem jeweiligenWahlsystemab.DiegrundlegendeUnterscheidungvonWahlsystemenistdieinMehrheits-undVerhältniswahlsystem.BeimVerhältniswahlsystem entspricht die Zusammensetzung des ParlamentsdemVerhältnis der abgegebenenStimmen.BeimMehrheitswahlsystemsetzt sichdasParlament ausdenVertreterinnenundVertretern zusam-men,die einenWahlkreismit relativerMehrheit (»relativesMehrheits-wahlrecht«)odermitabsoluterMehrheit (absolutesMehrheitswahlrecht«– ggf.mit Stichwahl) gewonnenhaben.Zwar lassen sichWahlsystemeimmer einemdieser beidenTypen zuordnen, inderPraxis finden sichjedochvieleAusnahmen im Einzelnen.AlsVorteildesMehrheitswahl-systemswirdu.a.gesehen,dassesinderRegeleinestabileRegierungsbil-dungermöglichtundderWählereinenklarerenZusammenhangzwischenStimmabgabeundWahlergebniserkennenkann.DasVerhältniswahlsys-

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5. Fachkonzepte Entscheidung

temerschwerteinerseitsdieRegierungsbildungdurchParteiendifferen-zierung,andererseitsermöglichtesinderRegeldieRepräsentationvielerMeinungenundInteressenimParlament(Schmidt,2007).

Politikwissenschaftliche VertiefungWahlen sinddiewichtigsteFormder politischenBeteiligungderBür-gerinnenundBürgerampolitischenEntscheidungsprozess.AlleanderenPartizipationsformensindmiteinemdeutlichhöherenAufwandanZeitundEngagementverbundenundtendierendazu,sozialSchwachezube-nachteiligen.WahlenverbindeteineengeBeziehungzumBasiskonzeptEntscheidung.InderBundesrepublik istdasWahlrecht imGrundgesetznur ineinersehrallgemeinenFormverankert.DanachmüssendiePar-lamenteaus allgemeinen,unmittelbaren, freien,gleichenundgeheimenWahlenhervorgehen.DasWahlsystemzumBundestagisteinSystemderVerhältniswahl.AllerdingswerdennurdieHälftederAbgeordnetenüberdieLandeslistenderParteiengewählt,dieandereHälfte inEinzelwahl-kreisenmiteinfacherMehrheit(Schmidt,2007).

BeiWahleninderDemokratiesinddieParteienvonzentralerBedeu-tung.SiehabenfaktischdasMonopolbeiderKandidatenauswahl.AuchimWahlkampfdominierendieParteien.SiewerbenumdieZustimmungderBürger/-innenzuPersonenundProgrammen.IndenletztenJahrenhabenprogrammatischeAspekte anBedeutungverloren.PersonenundvorallemeinemediengerechtePolitikdarstellungstehenimVordergrund(Sarcinelli,2009;Schoen,2005).

WahlforschungistmultidisziplinärundumfasstdasgesamteSpektrumderSozialwissenschaften.Rechts-undPolitikwissenschaftenbeschäftigensichmitderAnalysedesWahlrechtsunddesWahlprozesses,Kommunika-tions-undSozialisationsforschunganalysierendieRollederMedienundWahlenalsAktderKommunikationundderPolitikvermittlung.Politi-schePsychologieundpolitischeSoziologieuntersuchendasWählerver-halten(Falter,2005;Schultze,2009).DieWahlsoziologiebefasstsichmitderErklärungundderPrognosevon individuellenWählerentscheidun-gen,derVerteilungderPartei-,Kandidaten-undSachpräferenzeninderWählerschaft.UnterschiedenwerdendabeistrukturelleundsituativeDe-terminanten.

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II. Basis- und Fachkonzepte

Fehlkonzepte ObwohleineDemokratieohneWahlennichtdenkbarist,findetsichkaumeinBereichderPolitik,dermitsovielenVorurteilenundproblematischenErwartungenverknüpft ist,wiedasThemaWahlen.Dasbeginnt schonmitderVorstellung,dassessichnichtlohne,zuwählen.Allein,dassWah-lenregelmäßigstattfinden,hatzurFolge,dassdiepolitischenAkteuresieständiginihrenEntscheidungenantizipatorischberücksichtigen.DarüberhinaussindWahlen,auchwennsienichtimmerdieMachtverteilungver-ändern,alsförmlicherAktderLegitimationderRepräsentativorganeunddieRückbildung andieWillensbildungderBürger/-innenunverzicht-bar.DieBehauptung»jedeStimmezählt«fördertdagegendieIllusionunddasMissverständnis,derEinzelnekönnedieMachtverteilungverändern.Richtigmüssteesheißen»JedeStimmezähltgenausovielwiejedeande-reStimme.«

Wahlkämpfe,geradeinihrermodernenForm,sindzunehmendGegen-standmoralisierenderKritik.DiehäufiganzutreffendenegativeEinstel-lungzuKonf liktenwirdauchaufdenWahlkampfübertragen.Wahlenaberohne»Kampf«umdieWählerstimmensindundenkbar.

Vernetzung des FachkonzeptsWahlenlassensichmiteinerVielzahlvonFachkonzeptenverbinden:MitDemokratie,Parteien,Parlament,Regierung,OppositionundLegitima-tion.UnterdemAspektdesWahlkampfesistdieNähezumFachkonzeptMacht,Konf likt,ÖffentlichkeitundMassenmedienbesondersgroß.DieWahlgrundsätzestelleneinenBezugzudenFachkonzeptenFreiheitundGleichheither.

BeispielthemenWahlenkönnenschoninderGrundschulebehandeltwerden.AmBeispielderKlassensprecherwahlundderWahldesKlassenrates, lassensichvie-leAspektevonWahlenbehandeln,dieauchaufdieEbenedespolitischenSystemsübertragenwerdenkönnen.

WahleninderSekundarstufeIsollteninihrerprinzipiellenBedeutungfürdieDemokratieunddermoderneWahlkampfimZusammenhangmitMediendemokratieanalysiertwerden.Themenkönntenu.a.sein:»Wah-

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6. Basiskonzept Gemeinwohl

len:BloßesRitualoderHöhepunktderDemokratie?«oder»Wahlkampf:InformationoderManipulationderWähler/-innen?«

InderSekundarstufeIIkönnenergänzendinterdisziplinäreAnsätzeundForschungsergebnissezumWählerverhaltenimZentrumdesPolitikunter-richtsstehenz.B.»IstderWechselwählerderWählerderZukunft?«

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Wahlen zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Repräsentation,Demokratie

EntscheidungParteien,Parlament,Regierung,Opposition,Massenmedien,Legitimation,Konf likt

Gemeinwohl Freiheit,Gleichheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Wahlen

Schulstufen BegriffePrimarstufe Allgemein,frei,geheim,gleich,unmittelbar

SekundarstufeIWahlsysteme,Wahlkampf,Kandidatenaufstellung,Panaschieren,Kumulieren,Stimmenverrechnungsverfahren

SekundarstufeII Präferenzen

6. Basiskonzept Gemeinwohl

Definition

DerBegriffGemeinwohlkennzeichnetdieallgemeinenZweckeoderdiegemeinsamerwünschtenZieleundWerte,umderetwillenMenschensichineinempolitischenGemeinwesenzusammenschließenbzw.zusammen-geschlossensind.DasGemeinwohlverweistdamitaufdenSinnunddenZweckvonPolitiküberhauptundlässtsichsoalsBasiskonzeptvonPolitikbegründen.DasGemeinwohlwirdzwarübereinstimmendalsGegenbegriffzuegoistischenPartikularinteressendefiniert,damitendetaberauchschondieGemeinsamkeit.DerBegriffdesGemeinwohlsistsooffen,dassNeid-

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II. Basis- und Fachkonzepte

hardtihnformallogischderKlassevon»Quasi-Leerformeln«zurechnet,de-renInformationsgehaltzwargrößeralsNull,aberdochzugeringist,umseinenGebraucheindeutigfestlegenzukönnen(Neidhardt,2002,S.14).TrotzderUneindeutigkeitundobwohlderBegriffGemeinwohlvonAn-fanganimmerwiedermitvölligunterschiedlichenInhaltengefülltundindenverschiedenartigsten,gelegentlicheinanderwidersprechendenWeisendefiniertwurde,kannoffensichtlichkeinepolitischeOrdnungundkaumeinepolitischeEntscheidungdaraufverzichten,sichdurcheinenBezugaufdasGemeinwohlzurechtfertigen.UnabhängigvonderSchwierigkeit,dasGemeinwohlbegriff lichzupräzisieren,wirdals»allgemeinerRechtsgrund-satz«anerkannt,dassdieInhaberstaatlicherHerrschaftsbefugniszurWah-rungdesGemeinwohlsverpf lichtetsind.SoenthältderEidderpolitischenAmtsträgerinderBundesrepublikdieBindungandasGemeinwohl.

ErläuterungPrinzipielllassensichzweiGemeinwohlkonzeptionenunterscheiden:Einnormativ-apriorischerBegriffvonGemeinwohl,dervoneinemvorgege-benen,objektivenallgemeinenWohl ausgeht,dasnicht andieZustim-mungderGesellschafts-bzw.Gemeinschaftsmitgliedergebundenist,demsichdiese aberunterzuordnenhaben.DieseAnnahmeeinespräexisten-ten,letztlichdurchdenStaatzuverwirklichendenGemeinwohlswirdent-wederreligiös,ethisch/moralischoderrationalistischgerechtfertigt.Vondiesen überindividuellen, zudem statischen und ahistorischen Gemein-wohlkonzeptionenunterscheiden sich aposteriorischeBegriffe vonGe-meinwohl,dieoffen,dynamisch-historischund stärker individualistischamInteressenundWohlergehendesEinzelnenorientiertaufdasempirischher-undfeststellbareWohlallerzielen.

DadasapriorischeodersubstantialistischeGemeinwohlverständnisbe-hauptet,überobjektiveundgartranshistorischeinhaltlicheKriterienzuverfügen,diealsOrientierungsmarkenfürdiePolitikfungierenundvor-abfeststehen,wasdemGemeinwohlentspricht,kannmanvoneinemge-schlossenen Gemeinwohl sprechen. Dieses Gemeinwohlverständnis istunvereinbarmiteinemoffenenpolitischenProzessundwidersprichtdenGrundsätzenderfreiheitlichenDemokratie.Essolldaherhiernichtwei-terverfolgtwerden.

WasunterGemeinwohlzuverstehenist,istnotwendigoffenundnureininhaltsoffenerGemeinwohlbegrifftaugtalsdemokratischesGemein-wohlkonzept (Schuppert,2002,S.24).FürdieseOffenheitgibtesgute

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6. Basiskonzept Gemeinwohl

Gründe.DennimGemeinwohlsindrivalisierendeWerteundInteressenenthalten,diesichnichtzueinemgeschlossenenSystemdenkenlassen.DieOffenheitdesKonzepteserlaubteszudem,dasGemeinwohlalseinepo-litischeAufgabezubegreifen.OffeneGemeinwohldefinitionen insistie-renaufderRelativitätdereinbegriffenen InteressenundWertpräferen-zen.SiewirkendamitwieeineArtnatürlicherImpfunggegenIntoleranz(Schuppert,2002,S.21ff ).

JederVersuch,sichmitdemGemeinwohlzubefassen,stehtvorderAuf-gabe,vierzentraleDimensionenzuklären.DiesozialeDimensiondesGe-meinwohlsbeziehtsichaufdieGesamtheitderGemeinschaft,derenWohlgedientwerdensoll.DiesekannvomFamilienverbandüberdenStaatbishinzurWeltgemeinschaft reichen.DiezeitlicheDimensionbezieht sichaufdieZeitvorstellung,diedenGemeinwohlkonzeptenzugrundeliegen.SiekönnenvonunmittelbardrängendenGegenwartsproblemenübermit-telfristige,dieEnkelgenerationeinschließendeVorstellungenbishinzurLangzeitverantwortunggegenüberderZukunftdesPlanetenreichen.DiesachlicheDimensionbeantwortetdieFrage,welchemateriellenundim-materiellenWertealsWohlgeltenkönnen.UmdieOffenheitdesGemein-wohlkonzeptesindieserDimensionzubewahren,sprichtSchupperthiervonGemeinwohl imPluralundnenntdiesGemeinwohlbelange.DiesekönnenWohlstandundVollbeschäftigung,BildungundGesundheit,so-zialeAusgewogenheit,innereSicherheitundinternationalerFriedensowiedieNachhaltigkeitderNutzungdernatürlichenRessourcensein.SolchematerialenGemeinwohlgehaltesindnichtzuverwechselnmitsubstantia-listischenGemeinwohlkonzepten.Dasheißt:Unterhalbdersubstantialis-tischenEbenekannesdurchausmaterialeGemeinwohlgehaltegeben.DieNotwendigkeit,dieseaufzufinden,herzuleitenundzugewichtenverweistdannaufdieprozeduraleDimensiondesGemeinwohls.DieArtundWei-se,wiedasGemeinwohlermitteltwird,istvorallemabhängigvomCha-rakterderpolitischenOrdnung.AutoritärepolitischeSystemeignorierendieinderGesellschaftvorhandenenAuffassungenüberdasGemeinwohlundlegenesautokratischfest.TotalitäreDiktaturensetzendasGemein-wohlmitihrerpolitischenIdeologiegleich,diesiemiteinemGewissheits-undVerbindlichkeitsanspruchversehenhaben.FreiheitlicheDemokratienpraktiziereneineautonomepolitischeMeinungs-undWillensbildung,andersichalleKräfteundGruppenderGesellschaftbeteiligendürfenundkönnen.DamitwirddasGemeinwohlgleichgesetztmitdemdemokra-tischenProzess.D.h.,esbezieht sich inersterLinieaufdieArt,wieeszustandekommt,undnicht auf den Inhalt, derunvermeidlich Interes-senundPerspektivenenthält,dienichtvonallenBürgerinnenundBür-

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II. Basis- und Fachkonzepte

gerngleichermaßengeteiltwerden.Gegeneine solche reinprozeduraleGemeinwohlvorstellungwird jedochkritischvorgebracht,dass siemaß-stabslossei.UmdemDilemmazwischeninhaltlichemDefinitionsverbotund Maßstabslosigkeit prozeduraler Gemeinwohlbestimmung zu ent-gehen,wurde,wieobenschondargestellt,derAuswegdesmaterialenGe-meinwohlverständnissesgewählt,dasimFolgendenzugrundegelegtwird.

MaterialeElementedesGemeinwohlsfindensich,wennmandieVerfas-sungdaraufhinbetrachtet,obsieselbstStaatszweckeoderStaatszielefor-muliert,diesichinGemeinwohlbelangemitverfassungsrechtlichemGe-wichtübersetzenlassen(Uerpmann,2002,S.179ff.).DanachbildeninnereundäußereSicherheit,sozialeGerechtigkeit,BildungundKultur,materi-ellerWohlstand,UmweltschutzundinternationalerFriedenGemeinwohl-inhalte.

MiteinergewissenBerechtigungkanndieVerfassungselbstalseinBe-standteildesGemeinwohlsbezeichnetwerden.ZumeinenkonkretisiertsienämlichdasGemeinwohl,indemsiebestimmteinhaltlicheOptionenaus-schließtundandereverbindlichmacht.Sobeziehtsiez.B.diePressefrei-heitindasGemeinwohlein,währendsiedieZensurausschließt.EinzelneVerfassungsvorschriftentreffendamitpositiveodernegativeGemeinwohl-festlegungen.Zumanderen reguliertdieVerfassungdieProzeduralisie-rungdesGemeinwohls, indem siedenWillensbildungs-undEntschei-dungsprozessnachAkteuren,KompetenzenundVerfahren strukturiertundBedingungen fürdieGeltungvonpolitischenEntscheidungen for-muliert(Grimm,2002,S.127f ).

MankanninsbesondereindenjenigenGrundrechtenGemeinwohlgü-tersehen,ausdenenstaatlicheSchutzpf lichtenabgeleitetwerden,derStaatalsoindiePf lichtgenommenwird,sichschützendvorGemeinwohlbe-langevonVerfassungsrangzustellen.SosindnachdemGrundgesetzdieAchtungundderSchutzderWürdedesMenschenallerstaatlichenGe-waltausdrücklichaufgegeben.WasweiterhinalsGemeinwohlgutanzuer-kennenist,zeigtsichbeiGrundrechtsbeschränkungen.DasBundesverfas-sungsgerichtverlangtnämlich,»dasseineGrundrechtsbeschränkungvonhinreichendenGründendesGemeinwohlsgerechtfertigtist,dasgewähl-teMittelzurErreichungdesZwecksgeeignetunderforderlichistundbeieinerGesamtabwägungzwischenderSchweredesEingriffsunddemGe-wichtderihnrechtfertigendenGründedieGrenzedesZumutbarennochgewahrtist«(zit.in:Schuppert,2002,S.37).

AuchdiesogenanntenöffentlichenInteressenstellenGemeinwohlgü-terdar.ÖffentlicheInteressensindgenaudefinierbareundjefürsichbe-gründungsfähigeGegenständedesallgemeinenNutzens.Konkrethandelt

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6. Basiskonzept Gemeinwohl

essichumEinrichtungendesGemeinbedarfswieSchulen,Krankenhäu-ser, Sportstätten,Parkanlagen,Friedhöfe,Verkehrswege,Energieversor-gung,Abfall-undAbwasserentsorgungsowieLandschaftspf legeundNa-turschutz(Hofmann,2002,S.25f ).

Internationale und globale EbeneWiedienormativenBegriffeDemokratieoderÖffentlichkeitistauchderGemeinwohlbegriffnichtineinemvonsozialenundpolitischenGegeben-heiten abgetrenntenRaumentstanden, sondern innerhalb eines staatli-chenRahmens,inwelchemüberSprache,Bildungssystem,Rechtssystemusw.vermitteltbestimmtebegriff licheEntwicklungspfadeeingeschlagenwurden,dieinihremErgebniserheblichvoneinanderabweichenkönnen( Jachtenfuchs, 2002). Empirisch koexistieren also sehr unterschiedlicheVorstellungenvonGemeinwohl,die sichwesentlichentlang territorial-staatlicherGrenzenunterscheiden.DurchdieEinbindungdesStaates ininternationaleMehrebenensystemewiez.B.demderEuropäischenUnionstehensichsolcheGemeinwohlkonzeptionenauchaufderEbenederpo-litischenPraxisgegenüber.DerNationalstaatalsselbstverständlicherBe-zugsrahmenvonGemeinwohlvorstellungenistsowohldurchdasRegiereninüberstaatlichenMehrebenensystemenprekärgewordenalsauchdurchProzessederGlobalisierunggefährdet.DiezunehmendeAuslagerungklas-sischernationalerRegierungsfunktionen in internationaleRegimebzw.imFallederEuropäischenUnionintransnationalesRegierenmachtdieGrenzenderhistorischenFormendemokratischerWillensbildungundLe-gitimierungunddamitauchBestimmungdesGemeinwohlsdeutlich.DernationalstaatlicheGemeinwohlbezugwirdalsonichtnurdurchdieKon-kurrenzanderergleichberechtigterNationalstaatenbrüchig,sondernwirdauchgleichsamvoninnenausgehöhlt.

AufderEbenederinternationalenPolitiklassensichdreiBereicheiden-tifizieren, in denenGemeinwohlvorstellungenproblematisch gewordensind( Jachtenfuchs,2002,S.374ff).DieUNO,diealslegitimierendeIn-stanzdiemeisten solcherPolitiken sanktionierthat, stehtvordemPro-blem,dasbeiEingriffenininnerstaatlicheKonf liktederBezugaufSelbst-verteidigungundBewahrungdesFriedensmehrundmehr fragwürdigwird, anderekonsensualeGemeinwohlvorstellungenabernicht inSichtsind. »ImSachbereichHerrschaft tendiertdieMenschenrechtspolitik zueinemähnlichenInterventionismus,dersichdurchVerweisaufuniversel-leWerterechtfertigt. DerstetigwachsendeKorpusderUN-Menschen-

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II. Basis- und Fachkonzepte

rechtsnormenfungiertindiesemZusammenhangalsKodifizierunguni-versellerGemeinwohlvorstellungen.DassolchenProzesseninnewohnendeKonf likt-undTransformationspotenzialistenorm,denndiesozialeRefe-renzderGemeinwohlvorstellungenverlagertsichvonStaaten,denklassi-schenSubjektenderinternationalenPolitik,inwachsendemMaßeaufIn-dividuen«( Jachtenfuchs,2002,S.375).ImSachbereichWohlfahrtliegenfürdieOECD-WeltwohldiewichtigstenKonf likteüberdasGemein-wohl.SiereichenvonKonf liktenüberMarktliberalismusundanderege-sellschaftlicheWerte,vomUmweltschutzüberspezifischeBildungssyste-mebishinzudenGrundwertenwohlfahrtsstaatlicherPolitik.IndiesemZusammenhangwirdauchdieArbeitvonGATT,WTOundEU,diebis-langalsgemeinwohlförderndangesehenwurden,zunehmendinFragege-stellt.

UnterBerücksichtigungdieserVeränderungenundProblemelässtsichdennochFolgendesfesthalten.AufinternationalerEbenespiegeltsichdasGemeinwohlnoch immer imVölkerrecht.Das »neue«Völkerrechtbe-nenntmaterialeWerte,diedieinternationaleZusammenarbeitallerStaa-tenleitensollen.DadieWerteaufdasWohlderStaatengemeinschaftundderindenStaatenvereinigtenMenschengerichtetsind,kannmansiealsWertedesinternationalenGemeinwohlsbezeichnen.

Die internationalen Gemeinwohlwerte sind in der Charta der Ver-eintenNationenniedergelegt.Essindu.a.dieWürdeundderWertdermenschlichenPersönlichkeit,dieMenschenrechteundGrundfreiheiten,dieGleichberechtigungvonMannundFrau,dersozialeFortschritt,dieVerbesserungdesLebensstandards,dasfriedlicheZusammenlebenderNa-tionen,dieinternationaleZusammenarbeit,derWeltfriedenunddiein-ternationaleSicherheit.

EsgibteineReiheweitererDokumentederVereintenNationenmitAussagenzuminternationalenGemeinwohl.Soproklamiertdie»Friendly Rela tions Declaration« der UNO-Generalversammlung von 1970 dieVölkerrechtsprinzipien,welchediezwischenstaatlichenBeziehungenlei-tensollen.NebendemFriedenunddemwirtschaftlichenFortschrittwirddie»allgemeineWohlfahrtderVölker«aufgeführt.DieChartaderwirt-schaftlichenRechteundPf lichtenderStaatenvon1974erwähntalsZielederneuenWeltwirtschaftsordnung:»A wider prosperity among all countries«, »higher standards of living for all people«, »the economic and social progress of all countries especially developing countries«, »co-operation on the basis of mutual ad-vantage and equitable benefits for all peace-loving states«sowie »economic growth of developing countries«.DieUNO-Konferenz fürUmweltundEntwick-lungvon1992fügtedenUmweltschutzhinzu(Fassbender,2002,S.335ff ).

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6. Basiskonzept Gemeinwohl

Seit1987wirddieGemeinwohldiskussionumdasKonzeptderNachhal-tigkeitbereichert.NachhaltigeEntwicklungistjeneFormderökonomi-schen,ökologischenund sozialenEntwicklung,diedieBedürfnissederGegenwartbefriedigt,ohnezuriskieren,dasskünftigeGenerationenihreeigenenBedürfnissenichtbefriedigenkönnen.

Das Gemeinwohl in sozialwissenschaftlichen TheorienDasKonzeptdesGemeinwohlshatindenSozialwissenschaftenundinderpolitischenTheorieeinesehrunterschiedlicheBedeutungerfahren.Hat-teindennormativenpolitischenTheorienvonAnbeginnderBegriffdesGemeinwohls(bonum commune,öffentlichesInteresse)einezentraleRollegespielt,soerkenntdie»moderne«politischeTheoriedemGemeinwohl-begriffsogutwiekeineExistenzberechtigungzu.BerndLadwigsprichtvom»Gemeinwohlverlust«alseinemKennzeichenderModerne(Ladwig,2009,S.31ff).SeitderfrühenNeuzeithabesichderVerdachterhärtet,Po-litikseivorallemeinstrategischesSpielumdieGewinnung,BehauptungundAusweitungvonMacht.»Machiavellifolgend,haltenvielemoderneAutorendenAnspruchaufGemeinwohlverwirklichungfüreinVerschlei-erungsmanöver»(Ladwig2009,S.43).DasGemeinwohlhabeeinebloßideologischeFunktion:nämlichdenInteressenansprucheinesTeileseinerpolitischorganisiertenGesellschaftmitdemInteressederGesamtheitiden-tischzuerklären,denAnspruchvondahermoralischzulegitimierenundihmdadurcheinegrößereDurchschlagskraftzuverleihen.

Umsoerstaunlicherist,dassinjüngsterZeitdasGemeinwohlinderso-zialwissenschaftlichenTheoriewiederKonjunkturhatundvieleWissen-schaftler-/innenverschiedenerFachrichtungenihmebensoeifrigwiefa-cettenreichaufderSpursind.DennochsinddieErgebnissenachwievorvölligunterschiedlich;vielleichtauchdeshalb,weilessichwenigerumdieRenaissancedesGemeinwohlsselbstalsumdieRenaissancedesGemein-wohlthemashandelt.Insofernistesnachwievorschwer,etwasdarüberzuerfahren,wasdasGemeinwohlistoderwasesseinkönnte.DiePositio-nenreichenvonderAblehnungdesGemeinwohlbegriffsüberdieEinsicht,dassdiebetreffendeTheoriedemGemeinwohlnichtgerechtwerde,bishinzugehaltvollenFundierungendesGemeinwohls.

NachAuffassungderneuerenDemokratietheorielässtsichdasGemein-wohl weiterhin nur formal und prozedural bestimmen. Jede materia-leFixierungdesGemeinwohlswirdmit demArgument zurückgewie-sen,dass in liberalenDemokratienderAnfangs-undderEndpunktder

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II. Basis- und Fachkonzepte

EntscheidungsprozesseindensubjektivenPräferenzenderBürger/-innenlägen.Siedefinierten,was sie als ihre Interessenbetrachteten.Diejeni-genZiele,dievondenBürgerngemeinsamgeteiltundgewolltwürden,könneman,wennmanunbedingtwolle,Gemeinwohlnennen.Einsol-chesGemeinwohlseiaberäußerstf luide.EskönnedeshalbaufkeinenFalleinMaßstabsein,andemsichdaspolitischeHandelnorientierenkönne.WennderGemeinwohlbegriffaberdieFunktionalsBewertungsmaßstabverliere,dannwerdeerauchnichtmehrgebraucht.

Als Standard für dieGüte derPolitik eigne sich stattdessen derBe-griffResponsivitätsehrvielbesser.ErseialsregulativeIdeefürdaspo-litischeHandelninderDemokratiegeeignet.DennResponsivitätwerdeindemMaßerealisiert, indemdiePräferenzendesDemosberücksich-tigtwürdenundalleMitgliederdesDemosgleichesGewichthätten.DerResponsivitätsbegriff stellenämlichausdrücklichaufdenGedankenab,dassdiePolitikdurchdiepolitischenPräferenzenderBürger-/innenbe-stimmtseinsollte.DemgegenüberbeziehesichderherkömmlichGemein-wohlbegriffaufherzustellendeGüterundverschiebedamitdiePerspektiveaufdieLeistungenderEntscheidungsträger fürdieBürger-/innen.Zu-mindest ineinemdemokratietheoretischenKontextwerdederGemein-wohlbegriffnichtbenötigt(Fuchs,2002,S.93ff ).

WohlfahrtsökonomischeAnsätzehabendagegendenGemeinwohlbe-griffnochnichtaufgegeben.SiefindendenMaßstabdesGemeinwohlsinder individuellenBedürfnisbefriedigung.DieSummeder individuellenNutzenwirdmitdemGemeinwohlgleichgesetzt.Daswohlfahrtsökono-mischeGemeinwohlkonzeptweistjedocheineReihevonSchwachpunk-tenauf.So lassen sichz.B.dieverschiedenen individuellenPräferenzenderBürger/-innennichtineinelogischwiderspruchsfreiekollektivePrä-ferenzordnungtransformieren.WeiterhinwirdnurdieGrößederNutzen-summebetrachtet.DieVerteilungdieserSummeaufdieSystemmitgliederwirdvernachlässigt.EbensowirddieQualitätderindividuellenBedürf-nisseignoriert.Esistabernichtauszuschließen,dassprivateGüteröffent-licheÜbelsind.IndividuellePräferenzenmüssenalsoproblematisiertwer-denkönnen,wennmanandieBelangedesStaatesdenkt.Mankommtalsoletztlichnichtdarumherumzufragen,worindieQualitäteinesgutenGe-meinwesensbestehtundwelcheindividuellenPräferenzendamitkompati-belsind.Insgesamtgilt,dassdasWohldesGanzennichtmitderErfüllungjeaktuellerPräferenzenderBürgergleichgesetztwerdenkann(Mayntz,2002,S.113ff ).

Auch die funktionalistische Systemtheorie ist kein überzeugendesFundamentfürdasGemeinwohl,obwohlhiernichtderNutzenfürdie

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6. Basiskonzept Gemeinwohl

Individuen, sonderndieErfüllunggrundlegenderSystembedürfnisse alsMaßstabdesGemeinwohlsfungiert.ImsystemtheoretischenAnsatzvonTalcottParsonsistdieErfüllungvonvierFunktionen–Anpassung,Zieler-reichung,IntegrationundAufrechterhaltungderGrundstrukturen–er-forderlich,umeinSystemstabilzuhalten.DieSystemstabilitätkönnemitdemGemeinwohlgleichgesetztwerden.DerangeboteneMaßstabzurin-haltlichenBestimmungdesGemeinwohlsalsZustandderoptimalenEr-füllungdervierSystemfunktionenistjedochvielzuabstrakt.AufGrunddieser Abstraktheit erlauben die Funktionen keine vergleichende Be-urteilungdes jeweils ineinerGesellschaftverwirklichtenGemeinwohls(Mayntz,2002,S.121ff ).

DeutlichbesseristdievergleichendeWohlfahrts-undLebensqualitäts-messunginderLage,sichdesGemeinwohlsanzunehmen.MankanndabeiauchvoneinerempirischenGemeinwohlforschungsprechen,dieWohlfahrtundLebensqualitätalsdassummarischeWohlallerMenschenbegreift.DerAnsatzzergliedertdasGemeinwohl ineinzelneKollektivgüter,diemanmessenkann.ZudiesenKollektivgütern,diezueinemerheblichenTeilöf-fentlich,d.h.nichtmarktförmigproduzierteGütersind,gehörenu.a.Frie-den,innereSicherheit,Bürgerrecht,sozialeGrundversorgung,materiellerWohlstandundUmweltschutz.FürdieKollektivgüterlassensichempiri-scheIndikatorenangeben.Dieserlaubtes,verschiedeneGesellschaftennachdemGradeinzustufen,indemsiebestimmteZielzuständeerreichthaben.DieAuswahlderKollektivgüteristdabeikeineswegsbeliebig.DieLebens-qualitäts-undWohlfahrtskriterienwerdenausallgemeinmenschlichenBe-dürfnissenabgeleitet.AlsNachteildiesesAnsatzesistzuwerten,dassdieGesamtkonzeptionGemeinwohlindenHintergrundrückt,wennderBlickaufeinzelneKollektivgütergerichtetwird.AndererseitserlaubtderAnsatz,Zielkonf liktezwischenunterschiedlichenKollektivgüternaufzuzeigen,sozwischenUmweltschutzundWirtschaftswachstumoderBürgerfreiheitundinnererSicherheit.Underregtdazuan,überdieGleichgewichtigkeitderGüterzuref lektierenundeinnormativerwünschtesProfilderZielerrei-chungaufzustellen(Welzel,2002,S.112ff ).

ÜberdiegenanntenAnsätzehinauskonkurriereninderpolitischenThe-orieeineFüllevonGemeinwohlkonzeptionenmiteinander.SandraSeubertverortetsiezwischenRepublikanismusundLiberalismusundunterschei-detlibertäre,liberaleunddeliberativePerspektivendesGemeinwohlsso-wiekommunitaristischeundRational ChoicePositionen(Seubert,2006).DiezentraleFrage,diealletheoretischenAnsätzezubeantwortenhaben,lautetdabei:WiekannmanzueinerBestimmungdesGemeinwohlsgelangen,dieunparteiischundnichtbeliebig,aberdennochgemeinschaftlichtragfähig

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II. Basis- und Fachkonzepte

ist?DiepluralistischeDemokratietheorieinderFormulierungErnstFraen-kels(Fraenkel,1991)bietethiereineLösungan,unterdiesichdiemeistenliberalenundaktuellendeliberativenDemokratietheorien(z.B.Habermas)subsumierenlassen.FraenkelentwickeltseineGemeinwohltheorieinkon-zeptionellerAuseinandersetzungmitdemTotalitarismusundinideenge-schichtlicherAbgrenzungzuRousseau.ErlehntVorstellungeneinesaprio-rischenGemeinwohlsentschiedenabundsetztseinGemeinwohlaposte rioridagegen.DasGemeinwohlistdanachkeinevorgegebeneGröße,sondernkommtineinerfreiheitlichenGesellschaftlediglicha posteriorialsdasErgeb-niseinesdelikatenProzessesderdivergierendenIdeenundInteressenderGruppenundParteienzustande.Gemeinwohlistdemnach,wasalsErgebnisamEndeeinesfreienundoffenenGemeinwohldiskursessteht.Dieserpro-zeduraleAspektdesGemeinwohlsrichtetsichgegenvorgegebeneundge-schlosseneGemeinwohlvorstellungen.Fraenkelverbindetjedochprozedu-ralemitmaterialenAspektenundwendetsichdamitgegenKonzepte,dielediglichkorrekteVerfahrenkennenunddeshalbjedesErgebnisdespoli-tischenProzessesalsGemeinwohlanzuerkennenbereitsind.DiematerialeBindungwirddanndeutlich,wenndasGemeinwohlnichtals»sozialeRea-lität«,sondernals»regulativeIdee«verstandenwird.HinterdenmaterialenElementenstehtnachFraenkeleinesittlichverpf lichtendeWertordnung,dieaufeinemalsallgemeingültigpostuliertenWertkodexbasiert.Dieseistabersoabstrakt,dasssieausreichendRaumfürGestaltunglässt.DerdasGemeinwohl tragendeWertkodexgründet inderKonzeptionFraenkelsaufdemNaturrecht.AuchwenndasNaturrechtinderWissenschaftstrittigist,verweistdienaturrechtlicheFundierungdarauf,dassdasGemeinwohlbeiFraenkelnichtpartikularistisch,d.h.aufdieMaßstäbeundBedürfnis-seeinesjekonkretenGemeinwesensbezogenist,sonderndieBedingungeneineruniversalistischenLegitimationerfüllt(Buchstein,2002,S.231ff ).

InsoferntrifftdieKritikderAnfangder80erJahreausdenUSAundKanada kommenden kommunitaristischen Theorie die Gemeinwohl-konzeptiondesNeopluralismusnicht,wohl aber liberaleGesellschafts-theorien,denen sie,vor allem in ihrergrundrechtsbasiertenundproze-duralbeschränktenVariantedenVerlustanindividuellerundkollektiverGemeinwohlorientierungvorhält.SonachvollziehbardieKritikdesKom-munitarismusauchimEinzelnenseinmag,eineüberzeugendeneueAnt-wortbleibterweitgehendschuldig,unddieBestimmungdesGemeinwohlserfolgt höchst traditionell mit einer starken Tendenz zu apriorisch-substantialistischenDefinitionen(Schultze,1995,S.143).

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

7. Fachkonzepte Gemeinwohl

7.1 Freiheit

Essenz des Fachkonzepts

Freiheitbedeutetprinzipiell,dassderEinzelnekeinerFremdbestimmungunterliegt, Ziele und Mittel seiner Lebensführung mithin ungehindertwählenkann.DieFreiheitbestehtauszweiwesentlichenKomponenten,nämlichderHandlungsfreiheitundderBewegungsfreiheit.DerSinnderHandlungsfreiheitliegtinderEntfaltungderPersönlichkeit,d.h.inderMöglichkeit,sichnacheigenenVorstellungenzuverwirklichen.DerSinnderBewegungsfreiheitliegtinderMobilität,d.h.inderMöglichkeit,sichdortaufzuhalten,womanseinmöchte.

EsgibtdieFreiheitalsnatürlicheundalsgesetzlicheFreiheit.Dienatür-licheFreiheitkenntkeineRechtsnormen,diedenFreiheitsgebrauchlenken.IhreGrenzenwerdenalleinvondenKräftendesIndividuumsbestimmt.JestärkereinIndividuumist,destomehrkannesseineFreiheitauchgegenan-dereausleben.DiegesetzlicheFreiheitistdemgegenübereinegeregelteundgemeinverträglicheFreiheit.SieschränktdienatürlicheFreiheitein.DafürtauschtdasIndividuumeinMehranSicherheitein.EsisteinezentraleAufga-bedesStaates,dieFreiheitgesetzlichzuordnen(Böckenförde,1978,S.16f ).

DieFreiheitbef lügeltdenMenschen.Siesetztgeistige,künstlerische,sportliche,wirtschaftlicheundpolitischeAktivitätenfrei.Freiheitbedeu-tetaberauch,dassesdemEinzelnenüberlassenbleibt,oberaktivoderpas-sivistundwelcheAktivitätenergegebenenfallsergreift.Diesemsubjekti-venodernegativenFreiheitsverständnisstehteinobjektiveroderpositiverFreiheitsbegriffgegenüber.HiernachistderMenschnichtdeshalbfrei,umdamitzutun,wasihmbeliebt,sondernumseineBestimmungzuverwirk-lichenoderdasWohldesGemeinwesenszufördern.

DieFreiheitisteinzentralerGrundwertdesVerfassungsstaates.Siekon-kretisiert zumeinenmaßgeblichdieMenschenwürde.Sie legt zuman-derendieRechtsordnungaufeineprinzipielleVermutungzugunstenderFreiheitdesEinzelnen fest.StaatlicheEingriffe indenBereichderper-sönlichenFreiheitsinddaherrechtfertigungsbedürftig.DieFreiheitsrech-tefungierensomitinersterLiniealsAbwehrrechtedesEinzelnengegendenStaat.DieFreiheitsrechtebegründenimAnsatzaberauchsozialeAn-spruchsrechte.DennderEinzelnekanndieFreiheitnurdannleben,wenn

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II. Basis- und Fachkonzepte

erüberbestimmtematerielleBedingungenverfügt.WerdenganzenTaggegendenHungerkämpfenmuss,hatkeineMöglichkeitzurRealisierunggeistigerundkulturellerFreiheit.DerFreiheitsgebrauchverlangtalso,dassdemEinzelnendasExistenzminimumgesichertseinmuss.

EsgibteineSpannungzwischenderFreiheitundderGleichheit.KraftderVerschiedenheitnatürlicherAnlagen, Interessen,persönlicherEner-gieundsozialerVorgegebenheitenbringtderFreiheitsgebrauchnotwendi-gerweiseunterschiedlicheErgebnisseunddamit sozialeUngleichheitenhervor.SozialeUngleichheitenkönnensichzusozialerUnfreiheitfürdieSchwächerensteigern.DaherbedarfesstetigerKorrekturenderausderBe-tätigungderFreiheitimmerwiederneuentstehendensozialenUngleich-heit(Böckenförde,1976,S.341ff ).

Politikwissenschaftliche Vertiefung Schaubild 4: Vernetzung des Fachkonzepts Freiheit

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

DieFreiheitweisteinenunmittelbarenBezugzumBasiskonzeptGemein-wohlauf.DenndieFreiheitstellteinhohes,schützenswertesGutdesGe-meinwesensdar.SiebildeteinemaßgeblicheVoraussetzungfürdasguteLebenderineinemStaatvereinigtenMenschen.

DiemeistenderindenVerfassungenverankertenFreiheitsrechtedrü-ckenErfahrungenhistorischenvomStaatbegangenenUnrechtsaus.Die-seFreiheitenfungierendaheralsAbwehrrechtegegenstaatlicheEingriffe.IhrSinnbestehtdarin,demEinzelneneineindividuelleHandlungssphä-rezugarantieren,dieerrechtlichungehindertnacheigenemGutdünkengestaltenkann.AllerdingsbedeutetFreiheitnichtschrankenloseWillküroderEmanzipationvonjeglichermoralischenBindung.FreiheithatimmerihreGrenzeimRechtderMitmenschen.

DieGesellschaftsvertragstheorienderAufklärungszeitliefertendiephi-losophischeBegründungeinergesetzlichenFreiheitsordnung.Sieprokla-mierten,dassindieursprünglichnatürlicheFreiheitnurinFormdesGe-setzes und inhaltlich nur soweit eingegriffen werden dürfe, wie es einoffensichtlichvernünftigerZweckdesstaatlichenZusammenlebenserfor-dere.Mit dieserÜberzeugungbeeinf lussten sie dieVerfassungenEndedes18.Jahrhunderts,indenendieVerankerungdergesetzlichenFreiheitfolglicheinestarkeRollespielte.DerEinf lusswirktbisindieGegenwarthinein(Kersting,1994).

FehlkonzepteDieFreiheittauchtdurchgehendindenKerncurriculaauf.DabeiliegtindenCurriculafürdiePrimarstufederAkzentaufdieVermittlungderaufdieLebensweltbezogenenEinsicht,dassdieFreiheitdesEinzelnennichtgrenzenlosseinkann,weilesRücksichtaufanderezunehmengiltoderweilSachzwängedenFreiheitsgebraucheinschränken.InderSekundar-stufeItauchtdieFreiheitimZusammenhangmitProblemendesRechts-staatesunddesSozialstaatesauf.InderSekundarstufeIIwirddieFreiheitvoralleminihrerSpannungzuanderenGrundwertenwiederGleichheitundderGerechtigkeitsowieimKontextvonStaatstheorienthematisiert.

DieFreiheit istmitdemFehlkonzeptbelastet,dasssieerstdannvor-liege,wennsichderindividuelleWillevölligselbstbestimmtZielesetzenkönne.WirklicheFreiheitvertragekeineUnterwerfungunterGebote,dienichtdemeigenenWillenentsprängen.EinesolchermaßenabsolutistischverstandeneFreiheitistaberWillkür.SieistzudemnichtmitderFreiheitanderervereinbar.

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II. Basis- und Fachkonzepte

DasFreiheitsverständnisistweiterhinhäufigaufdienegativeFreiheitbe-schränkt.Übersehenwirddabei,dassderFreiheitsgebrauchZielsetzun-genverlangt.DieseZielsetzungenkönnenkonstruktiv,aberauchdestruk-tivsein.SelbstkonstruktiveZieledürfenjedochnichtvonStaatswegenvorgeschriebenwerden,dadiesdieindividuelleFreiheitimKernzerstö-renwürde.DieinhaltlicheBestimmungderFreiheitobliegtausschließlichderMoralitätdesEinzelnen.

Vernetzung des FachkonzeptsDasVerstehendesKonzeptssetztkeinWissenüberandereFachkonzeptevoraus.DieKonzeptentwicklungkannmitderErfassungdersubjektivenodernegativenFreiheitbeginnen.DasKonzeptistdurchdieEinsichtan-zureichern,dassderindividuelleFreiheitsgebrauchanGrenzenstößt,diesichzumeinenausdemgleichenFreiheitsanspruchderMitmenschener-gebenundzumanderenausunerwünschtenFolgenbestimmterZielset-zungenresultieren.

WichtigfürdieEntwicklungdesKonzeptsistdieUnterscheidungindienatürlicheunddiegesetzlicheFreiheit.WeiterhingehörtzumVerständnisdesKonzeptsdieEinsichtindieSpannungzwischenFreiheitundGleichheit.

BeispielthemenInderPrimarstufekönnensichdieLernendenGedankenüberdenUmgangmitdereigenenFreiheitmachen.ZumThema»Tunkönnen,wasmanwill«könnensieüberdieFolgengrenzenloserFreiheitnachdenken.ZumThema»GrenzenmeinerFreiheit«könnensiedarübernachdenken,dassdieFreiheitdesHandelnsvonäußerenZwängenwiemangelndeGeldmittel,Zeitknapp-heitundSchulpf lichtensowievondenErwartungenandererbegrenztist.

InderSekundarstufe IbietetdieAuseinandersetzungmitProblemendesRechts-unddesSozialstaatesGelegenheit,überdenStellenwertderFreiheitzuref lektieren.DenkbareThemensind:»InwiefernistdieFrei-heitsstrafealsAusdruckdesstaatlichenStrafanspruchsmitdemGrundwertFreiheitvereinbar?«»InwelchemAusmaßschränkensozialstaatlicheAbga-belastendenindividuellenFreiheitsspielraumein?«

InderSekundarstufeIIkönnenStaatstheoriendaraufhinbefragtwer-den,welchenStellenwertsiederFreiheitzumessen.EsbietensichliberaleundsozialistischeTheoretikeran.EinThemaausdemBereichderinter-

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

nationalenPolitikkönntedieFragenachdemZusammenhangvonUnab-hängigkeitnachaußenundFreiheitnachinnensein.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Freiheit zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Rechtsstaat,Demokratie

Entscheidung Legitimation

Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Gleichheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Freiheit

Schulstufen BegriffePrimarstufe Selbstbestimmung,Regeln

SekundarstufeI Wahlmöglichkeit,Handlungseinschränkungen

SekundarstufeII Willkür,Unabhängigkeit

7.2 Frieden

Essenz des FachkonzeptsUnterFriedenwirdklassischerweiseexnegationeeinvölkerrechtlichinten-dierterZustanddesNicht-KriegeszwischenStaatenverstanden(Howard,2001).BiszumZweitenWeltkriegwurdeFriedenmeistalseinRechtszu-standangesehen,derdeutlichvomRechtszustanddesKriegesabgegrenztwar.Seit1945lassensichjedochKriegundFriedenoftmalsnichtklarun-terscheiden.Die»neuenKriege«zeichnensichdurchdieAsymmetriederKonf liktparteien,dasAuftretensubstaatlicherKriegsakteureunddieKon-zentrationaufnichtmilitärischeZieleaus(Münkler,2005).DieneuenKriegelassen sichdeshalbnurbeschränktverrechtlichen(Meyers,2004)undderFriedenistsomit invielenRegionenvonfragilerStabilität.DasPolitischekannalsderBereichderBestrebungenbegriffenwerden,Friedenherzustel-len,Friedenzubewahren,zugewährleisten,zuschützenundzuverteidigen–»DerGegenstandunddasZielderPolitikistderFriede.«(Sternberger,1961).

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II. Basis- und Fachkonzepte

Politikwissenschaftliche VertiefungFriedenstellteinenzentralenpolitischenWertdar,welchemzugleichderRangeinerStaatszielbestimmungzukommtunddervordiesemHinter-grundfürdasBasiskonzeptGemeinwohlkonstitutiv ist. ImDiskursderFriedensforschunghatte sichdieDifferenzierungzweierFriedensbegrif-fe – des negativen Friedens als Abwesenheit organisierter militärischerGewaltanwendungunddespositivenFriedens alsAbwesenheit struktu-rellerGewalt–überJahrzehntealsprägenderwiesen.DabeikonntensichdieWissenschaftlerzumindestaufdennegativenFriedenalsGrundvoraus-setzungdesWelt-undGattungs-ÜberlebensimKonsensverfahreneini-gen(Müller,2003).DagegenistdasVerständnisdespositivenFriedensab-hängigvondenjeweiligenAuffassungenbezüglichgesellschaftspolitischerZielvorstellungenüberanzustrebendebzw.zuerhaltendesoziale,ökono-mische,politischesowieökologischeOrdnungenundsomitvondenje-weiligenZweckbestimmungendesGemeinwohls.EntsprechendwirdmitdempositivenFriedensbegriffdasFehlenvonAusbeutung,wirtschaftli-cheundsozialeEntwicklung,Pluralismus,GerechtigkeitundFreiheit,dieVerwirklichungvonMenschenrechtenunddiejedemIndividuumeinzu-räumendeMöglichkeit,sichgemäßseinenAnlagenundFähigkeitenselbstzuentfalten,verbunden( Jahn,2001).

FriedenwirdinderFriedensforschungwenigeralsidealerZustand,son-dernalshistorischerProzessbegriffen.DessenZielbleibtdieEliminierungdesKrieges–alsAustragungsmodusinner-undzwischenstaatlicherKon-f likte–aufgegeben(Brock,1990).MithinsolldieAustragungsweisevonKonf liktendurchzunehmendeVerrechtlichungder zwischenstaatlichenund-gesellschaftlichenBeziehungenzivilisiertwerden.IndiesemKontextkann sichdeshalbauchdasProblemderhumanitären Intervention stel-len,wennetwavoneinemStaatoderanderenAkteurenMenschenrechts-verletzungenvorgenommenwerden.FürdenZusammenhangzwischenderdemokratischenRegierungsformundderBewahrungdesFriedens–demokratischerFrieden–kamdieForschungzueinemDoppelbefund:ZwarführenDemokratienuntereinander(fast)keineKriege.DochsindDemokratienebensohäufigwieandereHerrschaftstypeninKriegever-wickelt,siesindalsonichtinhärentfriedlicher(Geis,2001).AngesichtsderneuenBedeutungder»kleinenKriege«(Daase,1999)undderdamitein-hergehendenVerletzungderMenschenrechtegehörtzurheutigenWah-rungbzw.WiederherstellungvonFriedenauchdieMöglichkeitderhu-manitärenIntervention.

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

FehlkonzepteImUnterrichtwirddasIdealdespositivenFriedenshäufigüberbewertetundalsalleingültigerMaßstabbetrachtet.InvielenRegionenderWeltistjedochbereitsdieErreichungeinesZustandes,inwelchemdieZivilbe-völkerunginSicherheitlebenkannundvoräußererGewaltdurchstaat-licheEinrichtungengeschütztwird,ein sehrambitioniertesundgleich-wohlerstrebenswertesZiel.DarüberhinausbestehteinFehlkonzept inderVorstellungderÜbertragbarkeitdeszwischenmenschlichenfriedlichenZusammenlebensaufdieEbeneder internationalenPolitik,woFriedendurchpolitischeMaßnahmenaufderGrundlageeinerVerrechtlichungderBeziehungenzuerreichenist.

Vernetzung des FachkonzeptsWährend der negativ bestimmte Friedensbegriff als Abwesenheit vonKriegunumstrittenist,bleibtderpositivbestimmteFriedensbegriffhöchstvariabelinterpretierbarimHinblickaufdieRealisierungvonsozialerGe-rechtigkeitoderGleichheit.LetztgenanntezeigendieVerbindungzudenFachkonzeptenGrundrechte,Gerechtigkeit,Macht,Konf liktundMen-schenwürdeauf.FriedenalsProzesskonstitutiertsichausnationalemundinternationalemRechtundistimGrundgesetz,denVerträgenderEuro-päischenUnionsowieinderChartaderVereintenNationengrundgelegt.VordiesemHintergrundistFriedenmitdenFachkonzeptenGrundrechte,europäischeAkteure,Sicherheit,FreiheitundinternationaleBeziehungenaufsEngsteverknüpft.

BeispielthemenAufderPrimarstufekanndurchdieThematisierungdesPhänomensderKindersoldatenbeiinner-wiezwischenstaatlichenKonf likteninderso-genanntenDrittenWelteinersterZugangzumFachkonzepteröffnetwer-den.

AufderSekundarstufeIkönnenalsThemenetwadieSituationindenMitgliedstaatenderEuropäischenUnion(fürdieVerwirklichungdespo-sitivenFriedens),inSüdafrika(fürdieVerwirklichungdesnegativenFrie-dens)undinSomalia(alsExempelfürdiemangelndeVerwirklichungvonFrieden)behandeltwerden.

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II. Basis- und Fachkonzepte

InderSekundarstufeIIkannalsThemadiehumanitäreInterventionderNATOzugunstenderKosovo-Albaner imFrühjahr1999ohneMandatderVereintenNationenbehandeltwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Frieden zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,internationaleBeziehungen

Entscheidung EuropäischeAkteure,Macht,Konf likt

Gemeinwohl Gerechtigkeit,Menschenwürde,Sicherheit,Freiheit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Frieden

Schulstufen BegriffePrimarstufe Krieg,Waffenstillstand

SekundarstufeINegativerFrieden,positiverFrieden,ChartaderVereintenNationen,Weltsicherheitsrat

SekundarstufeII DemokratischerFrieden,humanitäreIntervention,Völkerrecht

7.3 Gerechtigkeit

Essenz des FachkonzeptsGerechtigkeit ist zumeineneineTugendunddamiteineandenMen-schengerichtetemoralischeVerhaltensforderunggegenüberanderen(per-sonaleGerechtigkeit).SieistzumandereneinnormativerMaßstabfürdieGestaltungderBeziehungenzwischendenMenschen (strukturelleGe-rechtigkeit)(Höffe,1987,S.58ff ).DieallgemeinsteFormderpersonalenGerechtigkeitlautet,jedemdasSeineoderdasihmZustehendezugeben(»Suum cuique tribuere«).DieseschoninderAntikegebrauchteFormelistzwarsehrunbestimmt,siedrücktaberaus,dassdieGerechtigkeitgeschul-detist.Diesimpliziert,dassdemanderenetwaszusteht,eralsoAnsprüchehat.DasMindeste,dasjedemzusteht,istseineQualitätalsRechtssubjekt.WeitereAnsprüchesindAnerkennungundFairness(Pieper,1964,S.68ff ).

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

DiestrukturelleGerechtigkeitbezeichnetganzallgemeineineSituation,inderkonkurrierendeInteressenundAnsprüchevonMenschenineinemausgeglichenenunddaherakzeptiertenVerhältniszueinanderstehen.Un-tergerechtenVerhältnissenkönnendieMenschenihreAnlagenentfalten.Was als ausgeglichenesVerhältnis gilt, hängt vonden jeweiligenSach-verhalten ab.EsgibtdaherverschiedeneAusformungender strukturel-lenGerechtigkeit,sodiesoziale,diepolitischeunddieinternationaleGe-rechtigkeit.GegenstanddersozialenGerechtigkeitistdieVerteilungvonWohltaten und Lasten zwischen verschieden leistungsfähigen und be-dürftigenGruppen inderGesellschaft.EsgehtmithinumVerteilungs-gerechtigkeit.DreiPositionen stehen sichhier imWesentlichengegen-über,nämlichdieLeistungsgerechtigkeit,dieBedarfsgerechtigkeitunddieChancengerechtigkeit.

DieLeistungsgerechtigkeitverteilt sozialeChancenwieEinkommen,VermögenundsozialePositionengemäßderHöhedervondenEinzelnenerbrachtenLeistungen.DieBedarfsgerechtigkeit teilt jedemnachseinenBedürfnissenzu.Unbeachtlichist,wasderEinzelnezurVerteilungsmassebeigetragenhatoderbeiträgt.DieChancengerechtigkeitwilldenIndivi-duendiegleichenStartchancenfürihreEntwicklungeinräumen.Siever-langt,dassalleunverschuldetenNachteilevonPersonensoweitwiemög-lichegalisiert, also ausgeglichenwerden.Sie ist eineModifizierungderLeistungsgerechtigkeit(Kersting,2000,S.32).

DiepolitischeGerechtigkeitbeziehtsichaufdierechtsstaatlicheVerfas-sungdesGemeinwesens.PolitischeGerechtigkeitistgegeben,wennjederdiegleichenRechteundPf lichtenhat.EshandeltsichhierzwarnurumeineformaleGerechtigkeit,dieaberimmerhinrechtlichePrivilegierun-genundDiskriminierungenausschließt.

Politikwissenschaftliche Vertiefung

DieGerechtigkeitbildetdeninnerstenKerndesGemeinwohls.EsgibtdahereinenengenBezugderGerechtigkeitzumBasiskonzeptGemein-wohl.DieGerechtigkeitweisteinenatürlicheNähezumGleichheitsprin-zipauf.DiezurpolitischenGerechtigkeitgehörendeVerfahrensgerechtig-keitforderteineGleichbehandlungderMenschen,wasUnparteilichkeitvoraussetztundWillkürausschließt.DiedasgegenseitigeVerhältnisderIndividuenbestimmendeTauschgerechtigkeitverlangteinestrenge(arith-metische) Gleichheit im Sinne einer Gleichwertigkeit von Geben undNehmen.DiezursozialenGerechtigkeitzählendeVerteilungsgerechtig-

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II. Basis- und Fachkonzepte

keitzieltdemgegenüberaufproportionale(geometrische)Gleichheit.SieweistjedemseinenentwederandereingebrachtenLeistungoderanderBedürftigkeitgewogenenAnteilandenzuverteilendenGüternundLas-tenzu.Politisch strittig ist,obeinealsgerechtempfundeneGleichheiteine»equality of opportunity«(Liberalismus)odereine»equality of result«(So-zialismus)seinsoll.

LangeZeitschlugderGerechtigkeiteinSkeptizismusentgegen.SofälltfürdenRechtspositivismusdieGerechtigkeitalsüberpositivesPrinzipausjedemwissenschaftlichenRechtsdiskursheraus.GemäßderSystemtheo-rieNiklasLuhmannshatdieGerechtigkeitalseinefunktionsunspezifischeNormativitätindervonanderenNormenbestimmtenPolitikkeinenle-gitimenPlatz(Höffe,1995,S.151).EinekräftigeGegenbewegunggegendiegerechtigkeitstheoretischeSkepsis löstedagegenJohnRawlsmitsei-nemWerk»ATheoryofJustice«(1971)aus.NachRawlswürdendieMen-schensichwiefolgtentscheiden:SiewürdendieFreiheitenstrengegalitärverteilen.BeidensozialenundwirtschaftlichenGüternwürdensiehin-gegenUngleichheitenakzeptieren,wenn sichdarausVorteile für jeder-mannergeben, insbesondere fürdieschwächstenMitgliederderGesell-schaft(Rawls,1975).

FehlkonzepteDieGerechtigkeittauchtindenKerncurriculaderpolitischenBildungnuramRandeauf.DasKonzeptspieltdagegenimReligions-undEthikunter-richteineprominenteRolle.Esistdortallerdingsweitgehendaufdieper-sonaleGerechtigkeitbeschränkt.DieGerechtigkeit ist einKonzeptmiteinergroßenFüllevonGesichtspunkten.DiepersonaleGerechtigkeit,derToposdergerechtenStrafeundderBegriffdesgerechtenKriegesweisenkaumBerührungspunktemitdersozialenGerechtigkeitundfolglichmitderVerteilungsgerechtigkeitauf.InGesprächenüberdieGerechtigkeitistalsoeineKlärungdeszubewertendenSachverhaltesunbedingterforder-lich,damitesnichtzuBegriffsverwirrungenkommt.

Zu einem Fehlkonzept mit indoktrinierender Wirkung kommt es,wenndiesozialeGerechtigkeitohnebegriff licheAuseinandersetzungein-fachmiteinerPosition,beispielsweisederBedarfsgerechtigkeit,identifi-ziertwird.DiesozialeGerechtigkeitverlangtzwingendeinebegriff licheEntfaltung.

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

Vernetzung des FachkonzeptsDasKonzeptverlangtkeinWissenüberandereKonzepte.DieKonzept-entwicklungkannmitderpersonalenGerechtigkeiteinsetzen.ImZent-rumderKonzeptentwicklung sollte jedochdieVerteilungsgerechtigkeitstehen,dasieimMittelpunktpolitischerAuseinandersetzungensteht.

BeispielthemenDiepersonaleGerechtigkeitkann inderPrimarstufemittels anschauli-cherGeschichtenthematisiertwerden.EingeeignetesBeispielhierfüristdieGeschichteüberdassalomonischeUrteil.EskönnenaberauchschonFragen zu Grundsätzen der Verteilungsgerechtigkeit erörtert werden(Tiedemann,2007,S.330f ): »Wie sollen ineinem fiktivenLandArbeitundGeldverteiltwerden?«ThematisiertwerdenkannschließlichdieLeis-tungsgerechtigkeitamBeispielderNotengebung.

InderSekundarstufeIkönnenaktuellesozialpolitischeStreitfragenher-angezogenwerden,umdarandievondenpolitischenAkteurenzugrundegelegtenGerechtigkeitskriterienherauszuarbeiten.GeeigneteGegenstän-desinddasArbeitslosengeld,dieprivateunddiegesetzlicheKrankenver-sicherungsowiedieStudiengebühren.

InderSekundarstufeIIkönnendieGerechtigkeitsgrundsätzevonJohnRawls thematisiertwerden.WeiterhinkönnenverschiedeneGerechtig-keitskonzeptionen einander gegenübergestellt werden: Gleichheitsmeh-rendeGerechtigkeitskonzeptionenwiedieBedarfsgerechtigkeitunddieGleichheitdermaterialenFreiheit,diezustarkenUmverteilungenführen,könnenmitliberalenKonzeptionenkontrastiertwerden,dieaufdieHilfezurSelbsthilfesetzenundEigenverantwortungfördern.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Gerechtigkeit zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Rechtsstaat,Sozialstaat,Demokratie

Entscheidung Legitimation,Öffentlichkeit

GemeinwohlMenschenwürde,Nachhaltigkeit,öffentlicheGüter,Freiheit,Gleichheit

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II. Basis- und Fachkonzepte

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Gerechtigkeit

Schulstufen BegriffePrimarstufe Tausch,Leistung

SekundarstufeI Bedürftigkeit,Benachteiligung,Fairness

SekundarstufeIIÄquivalenzprinzip,Solidaritätsprinzip,Liberalismus,Sozialismus

7.4 Gleichheit

Essenz des FachkonzeptsGleichheitbedeutetGleichheitanRechtenundPf lichten.DasGeboteinerstrengenBeachtungdesGleichheitsprinzips liegtaufdenfolgendenAn-wendungsfeldernvor:DieGesetzewerdengleich,d.h.ohneAnsehenderPerson,angewendet.AllegenießendengleichenRechtsschutz.JederhathiernachdiegleicheChance,dasGerichtanzurufen.WeiterhinhatjederdengleichenAnspruchaufdengesetzlichenRichter.SchließlichsindalleErwachsenengleichinderpolitischenTeilhabeinFormallgemeinerWah-lenundAbstimmungen.

DieGleichheitergänztdieFreiheitindemSinne,dassdieFreiheitallenzukommt:JedersolldasgleicheRechtunddiegleichenMöglichkeitenzurindividuellenSelbstbestimmunghaben.DerGegenbegriffzurGleichheitistdahernichtdieFreiheit,sonderndasPrivileg.PrivilegiensindVorrech-tebestimmterGruppen.DieseVorrechtegehenmitmangelndenRechtenoderFreiheitenfürandereeinher,wieSklaverei,Leibeigenschaft,ökono-mischeAusbeutung,aberauchAusschlussvonpolitischerBeteiligung.DieHerstellungvonGleichheitmeintdieÜberwindungvonungerechtfertig-tenUngleichheitenmitdemZielderFreiheitfürjedermann.

DasGleichheitsprinzip verbietet die rechtlicheDiskriminierung auf-grundbestimmterMerkmale.ImGrundgesetzsindesdieMerkmaleGe-schlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Herkunft und Glauben. DieseMerkmalehängeneng amMenschseinundweisendamitBerührungs-punktemitderMenschenwürdeauf.

AbgesehenvomDiskriminierungsverbotverlangtdasGleichheitsprinzipjedochnicht,dassalleinjederHinsichtaufgenaudiegleicheWeisezube-

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

handelnsind.DenndieMenschensindindersozialenWirklichkeitinvie-lenBeziehungenungleich.SogibtesUnterschiededesEinkommens,derberuf lichenSituationunddesGesundheitszustandes.Daherwirdwesent-lichGleichesgleich,wesentlichUngleichesdagegenungleichbehandelt.Das bedeutet:Gleiche Sachverhalte dürfennicht ungleich geregeltwer-den.AufderanderenSeiteisteineUngleichbehandlunggeboten,wennbeiVorliegenvonerheblichenUnterschiedenvernünftigeGründefüreineun-terschiedlicheBehandlungsprechen.EinmaßgeblichesKriteriumfüreineUngleichbehandlungistdieGerechtigkeit.Sowirdesalsgerechtempfun-den,wennEinkommensstarkeeineprozentualhöhereSteuerlastzutragenhabenalsEinkommensschwache(Kirchhof,1992,S.846).

VonderGleichheitsideegehteinegroßeFaszinationskraftaus.DieIdeekannsichmitderForderungnacheinergleichenVerteilungvonEigen-tumundBesitzauchaufdiewirtschaftlicheOrdnungerstrecken.DasZielistdanndieökonomischeGleichheit.EineabgeschwächteFormderForde-rungnachmehrökonomischerGleichheitistdieChancengleichheit.

ÖkonomischeGleichheitstehtinKonf liktmitdemPrinzipderFreiheit.PolitischeOrdnungen,diedieGleichheitbishinzurErgebnisgleichheitinderökonomischenGütererlangungundGüterverteilungvorantreiben,vernichtennämlichdieindividuelleFreiheit.DamitzerstörensieInitiati-ve,RisikoundVerantwortungsbereitschaft.

Politikwissenschaftliche Vertiefung

DieGleichheitweisteinenengenBezugzumBasiskonzeptGemeinwohlauf.Siestellteinhohes,schützenswertesGutdesGemeinwesensdar.DasGemeinwohleinesdemokratischenVerfassungsstaatesverträgtkeinedis-kriminierendeBehandlungderMenschen.

DieGesellschaftsvertragstheoriendes17.und18.JahrhundertsverliehendemGleichheitsgedankenpolitischeRelevanz.DieseTheoriengingenvondernatürlichenFreiheitundGleichheitderMenschenaus:ImNaturzu-standgibtesfolglichkeineÜber-undUnterordnungenzwischenihnen.AlsGleichegebensiedemzurStaatsgründungführendenGesellschaftsver-tragdaherauchnurihreZustimmung,wenndieserdieGleichheitwahrt.Im Vertrag wird der Staatsgewalt mithin die Aufgabe zugewiesen, dieGleichheitallerMenschenzuwahrenoderdieGleichheitinÜberwindungvorgefundenerVerschiedenheitenherzustellen(Kersting,1994).

InderpolitischenPhilosophiedes20.Jahrhundertsregteinsbesonde-re JohnRawlsdenDiskursumeinegerechtigkeitstheoretischeBegrün-

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II. Basis- und Fachkonzepte

dungderGleichheit an.ErkonstruierteeinenSozialkontraktunterdenBedingungenvollkommenerFreiheitundGleichheit,umeineimgleichenInteresse allergelegeneÜbereinkunft zugewährleisten.Hiernachwür-densichdieMenschenaufFolgendeseinigen:»AllesozialenWerte–Frei-heit,Chancen,Einkommen,VermögenunddiesozialenGrundlagenderSelbstachtung–sindgleichmäßigzuverteilen,soweitnichteineunglei-cheVerteilungjedermannzumVorteilgereicht.«WährenddieMenschendieFreiheitenstrengegalitärverteilenwürden,würdensiebeidensozi-alenundwirtschaftlichenGüternUngleichheitenakzeptieren,wennsichdarausVorteilefürjedermannergeben,insbesonderefürdieschwächstenMitgliederderGesellschaft(Rawls,1975).

FehlkonzepteDie Gleichheit taucht als Unterrichtsgegenstand in den KerncurriculaderPrimarstufekaumauf.InderSekundarstufeIkommtdierechtlicheGleichheitimZusammenhangmitdemRechtsstaatundinderSekundar-stufe II inderAuseinandersetzungmitStaatstheorienzurGeltung.DiesozialeGleichheitwirdindenSekundarstufenvorallemimsoziologischausgerichtetenLernfeld »Gesellschaftsstrukturund sozialeUngleichheit«thematisiert.DabeiwirddiesozialeUngleichheitfastimmeralskritikwür-digesMomentgezeichnet.

DieGleichheitistmiteinemweitverbreitetenFehlkonzeptbelastet.VonderrechtlichenGleichheitwirdnämlichangenommen,dasssiemitöko-nomischerodersozialerGleichheitzusammenfällt.DiesistabernichtdieIntentionderrechtlichenGleichheit.

WeiterhingenügtindenAugenvielerdierechtlicheGleichheitnicht.SiehaltenGleichheit erstdann fürwirklichgegeben,wenndie sozialeGleichheithergestelltist.VorgeschriebenesozialeGleichheitkannjedochzuwirtschaftlicherStagnationoderImmobilitätführen.SiestehtzudeminüberausstarkerSpannungzumPrinzipindividuellerHandlungsfreiheit.

Vernetzung des FachkonzeptsDasVerstehendesKonzeptssetztkeinWissenüberandereFachkonzep-tevoraus.DieKonzeptentwicklungkannmiteinerKonfrontationdessenbeginnen,worinMenschensichunterscheidenundworinsiegleichsind.AufdieserBasiskanndasTeilkonzeptrechtlicheGleichheiterarbeitetwer-

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

den.EssetzteineAbstrahierungvondenfaktischenUngleichheitenzwi-schendenMenschenvoraus.

Anspruchsvoller istdieEntwicklungdesTeilkonzepts sozialeGleich-heit,dahiereinVerständnisderSpannungzurFreiheitsowiedernegati-venökonomischenFolgenverordnetersozialerGleichheiterforderlichist.

BeispielthemenInderPrimarstufe können sichdieLernendenGedankendarüberma-chen,wasbeiihnenungleichundgleichist:»Wirsindverschieden,aberallegleich«.SiekönnenweiterhinnachrechtlichenGemeinsamkeitenundUnterschiedenzwischenihnenunddenErwachsenenfragen.Möglichistauchzuuntersuchen,aufwelcheWeisederGleichheitssatzinausgesuch-tenArtikelnderKinderrechtskonventionderVereintenNationenNieder-schlaggefundenhat.

InderSekundarstufeIbietetdieAuseinandersetzungmitProblemendesRechts-unddesSozialstaatesGelegenheit,dasVerhältnisvonGleichheitundFreiheitzuref lektieren.Thematisiertwerdenkönnenauchdierechtli-chenDifferenzierungendesJugendschutzgesetzes.EinandereswichtigesThemaistdieFragenachdenUrsachendersozialenUngleichheit.

InderSekundarstufeIIkönnenStaatstheoriendaraufhinbefragtwer-den,welchenStellenwertsiederGleichheitzumessenundwiesiedasVer-hältniszurFreiheitbestimmen.GeeignetsindinsbesondereSchriftenderFrühsozialistensowieliberalerTheoretiker.EinThemaausdemBereichder InternationalenPolitikkönntederGrundsatzdervölkerrechtlichenGleichheitderStaatensein.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Gleichheit zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Grundrechte,Rechtsstaat,Demokratie

Entscheidung Legitimation

Gemeinwohl Menschenwürde,Gerechtigkeit,Freiheit

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II. Basis- und Fachkonzepte

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Gleichheit

Schulstufen BegriffePrimarstufe Gleichberechtigung,Diskriminierungsverbot

SekundarstufeI Chancengerechtigkeit,Privileg

SekundarstufeII Inklusion,Exklusion

7.5 Menschenwürde

Essenz des Fachkonzepts»DieWürdedesMenschen istunantastbar.Siezuachtenundzu schüt-zenistVerpf lichtungallerstaatlichenGewalt«(Art.1,Abs.1,GG).DieMenschenwürdegehörtnebenFreiheit,GleichheitundGerechtigkeitzudenGrundwerten.IhrkommtinderDemokratieeinebesondereBedeu-tungimSinneeinerFundamentalnormzu,wieihreStellunggleichimers-tenSatzdesGrundgesetzesverdeutlicht.InderKommentierungwirdnä-herausgeführt:SiebeziehesichaufAchtungundSchutzderkörperlichenIntegrität,SicherungmenschengerechterLebensgrundlagen,Gewährleis-tungelementarerRechtsgleichheitundWahrungderpersonalenIdentität(Höf ling,2003).DochwasgenaudieWürdedesMenschenist,wirdnichtdefiniert.DieuniversalistischenBegründungenfürdieWürdedesMen-schenunterscheidensichimHinblickaufihreBezugspunkte:siekommejedemMenschenalsMitgliedderGattungMenschzu,sieseiaufgrundderNaturdesMenschengegeben(Naturrecht)oderaufgrundseinesWesens(Bloch,1961).InderTheologiewirdsiemitdem»EbenbildGottes«be-gründetundseitderAufklärunggibtesdieBegründungmitdemMen-schenals freies,VernunftgeleitetesWesen(Pollmann,2004).StetswirddieWürdedesMenschenmitseinerherausgehobenenStellungbegründet.

Politikwissenschaftliche VertiefungWestlicheKulturensehen inderMenschenwürdedasFundament fürdieMenschenrechte,diewiederumpolitisch-rechtlichabzusichern sind. »DasDeutscheVolkbekennt sichdarumzuunverletzlichenundunveräußerli-

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

chenMenschenrechtenalsGrundlagejedermenschlichenGemeinschaft,desFriedensundderGerechtigkeitinderWelt«(Art1,Abs.2,GG).DieIdeederMenschenrechteverbindetdasFachkonzeptMenschenwürdemitdemBasiskonzeptGemeinwohl: »SiebetrachtetdenMenschen als ein inGe-meinschaftenlebendes,schutz-undanerkennungsbedürftigesWesen,des-senelementareLebensbedingungensowohlaufnationalerwieauchaufin-ternationalerEbeneunterSchutzgestelltwerdenmüssen«(Pollmann,2004,S.267).JuristischgibtesinDeutschlandseit1956diesogenannte»Objekt-formel«vonDürig,mitderArt.1GGausgelegtwird:»DieMenschenwürdeistgetroffen,wennderkonkreteMenschzumObjekt,zueinembloßenMit-tel,zurvertretbarenGrößeherabgewürdigtwird«(1956,S.117).

Schon die Antike kannte Würde, die mit der herausgehobenen Stel-lungeinerbesonderenPersönlichkeitverknüpftwar (dignitas).Pufendorf(1672)formuliertalsersterdieWürdealsjuristischenBegriff,d.h.alsMen-schenrecht.ZumphilosophischenKonzeptwirdMenschenwürde erst inderZeitderAufklärung,insbesonderedurchKant(1785).Aufdenjuristi-schenBegriffbeziehensichLockesMenschenrechte.Sief losseneinindieUnabhängigkeitserklärungderVereinigtenStaaten(1776).Den»gewissen,unveräußerlichenRechten«wiedemauf»Leben,FreiheitunddemStrebennachGlück«isteinBegriffvonMenschenwürdeunterstellt.GleichesgiltfürdieFranzösischeErklärungderMenschen-undBürgerrechte (1789).Ex-plizitgenanntwirddieMenschenwürdealsBegriffzumerstenMalinderAllgemeinenErklärungderMenschenrechte(UN-Menschenrechtscharta),derGrundlagedeshumanitärenVölkerrechts:»AlleMenschensindfreiundgleichanWürdeundRechtengeboren«(Art.1,UN-Doc.217/A-(III)).Siewurdeam10. Dezember1948vonderGeneralversammlungderVereintenNationengenehmigtundverkündet,demheutigenTagderMenschenrech-te.DieErklärungwareineReaktionaufdiedeutschenVerbrecheninderZeitdesNationalsozialismus.48Staatenstimmtenfürsie,8enthieltensich;zuletzterenzählendieStaatendesOstblocks,SüdafrikaundSaudi-Arabi-en,denenjeweilsbestimmteFreiheitennichtpassten.»DieMenschenrech-tegeltenuniversell,d.h.füralle,egalitär,d.h.fürallegleichermaßen,undschließlichkategorisch,d.h.füralleunbedingt«(Pollmann,2004,S.266).NochimmerhabennichtalleStaatenderStaatengemeinschaftdieentspre-chendenPakteunterzeichnetundratifiziert.DerBegriffderWürdewirdmittlerweileindenVerfassungenvon15 europäischenStaatengenannt.

In der westlichen Welt ist heute weniger die Anerkennung der UN-Chartakonf liktträchtigalsvielmehrihreUmsetzung.ZwarwerdenauchdieKonventionenderUNzumSchutzderMenschenrechteanerkannt,u.a.zudenRechtendesKindes,zurBeseitigungvonRassendiskriminierungoder

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II. Basis- und Fachkonzepte

zudenpolitischenRechtenderFrau.Aberschwierigwirdes,wennkonkre-teFolgerungenoderGesetzeabzuleitensind.Sogibtesz.B.keinenKonsens,abwanneinerbefruchtetenEizellediemenschlicheWürdezusteht.

FehlkonzepteInvielenUnterrichtsmaterialienfehltderBezugzwischenMenschenwürde,MenschenrechtenunddenpolitischenBemühungenundSchwierigkeitenihrerUmsetzunginpositivesRecht.DamitwirddieKomplexitätdesFach-konzeptsnichterfasst.Wedervermeintlich schlechteBehandlungen (z.B.beiderNotengebung,amArbeitsplatz)nochdieZurückweisungbestimm-terLebensformenkönnenmitdemHinweisaufMenschenwürdekritisiertwerden,dasichdieWürdeaufmenschlicheGrundbedürfnisserichtetundkeine»Wunschliste«fürangenehmeBedingungendesLebensbegründet.

Vernetzung des FachkonzeptsAlsGrundnormeignetsichdieMenschenwürdezurVertiefungjedesFach-konzeptes,dasdemBasiskonzeptGemeinwohlzugeordnetwerdenkann.Sobegründenbeispielsweise der SelbstzweckundEigenwert desMen-schenseineFreiheit.SiestellteinennormativenBezugspunktfürProzessederUrteilsbildunginvielenPolitikfelderndar.DesWeiterenistdieMen-schenwürdesowohlimZusammenhangmitdenGrundrechtenunddemRechtsstaatzu thematisieren,die sie schützen,alsauchmitder interna-tionalenOrdnung,diederIdeeeinerWeltfriedensordnungfolgt.DerBe-griffderMenschenwürdeindenVerfassungensolldaraufverweisen,dassderStaatunddie internationaleOrdnungfürdenMenschengeschaffenwurden.DieWürdekannzudemalsSelbstachtung formuliertund ihreVerletzbarkeitaufsozialeSicherung,alsoaufdenSozialstaatsowieaufdenRechtsstaat(AblehnungvonFolter)bezogenwerden.

Beispielthemen

InderPrimarstufekanndieMenschenwürdeimZusammenhangmitdenLebenslagenvonKindern,d.h.ausihrerPerspektive(Kinderrechte)auf-gegriffenwerden.InderSekIbietetessichan,diehistorischeEntwick-lungderMenschenrechteunddamitderBedeutungswandeldesKonzeptes

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

Menschenwürdenachzuzeichnen.BeispielefindensichinsbesondereindenPolitikfeldernzurinnerenundäußerenSicherheit(Gewalt,Folter)oderzurBiopolitik.DürfenMenschenwie(würdelose)Objektebehandeltwerden,wennesumAbtreibung,SterbehilfeoderSchutzvorTerrorismusgeht?DieSchwierigkeitenbeiderUmsetzunginpositivesRechtkönneninderSekIIthematisiertwerden:IstdieMenschenwürdederVerfassungsnormvorangestelltoderkannsiealsabgestuftesKonzeptverstandenwerden,z.B.beiderembryonalenEntwicklung?Zudemkönnenhierfächerübergreifendtheologische,medizinische,juristische,psychologischeoderphilosophischePositionenzurMenschenwürdemiteinanderverglichenwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Menschenwürde zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte Fachkonzepte

OrdnungGrundrechte,Rechtsstaat,Sozialstaat,internationaleBeziehungen

Gemeinwohl Frieden,Sicherheit,Gerechtigkeit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Menschenwürde

Schulstufen BegriffePrimarstufe Schutz(Menschenwürde),Anerkennung,Selbstachtung

SekundarstufeIHumanität,Grundwerte,Menschenrechte,Menschlichkeit,Toleranz,Folter

SekundarstufeII Fundamentalnorm,Naturrecht

7.6 Nachhaltigkeit

Essenz des FachkonzeptsNachhaltigkeit lässt sich als das Bestreben verstehen »neben der interna-tionalenGerechtigkeitfürheutigeundkünftigeGenerationenhoheökologi-sche,ökonomischeundsozial-kulturelleStandardsindenGrenzenderTrag-

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II. Basis- und Fachkonzepte

fähigkeitdesUmweltraumes«(Rogall,2003)zuerreichen.»Nachhaltigkeit«oder»nachhaltigeEntwicklung«(Sustainable development)istmittlerweilezueinemdominierendenLeitbildindernationalenundderinternationalenPo-litikgeworden.ZwarkanndasKonzeptaufeinefast300jährigeGeschichtezurückblicken,seineKarrierealsLeitbildderinternationalenPolitikbegannjedocherstinden1970erJahrenimZusammenhangmitderverstärktwahr-genommenenUmweltproblematikderindustrialisiertenGesellschaftenundderextremenArmutdersogenanntenEntwicklungsländer(Wehling,2008).NachdemBerichtdesClub of Romevon1972über»GrenzendesWachs-tums«verhalfvorallemder1987veröffentlichteBerichtderUN-Kommis-sionfürUmweltundEntwicklung(Brundlandt-Kommission)demKonzeptderNachhaltigkeitundderIdeedernachhaltigenEntwicklungaufderin-ternationalenpolitischenundwissenschaftlichenEbenezumDurchbruch.Dieser»Brundtland-Bericht«bildetedieGrundlagefürdieUN-Konferenz»UmweltundEntwicklung«von1992(»Rio-Konferenz«).Dorteinigtensich178StaatenaufeingemeinsamesLeitbildderMenschheitfürdas21.Jahr-hundert–dienachhaltigeEntwicklung.DokumentiertwirddiesesLeitbildinder »Agenda21«. Inden letzten Jahren habenzahlreicheKonferenzenstattgefunden,sindStrategiepapiereentwickeltundBeschlüssegefasstwor-den,indeneninternational,aufdereuropäischenEbenesowieaufdenver-schiedenenPolitikebeneninDeutschlanddienachhaltigeEntwicklungzumGrundsatzundzurLeitliniepolitischenHandelnserklärtwurde.InDeutsch-landwurdedasPrinzipNachhaltigkeit1994alsStaatszielverankert.

Politikwissenschaftliche VertiefungNachhaltigkeitgehörtzumBasiskonzeptGemeinwohl.DerNachhaltig-keitsbegriffenthälteinkosmopolitischesGemeinwohlkonzept.DenndieGrenzenlosigkeitökologischerBezügeunddiehierdurchgegebenewech-selseitigeAbhängigkeitallerMenschenundOrtevoneinanderbegründenfaktisch einen gemeinsamen sozialenKontext von globalerDimension.EinkosmopolitischesGemeinwohlverlangteinesozialgerechteEntwick-lungs-undUmweltpolitikfürjetzigeundkünftigeGenerationenimglo-balenKontext.InihmmüssendieGlobalität,dieSorgeummehralsdieeigenenationaleGemeinschaftunddieFuturität,dieSorgeumkünftigeGenerationen,angelegtsein(Weidner,2002).

InderWissenschaftgibtesunterschiedlichePositionenzuderFrage,ob»schwacheNachhaltigkeit«oder»starkeNachhaltigkeit«inZukunftnotwen-digist.BeischwacherNachhaltigkeitgenügtes,dieSummeannatürlichen

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

undkünstlichenRessourcenkonstantzuhalten,bei starkerNachhaltigkeitwerdennatürlicheundmenschlicherzeugteRessourcenjefürsicherhaltenundsindnichtsubstituierbar.Kontroversistauch,obdasLeitbildderNach-haltigkeiteher»ökozentrisch«odereher»anthropozentrisch«verstandenwer-densoll.»SollenderSchutzunddieErhaltungderNaturdasZielvonNach-haltigkeitsstrategien bilden und der Natur damit ein gewisser Eigenwertzukommen?Oderzielt»nachhaltigeEntwicklung«lediglichaufdiedauerhaf-teSicherungmenschlicherBedürfnisbefriedigung,sodassdienatürlicheUm-weltundihreBestandteile(...)nurinsoweitundnursolangeschützenswertsind,alssiefürmenschlicheGesellschaftenvonNutzensind«(Wehling,2008)?ImpolitischenundwissenschaftlichenDiskurskonkurrierendarüberhinaus»Drei«oder»Mehr-Säulen-Konzepte«miteinander.InnerhalbdieserKonzep-tegeltenÖkologie,ÖkonomieundSozialesalseigeneDimension,die imRahmennachhaltigerEntwicklunggleichberechtigtzuberücksichtigensind(Grunewald&Kopfmüller,2006).AlsvierteSäulewirdzunehmendauchnochdiepolitischinstitutionelleDimensiongenannt.AusderKritikderSäu-lenmodellesindindenletztenJahren»IntegrativeNachhaltigkeitskonzepte«entwickeltworden(Grunewald&Kopfmüller,2006).AndereKonzeptewer-denunterdemBegriffder»ref lexivenGovernance«zusammengefasst,diedieKomplexitätvondynamischen,mehrdimensionalenProzessennachhaltigerEntwicklungsowiediedamiteinhergehendenAmbivalenzenundUngewiss-heitenindenMittelpunktstellen(Voßu.a.,2006).ErgänzendundalsVoraus-setzungfürdieRealisierungnachhaltigerEntwicklunghatsichdasKonzeptderBildungfürNachhaltigkeitentwickelt.

FehlkonzepteDasKonzeptderNachhaltigkeitwirdhäufignurimZusammenhangmitUmweltschutzundökologischenProblemenwieRessourcenundUmwelt-schonungundnuraufderEbenederLebensweltdiskutiert.DassdamitabertiefgreifendestrukturelleVeränderungvonWirtschaft,GesellschaftundPolitik,vorallemaberauchvonEinstellungenundVerhaltensmusternverbundensindaufdernationalen,derinternationalenundderglobalenEbene,tritteherindenHintergrund.AuchalsbloßesStaatsziel,alsregu-lativeIdeeverlangtNachhaltigkeitinderKonsequenzeineweitreichen-deModifikationindenLebensweisenderMenschen,einentiefgreifendenWandelderdominantenProduktions-undKonsumptionsmusterundeineNeuorientierung vonPlanungs- undEntscheidungsprozessenund zwarweltweit(Kopfmülleru.a.,2001).

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II. Basis- und Fachkonzepte

Vernetzung des FachkonzeptsNachhaltigkeiterforderteineNeuorientierungdesEntscheidungsprozes-ses.AlseingesellschaftlichesProjektkannesaufGrundderDynamikundKomplexitätseinerökologischen,ökonomischenundsozialenDimensio-nennichtabschließenddefiniertwerden.Akteure,Organisationen,Insti-tutionenmitpartikularenWeltbezügen,IdentitätenundInteressenmüssenzukunftsfähigeFormendesWirtschaftensundLebenserstfinden.Inso-fernstehtNachhaltigkeitinVerbindungmitdenFachkonzepten,Partei-en,Interessengruppen,MassenmedienundmitÖffentlichkeit,MachtundKonf likt.NachhaltigkeitgehörtalsZusatzaspektauchzudenFachkonzep-tenDemokratie,StaatundMarkt.DerinternationaleAspektvonNach-haltigkeitverweistaufdieFachkonzepteInternationaleBeziehungenundimZusammenhangmitEntwicklungsländernvorallemaufdasFachkon-zeptGerechtigkeit.

BeispielthemenBereitsimGrundschulalterbestehtInteresseanökologischenFragen.The-menwie»BrauchtdieGemeindeeinenWindpark?«oder»KinderarbeitinIndien«könnendieVernetztheitvonstaatlichenAuf lageneinerseitssowiesozialen,ökologischenundökonomischenInteressenandererseitsverdeut-lichen.AufderSekIkanndasSteuerungsproblemdesStaatesamBeispielderlokalenAgenda21-BewegungoderjederaktuellenumweltpolitischenMaßnahmewiedemCO2-AusstossvonAutos,derEnergiepolitikoderderÖkosteuerindenBlickgenommenwerden.AnsätzenachhaltigerEnt-wicklungspolitik,weltweiterKlimapolitikodereuropäischerUmweltpoli-tikkönnenaufderSekIIbehandeltwerden.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Nachhaltigkeit zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Staat,Markt

EntscheidungParteien,Interessengruppen,Massenmedien,Legitimation,Öffentlichkeit,Macht,Konf likt,InternationaleBeziehungen

Gemeinwohl Gerechtigkeit,Menschenwürde,Frieden,Sicherheit

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Nachhaltigkeit

Schulstufen Begriffe

PrimarstufeUmweltpolitik,ArmutundReichtum,Generationengerechtig-keit

SekundarstufeIGlobaleGerechtigkeit,Wachstumsdynamik,Umweltverträg-lichkeit,Agenda21

SekundarstufeII Partizipation,Reflexive Governance,Entwicklungspolitik

7.7 Öffentliche Güter

Essenz des FachkonzeptsÖffentliche Güter (Kollektivgüter) werden für die Mitglieder einesGemeinwesensbereitgestellt.Sieweisensich–imUnterschiedzuprivatenGütern–durchzweiMerkmaleaus:dieNicht-Ausschließbarkeitdespo-tentiellenNachfragersvonderInanspruchnahmedesGutes,d.h.nieman-demkannderKonsumeinesöffentlichenGutesverwehrtwerden,sowiedieNicht-RivalitätunterdenNachfragerndesGutes,d.h.derNutzendesGutesfüreinIndividuumschmälertinkeinerWeisedenNutzendesselbenGutesfürandere.ReineKollektivgütersindz.B.Luft,BildungundWis-sen,innereundäußereSicherheit,Deiche,Umwelt,StraßenundGleise.DarüberhinausgibtesQuasi-Kollektivgüter,diedieKonsummöglichkei-tenvonanderenPersonenvermindernwiez.B.dieFischereirechte(u.a.Fangquoten),Patente,Emissionszertifikate,Rohstoffe,Artenschutz.DiesonstigenKollektivgüter,fürderenNutzungdieKonsumentenbezahlenmüssen,werdendurchpolitischeEntscheidungenersthergestelltwiez.B.dieFlugsicherheit,Autobahnmaut,(Kabel-)Fernsehen,Autosteuer,Was-ser,Brandschutz,Museen.DochbestehtangesichtsdesUmstands,dassöf-fentlicheGüternichtmarktvermitteltgehandeltwerden,dieGefahr,dasssienichtbzw.innichtausreichenderMengeproduziertundbereitgestelltwerden.DieindividuelleAutonomieunddieMärktegarantierenihrerseitskeineoptimaleVersorgung.DeshalbmussderStaatordnungspolitischein-greifen,umdurchentsprechendeAllokationöffentlicherGüterdasMarkt-versagenzukorrigieren.

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II. Basis- und Fachkonzepte

Politikwissenschaftliche Vertiefung

AufgrundderkonstitutivenMerkmaleöffentlicherGüter,wonachdieNut-zunggemeinschaftlicherfolgt,istdiesesFachkonzeptprimärdemBasis-konzeptGemeinwohlzugeordnet.ZugleichweistdasFachkonzeptöffent-licheGüterBezügezudenBasiskonzeptenOrdnungundEntscheidungauf:ImBereichderöffentlichenGüterkommteszumMarktversagen,dadieEigenartdieserGütereinepersönlicheZurechnungihrerHerstellungs-kostennichtzulassenundfürprivateUnternehmermithinkeinAnreizbe-steht,sichentsprechendzuengagieren(vgl.Molitor,1988,S.77).InderBildungs-,Wirtschafts-,Agrar-oderUmweltpolitikwirddeshalbvondenAkteurennachöffentlicherDiskussionundWillensbildungüberdieNut-zungundBereitstellungsmodalitätenentschieden.

Umstritten inpolitischerTheorie,GesellschaftundpolitischerPraxisist,welcheöffentlichenGüterinwelchemAusmaßvomStaatbereitgestelltwerdenmüssen.DabeigehtesumdieFrage,warum,wieviel,wemundwelcheöffentlichenGüterzurVerfügunggestelltwerden.OftmalsentstehtHandlungsdruckdurchneuereEntwicklungen(z.B.Ozonloch),dieeinerLösungbedürfen.DieFragenachSteuernundSubventionenodergesetzli-chenAuf lagen(z.B.imUmweltschutz)wirdunterschiedlichbewertet,so-dasseingesellschaftlicherKompromissherbeigeführtwerdenmuss.Dabeiwirdimmerdiskutiert,inwieweitdenMärktenimInteressewirtschaftli-cherEffizienzfreierLaufgelassenodersteuerndeingegriffenwerdensoll.DiePolitikorientiertsichdabeinichtalleinanökonomischenGesichts-punkten, sondern auch an sozialenund gesellschaftspolitischen.Unter-nehmendagegenorientierensichausschließlichamWettbewerbunddenrechtlichenRahmenbedingungen.

DieTheorieöffentlicherGütersetztsichmitdenFolgendesMerkmalsdieserGüterauseinander,wonachdieseunentgeltlichinAnspruchgenom-menwerdenundpotenzielleNachfragereineTrittbrettfahrerpositionein-nehmen.DieökonomischeTheoriederPolitikverweistaufdieGrenzendesMarktes.WennsichderStaatzurückzieht,senkterdieMengederöffent-lichenGüter.ErüberlässtdanndenBürger/-innendieVerantwortungfürdieHerstellungvonundHaftungfürdieöffentlichenGüter(Priddat,2008).AndererseitswerdenzahlreicheöffentlicheGüterdurchdieFiskalsystemebepreist,seiesdurchGebühren(z.B.imkommunalenBereich)oderseiesdurchpublic private partnership.DieVerteilungöffentlicherGüteristaucheineFragederGenerationengerechtigkeit.DieJüngerenkönnenOpferfrühererökologischerundökonomischerFehlentscheidungenwerden.

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

FehlkonzepteAufcurricularerEbenebestehtderMissstand,dassindenLehrplänenderBundesländerzwarinderRegelderBegriffGüterbenanntwird,seltenjedoch derBegriff öffentlicheGüter alsUnterrichtsgegenstandErwäh-nungfindet.EinProblemderUnterrichtspraxis ist,dassFragenderAl-lokationvonGüternoftmalsabgekoppeltvonFragengesamtwirtschaftli-cherWohlfahrtssteigerungbehandeltwerden.DerBezugzudenpolitischauszuhandelndenRahmenbedingungenwirdeherselteneinbezogenunddieInhaltewerdenoftaufbetriebswirtschaftlicheDefinitionenreduziert.DieRückbindungbetriebswirtschaftlicherPerspektivenandiepolitischenundmoralischenFragenderamGemeinwohlorientiertenVerteilungöf-fentlicherGüteristjedochauchfürdasVerständniswirtschaftspolitischerEntscheidungenvonzentralerBedeutung.ImHinblickaufdieunterricht-licheAuseinandersetzungmitöffentlichenGüternkönnensichFehlkon-zepteentwickeln,wennzwischendenEigenlogikendesökonomischenunddespolitischenSystemsnichtausreichenddifferenziertwirdunddiesevonihrenjeweiligenAufgabenhernichtbegriffenwerden.

Vernetzung des FachkonzeptsÖffentlicheGüterstehenentwederjederPersonzurVerfügungodermüs-sendurchpolitischeEntscheidungenwieetwaimHinblickaufinnereundäußereSicherheithergestelltwerden,weshalbBezügezudengemeinwohl-orientiertenFachkonzeptenGerechtigkeit,SicherheitundNachhaltigkeitbestehen.DarüberhinausistihreExistenzrespektiveHerstellungsowieihrErhaltabhängigvonpolitischenEntscheidungen,weshalbVerbindungenzudenFachkonzeptenParteien,Interessengruppen,Öffentlichkeit,Parla-ment,MachtundKonf liktvorhandensind.SchließlichmüssenöffentlicheGüterineinemordnungspolitischenRahmenbereitgestelltbzw.bewahrtwerden,wasBezügezudenFachkonzeptenDemokratie,Markt.Rechts-staat,Sozialstaat,internationaleBeziehungenerforderlichmacht.

BeispielthemenAufderSekundarstufeIkannüberdieThematisierungdesöffentlichenGutsWasser sowie der Problematisierung von dessen etwaiger Privati-sierungeinersterZugangzumFachkonzepteröffnetwerden.DieCha-

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II. Basis- und Fachkonzepte

rakteristikaöffentlicherGüter,wonacheinigegleichzeitigunentgeltlichvonvielengenutztwerdenkönnen,kannimKontextderProblematikdesTrittbrettfahrensthematisiertwerden:SokommtbeispielsweisederNut-zeneinerintaktenUmweltallenzugute,unabhängigdavon,objederein-zelneauchdazubeigetragenhat.WeiterhinkannaufdieserStufedieNot-wendigkeitderHerstellungöffentlicherGüterfürdasGemeinwohldurchöffentlichepolitischeEntscheidungenetwaamBeispielinnereundäuße-reSicherheitüberdieThemenPolizeiundBundeswehrbehandeltwer-den.AndiesemExempelkanndarüberhinausverdeutlichtwerden,welcheProblemebeieinermarktvermitteltenHerstellungdesöffentlichenGutsSicherheitentstehenkönnen,etwawenneineKommuneaufgrunddesAb-bausvonstaatlichenStellenfürPolizisteneinenprivatenSicherheitsdienstinAnspruchnimmtoderinKriegenstattregulärerstaatlicherSoldatenpri-vateSöldnereingesetztwerden.

DieAuseinandersetzungderLernendenmitderBereitstellungrespek-tiveHerstellungöffentlicherGüterundderwirtschaftspolitischenProble-matikdesMarktversagenskannaufderSekundarstufeIIetwaamThemaUmweltschutzvertiefterfolgen,wobeiauchdieEigenlogikendesökono-mischenunddespolitischenSystemsdifferenziertwerdenkönnen.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts öffentliche Güter zu Basis- und Fach-konzepten

Basiskonzepte Fachkonzepte

OrdnungDemokratie,Markt,Rechtsstaat,Sozialstaat,internationaleBeziehungen

EntscheidungParteien,Interessengruppen,Öffentlichkeit,Parlament,Macht,Konf likt

Gemeinwohl Gerechtigkeit,Sicherheit,Nachhaltigkeit

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts öffentliche Güter

Schulstufen Begriffe

SekundarstufeIGut,Nachfrage,Konsum,Privatisierung,unentgeltlicheNutzung,Trittbrettfahrer,Steuern

SekundarstufeII Marktversagen,Allokation,Marktsubstitutionspolitik

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

7.8 Sicherheit

Essenz des FachkonzeptsSicherheitisteinZustanddesUnbedrohtseinsvorGefährdungenfürLe-ben, körperliche Unversehrtheit und menschenwürdige Existenz. Manunterscheidetäußere,innereundsozialeSicherheit.ÄußereSicherheitbe-ziehtsichaufdenSchutzdesStaatesvorBedrohungvonaußenundneu-erdings durch Terrorismus. Äußere Sicherheit verschafft sich ein StaatdurchAufbauundUnterhaltungvonStreitkräften,durchMilitärbünd-nisse, durchEinordnung in Systemekollektiver Sicherheit sowie allge-meindurcheineaufZusammenarbeitundEntspannunggerichteteAußen-politik. Innere Sicherheit oder inneren Frieden gewährleistet der Staatdadurch,dasserüberdasGewaltmonopolverfügt.InnereSicherheitver-langtvondenBürgern, sichderAnwendungundAndrohungvonkör-perlicherGewaltzuenthalten.DerStaatantizipiertvorsorglichGefahren,indemeraufdieendogenemanifesteBedrohungdurchKriminalität,Ex-tremismusundTerrorismusreagiert.DieinnereSicherheitstehtineinemnatürlichenSpannungsverhältniszurFreiheit.DenndieindividuelleFrei-heitkanndurcheinzuhohesMaßanSicherheitsvorkehrungengefähr-detwerden.SozialeSicherheit istderdurchstaatlicheVorsorgegeschaf-feneSchutzdesEinzelnengegenLebensrisiken,vondenenpotentiellalleMitgliederdesGemeinwesensbetroffenensind.ZudiesenRisikenzäh-lenKrankheit,Alter,BerufsunfähigkeitundArbeitslosigkeit.DerStaathatdasExistenzminimumzusichernundtrifftdabeiaufdieSpannungsfel-dervonMarktundStaat,LeistungundBedarf,IndividuumundKollektiv(Kersting,2003;Nonhoff,2008).

Politikwissenschaftliche Vertiefung

SicherheitisteinexistenziellesBedürfnisderMenschenunddahereinezen-traleGemeinwohlaufgabedesStaates.EsliegtfolglicheinengerBezugdesFachkonzeptsSicherheitzumBasiskonzeptGemeinwohlvor.WennesuminnereSicherheitgeht,beziehensichdieBetrachtungenaufdienational-staatlicheunddieeuropäischeEbene.DaspolitischeSystemhatdieAufga-be,dieKollektivgüteräußere,innereundsozialeSicherheitzuproduzieren.

EinerstaatsrechtlichenBetrachtungderSicherheitgehtesumdenAus-gleichderSpannungenzwischendenErfordernissenderinnerenSicherheit

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II. Basis- und Fachkonzepte

unddenindividuellenFreiheitsrechten.GleichwohlkannzuvielSicherheitdieFreiheitmarginalisieren.UmgekehrtkannzuvielFreiheitdieSicher-heitgefährden.EsgehtdabeiumdieFragederAusgestaltungundQuali-tätvonBürgerrechten(Müller,2008).EinideengeschichtlicherAnsatzbe-trachtetdieGrundanforderungen,dieDemokratienerfüllenmüssen,unddieGefährdungen,dieimPolitikfeldSicherheitinFragekommen.

PolitikwissenschaftlichePolicy-AnalysenuntersuchendieBedingungenundProzessevonEntscheidungenimHandlungsfeld›Sicherheit‹.DerEin-zelnehatAnsprüchegegenüberdemStaatunderwartetdieHerstellungvonSicherheit alsöffentlichesGut.Dennochmüssenvor allempräven-tivausgerichteteÜberwachungsmechanismenKontrollregelnunterliegenundinArtundUmfangbestimmtsein.Bürger-/innennämlichverlangeninSituationenerhöhterBedrohung,etwanachTerroranschlägen,nachsi-cherheitspolitischenMaßnahmen.DabeibestehtdieMöglichkeit,dassderGesetzgebernichtsogenauwiesonstaufdiedierechtlicheEinhegungvonSicherheitsmaßnahmenschaut. InKrisenzeitenwerdenRegierungen je-denfallsstarkanihremErfolginderBewahrungderöffentlichenSicher-heitgemessen(Brodocz,Llangue&Schaal,2008).

Fehlkonzepte

DasFachkonzeptinseinerAusprägungalsinnereSicherheitsuchtmanineinzelnenLehrplänenvergeblich.DieAusprägungals sozialeSicherheitistjedochrelativhäufiganzutreffen.InSchulbüchernfälltauf,dassmeistnurderAspektderäußerenSicherheitaufgegriffenwird.SelbstbeiThe-menwieJugendkriminalitätstehtmehrdasJugendschutzgesetz imVor-dergrundundwenigerdievondieserKriminalitätausgehendeBedrohungfürdieinnereSicherheit.DasFachkonzeptwirdmithinseltenvollständigaufgegriffen.

ImZusammenhangmitderSicherheitkommtesdannzuFehlkonzep-ten,wenndieKomplementaritätzurFreiheitignoriertwird.SoisteseinFehlkonzept,ausschließlichdenSicherheitszweckfürlegitimzuhalten.EsistaberebensoeinFehlkonzept,dieFreiheitzuverabsolutierenunddabeidieSicherheitzuübersehen.

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7. Fachkonzepte Gemeinwohl

Vernetzung des Fachkonzepts

DasFachkonzeptstehtinengerBeziehungzudenGrundrechten,insbe-sonderezudenFreiheitsrechten.DiesozialeSicherheitweistBezügezumFachkonzeptSozialstaatauf.RechtsstaatlichesHandelnisteinGebotins-besonderefürRegierungeninKrisenzeiten,wenndieBedrohungsteigt.Bedrohungenverweisendarauf,dassMacht ausgeübtundFriedengesi-chert,dieFreiheitgeschütztwerdenmüssen.

Beispielthemen

EinstiegindenKompetenzaufbauistinderGrundschuleüberdasThemaPolizeimöglich.DabeigehtesaberimKernnichtumdieFahrradprüfung,sondernumdieFrage:WieschütztdiePolizeidieBürger/-innen?ÜberdasThemaKriegkanndieäußereSicherheitangesprochenwerden.InderSek IeignensichalleDiskussionenübersicherheitspolitischeGesetzesvor-habenzurBekämpfungvonKriminalitätundTerrorismus.GeeignetsindauchGesetzesvorschlägezurVerschärfungvonStraftatenundzurEinrich-tungvonÜberwachungsmöglichkeiten.InderSekIIsindNotstandsfällediskutierbaroderdieAuseinandersetzungmitdemVerbotvonFlugzeug-abschüssenmöglich.

Übersicht: Bezüge des Fachkonzepts Sicherheit zu Basis- und Fachkonzepten

Basiskonzepte FachkonzepteOrdnung Demokratie,Rechtsstaat,Sozialstaat,Grundrechte

Entscheidung Macht,Regierung

Gemeinwohl Freiheit,Menschenwürde,Frieden

Übersicht: Konstituierende Begriffe des Fachkonzepts Sicherheit

Schulstufen BegriffePrimarstufe Polizei,Bundeswehr

SekundarstufeIGewaltmonopol,Kriminalität,Terrorismus,Sozialversicherun-gen,Bildung,Repression,Überwachung,Sicherheitspolitik

SekundarstufeII Notstandsfälle

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II. Basis- und Fachkonzepte

8. MindeststandardsBildungsstandardssindinDeutschlandbislangalsRegelstandardsformu-liert.SiehabendiedurchschnittlichenLernendenimBlick,dieamEn-debestimmterKlassenstufendasinihnenbeschriebeneKompetenzniveauimNormalfall erreichthaben.Mindeststandards sindhingegen für alleSchüler/-innenverbindlich.InderExpertisevonKliemeu.a.(2003,S.20)wirdder»KonzentrationaufMindeststandards…fürdieQualitätssiche-rungimBildungswesen(entscheidendeBedeutungzugewiesen).Siezieltdaraufab,dassgeradedieLeistungsschwächerennichtzurückgelassenwer-den.JederSchule,jedemLehrendenundjedemLernendensollklarsein,welcheMindesterwartungengestelltwerden.«SieformulierenmithineinRechtaufdenErwerbvongrundlegendenKompetenzenimallgemeinbil-dendenSchulsystemundmüssenschulformübergreifendgelten.DieFor-schungstehthiernochamAnfang,dochderbildungspolitischeDruckaufdieEntwicklungvonMindeststandardsnimmtkontinuierlichzu.

DieGesellschaftfürFachdidaktik(GFD)hateinPositionspapiererstellt,indemZieleundAufgabenvonMindeststandardsskizziertwerden.Dem-zufolgesollensiezumeinen»dasRechtdesEinzelnenaufgrundlegendeBildungfokussieren«undzumanderen»denAnspruchderGesellschaftandie InstitutionSchule [formulieren],dies für jedermannzugewährleis-ten«(GFD,o.J.,S.1).ImPositionspapierderGesellschaftfürFachdidaktikwirddeutlich,dassjedesUnterrichtsfachdieAufgabehat,zudieserBefä-higungderLernendenbeizutragen(GFD,o.J.,S.2).AllgemeindefinierensieeinbasalesNiveau,dasvon(fast)allenSchülerinnenundSchülerner-reichtwerdensollte(Kliemeu.a.,2003,S.25).

IndemGFD-Papierwerdenu.a.fachbezogeneMindeststandardsein-zelnerFächerundfachübergreifendeMindeststandardsallerFächerunter-schieden(GFD,o.J.,S.5).AndieserStellekönnenkonsequenterweisenurfachbezogeneMindeststandards formuliertwerden.AlsBeispiel für dasFachPolitischeBildungwerdenimPositionspapierfolgendeBegriffege-nannt:»Interessenlagen,grundlegendeKonf liktregulierungsmodiundba-salepolitischeStrukturmerkmale(z.B.Gewaltmonopol,Menschenrechte,Subsidiaritätsprinzip)beschreibenundanwenden«(GFD,o.J.,S.7).Die-seBegriffetragenzurKonstruktionderFachkonzepteInteressengruppen,Konf likt,Staat,GrundrechteundSozialstaatbei.DieentscheidendeFra-gefürdiePolitikdidaktikist,welchekonstituierendenBegriffeundFach-konzeptedieSchülerinnenundSchülerunbedingtbenötigen,damit siesich individuell entfaltenundamöffentlichenLebenpartizipierenkön-nen.NachstehendwerdenzunächstderVorschlag fürdieMindeststan-

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8. Mindeststandards

dardsderPrimarstufeunddarananknüpfendderVorschlagfürdieSekun-darstufeIformuliert.

8.1 Mindeststandards für die Primarstufe

Tabelle 1: Mindeststandards für die Primarstufe

Basiskonzepte Fachkonzepte KonstituierendeBegriffe

Ordnung RepräsentationKlassensprecher/-in,Bürgermeister/-in,Gemeinderat

Demokratie Mehrheitsprinzip,Abstimmung,Diskussion

Staat Polizei,Grenze

Rechtsstaat Staatsanwalt,Verteidiger,Richter,Gesetz

Grundrechte Meinungsfreiheit,Schutz(derPrivatsphäre)

Entscheidung MachtAutorität,Gewalt,Führung,Gehorsam,Verhandlung

ÖffentlichkeitZugang,Partizipation,Privatheit,Amtvs.Person

Wahlen frei,allgemein,gleich,geheim

Parteien Wähler/-innen,Wahlkampf,Interessen

Gemeinwohl Gerechtigkeit Tausch,Leistung

Frieden Waffenstillstand,Krieg

NachhaltigkeitUmweltpolitik,Armut/Reichtum,Generationengerechtigkeit

PolitischeBildungfindetinderPrimarstufevorrangigimFachSachunter-richtstatt(Richter,2007).DasFachhatdiezentraleAufgabe,einenBeitragzurgrundlegendenBildungfüralleSchüler/-innenzuleisten(Köhnlein,2007).DidaktischeBezugspunktesindnebendenPerspektiven(Lernbe-reichen)u.a. dieEntwicklungspsychologie (Weinert&Helmke, 1997),kognitiveLerntheorien (Steiner, 2001)unddie imAlltag vorfindbarenPhänomeneundProbleme(Bosetal.,2003).SiebildendietheoretischeGrundlagefürdieAuswahlvonFachkonzeptenundkonstituierendenBe-griffen,dieinderPrimarstufeimSinnevonMindeststandardsvermitteltwerdensollten:

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II. Basis- und Fachkonzepte

8.2 Mindeststandards für die Sekundarstufe I

MindeststandardsgeltenunabhängigvonderbesuchtenSchulformfüralleSchüler/-innenamEndederSekundarstufeI.DasWissensollteüberdas»Alltagswissen«,»Allgemeinwissen«oder»Weltwissen«hinausgehen(GFD,o.J.,S.2).EssolltezudemnichteinfachdenunterstenLevelderfachbe-zogenenBildungsstandardsspiegeln,sondernsiesindeigenständigzufor-mulieren.BezügezudenRegelstandardssinderwünscht(GFD,o.J.,S.3).

InderPolitikdidaktikwurdeüberMindeststandards imZusammen-hangmitderBürgerrolle,demsog.Bürgerleitbildbzw.derBürgerkompe-tenzdiskutiert(Buchstein,2002;Gabriel,2004;Detjen,2007),ohneje-dochdenBegriffMindeststandardsdafürzubenutzen.InterventionsfähigeBürger/-innengeltenalsreguläresZielderpolitischenBildung(Weißeno,2007,S.142),derinformierteBürgerals»dasnormativeMinimum«derPolitikkompetenz(Massing,2002,S.46).EinePräzisierungderKompe-tenzenbliebjedochbislangaus.AuchderEuroparatsprichtnurallgemein»vonderBefähigungdesIndividuumszurWahrnehmungeineraktiven,selbstbestimmtenRollealsIndividuum(social agent)sowieeinerdemokra-tischenBürgerrolle(democratic citizenship)«(zit.nachGFD,o.J.,S.3).Den-nochistderinformierteBürgereinBezugspunktfürdieSetzungvonMin-deststandards.EinandererBezugspunktstelltderEinbürgerungstestdar,denAusländer/-innenseit2008inderRegelbestehenmüssen,bevorsiediedeutscheStaatsbürgerschaft erhaltenkönnen (BAMF).DieAuswahlderzubeantwortendenFragenistgleichfallseinenormativeSetzung,dieaufeinverlangtesMinimumanWissenbezogenist.

DiehiererfolgtenormativeSetzungfürdieSekundarstufeIknüpftandie Mindeststandards für die Primarstufe an, die vorausgesetzt werdenundweiterhinbenutztwerdensollen.ZusätzlichwerdenfürjedesFach-konzeptdiekonstituierendenBegriffeausgewählt,dieimSinnevonMin-deststandardsvonallenSchüler/-innenverstandenwerdensollen,d.h.fürdieseAuswahl solldieStufederkonzeptuellenundprozeduralem Civic Literacyerreichtwerden(Kapitel2).

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8. Mindeststandards

Tabelle 2: Mindeststandards für die Sekundarstufe I

Basiskonzepte Fachkonzepte KonstituierendeBegriffe

Ordnung Demokratie Mehrheitsprinzip,Diskussion,Volksbegehren,Volksentscheid,Mehrparteiensystem

EuropäischeIntegration Binnenmarkt

Gewaltenteilung Zuständigkeit,Kontrolle

Grundrechte Meinungsfreiheit,Schutz(derPrivatsphäre),Pressefreiheit,Ver-sammlungsfreiheit,Vereinigungsfreiheit

InternationaleBe-ziehungen ChartaderVereintenNationen

Markt Güter,Arbeit,Produzent,Konsument,Angebot,Nachfrage,Preisbildung,Wettbewerb,Marktformen

Rechtsstaat Staatsanwalt,Verteidiger/-in,Richter/-in,Gesetz,Bundesverfassungsgericht

Repräsentation Klassensprecher/-in,Bürgermeister/-in,Gemeinderat,freiesMandat,Abgeordneter,Bundespräsident

Sozialstaat Arbeitslosigkeit,Arbeitsmarkt,Migration,Sozialversicherungssystem,Gewerkschaften,Arbeitgeber

Staat Polizei,Grenze,Gewaltmonopol,Staatsbürgerschaft,Staats-volk,Staatsgebiet

Entscheidung Europ.Akteure Europ.Parlament,Europ.Kommission,Ministerrat,Kommissionspräsident

Interessengruppen Einzelinteresse,Gruppeninteresse,Gemeinschaftsinteresse,Lobbying

Konf likt Kompromiss,Interessen,Gewalt,KriegLegitimation Regeln,Mehrheitsentscheidung,Gesetze,WerteMacht Autorität,Gewalt,Führung,Gehorsam,Verhandlung,Akteure

Massenmedien Kommunikation,Information,Manipulation,Nachricht,Kom-mentar,Pressefreiheit

Öffentlichkeit Zugang,Partizipation,Privatheit,öffentlicheMeinungOpposition Kontrollfunktion,Kritikfunktion,Alternativfunktion

Parlament Abstimmung,Partizipation,Gemeinderat,Gesetzgebungspro-zess,Fraktion,Bundestag,Bundesrat,Bundestagspräsident/-in

Parteien Wähler/-innen,Wahlkampf,Interessen,KoalitionsbildungRegierung Bundeskanzler/-in,Vertrauensfrage,Minister/-in

Wahlen Frei,allgemein,gleich,unmittelbar,geheim,Wahlkampf,Kan-didatenaufstellung

Gemeinwohl Freiheit Selbstbestimmung,RegelnFrieden Waffenstillstand,KriegGerechtigkeit Tausch,Leistung,SolidaritätGleichheit Gleichberechtigung,DiskriminierungsverbotMenschenwürde Schutz,Anerkennung,SelbstachtungNachhaltigkeit Umweltpolitik,Armut/Reichtum,GenerationengerechtigkeitÖffentlicheGüter Gut,Nachfrage,Konsum,Steuern

Sicherheit Polizei,Bundeswehr,Kriminalität,Terrorismus,Sozialversicherungen

(IndieserÜbersichtsindalleBegriffederPrimarstufeundausgewählteBegriffederSekundarstufeIent-halten.)

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«Ein Vorschlag für die Praxis

Grundsätze einer kompetenzorientierten Unterrichts-planung

SeitEinführungvonBildungsstandardsdurchdieKultusministerkonfe-renz stehendieUnterrichtsfächer vor neuenHerausforderungen.Diesewirken sichauchaufdieUnterrichtsplanungaus. ImVerhältnis zu frü-herverlangenBildungsstandardsverstärktdieBerücksichtigungpsycho-logischerGesichtspunkte.Dieswirddaranerkennbar,dassdievondenSchülerinnenundSchülern zu erwerbendenKompetenzenFähigkeitenundFertigkeitenzurBewältigungvonAlltagssituationenseinsollen.Folg-lichspieltdieKonstruktionlernpsychologischgeeigneterAufgabenforma-teeinegroßeRolleimPlanungshandeln.

DerUnterrichtselbstwieauchdieLernaufgabenmüssenaufdieFörderungderfachspezifischenKompetenzzielen,imFallederpolitischenBildungaufdiePolitikkompetenz.DieseinersterLinieauskognitivenFähigkeitenbeste-hendeKompetenzsetztsichzumeinenausinhaltsbezogenenundzumande-renausallgemeinenKompetenzenzusammen.DieinhaltsbezogenenKom-petenzenbeziehensichauffachlicheInhaltedesGegenstandsfeldesPolitik.DieseInhaltewerdendurchBasiskonzepte,Fachkonzepteundkonstituie-rendeBegriffestrukturiert.DieallgemeinenKompetenzenwieKommuni-zieren,Argumentieren,Problemlösen,ModellierenundUrteilenlassensichdagegennichtaufeinUnterrichtsfacheingrenzen.IhreFörderungistallenFächernunddamitselbstverständlichauchdemPolitikunterrichtaufgegeben.

Der Unterricht und die Lernaufgaben haben also möglichst gut dasSpektrum inhaltsbezogener und allgemeiner Kompetenzen widerzu-spiegeln. Denn der kompetenzorientierte Unterricht legt Wert auf dieObjektivierungschulischerBildungsprozesse.BeiderAuswahlvonMate-rialienwiebeiderKonstruktionvonLernaufgabenistmithinkonkretda-raufzuachten,dasssiesichaufdievorabfestgelegtenBasis-undFachkon-zeptebeziehenundkonstituierendeBegriffeenthalten.Zuachtenistauchdarauf,obmitihnenallgemeineKompetenzengefördertwerdenkönnen.EineweiterebedeutsameRollespielenderAnregungsgehaltunddasLern-potentialdesUnterrichtsundderLernaufgaben.

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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

Schaubild 5: Bei der Unterrichtsplanung zu berücksichtigende Kompetenz-dimen sionen

InhaltsbezogeneKompetenzen

Basiskonzepte,Fachkonzepte,konstituierendeBegriffe

AllgemeineKompetenzen

Kommunizieren,Argumentieren,Problemlösen,Modellieren,Urteilen

(nachBlumetal.,2006)

KompetenzorientiertesUnterrichtenweistaufgrundseinerKonzentrationaufdieBasis-undFachkonzeptesowieaufdiekonstituierendenBegriffeeinestarkeFokussierungaufFachinhalteauf.Dieserfordert,inderUnter-richtsplanungdieFacettenderKonzepteundderkonstituierendenBe-griffemöglichstgenauzubeschreiben.DiesgeschiehtimFolgendenfürjedederbeidenvorgestelltenStundenundjedesTextbeispiel.DieKonzep-teundBegriffelegennämlichdieLernergebnissefest(Weißeno&Eck,2008).KompetenzorientiertesUnterrichtenistferneru.a.daraufbedacht,einensystematischenundnachhaltigenWissensaufbauzufördern.

DassessostarkaufkognitiveLerninhalteankommt,istder»Output«-OrientierungderBildungsstandardszuverdanken.Der»Outcome«anLern-ergebnissensollzudemauchnochgemessenwerdenkönnen.ZumeinenmüssendievermitteltenKompetenzeninAufgabenstellungenumgesetztwerden.ZumanderenmussdaserreichteKompetenzniveaumitHilfevonTestaufgabenempirischerfasstwerdenkönnen.

FürdieUnterrichtsplanungbedeutetdies,dassvomEndederUnter-richtseinheithergedachtwerdenmuss:ZuBeginnmüssendieAufgabenfestgelegtwerden,mitdenenmanamEndedieSchülerleistungenüber-prüfenwill.DieAufgabenmüssendenangestrebtenWissensstandreprä-sentieren.DanachmüssendieQuellenausgewähltwerden,diegenaudiegewünschtenFachkonzepteenthaltenundkontextualisieren.Konntemanbisher einen irgendwie zum Thema passenden Text suchen, gilt es imkompetenzorientiertenUnterricht,TextpassagennachFachkonzeptenundkonstituierendenBegriffenauszuwählen.ErstwennderLehrendeweiß,welcheskonzeptuelleWissenaufgebautwerdensoll,kannerdieübrigenPlanungsentscheidungentreffen,alsoinsbesondereMethoden,Sozialfor-

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

menundMedienauswählen.DiePlanungsaufgaben»AuswahlderGegen-stände«und»FormulierungderpolitikdidaktischenPerspektive«sindda-gegenschonweitgehendentschiedendurchdieinhaltlichenVorgabendesjeweiligenFachkonzepts unddie es konstituierendenBegriffe (Breit&Weißeno,2008,S.411f ).

BeiderUnterrichtsplanungmussvorallemdarübernachgedachtwerden,welchesKompetenzpotentialineinerUnterrichtsstunde,ineinemText,ineinemFilmoderineinerLernaufgabesteckt.Dasheißtkonkret,dasssichderLehrendedarüberKlarheitzuverschaffenhat,wasvondenLernendeninderUnterrichtsstundebzw.beimBearbeitenderAufgabeerwartetwird,d.h.,welchekognitivenTätigkeitenvonihnenverlangtwerden.KlarheitmussvordemUnterrichtauchdarüberherrschen,wiedieLösungenbzw.ErgebnissehinsichtlichdesjeweilserreichtenNiveauseinzuordnensind.

NocheinmalsollaufdasProblemderTextauswahlhingewiesenwer-den.Esistnotwendig,dieTextenachvorkommendenFachkonzeptenundkonstituierendenBegriffenzuprüfen.Außerdemmüssendiekonstituie-rendenBegriffe in größereKontexte eingebundenundmit einerViel-zahlweitererBegriffeerläutertsein.DadurchwirdeinsemantischesNetzgleichsamalsModellbereitsimTextbeispielvorgestellt,andemsichdieSchüler/-innendurchdieSuchenachReferenten(Ankerbegriffen)ineige-nenBegriffsnetzen abarbeitenkönnen. Je gründlicherdasLernmaterialverarbeitetwird,destoleichterunderfolgreicheristderspätereAbrufdesGelernten.TatsächlicherwerbendieMenschenwährendihresgesamtenLebensneueBegriffe,undderErwerberfolgtdurchdasLesenundBear-beitenvonTexten(Seel,2000,S.174).

Texte sindalsovomLehrendennicht als »Steinbrüche« fürdasmehroderwenigerzufällige,oberf lächlichbleibendeSehenundErkennenvonBegriffeneinzusetzen,sondernnachdengenanntenGesichtspunktenaus-zuwählen.DieswirktsichaufdenUmfangvonTextenaus.EswirdinderRegelnotwendigsein,dieZeitungstexteumdienichtnotwendigenInfor-mationenzukürzen,damitdiezuvermittelndenkonstituierendenBegrif-feumsodeutlicherfürdieLernendenwerden.DerLehrendehatvorabzuklären,obdievorkommendenweiterenBegriffewichtigfürdieStrukturdesFachkonzeptsunddiekonstituierendenBegriffesind,welchekonsti-tuierendenBegriffeernochimLaufedesSchuljahreseinzuführenhat,wieerdieVernetzungmitanderenFach-undBasiskonzeptendurchLernauf-gabenzumTextbeispielanregt.

Ein solches Vorgehen sieht sich den Vorbehalten ausgesetzt, dass ein›Wörterlernen‹nichtzumehrVerständnisführeunddassdasFaktenwissendominiere.DasVerstehenseiwichtigerunddafürmüsstennichtsoviele

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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

Wörtergelerntwerden.DieAuthentizitätgeheverlorenunddieWirklich-keitwirkekonstruiert.DieseEinwändesindernstzunehmenundzielenzugleichinsoferninsLeere,alsdenLernendenmitdenTextbeispielenMo-dellefürdenAufbaueigenerWissensnetzeangebotenwerden.DieFach-konzeptesinddabeigezieltinvieleWörterübersetzt,diedasWissenderDomänePolitikrepräsentieren,unddiedieSchüler/-innenmitdemindi-viduellenWeltwissenabzugleichenhaben.InsofernwirdfürLehrer/-innenwiefürSchüler/-innentransparent,wasgenaugelerntseinmuss,umer-folgreichdieKlausuroderdenTextzubestehen.UnterrichtenundLernenwerdenleichter.

WichtigbeiderPlanungkompetenzorientiertenUnterrichtsistes,einestrukturierteAbfolge von Instruktionen imSinne einesKompetenzzu-wachseszugewährleisten.WelchekonstituierendenBegriffesindinwel-cherAbfolgemitwelchemMaterialzukonzeptualisieren,umdendefi-niertenWissenszuwachszuerreichen?Dabeimussbeachtetwerden,dasssichneueBegriffemitbereitsbekanntenBegriffeninVerbindungbringenlassen.Weiterhinkommtesdaraufan,dassdasineinerbestimmtenLern-situationerworbeneWissenaufneueLernsituationenübertragenwerdenkann.GrundsätzlichistanMaterialienundLernaufgabendieAnforderungzu stellen,dass sieStoffgebietevernetzen,neueErkenntnisseentdeckenlassenundKommunikationanstoßen(Breit&Weißeno,2008,S.415).

Damit sind aber noch nicht alle Gesichtspunkte behandelt, die beiderAuswahlvonTextenzubeachtensind.DieTextarbeitimUnterrichterfordertmehralsdiegezielteAuswahlderBegriffe.Essindweiterhinmo-tivationaleAspekte,FaktorendesMethodenlernens,dieFormulierungge-eigneterLernaufgaben,derSchwierigkeitsgradeinesTextes,dieAusein-andersetzungmitUrteilenundMeinungen,diePhasedesEinsatzesu.v.m.zuberücksichtigen.DertatsächlicheUnterrichtunddiePlanungsentschei-dungen sindwesentlichkomplexer alshierdargestellt.DieBetrachtunghier ist eingeschränkt auf den Unterricht nach Konzepten, weil es dasNeueist,undderFokusaufdasWissengerichtetist.Damitistauchklar,dassFachkonzepteundkonstituierendeBegriffenichtunterrichtetwer-den.Dieswirdschnelllangweilig.WichtigsindihreAnwendung,anderderLernerfolgzumessenist,undihreEinbettungindas,wasdenUnter-richtinsgesamtausmacht.

Konzeptuelles Lernen über die Europäische Union als TeilzielDieimFolgendenvorgestelltenUnterrichtsstundenführenSchüler/-innenderSekundarstufeIindieArbeiteuropäischerAkteureein.Siezeigendas

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

ZusammenwirkendereuropäischenInstitutionenamBeispieldergeplan-tenCO2-VerordnungfürAutoabgase.DiezugrundegelegteUnterrichts-methode ist die Fallanalyse. Die Fallanalyse gestattet die Auseinander-setzungmitpolity-,policy-undpolitics-orientiertenFragenzurEuropäischenUnionundfördertdeshalbwiekaumeineandereUnterrichtsmethodediePolitikkompetenz.DieFallanalysestelltdieerforderlichenAnwendungs-situationenfürdasWelt-undFachwissenoptimalbereit.

Ziel derUnterrichtseinheit ist dieVermittlung vonWissenüber dieeuropäischenAkteure,konkretüberdaskomplizierteGef lechtderInstitu-tionenundAkteureimeuropäischenMehrebenensystem.WerdieBefug-nissederEuropäischenUnionversteht,sodieHoffnung,kannihrgegen-übereinepositiveEinstellungentwickeln.

DieLernendensollenimUnterrichtwichtigeBegriffederEuropäischenUnion erwerbenunddamit in dieLage versetztwerden, die täglichenNachrichten zu verstehenund als Folgehiervon ihrenWissensspeicherüberEuropaselbstständigweiterzuentwickeln.Daserworbeneundweiter-entwickelteWissenistdannkommunizierbar.AufderBasisdiesesWissenskönnensieauchverständigüberneueEntwicklungeninderEuropäischenUnionurteilen.DieUnterrichtseinheitfördertalsonichtnurinhaltsbezo-gene,sondernauchallgemeineKompetenzen.

DieUnterrichtseinheitpräsentiertAspektedesFachkonzepts»Europä-ischeAkteure« vor allem inFormvonTexten.Texte entsprechendemgängigenMusteralltäglichenUnterrichtsundsindvielseitigmitanderenUnterrichtsmethodenkombinierbar.IndenTextentauchendiekonstitu-ierendenBegriffewieetwaEuropäischeKommission,EuropäischesParla-ment,Ministerratund (nationale)Regierungen immerwieder auf.AufdieseWeiseentstehenBegriffsnetze,welchedieBedeutungdesFachkon-zepts»EuropäischeAkteure«sowieseinesBeziehungsgefügesaufschließen.DieBegriffsnetzesindauchinsofernwichtig,alssiedasLernendesFach-konzeptswesentlicherleichtern.DenndieBegriffesindimGehirnmitBe-griffsnetzenüberandereFachkonzeptewieetwaeuropäischeIntegration,DemokratieoderGewaltenteilungverknüpft.

Begriffe und BegriffsnetzeLernenalsKonstruktionvonbereichsspezifischenWissensnetzenvollziehtsichinderSchulezumTeilunbewusst,vorallemaberalsFolgegezielterIn-struktioninallenFächern.DieInstruktionsorgtdafür,dassausgewählteIn-halteverschiedenerBereiche(hierderPolitik)erworbenwerden.DieKern-curriculalegendieerforderlichenWissenselementefest(Weißeno,2008b).

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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

DieInstruktionendesLehrendensorgendafür,dassdieWissenselementeinkonkretenAnwendungssituationenerworbenundvertieftwerden.Daszuvermittelnde»Fachwissen«wirdmithinnichteinfachdargeboten,sondernmussvondenLernendeninAufgabenrichtigangewandtwerden.

VongroßerBedeutungsinddieerwähntenAufgaben.SiedienenderErschließungdiverserSachverhalte,dieindenMaterialienenthaltensind.VorallemaberdienensiederinhaltlichenErschließungderkonstituieren-denBegriffeder jeweiligenFachkonzepte.Siegehenaberauchdarüberhinaus und fordern eineBewertungundBeurteilungder Sachverhalte.Eine Vielzahl von Sachverhalten zur EU bietet genauso Anwendungs-situationenfürdasLernenwiederFall(dieCO2-Verordnung)selbst,deralsgrundsätzlichesProblempräsentiertwird.DerErwerbvonKonzep-tenundvondazugehörendenBegriffsnetzenmit ihrenRelationengibtdenSachverhalteneineüberschaubareStrukturundmachtdengeforder-tenLernprozesstransparent.DerLernendeweiß,wasverlangtwird,undkannseineFehlkonzepteindenLernstandserhebungenleichtererkennen.UnverzichtbarfürdenLernprozessistdasindividuelleFeedbackdesLeh-renden,ohnedassichFehlkonzepteverfestigenoderentstehen.

Die folgendeListe vonkonstituierendenundweiterenBegriffen desFachkonzepts »Europäische Akteure« vermittelt einen Überblick überihrAuftretenindenbeidenhiervorgestelltenStunden.DasFachkonzept»EuropäischeAkteure«wirddurchdieseListe abernichtvollständig imSinneeinespolitikwissenschaftlichenKonstruktsabgebildet,sondernwirdfürdenSchulunterrichtderSekundarstufeI(Klasse9/10)wesentlichre-duziertundzugleicheingeschränkt.Sofehlenz.B.dieBereicheeuropä-ischeAußenpolitik,Regionalpolitik,Agrarpolitik,europäischeParteien,umnureinigezunennen.EskönnenhierausPlatzgründennurwenigeMaterialienfürzweiStundenabgedrucktwerden,umindieGrundsätzedesArbeitensmitFachkonzeptenundBegriffeneinzuführen(zurgesam-tenUnterrichtsreihevgl.Weißeno&Eck,2008;überarbeiteteFassunginhttp://www.politikwiss.ph-karlsruhe.de/teesaec/).

DasfolgendeVerzeichnislistetdiekonstituierendenBegriffedesFach-konzepts »EuropäischeAkteure«proStundeundAufgabe sowieweite-reBegriffeauf,diegleichfallsimTextkorpusderReihevorkommen.AlledieseBegriffe sollten indenLösungenderLernendenkontextuell ver-ständlich(d.h.nichtaufzählendodernennend)vorkommen.EineLösungistbesser,jemehrBegriffesierichtigbenutzt.DarüberhinauswerdendieSchüler/-innenweitere,ihnenausdemUnterrichtoderdemWeltwissenverfügbareBegriffenennen.

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

Tabelle 3: Verzeichnis der konstituierenden und weiteren Begriffe des Fach-konzepts ›Europäische Akteure‹ in den jeweiligen Lernaufgaben

KonstituierendeundweitereBegriffe

1.StundeAufgaben 2.StundeAufgaben

Autoindustrie 1,4,6 1–5Klimaschutz 1,3,4,6 5EU-Kommissar/-in 1–3EuropäischeUnion 1EuropäischeKommission 1–6 3–5EU-Industriepolitik 4,6 3,5EU-Umweltpolitik 4,6 3,5EU-Verbraucherschutz 6EU-Bürger/-in 1,7EU-Gesetzgebung 4–6 3–7Gesetzesinitiative 1–2,5–6 8NationaleRegierungen 1–2,5 1–5EuropäischesParlament 2,5 3,7Kommissionspräsident 2EuropäischeDemokratie 1 7–9Frieden 1Wohlstand 1EU-Institutionen 2 6NationaleSouveränität 1–4EuropäischesInteresse 2,5 2–3,5NationaleInteressen 1–3Toleranz 1 1–6Erderwärmung 3,4,6Ministerrat 1,5 1–4,6–9Umweltrat 1,4,6

DiekonstituierendenBegriffemüssendieSchüler/-inneninihrenLösun-genbenutzen.DaallekonstituierendenundweiterenBegriffemehrmalsauftreten,habendieLehrendenbeiderKorrekturbzw.beimindividuellenFeedbackdaraufzuachten,dassdieSchüler/-innensieinmöglichstvielenSätzenbenutzen.NursokannderHerausbildungoderVerfestigungvonFehlkonzeptenentgegengewirktwerden.BeiderKorrekturistdesWeite-rendaraufzuachten,dassdiekonstituierendenBegriffenichteinfachnur

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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

genanntwerden,sondernmitweiterenBegriffenerklärtbzw.verbundenwerden.DasWissensnetzdesLernendenwirdnicht ineinemSatzodereinerAntwortsichtbar.

Die Unterrichtseinheit

Erste Stunde: Die plante CO2-Verordnung der Europäischen Union

VorgestelltwirdderInhaltdergeplantenVerordnungzurVerringerungdesCO2-AusstoßesvonAutos.DieVerordnungwirdbegründetmitderNot-wendigkeitdesKlimaschutzesimZeichendesKlimawandels.DieEUmusshierdieBeschlüsseimKyoto-Protokollumsetzen.DadieEU-Kommissionund die EU-Kommissare den Gesetzgebungsprozess initiieren (Initiativ-recht),wirdihreBedeutunggrundsätzlicherklärt.Außerdemwirdgeklärt,wasdie»EuropäischeUnion«ist.UnionundKommissionsindaufdenkon-kretenFall (MethodeFallanalyse)zubeziehen.Die Institutionenwerdennichtabstraktvorgestellt,sondernimTagesgeschäftbeiderArbeitgezeigt.

Material 1

CO2-Schleudern in der EU − Verheugen blockt(nach Meldungen vom Dezember 2007)

DieEU-Kommissionhat ihreVorschlägeüberneueKlimaschutzauf la-genfürdieAutoindustriewegeneinesheftigenStreitsinderKommissi-onverschoben.UmweltkommissarStavrosDimasundIndustriekommissarGünterVerheugenkonntensichnichteinigendarüber,obdieBegrenzungdesTreibhausgasausstoßesrechtlichverbindlichwerdensolle,hießes.DerKommissionspräsidentJoseManuelBarrosohatdeshalbdieEntscheidungverschoben.

DimasundVerheugenliefernsichbereitsseiteinigenTageneineunge-wöhnlichöffentlicheAuseinandersetzungdarüber,wiestarkdieAutoher-steller beimKlimaschutz in die Pf licht genommenwerden sollen.DerUmweltkommissar Dimas wollte am Mittwoch eine Gesetzesinitiativeankündigen,umbindendeVorgabenzumerlaubtenAusstoßvonTreib-hausgasenbeiAutoszuerlassen.DieEU-Staatensolltenverpf lichtetwer-den,ab2012Autosnurnochneuzuzulassen,wennihrDurchschnittsaus-stoßhöchstens130GrammKohlendioxid(CO2)proKilometererreicht.JederEU-Staat sollte selbst entscheiden,mitwelchenMaßnahmenund

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

VorschriftenerdiesesZielerreicht.MitdiesemGesetz solltedarauf re-agiertwerden,dassdieAutoindustrieihrefrüherenZusagenfüreinefrei-willigeSenkungdesAusstoßesvonTreibhausgasennichteinhält.

DerIndustriekommissarVerheugenunterstütztzwardasZielderRicht-größevon130Gramm,erwillsieaberübereinbreitesPaketvonMaßnah-menerreichen,wieetwaeineSchulungvonFahrern,bessereVerkehrsfüh-rungundmodernereReifen.

Material 2

Die Europäische Kommission

DieEuropäischeKommissionnimmtinderEuropäischenUnioninetwadieFunktioneneinerRegierungwahr.Sieisteinüberstaatlichesundun-abhängigesOrgan,dasnichtdie InteresseneinesbestimmtenMitglied-sstaates, sonderndie InteressendergesamtenEuropäischenUnion(EU)vertritt.DieEuropäischeKommissiongiltals»Motor«derEU.

NursiekannGesetzesvorlagenmachen(RechtzurGesetzesinitiative),dieinderEUbeschlossenwerden.SiesorgtalsausführendesOrgan(Exe-kutive)fürdieUmsetzungderGesetze.SieüberwachtdieEinhaltungdereuropäischenVerträgeundverhandeltmitLändern,diemitderEUeinAbkommenschließenoderMitgliedderEUwerdenwollen.

DieMitgliederderKommissionkannmanauch»Kommissare«nennen.JederKommissaristfüreinbestimmtesSachgebietzuständig(z.B.Land-wirtschaft,Finanzenetc.).EshandeltsichumPersönlichkeiten,diezuvorinihremjeweiligenHerkunftslandeinpolitischesAmt–oftalsMinister–ausgeübthaben.AlsMitgliederderKommissionsindsieaberverpf lichtet,imInteressedergesamtenUnionzuhandeln,unddürfenkeineAnweisun-genvonnationalenRegierungenannehmen.DieNeubesetzungderKom-missionerfolgtallefünfJahrenachderWahldesEuropäischenParlaments.Dabeiwirdfolgendermaßenvorgegangen:

DieRegierungschefsderMitgliedstaatenbestimmengemeinsamdenneuenPräsidentenderKommission.DerKommissionspräsidentmusszu-sätzlichvomEuropäischenParlamentbestätigtwerden.ZurzeitistdiesderPortugieseJoséManuelBarroso.

DervorgesehenePräsidentderKommissionwähltdanninGesprächenmitdenRegierungenderMitgliedstaatendieanderen27MitgliederderKommissionaus.JedesMitgliedslandstellteinenKommissar.

DasneueParlamentbefragtdaraufhinalle27Mitgliederundgibtsei-neStellungnahmezumgesamtenKollegiumab.ImFallederZustimmung

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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

kanndieneueKommissionam1.JanuardesfolgendenJahresihrAmtauf-nehmen.(Quelle: http://europa.eu/institutions/inst/comm/index_de.htm,22.5.2008)

DieEuropäischeUnion(EU)isteinZusammenschlussdemokratischereuropäischerLänder,diesichderWahrungdesFriedensunddemStrebennachWohlstandverschriebenhaben.SieverstehtsichnichtalseinneuerStaat,derandieStellebestehenderStaatentritt.AllerdingsistdieEuropä-ischeUnionauchmehralsallesonstigeninternationalenOrganisationen.DieEUistbesonders,weildieMitgliedstaatengemeinsameeuropäischeOrganeeingerichtethaben,denen sieTeile ihrereigenenZuständigkeitübertragenhaben.SosollenineuropäischenAngelegenheitendemokrati-scheEntscheidungengetroffenwerdenkönnen.

InunsererdurchglobaleVerf lechtungengekennzeichnetenWeltdes21. JahrhundertsistesfürjedeneuropäischenBürgerimmerwichtiger,mitMenschenausanderenLändernimGeistderAufgeschlossenheit,ToleranzundSolidaritätzusammenzuarbeiten.(Quelle:http://europa.eu/scadplus/glossary/european_commission_de.htm)

Lernaufgaben

1. WasistdieEuropäischeUnion(EU)?MitwelchenZielenwurdesiege-gründet?

2. WasistdieKommission?IstdieKommissionsoetwaswieeineRegie-rungderEU?

3. WassindTreibhausgaseundwasbewirkensie?WelcherZusammenhangbestehtzwischendemTreibhauseffektunddergeplantenCO2-RichtliniefürAutoabgase?

4. DimasundVerheugensindKommissare.WassindKommissare?Waswol-lendiebeidenKommissareundwarumisteineEinigungwichtig?WasistdasProblem?

5. Die Kommission hat das Recht zur Gesetzesinitiative für eine CO2-Richtlinie.Wasbedeutetdas?

6. SolldieKommissionMaßnahmengegendieAutoabgaseergreifen?Wasmeint Ihr?Wägt ab und begründet Eure Meinung. (Hier ist DeineMeinung gefragt zu allenProblemen, die in denTexten angesprochensind.)

7. Findet die Gesetzesinitiative der Kommission die Zustimmung derBürger/-innen?WasmeintIhr?WägtabundbegründetEureMeinung.

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

Zweite Stunde: Die Verordnung im Ministerrat

VorgestelltwerdendiekontroversenReaktionenimMinisterrataufdenVerordnungsentwurfderKommission.NationaleInteressenberuhenimkonkretenFallstarkaufderinDeutschlandvorhandenenAutoindustrie,wenigeraufdemEinf lussderUmweltschutzverbände.OhneZustimmungdesMinisterratskannkeinGesetzverabschiedetwerden.Es istwichtig,Allianzenzuschmieden,daeinzelneLänderüberstimmtwerdenkönnen.DeshalbwerdenauchzentraleBefugnissedesMinisterrats,der auchalsUmweltrattagtunddortaufderEbenederFachministerdieBeschluss-fassungvorbereitet,erklärt.MitdemMinisterratwirdeinzentralesOr-gandesGesetzgebungsprozessesbeiderArbeitaneinergeplantenVerord-nunggezeigt.

Material 1

Die Verordnung im Ministerrat EU-Regierungen uneinig über CO2-Pläne für Autos Erschienen: Dienstag 4. März 2008

EineersteDebatteunterdenMinisterndesUmweltratsvom3.März2008über den Kommissionsvorschlag zur Begrenzung von Emissionen vonFahrzeugenvonDezember2007zeigteeinedeutlicheUneinigkeitzwi-schenDeutschlandundFrankreich.

DerDisputkonzentriertesichaufdieFrage,wievielderLastderdurch-schnittlichenEmissionssenkungvonHerstellernkleinerFahrzeugegetra-genwerdensollte,diehauptsächlichihrenStandortinFrankreichundIta-lienhaben,undwievielgroßeHersteller,beispielsweiseausDeutschlandoderSchweden,tragensollten.

Großbritannienwiederumvertrat einenalternativenAnsatzund for-derte›leichtereBemühungenvon25%vonjedemEinzelnen‹,wobeije-dochNischenmärktewieRollsRoyceundBentleyeineAusnahmebil-densollten.

DieUmweltminister sind sichweiterhin uneinig über dieHöhe derStrafenfürHersteller,dieihreindividuellenZielenichterreichenkönnen.Einigesagen,dieKommissionsvorschlägeseinen›unverhältnismäßig‹undwürdensowohlzuPreisanstiegenalsauchzueinerlangsamerenErneue-rungdesbestehendenFahrzeugparksführen.(Quelle: http://www.euractiv.com/de/verkehr/eu-regierungen-uneinig-co2-plane-autos/article-170724,25.5.2008)

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»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

BundeskanzlerinAngelaMerkelsagteinBerlin,derVorstoßvonKommis-sionspräsidentJoséManuelBarrosogehezuLastenDeutschlandsundderdeutschenIndustrie.»Dahersindwirnichtzufrieden.«DereingeschlageneWegderKommissionseinichtsinnvoll.RegierungssprecherThomasStegergänzte,dassdiedeutschenHerstellerschwererAutosesnichtschafften,dieEU-Vorgabenzuerfüllen.DerVorschlaghaltesichnichtanbisherigeAbsprachen.ÜberdasThemawerdenuninBrüsselzuredensein,sagteSteg.»FürdieBundesregierungistdiesesVerhaltenderEU-Kommissionnichterklärlich.«(Quelle:DieZeitonline20.12.2007http://www.zeit.de/online/2007/52/streit-co2-berlin-bruessel)

DerfranzösischeUmweltministerJean-LouisBorlookritisiertedendeut-schenVorschlageinesSystems,nachdem schwerereAutosdieUmweltstärkerverschmutzendürftenalsandere.DerfranzösischeUmweltminis-tersagtederFinancialTimesam14.November2007,nichtsrechtfertigedieIdee,einemKäufereinesgrößerenFahrzeugeseingrößeresRechtaufVerschmutzungeinzuräumen.

Borloo sagte, der deutscheVorschlagwürde denMarkt für kleinereFahrzeugeeinschränkenunddieHerstellungvonschwererenAutosbe-günstigen,anstattinnovativeTechnologienzufördern,diedaraufabziel-ten,schwerereFahrzeugeleichterzumachen.(Quelle: http://www.euractiv.com/de/verkehr/eu-emissionsregeln-autos-zeigen-kluft-zwischen-deutschland-frankreich/article-168433,25.5.2008)

Material 2

Der Ministerrat

DerRatderUnion(MinisterratoderRat)istdieobersteEntscheidungs-instanzderEuropäischenUnion.ErtrittaufEbenederMinisterderMit-gliedstaatenzusammenundbildetsomitdieInstitutionderUnion,inderdieRegierungenderMitgliedstaatenvertretensind.

DerRattagtinunterschiedlichenZusammensetzungen(insgesamt9)undvereinigtsodiezuständigenMinisterderMitgliedstaatenfürdieje-weiligenBereiche(AllgemeineAngelegenheitenundAußenbeziehungen,WirtschaftundFinanzen,Beschäftigung,Sozialpolitik,GesundheitundVerbraucherschutz,Wettbewerbsfähigkeit,ZusammenarbeitindenBerei-chenJustizundInneres,Verkehr,TelekommunikationundEnergie,Land-wirtschaftundFischerei,Umwelt,Bildung,JugendundKultur).

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III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

Der Rat übt gemeinsam mit dem Parlament die Rechtssetzungs- undHaushaltsbefugnisseaus.ZumeistentscheidetderRatgemeinsammitdemEuropäischenParlamentaufVorschlagderKommission.(Quelle: http://europa.eu/scadplus/glossary/eu_council_de.htm,25.5.2008)

Lernaufgaben

1. DieUmweltministersindsichnichteinigüberdenGesetzesvorschlagderKommission.WasverlangtDeutschland?WasverlangtFrankreich?

2. WelcheInteressenvertrittDeutschland?WelcheFrankreich?3. InvielenLändernEuropaswerdenAutosgebaut.NichtnurinDeutsch-

land.WasmeinstDu:WerdendieanderenLänderDeutschlandoderdieEuropäische Kommission unterstützen?Wäge ab und begründe DeineMeinung.

4. WiebeurteilstDudasVerhaltenDeutschlandsundGroßbritanniens imMinisterrat.WägeabundbegründeDeineMeinung.

5. AlleLänderwollenmehrKlimaschutz.IstdasdeutscheInteresseoderdaseuropäischeInteressederKommissionmitdenZielendesKlimaschutzesvereinbar?WägeabundbegründeDeineMeinung.

6. WasistderMinisterratundwasderUmweltrat?7. WelcheBefugnissehateinMinisterrat?8. WasmeinstDu:HatderMinisterratvielMacht?Wägeabundbegründe

DeineMeinung.9. MüssenMinisterratundKommissioneinerMeinungsein?Wägeabund

begründeDeineMeinung.

Fachkonzepte in Schülerlösungen

ImFolgendenwerdenderMusterlösungfürFrage1ausdererstenStun-de drei Schülerlösungen kontrastierend und illustrierend gegenüberge-stellt.DieseSchülerlösungen sind imRahmeneiner Interventionsstudie(Weißeno&Eck,2009)verfasstundausgewertetworden.DenamProjektteilnehmendenSchüler/-innenwar es untersagt, aus denvorgegebenenTextenabzuschreiben.Siewarenaufgefordert,ihreneigenenKontextzukreierenunddabeidieBegrifferichtiganzuwenden.DerVergleichzwi-schenderMusterlösungunddenSchülerantwortenzeigt,dassdiezugrun-deliegendeFrageoffensichtlichaufeinemangemessenenNiveaufürLer-nendederSekundarstufeIformuliertwordenist.

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209

»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

DieAntwortenverdeutlichen zugleich,wiederOutcome fürdieLeh-rendenbewertbarwird.DenndiedreiSchüler/-innenbenutzeneinzel-neBegriffedesFachkonzepts, sowieesdurchdieMaterialienangelegtist.DieBegriffewerdenimfachlichenZusammenhangindividuellerläu-tertundgehenüberdieTextehinaus.DaseigeneWissensnetzscheinthierzumindestpunktuellauf.DerLehrendemussesdannaberauchbeiseinerBewertungerkennen.DieunterschiedlicheQualitätderLösungen(einegute,eineschlechte,einemittlere)wirdimFolgendengezeigtundsolldieSpannbreitederVerwendungderFachkonzepteillustrieren.MusterlösungundSchülerlösungbeziehensichaufLernaufgabe1:WasistdieEU?MitwelchenZielenwurdesiegegründet?

Musterlösung

Mitglieder der Europäischen Union können nur demokratische Staa-tenwerden.SieistwenigeralseinStaat,abermehralseineinternationaleOrganisation:BeidemZusammenschlussistkeinneuerStaatentstanden,derdieanderenStaatenersetzt, sonderndieMitgliedsländerbleibenmitihrennationalenRegierungenerhalten.ImGegensatzzuinternationalenOrganisationenhatdieEUabereigeneOrgane,denendieMitgliedsländereigeneEntscheidungskompetenzenübertragenhaben.ZielederEUsindwirtschaftlicherWohlstand,Frieden(GründungunterdemEindruckdesZweitenWeltkriegs)unddieEinhaltungdemokratischerWerte(Toleranz).SieistaucheineAntwortaufdieGlobalisierung,dieeinsolidarischesZu-sammenarbeitenerfordert.DieMusterlösungbehandeltschwerpunktmäßigMaterial2,aberauchBegriffeausMaterial1könnenverwendetwerden.

Schülerlösungen aus Klasse 205

Schülerantwort (sm 73)

»DieZielederEUsindeinheitlicheGesetzeundRichtlinien,zurStärkungderWirtschaft,derErleichterungdesgrenzüberschreitendenReisens,zumUmweltschutzetc.DieEUbestehtausderzeit27MitgliedernundhateinegemeinsameKommission,einMinisterratundandereLegislative.UngefährdieHälftederGesetzeinDeutschlandwirdeuropaweitbeschlossen.DieEUbildetkeinenneuenStaatundhabeneigeneOrgane.Essolleinwirtschaftli-cherWohlstand,FriedeninEuropaunddieEinhaltungderdemokratischenWerteerreichtwerden.DiesbildetdieAntwortaufdieGlobalisierung.«

Page 210: Konzepte der Politik – ein Kompetenzmodell

210

III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

Kommentar

In dieser Antwort werden die konstituierenden Begriffe EuropäischeUnion,Gesetze,Klima-bzw.Umweltschutz, europäischeKommission,Ministerrat, Europäisches Parlament (Legislative), Staat bzw. nationaleRegierung,Demokratie,Frieden,WohlstandundToleranzbzw.WerteineinersehreigenständigenVerarbeitungbenutzt.DieVielzahlangeforder-tenBegriffenergibteinfachlichrichtigesundkomplexesBegriffsnetz,dasdurchdieindenSätzenhergestelltenRelationensichtbarwird.Einekon-zeptuelleCivic Literacyistvorhanden(vgl.KapitelI,1).

Schülerantwort (sn 74)

»InderEUarbeitenverschiedenedemokratischeeuropäischeStaatenzu-sammen,welchesichalsZielgesetzthabendenFriedenaufderWeltzusi-chernundWohlstandinihreStaatenzubringen.«

Kommentar

DieLösungweistsehrwenigekonstituierendeBegriffeauf:EuropäischeUnion, Staaten bzw. nationale Regierungen, Frieden, Wohlstand. DieDarstellungistmehraufzählendbzw.nennendundwürdesomitineinerschulischenLernstandserhebungehereineschwacheLeistungdarstellen.DiefunktionaleCivic Literacywirdhiermitdeutlich.

Schülerantwort (sw 82)

»DieEUisteineVereinigungmehrererdemokratischer,europäischerStaa-ten, die den Frieden wahren, demokratische Werte einhalten und denWohlstanderhaltenwollen.DieStaatenwerdenvonihrnichtersetzt,sieEUist»nur«eineErgänzung,dietrotzdemeigenständigeOrganebesitzt.ZudemistsieeineAntwortaufdieGlobalisierung.«

Kommentar

DieLösunggehtaufdiekonstituierendenBegriffeEuropäischeUnion,Staatenbzw.nationaleRegierungen,Demokratie,Frieden,Wohlstand,Toleranzbzw.Werteein.HieristdieAnzahlderverwendetenBegrif-feehernochdurchschnittlich.AberteilweisewerdendieBegriffeauf-gezählt(funktionaleCivic Literacy)undnurimzweitenSatzdurcheine

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211

»Der Entscheidungsprozess in der Europäischen Union«

komplexere fachlicheBeziehung (konzeptuelleCivic Literacy) verbun-den.

WertetmanalleSchülerlösungenderKlasse205statistischmitdemPro-grammHIMATTvonderUniversitätFreiburgaus,sohatmandieMög-lichkeit,sicheinstatistischabgesichertesBegriffsnetzausgebenzulassen.DieAnalysenveranschaulichen,dassLernendebeiderBearbeitungvonLernaufgabenaufgemeinsameFachkonzepteundBegriffezurückgreifen.DieBegriffsweltderIndividuenistindenPunkten,diedasFachwissenbe-treffen,vergleichbar.DiewichtigenBegriffewurdenvonderKlasseins-gesamtgutbeiderLösungdieserAufgabebenutzt.Anderekamenhinzu,wieGlobalisierung,AntwortoderWirtschaft,was fürdenZusammen-hangdergegebenenAufgabenstellungunwichtigist,aberderempirischenWirklichkeitnahekommt.Eszeigtsich,dasssowohldieZusammenhängederBegriffegesehenalsauchdieinderMusterlösungaufgezeigtenAnfor-derungenerfülltsind.UnbeschadetderunterschiedlichenQualitäteinzel-nerLösungenwirdvonderKlasse205insgesamteinimSinnederMuster-lösunggutesBegriffsnetzerstellt.BegriffslernenistzwareinindividuellerKonstruktionsprozess,aberdieErgebnissesindfüreineKlasseundvieleIndividuenvergleichbar.

Schaubild 6: Ungewichtetes Klassennetz A zu »europäische Akteure« (205)

Antwort

Zusammenschluss

WahrungFrieden

Mitgliedsstaaten

Ziele Organe

Europa

Wirtschaft

Streben

WohlstandStaaten

EU

Globalisierung

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212

III. Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung

212

Schaubild 7: Ungewichtetes Klassennetz B zu »europäische Akteure« (205)

Antwort

Zusammenschluss

Wahrung

FriedenMitgliedsstaaten

Ziele

Organe

Europa

Wirtschaft

Streben

Wohlstand

Staaten

EU

Globalisierung

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2. Didaktische Beiträge

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Himmelmann,G.(2001).Demokratie-Lernen als Lebens-, Gesellschafts- und Herr-schaftsform.Schwalbach/Ts.:Wochenschau.

Juchler,I.(2005).Demokratie und politische Urteilskraft. Überlegungen zu einer norma-tiven Grundlegung der Politikdidaktik.Schwalbach/Ts.:Wochenschau.

Juchler, I. (2008).Politische Begriffe der Außenpolitik. Konstituenten von Fachkon-zepten und Political Literacy. InG.Weißeno (Hrsg.),Politikkompetenz.WasUnterrichtzuleistenhat(S.169–183).Wiesbaden:VS-Verlag.

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2. Didaktische Beiträge

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2. Didaktische Beiträge

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