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Gynäkologe 2014 · 47:280–284 DOI 10.1007/s00129-014-3338-8 Online publiziert: 20. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 S.P. Renner 1  · T. Hildebrandt 1  · W. Fiori 2  · K. Friese 3  · D. Wallwiener 4  ·  M.W. Beckmann 1 1  Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen 2  DRG-Research-Group, Universitätsklinikum Münster 3  Frauenklinik, Universitätsklinikum München (LMU) 4  Frauenklinik, Universitätsklinikum Tübingen Kosten- und leistungsgerechte  Abbildung von Gynäkologie  und Geburtshilfe Anpassungsvorschläge zum  German-Diagnosis-Related-Groups-System Das German-Diagnosis-Related- Groups(G-DRG)-Fallpauschalensys- tem unterliegt seit seiner Einfüh- rung 2003 einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess. Ziel ist es, eine möglichst korrekte Abbildung der Kosten- und Leistungserbringung vollstationärer Leistungen im Kran- kenhaus zu erreichen. Die Mitarbeit der Leistungserbringer ist hierzu un- erlässliche Voraussetzung. German-Diagnosis-Rela- ted-Groups-System Als Basis der damaligen G-DRG-Ein- führung diente das australische System (Australian Refined Diagnosis Related Groups, AR-DRG, Version 4.1), wobei der zugrunde liegende Ursprung heut- zutage kaum mehr erkennbar erscheint [1]. Das System hat seither erheblichen Einfluss auf die stationäre Versorgung in Deutschland genommen, weg von einer Pauschale pro Belegungstag hin zu einer diagnose- und prozedurenabhän- gigen Vergütung pro Fall. Verweildauer- kürzungen, Bettenabbau mit daraus ein- hergehender Leistungsverdichtung, alles mit dem Ziel einer möglichst großen Ef- fizienz im betriebswirtschaftlichen Sin- ne, waren die Folge. Die mit der Weiter- entwicklung des Systems von der Politik betrauten Selbstverwaltungspartner, ihr Institut für das Entgeltsystem im Kran- kenhaus (InEK) und das dem Bundes- gesundheitsministerium unterstehende Deutsche Institut für Medizinische Do- kumentation und Information (DIMDI) sind auf valide Daten eines repräsenta- tiven Anteils an der stationären Ver- sorgung beteiligter Krankenhäuser al- ler Versorgungsstufen angewiesen. Da- bei zeigt sich das DIMDI für die Klassi- fikationssysteme der Diagnosen (Inter- national Statistical Classification of Di- seases and Related Health Problems, 10. Revision, German Modification, ICD- 10-GM) und Prozeduren (Operationen- und Prozedurenschlüssel, OPS) verant- wortlich; dagegen unterliegen Verände- rungen im G-DRG-System dem InEK. Kostenhomogenität in den Behandlungsfällen Jährlich liefert ein Teil der Krankenhäu- ser die Grundlagen der Kalkulation an- hand von Kosten- und Leistungsdaten. Anpassungsvorschläge werden im Rah- men eines „strukturierten Dialogs“ in das G-DRG-Fallpauschalensystem ein- gebracht. Parallel werden aber auch die Abrechnungsregeln (Fallpauschalenver- einbarung, FPV), die Deutschen Kodier- richtlinien (DKR) und die begleitenden Klassifikationssysteme (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS) von den jeweili- gen Institutionen weiterentwickelt [2, 3, 4]. Mittlerweile ist das G-DRG-System in Bezug auf seine Abbildungsgenauigkeit weltweit führend und dient als Grundla- ge für neue Systeme [5]. D Die Zusammenfassung von Fällen  zu Diagnosis Related Groups basiert  auf kostenhomogenen Fallgruppen. Diese weisen eine mehr oder minder gro- ße medizinische Homogenität auf. Die in der Vergangenheit relevante Verweil- dauer spielt für die G-DRG-Zuordnung (Gruppierung) eine untergeordnete Rol- le. Die Bewertungsrelation einer DRG spiegelt den mittleren Aufwand des Kal- kulationskollektivs wider, das eine Ver- weildauer zwischen 2 statistisch-norma- tiv festgelegten Grenzen aufweist. Die im Fallpauschalenkatalog angegebene Ver- weildauer stellt die mittlere Verweildau- er dieses Kollektivs dar. Wird ein Pa- tient zwischen unterer und mittlerer Ver- weildauer entlassen, ist ein positiver De- ckungsbeitrag am wahrscheinlichsten. Oberhalb der mittleren Verweildauer dürfte ein positiver Deckungsbeitrag sel- Redaktion W. Janni, Ulm R. Kimmig, Essen  N. Maass, Aachen 280 | Der Gynäkologe 4 · 2014 Gynäkologie aktuell

Kosten- und leistungsgerechte Abbildung von Gynäkologie und Geburtshilfe; Cost and performance-related depiction of gynecology and obstetrics;

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Page 1: Kosten- und leistungsgerechte Abbildung von Gynäkologie und Geburtshilfe; Cost and performance-related depiction of gynecology and obstetrics;

Gynäkologe 2014 · 47:280–284DOI 10.1007/s00129-014-3338-8Online publiziert: 20. März 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S.P. Renner1 · T. Hildebrandt1 · W. Fiori2 · K. Friese3 · D. Wallwiener4 · M.W. Beckmann1

1 Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen2 DRG-Research-Group, Universitätsklinikum Münster3 Frauenklinik, Universitätsklinikum München (LMU)4 Frauenklinik, Universitätsklinikum Tübingen

Kosten- und leistungsgerechte Abbildung von Gynäkologie und GeburtshilfeAnpassungsvorschläge zum German-Diagnosis-Related-Groups-System

Das German-Diagnosis-Related-Groups(G-DRG)-Fallpauschalensys-tem unterliegt seit seiner Einfüh-rung 2003 einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess. Ziel ist es, eine möglichst korrekte Abbildung der Kosten- und Leistungserbringung vollstationärer Leistungen im Kran-kenhaus zu erreichen. Die Mitarbeit der Leistungserbringer ist hierzu un-erlässliche Voraussetzung.

German-Diagnosis-Rela-ted-Groups-System

Als Basis der damaligen G-DRG-Ein-führung diente das australische System (Australian Refined Diagnosis Related Groups, AR-DRG, Version 4.1), wobei der zugrunde liegende Ursprung heut-zutage kaum mehr erkennbar erscheint [1]. Das System hat seither erheblichen Einfluss auf die stationäre Versorgung in Deutschland genommen, weg von einer Pauschale pro Belegungstag hin zu einer diagnose- und prozedurenabhän-gigen Vergütung pro Fall. Verweildauer-kürzungen, Bettenabbau mit daraus ein-hergehender Leistungsverdichtung, alles mit dem Ziel einer möglichst großen Ef-fizienz im betriebswirtschaftlichen Sin-ne, waren die Folge. Die mit der Weiter-

entwicklung des Systems von der Politik betrauten Selbstverwaltungspartner, ihr Institut für das Entgeltsystem im Kran-kenhaus (InEK) und das dem Bundes-gesundheitsministerium unterstehende Deutsche Institut für Medizinische Do-kumentation und Information (DIMDI) sind auf valide Daten eines repräsenta-tiven Anteils an der stationären Ver-sorgung beteiligter Krankenhäuser al-ler Versorgungsstufen angewiesen. Da-bei zeigt sich das DIMDI für die Klassi-fikationssysteme der Diagnosen (Inter-national Statistical Classification of Di-seases and Related Health Problems, 10. Revision, German Modification, ICD-10-GM) und Prozeduren (Operationen- und Prozedurenschlüssel, OPS) verant-wortlich; dagegen unterliegen Verände-rungen im G-DRG-System dem InEK.

Kostenhomogenität in den Behandlungsfällen

Jährlich liefert ein Teil der Krankenhäu-ser die Grundlagen der Kalkulation an-hand von Kosten- und Leistungsdaten. Anpassungsvorschläge werden im Rah-men eines „strukturierten Dialogs“ in das G-DRG-Fallpauschalensystem ein-gebracht. Parallel werden aber auch die Abrechnungsregeln (Fallpauschalenver-

einbarung, FPV), die Deutschen Kodier-richtlinien (DKR) und die begleitenden Klassifikationssysteme (ICD-10-GM) und Prozeduren (OPS) von den jeweili-gen Institutionen weiterentwickelt [2, 3, 4]. Mittlerweile ist das G-DRG-System in Bezug auf seine Abbildungsgenauigkeit weltweit führend und dient als Grundla-ge für neue Systeme [5].

D Die Zusammenfassung von Fällen zu Diagnosis Related Groups basiert auf kostenhomogenen Fallgruppen.

Diese weisen eine mehr oder minder gro-ße medizinische Homogenität auf. Die in der Vergangenheit relevante Verweil-dauer spielt für die G-DRG-Zuordnung (Gruppierung) eine untergeordnete Rol-le. Die Bewertungsrelation einer DRG spiegelt den mittleren Aufwand des Kal-kulationskollektivs wider, das eine Ver-weildauer zwischen 2 statistisch-norma-tiv festgelegten Grenzen aufweist. Die im Fallpauschalenkatalog angegebene Ver-weildauer stellt die mittlere Verweildau-er dieses Kollektivs dar. Wird ein Pa-tient zwischen unterer und mittlerer Ver-weildauer entlassen, ist ein positiver De-ckungsbeitrag am wahrscheinlichsten. Oberhalb der mittleren Verweildauer dürfte ein positiver Deckungsbeitrag sel-

RedaktionW. Janni, UlmR. Kimmig, Essen N. Maass, Aachen

280 |  Der Gynäkologe 4 · 2014

Gynäkologie aktuell

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ten sein. In der Betrachtung entscheidend ist, dass der Einzelfall nur selten auf-wandsgerecht abgebildet wird, vielmehr stellt das System eine Mischkalkulation dar, wobei sich die Vergütung am mitt-leren Aufwand orientieren soll. Dennoch ist es das Ziel, möglichst kostentechnisch homogene Fälle in einer DRG zusam-menzufassen. Ansonsten sollte die DRG weiter aufgesplittet werden.

Sachgerechtere Ressourcen-verteilung in Deutschland

In der Diskussion der leistungsorien-tierten Verteilung im Fachgebiet der Gy-näkologie und Geburtshilfe hat sich die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) zur Aufgabe gestellt, durch ein DRG-Evaluationspro-jekt in Zusammenarbeit mit der DRG Re-search Group der Universität Münster an der Weiterentwicklung des Systems mit-zuwirken und für mehr Verteilungsge-rechtigkeit im Fachgebiet zu sorgen. Dass das InEK auf die Mitarbeit der System-anwender angewiesen ist, zeigt die hohe Zahl an Anpassungsvorschlägen, die pro Jahr umgesetzt werden. Ziel des Projekts sollte die eingehende Analyse von freiwil-lig aus deutschen Kliniken bereitgestell-ten Kosten- und Leistungsdaten mit an-schließender Formulierung gezielter An-passungsvorschläge an das InEK und das DIMDI sein.

Im Auftrag der DGGG wurden von Februar 2012 bis Juli 2012 gynäkologi-sche Abteilungen deutscher Klinik mit der Frage zur Bereitschaft an der Teilnah-me an diesem Projekt angeschrieben. Ne-ben einer finanziellen Beteiligung ging es hierbei um die Frage der Lieferung von Kosten- und Leistungsdaten aus 2011. Die gelieferten Kosten- und Leistungsdaten sollten den Daten entsprechen, die die Krankenhäuser auch dem InEK zur Ver-fügung gestellt hatten [6].

Datenanalyse und Identifikation von Kosteninhomogenitäten

Als nächster Schritt stand eine ausgiebi-ge Datenplausibilisierung an. Aufgrund unterschiedlichen Kodierverhaltens der Einzelkliniken, aber auch aufgrund von

Kodierfehlern und unterschiedlichen Begutachtungsstilen durch lokale Prüf-dienste (wie dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, MDK), wer-den häufig ähnliche Fälle unterschiedli-chen DRG zugeordnet. Hierdurch kann es zum Anschein unterschiedlicher Kos-ten kommen, die real gar nicht existie-ren. Im umgekehrten Fall können aber auch Kostenunterschiede zwischen ein-zelnen Fällen auffallen, die nicht existent sind. Anhand von mehr als 300 Prüfre-geln konnten eine Plausibilisierung und Korrektur der Daten erfolgen, um der-artige Effekte möglichst gering zu hal-ten. Die Plausibilisierungen bezogen sich auch auf Attribute, die momentan noch nicht abrechnungs- bzw. erlösrelevant sind, denen jedoch in Zukunft mögli-che Abrechnungsrelevanz, ggf. auch im Rahmen von Zusatzentgelten, beigemes-sen wurde. Weiterhin wurden die Kos-tendaten auf grobe Unstimmigkeiten hin plausbilisiert.

Es konnten viele Fehler korrigiert und Kodierungen vereinheitlicht werden. Nur eine geringe Zahl an Fällen (<0,5%) musste, insbesondere aufgrund von Auf-fälligkeiten bei den Kostendaten, von der weiteren Datenverarbeitung ausgeschlos-sen werden.

Neugeborene und Fälle mit Leis-tungen von Belegärzten oder -hebam-men wurden von der Auswertung ausge-schlossen. Ebenso waren durch das Pro-jekt keine Aussagen über ambulante Ver-sorgungsstrukturen möglich.

Die Kostenkalkulation und DRG-Sys-tem-Weiterentwicklung durch das InEK basiert im Wesentlichen auf sogenannten Normalliegern, also den Fällen, die zwi-schen den beiden statistisch-normativ festgelegten Grenzverweildauern behan-delt wurden. Für die Leistungserbringung und Vergütung sind jedoch auch die Be-trachtung der Kurzlieger (unterhalb der unteren Grenzverweildauer) und die Be-trachtung der Langlieger (oberhalb der oberen Grenzverweildauer) wichtig, da es hier zu Ab- und auch zu Zuschlägen kommt. Fälle mit langen Verweildau-ern werden bewusst unterfinanziert, um Anreize für eine frühzeitige Entlassung und wirtschaftliche Prozessabläufe zu schaffen. Kommt es in einem bestimm-ten Krankenhaus z. B. aufgrund des Ver-

sorgungscharakters jedoch sehr häu-fig zu medizinisch notwendigen langen Verweildauern (z. B. Verhinderung von Frühgeburten in einem Perinatalzentrum I. Ordnung), kann dies in einer Unterfi-nanzierung resultieren [7, 8].

D Neben den Verweildauern wurde ein Hauptaugenmerk auf die Kostenanalyse der einzel-nen Fallkollektive gelegt.

Um Auffälligkeiten in der Leistungser-bringung, die evtl. eine gesonderte Abbil-dung im G-DRG-System notwendig ma-chen, zu identifizieren, erfolgte sowohl der interklinische Vergleich mit den Daten der am Projekt teilnehmenden Kliniken als auch mit der InEK-Stichpro-be. Ergaben sich in der Projektstichpro-be durchgängig höhere Kosten einzelner DRG, als dies in den InEK-Daten der Fall war, wurden mögliche Ursachen hierfür gesucht und analysiert. Hierbei kommen zum einen die Zusammensetzung der Projektkliniken (z. B. relative Speziali-sierung), aber auch eine Kondensation verschiedener Leistungen unterschied-licher Fachdisziplinen infrage. Der Ver-gleich zwischen den am Projekt beteilig-ten Einzelkliniken ermöglichte es, Be-sonderheiten im Kodierverhalten oder in der Leistungserbringung aufzudecken. Im Dialog wurden anschließend hieraus Notwendigkeiten zur Systemanpassung abgeleitet und Anpassungsvorschläge er-arbeitet.

Mithilfe klinischer Profile wurde nach ICD- und OPS-Codes gesucht, die einer sachgerechteren als der bisherigen Abbil-dung dienen könnten [10]. Fälle mit ent-sprechenden Attributen wurden den Kos-ten und Verweildauern der Gesamtgrup-pe gegenübergestellt, die aus Normallie-gern bzw. allen Fällen einer G-DRG be-stand. Auch die Zuteilung zu den einzel-nen Basis-DRG mit entsprechenden Kos-tenvergleichen wurde durchgeführt.

Letztlich konnten auch bisherige DRG-Splitkriterien, DRG-Kondensatio-nen mit den jeweiligen DRG-Definitions-kriterien [11] auf Sachgerechtigkeit über-prüft werden. Hierbei zeigten sich im Fallkollektiv der Gynäkologie und Ge-burtshilfe häufig über die klassisch dem Fachgebiet zuzuordnenden DRG hinaus-

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Zusammenfassung · Abstract

Gynäkologe 2014 · 47:280–284   DOI 10.1007/s00129-014-3338-8© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S.P. Renner · T. Hildebrandt · W. Fiori · K. Friese · D. Wallwiener · M.W. BeckmannKosten- und leistungsgerechte Abbildung von Gynäkologie und Geburtshilfe. Anpassungsvorschläge zum German-Diagnosis-Related-Groups-System

ZusammenfassungHintergrund.  Die Abrechnung stationärer Fälle in Deutschland erfolgt über das „Ger-man-Diagnosis-Related-Groups“(G-DRG)-Sys-tem, das jährlich entsprechend den Verände-rungen der Kosten und der Leistungserbrin-gung angepasst wird. Dabei werden durch das DRG-Institut (Institut für das Entgeltsys-tem im Krankenhaus, InEK) der Selbstverwal-tungspartner Daten der Leistungserbringer ausgewertet. Das InEK ist damit beauftragt, jährlich die DRG-Kalkulation entsprechend den vorliegenden Daten vorzunehmen und das System weiterzuentwickeln. Die Mitarbeit der Leistungserbringer ist hierzu unerlässli-che Voraussetzung.Ziel.  Im Rahmen eines DRG-Evaluationspro-jekts des Jahres 2012 hat es sich die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshil-fe (DGGG) zur Aufgabe gemacht, für eine grö-ßere Verteilungsgerechtigkeit im Fach Gynä-kologie und Geburtshilfe zu sorgen.Material und Methode.  Im Auftrag der DGGG wurden von Februar 2012 bis Juli 2012 gynäkologische Abteilungen deutscher Klini-

ken mit der Frage zur Bereitschaft an der Teil-nahme an diesem Projekt angeschrieben. Ne-ben einer finanziellen Beteiligung ging es um die Frage der Lieferung von Kosten- und Leis-tungsdaten aus 2011. Die gelieferten Kosten- und Leistungsdaten sollten den Daten ent-sprechen, die die Krankenhäuser auch dem InEK zur Verfügung gestellt hatten. Im Rah-men der Auswertung der ermittelten Daten wurden Unterfinanzierungen im DRG-System aufgedeckt, aber auch überproportional ver-gütete DRG identifiziert und entsprechende Vorschläge an das InEK zur gerechteren Um-verteilung erarbeitet. Zusätzlich waren Verän-derungen von Codes des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) und International Statistical Classification of Diseases and Re-lated Health Problems (ICD) erforderlich, um die Fallschwere und Zuordnung der Fälle zu bestimmten DRG besser abbilden zu können.Ergebnis.  Die erarbeiteten Vorschläge wur-den an das Deutsche Institut für Medizini-sche Dokumentation und Information (DIM-DI) übermittelt. Über die Umsetzung der An-

passungsvorschläge zum G-DRG-System hat das InEK im September 2013 entschieden. Dabei ist ein Großteil der Vorschläge kom-plett oder in modifizierter Form aufgenom-men worden. Das Fachgebiet hat sowohl durch eine gerechtere Verteilung als auch im Sinne von Mehrerlösen deutlich profitiert. Weitere, sich teils aus der Umsetzung erge-benden Vorschläge bzw. aufgrund der Kürze der Zeit nicht bearbeiteten Anregungen wer-den im nächsten Jahr von der DGGG erneut eingereicht. Schlussfolgerung.  Der finanzielle Druck der gynäkologisch/geburtshilflichen Kliniken wird sich durch die Weiterentwicklung des DRG-Systems nicht reduzieren lassen.

SchlüsselwörterEvaluation · Kodierung · Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe · Finanzierung · Qualitätsmanagement

Cost and performance-related depiction of gynecology and obstetrics. Proposals for adjustment in the German diagnosis-related groups system

AbstractBackground.  The invoicing of inpatient cas-es in Germany is carried out via the German diagnosis-related groups (G-DRG) system which is annually adapted corresponding to changes in costs and provision of services. In this process the DRG Institute (InEK, Insti-tute for the Remuneration System in Hospi-tals) of the self-governing partners evaluates the data of the hospital services. The DRG-In-EK is therefore entrusted to annually make the DRG calculations corresponding to the available data and to develop the system fur-ther. Cooperation from the hospital services is therefore an indispensible prerequisite.Aim.  Within the framework of the DRG eval-uation project for 2012 the Deutsche Ge-sellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG, German Society for Gynecology and Obstetrics) decided to take on the responsi-bility of ensuring a greater distributional jus-tice in the discipline of gynecology and ob-stetrics.

Material and methods.  On behalf of the DGGG from February 2012 to July 2012 gyne-cology departments in German clinics were contacted and asked if they were willing to participate in this project. In addition to fi-nancial participation they were asked to de-liver data on costs and services provided in 2011 corresponding to the data provided to the InEK by the hospitals. Within the frame-work of evaluation of the collated data ex-amples of underfinancing in the DRG system were uncovered, disproportionately compen-sated DRGs were identified and correspond-ing proposals for a fairer redistribution were submitted to the InEK. Additionally, altera-tions to the codes of the operations and pro-cedures key (OPS) and the International Sta-tistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) were necessary in or-der to be able to more easily depict the sever-ity and assignment of cases to defined DRGs. Results.  These proposals were passed on to the Deutsche Institut für Medizinische Doku-

mentation und Information (DIMDI, German Institute for Medical Documentation and In-formation). A decision on the implementa-tion of these adjustment proposals for the G-DRG system was made by the InEK in Sep-tember 2013 and the majority of propos-als were accepted completely or in modified form. The discipline has clearly profited from a fairer distribution and also in the sense of additional revenue. Further proposals which have partly arisen from the implementation and suggestions which could not be dealt with due to the lack of time will be resubmit-ted next year by the DGGG.Conclusion.  The financial pressure on gy-necological obstetric clinics will not be re-duced by the further development of the G-DRG system.

KeywordsEvaluation · Coding · Gynecology and obstetrics · Financing · Quality management

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gehende Eingruppierungen, sodass auch hier Auswertungen und Simulationen notwendig wurden.

Am Ende konnte mit der beschrie-benen Methodik eine Vielzahl von An-passungsvorschlägen erarbeitet werden. Neben klassischen Änderungen betra-fen diese komplexe Umbauten einzelner DRG und das Gesamtsystem. Auch Än-derungsvorschläge im ICD-10-GM- und OPS-System, die zu einer sachgerech-ten Abbildung der Leistungen beitragen könnten, wurden erarbeitet.

Alle Änderungsvorschläge wurden der Arbeitsgruppe der DGGG vorgestellt, um diese auf klinische Relevanz hin zu prü-fen und auf tatsächlich nachvollziehba-ren, klinischen Mehr- oder Minderauf-wand hin zu prüfen. Auch sich evtl. durch Veränderungen ergebende (Fehl-)Anrei-ze wurden diskutiert.

Letztlich sollten die Anpassungen we-der zu einer nichtgewollten Fallselektion und Leistungssteuerung, aber auch nicht zu einem neuerlichen Streitpotenzial mit Kostenträgern (z. B. MDK) führen und einen vertretbaren Dokumentationsauf-wand nicht überschreiten.

Entscheidung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus

Es bleibt abzuwarten, wie viele der von der DGGG eingereichten Anpassungs-vorschläge insgesamt am Ende umgesetzt werden. Letztendlich steht auch dem In-EK der begrenzende Faktor „Zeit“ inner-halb eines Anpassungszyklus gegenü-ber. Vom InEK muss hier in kurzer Zeit überprüft werden, ob sich die anhand der Projektdaten aufgezeigten Probleme an der InEK-Stichprobe für das G-DRG-System 2014 (Kosten- und Leistungsdaten aus 2012) nachvollziehen lassen. Dies er-scheint jedoch aufgrund der datengetrie-benen Analysen der Arbeitsgruppe der DGGG und z. T. sehr hohen Überschnei-dung der Projektdaten aus 2011 mit der InEK-Stichprobe aus 2011 für viele An-passungsvorschläge mehr als wahr-scheinlich. Viele Anpassungsvorschlä-ge beeinflussen sich gegenseitig, sodass die Reihenfolge der Abarbeitung (Prio-risierung) Einfluss auf die Umsetzungs-wahrscheinlichkeit haben kann. Zudem

können ebenso von anderer Seite (An-wender, Institutionen) Anpassungsvor-schläge eingebracht werden. Auch gene-relle Veränderungen wie Anpassungen der Schweregradmatrix [“Clinical-com-plexity-level“(CCL)-Matrix], der Berech-nung des „Patient-clinical-complexity-level“(PCCL)-Nebendiagnoseschwere-grads oder Veränderungen in der Hie-rarchie des DRG-Abfrage-Algorithmus können hier erheblichen, unvorherseh-baren Einfluss haben. Und nicht zuletzt können Anpassungsvorschläge bei offen-sichtlicher Fehlabbildung scheitern, wenn keine Einigung zwischen den Selbstver-waltungspartnern zu erzielen ist.

Durch die Teilnahme an „strukturier-ten Dialogen“ zur Weiterentwicklung des G-DRG-Systems können im Rahmen des Projekts die Mitarbeit bescheinigt und konstruktive Lösungsvorschläge nachge-wiesen werden. Für die Beseitigung der Abbildungsschwächen zeigen sich nun-mehr wiederrum die Selbstverwaltungs-partner verantwortlich. Vonseiten der DGGG kann nun mit Nachdruck eine Beseitigung der aufgezeigten Schwach-stellen gefordert werden.

Finanzieller Rahmen

Im Rahmen eines derartigen Projekts können immer nur Lösungsvorschläge erarbeitet werden, da die Entscheidungen auf anderer Ebene zu treffen sind. Zudem muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den meisten Anpassungen vor-wiegend um Vorschläge für eine Umver-teilung innerhalb des Fachgebiets Gynä-kologie und Geburtshilfe handelt. Die für das Fachgebiet zu verteilenden Ressour-cen werden lediglich von zuvor zu Un-recht überfinanzierten Kliniken im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit auf andere, bis dato unterfinanzierte Häuser verteilt. Mit einer Erhöhung der bisher zur Verfü-gung stehenden Gesamtressourcen („ca-se mix“; von einzelnen Rand-DRG mit Überschneidung zu anderen Fachgebie-ten abgesehen) ist dabei nicht zu rechnen.

Schlussfolgerungen

Die Finanzierung stationärer Leistun-gen im Krankenhaus mithilfe des G-DRG-Systems soll insbesondere den An-

reiz zur wirtschaftlichen Leistungserbrin-gung setzen und die begrenzten finanziel-len Ressourcen möglichst sachgerecht auf die Leistungserbringer verteilen. Mit dem Ziel der maximalen Verteilungsgerechtig-keit kann dabei der derzeit noch auf dem System lastende Druck auf die Kran-kenhäuser zurückgegeben werden. Von einem gerechten System ausgehend sind die Krankenhäuser in ihrer wirtschaft-lichen Leistungserbringung mehr und mehr gefordert, ohne die Schuld unzurei-chender Vergütung auf das System abwäl-zen zu können [12]. Gravierender wirken sich die fehlende Refinanzierung gestie-gener Kosten und der zunehmend vor-handene Investitionsstau vonseiten der Bundesländer her aus. Hier sind grund-legende Fragen auf politischer Ebene bis-her ungeklärt.

»  Anhand der klinischen Leistungsgruppen lassen sich strategische Entscheidungen ableiten

Krankenhäuser selbst sind gezwungen, auf den zunehmenden finanziellen Druck zu reagieren. Dabei ist die möglichst ge-naue Kenntnis der Positionierung im Markt unerlässlich. Im Rahmen des Pro-jekts wurde den teilnehmenden Klini-ken ein Benchmark-Bericht zur Verfü-gung gestellt, der den Vergleich der eige-nen Daten mit der Projektgruppe und den bundesdeutschen Daten erlaubt. Zu-dem wurde ein Vergleich klinischer Leis-tungsgruppen [13, 14] ermöglicht, da die Komplexität des Systems zu einer Streu-ung der Behandlungsfälle auf eine Viel-zahl unterschiedlicher G-DRG mit z. T. kleinen Fallzahlen führt. Anhand der kli-nischen Leistungsgruppen können eigene Stärken und Schwächen identifiziert und hieraus besser strategische Entscheidun-gen abgeleitet werden.

Fazit

Ende dieses Jahres wird das neue G-DRG-System 2014 zeigen, inwieweit die Anpassungsvorschläge umgesetzt wur-den und welche Effekte sich aus der Wei-terentwicklung für das Fachgebiet und seine Subspezialisierungen ergeben ha-

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Page 5: Kosten- und leistungsgerechte Abbildung von Gynäkologie und Geburtshilfe; Cost and performance-related depiction of gynecology and obstetrics;

ben. Die Autoren werden hierüber nach Analyse des dann vorliegenden Systems im nächsten Jahr erneut berichten.

Korrespondenzadresse

PD Dr. S.P. RennerFrauenklinik, Universitätsklinikum ErlangenUniversitätsstr. 21–23, 91054 [email protected]

Acknowledgments.  Das Projekt war nur mit der  finanziellen Unterstützung von folgenden Kliniken durchführbar (Orte in alphabetischer Reihenfolge).Eine Datenlieferung war einigen der beteiligten  Kliniken seitens der Verwaltung untersagt  worden:

FUniversitätsklinikum Aachen, Aachen,

FStädtisches Klinikum Brandenburg GmbH, 

 Brandenburg,

FDRK Krankenhaus Chemnitz-Rabenstein, 

 Chemnitz,

FKlinikum Coburg gGmbH, Coburg,

FKrankenhaus St. Joseph-Stift Dresden, Dresden,

FUniversitätsklinikum Erlangen, Erlangen,

FUniversitätsklinikum der Universität Greifswald, 

Greifswald,

FMedizinische Hochschule Hannover, Hannover,

FRuprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universitätsklinik, Heidelberg,

FMarienhospital Herne, Herne,

FUniversitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel, Kiel,

FKlinikum St. Georg gGmbH, Leipzig,

FKlinikum der Universität München, Campus 

Innenstadt, München,

FDietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg, 

Neubrandenburg,

FKlinikum Oldenburg gGmbH, Oldenburg,

FUniversität Regensburg, Caritas-Krankenhaus St. 

Josef, Regensburg,

FUniversitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen,

FUniversitätsklinikum Ulm, Ulm.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  S.P. Renner, T. Hildebrandt, W. Fiori, K. Friese, D. Wallwiener und M.W. Beckmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Metzger F (Hrsg) (2011) DRGs für die Kitteltasche.  Dr. Franz Metzger, Mannheim

  2.  Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) (o J) Vorschlagsverfahren zur Einbin-dung des medizinischen, wissenschaftlichen und weiteren Sachverstandes bei der Weiterentwick-lung des G-DRG-Systems (G-DRG Vorschlagsver-fahren). Zugegriffen: 01. Juni 2013

  3.  Deutsches Institut für Medizinische Dokumen-tation und Information (DIMDI) (o J) Vorschlags-verfahren zur Pflege von OPS und ICD-10-GM für Zwecke des G-DRG-Systems. Zugegriffen: 01. Juni 2013

  4.  Beckmann MW, Bader W, Bechtold I et al (2011) Fi-nanzierung und finanzielle Probleme von Leistun-gen und Strukturen im Fachgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe im Jahr 2011 – DRG-System und stationäre Versorgung inklusive Urogynäkologie und benigner wie auch maligner gynäkologischer Operationen. Geburtsh Frauenheilkd 71:497–510

  5.  Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH). Abschlussbericht „Weiterentwick-lung des G-DRG-Systems für das Jahr 2013“, Klas-sifikation, Katalog und Bewertungsrelationen. (19.Dezember 2012)

  6.  Anlage zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten nach §21 Abs. 4 und Abs. 5 KHEntgG: Daten nach §21 KHEntgG – Version 2012 für das Datenjahr 2011, Fortschreibung vom 1. Dezem-ber 2011. http://www.g-drg.de/cms/G-DRG-Sys-tem_2013/Abschlussbericht_zur_Weiterentwick-lung_des_G-DRG-Systems_und_Report_Brow-ser/Abschlussbericht_zur_Weiterentwicklung_des_G-DRG-Systems_fuer_2013. Zugegriffen: 01. Juni 2013

  7.  Hildebrandt T, Kraml F, Wagner S et al (2013) Im-pact of patient and procedure mix on finances of perinatal centres – theoretical models for econo-mic strategies in perinatal centres. Geburtsh Frau-enheilkd 73:783–791

  8.  Lux MP, Kraml F, Wagner S et al (2013) Financi-al viability of perinatal centers in the longer term, taking legislative requirements into account. An examination of the cost-revenue structure of a Le-vel I perinatal center. In Vivo 27:855−867

  9.  Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH). Abschlußbericht „Weiterentwick-lung des G-DRG-Systems für das Jahr 2005“, Klas-sifikation, Katalog und Bewertungsrelationen. (20. Dezember 2004)

10.  Roeder N, Bunzemeier H, Loskamp N et al (2003) DRG-Transparenz durch klinische Profile. Kranken-haus 4:289–292

11.  Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) Dokumente zum G-DRG-System 2013. In: http://www.g-drg.de/cms/Archiv/Sys-temjahr_2005_bzw._Datenjahr_2003#sm7. Zu-gegriffen: 01. Juni 2013

12.  Fiori W, Bunzemeier H, Roeder N (2012) War-um das Geld nicht reicht. Nicht an allem sind die DRGs schuld. Krankenhaus 10:989–995

13.  Helling J, Bunzemeier H, Fiori W et al (2009) Klini-sche Leistungsgruppen – Update und Ausblick. Krankenhaus 9:857–862

14.  Roeder N, Siebers L, Frie M et al (2006) DRG-Ak-zeptanz verbessern. Kliniker erreichen mit klini-schen Leistungsgruppen. Krankenhaus 5:390–401

15.  Renner SP (2013) DGGG-Finanzierungskommis-sion. „Können wir uns das noch leisten?“ – Veran-staltungsbericht: Das DRG-Evaluationsprojekt der DGGG – das Fach profitiert enorm! Geburtshilfe Frauenheilkd 73: 1171−1173

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284 |  Der Gynäkologe 4 · 2014

Gynäkologie aktuell