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© Springer-Verlag 2010 wobl 208 Rechtsprechung/MRG 2010, Heft 7/8 Juli/August zwar nicht fest, ob der erneute Ungezieferbefall durch Wanzen bereits aufgetreten war oder ob der neuerliche Wanzenbefall erst nach Zustellung der Aufkündigung eintrat. Allerdings war das von den Vertretern der Kl be- anstandete Gerümpel nach wie vor in der Wohnung. Auch eine Vernachlässigung einer Wohnung durch An- häufung von Gerümpel bei Unterlassung jeglicher Reini- gung verwirklicht aber den geltend gemachten Kündi- gungsgrund (RIS-Justiz RS0068211). Dabei kann als be- kannt vorausgesetzt werden, dass gerade die Ansamm- lung von Unrat und Gerümpel den idealen Nährboden für Ungeziefer aller Art darstellt (3 Ob 164/02t). Die Auffassung des BerufungsG, die Kl habe auf den in der Folge geltend gemachten Kündigungsgrund konklu- dent verzichtet; in der rund sechs Wochen vor Zustel- lung der Aufkündigung einvernehmlich durchgeführten Schädlingsbekämpfung sowie der vereinbarten, wenn auch erst nach der Kündigung durchgeführten Entrüm- pelung und Säuberung der Wohnung liege der konklu- dente Kündigungsverzicht; ist als korrekturbedürftig anzusehen: Die Annahme eines Verzichts auf einen Kün- digungsgrund unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB hat allgemein zur Voraussetzung, dass der Vermieter ein Verhalten setzt, aus welchem mit Überlegung aller Um- stände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Vermieter einen ihm bekannten Sach- verhalt nicht als Kündigungsgrund geltend machen will (RIS-Justiz RS0014423). Ob auf ein Recht iSd § 863 ABGB stillschweigend verzichtet wurde, ist unter Anle- gung eines strengen Maßstabs zu prüfen (Rummel in Rummel 3 § 863 Rz 14; Bollenberger in KBB 2 § 863 Rz 6 f je mwN; RIS-Justiz RS0014420). Selbst wenn man mit dem BerufungsG davon ausgehen wollte, dass in den genann- ten „Vereinbarungen“ bezüglich der Beseitigung des Un- geziefers und der Entrümpelung der Wohnung ein still- schweigender Verzicht der Kl auf die Geltendmachung des Kündigungsgrunds gelegen sei, so setzt diese An- nahme zwingend voraus, dass der Bekl sich an die getrof- fenen Abmachungen auch gehalten hätte. Das ist im vor- liegenden Fall jedoch nicht geschehen. Obwohl die Kl ausdrücklich ihre Hilfe bei der Entrümpelung anbot, lehnte der Bekl dieses Anbot mehrfach ab, ohne die Ent- rümpelung selbst bzw mit seinem Bruder absprachege- mäß vorzunehmen. Der Bekl hat sich somit selbst an die „Vereinbarung“ mit der Kl nicht gehalten. Unter diesen Umständen kann der Kl keinesfalls unterstellt werden, auf die Einbringung der Aufkündigung trotz Weiter- bestehens des Unrats in der Wohnung zu verzichten. Aber auch die vom BerufungsG ins Treffen geführte „positive Zukunftsprognose“ liegt nicht vor: Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Rsp nie davon abgegangen ist, dass grundsätzlich für die Beurteilung eines Kündi- gungsgrunds die Umstände zum Zeitpunkt der Zustel- lung der Aufkündigung maßgebend sind. Nur dort, wo das Gesetz Zukunftsprognosen verlangt, kann das nach der Kündigung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz an den Tag gelegte Verhalten des Gekündigten insoweit berücksichtigt werden, als es einen Schluss auf die Entwicklung in der Zukunft zulässt. Selbstverständ- lich führt dies aber dazu, dass das Verhalten nach Ein- bringung der Aufkündigung auf das Schicksal der Kün- digung dann keinen Einfluss haben kann, wenn es nicht den Schluss zulässt, dass die Wiederholung der bisheri- gen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen ist (7 Ob 632/ 88 = MietSlg 40.435; 8 Ob 597/85 = MietSlg 38.444/4; RIS- Justiz RS0070340). Entgegen der Auffassung des Beru- fungsG kann hier von einer positiven Zukunftsprognose nicht die Rede sein: Das zeigt sich am deutlichsten daran, dass zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt un- mittelbar nach Vornahme der ersten Ungezieferbekämp- fung erneut Wanzenbefall in der Wohnung aufgetreten ist, der erst nach Zustellung der Aufkündigung beseitigt wurde. Auch das Verhalten des Bekl, der das von der Kl vor Einbringung der Aufkündigung gestellte Anbot auf Hilfe bei der Entrümpelung ablehnte, lässt sich nicht so beurteilen, dass eine Wiederholung der bisherigen Unzu- kömmlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszu- schließen ist: Immerhin befand sich die aufgekündigte Wohnung auch noch zum Zeitpunkt des vom ErstG durchgeführten Ortsaugenscheins in einem Zustand, der in keiner Weise gewährleistet, dass nicht erneut Ungezie- ferbefall auftreten wird. Dazu ist nur exemplarisch auf die Feststellung des ErstG zu verweisen, wonach bei der Durchführung des Ortsaugenscheins am 19. 2. 2007 an der Wand beim Bett im Schlafzimmer des Bekl Tier- exkremente und in einer Spinnwebe im Eck eines Bücherregals tote Wanzen sichtbar waren. Auch eine „laufende weitere Entrümpelung“ durch den Bruder des Bekl konnte das ErstG nicht feststellen. Es ist somit zu- sammengefasst davon auszugehen, dass zum maßgebli- chen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG verwirklicht wurde, dass die Kl auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrunds weder aus- drücklich noch stillschweigend verzichtete und dass in Gesamtwürdigung aller aufgezeigten Umstände eine günstige Zukunftsprognose nicht erstellt werden kann. Aus diesen Gründen erweist sich die Revision der Kl berechtigt. Es war demnach das Urteil des ErstG wieder- herzustellen. (. . .) 92. Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens durch eine geistig behinderte Person DOI 10.1007/s00719-010-1446-8 § 30 Abs 2 Z 3 MRG: Grundsätzlich ist Geisteskrankheit kein Freibrief für unleidliches Verhalten. Bei gewissen Verhaltensweisen muss aber der Umstand der Unzurechnungsfähigkeit zumindest in der Weise berücksichtigt werden, dass das Verhalten einer geisteskranken Person nicht unter allen Umständen ebenso unleidlich, also für die Mitbewohner unerträglich ist, wie ein gleichartiges Verhalten einer zurechnungsfähigen Person. OGH 10. 11. 2009, 5 Ob 226/09k – Zurückweisung der ao Revision (LGZ Wien 39 R 100/09h) Aus den Entscheidungsgründen des OGH: Die Bekl macht in ihrer ao Revision geltend, die Vor- instanzen hätten beim bejahten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG (unleidliches Verhalten) einen zu strengen Maßstab angelegt, weil nicht (ausrei- chend) berücksichtigt worden sei, dass der störende und lärmende Sohn der Bekl, dessen Verhalten sich die Bekl – nach der im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen An- sicht der Vorinstanzen – zurechnen lassen muss, geistig behindert ist. Mit diesen Ausführungen macht die Bekl keine erheb- liche Rechtsfrage geltend: 1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt regelmäßig kein Verschulden des Mieters (hier genauer: des Störers) voraus (RIS-Justiz RS0070243). Fehlende Vorwerfbarkeit des unleidlichen Verhaltens schließt daher die Annahme der Unzumutbarkeit nicht aus (RIS-Justiz RS0020957 [T8]). Es kommt darauf an, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes ange- sehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige

Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens durch eine geistig behinderte Person

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wobl208 Rechtsprechung/MRG 2010, Heft 7/8

Juli/August

zwar nicht fest, ob der erneute Ungezieferbefall durchWanzen bereits aufgetreten war oder ob der neuerlicheWanzenbefall erst nach Zustellung der Aufkündigungeintrat. Allerdings war das von den Vertretern der Kl be-anstandete Gerümpel nach wie vor in der Wohnung.Auch eine Vernachlässigung einer Wohnung durch An-häufung von Gerümpel bei Unterlassung jeglicher Reini-gung verwirklicht aber den geltend gemachten Kündi-gungsgrund (RIS-Justiz RS0068211). Dabei kann als be-kannt vorausgesetzt werden, dass gerade die Ansamm-lung von Unrat und Gerümpel den idealen Nährbodenfür Ungeziefer aller Art darstellt (3 Ob 164/02t).

Die Auffassung des BerufungsG, die Kl habe auf den inder Folge geltend gemachten Kündigungsgrund konklu-dent verzichtet; in der rund sechs Wochen vor Zustel-lung der Aufkündigung einvernehmlich durchgeführtenSchädlingsbekämpfung sowie der vereinbarten, wennauch erst nach der Kündigung durchgeführten Entrüm-pelung und Säuberung der Wohnung liege der konklu-dente Kündigungsverzicht; ist als korrekturbedürftiganzusehen: Die Annahme eines Verzichts auf einen Kün-digungsgrund unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGBhat allgemein zur Voraussetzung, dass der Vermieter einVerhalten setzt, aus welchem mit Überlegung aller Um-stände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrigbleibt, dass der Vermieter einen ihm bekannten Sach-verhalt nicht als Kündigungsgrund geltend machen will(RIS-Justiz RS0014423). Ob auf ein Recht iSd § 863ABGB stillschweigend verzichtet wurde, ist unter Anle-gung eines strengen Maßstabs zu prüfen (Rummel inRummel3 § 863 Rz 14; Bollenberger in KBB2 § 863 Rz 6f jemwN; RIS-Justiz RS0014420). Selbst wenn man mit demBerufungsG davon ausgehen wollte, dass in den genann-ten „Vereinbarungen“ bezüglich der Beseitigung des Un-geziefers und der Entrümpelung der Wohnung ein still-schweigender Verzicht der Kl auf die Geltendmachungdes Kündigungsgrunds gelegen sei, so setzt diese An-nahme zwingend voraus, dass der Bekl sich an die getrof-fenen Abmachungen auch gehalten hätte. Das ist im vor-liegenden Fall jedoch nicht geschehen. Obwohl die Klausdrücklich ihre Hilfe bei der Entrümpelung anbot,lehnte der Bekl dieses Anbot mehrfach ab, ohne die Ent-rümpelung selbst bzw mit seinem Bruder absprachege-mäß vorzunehmen. Der Bekl hat sich somit selbst an die„Vereinbarung“ mit der Kl nicht gehalten. Unter diesenUmständen kann der Kl keinesfalls unterstellt werden,auf die Einbringung der Aufkündigung trotz Weiter-bestehens des Unrats in der Wohnung zu verzichten.

Aber auch die vom BerufungsG ins Treffen geführte„positive Zukunftsprognose“ liegt nicht vor: Zunächst istdaran zu erinnern, dass die Rsp nie davon abgegangen ist,dass grundsätzlich für die Beurteilung eines Kündi-gungsgrunds die Umstände zum Zeitpunkt der Zustel-lung der Aufkündigung maßgebend sind. Nur dort, wodas Gesetz Zukunftsprognosen verlangt, kann das nachder Kündigung bis zum Schluss der Verhandlung ersterInstanz an den Tag gelegte Verhalten des Gekündigteninsoweit berücksichtigt werden, als es einen Schluss aufdie Entwicklung in der Zukunft zulässt. Selbstverständ-lich führt dies aber dazu, dass das Verhalten nach Ein-bringung der Aufkündigung auf das Schicksal der Kün-digung dann keinen Einfluss haben kann, wenn es nichtden Schluss zulässt, dass die Wiederholung der bisheri-gen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen ist (7 Ob 632/88 = MietSlg 40.435; 8 Ob 597/85 = MietSlg 38.444/4; RIS-Justiz RS0070340). Entgegen der Auffassung des Beru-fungsG kann hier von einer positiven Zukunftsprognosenicht die Rede sein: Das zeigt sich am deutlichsten daran,dass zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt un-mittelbar nach Vornahme der ersten Ungezieferbekämp-fung erneut Wanzenbefall in der Wohnung aufgetreten

ist, der erst nach Zustellung der Aufkündigung beseitigtwurde. Auch das Verhalten des Bekl, der das von der Klvor Einbringung der Aufkündigung gestellte Anbot aufHilfe bei der Entrümpelung ablehnte, lässt sich nicht sobeurteilen, dass eine Wiederholung der bisherigen Unzu-kömmlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszu-schließen ist: Immerhin befand sich die aufgekündigteWohnung auch noch zum Zeitpunkt des vom ErstGdurchgeführten Ortsaugenscheins in einem Zustand, derin keiner Weise gewährleistet, dass nicht erneut Ungezie-ferbefall auftreten wird. Dazu ist nur exemplarisch aufdie Feststellung des ErstG zu verweisen, wonach bei derDurchführung des Ortsaugenscheins am 19. 2. 2007 ander Wand beim Bett im Schlafzimmer des Bekl Tier-exkremente und in einer Spinnwebe im Eck einesBücherregals tote Wanzen sichtbar waren. Auch eine„laufende weitere Entrümpelung“ durch den Bruder desBekl konnte das ErstG nicht feststellen. Es ist somit zu-sammengefasst davon auszugehen, dass zum maßgebli-chen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung dergeltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3erster Fall MRG verwirklicht wurde, dass die Kl auf dieGeltendmachung dieses Kündigungsgrunds weder aus-drücklich noch stillschweigend verzichtete und dass inGesamtwürdigung aller aufgezeigten Umstände einegünstige Zukunftsprognose nicht erstellt werden kann.Aus diesen Gründen erweist sich die Revision der Klberechtigt. Es war demnach das Urteil des ErstG wieder-herzustellen.

(. . .)

92.Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens durcheine geistig behinderte Person

DOI 10.1007/s00719-010-1446-8

§ 30 Abs 2 Z 3 MRG:Grundsätzlich ist Geisteskrankheit kein Freibrief für

unleidliches Verhalten. Bei gewissen Verhaltensweisenmuss aber der Umstand der Unzurechnungsfähigkeitzumindest in der Weise berücksichtigt werden, dass dasVerhalten einer geisteskranken Person nicht unter allenUmständen ebenso unleidlich, also für die Mitbewohnerunerträglich ist, wie ein gleichartiges Verhalten einerzurechnungsfähigen Person.OGH 10. 11. 2009, 5 Ob 226/09k – Zurückweisung der ao Revision (LGZWien 39 R 100/09h)

Aus den Entscheidungsgründen des OGH:Die Bekl macht in ihrer ao Revision geltend, die Vor-

instanzen hätten beim bejahten Kündigungsgrund des§ 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG (unleidliches Verhalten)einen zu strengen Maßstab angelegt, weil nicht (ausrei-chend) berücksichtigt worden sei, dass der störende undlärmende Sohn der Bekl, dessen Verhalten sich die Bekl –nach der im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen An-sicht der Vorinstanzen – zurechnen lassen muss, geistigbehindert ist.

Mit diesen Ausführungen macht die Bekl keine erheb-liche Rechtsfrage geltend:

1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setztregelmäßig kein Verschulden des Mieters (hier genauer:des Störers) voraus (RIS-Justiz RS0070243). FehlendeVorwerfbarkeit des unleidlichen Verhaltens schließtdaher die Annahme der Unzumutbarkeit nicht aus(RIS-Justiz RS0020957 [T8]). Es kommt darauf an, ob dasobjektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grobungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes ange-sehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige

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woblRechtsprechung/MRG 2092010, Heft 7/8

Juli/August

Erkrankung zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0067733).Grundsätzlich ist daher auch Geisteskrankheit kein Frei-brief für unleidliches Verhalten (RIS-Justiz RS0020957[T1]). Bei gewissen Verhaltensweisen muss aber derUmstand der Unzurechnungsfähigkeit zumindest in derWeise berücksichtigt werden, dass das Verhalten einergeisteskranken Person nicht unter allen Umständenebenso unleidlich, also für die Mitbewohner unerträglichist, wie ein gleichartiges Verhalten einer zurechnungs-fähigen Person (RIS-Justiz RS0020957). Dies ist jedochnicht dahin zu verstehen, dass die Mitbewohner jedwedesVerhalten einer geistig behinderten Person in Kauf zunehmen hätten, auch wenn dadurch ihre Lebensqualitätin gravierender Weise beeinträchtigt wird. Vielmehr hatin solchen Fällen eine Interessenabwägung stattzufinden,bei der an das Verhalten der behinderten Person einweniger strenger Maßstab anzulegen ist (7 Ob 113/00vmwN = MietSlg 52.393 = immolex 2000/177, 294; RIS-Justiz RS0067733 [T4]).

2. Nach den vorliegenden Feststellungen lärmt derSohn der Bekl tagsüber und in der Nacht; sein dumpfes,lautes Klopfen ist in der Wohnung im nächsten Stock zuhören. Der Sohn der Bekl lärmt zwar nicht täglich, abermehrmals pro Woche und dieses Verhalten hält dann eineStunde lang durchgehend an. Die polternden Geräuschesind für andere Hausbewohner störend wahrnehmbarund verhindern die Nachtruhe; es wird von 22.00 Uhrabends bis 03.00 Uhr oder 04.00 Uhr gelärmt und gepol-tert. Dabei handelt es sich teilweise um klopfende Geräu-sche, teilweise schreit und schimpft der Sohn der Bekl.Lautstarke und schimpfende Verhaltensweisen zeigt derSohn der Bekl auch vor deren Wohnung und im Stiegen-haus, wodurch er bei seiner großen und kräftigen Gestaltauf die Hausbewohner bedrohlich wirkt. Schließlich hatder Sohn der Bekl auch schon mehrfach Glasscheiben inFenstern und Türen eingeschlagen. Dieses Verhaltenzeigt der Sohn der Bekl verstärkt seit Sommer 2007 undes nimmt seither an Häufigkeit und Intensität zu.

Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen denKündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG trotz der geis-tigen Behinderung des Sohnes der Bekl bejahten, dannliegt darin jedenfalls keine vom OGH aufzugreifende,gravierende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzel-falls; insb stellt eine auch mehrmals pro Woche auftre-tende und länger andauernde Beeinträchtigung derNachtruhe eine ganz empfindliche Belastung des Zusam-menlebens dar. Mangels Vorliegens der Voraussetzungendes § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042984; RS0067733[T5]; RS0020957 [T4]) ist die Revision unzulässig undzurückzuweisen.

93.Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens der mitdem Mieter in Hausgemeinschaft lebenden Person

DOI 10.1007/s00719-010-1450-z

§ 30 Abs 2 Z 3 MRG:Dem Mieter soll die Verantwortung für das Verhalten

der mit ihm in Hausgemeinschaft lebenden Personen(nur) dann nicht auferlegt werden, wenn er davon keineKenntnis hatte und deshalb nicht einschreiten konnte.War der Mieter aber in der Lage einzuschreiten, kann ersich nicht auf sein Unvermögen oder etwa darauf beru-fen, dass er alle ihm zu Gebote stehenden bzw ihm nachder Sachlage zumutbaren Abwehrmittel ausgeschöpfthabe.

OGH 25. 11. 2009, 3 Ob 220/09p – Zurückweisung der ao Revision (LGZWien 41 R 99/09a)

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sind diebekl Mieterin und ihr Ehemann regelmäßig betrunken.Bis zu viermal wöchentlich wird in der Wohnung bis 2oder 3 Uhr früh lautstark gestritten und geschimpft, eswerden Möbel geworfen und Türen zugeschlagen. Da-durch sind die Mitbewohner im Haus beeinträchtigt. DerEhemann der Bekl ging bereits körperlich auf die Haus-besorgerin des Hauses und ihren Ehemann los, be-schimpfte deren Tochter und einen weiteren Mitbewoh-ner und bedrohte ein Ehepaar im Haus.

Aus den Entscheidungsgründen des OGH:(. . .) Abgesehen davon, dass die Bekl selbst regelmäßig

betrunken ist und auch sie für die im Haus auftretendenLärmbelästigungen verantwortlich ist, kann sie sich auchnicht auf eine relevante Verhaltensänderung ihres Ehe-manns berufen, die den Schluss zuließe, dass eine Wie-derholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszu-schließen ist (RIS-Justiz RS0070340). Es steht vielmehrfest, dass nicht zu erwarten ist, dass der Ehemann derBekl zum „stillen Zecher“ mutieren wird. Nach denFeststellungen sind auch in Zukunft mit an hoher Sicher-heit grenzenden Wahrscheinlichkeit Alkoholexzesse mitLärmstörungen zu befürchten.

Die Bekl kann sich aber auch nicht darauf berufen,dass ihr eine Abhilfe gegen das Verhalten ihres Ehe-manns unmöglich wäre: Dem Mieter soll die Verantwor-tung für das Verhalten der mit ihm in Hausgemeinschaftlebenden Personen (nur) dann nicht auferlegt werden,wenn er davon keine Kenntnis hatte und deshalb nichteinschreiten konnte. War der Mieter aber in der Lageeinzuschreiten, kann er sich nicht auf sein Unvermögenoder etwa darauf berufen, dass er alle ihm zu Gebotestehenden bzw ihm nach der Sachlage zumutbaren Ab-wehrmittel ausgeschöpft habe (RIS-Justiz RS0070371).Wollte man dem Mieter den Einwand zugestehen, dasser alle zumutbaren Abwehrmittel ausgeschöpft habe,ihm aber subjektiv tatsächlich die Abhilfe nicht gelun-gen sei, wäre der Schutzzweck des Kündigungsgrundesnach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG unterlaufen: Die-ser Schutzzweck liegt primär darin, die übrigen Haus-bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen (1 Ob268/99i).

94.Kündigung wegen fehlender regelmäßiger Verwen-dung zu Wohnzwecken bei einem Junggesellen

DOI 10.1007/s00719-009-1383-6

§ 30 Abs 2 Z 6 MRG:Die regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken iSd

§ 30 Abs 2 Z 6 MRG setzt zwar voraus, dass die Wohnungvom Gekündigten wenigstens während eines beträchtli-chen Zeitraums im Jahr als Mittelpunkt seiner Lebens-haltung benützt wird, jedoch kann an die Anforderungendieses Lebensschwerpunkts bei einem Junggesellen na-turgemäß kein allzu strenger Maßstab angelegt werden,weil doch ein „familiärer Mittelpunkt“ nicht in Betrachtkommt, sondern im Ergebnis nur ein Ort der Haushalts-führung.OGH 30. 7. 2009, 8 Ob 46/09m (LGZ Wien 38 R 234/08f; BG Josefstadt 17 C989/06h)

Der Bekl ist seit 1982 Mieter einer Wohnung in einemHaus der Kl. (. . .) Im Jahr 2001 zog er aus beruflichenGründen nach München. Eine Rückkehr nach Wienwurde ihm noch nicht konkret in Aussicht gestellt. InMünchen hat der Bekl auch seit 2001 eine Wohnung. Inder hier maßgeblichen Wiener Wohnung verbringt er