90
Vorlesungsgliederung 1. Grundlagen 2. Arbeitsverhältnis (Arbeitnehmerbegriff | Arbeitgeberstellung) 3. Begründung des Arbeitsverhältnisses 4. Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Haupt- und Nebenpflichten) 5. Leistungsstörungen (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberhaftung) 6. Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigungsschutz, Befristung, Aufhebungsvertrag)

Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Vorlesungsgliederung 1. Grundlagen2. Arbeitsverhältnis (Arbeitnehmerbegriff | Arbeitgeberstellung)3. Begründung des Arbeitsverhältnisses4. Inhalt des Arbeitsverhältnisses (Haupt- und Nebenpflichten)5. Leistungsstörungen (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberhaftung)6. Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigungsschutz, Befristung,

Aufhebungsvertrag)

Page 2: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Beendigung des ArbeitsverhältnissesI. § 620 BGB (Obersatz!):

1. Ablauf einer vereinbarten Befristung (§ 620 Abs. 3 BGB verweist deklaratorisch auf TzBfG2. zusätzlich auflösende Bedingung, § 158 Abs. 2 BGB, ebenfalls im TzBfG geregelt 3. Kündigung

II. Sonderfall: außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB

III. Andere Gründe1. Aufhebungsvertrag, §§ 241, 311 BGB2. Tod

a. Tod des Arbeitnehmers, weil das Arbeitsverhältnis auf Arbeitnehmerseite höchstpersönlich ist (Arbeitspflicht)b. Nicht dagegen: Tod des Arbeitgebers; dessen Erbe tritt in Arbeitsverhältnis ein.

3. Sonderfall: Anfechtung und Lossagung vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis zur Beendigung des anfechtbaren/fehlerhaften Arbeitsverhältnisses

4. Nicht: Dauernde Unmöglichkeit der Beschäftigung (str)a. neben der Arbeitspflicht bestehen Treuepflichten, die durch Entfall der Beschäftigung nicht funktionslos werden Kündigung

erforderlich

Page 3: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigung: Grundstruktur

Anhörung BR

Gestaltungsrechte allgemein:

Gestaltungserklärung Gestaltungsgrund Gestaltungserfolg+ =

Kündigungs-erklärung

Kündigungs-freiheit

FristbezogenerBeendigungserfolg

BGB-Kündigung des Dienstvertrags:

Arbeitsrechtliche Kündigung:

Kündigungs-erklärung

Kündigungs-schutz

FristbezogenerBeendigungserfolg

§ 242 BGB

Schriftform § 1 KSchG

Sonderschutz

Page 4: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigung in der Fallbearbeitung II. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

unterschiedlicher Normenkreise in einen sauberen Aufbau zu bringen ist:

II. Das BGB gibt Grundlagen vor: §§ 620 Abs. 2, 626 BGB bestimmen, daß das Dienstverhältnis durch ordentliche und außerordentliche Kündigung endet. Das BGB definiert die Anforderungen an die Kündigungserklärung als Gestaltungserklärung – schreibt mit § 623 Schriftform vor, gibt die Voraussetzungen für die außerordentliche Kündigung vor, beschränkt die ordentliche Kündigung ausnahmsweise.

III. Das KSchG beschränkt die vom BGB vorgegebene Kündigungsfreiheit zu Lasten des Arbeitgebers in drei Richtungen: Der erste Abschnitt (§§ 1 bis 14) schränkt die ordentliche Arbeitgeberkündigung gegenüber allen Arbeitnehmern ein, indem

er diese an einen Kündigungsgrund bindet. Zusätzlich schafft das KSchG prozessuale Vorgaben, die dem Arbeitnehmer auferlegen, sich fristgebunden gegen die Kündi-gung zu wehren – sonst büßt er den materiell-rechtlichen Kündigungsschutz ein. Das gilt wegen § 13 KSchG auch für die vom KSchG materiell-rechtlich nicht geregelte außerordentliche Kündigung und für die ordentliche Kündigung außerhalb des Kündigungsschutzes (§§ 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 KSchG)! Nie aber für die Kündigung von Nichtarbeitnehmern!!

Der zweite Abschnitt (§§ 15, 16) gibt Amtsträgern der Betriebsverfassung materiellen Sonderkündigungsschutz Der dritte Abschnitt (§§ 17 bis 22) erschwert Kündigungen (auch) aus arbeitsmarktpolitischen Gründen.

Page 5: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigung in der Fallbearbeitung IIIV.Zusätzlich kann die Kündigung durch Sonderkündigungsschutz nach

Sondergesetzen (Schwerbehinderte, Mütter etc.) erschwert sein.

V. BetrVG (SprAuG, SGB IX) ergänzen den Kündigungsschutz: 1. durch Verfahrensregelungen (Anhörung/Zustimmung des Betriebsrats

[Sprecherausschusses, Schwerbehindertenvertretung], deren Nichteinhaltung die Kündigung ebenfalls vernichtet. Ähnlich ist es mit dem Personalrat im öffentlichen Dienst).

2. durch eine besondere verfahrensmäßige Absicherung bei der außerordentlichen Kündigung von Amtsträgern nach § 103 BetrVG

Page 6: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Aufbau KSchGMaterieller

Kündigungsschutz

Geltungsbereich§ 23 I 1, 3-4

Soziale Rechtfertigung

Personen-bedingte

Kündigung

Verhaltens-bedingte

Kündigung

Betriebs-bedingte

Kündigung

Massen-entlassungs-

schutz

Klagelast +Präklusion

Geltungsbereich§ 23 II

Anzeige§ 17

Kein Geltungsbereich!

Klageobliegenheit§§ 4-6

Page 7: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

PrüfungsanleitungI. Ansprüche prüfen: Rechtsfolge der Kündigung ist die Beendigung des

Arbeits-/Dienstverhältnisses als Dauerschuldverhältnis. Wenn nicht ausnahmsweise explizit nach der Wirksamkeit der Kündigung gefragt ist (insbesondere: Kündigungsschutzklage), müssen Sie Ansprüche prüfen, die den (Fort-)Bestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzen, also auf Arbeitnehmerseite den Anspruch auf Entgeltzahlung (idR wegen Nichtarbeit aus § 615 BGB) und Beschäftigung, auf Arbeitgeberseite den Anspruch auf Arbeitsleistung oder Schadensersatz wegen Nichtleistung der Arbeit aus §§ 280, 283 BGB.

II. Inzident-Obersatz: „Das Arbeitsverhältnis könnte durch Kündigung gemäß § 620 Abs. 2 BGB beendet worden sein.“

III. Logisch vorrangig, also zuerst zu prüfen ist die außerordentliche Kündigung: Sie beendet das Arbeitsverhältnis früher, beschneidet die aus ihm resultierenden Ansprüche stärker.

Page 8: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungserklärung II. Kündigungserklärung als Willenserklärung

1. Durch Minderjährige Vorrangig: Partielle Geschäftsfähigkeit nach §§ 112, 113 BGB! IÜ ist Kündigung rechtlich nachteilhaft. Fehlt vorherige Einwilligung, ist Kündigung endgültig unwirksam, keine nachträgliche

Genehmigung (§§ 111, 182 III).

2. Anfechtung der (Eigen-) Kündigungserklärung nach §§ 119 ff, 123 BGB3. Aktive Stellvertretung Fehlt die Vollmacht: Grundsätzlich endgültige Unwirksamkeit mit den Einschränkungen des § 180 BGB [auch hier Zurückweisung

wie in § 174 BGB möglich] Auch wenn der Vertreter bevollmächtigt ist, kann der Kündigungsempfänger die Kündigungserklärung nach § 174 BGB

zurückweisen. Es sei denn: Die Vollmacht ist (betriebs-)öffentlich [Personalleiter] oder durch Handelsregister [Prokura] bekannt gemacht

Verwicklung mit der Prozeßvollmacht nach § 80 ZPO, wenn die (zweite !) Kündigung im Prozeß erfolgt. Sonderfall: Gesellschaftsrechtliche Zustimmungsbedürfnisse

II. Kündigungserklärung als Gestaltungserklärung1. Unbedingt, unbefristet und unwiderruflich (arg. § 388 S. 2 BGB)2. Ausnahme: Änderungskündigung als Potestativbedingung

Page 9: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Insbes: BedingungsfeindlichkeitDa der Kündigungsberechtigte mit der Kündigungserklärung die Rechtslageumgestaltet und einseitig in den Rechtskreis des Vertragspartners eingreift, kann erdie Kündigung insbes nicht unter einer Bedingung erklären (vgl. § 388 S. 2 BGB).

„Fristgemäße Kündigung. Sehr geehrter Herr …. Das mit Ihnen bestehendeArbeitsverhältnis müssen wir leider aus betriebsbedingten Gründen kündigen. DieStadt Kaiserlautern hat den mit uns bestehenden Bewachungsvertrag für dieKaserne Landstuhl zum 31.10.2002 gekündigt und uns gleichzeitig für den Fall derNeuausschreibung Beteiligung zugesagt. Sollten wir erneut den Zuschlag ab1.11.2002 erhalten, beschäftigen wir Sie selbstverständlich weiter. Die Kündigungwird bei Neubeauftragung unserer Firma gegenstandslos.“

Die Verbindung mit einer unzulässigen (auflösenden) Bedingung führt zurUnwirksamkeit der Kündigung (BAG 15.3.2001 – 2 AZR 705/99, NZA 2001, 1070).

Page 10: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungserklärung III. Wirksamwerden

1. Abgabe, Zugang (Empfangstheorie, Widerruf). Neben dem Übergabe-Einschreiben gibt es das Einwurf-Einschreiben, bei dem der Postzusteller den Einwurf auf dem Auslieferungsbeleg dokumentiert. Ob damit läßt sich der Zugang der Kündigungserklärung als verkörperte Willens-erklärung hinreichend bewiesen ist, ist umstritten.

2. Zugang bei Minderjährigen nach § 131 BGB – wiederum Vorrang der partiellen Geschäftsfähigkeit durch Ermächtigung (§§ 112, 113 BGB) beachten!

3. Passive Stellvertretung, § 164 Abs. 3 BGB

II. Form1. Nach § 623 BGB Schriftform für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung sowie durch Auflösungsvertrag | ebenso im

Ausbildungsverhältnis, § 22 III BBiG

2. Ggf zusätzlich tarifvertragliche Schriftform – dann § 125 S. 1 i.V.m. § 126 BGB [Tarifvertrag als Rechtsnorm!]. • „Gilt“ Tarifvertrag nur kraft Bezugnahmeklausel, an sich §§ 125 S. 2, 127, aber Gleichstellungsfunktion!

3. Keine Angabe von Gründen erforderlich a. arg § 626 Abs. 2 S. 3 BGB

b. Ausnahme § 22 Abs. 3 BBiG, § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG

c. Tarifverträge verlangen gelegentlich die Angabe des Kündigungsgrundes

4. Problem: Fehlende Originalurkundea. Fax als Telekopie reicht nicht, weil die Originalurkunde zugehen muß.

b. Anderes gilt für Schriftsätze nach dem Prozeßrecht: GemS-OGB NJW 2000, 2340.

c. Email reicht gleichfalls nicht, bloße Textform

Page 11: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Aufbau: materielle KündigungsprüfungObersatz: § 620 II ggf. iVm § 626

Kündigungs-erklärung

Kündigungs-grund Rechtsunwirksamkeit nach KSchG

§ 242 BGB

BR-Anhörung, § 102 I 3 BetrVG

Schriftform § 623 BGB

Erklärungstatbestand, Zugang

Kündigungs-fristen

Ausschluß der Kündigung

Sonderkündigungsschutz

Rechtsgeschäftsanforderungen

Präk

lusi

on

§§4,

7, 1

3 I 2

, 23

I 2 K

Sch

G

Diskriminierung (§ 2 IV AGG)

Page 12: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

KündigungsfristenschutzI. Kündigungsfristenschutz für beide Seiten – trennen:

1. Dienstverträge § 621 BGB2. Arbeitsverträge § 622 BGB nebst vorrangigen Sondervorschriften (§ 66 SeeArbG)3. arbeitnehmerähnliche Personen: geregelt nur Heimarbeiter, § 29 HAG4. Auszubildende: § 22 II Nr. 2 BBiG

II. Kündigungsfristen im Arbeitsverhältnis (§ 622 BGB)1. Gesetzliche Kündigungsfrist

a. Abs. 1: gesetzliche Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Monats für beide Seiten

b. Abs. 2 verlängert die Frist nur für die Arbeitgeberkündigung in länger währenden Arbeitsverhältnissen

c. II 2 verstößt gegen die Gleichbehandlungsrichtlinien – EuGH Kücükdeveci

d. Abs. 3 verkürzt für beide Seiten in der Probezeit

2. Sondervorschrift für Berufsausbildungsverhältnis: Probezeit nach § 20 BBiG mit entfristeter ordentlicher Kündigung, § 22 I BBiG

Page 13: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

KündigungsfristenschutzIII.Gewillkürte Kündigungsfristen

1. Abs. 4: Tarifvertragliche Kündigungsfrist: Beliebige Verkürzung oder Verlängerung, begrenzt durch Art. 3 GG (insbesondere: Arbeiter – Angestellte) und durch § 622 VI

2. Vertragliche Kündigungsfrist nach Va. Verlängerung der gesetzlichen Frist unproblematisch (Abs. 5 S. 2), begrenzt durch

Gleichbehandlungsgrundsatz und § 622 Abs. 6 sowie durch AGB-Kontrolle: BAG 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297

b. Verkürzung der gesetzlichen Frist nur nach § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2, überdies begrenzt durch Gleichbehandlungsgrundsatz und § 622 Abs. 6

IV.§ 113 InsO: Verkürzung jeder Kündigungsfrist auf höchstens 3 Monate

V. Ggfs: Auslegung der Kündigungserklärung – auf welchen Zeitpunkt gekündigt werden soll

Page 14: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Ausschluß der KündigungI. Ausdrückliche Vereinbarung

1. Konkludent im Fall der Befristung, § 620 BGB 2. Gesetzliche Ausnahme: Kündigung der Vertretung für eine Schwangere oder

einen „Elternzeiter“ (Erziehungsurlauber), § 21 IV und V BEEG3. Sonderproblem: Kündigung vor Dienstantritt

II. Durch Kollektivvertrag – Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung1. Problem: Unkündbarkeit für Ältere – Verletzung des Sozialauswahlgebotes |

Altersdiskriminierung nach AGG (§ 10 Nr. 7)2. Enthält der Tarifvertrag bereits einen Sonderkündigungsschutz für bestimmte

Gruppen, scheitert die Betriebsvereinbarung an § 77 III BetrVG

Page 15: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutz ohne KSchG II. Kündigungsfreiheit außerhalb des KSchG

1. Arbeitnehmer in der Probezeit,

2. Arbeitnehmerähnliche Personen (insbesondere Heimarbeiter, siehe §§ 29 f HAG),

3. sonstige Dienstverpflichtete

4. Kleinbetriebe, Haushalte

II. Zivilrechtlicher Schutz1. Spezielle (auf die Kündigungsmotivation [„wegen“] abstellende) Kündigungsverbote überwiegend als Diskriminierungsschutz

2. Schikaneverbot, § 226 als Spezialfall des § 242 BGB

III. Arbeitsrechtsschutz außerhalb des KSchG1. Kündigung wegen (fehlender) Gewerkschaftszugehörigkeit, Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG (auch für Arbeitnehmerähnliche!)

2. Kündigung wegen Rechtsausübung, Maßregelungsverbot, § 612a BGB

3. Kündigung des Alt-Arbeitgebers wegen Betriebsübergangs, § 613a IV

IV. Willkürschutz über § 242 BGB iVm Art. 12 I GG1. Kündigungskontrolle wegen staatlicher Schutzpflicht aus Art 12 Abs. 1 GG (Prüfung, ob Sachgrund vorhanden)?

2. Auch dem Arbeitgeber kommt die negative Vertragsfreiheit als Vertragsbeendigungsfreiheit zu.

3. Nach BVerfG muß der Staat auf die Paritätsstörung im Arbeitsverhältnis reagieren und darf den Arbeitnehmer nicht der Kündigungswillkür des Arbeitgebers ausliefern.

Page 16: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutz ohne KSchG III. AGG-Diskriminierungsschutz?

1. Kein umfassender Diskriminierungsschutz durch AGG – Bereichsausnahme des § 2 Abs. 4 AGG!

2. Ausnahme widerspricht europarechtlichen Vorgaben – Problem insbesondere Altersdiskriminierung, etwa durch die Berücksichtigung von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit in der Sozialauswahl oder die Möglichkeit der Altersgruppenbildung.a. Entweder Unwirksamkeit von § 2 Abs. 4 AGG mit Blick auf Mangoldb. Oder antidiskriminierungsfreundliche Auslegung und Handhabung des KSchG und ggf des BGB.

So jetzt das BAGc. Daneben die Frage, ob das KSchG selbst gegen die Richtlinien verstößt, vor allem mit der

Doppelbetonung des Lebensalters in der Sozialauswahl (Alter + Betriebszugehörigkeit)

II. spezielle Diskriminierungsverbote1. § 78 BetrVG für Amtsträger der Betriebsverfassung (weithin

Sonderkündigungsschutz), 2. § 2 III Abgeordnetengesetz, 3. § 26 ArbGG für ehrenamtliche Richter

Page 17: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

FallDer Homosexuelle S arbeitet seit dem 1.1.2010 als Außendienstmitarbeiter bei dem Textilhersteller T. Dabei war eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart, während der das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann. Am 1.6.2010 spricht T die Kündigung zum 15.6. aus. Dabei stellt sich heraus, daß der Personalleiter P sich selbst als „Schwulenhasser“ bezeichnet und am Tag vor der Kündigung von der Neigung des S erfahren hat.

Page 18: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

KSchG – Geltungsbereich II. Persönlicher Geltungsbereich: § 1 Abs. 1 KSchG

1. Arbeitsverhältnis = Arbeitnehmerstatus des Dienstverpflichteten Arbeitnehmerähnlichkeit reicht nicht!

KSchG gilt auch für leitende Angestellte, aber abgemilderter Schutz nach § 14 KSchG

Ausnahme: Kündigung der Vertretung für eine Schwangere oder Erziehungsurlauberin, § 21 Abs. 5 BEEG, ist außerhalb des KSchG möglich

2. länger als 6 Monate („Wartezeit“), Berechnung: Fristbeginn mit dem Arbeitsverhältnis, also vereinbarte (nicht tatsächliche) Arbeitsaufnahme.

Fristwahrung: Es kommt auf den Zugang der Kündigungserklärung an, nicht auf den Ablauf der Kündigungsfrist.

Trotz des Wortlauts („ohne Unterbrechung“) sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses anzurechnen, wenn altes und neues Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen und die Unterbrechung nicht zu lange währt (enge Ausnahme), vgl. auch § 4 BUrlG

Erfordernis kann durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag abbedungen werden (vereinbarter Kündigungsschutz)

Page 19: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

KSchG – Geltungsbereich IIII. Betrieblicher Geltungsbereich (§ 23 I KSchG):

1. Betriebe (keine Haushalte)2. mit mehr als 10 Arbeitnehmern (+ komplizierte Übergangsregelung) Welcher „Betriebsbegriff“ – also wo ist zu zählen?

Grundsatz: wie bei Sozialauswahl Betrieb iSd BetrVG, BAG 2.3.2017 – 2 AZR 427/16, NZA 2017, 859 mit verfassungsrechtlicher Einzelfallkorrektur gemäß BVerfG 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169;. Kein Berechnungsdurchgriff im Konzern (es sei denn Gemeinschaftsbetrieb)!Besitzstandswahrung bei Unternehmensverkleinerung unter den Schwellenwert durch Spaltung nach dem UmwG für zwei Jahre, § 323 Abs. 1 UmwG.

Sonderfall: Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen im kündigungsschutzrechtlichen Sinn. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG können zwei Unternehmen gemeinsam einen Betrieb führen, dessen Größe dann für § 23 Abs. 1 KSchG ausschlaggebend ist und innerhalb dessen eine einheitliche Sozialauswahl durchzuführen ist. Diese Rechtsprechung bestätigt § 322 UmwG.Achtung, hiervon zu scheiden der Gemeinsame Betrieb iSv § 1 Abs. 2 BetrVG.

Problem: „in der Regel“: nicht kurzzeitige Aushilfskräfte, wohl aber Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz entfallen soll. Teilzeit-Arbeitnehmer zählen anteilig nach Maßgabe von § 23 Abs. 1 3 KSchG Nichtarbeitnehmer (arbeitnehmerähnliche, Betriebspraktikanten) zählen nicht. Leiharbeitnehmer zählten früher nicht, jetzt aber doch BAG 24.1.2013 – 2 AZR 140/12 – NZA 2013, 726, weil § 23 KSchG vorgeblich

auf einen Arbeitnehmer-Personalbedarf abstelle.

Page 20: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Sozialwidrigkeit Vier Kernpunkte der sozialen Rechtfertigung Sozialwidrigkeit als unbestimmter Rechtsbegriff, keine absoluten

Kündigungsgründe Ultima-ratio-Prinzip („bedingt ist“), Kündigung ist nicht erforderlich, wenn

mildere Mittel zur Verfügung stehen.• Strenger Vorrang vor allem der Änderungskündigung (BAG)

Prognoseprinzip: Es geht um den Bestand des Dauerschuldverhältnisses in der Zukunft.

(Keine) Interessenabwägung?Streit darüber, ob besondere Arbeitnehmerinteressen die „an sich“ gerechtfertigte Kündigung hindern können

Page 21: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Ultima-ratio-PrinzipSchutz des Arbeitnehmers vor einer Kündigung, die – wegen eines milderen Mittels – nicht erforderlich ist. Schutzwirkung des Art. 12 I GG ?

1. Problem: Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für privatautonomes Verhalten? 2. Gesetzliche Anordnung fehlt. § 1 KSchG liefert kein umfassendes ultima-ratio-Prinzip.

Dort steht nur „bedingt“.3. Weitreichende Folgen – insbesondere Deformation des § 1 II 1 KSchG: Dieser macht

Weiterbeschäftigungsobliegenheit vom Widerspruch des Betriebsrats nach § 102 BetrVG abhängig. Das Ultima-ratio-Prinzip „individualisiert“ diese Weiterbeschäftigungsobliegenheit zugunsten des Arbeitnehmers – der nicht vom Widerspruch des Betriebsrats abhängig ist.

4. Umfassende Obliegenheit des Arbeitgebers zur Änderungskündigung, BAG 21.9.2006 – 2 AZR 607/05, NZA 2007, 431

Page 22: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Prognose und IrrtumskorrekturI. Jede Kündigung ist notwendig zukunftsbezogen – und basiert auf

Prognose:1. daß für den Arbeitnehmer kein Bedarf mehr besteht (betriebsbedingte Kündigung)2. daß der Arbeitnehmer auch in Zukunft seine Pflichten (schuldhaft) verletzen wird

(verhaltensbedingte Kündigung)3. daß der Arbeitnehmer auch in Zukunft seine Leistungspflicht nicht wird erfüllen

können (personenbedingte Kündigung)

II. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die ex-ante-Sicht-des kündigenden Arbeitgebers – im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.1. Spätere Entwicklungen können die ursprünglich wirksame Kündigung nicht

unwirksam machen; das wäre eine mit dem Gestaltungsrecht nicht zu vereinbarende auflösende Bedingung.

2. Korrektur also nur über Wiedereinstellungsanspruch – oder durch zweite Kündigung

Page 23: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Verhaltensbedingte Kündigung II. Die verhaltensbedingte Kündigung reagiert auf eine Pflichtverletzung des

Arbeitnehmers; sie ersetzt im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis den Rücktritt nach § 323 BGB.

II. Grundsätzlich Abmahnung erforderlich

III.Nach überkommener h.M. setzt eine verhaltensbedingte Kündigung schuldhafte Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus. Das Vertretenmüssen ist – unabhängig von § 619a BGB – vom Arbeitgeber zu beweisen.• Angesichts der Schuldrechtsreform zweifelhaft; §§ 323, 324 BGB n.F. erlauben den

Rücktritt auch bei schuldloser Pflichtverletzung.• Lesen: BAG 24.6.2004 – 2 AZR 63/03, NZA 2005, 158 | BAG 6.10.2005 – 2 AZR

280/04, NZA 2006, 431 | BAG 31.5. 2007 – 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922

Page 24: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Verhaltensbedingte Kündigung – Schema (Schuldhafte) Pflichtverletzung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis

(Nichtleistung, insbesondere Zuspätkommen und Arbeitsverweigerung, Schlechtleistung und Verletzung von Nebenpflichten)

Dadurch bewirkte erhebliche Beeinträchtigung des Betriebes1. Vom Arbeitnehmer angerichtete Schäden

2. Störungen der Betriebsabläufe

Erforderlichkeit der Kündigung als Sanktion (ultima-ratio) 1. Vor allem: vorherige Abmahnung, uU auch mehrfach

2. Vorrang von Versetzung oder Änderungskündigung als mildere Sanktionen

Interessenabwägung?

Page 25: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Abmahnung II. Abmahnung – drei Funktionen:Feststellung des pflichtwidrigen Verhaltens – Dokumentationsfunktion.Aufforderung an den Arbeitnehmer, sich künftig pflichtgemäß zu verhalten –

Ermahnungsfunktion (wichtig für Verschulden bei Folgeverstößen).Inaussichtstellen arbeitsvertraglicher Sanktionen, insbesondere der

(verhaltensbedingten oder gar außerordentlichen) Kündigung; dem Arbeitnehmer wird klargemacht, daß er im Wiederholungsfall sein Arbeitsverhältnis gefährdet –Warnfunktion.

II. Rechtsfolgen löst die Abmahnung unmittelbar nicht aus. Sie ist keine Sanktion für vergangenes Verhalten, sondern zukunftsbezogene Mahnung, sich künftig ordnungsgemäß zu verhalten (wie die Mahnung nach § 286 BGB und die Fristsetzung nach § 323 BGB). Sie bereitet lediglich den Boden für eine künftige Kündigung.

Page 26: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Abmahnung IIIII. Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung Folgt aus ultima-ratio-Prinzip und entsprechender Anwendung von § 323 Abs. 3 BGB. Regelvoraussetzung für die verhaltensbedingte Kündigung und ausnahmsweise für die außerordentliche

Kündigung des § 626 BGB: fehlende Abmahnung als Kündigungssperre. Konkret erforderlich, wenn der Pflichtverstoß des Arbeitnehmers leicht bis mittelschwer wiegt, so daß die

Annahme gerechtfertigt ist, Abmahnung könne den Arbeitnehmer „auf den Pfad der Vertragstreue“ zurückführen.

Ob und inwieweit mehrere Abmahnungen ausgesprochen werden müssen, ist anhand Gesamtschau zu bewerten: Gewicht des Verstoßes und bisheriges Verhalten des Arbeitnehmers

IV. Anforderungen an wirksame Abmahnung1. Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (wie Mahnung nach § 286 BGB und Nachfristsetzung nach § 323 BGB)2. Deshalb muß sie auf Arbeitgeberseite von Vertretungsberechtigtem erklärt werden. Dabei kommt es nicht auf

Befugnis zur (angedrohten) Kündigung, sondern auf die zur Arbeitsweisung an (Direktionsrecht). Genehmigung nur nach § 180 BGB!

3. Zugang, §§ 130 f BGB4. Keine gesetzliche Form; aus Beweisgründen empfiehlt sich Schriftform.

Page 27: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Abmahnung III5. Notwendiger Inhalt aus kündigungsrechtlicher Sicht: Hinreichend bestimmte Beschreibung

des Fehlverhaltens + Warnung, daß im Wiederholungsfall Kündigung droht. Abmahnungswirkung einer unwirksamen Kündigung!

6. (Keine) Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG : Bloße individualarbeitsrechtliche Rüge.

7. Wird ein schwerbehinderter Arbeitnehmer abgemahnt, muß nach § 178 Abs. 2 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung unterrichtet und vor der Entscheidung, ob die Abmahnung erfolgen soll, angehört werden. Unterläßt der Arbeitgeber diese Unterrichtung und Anhörung, ist die Abmahnung auszusetzen; zudem Bußgeld nach § 238 I Nr. 8 SGB IX bis zu 10.000 €.

V. Streitigkeiten1. „Gegendarstellung“, § 83 Abs. 2 BetrVG2. Beschwerde § 84 Abs. 1 BetrVG3. Beseitigungsanspruch aus Persönlichkeitsrecht iVm § 1004 BGB

Page 28: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Personenbedingte KündigungI. Reaktion auf Äquivalenzstörung – wenn die Arbeitsleistung hinter dem

Geschuldeten zurückbleibt.

II. Zivilrechtlich: Fälle der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nach § 275 I BGB und Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 III BGB: Während beim Austauschvertrag mit der Unmöglichkeit der Leistung automatisch Leistungspflicht und Gegenleistungspflicht enden, §§ 275 I, 326 I 1 BGB, verlangt § 1 II KSchG eine Gestaltungserklärung, die das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 622 BGB beendet.

III.Weil im Dauerschuldverhältnis jede Nichtleistung zunächst nur eine zeitweilige oder vorübergehende Unmöglichkeit begründet, beendet sie nicht den Vertrag insgesamt, sondern hindert lediglich den Schuldner daran zu leisten.

Page 29: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Personenbedingte KündigungIV. Eine Kündigung ist nur berechtigt,

1. wenn das Ausmaß und die voraussichtliche Dauer der Nichtleistung des Arbeitnehmers eine Unmöglichkeit der Dauerleistung „Arbeit“ begründen

2. und die Interessen des Arbeitgebers durch besondere betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen unzumutbar beeinträchtigen.

3. Weil der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts aus § 106 GewO und durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in seine betriebliche Organisation die Umstände der Arbeitsleistung und damit auch deren Möglichkeit und Unmöglichkeit maßgeblich beeinflussen kann – während der Arbeitnehmer die personenbedingten Kündigungsgründe nicht steuern kann –, darf der Arbeitgeber erst kündigen, wenn er keine arbeitsorganisatorischen Maßnahmen ergreifen kann, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ermöglichen. Der Arbeitgeber muß den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers so verändern, daß sich dessen eingeschränkte Leistungsfähigkeit nicht auswirkt, insbesondere die Arbeitsabläufe ändern und Arbeitsaufgaben umverteilen, oder ihn auf einen freien Schonarbeitsplatz („leidensgerechten Arbeitsplatz“) versetzen. Ist absehbar, daß die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers wiederhergestellt werden wird, muß der Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen ergreifen, etwa Aushilfskräfte einstellen oder Überstunden anordnen, damit andere Mitarbeiter die Aufgaben des ausgefallenen Arbeitnehmers übernehmen.

Sonderproblem: „Kopftuch“ im Kaufhaus: Keine verhaltensbedingte Kündigung, wenn religiöses Motiv besteht (keine Vorwerfbarkeit).

Schwierig: Minderleisterkündigung „Low Performer“, BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784

Page 30: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Personenbedingte KündigungV. Unterschiede zwischen personen- und verhaltensbedingter

Kündigung:1. Personenbedingte Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer

seine Hautleistungspflicht aus § 611 I BGB verletzt. Demgegenüber hat die verhaltensbedingte Kündigung neben der Verletzung der Hauptleistungspflicht einen Schwerpunkt bei der Verletzung von Nebenleistungspflichten.

2. Bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen kann der Arbeitnehmer sein künftiges Verhalten steuern und damit künftige Pflichtverletzungen unterlassen; dies kann der personenbedingt Gekündigte nicht.

Page 31: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Personenbedingte Kündigung – SchemaBeeinträchtigung der Arbeitsleistung

1. Vollständige Verhinderung2. Fachliche Mängel der Arbeit (Eignung)3. Persönliche Arbeitsfähigkeit

Erhebliche Beeinträchtigung des BetriebesKeine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (auf anderem Arbeitsplatz),

ggf. nach Umschulung als milderes Mittel„Interessenabwägung“?

Page 32: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Sonderfall: Krankheitsbedingte Kündigung Negative Krankheitsprognose für die Zukunft

1. Trennen: Häufige Kurzerkrankungen und Dauererkrankung

Dadurch bewirkte erhebliche Beeinträchtigung des Betriebes1. Betriebsablaufstörung2. Entgeltfortzahlungskosten (EFG), insb. bei häufigen Kurzerkrankungen3. Oder: endgültige Arbeitsunfähigkeit

Weiterbeschäftigung1. auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeit kommt es nur beschränkt an – grundsätzlich keine Teilarbeitsfähigkeit2. aber vorrangig „leidensgerechter“ Arbeitsplatz („Schonarbeitplatz“) 3. Obliegenheit zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (§ 167 II SGB IX), wenn Arbeitnehmer länger als 6

Wochen im Jahr krank – kündigungsrechtliche Folge zweifelhaft. Nach BAG keine formale Voraussetzung für Wirksamkeit der Kündigung.

„Interessenabwägung“1. nach BAG: stets Schwerbehinderung und Unterhaltslasten berücksichtigen (anders MiMei: nur

vertragsbezogene Interessen)

Page 33: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Betriebsbedingte Kündigung II. Reaktion auf eine Nachfrageeinschränkung des Unternehmers

II. Bei der Prüfung einer betriebsbedingten Kündigung sind drei Komplexe zu trennen:1. Arbeitsplatzwegfall aufgrund Unternehmerentscheidung als betriebliches Erfordernis (Personalüberhang)2. Sozialauswahl3. (Keine) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Arbeitsplatzwegfall aufgrund Unternehmerentscheidung1. Entlassungsbedarf als Überhang des Personalbestandes gegenüber dem Personalbedarf im Betrieb2. Trennung innerbetriebliche und externe Ursachen? BAG 30.4.1987 – 2 AZR 184/86, NZA 1987, 7763. Unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers (die weder offenbar unsachlich, willkürlich noch

unvernünftig ist)…4. Beachte: Unternehmerentscheidung ist niemals die Kündigungsentscheidung selbst, sondern immer eine der

Kündigungsentscheidung „vorgelagerte Entscheidung“ (etwa über Standort, Produkte, Investitionen)

Page 34: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Betriebsbedingte Kündigung II1. Darum (!) trennt das BAG zwischen innerbetrieblichen (z.B. neue Arbeitsmethoden, Stillegung von

Betriebsteilen) und außerbetrieblichen (Auftragsmangel, Rohstoffmangel) Gründen, um die der Kündigungsentscheidung vorgelagerte Unternehmerentscheidung besser fassen zu können; insbesondere bei den innerbetrieblichen Gründen prüft das BAG um so „strenger“, je „näher“ die Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluß „heranrückt“

2. führt zum Wegfall von Arbeitsplätzen…a. Arbeitsplatzwegfall als ultima-ratio! Ggfs. Vorrang von Kurzarbeit, Überstundenabbau etc.

3. auf Dauer (Prognose)

Sozialauswahl (§ 1 III KSchG)1. Personelle Konkretisierung, wenn nicht alle Arbeitsplätze wegfallen. Wer geht, wer bleibt? Gruppenbildung aller für die Kündigung in Betracht kommenden Arbeitnehmer im Betrieb:

a. „Betrieb“ im kündigungsschutzrechtlichen Sinn (≠ BetrVG)• Sonderproblem Gemeinschaftsbetrieb

b. Nur vergleichbare Arbeitnehmer werden in die Sozialauswahl einbezogen • Vergleichbar wenn austauschbar – maßgeblich ist der Arbeitsvertrag• Sonderproblem: Vergleichbarkeit von Teilzeitern und Vollzeitern

Page 35: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Betriebsbedingte Kündigung IIIa. Vergleichbarkeit immer nur horizontal, nie vertikal b. Herausnahme der Arbeitnehmer mit gesetzlichem (auch tariflichem?) Sonderkündigungsschutz sowie der

befristet beschäftigten Arbeitnehmer (§ 15 III TzBfG)

Korrektur im „berechtigten betrieblichen Interesse“, § 1 Abs. 3 S. 2 KSchGa. Herausnahme einzelner Arbeitnehmer wegen betrieblichem Interesse an gerade ihrer Weiterbeschäftigung

(„Leistungsträger“: besond. Kenntnisse oder Fertigkeiten, Kundenkontakte)b. Sicherung (!) einer angemessenen Alters- und Personalstruktur Schaffung als überpersönlicher Belang nur nach § 125 I Nr. 2 InsO

Eigentliche Auswahlentscheidunga. Ermittlung der maßgeblichen Sozialdaten: Betriebszugehörigkeit | Lebensalter (verstößt gegen EU-Recht?)

| Unterhaltspflichten (nur gesetzliche!) | Schwerbehinderungb. Gewichtung der Sozialdaten (eigentliche Sozialauswahl) führt zu einer sozialen Reihung von sozial schwach

bis sozial stark – Folge: Kündigung des (der) sozial Stärksten.c. Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers („ausreichend“)d. Privilegiert: Sozialauswahlrichtlinien (§ 1 IV KSchG, § 95 BetrVG), Interessenausgleich mit Namensliste (§ 1

Abs. 5 KSchG)

Page 36: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Betriebsbedingte Kündigung IV Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

1. Fällt der Arbeitsplatz weg und ist der zu kündigende Arbeitnehmer über die Sozialauswal ermittelt, dann ist zu prüfen, ob (keine) Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderem Arbeitsplatz besteht (§ 1 II KSchG)

2. außerhalb der Sozialauswahl im selben Betrieb3. in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens4. grundsätzlich nicht konzernweit (vertragsarbeitgeberbezogen)

a. Ausnahme: Selbstbindung durch Zusage; Konzernversetzungsklausel reicht nicht

5. ggfs. nach (zumutbarer) Umschulung oder Fortbildung6. Anderer Arbeitsplatz muß „frei“ sein

a. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei werdendb. Keine allgemeine Pflicht, besetze Arbeitsplätze „frei zu machen“ – durch Kündigung oder Versetzung (das ist

mit Sozialauswahl schon geregelt) c. Aber: Rückgabe von Leiharbeitnehmern?

Page 37: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Sonderkündigungsschutz II. Schwerbehinderte, § 168 ff SGB IX

1. Für jede (auch die außerordentliche) Kündigung ist die Zustimmung des „Integrationsamtes“ erforderlich („privatrechtsgestaltender VA“)a. die notfalls vom Arbeitgeber vor dem VG erstritten werden muß.b. Spricht der Arbeitgeber die Kündigung ohne Zustimmung aus, ist diese unwirksamc. Ausnahmen in § 173 SGB IX: zustimmungsfreie Kündigung in der Probezeit (I Nr. 1) | fehlender Nachweis der Schwerbehinderung

im Zeitpunkt der Kündigung (III)

2. Erteilt Integrationsamt die Zustimmung, kann Arbeitgeber kündigen. a. Förmliche Zustellung der Zustimmung an Arbeitgeber erforderlich bei ordentlicher Kündigung (!); bei außerordentlicher Kündigung

reicht informelle Bekanntgabeb. Widerspruch und Klage des Arbeitnehmers gegen die Zustimmung haben keine aufschiebende Wirkung, § 171 IV SGB IX.

Arbeitgeber kann kündigen; hat die Anfechtungsklage des Arbeitnehmers Erfolg, entfällt nachträglich rückwirkend die Zustimmung und damit wird die Kündigung unwirksam

3. Anspruch des Schwerbehinderten auf behindertengerechte Beschäftigung aus § 164 IV Nr. 1 SGB IX strahlt in den Kündigungsschutz ein und verschärft den Vorrang der Änderungskündigung

4. Anhörung der Schwerbehindertenvertretung (zusätzlich zum Betriebsrat) als Wirksamkeitserfordernis, § 178 II 3 SGB IX

Page 38: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Sonderkündigungsschutz IIII. Schwangere/Mütter, § 9 I MuSchG

1. Jede (!) Kündigung ausgeschlossen – und zwar auch schon in der Probezeit.2. Vor.: Bestehende Schwangerschaft im Kündigungszeitpunkt – bis vier Monate nach

der Entbindung3. Problem: „unverschuldete“ Unkenntnis von der Schwangerschaft bei Wirksamwerden

der Kündigung – im Licht von Art. 6 IV GG zu lesen4. „Entbindung“ auch bei Totgeburt, wenn das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 500

g betragen hat5. ausnahmsweise Zulassung durch Arbeitsbehörde (Zuständigkeit nach Landesrecht)6. Widerspruch oder Klage der Mutter gegen den zustimmenden VA hat nach BAG keine

aufschiebende Wirkung, so daß der Arbeitgeber die Kündigung auch vor Ablauf des Widerspruchsverfahrens aussprechen kann – Rechtslage wie beim Schwerbehinderten

Page 39: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Sonderkündigungsschutz IIIIII. Arbeitnehmer in der Elternzeit, § 18 Abs. 1 BEEG

1. Jede (!) Kündigung im betroffenen Arbeitsverhältnis ausgeschlossen2. Der Sonderschutz greift auch bei Arbeitgeberwechsel, geschützt ist also nicht nur das bei Geburt bestehende

Arbeitsverhältnis3. Voraussetzung: Anspruch auf Erziehungsurlaub + Geltendmachung

a. Also kein Kündigungsschutz, wenn der Elternzeiter beim anderen Arbeitgeber arbeitet (und dort keine Elternzeit geltend gemacht hat)

b. Während des ruhenden Arbeitsverhältnisses idR ohnehin kein Kündigungsbedarf (ultima-ratio)c. Sonderkündigungsrecht § 19 BEEG: Abkürzung sonst geltender längerer Kündigungsfrist auf drei Monate zum Ende der Elternzeit

4. Entscheidend also der Kündigungsschutz zwischen Geltendmachung des Erziehungsurlaubes und dem Antritt desselben (Sechs-Wochen-Frist)

5. Kündigungsschutz während der Elternteilzeitarbeit, § 18 Abs. 2 BEEG 6. ausnahmsweise Zulassung durch Arbeitsbehörde7. Wird die Arbeitnehmerin in der Elternzeit erneut schwanger, verdoppelt sich der Kündigungsschutz.

Will der Arbeitgeber kündigen, muß die Arbeitsbehörde also doppelte Befreiung vom Kündigungsverbot erteilen; der Arbeitgeber muß das besonders beantragen

Page 40: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Sonderkündigungsschutz IVIV.Betriebsratsmitglieder (+ Wahlbewerber)

1. Materiellrechtlich: § 15 KSchGa. Weitreichender Ausschluß der ordentlichen Kündigung

2. Verfahrensrechtlich (nur für Betriebsräte): § 103 BetrVGa. Zustimmung des Betriebsrats erforderlich, notfalls Ersetzung durch Arbeitsgericht

V. Ausbildungsverhältnis1. Der Arbeitgeber kann nach der Probezeit nur aus wichtigem Grund kündigen –

ordentliche Kündigung des gesetzlich befristeten Ausbildungsverhältnisses ist ausgeschlossen, § 22 II BBiG.

2. Kündigungsfreiheit des Auszubildenden beschränkt:a. Wechsel des ausbildenden Arbeitgebers im selben Ausbildungsberuf unzulässig § 22 II Nr. 2

BBiG. b. Möglich nur Abbruch der Ausbildung oder Wechsel in anderen Ausbildungsberuf

Page 41: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Massenentlassungen (§§ 17 ff KSchG)I. Funktion:

1. Staatliche Arbeitsmarktregulierung, um regionale Arbeitsmärkte vor Überlastung zu schützen.2. Früher: Relikt des Demobilmachungsrechts3. Heute: beruht auf EG-Massenentlassungsrichtlinie (RL 98/59/EG) und muß richtlinienkonform

ausgelegt werden.

II. Eigenständiger betrieblicher Geltungsbereich nach § 23 II KSchG

III. Tatbestand:1. Entlassungen = Kündigung durch Arbeitgeber + andere von ihm „veranlaßte“ Beendigung des

Arbeitsverhältnisses (Aufhebungsvertrag, Eigenkündigung), § 17 I 2 KSchG2. im „Betrieb“, eigenständiger EU-Betriebsbegriff (so EuGH, anders hM wegen der

Verfahrensanknüpfung des Betriebsrats: der des BetrVG!): Einheit, der die Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben angehören.

3. im Umfang des § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG, dabei Abs. 4 und 5 beachten!4. maßgeblicher Zeitpunkt: Kündigungsentschluß

Page 42: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Massenentlassungen (§§ 17 ff KSchG)I. „Primäre“ Rechtsfolge: Kurzfristige Entlassungssperre

1. Kraft Gesetzes: 1 Monat, § 18 Abs. 1 KSchG

2. Durch Landesarbeitsamt auf 2 Monate verlängerbar, § 18 II KSchG

3. Danach: ein Monat „Freifrist“ für die Entlassungen, § 18 IV

4. Ausgleich: Arbeitgeber kann für die Zeit des Aufschubes hoheitlich (!) zu Kurzarbeit ermächtigt werden, § 19 KSchGDabei streitig, ob der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG für diesen Fall behält (so die hM)

5. Arbeitgeber kann aber auch sein Entlassungsprogramm auf die Grenzen des § 17 I 1 reduzieren.

II. Sekundäre Rechtsfolge der Entlassungssperre:1. „Entlassung“ meint nicht die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Realakt, sondern das dazu führende Rechtsgeschäft. EuGH

27.1.2005 – Rs C-188/03 „Junk“, NZA 2005, 213. Die Entlassungssperre führt also zur Unwirksamkeit von Kündigung oder Aufhebungsvertrag.

III. Rechtliches Hauptrisiko droht aus dem vorgeschriebenen Verfahren des § 17 KSchG:1. Anzeigepflicht an das Arbeitsagentur, § 17 Abs. 1 KSchG. Fehlt die Anzeige: Gesetzliche Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG.

2. Die Anzeige muß eine Stellungnahme des Betriebsrats enthalten, § 17 III 1 KSchGHierzu ist Betriebsrat nach § 17 II KSchG zu informieren. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht informiert, so ist die Anzeige unwirksam mit der Folge der Entlassungssperre, arg. § 17 III 3 KSchG.

3. Das Beratungsgebot ist in jedem Fall erfüllt, wenn mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich vereinbart ist, §§ 111, 112 BetrVG.

4. Anzeige kann nicht nach Ausspruch der Kündigung nachgeholt werden

Page 43: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Bestandsschutz bei BetriebsübergangI. Zweck: § 613a will die betriebsbedingte Kündigung beim Veräußerer

verhindern – durch Übergang des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes Abs. 1 Satz 1 [Parallele zu § 566 BGB, aber mit anderer Funktion!] und Kündigungsverbot (IV).

II. Fußt auf EG-Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG. Jene definiert den Betriebsübergang in Art. 1 Abs. 1 lit b als „Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“.

III.Eingehende EuGH-Rechtsprechung

Page 44: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Entwicklung § 613a BGB19721977

§ 613a parallel zu BetrVG-Novelle, um BÜ-Mitbestimmung abzuwehren

BÜ-Richtlinie 77/187/EG

1980 EG-Anpassungsgesetz: Besitzstand (I 2-4) und Kündigungsverbot (IV)

1998 Neugefaßte BÜ-Richtlinie 98/50/EG

2001 Korrigierte BÜ-Richtlinie 2001/23/EG

2002 SeemannsG: Info-Pflicht (V) und Widerspruch (VI)

2003 EuGH „Carlito Abler“: Funktionsnachfolge reicht vielleicht

2007 EuGH „Jouini “: Anwendbar auf Leiharbeit

2005 EuGH „Güney-Görres“: Funktionsnachfolge und Betriebsmittelnutzung

2009 EuGH „Klarenberg“: Identitätserfordernis gelockert

2010 EuGH „Albron Catering“: Mitübernahme von Leiharbeitnehmern?

2011 EuGH „Scattolon“: Rechtsgeschäft ist auch das staatliche Reorganisationsgesetz

2013 EuGH „Alemo-Herron“: Beschränkung dynamischer Bezugnahme nach BÜ

2017 EuGH „Asklepios “: Dynamische Bezugnahme geht mit Betriebsübergang über

Page 45: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Prüfungsgang § 613a BGBI. Arbeitnehmerstatus als Anwendbarkeitsvoraussetzung

1. Nicht: Heimarbeiter und andere Arbeitnehmerähnliche, Betriebsrentner2. Nicht GmbH-Geschäftsführer, die keine Arbeitnehmer sind3. Kündigungsschutz nicht erforderlich [auch in der Wartezeit und im Kleinunternehmen]

II. Tatbestand des Betriebs(teil)übergangs• „Betrieb“ oder „Betriebsteil“ als funktionsfähige Einheit, die deshalb (!) selbständig übertragbar ist – Von

Bedeutung nur für Betriebsteile

III. Übergang des ganzen Betriebes oder eines Teiles als funktionsfähige wirtschaftliche Einheit1. Gesamtschau: Art des Unternehmens/Betriebs materielle Betriebsmittel [Gebäude, Maschinen]

immaterielle Betriebsmittel [Lizenzrechte, Know-How, Vertriebsrechte] Kundenstamm Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang ausgeübten Tätigkeit (Arbeitsorganisation) „freiwillige“ Übernahme der Hauptbelegschaft

2. Erhalt dieser funktionsbezogenen Identität – gelockert durch EuGH Klarenberg!3. Übergang bezieht sich auf die betriebliche Leitungsmacht – nicht erforderlich: Übergang der Rechte an den

Betriebsmitteln, bloße Nutzungsmöglichkeit genügt

Page 46: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Prüfungsgang § 613a BGBIV. Übergang „durch Rechtsgeschäft“

1. Auch Verpachtung oder Rückgabe nach Ende der Verpachtung

2. Nach BAG auch, wenn der Erwerbsakt unwirksam war.

3. Nach BAG ist Vertrag entbehrlich; „einvernehmliche“ Belegschaftsübernahme genügt

4. Verhältnis zur Umwandlung (Betriebsübergang kraft Verschmelzung, Spaltung) und Universalsukzession nach dem UmwG: § 324 UmwG. § 613a BGB und das UmwG stehen nebeneinander.

5. Damit ist „durch Rechtsgeschäft“ nurmehr Abgrenzungskriterium zur Erbfolge

6. Selbst der Tätigkeitswechsel kraft Gesetzes (Reorganisation von Staatsaufgaben etc) fällt seit der Scattolon-Entscheidung des EuGH unter die Betriebsübergangsrichtlinie.

V. Abgrenzung1. Gesellschaftsrecht:

a. Wechsel der Anteilseigner („share deal“), der den Vertragsarbeitgeber als juristische Person nicht berührt

b. Ähnlich „Umwachsung“ und „Anwachsung“ in der Personengesellschaft – solange diese fortbesteht (nicht bei der Anwachsung auf den letzten Gesellschafter)

2. Arbeitsorganisatorische Zusammenarbeit ohne Arbeitgeberwechsela. Zusammenarbeit der Unternehmen im Gemeinschaftsbetrieb

b. Arbeitnehmerüberlassung

3. Wohl aber möglich bei Beauftragung von Subunternehmern (Fremdvergabe) – in folgenden Fallgruppena. Unternehmen läßt bisher selbst vorgenommene Arbeiten von Drittunternehmen verrichten („Outsourcing“)

b. Unternehmen kündigt dem einen Subunternehmer und beauftragt einen anderen

c. Unternehmen kündigt Subunternehmer und will die Arbeiten (wieder) selbst verrichten („Insourcing“)

Page 47: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Betriebsübergang – Rechtsfolgen I. Übergang des Arbeitsverhältnisses

1. § 613a I 1 - mit allen vertraglichen Abreden und offenen Forderungen (!)2. + Widerspruchsrecht § 613a VI3. + Informationsrecht § 613a V4. Flankiert durch Kündigungsverbot: eng beschränkt auf „wegen“

Unproblematisch: Veräußererkündigung nach Erwerberkonzept5. Folgeproblem: Rechtfolgen des Widerspruchs

II. Besitzstandswahrung für kollektivvertragliche Arbeitsbedingungen1. § 613a I 2 – 42. Vorrang kollektiver Normgeltung, unterschiedliche Dogmatik von TV und BV 3. Transformation + Veränderungssperre

III. Haftungserstreckung, § 613a II, III

IV.Prozessuale Folgen

Page 48: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

§ 613a BGB – ArbeitsverhältnisübergangI. Übergang der dem Betrieb(steil) oder Betriebsteil zugeordneten Arbeitsverhältnisse, § 613a Abs. 1 S. 1

II. auch gegen den Willen des Arbeitgebers

III. des bestehenden Arbeitsverhältnisses1. Arbeitnehmerstatus des Betroffenen

2. Auch: Auszubildende (!)

3. Nicht: Dienstverhältnis (auch arbeitnehmerähnliche), nicht: Rechtsverhältnisse zu ausgeschiedenen Mitarbeitern (Betriebsrentner,Wettbewerbsverbot); letztere können nur im Rahmen einer Universalsukzession insb. nach dem UmwG übergehen

4. Ist das Arbeitsverhältnis in der Sekunde des Betriebsübergangs (wirksam) beendet, kann es nicht übergehen. Dann kommt nur ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht – bei „nachträglichem Betriebsübergang“.

5. Erfolgt der Betriebsübergang nach (wirksamer) Kündigung, aber vor dem Ende der Kündigungsfrist, geht das Arbeitsverhältnis als gekündigtes über. Hilfe bietet auch hier nur der Wiedereinstellungsanspruch.

6. Ruhende Arbeitsverhältnisse (Elternzeit, Auslandsentsendung) gehen wie aktive über

7. Betriebsrentner bleiben beim Veräußerer

8. Problem: funktionale arbeitsorganisatorische Zuordnung des konkreten Arbeitsplatzes zur übergehenden Organisationseinheit – vor allem beim Teilbetriebsübergang

9. Kompensation des Betriebsübergangs durch unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung (§ 10 AÜG), wenn der Veräußerer nach wie vor das Direktionsrecht ausübt.

IV. Übergang aller Rechte und Pflichten – auch rückständige Ansprüche (Mithaftung § 613a II BGB)

Page 49: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

§ 613a BGB – Info und WiderspruchI. Informationspflicht, § 613a V BGB

1. Adressat: Beide Arbeitgeber2. viele offene Fragen: Umfang der Informationspflicht | Informationskorrektur bei veränderten Umständen |

Schädlichkeitsausmaß etwaiger Fehler, sei es eine falsche Information, eine unverständliche („intransparente“) Information oder eine verwirrende Überinformation.

3. Nachweis des Zugangs der Information in Textform (!)4. Sanktionen:

a. Fehlinformation als Obliegenheitsverletzung: Nichtlauf der Widerspruchsfrist gem. Abs. 6b. Fehlinformation als Pflichtverletzung, Schadensersatz nach § 280 BGBc. Fehlinformation und Irrtumserregung: Anfechtung eines Widerspruchs nach § 123 BGB

II. Widerspruchsrecht, § 613a VI BGB1. Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen den gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses (nicht: gegen den

Betriebsübergang)2. Schützt negative Vertragspartnerwahlfreiheit – hier aus Art. 12 Abs. 1 GG3. nach BAG nicht, wenn im Zuge von Verschmelzung oder Spaltung der übertragende Rechtsträger erlischt4. Ausübung durch Gestaltungserklärung5. Frist: ein Monat nach Zugang der ausreichenden Unterrichtung nach § 613a V BGB6. Unwiderruflich und bedingungsfeindlich7. Schriftform (wie § 623 BGB)8. Zugang bei Erwerber oder (!) Veräußerer9. Verhindert Übergang, Arbeitsverhältnis bleibt beim Veräußerer, nach hM rückwirkend

Page 50: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

WiderspruchsfolgenI. betriebsbedingte Kündigung nach Widerspruch

1. idR hat der Veräußerer wegen des Betriebsübergangs keinen Arbeitsplatz für den Widersprechenden mehr

2. Beim Übergang eines ganzen Betriebes macht die Sozialauswahl keine Probleme, da der Betroffene keinem Betrieb mehr angehört.

3. Anders bei Betriebsteilübergang. Weil die Sozialauswahlparameter abschließend gesetzlich festgelegt sind kann der Arbeitnehmer frei widersprechen und einen anderen Arbeitnehmer in der Sozialauswahl verdrängen

4. Änderungskündigung der Widersprechers zum Verleih an den Erwerber?

II. Folgeproblem: Leistungsstörung infolge Widerspruchs• Widerspricht der Arbeitnehmer landet er beim Alt-Arbeitgeber. Der aber hat idR keine Arbeit für

ihn. Das löst nach Rechtsprechung Annahmeverzug aus. Doch kann im Widerspruch selbst –ungeachtet seiner vertragsrechtlichen Zulässigkeit – eine Obliegenheitsverletzung liegen, die zur Anrechnung des böswillig unterlassenen Erwerbs beim Neu-Arbeitgeber führt, § 615 S. 2 BGB

Page 51: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Widerspruch: RechtsfolgenI. Verhinderung des Arbeitsverhältnisübergangs

1. BAG: rückwirkend2. Erhebliche Folgeprobleme für die Rückwirkungsphase – Doppelung der Arbeitsverhältnisse3. Sonderfälle bei der Umwandlung (Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers)

II. Betriebsbedingte Kündigung nach Widerspruch1. Arbeitskräfteüberhang beim Veräußerer2. Recht auf Weiterbeschäftigung auf freien Arbeitsplätzen!3. Verdrängung über Sozialauswahl? – allenfalls beim Teil-Betriebsübergang

III. Widerspruch und 1. Annahmeverzugsentgelt2. Sozialplanabfindung?

Page 52: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Widerspruch – wie lange?I. Keine absolute Widerspruchsfrist in § 613a BGB

• Im Gesetzgebungsverfahren abgelehnt

II. Relative Frist ab ordnungsgemäßer Unterrichtung1. fehlerfreie Unterrichtung als fristauslösendes Ereignis2. Kein Verschuldens und kein Kausalitätserfordernis3. Problem: Unterrichtung durch beide Arbeitgeber (Zurechnungsfragen)

III. Verwirkung?1. Zeit-Umstands-Problem2. Weshalb sollen die Arbeitgeber vertrauen dürfen?3. Und welchen Grund hätte der Arbeitnehmer, frühzeitig zu widersprechen?

IV.Bestätigung durch den Arbeitnehmer

Page 53: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Folgen der FehlinformationI. Reichweite Informationspflicht

II. Nichtlauf der Widerspruchsfrist – Widerspruch bleibt möglich

III. Anfechtung des erklärten Widerspruchs1. Arglist 2. Verkehrswesentliche Eigenschaften des Erwerbers?

IV.Schadensersatz wegen Verletzung der Informationspflicht1. Beseitigung des Widerspruchs?2. Beseitigung der Folgen verspäteten Widerspruchs?3. Naturalrestitution und Wertersatz?4. (keine) Gesamtschuld

Page 54: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Außerordentliche Kündigung, § 626 BGBI. Der „wichtige Grund“: Unzumutbarkeit

1. Grund muß so schwer wiegen, daß dem Kündigenden das Abwarten der ordentlichen Kündigung (Kündigungsfrist + -termin) nicht zugemutet werden kann.

2. Verhältnis zu § 314 BGB?

3. IdR: Schwere schuldhafte Vertragsverletzung (vorsätzliche Arbeitsverweigerung, eigenmächtiger Urlaubsantritt, Vertrauensbruch durch Diebstahl, Geheimnisverrat; Störung des Betriebsfriedens; Schmiergeldannahme)

4. Problem: außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers (Trunkenheitsfahrt) und Rückschluß auf Dienstverhalten

5. Aber auch sonstige (unverschuldete) Unzumutbarkeit (insbesondere: Verdachtskündigung als personenbedingte außerordentliche Kündigung)

II. Ultima-ratio-Prinzip macht nur ausnahmsweise Abmahnung erforderlich. Die Pflichtverletzung muß ohnehin so schwer wiegen, daß auch eine Abmahnung keinen Erfolg verspricht.

III. Trennen: Tatkündigung und Verdachtskündigung1. Praxisproblem: Beweisbarkeit von Straftaten – insbesondere durch verdeckte Videoüberwachung und mitgehörte Telephonate

2. Dabei für das prozessuale Verwertungsverbot trennen: individualrechtlicher Schutz durch Persönlichkeitsrecht und § 203 StGB sowie betriebsverfassungsrechtlicher Schutz durch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (in Betrieben mit Betriebsrat).

IV. Abschließend umfassende Interessenabwägung (Unzumutbarkeit, Unterfall von § 242 BGB)Nach BAG (Emme) kann bei langer Betriebszugehörigkeit auch eine kleinere Straftat sanktionslos bleiben; Korrektur durch BAG 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025 (dort auch zum Beweisverwertungsverbot bei Videoüberwachung)

V. Einseitiger Verzicht auf das bereits entstandene Kündigungsrecht (eine Art „Verzeihung“)

VI. Darf sich der Kündigende auf das Fehlen eines wichtigen Grundes berufen? (bejahend BAG)

Page 55: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Außerordentliche Kündigung, § 626 BGB II. Ausschlußfrist § 626 II 1 BGB betrifft nicht die Kündigungserklärung, sondern den

Kündigungsgrund: Indem der Arbeitgeber zulange zuwartet, gibt er selbst zu erkennen, daß ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Abgrenzen zur allgemeinen Regelung in § 314 BGB1. Gilt für jedes Dienstverhältnis, auch des Selbständigen (BGH 19.11.1998 – III ZR 261/97 – NZA 1999, 320)

II. Nachschieben nachträglich – also nach Kündigungsausspruch – bekannt gewordener (nicht: entstandener) Kündigungsgründe ist materiell-rechtlich zeitlich unbeschränkt zulässig1. Aber durch § 102 I BetrVG ggf. ausgeschlossen

III. Zusatzproblem: Ausschlußfrist und Sonderkündigungsschutz, der die Einholung einer Zustimmung erfordert (§ 103 BetrVG) 1. Arbeitgeber ist gar nicht in der Lage, die Kündigung wirksam innerhalb der zwei Wochen auszusprechen2. Lösung: § 174 V SGB IX (analog)

Page 56: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Außerordentliche Kündigung, § 626 BGB III. Verhältnis zur ordentlichen Kündigung

1. Grundsatz: Außerordentliche Kündigung, wenn Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung unzumutbar

2. Zusätzliche Rechtsfolge nur der außerordentlichen Kündigung: Schadensersatz nach § 628 II BGB

II. Außerordentliche Kündigung Unkündbarer 1. Vorrangig prüfen, ob Unkündbarkeit dem AGG standhält2. BAG kommt so zur „außerordentlichen aber befristeten Kündigung“, da es in diesen Fällen nicht um

die Unzumutbarkeit des Arbeitsverhältnisses als solchem, sondern um die Unzumutbarkeit eines unkündbaren Arbeitsverhältnisses geht.

3. In der Sache läuft das auf eine „außerordentliche ordentliche Kündigung“ hinaus – mit Quasi-Kündigungsfrist (Auslauffrist) und ggf Sozialauswahl – und Betriebsratsanhörung wie bei der ordentlichen Kd

III. Umdeutung in eine ordentliche Kündigung1. Materiellrechtlich: Frage des § 140 BGB2. Formell: Problem der Betriebsratsanhörung (keine Umdeutung der Anhörung möglich)

Page 57: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Änderungskündigung II. Definition § 2 KSchG

1. Änderungskündigung = Beendigungskündigung + Vertragsangebot zu geänderten Bedingungen

2. Schriftformgebot des § 623 BGB erfaßt beides

3. Betriebsratsanhörung muß sich auf das Angebot erstrecken

4. Trennen: Ordentliche Änderungskündigung nach § 2 KSchG und außerordentliche Änderungskündigung nach § 626 BGB iVm § 2 KSchG analog

II. Vertragsangebot muß nach allgemeinem Zivilrecht wirksam sein (insbesondere hinreichend bestimmt!). Das Änderungsangebot muß zusammen mit der Kündigung ausgesprochen sein (nicht nachträglich, arg. § 2 S. 2 KSchG) – sonst handelt es sich um eine reine Beendigungskündigung.1. Das ändert nichts daran, daß der Arbeitnehmer auch das nachträgliche Angebot annehmen kann. Nur wenn er sich wehrt, ist

kündigungsrechtlicher Prüfungsmaßstab derjenige der Beendigungskündigung.

2. Annahmefrist entsprechend § 2 S. 2 KSchG (BAG 18.5.2006 – 2 AZR 230/05 – NZA 2006, 1092)

III. Funktion:1. Veränderung der Bedingungen des Arbeitsvertrages

2. Da es (Privatautonomie und Vertragsprinzip) grundsätzlich keine Teilkündigung gibt (es sei denn: besonders vereinbart, insbesondere Widerrufsrecht), bleibt dogmatisch nur die Beendigungskündigung.

3. Das Vertragsprinzip bedingt auch, daß der Arbeitnehmer durch das KSchG nicht nur vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschützt wird, sondern auch Vertragsinhaltsschutz genießt.

4. Deshalb muß Inhalt des Änderungsangebotes arbeitsrechtlich zulässig sein

Page 58: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Änderungskündigung IIIV. Reaktion des Arbeitnehmers nach § 2 KSchG:

Arbeitnehmer nimmt Angebot (vorbehaltlos) an: einvernehmlicher Änderungsvertrag; es gelten die neuen Arbeitsbedingungen. Die Kündigung ist hinfällig (Eintritt der Potestativbedingung) und wird nicht kontrolliert.a. Angebot muß noch bestehen (§§ 147, 148 BGB)

b. Annahme anfechtbar, wenn Arbeitgeber Kündigung als rechtswidrige Drohung eingesetzt hat wie beim Aufhebungsvertrag.

c. Allgemeine Vertragskontrolle

d. Besondere Umgehungskontrolle im Fall des Betriebsübergangs

Arbeitnehmer nimmt Angebot unter Vorbehalt an. Nur diese vom BGB (§ 150 II) nicht vorgesehene Möglichkeit eröffnet § 2 KSchG, um dem Arbeitnehmer „Alles-oder-Nichts“-Risiko zu ersparen.a. Vorbehalt muß der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist (also vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses), spätestens aber nach drei Wochen erklären, § 2 S. 2

KSchG [außerordentliche Änderungskündigung: unverzüglich].

b. Zweitens muß der Arbeitnehmer innerhalb der Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage erheben, sonst erlischt der Vorbehalt, § 7 HS. 2 KSchG, soweit es um die Rechtswidrigkeit der Kündigung geht.

c. Die prozessuale Lockerung der Klagfrist über § 167 ZPO (rechtzeitige Klage schon durch Klageinreichung, wenn Zustellung „demnächst“) gilt nicht für die materielle Vorbehaltserklärung durch den Arbeitnehmer

Dementsprechend Fristverlängerung nach § 5 auch nur für die Klagfrist, nicht für die Annahmefrist (str)

Arbeitnehmer lehnt Angebot insgesamt ab (oder verspätete Annahme) normale Beendigungskündigung.a. Diese kann der Arbeitnehmer hinnehmen, indem er keine Kündigungsschutzklage erhebt. Dann ist die etwaige Unwirksamkeit der Kündigung geheilt.

b. Erhebt der Arbeitnehmer rechtzeitig Kündigungsschutzklage, ist die Unwirksamkeit der Beendigungskündigung zu prüfen, mit einer Modifikation: Die Weiterbeschäftigung zu den angebotenen Vertragsbedingungen (ultima ratio) kann nicht mehr zu Unwirksamkeit führen.

Page 59: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

ÄnderungskündigungArbeitnehm

er-Reaktion

Beendigungskündigung Änderungsangebot+

Vorbehaltlose Annahme

Ablehnung

Annahme unter VorbehaltÄnderungskündigungs-schutzklage notwendig

Rechtsfolge

WirksamerÄnderungsvertrag

Arbeitsverhältnisendet

Bisheriger Arbeitsvertrag

Beendigungskündigungs-schutzklage notwendig

nicht eingelegt

AN gewinnt

AGgewinnt

nicht eingelegt

AN gewinnt

AGgewinnt

Prozeß

entfällt

Page 60: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Änderungskündigung IIIV. Zweistufige Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung

1. Vorgeschaltet: Zielt die Vertragsänderung auf einen unzulässigen Regelungszustand, ist die Änderungskündigung von vornherein unwirksam:a. Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder Diskriminierung

b. Tarifwidrige Regelung | Gesetzwidrige Regelung | Verletzung des KSchG (Verschlechterung vor Ablauf der Kündigungsfrist)

2. Wie für die Beendigungskündigung (§ 2 S. 1 a.E., § 4 S. 2): Verhaltens-, personen- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund nebst Sozialauswahl.

3. Sonderfall: Änderungskündigung statt einer gerechtfertigten Beendigungskündigung! Sie ist stets zulässig.4. Zweiten Stufe: veränderter Prüfungsmaßstab. Vertragsänderung belastet den Arbeitnehmer weniger. Kündigungsgrund muß

nicht die Beendigungskündigung, sondern das Änderungsangebot „bedingen“: Deshalb weniger strenge Maßstäbe (im einzelnen streitig). Doch muß die angebotene Veränderung auch im Ausmaß angesichts des Kündigungsgrundes verhältnismäßig sein. Änderung der Arbeitszeit: Arbeitgeber entscheidet kraft unternehmerischer Organisationsfreiheit, wie er Arbeit auf Arbeitsplätze

portioniert. Er kann also den Personalüberhang kraft Änderungskündigung mit einer Arbeitszeitverkürzung auffangen und ist nicht darauf verwiesen, anstelle mehrerer Änderungskündigungen eine geringere Anzahl von Beendigungskündigungen auszusprechen.

Entgeltabsenkung: Äußerst schwierig; nach BAG nur dann wenn als Alternative Entlassungen, also Beendigungskündigungen drohen.

VI. Ultima-ratio-Prinzip: Milderes Mittel ist der Einsatz des Direktionsrechts (soweit der arbeitsvertragliche Rahmen reicht). Kann der Arbeitgeber die Änderung auch durch Weisung herbeiführen, so ist die Änderungskündigung überflüssig (BAG 22.9.2016 – 2 AZR 509/15, NZA 2016, 1461).

Page 61: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigung: Beteiligung des Betriebsrats

individualrechtlicherKündigungsgrund

freie Entscheidung des AG über Zweckmäßigkeit der Kd

Kündigungs-erklärung des AG

vorherige Zustimmung § 103sichert Rechtmäßigkeit

Mitbestimmung nur nach § 104 und § 102 VI

Kündigungsschutzprozeß

AGAN BR

Anhörung § 102 I: argumentative Einwirkung

Anhörung | Zustimmung Wirksamkeits-voraussetzung

löst vorläufigen Weiterbeschäftigungs-anspruch aus, § 102 V

Widerspruch nach § 102 II

Page 62: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

BetriebsratsanhörungI. Rechtsfolge [Obersatz]: Unwirksamkeit der Kündigungserklärung nach § 102 I 3

BetrVG (§ 31 II SprAuG), wenn Arbeitgeber nicht oder unvollständig unterrichtet oder vor der Stellungnahme des Betriebsrats bzw dem Ablauf der Anhörungsfrist die Kündigung ausspricht. Für Schwerbehinderte: Anhörung der Schwerbehindertenvertretung (zusätzlich zum Betriebsrat), § 178 II 3 SGB IX

II. Anwendbarkeit1. Existenz des Anhörungsorgans (Betriebsrat; SprA für leitende Angestellte iSv § 5 III BetrVG [nicht:

§ 14 KSchG!]; Schwerbehindertenvertretung). In betriebsratslosen Betrieben entfällt Anhörungspflicht, auch dann, wenn im Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat besteht!

2. Zuständigkeit für den Gekündigten (Qualifikation als Arbeitnehmer + Betriebszugehörigkeit)

III. Anhörungspflicht des § 102 I 1 BetrVG: jede Kündigung1. außerordentliche und ordentliche!2. Unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt3. Auch: Änderungskündigung

Page 63: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Anhörung nach § 102 I BetrVG

AG BRKündigungs-

erwägung Information

Stellungnahme

Meinungsbildung durch Beschluß

ÜbermittlungKenntnisnahme

Kündigungs-entschluß

Frist

Phase 1

Phase 2

Page 64: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Weitere kollektivrechtliche KündigungsfragenI. Zustimmung nach § 103 BetrVG

1. Nur für die außerordentliche Kündigung des § 626, nicht bei ausnahmsweise nach § 15 KSchG zulässigen ordentlichen Kündigungen.

2. Arbeitgeber muß innerhalb der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB das Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten; Kündigungsausspruch unverzüglich nach rechtskräftiger Zustimmungsersetzung

II. Zustimmender Beschluß des Betriebsrats erforderlich1. Sonst: Zustimmungsersetzung durch Arbeitsgericht im Beschlußverfahren (mit Rechtskraftwirkung

gegenüber dem beteiligten Betriebsratsmitglied)2. Auch ggü Betriebsobmann

III. Sozialauswahlrichtlinien nach § 95 Abs. 1 + 2 BetrVG iVm § 1 Abs. 4 KSchG

IV. Namensliste im Interessenausgleich, § 1 Abs. 5 KSchG iVm §§ 111, 112 BetrVG

V. Keine kündigungsschutzrechtliche Wirkung der Beratungspflicht aus § 92a BetrVG

Page 65: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren II. Ausgangspunkt: Arbeitnehmer-Obliegenheit zur Kündigungsschutzklage, § 4 KSchG

II. Streitgegenstand1. Punktuelle Feststellungsklage, § 4 S. 1 KSchG. Feststellung, „daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst

ist“; richtet sich gegen eine ganz bestimmte Kündigung2. Alternativ: allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO, daß das Arbeitsverhältnis fortbesteht, und zwar im Zeitpunkt der

letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz (auch bei Arbeitnehmerkündigung).3. Kombination möglich (§ 260 ZPO). Doch ist § 4 KSchG die speziellere Klage (idR kein Feststellungsinteresse für die allgemeine

Feststellungsklage).4. Mehrfach- und Wiederholungskündigungen

Die Wiederholungskündigung aus demselben Kündigungsgrund scheitert, sobald rechtskräftig die Sozialwidrigkeit der ersten Kündigung feststeht.

5. Achtung: Verdachts- und Tatkündigung betreffen unterschiedliche Kündigungsgründe.

III. Richtiger Gegner1. Arbeitgeber, auch die GbR ist parteifähig2. (Falsche) Parteibezeichnung bei Klagen gegen eine GbR oder PartnerschaftsG BAG 1.3.2007 – 2 AZR 525/053. richtig vertreten (BAG 4.7.2001 – 2 AZR 142/00, NZA 2002, 401: für Klage eines ehemaligen Vorstandsmitglieds der AG)4. Problem: Kündigung und folgender Betriebsübergang – gegen wen ist die Kündigungsschutzklage zu richten?

Page 66: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren IIIV. Klagverzicht

1. Kündigungsschutz ist zwingendes Recht: deshalb unabdingbar2. Auf das einmal entstandene Klagrecht kann nachträglich verzichtet werden

a. Das setzt § 1a KSchG voraus

b. Schriftform (BAG 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227)

V. Drei-Wochen-Klagfrist des § 4 KSchG1. Fristversäumung: Heilung (fast) aller Unwirksamkeitsgründe, § 7 KSchG. Hieraus folgt der entscheidende Obersatz:

• nach bejahter Unwirksamkeit: „Die unwirksame Kündigung könnte nach § 7 KSchG geheilt, also als von Anfang an wirksam anzusehen sein.“

• vor Unwirksamkeitsprüfung: „Eine eventuelle Unwirksamkeit der Kündigung könnte nach § 7 KSchG geheilt sein, weswegen die Kündigung von Anfang an wirksam anzusehen ist.“

2. Anwendbarkeita. Arbeitnehmerstatus vorausgesetzt (KSchG gilt insgesamt nicht für Organmitglieder, § 14 I, Dienstverpflichtete und Arbeitnehmerähnliche)!

b. Klagfrist hängt nicht vom Geltungsbereich ab, also in Kleinunternehmen (§ 23 I 2 KSchG) und in der Warte- oder Probezeit des § 1 I KSchG

c. Außerordentliche Kündigungen werden von §§ 4, 7 KSchG gleichfalls erfaßt (§ 13 I KSchG).

3. Weil der Fristlauf erst durch Zugang schriftlicher Kündigungserklärung beginnt, sind diese Mängel nicht präklusionsfähig. Streit darüber, a. ob rechtsgeschäftliche Unwirksamkeitsmängel (Stellvertretung, Geschäftsfähigkeit, Willensmängel etc) geheilt werden oder

b. ob der äußere Tatbestand einer von Arbeitgeber stammenden Erklärung genügt.

Page 67: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren III4. Fristbeginn: Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung. Eine unter Anwesenden mündlich

erklärte Kündigung ist bereits nach § 623 BGB unwirksam, dieser Formfehler muß nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG geltend gemacht werden, da die Klagefrist erst mit dem Zugang einer schriftlichen Kündigung zu laufen beginnt.

5. Fristablauf nach drei Wochen, es sei denn:Nachträgliche Zulassung, § 5 KSchG („materiellrechtliche Wiedereinsetzung“,

a. Problem Anwaltsverschulden über § 85 ZPO [hM] oder § 278 BGB) – nur bei § 278 BGB kann das Verschulden des Gehilfengehilfen (Büroangestellte des Rechtsanwaltes) zurechnet werden.

Klagerstreckung auf neue Unwirksamkeitsgründe, § 6 KSchG, aber nur bis zur letzten mündlichen Verhandlung 1. Instanz

1. Fristwahrung durch Klage a. mit dem richtigen (punktuellen) Streitgegenstandb. gegen den richtigen Beklagten (den kündigenden Arbeitgeber, ggf den inzwischen an seine Stelle

getretenen Insolvenzverwalter; Sonderproblem Betriebsübergang unmittelbar nach Kündigung)c. Klagrücknahme wirkt zurück, § 269 III ZPO. Damit ist Klagfrist endgültig verstrichen!

Page 68: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren IVV. Ergebnis des Verfahrens

1. Kündigung wirksam: Ende des Arbeitsverhältnisses, also Klagabweisung

2. Kündigung unwirksam: Fortsetzung des Arbeitsverhältnissesa. Es sei denn: Auflösung gegen Abfindung, §§ 9, 10 KSchG

• Dabei muß Kündigung bei Auflösungsantrag des Arbeitnehmers auch sozialwidrig (oder sittenwidrig, § 13 II KSchG) sein, bei Auflösungsantrag des Arbeitgebers darf sie nur sozialwidrig sein.

• Für außerordentliche Kündigung § 13 I 3 KSchG

• Für Auflösung dürfen auch solche Gründe herangezogen werden, zu denen der Betriebsrat nicht gehört worden ist und die als Kündigungsgrund nicht berücksichtigt werden können

b. Sonderfall 1: Leitende Angestellte (iSv § 14 II KSchG und nicht [!] § 5 III BetrVG) genießen im Ergebnis bloßen Abfindungsschutz. Arbeitgeber kann Auflösung ohne Begründung verlangen.

c. Sonderfall 2: Arbeitnehmer hat inzwischen anderes Arbeitsverhältnis. Lösungsrecht nach § 12 KSchG (Sonderfall der fristlosen Kündigung) – ohne Abfindung

Page 69: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren VVI.Bewältigung des Schwebezustandes: Weiterbeschäftigung

1. Weiterbeschäftigunga. Kollektiver Weiterbeschäftigungsanspruch nach Widerspruch des Betriebsrats, § 102 V BetrVGb. Individueller Weiterbeschäftigungsanspruch als Unterfall des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs –

„Materialisierung des vorläufigen Rechtsschutzes“ Materielle Voraussetzung: Offensichtlich unwirksame Kündigung oder Sieg des Arbeitnehmers einer

Instanz und keine besonderen Umstände, die überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung ergeben

Geltendmachung im Kündigungsschutzprozeß (Klaghäufung)

VII.Bewältigung des Schwebezustandes: Entgelt– zwei Faktoren: Arbeitsleistung und Ausgang des Verfahrens1. Kündigungsschutzklage erfolglos: Kein Arbeitsverhältnis, besonderes

„Weiterbeschäftigungsverhältnis“? Unproblematisch: Vereinbarte Weiterbeschäftigung.

Einigen sich Parteien auf vorläufige Fortsetzung des gekündigten Arbeitsverhältnisses, auflösend bedingt durch negativen Ausgang des Kündigungsschutzprozesses, so hat der Arbeitnehmer während des Verfahrens die normalen Rechte aus dem Arbeitsverhältnis. Achtung: Zweckbefristung verlangt Schriftform (BAG 22.10.2003 – 7 AZR 113/03, NZA 2004, 1275).

Page 70: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren VI Problematisch: Durch vorläufig vollstreckbares Urteil oder Betriebsratswiderspruch erzwungene

Weiterbeschäftigung – auf Basis des Weiterbeschäftigungsanspruchs. • Für individuellen Weiterbeschäftigungsanspruch nimmt Literatur gesetzliches

Weiterbeschäftigungsverhältnis an (wie fehlerhaftes Arbeitsverhältnis ), das normale Arbeitgeberpflichten auslöst. Anders BAG: Leistung ohne Rechtsgrund; Rückabwicklung nach §§ 812 ff BGB. Anstelle der Arbeitsleistung ist deren Wert zu ersetzen (§ 818 II BGB), also die übliche Vergütung. Aber nur für tatsächlich geleistete Arbeit (keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, kein Annahmeverzugsentgelt)! Weiteres Problem: Entreicherung des Arbeitgebers (§ 818 III) und aufgedrängte Bereicherung.

• Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 V BetrVG „verlängert“ nach hM das beendete Arbeitsverhältnis durch (formell einwandfreien) Widerspruch des Betriebsrats – bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses.

2. Sonderfall: Kündigung unwirksam, aber Auflösung nach § 9 KSchG:a. Auflösung wirkt nach § 9 Abs. 2 KSchG auf Zeitpunkt der (unwirksamen) Kündigung zurück.b. Hat Arbeitnehmer nicht gearbeitet: Wegen Rückwirkung kein Annahmeverzugslohn (aber:

Abfindung)c. Hat der Arbeitnehmer gearbeitet wie bei erfolgloser Kündigungsschutzklage.

Page 71: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren VII3. Kündigungsschutzklage erfolgreich: Arbeitsverhältnis bestand die ganze Zeit.

a. Arbeitnehmer hat gearbeitet normaler Entgeltanspruch, § 611 BGB

b. Arbeitnehmer hat nicht gearbeitet Annahmeverzugsentgelt, § 615 BGB mit Besonderheiten:

Unwirksame Arbeitgeberkündigung löst Annahmeverzug aus: Arbeitgeber obliegt „Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und Zuweisung der Arbeit“ als Mitwirkungshandlung. Deswegen genügt wörtliches Angebot, weil der Arbeitgeber mit der Kündigung (und mit Antrag auf Klagabweisung) die Mitwirkungshandlung verweigert, § 295 BGB. Nach BAG ist die Mitwirkungshandlung kalenderzeitmäßig bestimmt. Ein Angebot des Arbeitnehmers ist gemäß § 296 überflüssig (sehr streitig) anders beim Aufhebungsvertrag, BAG 7.12.2005 – 5 AZR 19/05, NZA 2006, 435. Das soll nach BAG sogar gelten, wenn Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war, § 297 BGB, so daß der Arbeitnehmer das Ende seiner Erkrankung und damit seine Arbeitsfähigkeit nicht anzeigen muß: Aus Sicht des Annahmeverzuges setztdie Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers jeden Tag aufs Neue ein. Entgeltfortzahlungsrechtlich sei die Anzeigepflicht nach § 5 EFG suspendiert.

Hält sich der Arbeitgeber an die BAG-Rechtsprechung, so hilft es ihm nicht, wenn er trotz seiner Kündigung dem Arbeitnehmer Arbeit unter Vorbehalt (Weiterbeschäftigungsverhältnis) anbietet. Solange der Arbeitgeber die Kündigung aufrechterhält, solange bleibt der Annahmeverzug im gekündigten Arbeitsverhältnis. Grund: Der Arbeitgeber müßte im Zuge der Weiterbeschäftigung die Arbeitsleistung „als Erfüllung des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses“ angenommen haben, also die Kündigung zurücknehmen.

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer Weiterbeschäftigung in einem anderen Rechtsverhältnis anbieten – insbes. die „Prozeßbeschäftigung“. Insofern geht es um das böswillige Unterlassen anderweitigen Erwerbs, wobei § 615 Satz 2 BGB durch Sondervorschrift des § 11 Satz 1 Nr. 2 BGB verdrängt wird.

Stellt Arbeitnehmer Auflösungsantrag wegen Zerrüttung und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung, entfällt seine Leistungsbereitschaft, also Ende des Annahmeverzuges.

Anrechnung nach § 11 KSchG (lex specialis zu § 615 S. 2 BGB). Dabei beachten: Anders als dort sind hier ersparte Aufwendungen (Fahrtkosten!) nicht abzuziehen.

Zusatzproblem: (tarifliche) Ausschlußfristen. Kündigungsschutzklage wahrt alle Ausschlußfristen (Sonderrechtsprechung 5. Senat).

Page 72: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Kündigungsschutzverfahren VII3. Kündigungsschutzklage erfolgreich: Arbeitsverhältnis bestand die ganze Zeit.

a. Arbeitnehmer hat gearbeitet normaler Entgeltanspruch, § 611 BGB

b. Arbeitnehmer hat nicht gearbeitet Annahmeverzugsentgelt, § 615 BGB mit Besonderheiten:

Unwirksame Arbeitgeberkündigung löst Annahmeverzug aus: Arbeitgeber obliegt die „Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und die Zuweisung der Arbeit“ als Mitwirkungshandlung. Deswegen genügt wörtliches Angebot, weil der Arbeitgeber mit der Kündigung (und mit Antrag auf Klagabweisung) die Mitwirkungshandlung verweigert, § 295 BGB. Nach BAG ist die Mitwirkungshandlung kalenderzeitmäßig bestimmt. Ein Angebot des Arbeitnehmers ist gemäß § 296 überflüssig (sehr streitig) anders beim Aufhebungsvertrag, BAG 7.12.2005 – 5 AZR 19/05, NZA 2006, 435. Das soll nach BAG sogar gelten, wenn Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war, § 297 BGB, so daß der Arbeitnehmer das Ende seiner Erkrankung und damit seine Arbeitsfähigkeit nicht anzeigen muß: Aus Sicht des Annahmeverzuges setzt die Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers jeden Tag aufs Neue ein. Entgeltfortzahlungsrechtlich sei die Anzeigepflicht nach § 5 EFG suspendiert.

Hält sich der Arbeitgeber an die BAG-Rechtsprechung, so hilft es ihm nicht, wenn er trotz seiner Kündigung dem Arbeitnehmer Arbeit unter Vorbehalt (Weiterbeschäftigungsverhältnis) anbietet. Solange der Arbeitgeber die Kündigung aufrechterhält, solange bleibt der Annahmeverzug im gekündigten Arbeitsverhältnis. Grund: Der Arbeitgeber müßte im Zuge der Weiterbeschäftigung die Arbeitsleistung „als Erfüllung des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses“ angenommen haben, also die Kündigung zurücknehmen.

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer Weiterbeschäftigung in einem anderen Rechtsverhältnis anbieten – insbes. die „Prozeßbeschäftigung“. Insofern geht es um das böswillige Unterlassen anderweitigen Erwerbs, wobei § 615 Satz 2 BGB durch die Sondervorschrift des § 11 Satz 1 Nr. 2 BGB verdrängt wird.

Versäumt der Arbeitnehmer die Klagfrist des § 4, so bedeutet die rückwirkende Heilung nach § 7 nachträglichen Wegfall des Annahmeverzugs!

Stellt der Arbeitnehmer Auflösungsantrag wegen völliger Zerrüttung und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung, entfällt seine Leistungsbereitschaft, also Ende des Annahmeverzuges.

Anrechnung nach § 11 KSchG (lex specialis zu § 615 S. 2 BGB). Dabei beachten: Anders als dort sind hier ersparte Aufwendungen (Fahrtkosten!) nicht abzuziehen.

Zusatzproblem: (tarifliche) Ausschlußfristen. Kündigungsschutzklage wahrt alle Ausschlußfristen (Sonderrechtsprechung 5. Senat).

Page 73: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Beendigung durch Vertrag: ÜbersichtI. Arbeitsverhältnis wird durch Vertrag begründet und kann durch

Vertrag als contrarius actus beendet werdenII. Unproblematisch: Aufhebungsvertrag ex nuncIII.Problematisch: „Aufhebungsvertrag für die Zukunft“

1. Befristung2. Bedingung

Page 74: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung II. Vereinbarte Befristung

1. Zum Begriff § 3 TzBfG (Legaldefinition) Befristung = auf „bestimmte Zeit“ abgeschlossener Arbeitsvertrag:

2. Kalendertagsbefristung (§ 3 I 2 Var. 1 TzBfG) [auch Altersgrenze]3. Zweckbefristung (§ 3 I 2 Var. 2 TzBfG)4. Auch: nachträgliche Befristung durch Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis deutlich länger

als die Kündigungsfrist auslaufen läßt5. Beachte: Befristungen werden sachlich kontrolliert – Aufhebungsverträge nicht

II. Grundsatz: Vertragsfreiheit und also Befristungsfreiheit des § 620 I (iVm § 163) BGB

III. Gleichbehandlungskontrolle in Bezug auf den Vertragsschluß1. Vertragskontrolle über den Gleichbehandlungsgrundsatz2. Diskriminierungsverbote, vor allem AGG3. § 4 II TzBfG schützt nur die wirksam Befristeten im Vergleich zu den Unbefristeten – bezieht sich

aber nicht auf die Befristung selbst

Page 75: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung IIIV. Formvorschrift § 14 IV TzBfG – mit Schriftformgebot nur für die Befristungsabrede (Parallele zu § 623 BGB)

1. Rechtsfolge: § 16 TzBfG: Arbeitsvertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen2. Keine Heilung durch nachträgliche Schriftform! 3. Kein Ausschluß der ordentlichen Kündigung innerhalb der unwirksam vereinbarten Frist, solange nur der Mangel der

Schriftform zur Unwirksamkeit führte!

V. Materielle Befristungskontrolle1. Europarechtliche Grundlage: Befristungsrichtlinie 1999/70/EG2. Allgemeine Befristungskontrolle nach § 14 I TzBfG für alle Arbeitsverhältnisse

a. keine Anknüpfung an das KSchG wegen „objektiv-funktionaler“ Umgehung; deswegen nicht erforderlich, daß das Arbeitsverhältnis unter den Schutz des KSchG fällt

b. Zwei Befristungsmöglichkeiten: Sachgrundbefristung nach § 14 I TzBfG: konkret-individueller Sachgrund erforderlich; sachgrundlose Befristung nach § 14 II und III TzBfG aus arbeitsmarktpolitischen Gründen

3. Tarifverträge können zusätzliche Befristungsgründe schaffen (aber Befristung auch erschweren oder ausschließen), weil das TzBfG insoweit tarifdispositiv ist

4. Daneben: Sonderbefristungstatbestände in Spezialgesetzena. § 21 I BEEG: Vertretung von Erziehungsurlaubern oder Schwangeren

b. WissenschaftszeitvertragsG für Hochschulen und Forschungseinrichtungen

c. Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung

Page 76: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung IIIVI. Rechtsfolge

1. Scheitert Befristung, entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis!2. Klausurprüfung: Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge einer wirksamen Befristungsabrede3. Achtung: Grundsätzlich unterliegt nur der letzte von mehreren befristeten Verträgen der Kontrolle

(Ausnahme: freiwillig vereinbarter Vorbehalt)

VII.Ist die Befristung wirksam, muß ein Anspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geprüft werden (ähnlich dem kündigungsschutzrechtlichen Wiedereinstellungsanspruch)1. § 7 II TzBfG sieht nur vor, daß der Arbeitgeber befristet Beschäftigte über frei werdende

unbefristete Arbeitsplätze informieren muß, zielt also nur auf Bewerbungsmöglichkeit, kein gesetzlicher Übernahmeanspruch – und kein Anspruch auf vorrangige Berücksichtigung (arg e contrario § 9 TzBfG).

2. „Flankenschutz“ des Betriebsrats nach § 99 II Nr. 3 BetrVG3. Tarifverträge können einen Übernahmeanspruch einräumen

Page 77: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung IVVIII.Sachgrundbefristung

1. Prüfungsgegenstand: der letzte Arbeitsvertrag (Kettenbefristungen!). Aber: Je länger der Arbeitnehmer schon befristet tätig war, desto höher werden die Anforderungen an den Sachgrund.

2. Die Dauer der Befristung bedarf keines besonderen Sachgrundes; die Befristung darf zwar nicht länger sein, als vom Sachgrund getragen, aber durchaus kürzer

3. Sachgründe sind:a. Zeitlich begrenzte Ausbildung (iwS, also nicht nach dem BBiG, dort gesetzliche Befristung)b. Begrenzter Arbeitsbedarf (Projektbefristung/Saisonarbeit); dabei sichere Prognose erforderlich (§ 14 Abs. 1 Nr. 1

TzBfG), auch: bevorstehende Betriebsschließungc. Vertretung eines anderen Arbeitnehmers als Sonderfall des begrenzten Arbeitsbedarfs (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG),

Sonderregelungen für die Vertretung eines Elternzeiters § 21 BEEGd. Besonderes Erprobungsbedürfnis (über 6 Monate hinaus § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG)e. Drittmittelfinanzierung (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG)f. Interesse des Arbeitnehmers (vor allem Überbrückungstatbestände – vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG)g. gerichtlicher Vergleich (§ 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG)

4. Tendenzschutz für Rundfunk, Wissenschaft und Kirche

Page 78: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung VIX.Sachgrundlose Befristung zur Beschäftigungsförderung

1. § 14 II TzBfG: Beschäftigungsförderung für alle Arbeitnehmera. Befristung bis zu zwei Jahren, dabei bis zu dreimalige Verlängerung zulässig,

Verlängerung Frist darf nicht abgelaufen sein! b. Änderung der Vertragsinhalte schadet nach BAG []. Rückausnahme: Fiktive Änderung der Vertragsinhalte

auch im unbefristeten Arbeitsverhältnis wg. § 4 II 1 TzBfG.c. entweder Neueinstellung oder befristete Verlängerung eines aus anderem Grund befristeten

Arbeitsverhältnisses (vor allem: Ausbildungsverhältnis), § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfGd. Kein Problem: Veränderung der Arbeitsbedingungen ohne Änderung der Befristungsabredee. Jedes (!) zuvorige Arbeitsverhältnis zwischen denselben Parteien schließt eine spätere sachgrundlose

Befristung aus. Enge funktionale Reduktion möglich, damit nicht jede Aushilfstätigkeit vor 30 Jahren die Befristung – zu Lasten des Arbeitnehmers – ausschließt. BVerfG 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 gegen BAG

2. § 14 III TzBfG: Beschäftigungsförderung für Ältere• (Sachgrundlose) Altersbefristung ist bis zu einer Dauer von 5 Jahren zulässig. Der Arbeitnehmer muß zuvor

vier Monate beschäftigungslos iSd § 119 I Nr. 1 SGB III gewesen sein, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder III teilgenommen haben. Reaktion auf Mangold-Entscheidung des EuGH.

Page 79: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung VIX. Sonderproblem: Altersgrenze

1. BVerfG 20.12.1996 – 1 BvL 10/96 – NJW 1997, 791 für die Altersgrenze im Rahmen der kassenärztlichen Zulassung

2. Befristung und keine Bedingung! 3. Sachgrund: typisches Nachlassen der Leistungsfähigkeit im Alter +

ausreichende Altersversorgung (str mit Blick auf Art. 12 GG)4. Zwar Altersdiskriminierung, indes gerechtfertigt, wenn im Anschluß eine

Altersrente bezogen werden kann (EuGH 16.10.2007 – C-411/05 „Palacios“ –NZA 2007, 1219)

5. Zusätzliche Schranke: § 41 SGB VI (zum Schutz der Rentenversicherung)6. Sonderregelung in § 8 Abs. 3 ATzG für Altersteilzeit

Page 80: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung VIIXI.Befristung und Sonderkündigungsschutz

1. Sonderkündigungsschutz verlangt auch im Rahmen der Befristungskontrolle des neuen § 14 I TzBfG besondere Anforderungen an den sachlichen Grund. Maßgeblich ist Abschlußzeitpunkt.

2. Besteht zu diesem Zeitpunkt Sonderkündigungsschutz, genügen zwar die normalen Befristungsgründe. Aber: Der Arbeitgeber darf nicht gerade wegen des den Sonderkündigungsschutz auslösenden Umstandes befristen (Diskriminierungskontrolle!), etwa wegen der Schwangerschaft

3. Tritt der Sonderkündigungsschutztatbestand erst nach Abschluß, aber vor Fristablauf ein, ändert das nichts am Fristlauf. Schwangerschaft bei Fristablauf macht die Befristung weder nachträglich unwirksam, noch führt sie zu einem Verlängerungsanspruch.

4. Nach allgemeinen Grundsätzen kann dem Arbeitnehmer wegen der Nichtverlängerung Diskriminierungsschutz (wie bei der Einstellung) zukommen, wenn der Arbeitgeber ausschließlich wegen des Umstandes, der den Sonderkündigungsschutz bedingt, die Vertragsverlängerung verweigert (etwa: wegen der Schwangerschaft, wegen der Wahl in den Betriebsrat)

Page 81: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Befristung VIIIXII. Prozessuale Beschränkung der Befristungskontrolle nach § 17 TzBfG entsprechend §§ 7, 4 ff KSchG

Klagelast, nur soweit es um die Wirksamkeit der Befristungsabrede geht

XIII.Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses vor Fristablauf1. Ordentliche Kündigung durch Befristung grundsätzlich ausgeschlossen, § 620 BGB2. Es sei denn: ausdrücklich ordentliche Kündbarkeit vereinbart (§ 15 Abs. 3 TzBfG)3. Arbeitnehmer kann bei Frist von mehr als 5 Jahren kündigen (Kündigungsfrist: sechs Monate) – § 15 IV TzBfG, in Anlehnung

an § 624 BGB.4. Außerordentliche Kündigung

XIV.Gesetzliche Befristung von AusbildungsverträgenGrundsatz: Berufsausbildungsverhältnis endet mit dem Ablauf der Ausbildungszeit – oder früher: mit Bestehen der Abschlußprüfung (§ 21 II BBiG). Umgekehrt: Verlängerung bei Nichtbestehen der Abschlußprüfung (§ 21 Abs. 3 BBiG).

XV. Kontrolle auflösender Bedingungen§ 21 TzBfG erklärt einzelne Vorschriften des TzBfG auch bei auflösender Bedingung für anwendbar:1. Kontrolle auf sachliche Rechtfertigung (§ 14 Abs. 1 TzBfG)2. Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG3. Klagfrist des § 17 TzBfG4. Beispiel: BAG 2.7.2003 – 7 AZR 612/02, NZA 2004, 311: Schauspielerin und Rollenende in Fernsehserie

Page 82: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

AufhebungsvertragI. Vereinbarte Rechtsfolge muß Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein. Nimmt der

Arbeitnehmer die Arbeitgeberkündigung hin, bedeutet eine entsprechende Vereinbarung nur „Abwicklungsvertrag“

II. Schriftformerfordernis in § 623 BGB, dabei § 126 II 1 BGB beachtenSonderproblem: „Beförderung“ zum Geschäftsführer/Vorstand (Nicht-Arbeitnehmer) und konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrages

III. Problem: Arbeitnehmer verzichtet durch Aufhebungsvertrag auf Kündigungsschutz1. BGB-Lösung: Anfechtung nach § 123 wegen Kündigungsdrohung2. Wann ist die Kündigungsdrohung widerrechtlich?3. BAG: Wenn ein „verständiger Arbeitgeber“ sie nicht in Erwägung ziehen durfte!4. Anfechtungsfrist des § 124 wird durch Verwirkung nur in ganz krassen Fällen verkürzt5. UU : Anspruch aus cic wegen fahrlässiger Täuschung oder sonst pflichtwidriger Beeinflussung des

Arbeitnehmers

Page 83: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

AufhebungsvertragIV.Verbrauchswiderrufsrecht?

1. Arbeitnehmer als Verbraucher (§ 13 BGB)2. Kein „Vertrieb“ und kein Außergeschäftsraumvertrag iSv § 312b I BGB, wenn

Aufhebungsvertrag am Arbeitsplatz; keine „entgeltliche Leistung des Unternehmers“ iSv § 312 I BGB

3. Verneinend für § 312 aF: BAG 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597

V. Sonderschutz im Fall des Betriebsübergangs

VI.Begleitschutz des Arbeitnehmers durch Informationsansprüche:1. Grundlage: § 241 Abs. 2 BGB 2. Gerichtet vor allem auf Information über Versorgungsnachteile

VII.Aufhebungsvertrag ohne wichtigen Grund (etwa um einer Kündigung des Arbeitgebers zuvorzukommen) kann Sperre des Arbeitslosengeldes I auslösen, § 144 I Nr. 1 SGB III.

Page 84: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

WiedereinstellungI. Rückgängigmachen der wirksamen Vertragsbeendigung (Kündigung und Aufhebungsvertrag)

II. Kein Unwirksamwerden der Kündigung1. Wirksamkeit des Gestaltungsrechts allein nach Zeitpunkt seiner Ausübung – also Zugang der Kündigungserklärung gem. 130 BGB.

2. Kündigung kann nicht nachträglich unwirksam werden (Ausnahmen: § 543 II 3 BGB und § 569 III Nr. 2 BGB!).

3. Also: keine kündigungsrechtliche Prognosekorrektur

III. Durch einvernehmlichen Vertrag – Vertragsprinzip1. Keine einseitige Rücknahme der wirksamen Kündigung oder des wirksamen Aufhebungsvertrags, sobald Gestaltungswirkung eingetreten

2. Widerruf der Kündigung ist nach § 130 BGB nur bis zu deren Zugang möglich; dasselbe gilt für Angebot und Annahme des Aufhebungsvertrages

IV. Allein möglich: Vertragliche Neubegründung des Arbeitsverhältnissesausdrücklich oder konkludent Sonderfall (und Falle für die Praxis): relocatio tacita des § 625 BGB (Vorschrift abdingbar); ähnlich § 15 Abs. 5 TzBfG, aber konfuserweise nicht

abdingbar (§ 22 TzBfG)

Ähnlich: Weiterarbeit nach Beendigung der Berufsausbildung. § 24 BBiG gilt als konkludente Begründung eines Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit. Problem: das Ende des Berufsausbildungsverhältnisses ist nicht vorherbestimmt. Jenes endet mit dem (auch vorzeitigen) Bestehen der Prüfung oder mit dem endgültigen Nichtbestehen, § 21 BBiG. Der Arbeitgeber muß also die Prüfungen verfolgen.

Page 85: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

WiedereinstellungsanspruchI. Kraft Vereinbarung oder Tarifvertrag (praktisch nur für betriebsbedingte Kündigung)

II. Gesetzlicher in Rechtsfortbildung des KSchG?1. Jede Kündigung basiert auf einer Prognose. Diese mag im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung zutreffen, kann sich aber ändern (spontaner

Personalbedarf bei betriebsbedingter Kündigung; Heilung des kranken Arbeitnehmers; neue Beweise entkräften die Verdachtskündigung. Mit dem Wiedereinstellungsanspruch kann eine Prognosekorrektur zugunsten des Arbeitnehmers bewirkt werden.

2. Das BAG anerkennt (und beschränkt) diesen Wiedereinstellungsanspruch auf den Fall, daß sich die Prognose während des laufenden Arbeitsverhältnisses – also innerhalb der Kündigungsfrist – als falsch herausstellt. Nach Ablauf der Kündigungsfrist, auch während eines noch laufenden Kündigungsschutzverfahrens, kann kein Wiedereinstellungsanspruch mehr entstehen. Unklar ist noch, ob das nur für die betriebsbedingte Kündigung oder auch sonst gelten soll, etwa für die nach Ablauf der Kündigungsfrist entkräftete Verdachtskündigung.

3. Dabei greift der Wiedereinstellungsanspruch nicht nur, wenn der Arbeitsplatz des Gekündigten nachträglich „doch nicht“ wegfällt, sondern auch dann, wenn sich eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auftut.

III. Rechtliche Konstruktion streitig: 1. Fürsorgepflicht | Rechtsfortbildung | Verbot des venire contra factum proprium | Vertrauensschutz | BAG: allgemeine vertragliche Nebenpflicht

aus § 242 BGB

2. Leitentscheidung BAG 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097

IV. Kein Wiedereinstellungsanspruch nach Befristungsende – auch dann nicht, wenn die Befristungsprognose sich als inzwischen unrichtig erweist und die Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung besteht.

Page 86: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Nachvertragliche Pflichten des ArbeitgebersI. Entgeltabrechnung

1. § 108 GewO erfaßt auch die „Schlußabrechnung“2. Ausgleichsquittung (§ 397 II BGB):

a. Übliches Instrument, um alle wechselseitigen Ansprüche zu vernichtenb. Kann nachvertragliches Wettbewerbsverbot umfassen (wenn nicht sorgfältig formuliert)c. Scheitert teils an Erlaßverboten (§ 4 Abs. 4 TVG u.ä.)d. AGB-Kontrolle des verfügenden Verzichts?

II. Zeugnis1. Anspruchsgrundlage: § 109 GewO, § 630 BGB, § 73 HGB, [für Auszubildende: § 16 BBiG]2. Nach Wahl des Arbeitnehmers:

a. Einfaches Zeugnis (Beschäftigungsdaten, Art und Dauer) oderb. qualifiziertes Zeugnis (mit Bewertung). In letzterem Fall Pflicht zu wohlwollender Beurteilung („Fürsorgepflicht“). Konflikt mit

Wahrheitspflicht.

3. Durchsetzung: BAG bejaht § 894 ZPO analog; d.h.: Richter schreibt Zeugnis und verurteilt Arbeitgeber zur Ausstellung

4. Problem: Haftung gegenüber nächstem Arbeitgeber, wenn dieser durch „zu gutes“ Zeugnis getäuscht wird.Anspruchsgrundlage: grundsätzlich § 826 BGB; uU auch cic-ähnliche Eigenhaftung (trotz § 675 II BGB)

Page 87: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Nachvertragliche Pflichten des ArbeitgebersIII.Sonstige Arbeitspapiere

1. Urlaubsbescheinigung (§ 6 Abs. 2 BUrlG)2. Lohnsteuerkarte (elektronische Abrechnung)3. Sozialversicherungsnachweisheft + Sozialversicherungsausweis 4. Entlassungsbescheinigung (für das Arbeitsamt)5. Krankenkassenbescheinigung

IV.Information1. Information über Meldepflicht in der Arbeitslosenversicherung, §§ 2, 37b SGB III

a. Kein Anspruch des Arbeitnehmers, sondern Pflicht gegenüber der Arbeitsverwaltung

b. Information über Rechtsfolgen in der Altersversorgung

2. Sonderfall Aufhebungsvertrag – idR keine Hinweispflichten

Page 88: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Nachvertragliche Pflichten des Arbeitnehmers I. Abwicklungspflichten (Rückgabe von Arbeitsmitteln, Geschäftswagen etc.)

II. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot1. Grundlagen: Geregelt in § 110 GewO iVm §§ 74 ff HGB2. Anders als das „automatische“ Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses (§ 60

HGB) bedarf das nachvertragliche einer besonderen VereinbarungNur ganz ausnahmsweise kann die nachvertragliche Treue- oder Verschwiegenheitspflicht in ein Wettbewerbsverbot münden

3. Inhalt: Tätigkeits- oder unternehmensbezogenes Verbot4. Besonderer Arbeitnehmerschutz nach §§ 74 ff HGB (aber für alle Arbeitsverhältnisse) - wegen

der Erschwerung des beruflichen Fortkommens (Art. 12 I GG). Grundvoraussetzung: Arbeitnehmerstatus (nicht: freie Mitarbeiter, Organmitglieder); deswegen entfällt der Schutz, wenn das Wettbewerbsverbot nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird und dies nicht im Zusammenhang mit der Beendigung erfolgt

Page 89: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Nachvertragliche Pflichten des Arbeitnehmers III.Wirksamkeitsvoraussetzungen

1. Unverbindlichkeit nach § 74 HGBa. Schriftform, § 74 Abs. 1 HGB (schärfer als NachweisG), zugleich Bestimmtheitsgebot

b. + Aushändigung der Urkunde (nach BAG kein Formgebot), weswegen der Fehler nur zu Lasten des Arbeitgebers geht

c. Kompensatorische Karenzentschädigung erforderlich, 50% des zuletzt bezogenen Entgeltes, § 74 II HGB. Berechnung: § 74b HGB; Anrechnung anderweitigen Verdienstes, § 74c HGB

2. Unverbindlichkeit nach § 74a I HGBa. Berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers, § 74a I 1 HGB

b. Keine unbillige Behinderung der beruflichen Entwicklung des Arbeitnehmers, § 74a I 2 HGB (insbesondere: unverhältnismäßige räumliche Ausdehnung!)

c. Maximal zwei Jahre, § 74a I 3 HGB

Page 90: Tarifpolitik in der Wertschöpfungskette...Kündigung in der Fallbearbeitung I I. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung ist schwierig zu prüfen, weil eine Gemengelage

Nachvertragliche Pflichten des Arbeitnehmers 3. Nichtigkeit nach § 74a II HGB

a. Geringverdienerb. Minderjährige (Bestätigung nach Volljährigkeit. § 141 BGB); Sonderfall § 12 I BBiGc. Ehrenwort

4. Kein Entfall nach Kündigung, § 75 HGBa. § 75 I HGB: Lösungsrecht bei außerordentlicher Kündigung des Arbeitnehmers; analog bei außerordentlicher

Kündigung des Arbeitgebers, da § 75 III HGB vom BAG als verfassungswidrig verworfen; vgl. § 90a III HGBb. § 75 II HGB: Lösungsrecht des Arbeitnehmers bei Kündigung durch Arbeitgeber ohne erheblichen Anlaß in der

Person des Arbeitnehmers (weniger als § 626 BGB), insbesondere: betriebsbedingte Kündigung, abwendbar durch Angebot 100%iger Karenzentschädigung

5. Kein Verzicht des Arbeitgebers auf das Wettbewerbsverbot vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 75a HGB

6. Kein Rücktritt nach § 323 BGB (des Arbeitnehmers wegen Nichtzahlung der Entschädigung, des Arbeitgebers wegen unzulässigem Wettbewerb): BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, NZA 2018, 578

7. Umgehungsschutz § 75d HGB („Mandantenschutzklauseln“)