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© Springer-Verlag 2010 wobl Rechtsprechung/ABGB 83 2010, Heft 3 März tragskonform) anzusehen ist, so fällt es nicht in seine Sphäre, wenn es durch diesen Gebrauch zu Schäden am Bestandobjekt (und damit idR zugleich auch zu einer Beeinträchtigung von dessen Gebrauch) kommt. Oder anders gewendet: Mangels abweichender vertraglicher Regelung muss ein Bestandobjekt während der gesamten Vertragslaufzeit den verkehrsüblichen Gebrauch gestat- ten, ohne dass es dadurch zu Schäden oder Funktions- beeinträchtigungen des Bestandobjektes kommt, ande- renfalls das Bestandobjekt als mangelhaft anzusehen ist (und dem Bestandnehmer entsprechende Mietzinsminde- rung gebührt). Dies gilt für das im gegenständlichen Ver- fahren thematisierte (und zweifellos v ö l l i g verkehrs- übliche) Aufstellen und Montieren von Möbeln an der Wand ebenso wie – worauf Iro (Anmerkung zu wobl 2009, 132/51) jüngst zu Recht hingewiesen hat – für verkehrs- übliche (und eben darum vom Vertrag im Zweifel glei- chermaßen gedeckte) Adaptionen und Veränderungen des Bestandobjektes. Eine Ausnahme vom eben dargelegten Grundsatz könnte nur dann bestehen, wenn es durch ein verkehrs- übliches Verhalten des Bestandnehmers zu Mängeln des Bestandobjektes kommt und der Bestandnehmer in wei- terer Folge seine diesbezügliche Anzeigepflicht (vgl §§ 1097 ABGB, 8 Abs 1 MRG) verletzt, oder wenn im Be- standvertrag dem Bestandnehmer bestimmte Verhaltens- weisen, die an sich als verkehrsüblich anzusehen wären, untersagt wurden. Dann (und nur dann!) könnte eine auf verkehrsübliches Nutzerverhalten zurückzuführende Schadhaftigkeit des Bestandobjektes bzw eine damit einhergehende Beeinträchtigung des vertragskonformen Gebrauches in die Sphäre des Mieters fallen (und diesen schadenersatzpflichtig machen sowie der Bestandzins- minderung berauben). Bezüglich des expliziten Ausschlusses von an sich ver- kehrsüblichem Verhalten als in concreto nicht vertrags- konform sollten freilich die Möglichkeiten zulässiger Ver- tragsgestaltung nicht überschätzt werden. Denn wenn etwa ein Vermieter, statt die übermäßige Feuchtigkeit der Wände des Bestandobjektes durch geeignete Maßnah- men zu beseitigen, seinen Mietern standardvertraglich vorschreiben möchte, Möbel in mindestens 1 Meter Ab- stand von den Wänden aufzustellen, so wird dem wohl in aller Regel § 879 Abs 3 ABGB entgegenstehen. a. Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch 38. Kündigung/Auflösung wegen Mietzinsrückstands: Erfordernis der qualifizierten Mahnung und feh- lendes grobes Verschulden DOI 10.1007/s00719-009-1343-1 § 1118 ABGB; § 29 Abs 1 Z 5, § 30 Abs 2 Z 1, § 33 MRG: Unter den Begriff der „Einmahnung“ des § 1118 ABGB fällt jedes Verhalten, aus dem sich ergibt, dass der Gläubiger die Leistung ernstlich fordert; auch aufgrund der Bezeichnung „Zahlungserinnerung“ kann kein ernst- hafter Zweifel daran aufkommen, dass es sich dabei um eine qualifizierte Mahnung iSd § 1118 ABGB handelt. Am Vorliegen einer „qualifizierten Mahnung“ iSd § 1118 ABGB mangelt es auch dann nicht, wenn sich in- folge unrichtiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage später herausstellt, dass die Forderung der kl P nicht zur Gänze berechtigt war. Die Beweislast dafür, dass ein grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Mietzinses nicht vorliegt, trifft den Mieter. Ob ein solches Verschulden vorliegt, ist regel- mäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig und stellt daher idR auch keine erhebliche Rechtsfrage dar. Zweifel über die wahre Rechtslage können grobe Fahr- lässigkeit ausschließen. OGH 29. 4. 2009, 9 Ob 21/09t – Zurückweisung der ao Revision (LGZ Wien 38 R 174/08g) 39. Zu den Voraussetzungen der Auflösung des Be- standverhältnisses wegen qualifizierten Bestand- zinsrückstands DOI 10.1007/s00719-009-1298-2 § 1118 ABGB: Hat der Vermieter vor Einbringung der Räumungs- klage Mietzinsrückstände zwar eingemahnt, aber keine außergerichtliche Auflösungserklärung gem § 1118 zwei- ter Fall ABGB abgegeben, ersetzt die Räumungsklage die Auflösungserklärung. Auch erst im Zuge des Verfahrens aufgelaufene Bestandzinsrückstände können das auf § 1118 zweiter Fall ABGB gestützte Räumungsbegehren rechtfertigen. Im Verfahren aufgelaufene Zinsrückstände können ein zum Zeitpunkt der Klagszustellung nicht be- rechtigtes Räumungsbegehren aber nur dann rechtferti- gen, wenn sie wenigstens zu irgendeinem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens qualifiziert iSd § 1118 zweiter Fall ABGB waren. Die zeitliche Abfolge – Mah- nung, Nachfristsetzung, Aufhebungserklärung – muss immer gewahrt bleiben. OGH 26. 2. 2009, 1 Ob 29/09k – Zurückweisung der ao Revision (LG Wiener Neustadt 17 R 271/08m) 40. Mietzinszahlung unter Vorbehalt DOI 10.1007/s00719-009-1280-z § 1118 2. Fall, § 1412 ABGB: Der Vorbehalt der Rückforderung für den Fall des Nichtbestehens der Verbindlichkeit hindert nicht die Til- gung der Schuld, falls sie besteht. Der Mieter vermeidet so das Risiko, dass der Vermieter ihn wegen des Beste- hens eines Mietzinsrückstandes allenfalls erfolgreich kündigen kann und behält zugleich die Rückforderungs- möglichkeit nach § 1431 ABGB. OGH 16. 12. 2008, 8 Ob 123/08h (LGZ Wien 39 R 35/08y; BG Fünfhaus 10 C 407/05y) Der Kl ist Eigentümer der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse W. Die Bekl ist Mieterin der Woh- nung Top Nr. 5 in dem auf der Liegenschaft errichteten Gebäude. Mit Schreiben vom 1. 9. 2004 schrieb der Kl der Bekl eine Mietzinserhöhung (statt bisher 1,32 EUR pro m 2 1,39 EUR pro m 2 ) vor. Die Bekl bezahlte den Erhöhungs- betrag für die Monate November 2004 bis Februar 2005 in Höhe von 62,64 EUR ebenso wie die Vorschreibungs- erhöhung für März 2005 vor Klageeinbringung. Beide Zahlungen leistete die Bekl unter Vorbehalt. Der Kl nahm eine Rücküberweisung dieser Beträge vor. Der Kl begehrt Zahlung von 78,30 EUR (auf eine Wert- sicherungserhöhung gemäß § 45 MRG gestützte Miet- zinsdifferenzen für die Monate November 2004 bis März 2005) und die Räumung der von der Bekl gemieteten Wohnung. Die Bekl sei vor Klageeinbringung darauf hin- gewiesen worden, dass unter Vorbehalt geleistete Miet- zinszahlungen nicht zur Tilgung der Schuld angenom- men werden könnten. Der Kl habe den Rückstand vor Klageeinbringung gemahnt und eine Auflösungserklä- rung nach § 1118 zweiter Fall ABGB abgegeben.

Kündigung/Auflösung wegen Mietzinsrückstands: Erfordernis der qualifizierten Mahnung und fehlendes grobes Verschulden

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© Springer-Verlag 2010

woblRechtsprechung/ABGB 832010, Heft 3

März

tragskonform) anzusehen ist, so fällt es nicht in seineSphäre, wenn es durch diesen Gebrauch zu Schäden amBestandobjekt (und damit idR zugleich auch zu einerBeeinträchtigung von dessen Gebrauch) kommt. Oderanders gewendet: Mangels abweichender vertraglicherRegelung muss ein Bestandobjekt während der gesamtenVertragslaufzeit den verkehrsüblichen Gebrauch gestat-ten, ohne dass es dadurch zu Schäden oder Funktions-beeinträchtigungen des Bestandobjektes kommt, ande-renfalls das Bestandobjekt als mangelhaft anzusehen ist(und dem Bestandnehmer entsprechende Mietzinsminde-rung gebührt). Dies gilt für das im gegenständlichen Ver-fahren thematisierte (und zweifellos v ö l l i g verkehrs-übliche) Aufstellen und Montieren von Möbeln an derWand ebenso wie – worauf Iro (Anmerkung zu wobl 2009,132/51) jüngst zu Recht hingewiesen hat – für verkehrs-übliche (und eben darum vom Vertrag im Zweifel glei-chermaßen gedeckte) Adaptionen und Veränderungendes Bestandobjektes.

Eine Ausnahme vom eben dargelegten Grundsatzkönnte nur dann bestehen, wenn es durch ein verkehrs-übliches Verhalten des Bestandnehmers zu Mängeln desBestandobjektes kommt und der Bestandnehmer in wei-terer Folge seine diesbezügliche Anzeigepflicht (vgl§§ 1097 ABGB, 8 Abs 1 MRG) verletzt, oder wenn im Be-standvertrag dem Bestandnehmer bestimmte Verhaltens-weisen, die an sich als verkehrsüblich anzusehen wären,untersagt wurden. Dann (und nur dann!) könnte eineauf verkehrsübliches Nutzerverhalten zurückzuführendeSchadhaftigkeit des Bestandobjektes bzw eine damiteinhergehende Beeinträchtigung des vertragskonformenGebrauches in die Sphäre des Mieters fallen (und diesenschadenersatzpflichtig machen sowie der Bestandzins-minderung berauben).

Bezüglich des expliziten Ausschlusses von an sich ver-kehrsüblichem Verhalten als in concreto nicht vertrags-konform sollten freilich die Möglichkeiten zulässiger Ver-tragsgestaltung nicht überschätzt werden. Denn wennetwa ein Vermieter, statt die übermäßige Feuchtigkeitder Wände des Bestandobjektes durch geeignete Maßnah-men zu beseitigen, seinen Mietern standardvertraglichvorschreiben möchte, Möbel in mindestens 1 Meter Ab-stand von den Wänden aufzustellen, so wird dem wohl inaller Regel § 879 Abs 3 ABGB entgegenstehen.

a. Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch

38.Kündigung/Auflösung wegen Mietzinsrückstands:Erfordernis der qualifizierten Mahnung und feh-lendes grobes Verschulden

DOI 10.1007/s00719-009-1343-1

§ 1118 ABGB; § 29 Abs 1 Z 5, § 30 Abs 2 Z 1, § 33 MRG:Unter den Begriff der „Einmahnung“ des § 1118

ABGB fällt jedes Verhalten, aus dem sich ergibt, dass derGläubiger die Leistung ernstlich fordert; auch aufgrundder Bezeichnung „Zahlungserinnerung“ kann kein ernst-hafter Zweifel daran aufkommen, dass es sich dabei umeine qualifizierte Mahnung iSd § 1118 ABGB handelt.

Am Vorliegen einer „qualifizierten Mahnung“ iSd§ 1118 ABGB mangelt es auch dann nicht, wenn sich in-folge unrichtiger Einschätzung der Sach- und Rechtslagespäter herausstellt, dass die Forderung der kl P nicht zurGänze berechtigt war.

Die Beweislast dafür, dass ein grobes Verschulden ander Nichtzahlung des Mietzinses nicht vorliegt, trifft denMieter. Ob ein solches Verschulden vorliegt, ist regel-mäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängig und

stellt daher idR auch keine erhebliche Rechtsfrage dar.Zweifel über die wahre Rechtslage können grobe Fahr-lässigkeit ausschließen.OGH 29. 4. 2009, 9 Ob 21/09t – Zurückweisung der ao Revision (LGZ Wien38 R 174/08g)

39.Zu den Voraussetzungen der Auflösung des Be-standverhältnisses wegen qualifizierten Bestand-zinsrückstands

DOI 10.1007/s00719-009-1298-2

§ 1118 ABGB:Hat der Vermieter vor Einbringung der Räumungs-

klage Mietzinsrückstände zwar eingemahnt, aber keineaußergerichtliche Auflösungserklärung gem § 1118 zwei-ter Fall ABGB abgegeben, ersetzt die Räumungsklage dieAuflösungserklärung. Auch erst im Zuge des Verfahrensaufgelaufene Bestandzinsrückstände können das auf§ 1118 zweiter Fall ABGB gestützte Räumungsbegehrenrechtfertigen. Im Verfahren aufgelaufene Zinsrückständekönnen ein zum Zeitpunkt der Klagszustellung nicht be-rechtigtes Räumungsbegehren aber nur dann rechtferti-gen, wenn sie wenigstens zu irgendeinem Zeitpunkt deserstinstanzlichen Verfahrens qualifiziert iSd § 1118zweiter Fall ABGB waren. Die zeitliche Abfolge – Mah-nung, Nachfristsetzung, Aufhebungserklärung – mussimmer gewahrt bleiben.OGH 26. 2. 2009, 1 Ob 29/09k – Zurückweisung der ao Revision (LG WienerNeustadt 17 R 271/08m)

40.Mietzinszahlung unter Vorbehalt

DOI 10.1007/s00719-009-1280-z

§ 1118 2. Fall, § 1412 ABGB:Der Vorbehalt der Rückforderung für den Fall des

Nichtbestehens der Verbindlichkeit hindert nicht die Til-gung der Schuld, falls sie besteht. Der Mieter vermeidetso das Risiko, dass der Vermieter ihn wegen des Beste-hens eines Mietzinsrückstandes allenfalls erfolgreichkündigen kann und behält zugleich die Rückforderungs-möglichkeit nach § 1431 ABGB.OGH 16. 12. 2008, 8 Ob 123/08h (LGZ Wien 39 R 35/08y; BG Fünfhaus10 C 407/05y)

Der Kl ist Eigentümer der Liegenschaft mit derGrundstücksadresse W. Die Bekl ist Mieterin der Woh-nung Top Nr. 5 in dem auf der Liegenschaft errichtetenGebäude.

Mit Schreiben vom 1. 9. 2004 schrieb der Kl der Bekleine Mietzinserhöhung (statt bisher 1,32 EUR pro m2

1,39 EUR pro m2) vor. Die Bekl bezahlte den Erhöhungs-betrag für die Monate November 2004 bis Februar 2005in Höhe von 62,64 EUR ebenso wie die Vorschreibungs-erhöhung für März 2005 vor Klageeinbringung. BeideZahlungen leistete die Bekl unter Vorbehalt. Der Klnahm eine Rücküberweisung dieser Beträge vor.

Der Kl begehrt Zahlung von 78,30 EUR (auf eine Wert-sicherungserhöhung gemäß § 45 MRG gestützte Miet-zinsdifferenzen für die Monate November 2004 bis März2005) und die Räumung der von der Bekl gemietetenWohnung. Die Bekl sei vor Klageeinbringung darauf hin-gewiesen worden, dass unter Vorbehalt geleistete Miet-zinszahlungen nicht zur Tilgung der Schuld angenom-men werden könnten. Der Kl habe den Rückstand vorKlageeinbringung gemahnt und eine Auflösungserklä-rung nach § 1118 zweiter Fall ABGB abgegeben.