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Fachartikel Kundentakt und Nivellierung Von David Moser, Geschäftsführender Partner der Wertfabrik AG Kundenbestellungen eines bestimmten Produktes «Just-in-Time» erfüllen zu können und dabei die Produktionsabläufe optimal im Griff zu haben, ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Bei Fehlpla- nung drohen rasch Über- oder Unterproduktion. «Nivellierung» lautet das Zauberwort, um dieses Problem zu lösen. Der nachfolgende Artikel er- läutert, wie’s geht.

Kundentakt und Nivellierung

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Von David Moser, Geschäftsführender Partner, Wertfabrik AG

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Page 1: Kundentakt und Nivellierung

Fachartikel

Kundentakt und NivellierungVon David Moser, Geschäftsführender Partner der Wertfabrik AG

Kundenbestellungen eines bestimmten Produktes

«Just-in-Time» erfüllen zu können und dabei die

Produktionsabläufe optimal im Griff zu haben, ist

ein anspruchsvolles Unterfangen. Bei Fehlpla-

nung drohen rasch Über- oder Unterproduktion.

«Nivellierung» lautet das Zauberwort, um dieses

Problem zu lösen. Der nachfolgende Artikel er-

läutert, wie’s geht.

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Der Kundentakt (KT) gibt vor, wieviel Zeit für die Herstellung eines Produktes zur Ver-fügung steht, damit die Kundennachfrage «Just-in-Time» erfüllt werden kann. Die Formel dazu lautet:

KT = (zur Verfügung stehende Netto Arbeitszeit)

(Kundenbedarf während dieser Zeit)

Rechnet man dies mit konkreten Zahlen, könnte ein Beispiel bei einem Zweischicht-betrieb so aussehen:

Kundenbedarf Produkt/Tag: 300 Stück Brutto Arbeitszeit (Zweischichtbetrieb): 2 x 8.5 h = 17 h abzüglich Pausen, je 30 min pro Schicht Netto Arbeitszeit: 17 h – 2 x 30 min = 16 h = 960 min

KT = (960 min) = 3.2 min/Stück

(300 Stück)

Das bedeutet: Gesamt werden 960 Minuten gearbeitet. Um in dieser Zeit die gefor-derten 300 Stück herzustellen, muss alle 3.2 Minuten ein Stück die Produktion ver-lassen. Wird pro Stück länger als 3.2 Minuten benötigt, kann der Kundenbedarf nicht pünktlich erfüllt werden.

Die gleiche Rechnung, bei einem Einschichtbetrieb mit einer Brutto Arbeitszeit von 8.5 h und einer Netto Arbeitszeit von 8 h, gestaltet sich folgendermassen:

KT = (480 min) = 1.6 min/Stück

(300 Stück)

Die Lösung bei variablem KundentaktDer Kundentakt hängt, wie beide Beispiele zeigen, stark vom Kundenbedarf ab. Das produzierende Unternehmen ist diesem Umstand jedoch nicht hilflos ausgeliefert. Es kann die Arbeitszeit und die in dieser Zeit erbrachte Leistung neu gestalten. Je mehr es gelingt, die Arbeitszeit flexibel einzusetzen, desto besser kann auf einen va-riierenden Kundentakt reagiert werden. In der Praxis empfiehlt es sich, den Arbeits-takt einer Linie um 10 − 20% unter dem Kundentakt festzulegen. So vermeidet man, bereits bei der geringsten Störung den Kundenbedarf nicht mehr decken zu können. Kommt man auf Beispiel 1 zurück und auf den dort rechnerisch ermittelten Kunde-takt von 3.2 Minuten, ergibt sich folgendes: Der Arbeitstakt im Zweischichtbetrieb darf maximal 2.9 Minuten umfassen.

«Die Produktion ist regelmässig ausgelastet und damit gut planbar»

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Die ideale Lean-WeltIn der idealen Lean-Welt folgt die Produktion immer dem Kundentakt. Überprodukti-on ist dort kein Thema. Schwankt der Kundenbedarf im Laufe der Zeit aber zu stark, besteht die Gefahr, dass Spitzen nur abgedeckt werden können, wenn eine übermäs-sig hohe Produktionskapazität, die man normalerweise gar nicht benötigt, vorhan-den ist. Bei reinen Handarbeitsplätzen mit einfachen Vorrichtungen ist das unprob-lematisch. Zur Krux wird dies allerdings, wenn investitionsintensive Arbeitsplätze mit teuren Maschinen und Anlagen davon betroffen sind.

Outsourcen oder NivellierenZwei Lösungen bieten sich an, um Spitzen abzudecken: Entweder externe Unterstüt-zung anfordern mittels Outsourcing oder firmenintern vorgehen − mit Nivellierung.

Bei der Nivellierung entkoppelt man die Produktion vom direkten Kundenbedarf. Der gesamte Kundenbedarf wird über einen fixen (zukünftigen) Zeitraum ermittelt und dann z.B. auf die Woche (oder den Tag) nivelliert. Konkret bedeutet dies, dass man einen wöchentlichen (mitunter täglichen) Durchschnittsbedarf berechnet und ent-sprechend in die Produktion einsteuert.

Beispiel: «Kundenbedarf für die nächsten acht Wochen»

Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4 Woche 5 Woche 6 Woche 7 Woche 8 Total

1‘500 1‘800 2‘500 2‘000 1‘400 2‘000 1‘700 1‘500 14‘400 Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stück

Die Tabelle zeigt: Im Durchschnitt werden 1‘800 Stück pro Woche benötigt. Man plant also für jede Woche 1‘800 Stück in die Produktion ein. Bei vier Wochen ergibt sich 4 x 1‘800 = 7‘200 Stück, doch benötigt würden beim gezeigten Beispiel bis zum Ende von Woche vier 7‘800 Stück. Um diese Differenz ausgleichen zu können, müssen 600 Stück bereits auf Lager liegen.

Beide Seiten der MedailleEs ist nicht von der Hand zu weisen: Im vorliegenden Beispiel benötigt man bereits zu Beginn einen Fertigwarenbestand von mindestens 600 Stück, um für jede Woche die gewünschte Menge liefern zu können. Man zahlt also einen «Preis», indem man Vor-ab-Bestände «erkauft».

Doch die Vorteile des oben beschriebenen Vorgehens sind ebenso klar: Die Produkti-on ist regelmässig ausgelastet und damit gut planbar.

7‘800

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Nicht vergessen: Verfügbarkeit von RohmaterialSofern das ERP-System Rohmaterial allein auf der Basis von Kundenbestellungen berechnet, ist Vorsicht geboten. Denn falls zu Beginn der betrachteten Periode z.B. wenig Kundenbedarf angezeigt wird, aufgrund der Nivellierung jedoch höhere Stück-zahlen produziert werden müssen, können möglicherweise spätere Bedarfsspitzen nicht ausreichend abgedeckt werden. Daher gilt: Bei der Nivellierung darf man die Verfügbarkeit von benötigtem Rohmaterial nicht aus den Augen verlieren.

Rollierende Berechnungen Nivellierung geschieht immer rollierend in die Zukunft: In regelmässigen Abständen wird der zukünftige Kundenbedarf ermittelt und die zu produzierenden wöchentli-chen Mengen neu berechnet. Je kürzer diese Abstände sind, desto häufiger wird ni-velliert. Kann der Bedarf z.B. nur für die nächsten zwei Wochen ermittelt werden, muss mindestens einmal pro Woche nivelliert werden. Dabei werden nicht die wö-chentlichen Mengen, sondern die täglich zu produzierenden Durchschnittsmengen berechnet.

Falls der zukünftige Bedarf zum aktuellen Zeitpunkt aus Erfahrungswerten heraus nur zu 80% ermittelt werden kann, wird in der Praxis eine Zusatzkapazität von 20% freigehalten. So ist es möglich, kurzfristig eingehende Bestellungen ebenfalls abzu-decken.

Wertfabrik steht für umsetzungsstarke Lean-Berater – Macher mit breiter Industrie-erfahrung, praxiserprobt, fundiert ausgebildet und methodisch sattelfest. Wir arbeiten mit durchgehender Methodik und breit abgestützten Ressourcen und garantieren Erfolg in allen Wertschöpfungsbereichen. Optimale und schlanke Prozesse sind unsere Kernkompetenz. Wir entwickeln mit Ihnen Strategien, damit Ihr Lean-Projekt zum langanhaltenden Erfolg wird. Weitere Informationen zu Wertfabrik finden Sie unter www.wertfabrik.ch

KontaktWertfabrik AG, Birchstrasse 2, 8472 Seuzach, Telefon +41 52 335 55 00 David Moser, Geschäftsführender Partner, [email protected]