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Aufteilung Gesamtvergütung KVen müssen amtliche Infos offenlegen Die Aufteilung der Gesamtvergütung auf Haus- und Fachärzte durch die KVen war bisher ein gut gehütetes Geheimnis. Dies wird sich mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nun ändern. Demnach dürfen Ärzte Einblick in die Zahlen ihrer KV nehmen. W elcher Vertragsarzt hat sich im Stillen nicht schon einmal ge- fragt, wie in seiner KV eigent- lich die Auſteilung der Gesamtvergü- tung auf Haus- und Fachärzte, die Auf- teilung der Vergütungsbestandteile in einzelne Facharztgruppen sowie die Er- mittlung der für das RLV-System maß- geblichen Fallwerte stattfindet? Die KVen verweisen bei solchen Fragen häu- fig auf die Beschlüsse des Bewertungs- ausschusses, die jedoch nur abstrakte mathematische Formeln beinhalten. Um die Berechnung der Fallwerte und der durchschnittlichen Fallzahlen der Arzt- gruppe nachzuvollziehen, benötigt man aber die konkreten, quartalsbezogenen Angaben über die Anzahl der Ärzte der Fachgruppe und deren Leistungsbedarf. Auskunftsanspruch gemäß Informationsfreiheitsgesetz Eine Fachärztin für Innere Medizin/An- giologie wollte im Zusammenhang mit ihrem Widerspruch gegen ihre Honorar- bescheide wissen, wie viele Ärzte in den unterschiedlichen Quartalen jeweils dem Honorartopf „Angiologie“ zugeordnet waren und wie viele Leistungen diese er- brachten. Die KV erklärte hierauf, sie hal- te dieses Zahlenmaterial für die Begrün- dung des Widerspruches nicht für sach- dienlich. Außerdem müsste sie die erbe- tenen Informationen erst zusammenstel- len, wozu sie nicht verpflichtet sei. Die Angiologin verklagte darauin die KV vor dem Verwaltungsgericht auf Ertei- lung der erbetenen Auskünſte. Sie be- gründete ihren Auskunſtsanspruch mit ihren Rechten aus dem Informationsfrei- heitsgesetz des Landes Nordrhein-West- falen. Hiernach hat jede natürliche Per- son gegenüber öffentlichen Stellen, wozu die KV gehört, Anspruch auf Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Infor- mationen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab dem Auskunſtsersuchen der Ärztin vollumfänglich statt (Az.: 26 K 1653/11). Das Gericht stellte zunächst zutreffend fest, dass alle erbetenen Daten der KV vorliegen und wies deren Einwand zu- rück, die Ärztin könne im Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen ihren Hono- rarbescheid Akteneinsicht beantragen. Der Anspruch nach dem Informations- freiheitsgesetz werde durch eine eben- falls mögliche Akteneinsicht nicht ein- geschränkt. Diese Argumentation des Gerichts ist von erheblicher Bedeutung, da sich aus den Verwaltungsakten zu einzelnen Honorarbescheiden nicht die gewünschten Infos zu Arztzahlentwick- lung und Leistungsanforderungen der Fachgruppe ergeben. Schließlich stellt das Verwaltungsgericht fest, dass durch die Erteilung der erbetenen Auskunſt weder Betriebs- noch Geschäſtsgeheim- nisse der KV berührt werden und dass ein durch die Zusammenstellung der Daten entstehender Aufwand kein Grund sei, gesetzliche Informations- rechte einzuschränken. Moderne Demokratie ist transparente Informationspolitik Dieses Urteil ist für Vertragsärzte und ihre Verbände relevant. In letzter Kon- sequenz kann diese Entscheidung die Akzeptanz der innerärztlichen Hono- rarverteilung erheblich stärken oder auch erschüttern. Wenn die Vertragsärz- te alle für die Honorarverteilung im je- weiligen Quartal maßgeblichen Daten kennen, können sie prüfen, dass die KV die Honorarverteilungsmaßstäbe richtig angewandt hat. Der häufig zu hörende Satz, die Honorarverteilung sei für nie- manden nachvollziehbar, kann dann nicht mehr geäußert werden. Wenn aber bei einer solchen Prüfung festgestellt wird, dass Regelungen nicht richtig um- gesetzt wurden, was jeder KV einmal passieren kann, so bietet diese Erkennt- nis die Möglichkeit zu schnellstmögli- cher Korrektur. In elf Bundesländern existieren Infor- mationsfreiheitsgesetze. Dort muss die bisherige „Black Box“ der Arztzahlent- wicklung, der Zuordnung der Ärzte zu den einzelnen Honorargruppen sowie die Leistungs- und Fallentwicklung in- nerhalb dieser Gruppen kein Geheimnis bleiben. Plant doch die EU-Kommission derzeit sogar die Einrichtung eines eu- ropaweiten Portals, über das Informati- onen der regionalen und nationalen Ver- waltungen der EU-Staaten zugänglich sind. Was europaweit möglich ist, sollte erst recht innerhalb einer KV umsetzbar sein. Dr. Ingo Pflugmacher, Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht, Partner der Anwaltskanzlei Busse & Miessen, Bonn © vege / Fotolia.com Jetzt wird die Aufteilung der ärztlichen Gesamtvergütung transparent(er). 72 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2012; 15 (5) Praxis konkret

KVen müssen amtliche Infos offenlegen

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Page 1: KVen müssen amtliche Infos offenlegen

Aufteilung Gesamtvergütung

KVen müssen amtliche Infos o� enlegen

Die Aufteilung der Gesamtvergütung auf Haus- und Fachärzte durch die KVen war bisher ein gut gehütetes Geheimnis. Dies wird sich mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nun ändern. Demnach dürfen Ärzte Einblick in die Zahlen ihrer KV nehmen.

W elcher Vertragsarzt hat sich im Stillen nicht schon einmal ge-fragt, wie in seiner KV eigent-

lich die Au� eilung der Gesamtvergü-tung auf Haus- und Fachärzte, die Auf-teilung der Vergütungsbestandteile in einzelne Facharztgruppen sowie die Er-mittlung der für das RLV-System maß-geblichen Fallwerte statt� ndet? Die KVen verweisen bei solchen Fragen häu-� g auf die Beschlüsse des Bewertungs-ausschusses, die jedoch nur abstrakte mathematische Formeln beinhalten. Um die Berechnung der Fallwerte und der durchschnittlichen Fallzahlen der Arzt-gruppe nachzuvollziehen, benötigt man aber die konkreten, quartalsbezogenen Angaben über die Anzahl der Ärzte der Fachgruppe und deren Leistungsbedarf.

Auskunftsanspruch gemäß InformationsfreiheitsgesetzEine Fachärztin für Innere Medizin/An-giologie wollte im Zusammenhang mit ihrem Widerspruch gegen ihre Honorar-bescheide wissen, wie viele Ärzte in den

unterschiedlichen Quartalen jeweils dem Honorartopf „Angiologie“ zugeordnet waren und wie viele Leistungen diese er-brachten. Die KV erklärte hierauf, sie hal-te dieses Zahlenmaterial für die Begrün-dung des Widerspruches nicht für sach-dienlich. Außerdem müsste sie die erbe-tenen Informationen erst zusammenstel-len, wozu sie nicht verp� ichtet sei. Die Angiologin verklagte darau� in die KV vor dem Verwaltungsgericht auf Ertei-lung der erbetenen Auskün� e. Sie be-gründete ihren Auskun� sanspruch mit ihren Rechten aus dem Informationsfrei-heitsgesetz des Landes Nordrhein-West-falen. Hiernach hat jede natürliche Per-son gegenüber ö� entlichen Stellen, wozu die KV gehört, Anspruch auf Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Infor-mationen.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab dem Auskun� sersuchen der Ärztin vollumfänglich statt (Az.: 26 K 1653/11). Das Gericht stellte zunächst zutre� end fest, dass alle erbetenen Daten der KV vorliegen und wies deren Einwand zu-rück, die Ärztin könne im Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen ihren Hono-rarbescheid Akteneinsicht beantragen. Der Anspruch nach dem Informations-freiheitsgesetz werde durch eine eben-falls mögliche Akteneinsicht nicht ein-geschränkt. Diese Argumentation des Gerichts ist von erheblicher Bedeutung, da sich aus den Verwaltungsakten zu einzelnen Honorarbescheiden nicht die gewünschten Infos zu Arztzahlentwick-lung und Leistungsanforderungen der Fachgruppe ergeben. Schließlich stellt das Verwaltungsgericht fest, dass durch die Erteilung der erbetenen Auskun� weder Betriebs- noch Geschä� sgeheim-nisse der KV berührt werden und dass ein durch die Zusammenstellung der

Daten entstehender Aufwand kein Grund sei, gesetzliche Informations-rechte einzuschränken.

Moderne Demokratie ist transparente InformationspolitikDieses Urteil ist für Vertragsärzte und ihre Verbände relevant. In letzter Kon-sequenz kann diese Entscheidung die Akzeptanz der innerärztlichen Hono-rarverteilung erheblich stärken oder auch erschüttern. Wenn die Vertragsärz-te alle für die Honorarverteilung im je-weiligen Quartal maßgeblichen Daten kennen, können sie prüfen, dass die KV die Honorarverteilungsmaßstäbe richtig angewandt hat. Der häu� g zu hörende Satz, die Honorarverteilung sei für nie-manden nachvollziehbar, kann dann nicht mehr geäußert werden. Wenn aber bei einer solchen Prüfung festgestellt wird, dass Regelungen nicht richtig um-gesetzt wurden, was jeder KV einmal passieren kann, so bietet diese Erkennt-nis die Möglichkeit zu schnellstmögli-cher Korrektur.

In elf Bundesländern existieren Infor-mationsfreiheitsgesetze. Dort muss die bisherige „Black Box“ der Arztzahlent-wicklung, der Zuordnung der Ärzte zu den einzelnen Honorargruppen sowie die Leistungs- und Fallentwicklung in-nerhalb dieser Gruppen kein Geheimnis bleiben. Plant doch die EU-Kommission derzeit sogar die Einrichtung eines eu-ropaweiten Portals, über das Informati-onen der regionalen und nationalen Ver-waltungen der EU-Staaten zugänglich sind. Was europaweit möglich ist, sollte erst recht innerhalb einer KV umsetzbar sein.

Dr. Ingo P� ugmacher, Fachanwalt für

Medizin- und Verwaltungsrecht, Partner der

Anwaltskanzlei Busse & Miessen, Bonn ©

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Jetzt wird die Aufteilung der ärztlichen Gesamtvergütung transparent(er).

72 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2012; 15 (5)

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