139
Land um den Ebersberger Forst Beiträge zur Geschichte und Kultur Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V. 17 (2014) Land um den Ebersberger Forst Beiträge zur Geschichte und Kultur 17 (2014) Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V.

Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

Land um den Ebersberger Forst

Beiträge zur Geschichte und Kultur

Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V.

17 (2014)

Land um den Ebersberger Forst Beiträge zur Geschichte und Kultur

17 (2014)Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V.

Page 2: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

Land um den Ebersberger Forst Beiträge zur Geschichte und Kultur

Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V.

17 (2014)

Umschlagvorderseite: Meister von Rabenden und Werkstatt, Kreuzigung in der Sankt Kolomanskirche in Haslach, um 1500. (Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten)

Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn auf Falkenberg. (Foto: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München)

Impressum

Herausgeber: Historischer Verein für den Landkreis Ebersberg e.V. Tegernauer Straße 15, 83553 Frauenneuharting

Redaktion: Bernhard Schäfer

Copyright: © 2015 Historischer Verein für den Landkreis Ebersberg e.V.

Druck: Bugl Druck, Essenbach

Verlag, Grafik: Verlag Lutz Garnies, Hans-Stießberger-Straße 2b, 85540 Haar / München ISBN 978-3-926163-88-2

Page 3: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

Ferdinand Steffan Ein Besitz der Höhenkircher von Tegernau und Eichbichl in Wasserburg ................ 202

Brigitte Schliewen Anonyme Kunstwerke in der Kirche Mariae Heimsuchung in Hohenlinden ............ 209

Eva Niederreiter-Egerer Eine Kirche, die es nicht mehr gibt – Die evangelische Heilandskirche in Grafing .... 222

Antje M. Berberich Kunst und Glaube. Folge 3: Franz Ferdinand Wörle (* 1952) ...................................248

Mitteilungen und Notizen ................................................................................. 258

Simon Brunner / Leonhard Baumgartner P-Seminar Latein „Geheimnisse in lateinischen Urkunden“. Kirchseeoner Gymnasiasten auf „Spurensuche im Landkreis Ebersberg“ ................ 258

Ferdinand Steffan Warum in die Ferne schweifen, wenn die Hilfe doch so nah? Eine Votivtafel weitab vom Wohnort des Stifters ................................................. 266

Hinweise ............................................................................................................ 268

Neues heimatkundliches Schrifttum ...................................................................268

Vereinschronik 2014 .......................................................................................270

Mitarbeiter dieses Bandes ...............................................................................276

Inhalt

Vorwort ..............................................................................................................6

Aufsätze ................................................................................................................ 8

Gottfried Mayr Salzburg westlich des Inns im heutigen Oberbayern im frühen Mittelalter ...................8

Gottfried Mayr Holzen an der Attel im frühen Mittelalter ....................................................................30

Gottfried Mayr „Mosaha“ und seine Kirche im Jahr 815 ......................................................................58

Rudolf Scharl Die frühmittelalterliche Wehranlage in Haselbach, Stadt Ebersberg ...........................66

Willi Kneißl Abt Rupert I. von Ebersberg und sein Ritter Ulrich. Schwaben 1115 erstmals schriftlich genannt ......................................................................................................82

Willi Kneißl „Loco Suabun“ (1102-1121) – die Schenkung des Burchard von Lern an das Kloster Tegernsee .......................................................................................88

Peter Maicher Falkenbergs vergangene Größe – eine Erinnerung. Verschwundene Burg – 400-jähriges Schloss – vergessene Hofmark ...........................94

Willi Kneißl Der weiße Falke, ein Wappen als Trostpflaster dem 1394 schwer getroffenen Markt Schwaben aufgelegt ............................................................... 198

Page 4: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

6 7

dieser zum diesjährigen „Land um den Ebersberger Forst“ beigesteuert hat. Seine sich über hundert Seiten erstreckenden Ausführungen zur verschwundenen Burg, zum 400-jährigen Schloss und zur vergessenen Hofmark Falkenberg bieten nämlich nichts weniger als eine umfas-sende Darstellung der Geschichte des im Hochmittelalter für den Ebersberger Raum überaus bedeutsamen Ortes.

Ein an einem Wasserburger Altstadthaus angebrachtes Wappen lässt den Rosenheimer Kreisheimatpfleger Ferdinand Steffan den einstigen Besitzern des Gebäudes nachspüren, als die er die Adelsfamilie der Höhenkircher von Tegernau und Eichbichl ausmacht, ein im Spät-mittelalter bedeutendes Geschlecht, das sich neben seinen Sitzen auf dem Land ein Stadthaus in Wasserburg leisten konnte.

Drei anonymen Kunstwerken in der Kirche Mariae Heimsuchung in Hohenlinden, nament-lich zwei Reliefplatten von etwa 1500 und einem Kruzifix aus derselben Zeit gilt das Interesse der Vaterstettener Kunsthistorikerin Brigitte Schliewen. Während sie die beiden Sandsteintafeln als mögliche Bestandteile eines spätmittelalterlichen Steinaltares identifiziert, weist sie die Kreuzes-darstellung an Hand von Vergleichen der Tradition des Bildhauers Nikolaus Gerhaert zu.

Mit der einstigen evangelischen Heilandskirche in Grafing beschäftigt sich die dort ansässi-ge Historikerin Eva Niederreiter-Egerer. Sie nimmt dabei insbesondere die mit dem Bau und der Ausstattung des Gotteshauses betrauten Künstler in den Blick und spürt zudem da und dort noch erhalten gebliebenen Relikten des ehemaligen Sakralbaues nach.

Ein 1987 vor der evangelischen Heilig-Geist-Kirche in Ebersberg realisiertes Kunstprojekt ruft die Ebersberger Archivleiterin Antje M. Berberich in Erinnerung. Neben dem damaligen Unternehmen selbst und ihren Künstlern rückt die Autorin auch die Symbolik und die inspirie-rende Wirkung des Kunstwerkes ins Licht.

In den „Mitteilungen und Notizen“ stellen die Abiturienten Simon Brunner und Leonhard Baumgartner ein von ihrem P-Seminar Latein am Gymnasium Kirchseeon umgesetztes Projekt vor, in dem es darum ging, über die Beschäftigung mit lateinischen Dokumenten in die Ge-schichte des Ebersberger Raumes einzutauchen. Zudem weist Kreisheimatpfleger Ferdinand Steffan aus Thalham auf eine Votivtafel in der Wallfahrtskirche Heiligenstatt hin, die an das Schicksal eines Bauern in Sensau erinnert.

Unter der Rubrik „Hinweise“ findet sich wieder eine Aufstellung neuen heimatkundlichen Schrifttums.

Die „Vereinschronik“ gewährt einen Rückblick auf die Aktivitäten des Historischen Vereins im vergangenen Jahr und gibt neben einer Aufstellung der Zusammensetzung der Vorstand-schaft eine Liste sämtlicher Mitglieder wieder.

Allen Freunden der Geschichte und Kultur im Landkreis Ebersberg wünsche ich nun im Namen der gesamten Vorstandschaft anregende Stunden bei der Lektüre dieses neuen Bandes des „Landes um den Ebersberger Forst“.

Bernhard Schäfer 1. Vorsitzender

Liebe Leserin, lieber Leser,anlässlich des diesjährigen Erinnerns an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren

stellte sich neuerlich die Frage, ob denn nun die Kapitulation der Heeresgruppe G der deutschen Wehrmacht am 5. Mai 1945 im HJ-Heim in Haar oder im Thorak-Atelier in Baldham unterzeich-net worden sei. Einmal mehr mussten die an der Spurensuche Beteiligten letztlich konstatieren, dass in der Angelegenheit auf Grund der widersprüchlichen Quellenlage bis auf weiteres keine letztgültige Antwort gegeben werden könne. Ist es also schon nach sieben Jahrzehnten gegebe-nenfalls schwierig, den genauen Ort einer Handlung zu bestimmen, wie ungemein komplizierter stellt es sich dann dar, wenn das Geschehen viele Jahrhunderte zurückliegt und sich vermeintlich mit gleichem Recht verschiedenen Orten mit gleichem Namen zuweisen lässt.

Dass eine klare Zuweisung indes selbst noch nach zwölfhundert Jahren gelingen kann, dies belegen gleich zwei der drei Beiträge des Willinger Historikers Gottfried Mayr, die dieser zum vorliegenden Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V. beigesteuert hat. Zum einen legt er dar, dass es sich bei dem zum Jahr 765 in den Freisinger Traditionen genannten Holzen nicht um das Holzen bei Aßling handelt, als das es lange Zeit angesehen wurde, sondern um das nachmalige Ainhofen bei Indersdorf; zum anderen weist er nach, dass das 815 in der Überlieferung Freisings aufscheinende Moosach dasjenige im Landkreis Ebers-berg ist und nicht dasjenige, das inzwischen in München aufgegangen ist.

In seinem den Band eröffnenden Aufsatz über „Salzburg westlich des Inns“ wiederum arbeitet Mayr heraus, dass der benannte Fluss keine strukturelle Trennungslinie der im Früh-mittelalter gezogenen Grenze zwischen den Bistümern Freising und Salzburg war und dass die Salzburger Bischöfe im Freisinger Diözesangebiet zwar durchaus über weltlichen, nicht aber über kirchlichen Besitz verfügten.

Markante von Menschenhand geschaffene Böschungen sind es, die dem Ebersberger Ge-schichtsforscher Rudolf Scharl bei seinen Spaziergängen im Umgriff des Dorfes Haselbach ins Auge gefallen sind und die ihn veranlasst haben, das Gelände einer eingehenden topographi-schen Untersuchung zu unterziehen. Das Ergebnis seiner Forschung: Die Bodenveränderungen sind Teil einer frühmittelalterlichen Wehranlage aus der Zeit der Ungarneinfälle.

Die diesjährige 900-Jahr-Feier des Marktes Markt Schwaben gibt Willi Kneißl, dem Chronis-ten der Nordgemeinden des Landkreises Ebersberg, Anlass, die beiden Urkunden, in denen der Jubiläumsort erstmals erwähnt ist, einer gründlichen Auswertung zu unterziehen und auf dieser Basis die in den Dokumenten genannten Akteure sowie die Inhalte und die Entstehungshinter-gründe der Erstbezeugungen vorzustellen. Kneißl ist es auch, der in einem weiteren Beitrag der Leserschaft die geschichtsmächtigen Zusammenhänge der Wappen-Verleihung an den Markt Schwaben im Jahre 1409 vermittelt.

„Falkenbergs vergangene Größe – eine Erinnerung“, so lautet der etwas tiefstapelnde Titel des Aufsatzes des in Pöring wohnhaften ehemaligen Landtagsdirektors Peter Maicher, den

Vorwort

Page 5: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

8 9

ist, bald nach der Romfahrt gestorben sein. Die Konsequenz davon war, dass es nicht zur Einsetzung eines Erzbischofs kam. Dies bedeutet indes nicht, dass die Errichtung von Bistümern gemäß den Herrschaftsbereichen der Unterherzöge unterblieb. Am deutlichsten wird dies in einem auf 738 datierten Schreiben Papst Gregors III., in dem er vier Bischö-fe in Bayern und einen in Alemannien aufforderte, den Anweisungen des Bo-nifatius zu gehorchen und zu einer Sy-node zusammenzukommen.5 Dass als Ort für diese Synode, zu der die baye-rischen Bischöfe aufgefordert wurden, auch Augsburg in Frage kam, zeigt, dass der angesprochene alemannische Bi-schof nach Augsburg zu setzen ist, aber auch, dass Augsburg damals zu Herzog Odilos Machtbereich gehörte, denn bei dem ausgeprägten staatskirchlichen Denken des Bonifatius ist eine Synode der bayerischen Bischöfe außerhalb des Herrschaftsbereichs des Herzogs kaum denkbar. Außerdem war der Bischof von Augsburg östlich des Lechs für einen Teil des damaligen Bayern kirchlich zustän-dig, für ein Gebiet, das zum Freisinger Teilherzogtum gehörte.

Die Bonifatiusvita berichtet von der Absetzung der bisherigen Bischöfe und von der Einsetzung von vier Bischöfen,6 nennt aber nur drei Namen, nämlich Jo-hannes in Salzburg, Ermbert in Freising und Gaibald in Regensburg. Den Na-men des vierten Bischofs, des Vivilo von Passau, erwähnt die Vita nicht. Bonifati-us musste ihn im Amt belassen, obwohl dieser vorher von dem von Bonifatius beklagten ungerechten, ketzerischen,

falschen Haufen nicht ausgenommen worden war, den er mit seinen Amtsent-hebungen beseitigen wollte. Der Papst bestätigte nämlich, Vivilo selber geweiht zu haben. Die vier Bischöfe vor 738 in Bayern machen deutlich, dass der Plan, gemäß den Unterherzogtümern Bis-tümer einzurichten, ausgeführt wurde. Wir gehen nicht nur davon aus, dass die Bistümer den ausgewogen geteilten Teilherzogtümern entsprachen, sondern auch davon, dass die Bischofssitze in Regensburg, Salzburg, Freising und Pas-sau in deren Hauptpfalzen eingerichtet wurden. Wenn die Bonifatiusvita berich-tet, dass der Legat das Bayernland in vier Sprengel eingeteilt habe, dann war das ein kirchenrechtlicher Akt, der zu einer in den Augen des Bonifatius kano-nisch gültigen Errichtung von Bistümern notwendig war. In Wirklichkeit handel-te es sich um die Weiterschreibung der bisherigen vier Bistümer, denn einem der neuen Ersatzbischöfe einen größe-ren Gebietsverlust zuzumuten, wäre ein schlechter Start für den Betroffenen un-ter den drei neu eingesetzten Bischöfen gewesen.

Die vorgetragene Auffassung bedeu-tet also, dass die Diözesangrenzen nach 738 in die Zeit vor Bonifatius und Odilo zurückgehen. Anzumerken ist, dass die Einteilung in Unterherzogtümer voraus-setzt, dass diese einigermaßen gleich-wertig mit Fiskalland ausgestattet waren und ein an herzoglichem Besitz armer Westen und damit ein machtmäßig benachteiligtes Teilherzogtum Freising von vornherein ganz unwahrscheinlich sind. Die These von einer strukturellen

Zu den bemerkenswertesten Nach-richten aus dem frühmittelalterlichen Bayern gehört der Satz, mit dem Arbeo von Freising die Ankunftszeit des heili-gen Korbinian in Bayern bestimmt: da-mals habe Herzog Theodo sein Land für sich und seine Söhne in vier Teile geteilt.1 Korbinian kam um 715/17 nach Bay-ern.2 Das Salzburger Verbrüderungsbuch enthält einen Eintrag „Reihe der verstor-benen Herzöge mit ihren Frauen und Kindern“.3 Dieser nennt Theoto mit vier Söhnen Theotpert, Crimolt, Theodolt und Tassilo. Ein weiterer Sohn Theo-tos, jener Lantperht, der die grausame Bestrafung Emmerams zu verantworten hatte, fehlt in der Reihe der Herzöge, si-cher deswegen, weil er als Konsequenz seines eigenmächtigen Handelns von der Herzogswürde ausgeschlossen wur-de – der Eintrag nennt nur Herzöge, die zur Regierung gelangten. Das Ziel der Erbteilung, Streitigkeiten unter den Brüdern zu verhindern, konnte nur er-reicht werden, wenn sie einigermaßen gerecht durchgeführt wurde, das heißt, wenn die Aufteilung der konkreten

Machtgrundlagen, die Verfügung über Herzogshöfe und sonstiges Herzogsgut, die zukünftigen Erben zufrieden stellte.

Theodos Teilung, die er offensicht-lich ohne Absprache mit dem Fran-kenreich durchführte, scheint in einer weiteren Quelle auf. Der Herzog unter-nahm wohl 715 oder 716 eine Romrei-se, von der er einen mit Papst Gregor II. vereinbarten Plan zur Errichtung einer selbständigen bayerischen Landeskirche mitbrachte, der auf den 15. Mai 716 datiert ist.4 Im Einvernehmen mit dem Herzog sollten die in Bayern vorhande-nen Priester auf ihre Rechtgläubigkeit überprüft und entsprechend dem Herr-schaftsbereich eines jeden Unterherzogs Bistümer errichtet und gegeneinander abgegrenzt werden. Für das ganze Land sollte ein Erzbischof eingesetzt werden, den beim Fehlen eines geeigneten Kan-didaten in Bayern Rom zur Verfügung stellen wollte. Offensichtlich sollte die Position des Erzbischofs der des Herzogs Theodo entsprechen, der über den vier Teilen stand. Theodo dürfte aber, wie aus der Corbiniansvita zu erschließen

Aufsätze

Salzburg westlich des Inns im heutigen Oberbayern im frühen Mittelalter

Gottfried Mayr

Page 6: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

10 11

eigenhändig vollständig bestätigte.“12 Dieser Kleriker Willipato tradierte auch an Freising, und zwar als Priester zu Raubling und Aising (beide LK Rosen-heim).13 Die Identität des Klerikers und des Priesters ergibt sich daraus, dass er einer Sippe angehörte, die zu Audorf, Pang, Aising und Raubling begütert war. Ein Priester Sigo hatte in Audorf, Pang (LK Rosenheim) und Raubling Eigen-güter für Freising bestimmt; nachdem er auf einer Romfahrt gestorben war, unterstellte Bischof Hitto den Besitz der Verfügungsgewalt der Domkirche. Zwei Neffen des verstorbenen Sigo, nämlich Sigo und Deotfrid, baten aber den Bi-schof, ihnen Teile davon zu Lehen zu ge-ben.14 836 gab Sigo seine Lehen zu Pang, Raubling und Audorf zurück.15 Sigo war 792 Zeuge nach Graf Droant und dessen Sohn Drudmunt, als ein Priester Regino eine Kirche zu Audorf an Freising gab.16 Der Name des Geistlichen Willipato ist 841 noch einmal in dieser Sippe belegt: als ein Adalker Grundbesitz und Un-freie zu Audorf an Freising gab, war ein jüngerer Willipato erster Laienzeuge.17 Adalker nannte sich „vir nobilis“, seine Schenkungsurkunde wandte sich an die edlen und wahrheitsliebenden Männer („nobilibus viris atque veracibus“). Der Kleriker Willipato wurde in der für den Königshof bestimmten Notitia Arnonis zu den Freien gezählt, was damit zu er-klären ist, dass die Salzburger Kanzlei die offizielle karolingische Terminologie verwendete. Ein Kapitularientext aus der Zeit Karls des Großen gab als ge-sellschaftliche Einteilung „frei“ und „un-frei“ vor („non est amplius nisi liber et

servus“).18 Bemerkenswert ist, dass die am linken Innufer begüterte Sippe des Willapato die Bistumsgrenze respektiert und nur an Freising tradiert. Wenn Wil-lapato selber verliehenes Herzogsgut in Audorf an Salzburg gibt, dann dürfte dies dem Wunsch des Herzogs Tassilo entsprochen haben, von dem es aus-drücklich heißt, dass er eigenhändig diese Übergabe voll und ganz bestä-tigte. Wichtig ist, dass Willipato keine Kirche links des Inns an Salzburg gab; die Kirche zu Audorf kam an Freising. Wir werden sehen, dass bei Kirchen-schenkungen genau auf die Bistums-zugehörigkeit geachtet wurde, sonstige Schenkungen konnten in einem fremden Bistum liegen.

Die an Salzburg westlich des Inns grenzenden Dekanate des Bistums Freising in Oberbayern

Im Folgenden soll der mittelalter-liche Verlauf der Grenze zwischen dem Erzbistum Salzburg und dem Bistum Freising dargestellt werden, soweit die-se im heutigen Oberbayern liegt und nicht vom Inn gebildet wird. Dazu sollen die östlichen Freisinger Grenzdekanate mit den Pfarr- und ihren Filialkirchen angeführt werden. Das Dekanat Buch am Buchrain ist nach der Matrikel von 1315 wiedergegeben, das Dekanat Ru-prechtsberg (LK Landshut) nach der Matrikel von 1524, da 1315 die Namen der Filialkirchen im entsprechenden De-kanat Dorfen nicht verzeichnet sind; am

Zweiteilung des agilolfingischen Her-zogtums ist damit so unwahrscheinlich, dass sie nicht mehr ins Spiel gebracht werden sollte.7

Der Inn als Bistumsgrenze zwischen Kufstein und Gars

Von der Mitte des unteren Tiroler Inntals östlich des Ziller bis ungefähr zum Kloster Gars bildete der Inn bis zu den einschneidenden Umgestaltungen am Beginn des 19. Jahrhunderts die Grenze zwischen dem Erzbistum Salz-burg und dem Bistum Freising. Dann überschritt bis knapp vor dem Zusam-menfluss von Salzach und Inn das Ge-biet, das kirchlich Salzburg unterstand, den Inn weit nach Westen. Das ganze untere Isental war bistumsmäßig salz-burgisch. Die Notitia Arnonis aus der Zeit um 788/90 enthält ein bekanntes Verzeichnis von „ecclesiae parrochia-les“, von „Bischofskirchen“, das heißt von Kirchen, die keiner grundherrlichen oder fiskalischen Verfügungsgewalt un-terstanden.8 Nach dem Wortlaut der Quelle gehörten sie zum Benefizium und waren mit Barschalken zusammen mit ihren Knechten und mit ihrem Grund-besitz dotiert („Item de ecclesiis par-rochiales, que in beneficium pertinent et de barscalcis una cum servis sive de eorum territorio dotate sunt“).9 Darun-ter findet sich eine Gruppe von Kirchen aus dem „pagus inter valles“. Im heuti-gen Oberbayern liegen davon zu Nuß-dorf eine Kirche, ebenso zu Roßholzen, Altenbeuern, Rohrdorf, Lauterbach,

Höhenmoos, Riedering und Stephans-kirchen (= „ad Sinsa“) (alle Kirchen LK Rosenheim).10

Wichtig ist, dass die genannten Kir-chen den Inn nicht überschreiten, also die Salzburger Bistumsgrenze respektie-ren. Fritz Lošek sagt zur Notitia Arnonis, dass sie nach dem Machtwechsel von 788 eine Bewertungsgrundlage des salz-burgischen Besitzes, der aus den Schen-kungen der Agilolfingerherzöge und aus solchen, die mit deren Konsens erfolg-ten, hervorgegangen war, erstellen soll-te;11 die Kirchen und ihre Besitzausstat-tung sind sicherlich aus Herzogsgut an Salzburg gegeben worden, aber nicht zu vollem Eigen, sondern als Benefizium, also unter Vorbehalt herzoglicher Rech-te. Die Leistung, die Salzburg erbringen sollte, bestand wohl in der Stellung von Geistlichen für die vielen Kirchen, die der Herzog aus den ihm zur Verfügung stehenden Männern nicht leisten konn-te. Leider wird der Zeitpunkt, an dem diese „Bischofskirchen“ an Salzburg ge-langten, nicht genannt.

Eine in der Notitia Arnonis ange-führte Schenkung, und zwar zu (Ober-, Nieder-) Audorf (LK Rosenheim), ne-giert allerdings die durch den Inn ge-bildete Bistumsgrenze. Die Quelle sagt: „Es übergab der Kleriker Willipato, auch ein Freier, mit Erlaubnis wie oben (des Herzogs Tassilo) im Gau Sundergau im Ort, der Audorf genannt wird, am Fluß Auerbach neun Hufen, teils bewirt-schaftet, teils unbewirtschaftet, in glei-cher Weise aus dem Herzogsgut, welche Schenkung der vorher genannte Herzog

Page 7: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

12 13

Kirchen eine Annäherung an die frühe Bistumsgrenze möglich ist.20

Die erste Freisinger Kirche im ange-gebenen Grenzgebiet war die Kirche des heiligen Zeno in Isen. Mit ihr betonte Freising seine Position gegenüber den zu Salzburg gehörenden Klöstern Gars (LK Mühldorf a. Inn) und Au am Inn (LK Mühldorf a. Inn), die beide westlich des Inns liegen. Isen ist auch deswegen be-merkenswert, weil es die erste bischöf-liche Klostergründung außerhalb des Bischofssitzes war. Bischof Joseph von Freising legte nach seinem Amtsantritt 747 den materiellen Grundstein für das Kloster mit dem Kauf von Gütern zur Besitzausstattung. Herzog Odilo, der am 18. Januar 748 starb, trug acht be-wirtschaftete Mansen bei, andere Gläu-bige übergaben 38 Mansen und zwei Bauernstellen („coloniae“).21 Als ein Haholt in Absprache mit Bischof Joseph in (Außer-, Inner-) Bittlbach eine Kirche errichtete, die dann der Bischof weihte, und diese 758 mit seinem Sohn Arn, dem späteren Salzburger Erzbischof, an Freising übergab, wurde die Übergabe in der Zelle und dem Gotteshaus des hei-ligen Zeno vorgenommen.22 811 begeg-net Isen als Kloster („monasterium“); es war bischöfliches Eigenkloster und hat-te niemals einen eigenen Abt.23 769 wird Isen als „locus publicus“ bezeichnet, als ein von grundherrlichen Rechten freier Ort.24

Auffälligerweise werden in Isen wei-tere Kirchen genannt. 792 übergab ein Priester Arperht ererbten und erwor-benen Besitz „in loco nuncupante ad Isna“, darunter ein Gotteshaus mit

Altären („oratorium simul cum altari-bus“).25 Mit dem „Ort zu Isen“ ist na-türlich keine beliebige Situation am Fluss Isen gemeint, zumal in den Frei-singer Traditionen Gewässer als solche gekennzeichnet werden, allerdings auch nicht die Stätte des Klosters als solche, also das heutige Isen, da in einem „locus publicus“ eine grundherrliche Kirche ausgeschlossen erscheint, sondern die Großgemarkung Isen. 2,5 Kilometer östlich von Isen liegt Kirchstätt, das sich mit seinem Namen eindeutig als Stätte einer (abgegangenen) Kirche ausweist.26 818 gab Sundarheri, ein in Freising oft als Schreiber eingesetzter Diakon, seine Lehen „in locis nominatis Isana et Al-pihha“ (in den Gemarkungen Isen und Albaching) an Bischof Hitto zurück, die er von seinen Vorfahren („antecesso-res“) erhalten hatte.27 In beiden Gemar-kungen bestanden die Lehen in Kirchen mit ihrem Zubehör. Auch hier ist klar, dass es sich nicht um die Zenokirche in Isen handelte. Sundarheri gab auch vom Vater ererbtes Gut zurück, weil die-ses schon in alter Zeit an das Haus der heiligen Maria übertragen worden war. Der Diakon hatte 791 für sein und sei-ner auch hier „antecessores“ genannten Vorfahren Seelenheil Besitz zu Wall, ei-nen Kilometer östlich Sankt Christoph, und zu Isen nach seinem Ableben für Freising bestimmt.28 Besonders wertvoll unter dem Besitz waren sicher die Reli-quien, die eigens angeführt wurden. Von einer Kirche in den beiden Orten ist aber nicht die Rede. Offensichtlich war die Kirche zu Isen, die der Isener Grundherr Sundarheri ohne Absprache mit dem

Umfang des Dekanats Dorfen / Rup-rechtsberg gab es keine Veränderung.19

Im Dekanat Buch erscheinen 1315: Buch am Buchrain mit den Filialen Forstern, Harthofen, Pullach, Tading und Haidberg; Burgrain mit Mittbach, Kronacker und Pyramoos; Kirchdorf mit den Filialen Rechtmehring, Freimehring, Maitenbeth, Oberndorf, Winden, Berg, Ramsau, Lengmoos, Rieden, Kirchreit, Limberg, Hochhaus und Kapellen in Hohenburg und der Burg Haag (alle ge-nannten Orte der Pfarrei Kirchdorf im LK Mühldorf a. Inn); Edling (LK Rosen-heim) mit sechs Kapellen, davon eine mit Sepultur in Wasserburg (LK Rosenheim); Pfaffing mit (Ober-, Unter-) Übermoos, Rettenbach und Ebrach (alle genannten Orte der Pfarrei Pfaffing im LK Rosen-heim); Albaching (LK Rosenheim) mit Zell (Gde. Pfaffing, LK Rosenheim) und Sankt Christoph; Forstinning mit Pa- stetten, Schwillach, Ottenhofen, Siggen-hofen, Sempt, Heilig Kreuz und Taing; Pemmering mit Reithofen, Preisen dorf, Wetting und Bittlbach; Isen mit Weiher und Schnaupping.

Zum Dekanat Ruprechtsberg (LK Landshut) gehörten 1524 im heutigen Oberbayern folgende Pfarr- und Fili-alkirchen: Schwindkirchen mit Schön-brunn, Mainbach, Wasentegernbach, Moosen, Armsdorf und Sankt Coloman bei Schwindkirchen; Großschwindau mit Klaus, Lappach, Sankt Wolfgang in Schwindau und Kleinschwindau; Velden (LK Landshut) mit – in Oberbayern – Gebensbach und Jettenstetten; Tauf-kirchen mit Breitenweiher, Tegernbach, Adlberg, Inning am Holz, Oberbierbach,

Großwimpasing und Ottering; Grünte-gernbach mit Englschalling, Grünbach und Kirchstetten; Moosen mit Maisels-berg und Johannrettenbach und einer Kapelle in Hubenstein; Lengdorf mit Watzling und Matzbach und einer Ne-benkirche („sacellum“) in Thann sowie einer Kapelle in der Burg Kopfsburg; Pfrombach mit Aich (beide LK Frei-sing); Steinkirchen mit Hohenpolding, Schröding, Amelgering, Niederstrau-bing, Hofstarring, Kirchberg, Ebering; Hofkirchen mit Blainthal (Daxmating) und Großköchlham; Oberdorfen mit Dorfen („oppidum“ / Markt), Estern-dorf, Niedergeislbach, Jaibing, Angers-kirchen, Kienraching, Frauenvils, Jakob-rettenbach, Eibach, Staffing und drei Kapellen: Hampersdorf, Lindum und Filial kapelle Sankt Vitus in Dorfen; Wambach mit Geislbach, Kögning, Burgharting und Sulding.

Kirchen im frühen Mittelalter im östlichen Grenzgebiet des Bistums Freising

Die angeführten Kirchen geben die Grenze des Bistums Freising gegenüber dem Erzstift Salzburg zwischen Gars und Großer Vils im hohen Mittelalter an. Wir fragen, ob diese hochmittelal-terliche Grenze auch für das frühe Mit-telalter festgestellt werden kann, wozu wieder die Kirchen herangezogen wer-den sollen. Da die Weihe von Kirchen ein grundlegendes Recht des Bischofs in sei-ner Diözese war, kann man davon ausge-hen, dass über die frühmittelalterlichen

Page 8: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

14 15

Was in Mainbach – unmittelbar an der Grenze zu Salzburg – möglicher-weise geplant war, die Gründung ei-nes Klosters, wurde nur wenige Jahre später in nächster Nähe in der Groß-gemarkung Tegernbach verwirklicht. Am 6. März 791 weilte Bischof Atto von Freising „in loco Tegarinuuac“. Er weihte dort den Kleriker Rihperht zum Diakon; Rihperht übergab aus diesem Anlass eine Curtis in Aying (LK Mün-chen) an Freising.36 Hier zeichnet sich schon eine besondere Bedeutung jener Großgemarkung „Tegarinuuac“ ab. Die Weihe eines Diakons setzt auf je-den Fall eine Kirche voraus. An einem 1. August der folgenden Jahre über-gaben vier Männer – der Priester Fridu-perht, Engilperht, Papo und Ato – teils weltlichen, teils geistlichen Besitz zu Kirchötting und zu „Tegarinuuac“.37 Empfänger war bei einem Teil des Schenkungsgutes die Freisinger Dom-kirche, bei einem anderen Teil der Altar des heiligen Michael in „Tegarinuuac“, der auch weiteren Besitz bekam.38 815 war Bischof Hitto zu einem Gerichtstag in Tegernbach, und zwar im Kloster Te-gernbach.39 817 nahm Bischof Hitto im „cenobium Tegarinuuac“ ein Rechtsge-schäft vor.40 819 vollzog Bischof Hitto ein Tauschgeschäft mit einem Pupo, das, wie nachdrücklich betont wird, für beide Parteien von großem Vorteil war. Der Bischof erhielt in der Groß-gemarkung Tegernbach am Fluss Isen („in pago Tegrinuuac iuxta fluvium Isa-na“) den Besitz des Pupo und gab ihm gleichwertigen Besitz in Pasenbach (LK Dachau).41 Wenn für Hitto Besitz zu

Tegernbach günstiger war als der nahe bei Freising gelegene Besitz zu Pasen-bach, dann handelte er nicht für die Domkirche Freising, sondern für das Kloster Tegernbach. Die Tätigkeit des Bischofs lässt annehmen, dass ihm das Kloster unmittelbar unterstand. Die Michaelskirche, die zur Klosterkirche wurde, sucht man in Kirchstetten.42

Um 808 gab es einen Streit zwischen Bischof Atto und seinem Vogt Einhart. Es ging um zwei Anwesen, die die Frei-singer Kirche „in loco Suuindkhiricha“, also zu Schwindkirchen (Gde. Dorfen), unter Bischof Arbeo erhalten hatte.43 Einhart verzichtete darauf und bekam dafür ein Lehen „in loco Dorfa“, also in der Großgemarkung Dorfen (Dorfen, bzw. Oberdorfen). Der Ortsname be-legt eine frühe Kirche, die im Freisinger Einflussbereich lag.

817 übergaben die Brüder Toato, Rihheri und Ascrih Besitz an die Pank-razkirche „in loco nominato Tan“.44 Da Ascrih im Raum Geislbach begütert war, handelt es sich um Thann in der Gemeinde Lengdorf. 824 schenkte ein Mahali an die Kirche zu Steinhöring,45 zwischen 856 und 859 tauschte Bi-schof Anno von dem Edlen Craman gegen einen Hof mit Ackerland und Wiesen zu Buchschechen einen Hof ebenfalls mit Ackerland und Wiesen zu Meiletskirchen und Dornach (LK Mün-chen); Meiletskirchen heißt Mahalines-chirihun, Kirche des Mahali.46 (Abb. 1)

Sonderform mönchischen Lebens. Tar-chanat aber hatte seine Kirche dem hei-ligen Benedikt geweiht, dem Patron des abendländischen Mönchtums. Grund und Boden in Schwindau, im Grenz-bereich zwischen den Bistümern Frei-sing und Salzburg, hatte Tarchanat ge-kauft, wohl nach Absprache mit Bischof Arbeo, der ihn „geliebtester Bruder und unser Mitpriester“ („dilectissimus frater et conpresbiter noster“) nennt. Tarcha-nat übergab seine Kirche vor allem dem Bischof („non tantum nobis – id est Herede episcopo –, sed etiam beate et intemerate virginis Marie castro Frigisin-gas domui episcopali“), von dem er sich wohl Unterstützung versprach. Tarcha-nats Gründung dürfte über den Status einer Klause nicht hinausgekommen sein. Welche von den anderen Kirchen seine Vorgängerin in Hrodheris Kirche hatte, lässt sich nicht sagen.

780 übergab ein Adalo mit Tassi-los Erlaubnis die Hälfte seines Besitzes mit einer Kirche „ad Kisalpah“ an die Kirche des heiligen Abtes und Beken-ners Benedikt zu „Maganpah“,34 also zu Mainbach. „Kisalpah“ ist Geislbach. Für Adalos Kirche kommt sowohl die Fili-alkirche Sankt Johann der Pfarrei Wal-pertskirchen in Obergeislbach als auch die Filialkirche Sankt Stephan der Pfarrei Dorfen in Niedergeislbach in Betracht.35 Auch bei Mainbach ist das Benediktpat-rozinium der Kirche zu beachten, die durch die Übergabe einer anderen kei-neswegs in der Nähe liegenden Kirche aufgewertet wurde, der also eine beson-dere Bestimmung zugedacht war.

Bischof übernommen hatte, die schon länger bestehende Kirche, die Arperht für Freising bestimmt hatte. Beim „locus nuncupante Eparaha“ (Ebrach) (LK Ro-senheim)29 und beim „locus Suuindaha“ (Groß-, Klein-) Schwindau ist die gleiche Feststellung zu treffen wie bei Isen: dass nicht Gewässer gemeint sind, sondern konkrete Siedlungen.

In (Groß-, Klein-) Schwindau erhielt Freising im 8. Jahrhundert zwei Kirchen: 765 im „locus Suuindaha“ die Kirche eines Hrodheri, die dieser selbst errich-tet hatte,30 775 eine Kirche ebenfalls „in loco Suuindaha“, die ein Priester Tarcha-nat zu Ehren des heiligen Benedikt ge-baut hatte, und zwar am Tag der Weihe durch Bischof Arbeo. Die Übergabe wur-de in der neuen Kirche („in ipso titulo“) vorgenommen.31 Zur Bestimmung der Kirchen soll die Freisinger Matrikel von 1524 herangezogen werden.32 Danach hatte die Pfarrkirche Sankt Michael in Schwindau vier Filialkirchen: Sankt Stephan in Klaus (1803 abgebrochen), Sankt Remigius in Lappach, Sankt Wolf-gang in Schwindau und Sankt Johannes in Niederschwindau (1820 demoliert). Ausschließen für die Bestimmung der beiden Kirchen in „Suuindaha“ lässt sich Lappach, 825 als „Lauppach“ als eigenständiger Ort genannt.33 Lappach war Ort eines öffentlichen Gerichts-tages, an dem Bischof Hitto teilnahm, und hatte wohl auch eine eigene Kirche. Am ehesten lässt sich die Kirche des Tarchanat bestimmen, und zwar mit der Kirche zu Klaus, denn der Ortsna-me dokumentiert eine Klause, also eine

Page 9: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

16 17

die Großgemarkung Schwindau bis Schwindkirchen reichte.

Nur etwa zwei Kilometer östlich von Mainbach, wo anscheinend eine an Frei-sing orientierte Klostergründung ange-strebt wurde, zieht sich eine ganze Reihe von Salzburger Kirchen hin. Zu nennen sind zunächst solche aus dem Verzeich-nis der „ecclesiae parrochiales“, die ur-sprünglich aus Herzogsgut stammten, an denen aber der Herzog keineswegs alle Rechte aufgegeben hatte: eine Kir-che „ad Liubin“, im Weiler mit Kirche Loinbruck (LK Mühldorf a. Inn), dann „ad Aharnowa“ drei Kirchen. Diese lie-gen nicht am Ornauerbach, sondern in einer nach dem Gewässer benannten Großgemarkung. Gertrud Diepolder hat dafür die Kirchorte Oberornau, Obertaufkirchen und Pfaffenkirchen vorgeschlagen. Wahrscheinlicher aber erscheint, dass die beiden Kirchorte, die bis heute den Namen Ornau weiterfüh-ren, auf die Großgemarkung „Aharno-wa“ zurückgehen, Oberornau und Frau-enornau, und dass die dritte Kirche in dem dazwischenliegenden Steinkirchen zu suchen ist (alle genannten Orte im LK Mühldorf a. Inn).48 Pfaffenkirchen kommt 846 als „Papinchirihun“ in den Freisinger Traditionen vor;49 ein Priester Chuniperht übergab dort und in Ha-selbach, Gemeinde Aschau am Inn (LK Mühldorf a. Inn), also im Erzbistum Salzburg, Besitz an Freising. Davon, dass Papos Kirche (= „Papinchirihun“) an Freising kam, ist nicht die Rede. Die Übergabe von Gütern an eine fremde Bi-schofskirche war, wenn es sich nicht um Kirchen handelte, wie schon erwähnt,

nicht außergewöhnlich, wie sich noch an einer Reihe von Beispielen zeigen wird.

Die beiden nächsten Kirchen sind für „Pozchurdorf“ und „Richerihusir“ genannt, der erste Ort ist bei Lošek nicht, der zweite mit Reichertsheim bestimmt. Stephan M. Janker hat das Pfarrdorf Kirchdorf (LK Mühldorf) auf „Pozchurdorf“ bezogen,50 was aber nicht überzeugt. Soweit sich die Bistumszu-gehörigkeit von Kirchdorf zurückverfol-gen lässt, gehörte der Ort zu Freising: ganz unwahrscheinlich bei einer „alten“ Salzburger Kirche. Unmittelbar östlich der Freisinger Bistumsgrenze zwischen Grünbach und Gebensbach nennt das Verzeichnis der „ecclesiae parrochiales“ „Ad Pohpah ecclesia cum mansis III. Item ad Pohpah ecclesia cum mansis II. […] Item ad Pohpah ecclesia cum mansis III.“ Es handelt sich um drei Kir-chen in der Großgemarkung Buchbach, nämlich zu Buchbach, Litzelkirchen und Felizenzell (alle drei Orte LK Mühldorf a. Inn).

Insgesamt zeigt die Lage sowohl der Freisinger als auch der Salzburger Kir-chen, dass diese schon im Frühmittel-alter die Bistumsgrenze, wie sie im Hochmittelalter einwandfrei festzu-stellen ist, von keiner Seite her über-schreiten. Diese Grenze existierte also bereits bei der Weihe dieser Kirchen, ursprünglich als Grenze zwischen den beiden Teilherzogtümern um Freising und Salzburg, die demnach auch nach dem Abschwenken vom Inn eindeutig festgelegt war.

Zwischen 859 und 875 kommt Schwin d - au / „Suuindaha“ wieder in den Frei-singer Traditionen vor: Bischof Anno gab dem Edlen Kerolt neun Morgen („iugera“) Ackerland zu „Stallinkirihha“ und erhielt dafür von diesem neun Mor-gen „in eodem loco in villa que dici-tur Suuindaha“.47 Da weder in Ober-, noch in Unter-Stollnkirchen eine Kirche

nachzuweisen ist, ist eine solche nur aus dem Ortsnamen zu erschließen. Bemer-kenswert ist die Angabe, dass „Stallin-kirihha“ in der Villikation Schwindau liege. Nach Theodor Bitteraufs Angabe liegen beide Stollnkirchen in der Pfar-rei Schwindkirchen, das offensichtlich als „Suuindahhakirchen“ zu verstehen ist. Es ist also anzunehmen, dass

Abb. 1: Zwischen 856 und 859 tauscht Bischof Anno von Freising von dem Edlen Craman gegen einen Hof nebst Ackerland und Wiesen zu Buchschechen einen Hof nebst Ackerland und Wiesen zu Meiletskirchen und Dornach. Auszug aus den Traditionen des Hochstifts Freising.

Page 10: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

18 19

Mitterauer eingehend untersucht hat. Er gehörte zu den bayerischen Großen, die voll auf der Seite des Karolingers stan-den. Karl beauftragte ihn zusammen mit einem Audaccrus 788 mit dem Schutz der Grenze, als die mit Tassilo verbünde-ten Awaren diese angriffen. Den beiden gelang es, sie am Ybbsfeld zu schlagen.62 Mitterauer zeigte, dass Gramans Familie reichen Besitz zwischen Salzach, Alz und Waginger See, aber auch an der oberen Isen hatte.63 Die Familie tradierte sowohl an Salzburg als auch an Freising. Sie hatte enge verwandtschaftliche Verbindungen mit der Familie Arns von Salzburg. Der Name Graman lebte in der Familie wei-ter. Zu einem jüngeren Graman schrieb Claudia Schwaab 2005: „In einer am 1. November 924 ausgestellten Tauschur-kunde (SUB I 85 nr. 20) gibt er (= Gra-man) seinen Besitz zu Puochskeha und Wald – jeweils mit Gebäuden und allen kleinen und großen Zugehörungen mit Ausnahme einer Hofstätte und 9 Joch – dem Erzbischof Odalbert und erhält da-für den Ort Berg. Die Lokalisierung ge-nannter Orte ist unsicher, vorgeschlagen wurden auch Wald a. d. Alz sowie das nicht sehr weit entfernt gelegene Bergen bei Vachendorf. Ob besagter Graman in verwandtschaftlichem Bezug zum gleich-namigen Traungaugrafen und Heerfüh-rer gegen die Awaren zu sehen ist, läßt sich nicht klären“.64

Dabei hatte Mitterauer bereits 1963 auf jenen schon oben erwähnten Nach-kommen des Traungaugrafen Graman aufmerksam gemacht, der 856/9 Besitz in Meiletskirchen und Dornach gegen einen Hof in „Puohscein“ tauschte. Dass

es sich um Buchschechen bei Steinhöring handelt, zeigt das miterwähnte Meilets-kirchen. Mit Recht wies er darauf hin, dass auch das „Puochskeho“ des jünge-ren Graman auf Buchschechen bei Ebers-berg zu beziehen sei.65 Zu fragen bleibt, wo der weitere Besitz des Graman „in alio loco ad Vualde nominato“ und die Gegenleistung des Erzbischofs in „Perch“ zu suchen sind. „Perch“ ist leicht zu be-stimmen: es handelt sich um Berg, Nach-barort von Meiletskirchen. Als dort 829 ein Hroadhoh an Freising tradierte, war ein Willihelm aus der Gramansippe Spit-zenzeuge.66 (Abb. 2) „Vualde“ ist im na-hen Wall bei Sankt Christoph zu suchen, das noch um 1180 „Walde“ heißt.67 Zu beachten ist, dass Salzburg auch in Sankt Christoph Besitz hatte. Erzbischof Odal-bert vertauschte „ad sanctum Christo-forum locum cum omnibus ibidem per-tinentibus“.68 Salzburg hatte in Sankt Christoph zwar Besitz, nicht aber die Kirche. In den Freisinger Traditionen ist uns Wall als „Uualdiu“ bereits begegnet als einer der Orte, in denen der Diakon Sundarheri 791 tradierte.69 (Abb. 3)

Poigenberg und Reithofen (beide Gde. Pastetten), (Groß-, Klein-) Katzbach (Gde. Dorfen), Thalkofen (Gde. Gangkofen, LK Rottal-Inn), (Ober-, Unter-) Weilbach, (Gde. Hebertshausen, LK Dachau)Leitnamen des mächtigen Adelsge-schlechts der Wilhelminer waren die Na-men Willihelm, Cotahelm und Hroad-perht.70 Dieses Geschlecht war eng mit dem Kloster Mondsee verbunden, an das Mitglieder reichen Besitz unter

Salzburger „Außenbesitz“ im Bistum Freising

Wir erwähnten eben, dass Kirchen bei Schenkungen stets in ihren Bistü-mern verblieben, sonstige Güter aber an ein „fremdes“ Bistum gegeben wer-den konnten. Im Folgenden werden ausgewählte Beispiele von Salzburger „Außenbesitz“ im Bistum Freising vor - gestellt.

(Außer-, Inner-) Bittlbach (Gde. Lengdorf) und Armstorf (Gde. Sankt Wolfgang)Dass ein Haholt eine Kirche zu (Außer-, Inner-) Bittlbach von Bischof Joseph weihen ließ und diese mit seinem Sohn Arn 758 an Freising tradierte,51 wurde bereits erwähnt, ebenso dass dieser Arn Bischof, dann Erzbischof von Salz-burg wurde. 769 schenkte ein Priester Willahelm dort seinen Besitz, den ihm sein Vater Gaio vererbt hatte, dem hei-ligen Zeno in Isen.52 Freisings Position in Bittlbach zeigt sich in einer Reihe weiterer Erwähnungen der Gemarkung „Poatilinpach“ in den Freisinger Tradi-tionen: 827 tradierte dort wieder ein Haholt Erbgut.53 Er, der wieder einen Sohn Arn hatte, war offensichtlich ein Neffe des Erzbischofs. Auch der jün-gere Arn stieg zu einer angesehenen geistlichen Würde auf: er begegnet 845 als „edler und berufener Abt“.54 Bischof Anno erweiterte den Freisinger Besitz zu Bittlbach.55 Auch die Bischöfe Arnold und Abraham erwarben dort Besitz.56 Angesichts der starken Prä-senz des Bistums Freising in Bittlbach

ist bemerkenswert, dass 927 Erzbischof Odalbert von Salzburg der hochedlen („nobilissima“) Frau Rihni57 den Ort Bittlbach mit allem Zubehör („locum Putilinpach dictum cum omnibus ad eum iuste legitimeque pertinentibus et inibi manentibus“) überlassen konnte.58 Der Ort („locus“) Bittlbach umfasste mit Sicherheit mehr als die eine Hube, die Rihni selber dort an Salzburg gege-ben hatte.59 Die Annahme liegt nahe, dass der Salzburger Besitz in Bittlbach auf die Familie des Erzbischofs Arn zu-rückgeht, mit der eine enge Verbindung zwischen Salzburg und Bittlbach gege-ben war.

In diesem Zusammenhang ist auf das nahe Kirchdorf „Arnesdorf“ (Dorf eines Arn) ist gleich Armstorf bei Sankt Wolfgang zu verweisen, wo um 926 Erz-bischof Odalbert über Besitz verfügte.60 Willibald Hauthaler zog für „Arnesdorf“ neben Armstorf auch Ernsdorf (Gde. Prien a. Chiemsee, LK Rosenheim) in Betracht, was aber sprachlich nicht überzeugt. Um 856 gab Bischof Anno von Freising einem Arn Besitz zu Arms-torf („ad Suin[d]aha in loco que dicitur ad Arnesdorf“) zu Lehen.61 Auffällig ist, dass dieser Arn mit einem eigenen Vogt Ratolt handelte – er war also ein Geist-licher. Vielleicht handelt es sich bei ihm um den oben angeführten Arn, der als „berufener“ Abt erscheint.

Buchschechen, Berg und Wall (alle Gde. Steinhöring)Zu den bedeutendsten Adeligen in Bay-ern unter Tassilo und Karl dem Gro-ßen gehörte ein Graman, den Michael

Page 11: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

20 21

wird ausdrücklich als „vassus“ bezeich-net, Cotahelm nennt Odalperht seinen „domnus“, seinen Lehensherrn.

Buchbach (LK Mühldorf a. Inn) sowie Eibach, Bergham und Schirmading (alle drei Gde. Dorfen)Die Großgemarkung Buchbach lag, wie das Verzeichnis der Parochialkirchen zeigt, schon im frühen Mittelalter am äußersten westlichen Rand des Bistums Salzburg. Es nennt in dieser Gemarkung drei Kirchen, die auf Buchbach, Litzel-kirchen und Felizenzell zu verteilen sind. Westlich davon liegt Eibach, das schon in das Bistum Freising gehört. Dort sind 808 zwei Kirchen genannt, die bei-de an Bischof Atto übergeben wurden. Eine davon ist im Ausbauort Staffing zu suchen.76

In den zwei Orten „Puohpah“ und „Ipah“, in zwei Bistümern gelegen, ver-tauschte der Edle Lantperht vor 927 Besitz an den Salzburger Erzbischof Odalperht.77 Warum Lantperht das Tauschgeschäft mit Salzburg abschloss, erklärt sich daraus, dass er als Gegen-leistung zwei „loca“ bekam, die seinen Besitzinteressen entgegenkamen: „Perg-heim“ und „Skiermuntinga“, Bergham und Schirmading. Diese Nachbarorte liegen in der Mitte zwischen Grün- und Wasen-Tegernbach, in dem bereits an-gesprochenen Besitzschwerpunkt der Gramansippe an der oberen Isen. Aus ihr heraus dürften Bergham und Schir-mading an Salzburg gekommen sein. Lantperhts Interesse daran lässt an-nehmen, dass er von der Gramansippe abstammte.

anderem nördlich des Ebersberger Fors-tes übertrugen. Aber auch das Erzstift Salzburg wurde von ihnen bedacht. Ihr durch ihre Schenkungen nachweisbarer Besitz ist eng mit dem der Sippe des Grafen Graman verflochten, mit der die Wilhelminer eng verbunden waren. Ein Edler Willihelm übergab um 925 an Erzbischof Odalperht Besitz in „Piupin-berg“, also in Poigenberg, mit fünf Unfreien71 und bekam dafür den Salz-burger Besitz zu Reithofen mit zwanzig Unfreien. Auch in den Freisinger Tradi-tionen kommt Poigenberg vor: Cota-helm, ein Verwandter Willihelms, wohl sein Bruder, bekam zwischen 926 und 937 dort eine Hofstätte von Bischof Wolfram als Allod im Tausch gegen vier Hofstätten zu Straßlach (LK München) und Perlach (StK München).72

Auch mit Erzbischof Odalperht von Salzburg machte der Edle Cotahelm ein Tauschgeschäft: er bot ihm Besitz zur Wahl in „Chazpach“, in (Groß-, Klein-) Katzbach bei Dorfen in einem Besitzschwerpunkt der Wilhelminer, oder in Thalkofen an und erhielt dafür Besitz zu „Vuilpach“, das ist (Ober-, Unter-) Weilbach.73 In Katzbach hat-te ein Priester Hroadperht mit seinem Neffen Williperht Besitz an Freising ge-geben.74 Mitterauer konnte die Zugehö-rigkeit des Priesters Hroadperht zum Verwandtschaftskreis „Wilhelminer / Graman“ erweisen.75 Sowohl bei Wil-lihelm als auch bei Cotahelm ist der Grund für Besitzgeschäfte mit Erzbi-schof Odalperht inmitten des Bistums Freising leicht zu erkennen: beide ge-hörten zu seinen Vasallen. Willihelm

Abb. 2: Unter dem 15. August 829 schenkt Hroadhoh Besitz zu Berg an die Freisinger Bischofskirche. Auszug aus den Traditionen des Hochstifts Freising.

Abb. 3: Am 18. April 791 schenkt Sundaheri seinen Besitz zu Wall und Isen an die Freisinger Bischofskirche. Auszug aus den Traditionen des Hochstifts Freising.

Page 12: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

22 23

übergab dort vier Unfreie an Erzbischof Odalperht. Er erhielt dafür für sich und seinen Blutsverwandten Sindbert auf Le-benszeit zu Eigen, was er bisher „ad Per-ge“ zu Lehen hatte;89 gemeint ist Berg, Gemeinde Wörth.90

„Freisinger“ Aribonen und Salzburger Besitz im Westen des Bistums Freising

Zu den von Gertrud Diepolder un-tersuchten „Freisinger“ Aribonen, einem Zweig der Aribonen, der sich in den Freisinger Traditionen besonders weit zurückverfolgen lässt,91 gehörte ein Ja-kob, der mit Erzbischof Odalperht wohl 925 Besitz tauschte.92 Jakob und seine Frau Engilrat gaben Besitz „ad Zilare“, was nicht, wie Hauthaler schreibt, „am Ziller“ –irgendwo – bedeutet, sondern einen konkreten Ort („locus“) bezeich-net, der den Namen des Flusses trug; zu denken ist an Mayerhofen / Tirol. Das Paar tradierte außerdem einen anderen Ort („alium locum“) – in weiter Entfer-nung – „ad Marhluppa“, Marlupp im Innviertel / Oberösterreich. Es bekam dafür aus dem Besitz der Salzburger Kirche „Perchoua Stumphinpach atque Cundperhtesdorf“, also Berghofen (LK Landshut), Stumpfenbach (LK Dachau) und Gumpersdorf (LK Dachau). Zwi-schen 926 und 937 tauschte Bischof Wolfram von Freising von der Edlen Engilrat und ihrem Sohn Aripo Besitz zu Gumpersdorf, darunter den dritten Teil der Kirche, gegen solchen zu Alber-zell (LK Pfaffenhofen a. d. Ilm).93 Aripo

vertrat seine Mutter als Vogt; sie war zu dieser Zeit Witwe. Engilrat gab mit ih-rem Sohn Aripo Bischof Abraham von Freising zwischen 957 und 972 Besitz zu Purtlhof (LK Dachau), Sulzrain (LK Da-chau), Gumpersdorf und Lotzbach (LK Dachau) mit 63 Unfreien gegen Besitz in Sulzrain, Ampermoching (LK Dachau) und Alberzell mit 150 Unfreien; als Vogt fungierte für sie ihr zweiter Gatte Pern-hard.94 Angesichts des hohen Ranges der Engilrat denkt man bei diesem Bern-hard an den Bruder der oben genannten Willa, einen Enkel des Erzbischofs Odal-perht. Aripo hatte wohl einen Bruder Jakob;95 die beiden stammten also aus Engilrats erster Ehe mit Jakob.

Während Berghofen in den Salz-burger Quellen dieser Zeit nicht mehr vorkommt, ist es in den Freisinger Tra-ditionen ein häufig erwähnter Ort. 827 übergab ein Kiso dort Besitz, konnte ihn aber mit seiner Frau Purcsuuind und sei-nem Sohn Eigil bis zum Lebensende nut-zen.96 840 kam es zu einer Auseinander-setzung der Brüder Eigil und Wichelm mit Bischof Erchanbert, weil diese eine Kirche zu (Ober-, Unter-, Holz-) Strogn als Erbgut beanspruchten. Der Bischof konnte beweisen, dass ihr Vater Kiso diese an Freising gegeben hatte. Die Brüder gaben dem Bischof den Besitz zu Berghofen, den ihr Vater zurückbehalten hatte. Eigil und die Mutter bekamen die Kirche zu Lehen.97 In Strogn haben wir jenen Erchanbald gefunden, der mit den Aribonen verbunden war. Zu Stumpfen-bach finden sich keine Nennungen in den Freisinger Traditionen und auch kei-ne weiteren in den Salzburger Quellen.

Adelsgeschlechter zurück“.83 Willa war eine Tochter des Bernhard, des Bruders des Diotmar, und damit eine Enkelin des Erzbischofs.84

Willa war auch, wie eben erwähnt, Schwägerin des Erzbischofs Friedrich. Der Erzbischof und sein Bruder Sigi-hard gehörten zu den „Sieghardingern“, einer Adelssippe, die mit den Grafen von Ebersberg verwandt war. Immerhin hieß der Spitzenahn der Ebersberger Sigihard. Erzbischof Friedrich weihte 970 das Kloster Ebersberg.85

Willas Onkel Diotmar trägt den Na-men des Salzburger Erzbischofs, der Erzkaplan und Erzkanzler Arnulfs von Kärnten gewesen war. Auf seine Bitte hin schenkte Arnulf 891 dem Erzstift den Hof Erding, den einst seine Mutter Liutswind als Lehen gehabt hatte.86 Auch Otachar, der ebenfalls ein Sohn der Rihni, der vormaligen Gemahlin des Erzbischofs Odalperht, und damit ein weiterer Onkel der Willa war, finden wir im Umkreis des Ebersberger Forstes. Um 924 übergab der Erzbischof dem Edlen Otachar einen Besitzkomplex zu Stammham („unum lo-cum Stamheim“) als Eigengut. Otachar gab ihm dafür Besitz, den er von einem Erchanpold zu Klettham und Siglfing, und weiteren Besitz, den er von einem Gisalhart zu (Ober-, Nieder-) Schweibern (LK Mühldorf a. Inn) erhalten hatte.87 Klettham gehört zu den Orten, in de-nen Graf Eberhard von Ebersberg Besitz an sein neues Kloster übergeben hatte.88 Der erzbischöfliche Lehensmann Erchan-bald (= Erchanpold) ist um 924 auch als Tradent zu (Ober-, Unter-, Holz-) Strogn („ad Strogam“) zu finden; er

Nachkommen des Salzbur-ger Erzbischofs Odalperht im Umkreis des Ebersberger Forstes

Nach 976 gab die edle Frau Willa durch die Hand ihres Vogtes und On-kels Diotmar Erzbischof Friedrich drei Huben zu Lausbach bei Oberneuching und erhielt dafür für sich und ihren Bru-der Pernhart neun Huben zu Putzbrunn (LK München) sowie eine Hube und eine Mühle zu Finsing.78 Pernhart war als Vogt des Erzbischofs Friedrich tätig, als dieser 963 ein Tauschgeschäft mit seinem Bruder, dem Grafen Sigihard, machte. Sigihard war der Ehemann der Willa.79 Als Söhne des Paares sind Engil-pert und Nordpert genannt.80 Ein weite-rer Sohn Sigihard begegnet 931 in einer Salzburger Zeugenreihe für den edlen Priester Engilbert, die mit „Sigihard et fratres eius Nordperht et Engilperht, Di-otmar et frater eius Pernhart beginnt.81 Die Zeugenreihe für eine andere Schen-kung dieses Priesters beginnt mit „Di-otmar filius Odalberti, Engilperht filius Hartuuici“.82 Odalperht / Odalbert, der Vater des Diotmar, war kein Geringe-rer als der Salzburger Erzbischof. Heinz Dopsch schreibt zu ihm: „Odalbert entstammte der besonders in Bayern mächtigen Adelssippe der Aribonen und scheint vor seinem Aufstieg zum Erzbi-schof ein eher weltliches Leben geführt zu haben. […] Auf Otachar, Bernhard und Dietmar, die Söhne des Erzbi-schofs, die bisweilen den Grafentitel führten und als Vögte ihres Vaters fun-gierten, gehen bedeutende bayerische

Page 13: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

24 25

Klosters eingetragen.109 Wichtiger für uns ist, dass 1017 Aufkirchen (südl. Gau-ting, LK Starnberg) in der Grafschaft des Arnold liegt.110 Warum soll Arnold von seinem Vater nur die Vogtei über Benediktbeuern übernommen haben, wie Tyroller annimmt, und nicht auch dessen Grafschaft, und zwar im Umfeld des Starnberger Sees? Zwischen 1003 und 1011 übertrugen ein Edler Ernst und seine Gattin Adelheid Eigenbesitz zu Trens (bei Sterzing / Südtirol) an Te-gernsee, den dann aber ein Meginhard von Gilching (LK Starnberg) („Megin-hardus de Giltichinga“) 1011 vor König Heinrich II. vergeblich beanspruchte.111 Nur ganz hochrangige Adelige werden in dieser Zeit nach einem Sitz benannt; in der herangezogenen Urkunde sind es neben Meginhard von Gilching nur die an der Spitze der Zeugenreihe ste-henden Grafen Adalpero von Kühbach und Eberhard von Ebersberg („Adalpe-ro de Chovpach preses, Eperhardus de Eparesperc comes“). Tyroller hält diesen Meginhard durchaus überzeugend für einen Bruder des Benediktbeurer Vog-tes Arnold.112 Gilching, für das Selbst-bewusstsein der Familie des Meginhard sicher von ähnlicher Bedeutung wie die Vergleichsfälle Kühbach und Ebersberg, liegt nur acht Kilometer nordwestlich von Gauting. Die Familie der Meginhar-de bleibt mit Gilching verbunden: als vor 1073 der Freisinger Vizedom Adalpert einen Ehevertrag mit seiner Frau Perhta schloss, erscheint als dritter Graf in der Zeugenreihe Meginhart von Gilching mit seinem Mann Magnus („comes de Giltich[ingen] et miles eius Magnus).113

Grafen Meginhart, der zeitlich mit dem Grafen von „Gotingun“ identifiziert wer-den könnte.

Franz Tyroller schreibt, dass um 987 Götting in der Grafschaft (an der Mang-fall) des Meginhard liege und damit des-sen Filiation erschlossen werden könne, da er Nachfolger des Grafen Pilgrim gewesen sei, in dessen Grafschaft 950 Helfendorf gelegen sei, der damit also Graf in der Grafschaft an der Mangfall gewesen sei; er hält Meginhard für einen Sohn des Grafen Pilgrim.104 Diese Kon-struktion fällt in sich zusammen, wenn „Gotingun“ sich auf Gauting und nicht auf Götting bezieht. Tyroller bemerkt in seiner Tafel 8 „Die Pilgrimiden“105 zu Meginhard, dass er Vogt von Bene-diktbeuern gewesen sei, macht aber im Text keine Angaben dazu. Erst unter je-nem Arnold, den er in der Stammtafel als dessen Sohn anführt, findet sich die Lösung. Tyroller zitiert ein ehemaliges Epitaph in Benediktbeuern aus dem 11. Jahrhundert: „haec pictura duos comites notat hic tumulatos / ortu praeclaros, moribus eximios / Arnolfum dico cum patre suo Meginhardo …“.106 Arnold / Arnolf war eng mit dem Kloster Bene-diktbeuern verbunden; nach der Bene-diktbeurer Güterbeschreibung übergab er Besitz zu Fischen (am Ammersee).107 Außerdem schenkte der Graf Arnold als „edelster Kämpfer des Kaisers“, nämlich Heinrichs II., und als „treuester Vogt“ von Benediktbeuern („comes Arnoldus, nobilissimus bellator imperatoris atque fidissimus defensor“) Besitz zu Tärzens (südlich Innsbruck).108 Als Vogt wurde er auch in eine Liste von Wohltätern des

In aribonische Zusammenhänge gehört auch die gottgeweihte Truta, Witwe eines Weriand, die um 987 zehn Eigenhuben „ad villulam nomine Gotin-gun“ an Sankt Peter in Salzburg gab.102 Auch diese Schenkung erfolgte westlich des Inns: Hauthaler bestimmte „Gotin-gun“ mit Götting (LK Rosenheim). Nun ist aber zu bedenken, dass „Gotingun“ auch Gauting (LK Starnberg) sein könn-te – von der Form des Ortsnamens her lässt sich keine Entscheidung treffen. Dabei scheint die Bestimmung leicht, da die Huben als „in der Grafschaft des Meginhard“ gelegen bezeichnet werden. Aber zu Graf Meginhard findet sich in den Salzburger Traditionen nur eine Nennung, die zeitlich auf den Grafen von circa 987 bezogen werden kann. Als um 963 jene Willa, die wir eben wegen ihres Besitzes zu Lausbach bei Oberneu-ching erwähnten, durch die Hand ihres Gemahles Sigihart Besitz für den Fall ihres Todes und den ihrer Söhne Engil-pert, der vor einem Deotmar für Truta als Spitzenzeuge fungierte, und Nord-pert an Erzbischof Friedrich von Salz-burg gab, begann die Zeugenreihe mit „Hatuuic [!] comes, Otachar comes, Meginhard comes, Liutpold comes, Ruodolf, Aripo, Erchanger, Vueriant“.103 In dem nach den Aribonen Aripo und Erchanger genannten Weriant ist wohl Trutas damals noch lebender Ehemann zu sehen. Es ist deutlich, dass keiner der vier Grafen als „Amtsgraf“ Zeugenhilfe leistete, wohl aber, dass sie, also auch Meginhart, eine persönliche Beziehung zur Tradentin Willa aufwiesen. Auch die Freisinger Traditionen nennen keinen

In Gumpertsham finden wir um 1000 ei-nen Altmann, der als Vasall des Bischofs Gottschalk dort den vierten Teil der Kir-che an Freising gab.98 Ohne Zweifel ge-hörten Engilrat und Aripo, die ebenfalls einen Teil der Kirche besaßen, zu den Vorfahren des Altmann. Dieser bekam vom Bischof dafür die Kirche zu Mi-chelskirchen (LK Dachau) und Grund-besitz. Insgesamt lässt sich annehmen, dass Salzburg den doch recht entlege-nen Besitz bei Altomünster durch eine Aribonenschenkung bekommen hatte, zumal er für den Aribonen Jakob eine willkommene Besitzabrundung war.

Nach 976 begegnet ein Edler Erchan-ger, der für Besitz zu „Cholinga“ (Köl-ling) im Bistum Freising und zu „Eihhi“ (Walkersaich, LK Mühldorf a. Inn) im Erzbistum Salzburg von Erzbischof Fried-rich Besitz zu „Petzinheim“ (Petzenham, LK Mühldorf a. Inn) eintauschte.99 Er-changer gehörte, wie Gertrud Diepolder zeigt,100 zu den „Freisinger“ Aribonen. An-geführt soll noch werden, dass die „Frei-singer“ Aribonengruppe im Westen des ehemaligen Landgerichts Schwaben in Besitznachbarschaft mit den Nachkom-men des Erzbischofs Odalperht zu finden ist. Willa hatte Besitz in Putzbrunn, im Nachbarort Harthausen (LK München) gab um 1015 der Edle Aripo an Bischof Egilbert von Freising den stattlichen Be-sitz von zehn Huben Ackerland und hun-dert Joch Wiesen mit zehn Unfreien und erhielt dafür mit seiner Gemahlin Gunt-pirg und seinem Sohn Egilolf Besitz zu Perlach (StK München) und Ramersdorf (StK München).101

Page 14: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

26 27

Anlass für Besitzgeschäfte mit der Salz-burger Kirche im Freisinger Diözesan-gebiet sein. Die mächtige Stellung der Aribonen zeigt sich darin, dass sie ihre Aktivitäten keineswegs auf ein Bistum beschränkten, sondern in gleicher Weise mit Salzburg und mit Freising Besitzge-schäfte vornahmen.

Zusammenfassung

Die Entstehung der Grenze zwischen den Bistümern Salzburg und Freising ist in die Zeit nach Theodos Rückkehr von seiner Romfahrt 715/16 zu setzen und gehört in den Zusammenhang der Teilausführung des dort vereinbarten Organisationsplanes für eine bayerische Landeskirche im Anschluss an die beste-henden Unterherzogtümer. Der Inn bil-dete nur vom Raum Rattenberg bis zum Raum Attel die Grenze und stellte also keineswegs eine strukturelle Trennungs-linie dar, wie das Ausgreifen des Salz-burger Bistumsgebietes bis fast vor Isen zeigt. Zu den wichtigsten Pflichten, aber auch Rechten eines Bischofs gehörte die Weihe von Kirchen. Es zeigt sich, dass weder für einen Salzburger Bischof eine Kirchweihe in der Diözese Freising noch für einen Freisinger Bischof eine Weihe auf Salzburger Gebiet nachzuweisen ist.

Anders war es bei Besitzgeschäften, bei denen keine Kirche im Spiel war. Salzburg hatte eine Reihe von Besitzun-gen im Freisinger Diözesangebiet – um-gekehrt hatte auch Freising Besitz im Salzburger Bereich, was aber hier nicht das Thema war. Enge persönliche Ver-bindungen zur Salzburger Kirche, wie sie bei der Familie des Erzbischofs Arn und den Verwandten der Erzbischöfe Odal-perht und Friedrich anzunehmen sind, führten zu Schenkungen von Besitz, der im Bistum Freising lag, an die Kirche des heiligen Rupert in Salzburg. Auch der Dienst als Lehensmann des Salzburger Erzbischofs konnte wie bei den Wilhel-minern Willihelm und Cotahelm der

Königswiesen und bekam vom Bischof ebenso viele in Glonn;118 bei Graf Odal-scalh und Vogt Odalscalh handelt es sich eindeutig um verschiedene Personen.119 Der Edle Erchanger gab mit den glei-chen Zeugen zwei Hufen zu Königswie-sen und bekam zwei Huben zu Glonn.120 Offensichtlich erwarb Bischof Abraham den gesamten Siedlungskomplex von Königswiesen, das Bitterauf noch als Einöde mit Kapelle anführt. Ein Kumpo (= Kuntpold) erhielt bei dieser großen Tauschaktion sechs Huben zu Glonn, gab dafür aber nicht Besitz zu Kö-nigswiesen, sondern zu Elsendorf (LK Kelheim), Allach (StK München) und Ramelsbach (LK Dachau).121

Dieser Verwandtschaftskreis von Gauting und Königswiesen kam aus aribonischen Wurzeln, war aber auf dem Weg dazu, sich neu zu bestim-men. Schon Diepolder hatte beobach-tet, dass seit etwa 970/80 im Umkreis der Freisinger Aribonenfamilie auch die Namen Gumpolt und Altmann vorkommen,122 zwei für die Grafen von Kühbach bezeichnende Namen. Denn die in Gauting und Königswiesen auf-tretende Tradentengruppe schuf sich einen neuen Herrschaftsmittelpunkt in Kühbach; als erster nannte sich ein Adalpero „de Chopach preses“. Jetzt galt das Geschlecht als das der Grafen von Kühbach.

Der hohe Rang des Meginhard zeigt sich darin, dass vor ihm nur der Eppen-steiner Heinrich, Sohn des Kärntner Markgrafen Markwart, und Graf Arnolt von Dießen erscheinen („Heinrich filius Marchwardi Carinthiensis comitis et milites eius Odalscalch, Anno, Erchan-ger; Arnolt comes de Diezan et miles eius Wolftrigil“); viele andere Grafen kommen nach Meginhard von Gilching. Arnolt von Dießen führt Tyroller als Bru-der des Meginhard an.114 Insgesamt er-gibt sich, dass die Meginharde eng mit dem Raum nördlich des Starnberger Sees verbunden waren. Dies beweist, dass jenes „Gotingun“ in der Grafschaft des Meginhard in Gauting zu suchen ist.

Wenn eben festgestellt wurde, dass jene in Gauting begüterte Truta in aribo-nische Zusammenhänge gehört, dann liegt die Begründung im Besitzort Gau-ting. Jenes „Kotingun“, das zwischen 957 und 972 bei einem Tauschgeschäft zwischen dem Edlen Odalscalh und Bi-schof Abraham erscheint, ist eindeutig Gauting; Odalscalh und sein Vater Papo bekamen dabei die dortige Kirche.115 Die beiden gehörten zu einem Verwandt-schaftskreis, der auch im Nachbarort Königswiesen begütert war:116 Graf Ogo gab dort um 980 dem Bischof Abraham und seinem Vogt Odalscalh fünf Hu-ben, die ihm der König geschenkt hatte, und erhielt dafür fünf Huben in Glonn (LK Dachau). Die Zeugenreihe beginnt mit den Namen Piligrim, Odalscalh, Dietrich, Arnis, Kuntpold, Erchanger, Timo, Tagini, Papo.117 Gleichzeitig – wie die völlig identische Zeugenreihe zeigt – gab Graf Odalscalh fünf Huben zu

Page 15: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

28 29

48 Die hier vorgenommene Verteilung der drei Kirchen in der Großgemarkung Ornau wurde bereits von Tyroller, Franz: Die Grafschaften des Isengaus, in: Oberbayerisches Archiv 80 (1955), S. 45-102, vorge-schlagen, wie Stahleder, Helmuth: Mühldorf am Inn, (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern I/36), München 1976, S. 23, angibt.

49 TF 686.50 Janker (wie Anm. 23), Register.51 TF 11.52 TF 33.53 TF 540 a, b.54 TF 669.55 TF 757, 838, 892.56 TF 956, 1254, 1269.57 Störmer, Wilhelm: Früher Adel. Studien zur politischen

Führungsschicht im fränkisch-deutschen Reich vom 8. bis 11. Jahrhundert, (Monographien zur Geschich-te des Mittelalters 6,I), Stuttgart 1973, 107-108.

58 Hauthaler, Willibald (Hg.): Salzburger Urkunden-buch, Bd. 1, Salzburg 1910 (künftig SUB I mit Seite), hier 108.

59 SUB I, 107.60 SUB I, 82.61 TF 759.62 Mitterauer, Michael: Karolingische Markgrafen im

Südosten. Fränkische Reichsaristokratie und bayeri-scher Stammesadel im österreichischen Raum, (Archiv für österreichische Geschichte 125), Wien 1963, S. 1.

63 Mitterauer (wie Anm. 62), S. 26-27.64 Schwaab, Claudia: Altötting, (Historischer Atlas von

Bayern, Teil Altbayern I/63), 2005, S. 139.65 Mitterauer (wie Anm. 62), S. 107.66 TF 586.67 Hundt, Friedrich Hector Graf von: Das Cartular des

Klosters Ebersberg. Aus dem Fundationsbuche des Klosters unter Erörterung der Abtreihe, dann des Überganges der Schirmvogtei auf das Haus Scheyern-Wittelsbach, sowie des Vorkommens von Mitgliedern dieses Hauses, München 1879, Nr. III/ 56.

68 SUB I, 153.69 TF 140.70 Mayr, Gottfried: Die frühen Wilhelminer in Bayern, in:

Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 73 (2010), S. 1-45.

71 SUB I, 91-92.72 TF 1072.73 SUB I, 95-96.74 TF 616.75 Mitterauer (wie Anm. 62), S. 51 (Stammtafel).76 Mayr (wie Anm. 10), S. 55-56.77 SUB I, 119-120.78 SUB I, 187.79 SUB I, 168.80 SUB I, 169.81 SUB I, 124.82 SUB I, 122.83 Dopsch, Heinz: Die Zeit der Karolinger und Ottonen,

in: Ders. / Spatzenegger, Hans (Hg.): Geschichte Salz-burgs. Stadt und Land, Bd. I/1, Salzburg 1981, S. 201.

84 Tyroller, Franz: Genealogie des altbayerischen Adels im Hochmittelalter, Sonderausgabe, Göttingen 1962-1969, S. 46, Nr. 6.

85 Mayr, Gottfried: Ebersberg – Gericht Schwaben, (His-torischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern I/48), Mün-chen 1989, 94-96.

86 Kehr, Paul (Bearb.): Die Urkunden Arnolfs, (Monu-menta Germaniae Historica, Diplomata 3), Berlin 1940, S. 128-130, Nr. 87.

87 SUB I, 139.88 Hundt (wie Anm. 67), Nr. I/ 6.89 SUB I, 100-101.90 Baumann (wie Anm. 35), Nr. 52.91 Diepolder, Gertrud: Die Herkunft der Aribonen, in:

Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 27 (1964), S. 74-119.

92 SUB I, 89.93 TF 1086.94 TF 1192.95 Diepolder (wie Anm. 91), S. 88.96 TF 541.97 TF 636.98 TF 1336.99 SUB I, 184-185.100 Diepolder (wie Anm. 91), S. 90-91.101 TF 1381.102 SUB I, 255.103 SUB I, 168-169.104 Tyroller (wie Anm. 84), S. 85, Nr. 5.105 Ebenda, S. 87 (Stammtafel).106 Jaffé, Philipp (Ed.): Notae Buranae, in: Pertz, Georg

Heinrich (Ed.): Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, Bd. 17, Hannover 1861, S. 320.

107 Wattenbach, Wilhelm (Ed.): Chronicon Benedicto-buranum, in: Pertz, Georg Heinrich (Ed.): Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, Bd. 9, Hannover 1851, S. 210-238, hier S. 223.

108 Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 7, München 1766, S. 38.

109 Wattenbach (wie Anm. 107), S. 223.110 Bresslau, Harry / Bloch, Hermann (Hg.): Die Urkun-

den Heinrichs II., (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata 3), Hannover 1900-1903, S. 1-692, hier S. 466-467, Nr. 364.

111 Acht, Peter: Die Traditionen des Klosters Tegernsee 1003-1242, (Quellen und Erörterungen zur bayeri-schen Geschichte, NF 9/1), München 1952, Nr. 1a, b.

112 Tyroller (wie Anm. 84), 87 (Stammtafel).113 TF 1469.114 Tyroller (wie Anm. 84), 87 (Stammtafel).115 TF 1209.116 Mayr, Gottfried: Die Grafen von Kühbach und ihr Ver-

wandtschaftskreis, in: Kramer, Ferdinand / Störmer, Wilhelm (Hg.): Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben, (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 20), München 2005, S. 97-140, hier S. 132-133.

117 TF 1281.118 TF 1282.119 Mayr (wie Anm. 116), S. 99, Anm. 8.120 TF 1283.121 TF 1284.122 Diepolder (wie Anm. 91), S. 94.

Abbildungsnachweis

• Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München: Abb. 1-3.

14 TF 363.15 TF 622.16 TF 154. Zu Droant und Drudmunt siehe TF 226.17 TF 641 a, b.18 Boretius, Alfred (Hg.): Capitularia regum Francorum,

Bd. 1, (MGH, Leges 2/1) Hannover 1883, 58, 145.19 Martin von Deutinger (Hg.): Die älteren Matrikeln des

Bisthums Freising, 3 Bde., München 1849/50, Bd. III, S. 226-227, S. 369-379.

20 Als die Priester Oadalpald und Minigo auf ihren Erbgütern in der Gemarkung Ecknach (LK Aichach-Friedberg) jeweils eine Kirche errichteten, luden sie den Freisinger Bischof Atto, mit dem sie nahe ver-wandt waren, zur Weihe ein. Dazu brauchten sie die Erlaubnis des Augsburger Bischofs Sintperht, denn die beiden neuen Kirchen lagen im Gebiet der Diözese Augsburg (TF 477).

21 TF 4.22 TF 11.23 811 wird ausdrücklich bemerkt, dass Isen zum Frei-

singer Bischofsgut gehöre („Isna ad eundem episco-pium pertinentem“) (TF 298). Ein 772 genannter Abt Hrodhart, den Bitterauf nach Isen setzte (TF 50), ge-hört nach Herrenchiemsee; siehe Mayr, Gottfried: Zur Todeszeit des hl. Emmeram und zur frühen Geschichte des Klosters Herrenchiemsee, in: Zeitschrift für baye-rische Landesgeschichte 34 (1971), S. 358-373, hier S. 367. Cundheri, den Janker, Stephan M.: Grafschaft Haag, (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern I/59), München 1996, S. 21, fälschlicherweise als Abt von Isen in Betracht zieht, ist nach Ilmmünster zu set-zen; siehe Mayr, Gottfried: Abt Cundheri und die frühe Geschichte des Klosters Ilmmünster, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte 42 (1998), S. 17-45.

24 TF 32.25 TF 151.26 Janker (wie Anm. 23) geht fälschlicherweise davon

aus, dass es sich bei Arperhts Kirche in der Gemar-kung Isen um die Zenokirche handelte, die er deshalb auch nicht in seinem Verzeichnis der Ersterwähnung von Orten und Kirchen (S. 16) berücksichtigt.

27 TF 398 a.28 TF 140.29 TF 16.30 TF 24 a.31 TF 68.32 Deutinger (wie Anm. 19), Bd. III, 370-371.33 TF 514.34 TF 103.35 Baumann, Cornelia: Altlandkreis Erding, (Historisches

Ortsnamenbuch von Bayern, Oberbayern 3), München 1989, Nr. 173.

36 TF 139.37 TF 160. Zu beachten ist, dass bei den beiden genann-

ten „Tegarinuuac“ betreffenden Urkunden das gleiche Formular verwendet wurde.

38 TF 161; siehe auch 162.39 TF 345.40 TF 374.41 TF 407.42 Baumann (wie Anm. 35), Nr. 354.43 TF 240.44 TF 386.45 TF 500.46 TF 764.47 TF 841.

Anmerkungen

1 Krusch, Bruno (Hg.): Arbeonis Vitae sanctorum Haimhrammi et Corbiniani, (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, Schulausgabe 13), Hannover 1920, S. 203.

2 Störmer, Wilhelm: Korbinian, in: Lexikon des Mittel-alters, Bd. V, München 2003, Sp. 1443.

3 Reindel, Kurt: Grundlegung: Das Zeitalter der Agi-lolfinger (bis 788) – I. Die politische Entwicklung, in: Spindler, Max (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 1, 2., überarb. Aufl., München 1981 (1967), S. 99-176, hier S. 159.

4 Reindel, Kurt: Grundlegung: Das Zeitalter der Agilol-finger (bis 788) – II. Christentum und Kirche, in: Spindler (wie Anm. 3), S. 177-233, hier S. 226-227.

5 Reindel (wie Anm. 4), S. 227; Mayr, Gottfried: Be-merkungen zu den frühen kirchlichen Verhältnissen im westlichen Oberbayern. Zur historischen Einordnung der ‚Stafnensis aecclesia‘ von 800 n. Chr., in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 75 (2012), S. 13-22.

6 Rau, Reinhold (Hg.): Vita Bonifatii auctore Willibaldo, (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe IVb), Darmstadt 1968, S. 502 cap. 7.

7 Die 1962 von Friedrich Prinz vertretene Auffassung einer strukturellen Zweiteilung des agilolfingischen Herzogtums wurde besonders von Andreas Kraus ab-gelehnt. In ihrem Aufsatz „Die spätantiken Wurzeln der bairischen Noricum-Tradition“, in: Fehr, Hubert / Heitmeier, Irmtraut (Hg.): Die Anfänge Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baio-varia, St. Ottilien 2012, S. 463-550, kehrt Irmtraut Heitmeier zu dieser angeblichen Zweiteilung zurück. In der Einleitung des angegebenen Bandes wird ihr Bei-trag auf Seite 19 folgendermaßen zusammengefasst: „Ausgehend von der Frage, welchen Hintergrund die Gleichsetzung Baierns mit Noricum in früh- bis hoch-mittelalterlichen Quellen besitzt, entwickelt Irmtraut Heitmeier das Modell einer dualen Genese des bairi-schen Herzogtums. Auf der Grundlage der spätrömi-schen Administration, die Raetien zu Italien, Noricum aber zu Illyrien rechnet, wird dem Inn eine übergeord-nete raumgliedernde Funktion zugewiesen, die bereits in ostgotischer und später in merowingischer Zeit ver-schiedene Hoheitsräume trennte. Die Integration von Teilen beider Territorien kann die strukturelle Zwei-teilung des späteren Herzogtums wie auch die Beson-derheiten der bairischen Herzogsherrschaft erklären.“

8 Lošek, Fritz: Notitia Arnonis und Breves Notitiae. Die Salzburger Güterverzeichnisse aus der Zeit um 800: Sprachlich-historische Einleitung, Text und Überset-zung, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 130 (1990), S. 5-192, hier NA 6, 26.

9 Hervorhebungen vom Verfasser.10 Dass mit „ad Sinsa“ Stephanskirchen (LK Rosenheim)

(bei Orten, die in den Landkreisen Ebersberg und Erding liegen, wird im Folgenden der Landkreis nicht angege-ben) gemeint ist, wird aufgezeigt in Mayr, Gottfried: Die Auflösung der frühen Großgemarkungen – dargestellt an Beispielen aus Oberbayern, Land um den Ebersber-ger Forst 15 (2012), S. 34-61, hier S. 50-51.

11 Lošek (wie Anm. 8), S. 9-10.12 Übersetzung Lošek (wie Anm. 8), S. 89.13 Bitterauf, Theodor: Die Traditionen des Hochstifts

Freising, 2 Bde., (Quellen und Erörterungen zur baye-rischen und deutschen Geschichte, NF 4 u. 5), Mün-chen 1905/09 (künftig: TF mit Nr.), hier Nr. 93.

Page 16: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

30 31

handelt, wie nach BITTERAUF die gesamte Huosiforschung annimmt, sondern daß dieses Holze quod fuit Eiioni presbiteri von 836 (Trad. Fr. 609) der Ort ist, der im Jahr dar-auf Eiinhofa heißt (Trad. Fr. 626 a), also das heutige Ainhofen, gelegen an der Peripherie des Huosi-Zentrums Tandern-Hilgertshausen, benachbart dem vielgenannten (Langen-) Pettenbach, in dem die Familie Bischof Arbeos von Freising wie die Stiftersippe von Scharnitz-Schlehdorf (hier vor allem Gaio, der Sohn Poapos) begütert war.“6

Inwieweit sich Diepolder auf Hel-muth Stahleder bezog, wird aus ihrer kurzen Anmerkung nicht deutlich. Stahl-eder hatte 1979 dargelegt, dass drei in den Freisinger Traditionen genannte Holzen auseinander zu halten seien: das Holzen des Toto / Scrot, das Holzen des Poapo / Eio und das Holzen des Priesters Tiso.7 Wegen der Bedeutung der Bestimmung dieser verschiedenen Holzen für die Frage, welcher Ort mit dem 765 genannten „Holze“ gemeint ist und deshalb 2015 die 1250-Jahrfeier der Erstnennung begehen kann, soll hier eine Untersuchung zu den drei ange-führten Holzen vorgelegt werden.

Oberzolling (Gde. Zolling, LK Freising) – das Holzen des Toto / Scrot

Stahleder ging beim Holzen des Toto / Scrot von der Freisinger Tradition Nr. 86 aus, deren Inhalt Bitterauf folgen-dermaßen zusammenfasste: „Toto teilt mit seinen Söhnen Unfreie und Land

zu Holzen und bestätigt die Schenkung seines Bruders Scrot. Freising 777 November 16“. Zunächst ist das Datum bemerkenswert: Auf den 9. November 777 – also genau eine Woche vorher – ist die Weihe des von Tassilo gegründeten Klosters Kremsmünster anzusetzen. Bischof Virgil von Salzburg, der am 16. November in Freising den Gerichtstag leitete, hatte daran teilgenommen, nicht jedoch die Bischöfe Arbeo von Freising und Oadalhart von Neuburg. Krankheit war nicht der Grund ihrer Abwesenheit, denn am 16. November traten sie in Freising als Zeugen auf. Im Gegensatz zur Angabe Bitteraufs ging es nicht um die Vornahme einer Teilung, sondern um eine von oberster Instanz, nämlich vom Herzog und seinem Rat („duce iubente vel senatu“), angeordnete Kor-rektur einer früheren Teilung. (Abb. 1) Toto hatte 775 an Freising nach der ersten Teilung mit den Söhnen den ihm verbliebenen Anteil an Freising gegeben („quicquid ad portionem meam a filiis meis receperam“). Es handelte sich da-bei um einen Knecht („servus“) namens Hunrat und um die vier abgabenpflichti-gen Bauern („colones atque tributales“) Hacco, Wolfleich, Triwolf und Dietmar, um Grundbesitz („territorium“) nörd-lich der Amper und um einen Wald bei Airischwand (Gde. Nandlstadt, LK Frei-sing). Erwähnt werden auch Anteile an Gotteshäusern und an Gewässern („tam in titulis et aquis quam in universis uten-silibus receptam portionem“), ohne dass klar wird, wo diese „tituli“ gewesen sein sollen.8

1905 erschien der erste Band der Aus-gabe der Traditionen des Hochstifts Frei-sing von Theodor Bitterauf.1 Als Nummer 23 ist eine Urkunde abgedruckt, der der Herausgeber folgende Überschrift gab: „Der Edle Poapo schenkt seinen Besitz zu Sonnen- (Noder-)wiechs und zu Holzen an der Attel. Freising 765 Mai 17“.2 Der la-teinische Originaltext hatte den Vermerk bekommen: „Traditio Poaponi de Uuihse vel ad Holze.“ In der Vorbemerkung legte Bitterauf eine Neubestimmung der Orte „Uuihse“ und „Holze“ vor:

„Ist Uuihse Weichs Pfd. B.A. Dachau, so ist Holze in Holzen W. Pf. Wolfersdorf G. Zolling B.A. Freising zu suchen. Allein im Gegensatz zur bisherigen Annahme schlage ich wegen der Erneuerung dieser Schenkung durch Eio (nr. 323) und der Verbindung von Uuihse mit Grosshöhenrain im B. A. Rosenheim in n. 459 [gemeint ist n. 559] Sonnenwiechs und

Noderwiechs D. D. Pf. und G. Kirchdorf vor. Holze wäre dann Holzen a. d. Attel, das noch unter Bischof Erchanbert Holze quod fuit Eioni presbiteri genannt wird.“

Diese neue Bestimmung wurde von Karl Puchner in das Historische Ortsna-menbuch für den Landkreis Ebersberg3 übernommen und im Anschluss an diesen auch in den Historischen Atlas-band „Ebersberg – Gericht Schwaben“4. Die ortsgeschichtliche Forschung im Ebersberger Raum geht ebenfalls von der Bestimmung des 765 genannten „Holze“ mit Holzen an der Attel aus.5 1993 schlug Gertrud Diepolder eine neue Bestim-mung der Orte „Uuihse“ und „Holze“ vor:

„Was Poapos Stiftung ad Holze betrifft, so werde ich demnächst ausführlich darlegen, daß es sich dabei nicht um Holzen an der Attel

Holzen an der Attel im frühen Mittelalter

Gottfried Mayr

Page 17: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

32 33

776 finden wir Toto wieder. Sein Sohn Scrot hatte, den Tod vor Augen („ad ultimum deductus“), mit Zustim-mung des Vaters Eigengut an Freising gegeben; nach seinem Tod vollzog Toto dessen Schenkung.9 Die Zustimmung der Nachkommen und der Verwandten wird ausdrücklich angeführt. Scrot hatte für sein Seelenheil bewirtschaftete Besitzkomplexe an der Isen, zu Tegern-bach (Gde. Rudelzhausen, LK Freising), an der Pfettrach und „ad Silua“ be-stimmt. „Ad Silua“ ist die lateinische Übersetzung für „ad Holze“, das heißt „zu Holzen“. Wichtig ist, dass unter den mit Namen genannten Colonen des Scrot jener Deotmar ist, der schon unter den Tributalen des Vaters erschien.10

Unter dem Eindruck des Todes des Scrot vermachte Wago seinen Anteil am Erbe an Freising für sein, seines Vaters und seiner Vorfahren Seelenheil.11 Wie beim Vater Toto werden Anteile an Kir-chen („tituli“) erwähnt, die aber nicht in ihrer Lage bestimmt sind. Vater und Brüder erteilten ihre Zustimmung.

Allerdings dürfte die Eintracht in der Familie nicht so groß gewesen sein, wie das die Urkunden vorgeben, sonst wäre es nicht zur Korrektur der Erbregelung gekommen, für die sogar Herzog Tassilo bemüht wurde. 777 musste Toto seinem Sohn Cundhart zu seinem bisherigen Anteil hinzu den Kolonen Hacco geben, einen der vier Kolonen, die er sich zu-rückbehalten hatte, dem Sohn Ratolt den Knecht Kepuni mit seiner Familie; dieser sollte die Hofstelle des Wolfleih in Holzen mit der gesamten Ausstattung bekommen. Wolfleih hatte ebenfalls

zu den Kolonen des Toto gehört. Das Territorium in Isen sollte weiter geteilt werden, dabei sollte die Hälfte der Domkirche Freising verbleiben, so wie sie 776 für das Seelenheil des verstorbe-nen Bruders Scrot übertragen worden war – Scrot war ein Sohn und nicht, wie Bitterauf angibt, ein Bruder des Toto. Erwähnt wird auch als weiterer Bruder jener Wago, der 776 unter dem Eindruck des Seelengottesdienstes für Scrot ebenfalls eine Schenkung für das Seelenheil vorgenommen hatte. Die vom Herzog getroffene Regelung war für die Stiefmutter Ospurga, den Vater Toto und Bischof Arbeo verbindlich.

In der Stiefmutter und ihren eigenen Kindern dürfte die Ursache des Streites zu suchen sein. Nachdem Scrot vom Vater den Kolonen Deotmar bekommen hatte, fühlten sich wohl Cundhart und Ratolt benachteiligt und bekamen dann jeweils auch eine Kolonie aus dem väterlichen Besitz. Cundhart und Ratolt stammten aus einer früheren Ehe des Vaters. Die Ansprüche der Freisinger Domkirche, an die ja der Vater den ihm verbliebenen Anteil übergeben hatte, sollten erst nach dem Tod der Söhne wirksam werden. Unter dem Besitz, den Freising beanspru-chen konnte, wird neben Gotteshäusern („tituli“) und Gutshöfen („villae“) auch ein Weinberg genannt.

Wir kommen zurück zu Toto. Wir wissen, dass er in „Holze“ den Bauern („colonus“) Wolfleih hatte, sein Sohn Scrot dort einen Kolonus Pammo. Toto hatte auch ein Territorium nördlich der Amper und an diesem Fluss einen seiner Grundherrschaft unterstehenden, also

Abb. 1: Toto vollzieht auf herzogliche Weisung eine Korrektur einer früher mit seinen Söhnen vorgenommenen Teilung von Unfreien und Land „ad Holze“ (Oberzolling) und „ad Isna“ (Isen). Auszug aus den Traditionen des Hochstifts Freising.

Page 18: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

34 35

zuerkannt wurde. Diese Tributalen, das heißt Abgabenpflichtigen dürften die Vorfahren der Barschalken gewesen sein.22 Es ist vielleicht kein Zufall, dass einer der Barschalken Deotmar heißt wie einer der Tributalen des Toto.

Die Bedeutung Zollings für den späteren Kaplan zeigt sich zuerst 804, als ein Wolfheri seinen Besitz zu Haag (Gde. Haag a. d. Amper, LK Freising, Pf. Zolling) an die der heiligen Maria und dem heiligen Petrus geweihte Kirche in Zolling übergab.23 Wago war – noch nur Kleriker – der Geistliche dieser Kirche („ad domum sanctae Marie semper vir-ginis seu etiam beati Petri apostolorum principis in loco qui dicitur Zollinga ex-cepto […] in manus Attonis episcopi seu etiam in manus Uuagoni clerici qui tunc ecclesie supradicte Zollinga praeesse videretur“). 825 gab Wolfheri, der das Erbe des Vaters Cozperht in Haag mit seinem Bruder Unarc geteilt hatte, an die Marienkirche in Zolling, die immer noch von Wago, der als Herr des Wolf-heri bezeichnet wird, betreut wurde.24 Je-ner Engilhard, im Oktober 806 Mitzeuge Wagos für die Familie des Grafen Droant in Gerlhausen, war ein Verwandter des Kaplans, lag aber mit diesem im Streit, der kurz danach, im Dezember 806, am Königshof („fiscus publicus“) (Alt-) Ötting entschieden wurde.25 Engilhard und sein Verwandter Hroccolf mussten vor den Königsboten Erzbischof Arn von Salzburg und Audulf, dem obersten Vertreter des Kaisers Karl in Bayern, ihren Vorwurf, der Kleriker Wago habe sie um Erbgut gebracht, zurücknehmen. Die Vorlage der Traditionsurkunden und

glaubwürdige Zeugen ergaben, dass der Besitz, den Wago als Benefizium von Freising hatte, Toto als seinen, seiner Frau Oaspurc und seiner Söhne Scrot und Wago Anteil rechtmäßig an Freising gegeben hatte.

Am ehesten handelte es sich bei Engilhard und Hroccolf um Söhne der Halbbrüder von Wago und Scrot. Ein Bruder des Engilhard war der Priester Ascrih, der Besitz in Holzen, wo Scrot begütert war, 818 an Freising gab.26 Mit dem Bruder hatte er schon 813 von einem jüngeren Scrot und von Chadol ein Grundstück und einen Wald im weiteren Besitzschwerpunkt der Toto-Familie „in loco Suindaha“ (Groß-, Klein- Schwindau, LK Erding) im Isen-Raum gekauft.27

Besonders wichtig ist die folgende Nennung von Holzen: 808 übergab eine Engilsuuind ihren Besitz zu „Holze“, vor allem eine Kirche mit Herrenhaus, an die Kirche von Zolling – dabei wurde die Urkunde des Wolfheri als Vorlage ver-wendet. Es heißt nämlich: „ad domum sanctae Marie semper virginis seu etiam beati Petri apostolorum principis in loco qui Zollinga excepto […] in manus Attonis episcopi seu etiam in manus Uuagoni clerici qui tunc ecclesiae sup-radictae Zollinga praeesse visum est“.28 Die Kirche von Holzen wurde also der Kirche von Zolling unterstellt. Nun weist das Amtliche Ortsverzeichnis zwar ein Holzen in der Gemeinde Zolling aus, die-se Einöde kommt aber für das „Holze“ der Toto-Familie nicht in Frage, zumal es dort niemals eine Kirche gab. Es dürf-te sich eher um eine hochmittelalterliche

war ein Vetter („fratruelis“) des Kaplans; er verkaufte ihm ein Anwesen („colonia“) an der Pfettrach, wo der Nandelsbach in die Pfettrach mündet („iuxta fluvium qui dicitur Phetarach, in loco ubi Nandolu-espach cadit in Phetarach“).17 Es han-delt sich um Pfettrach in der Gemeinde Attenkirchen (LK Freising). Dort gab es zwei angrenzende Anwesen, die schon die Vorfahren der beiden an Freising übergeben hatten. Sie bekamen für die Übergabe ihres Besitzes die drei Anwe-sen als Benefizium. Das Kaufgeschäft wurde in Zolling (Gde. Zolling, LK Frei-sing) vorgenommen. Der Familienbesitz an der Pfettrach wurde schon bei Wagos Bruder Scrot erwähnt.

Der Kaplan Wago erneuerte 825 noch einmal seine Schenkung des Besit-zes, den er von den Eltern („genitores“) bekommen hatte. Es ging ihm darum, dass sein Besitz den Benediktinermön-chen in Freising zugute kam. Der Besitz lag in den Orten Zolling, Gerlhausen (Gde. Zolling, LK Freising) und Holzen.18 Auf Zolling wird noch einzugehen sein; in Gerlhausen übergaben Drudmunt, Cundpald und der Diakon Chuanrat, Söhne des Grafen Droant, nach dem Tod des Vaters zu dessen Seelenheil in Anwesenheit der Mutter Judith19 Be-sitz.20 Kaplan Wago war Spitzenzeuge vor einem Engilhart. Wago traf 825 eine Vereinbarung mit „freien Menschen, die Barschalken heißen“ („liberi homines qui dicuntur barscalci“).21 Hier ist an die Bauern des Vaters Toto zu erinnern, die nicht einfach Bauern („coloni“) ge-nannt werden, sondern denen ein Son-derstatus als „colones atque tributales“

nicht mehr einer gemeinsamen Nutzung dienenden Wald („et supradicte amnis fluentibus silvam defensam“), er hatte also – im baierischen Sprachgebrauch – ein Holz.12

Stahleder war der Meinung, dass das „Holze“ des Toto und seiner Söhne mit der 777 genannten Kirche – aus der Ur-kunde lässt sich allerdings keine Kirche in Holzen ersehen – nicht mit dem Hol-zen des Poapo und seiner 765 schon ge-nannten Kirche und nicht mit dem Hol-zen des Tiso mit seiner 807 an Freising gegebenen Kirche identisch, sondern in Holz bei Lengdorf (LK Erding) zu suchen sei. Diese Bestimmung ist von vornher-ein ausgeschlossen, da, wie Cornelia Baumann feststellt, es sich bei diesem Holz um einen Sammelnamen handle, der erst im Lauf des 16. Jahrhunderts erscheine; bei den darin zusammen-gefassten Einöden handle es sich um Rodungen etwa des 13. Jahrhunderts.13

Die Lösung der Frage, wo das „Holze“ der Toto-Familie zu suchen ist, findet sich über den Toto-Sohn Wago, der die Würde eines „capellanus“ erreichte.14 822 erneuerte der Kaplan frühere Schen-kungen, die er, seine Eltern Toto und Oaspurc und sein Bruder Scrot an Frei-sing gemacht hatten.15 Ratolt und Cund-hart sind nicht genannt – Oaspurc war ihre Stiefmutter gewesen.16 Die Lage des Besitzes wird nicht genannt; sie war in Freising aus den Vorurkunden bekannt. Dafür sind die Namen von 35 Unfreien festgehalten. Wagos dritter Zeuge war ein Toto, der den Namen von Wagos verstorbenem Vater trug. Dieser Toto

Page 19: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

36 37

meis“), gekommen war, Besitz „ad Uuihse“ und „ad Holze“ der Domkirche in Freising.30 Bischof Arbeo nahm die Schenkung gerne an und versprach, das Gedenken an Poapo und seine Leute auf immer in seinem Gotteshaus zu bewah-ren („nostram promisit memoriam con-firmare in ipso domo dei perpetualiter“). Vereinbart wurde, dass Poapo und seine Söhne das Nutzungsrecht am tradierten Gut behalten sollten. Danach sollte der jeweilige Leiter des Domklosters („qui tunc tempore ipso monasterio sanctae Mariae ad gubernandum praeesse vide-tur“) uneingeschränkte Verfügungsge-walt darüber haben. Poapo vollzog seine Schenkung in Freising vor dem gesamten Klerus und vor Verwandten, die diese bekräftigten („coram omni clero seu parentibus meis confirmantibus“). Die Bekräftigung war eine Bestätigung, dass diese rechtswirksam vollzogen wurde, was spätere Anfechtungen ausschließen sollte. Die Bekräftigung der Verwandten in Freising legt nahe, dass diese auch zur Zeugenhilfe für Poapos Schenkung ge-beten wurde. Daher ist sorgfältig auf die Zeugenreihe zu achten. Diese nennt Bi-schof Arbeo mit seinem gesamten Klerus („cum omni familia sanctae Mariae“) – drei Diakone, an ihrer Spitze Arn, der spätere Erzbischof von Salzburg, und drei Kleriker werden mit ihrem Namen angeführt; zu ihnen kommt der Kleriker Pern, der nach Arbeos Diktat die Urkun-de schrieb – und dreizehn Laienzeugen, von denen die Grafen Selprat, Alprat und Mezzi dem Gerichtstag („placi-tum“) zuzuschreiben sind, während bei den Nennungen der folgenden Zeugen

Uualdker, Hringrim, Alphart, Egilolf, Perhtolf, Chuno, Angilperht, Pern, Arbeo und Hartrih auf mögliche Verwandt-schaft mit Poapo zu achten ist. (Abb. 2)

802 war Poapo schon verstorben, wie aus einer Urkunde vom 14. August 802 hervorgeht:31 ein Reginperht musste vor den Sendboten des Herrn Karl, des großen Kaisers („missi domni Karoli magni imperatoris“), auf seine Ansprü-che auf Besitz zu Alling (Gde. Alling, LK Fürstenfeldbruck), Schöngeising (Gde. Schöngeising, LK Fürstenfeldbruck) und Garmisch (Gde. Garmisch-Parten-kirchen, LK Garmisch-Partenkirchen) verzichten, der einem Gaio als sein An-teil gegenüber den Brüdern zugefallen war und den er dem heiligen Tertulinus und dem Kloster Schlehdorf übergeben hatte. Die Urkunde erzählt folgende Vorgeschichte: einer von drei Brüdern, dessen Name leider nicht genannt wird, starb, die zwei überlebenden, Scatto und Poapo, wollten dessen Erbe teilen („dividere debuerunt aequaliter inter se ipsam hereditatem defuncti fratris“), doch Poapo starb vor der Durchfüh-rung der Teilung, hinterließ aber seinen Anteil seinem Sohn Gaio. Scatto gab diesen Anteil aber nicht heraus, sondern überließ ihn seinem Sohn Reginperht. Das Kloster Schlehdorf konnte sich aber durchsetzen, Reginperht musste, wie schon gesagt, das Schenkungsgut abgeben.

799 hatte Gaio dem Kloster Schleh-dorf schon anderen Besitz übertra-gen, und zwar in Oberhofen und in Zirl im oberen Tiroler Inntal und in

und in der Gemeinde Zolling für das Holzen des Poapo heranzuziehen sei, wenn seine Identifizierung mit Holzen an der Attel nicht zutreffe und „Uuihse“ dann Weichs (Gde. Weichs, LK Dach-au) sei; Stahleder blieb bei diesem Hol-zen als dem „Holze“ der Poapo-Familie. Wir glauben, dass diese Einöde Holzen, für die Sebastian Hiereth zwei Anwesen in der Obmannschaft Kratzerimbach, den Unterholzner und den Oberholz-ner, nennt,29 für das „Holze“ des Poapo genauso wenig in Frage kommt wie für das „Holze“ der Toto-Familie. Denn auch bei dem „Holze“ des Poapo han-delte es sich, wie wir sehen werden, um einen gut ausgebauten Kirchort. Da also für das 765 genannte „Holze“ des Poapo / Eio drei Bestimmungen vorlie-gen – von Bitterauf auf Holzen an der Attel bezogen, von Diepolder auf Ain-hofen und von Stahleder auf die Einöde Holzen in der Gemeinde Zolling – und da die von Diepolder angekündigte ausführliche Darlegung zu diesem Hol-zen sich nicht auffinden lässt, soll zur Klärung der Frage, wo denn nun dieser Ort zu suchen sei, noch einmal auf Po-apo und den Personenkreis, in den er eingebunden war, eingegangen werden.

Der Edle Poapo – „vir nobilis“ ist ein zu dieser Zeit noch ganz außergewöhn-liches Rangprädikat in den Freisinger Traditionen – übergab am 17. Mai 765 in Freising, wo eine mit einem Landtag verbundene Synode stattfand, zu der er mit Sippengenossen und mit Männern, die ihm durch einen Treueid verpflichtet waren („cum parentibus et fidelibus

Gründung handeln; auf jeden Fall lassen sich dort die vielen Grundherren des früh-mittelalterlichen „Holze“ nicht unter- bringen.

Wir werfen noch einmal einen Blick auf den Besitz der Toto-Familie. Toto hatte ein Territorium nördlich der Am-per, einer seiner Tributalen, nämlich Wolfleich, hatte ein Anwesen, von dem erst bei Scrot gesagt wird, dass es in „Holze“ lag. Beim Territorium des Toto an der Amper wird gesagt, dass sich sein privater Wald anschloss. Die Kirche in „Holze“ wurde dem Toto-Sohn Wago unterstellt. Als Kirchort in der Nähe von Zolling, der unmittelbar nördlich der Amper liegt, kommt nur Oberzolling in Frage. Ohne Zweifel entstand auf dem Territorium des Toto in der Großge-markung eine Siedlung, die zunächst keinen eigenen Namen hatte, dann aber nach dem ausdrücklich bezeugten Wald „Holze“ genannt wurde. Die Un-terstellung der Kirche in „Holze“ unter die Kirche von Zolling bewirkte, dass die Siedlung den in der Toto-Familie gebräuchlichen Namen Holzen verlor und wieder als Teil Zollings betrachtet wurde. Oberzolling nördlich der Amper mit seiner Kirche war also das Holzen der Toto-Familie.

Ainhofen (Gde. Markt Indersdorf, LK Dachau) – das Holzen des Poapo / Eio

Bitterauf hatte in seinem Kopfregest angegeben, dass die eben erwähnte Ein-öde Holzen in der Pfarrei Wolfersdorf

Page 20: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

38 39

Langenpettenbach (Gde. Markt Inders-dorf, LK Dachau).32 Die Lage der bei-den Tiroler Orte wird mit „im Gau, der Poapintal heißt“ („in pago qui cog-nominatur Poapintal“) bestimmt, die von Langenpettenbach mit „außerhalb des Gebirges“ („foras montes“). Gaios Schenkung im „Poapintal“ bedeutete für Schlehdorf einen großen Besitz-ausbau, denn dort hatte es schon bei seiner anfänglichen Gründung in der großen Gemarkung Scharnitz Besitz er-halten, und zwar in den Orten Polling, Flauerling und Imst.33 In der Scharnitzer Gründungsurkunde ist aber noch nicht vom Gau „Poapintal“ die Rede, er heißt „Gau der Inntalbewohner“ („Uallenen-sium ex pago“). Die Benennung nach Poapo erst nach der Gründung von Scharnitz 763 lässt auf einen Mann schließen, der zu dieser Zeit eine aus-gesprochene Machtstellung innehatte. Dass gerade Gaio, der Sohn des Poapo, die Benennung „Poapintal“ verwendet, zeigt, dass dieser Poapo im Bruder des Scatto zu sehen ist. Ohne Zweifel war dieser bedeutende Mann jener Poapo, dem Bischof Arbeo das außer-gewöhnliche Rangprädikat „vir nobilis“ zuerkannte. „Außerhalb des Gebirges“ bekam Scharnitz auch bei seiner Grün-dung Besitz, darunter vom Mitgründer Otilo. Dass dieser Besitz in Langen-pettenbach hatte, sagt die Scharnitzer Gründungsurkunde nicht. Wir erfahren es aus Gaios Schenkung von 799, in der es heißt, dass ihm Bischof Atto als Leiter des Klosters Scharnitz das Land-stück verliehen habe, das es dort von Otilo erhalten habe.34

Der Besitz der Poapo-Familie in Lan-genpettenbach veranlasst uns, unsere Aufmerksamkeit kurz diesem Ort zuzu-wenden. 772 übergab die gottgeweihte („ancilla dei“) Alpun (Albunia) Erbbe-sitz in Langenpettenbach, darunter die dortige Michaelskirche, mit der Zustim-mung ihres Sohnes Karolus, der auch Spitzenzeuge war, und seiner Brüder für ihr und ihrer Eltern Erchanfrid und Deotrata Seelenheil an Freising.35 Der fünfte Zeuge Popo könnte mit Poapo identisch sein. Bischof Arbeo überließ, bewegt durch Güte und die Bande der Verwandtschaft („pietate atque parentelle nexibus motus“), das Schen-kungsgut dem Karolus zur Nutzung. 804 schenkte Graf Reginhart für sein eigenes Seelenheil und das des Vaters Erchan-frid und des Bruders Liutfrid Besitz zu Langenpettenbach und zu Glonn (Gde. Markt Indersdorf, LK Dachau).36 Der Graf war also ein Bruder der Alpun und einer Schwester Epa, die von ihm einen Bauernhof bekam – von einer Schwester ist auch in Alpuns Schenkung die Rede, allerdings wird hier der Name nicht genannt.

Eine weitere wichtige Nennung des Poapo findet sich im Jahr 814: der Pries-ter Eio erneuerte die Schenkung seines Vaters Poapo „ad Holze“, das Bitterauf wieder mit Holzen an der Attel bestimm-te.37 Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: in Eios Erneuerung wird eine Kirche mit einem Herrenhaus über-geben, die bei Poapos Schenkung noch nicht vorkommt. Poapos Schenkungs-gut ist einfach nur sein „Erbgut“ („here-ditas“); genauere Angaben werden nicht

Abb. 2: Der Edle Poapo übergibt am 17. Mai 765 Besitz „ad Uuihse“ (Weichs) und „ad Holze“ (Ainhofen) der Domkirche in Freising. Auszug aus den Traditionen des Hochstifts Freising.

Page 21: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

40 41

anerkannt wurden. Bei Egilolf ließ schon die Nennung in der Zeugenreihe des Poapo in „Holze“ unmittelbar nach dem Poapo-Sohn Alphart Verwandtschaft annehmen, bei Cunzo ist der Sohn eines Helmperht zu erwähnen, der zur Besitz-ausstattung einer Peterskirche in einem nach dem Fluss „Würm“ benannten Ort beitrug; diese Kirche hatten ein Wald-ker und sein Sohn, der Priester Kerolt, erbaut und von Bischof Joseph weihen lassen.42 Waldker war 765 der Spitzen-zeuge Poapos gewesen, ein Helmperht begegnet im Huosistreit um die Kirche von „Auuigozeshusir“. 784 schenkte ein Helmker seinen Besitz zu Singenbach, Ried, Walkertshofen (Gde. Erdweg, LK Dachau) und Pleitmannswang (Gde. Türkenfeld, LK Fürstenfeldbruck) an die von ihm erbaute Peterskirche bei Singenbach.43 Der Ortsname Walkerts-hofen (= „Uualdkereshoua“) geht auf einen Waldker zurück, anscheinend auf jenen Waldker, der an der Spitze der zur Zeugenhilfe geladenen Laien steht. Ihn können wir mit Poapos Spitzenzeugen gleichsetzen, denn in dem genannten Ried finden wir 814 auch einen Kerhoh, der zudem in Langenpettenbach begü-tert war;44 dieser Kerhoh war wenige Wochen vorher Zeuge gewesen, als ein Coteperht und sein Sohn Oadalker ein Lehen von Bischof Hitto in Ottmarshart (Gde. Markt Indersdorf, LK Dachau) – bei Ried – erhielten. Als Begründung für Hittos Benefizium wird angegeben, dass der Bischof Coteperhts Sohn aus der Taufe gehoben hatte („eo quod domnus Hitto episcopus filium Coteberti de fon-te baptismatis elevavit“).45 Vor Kerhoh

erscheinen in der Zeugenreihe zwei Männer mit dem Namen Poapo. Auf Verwandtschaft des Helmker und des Waldker mit der Poapo-Familie deutet auch der Besitz zu Singenbach, wo jener Priester Erchanfrid begütert war, der seine Schenkung im Holzen des Pries-ters Eio vornahm; wie Helmker hatte er auch in Ried Besitz.46 Als Erchanfrid mit Bischof Erchanbert wegen Singenbach und Ried in Streit geriet, wurde dieser 849 auf einem Gerichtstag in Tandern beigelegt, zu dem sehr viele Huosi und andere sehr viele edle Männer zusam-mengekommen waren („ubi plurimi de Hosis vel alii quam plurimi viri nobiles insimul convenerunt“ – bezeichnender-weise hieß der Vogt des Priesters Echan-frid Waldker, also so wie 765 Poapos Spitzenzeuge in „Holze“. Auch der in Langenpettenbach und Glonn begüter-te Erchanfrid aus der Zeit des Poapo wurde bereits erwähnt.47

Insgesamt zeigt die Untersuchung des Personenkreises, in dem Poapo begegnet, einen sehr starken Bezug in den Huosi-Raum um Langenpettenbach und damit um Ainhofen, das Diepol-der für identisch mit dem Holzen des Priesters Eio und damit mit dem Holzen seines Vaters Poapo hält, woraus sich auch die Bestimmung des „Uuihse“ mit Weichs ergibt.

Allerdings gibt es auch Gegenargu-mente. Durch den Streit des Reginperht mit Gaio erfahren wir, dass Poapo einen Bruder Scatto hatte. Puchner schreibt zum Namen des Weilers Schattenhofen

„Hofen des Eio“), zu dem neben Bischof Erchanbert vier Grafen, an deren Spitze Liutpald stand, einem Königsboten mit Namen Anternar und dem bischöf-lichen Vogt Oadalrih 66 mit Namen genannte Zeugen und darüber hinaus andere ohne Zahl („alii sine numero“) erschienen waren.40 Der Ort musste über die entsprechenden Einrichtungen verfügen, um mitten im Winter eine so große Menschenmenge aufnehmen zu können. Das Holzen des Priesters Eio hatte im Vorjahr bewiesen, dass dort eine große Versammlung untergebracht werden konnte. Der Freisinger Schreiber Cozroh, der schon die Erchanfrid- Urkunde von 836 geschrieben hatte, hielt 837 fest, dass Isanhart und Ellan-hart, zwei Männer aus dem Stifterkreis um das Kloster Scharnitz-Schlehdorf, auf dem Gerichtstag Besitz an das Tertu linuskloster zurückgeben mussten.

Nun soll auf eine weitere Nennung des Priesters Eio eingegangen werden: unter Mitgliedern der Genealogie der Huosi kam es zu einem Streit um die Mar-tinskirche in einem „Auuigozeshusir“, das Bitterauf wahrscheinlich zu Recht mit Haushausen bestimmt hat.41 Ein Hiltiport und ein Egilolf bestritten das Miteigentumsrecht des Priesters Eio und seiner Brüder Isangrim und Erchanperht an dieser Kirche. Weil weder eine Ver-sammlung der Huosi noch Bischof Atto den Streit beilegen konnten, schickte der Bischof im September 791 die drei Brüder und einen weiteren Miterben Cunzo mit seinen Söhnen zu den Kö-nigsboten im Heerlager bei Lorch an der Enns, von denen ihre Ansprüche

gemacht. Dass eine zum Schenkungsgut gehörende Kirche nicht erwähnt wird, wäre außergewöhnlich. Allerdings heißt es vom Priester Eio ausdrücklich, dass die Erneuerung der Schenkung seines Vaters Poapo eine Kirche, ein Herren-haus und den dazu gehörenden Besitz umfasste. Hier ist daran zu erinnern, dass Poapo 765 mit Bischof Arbeo ver-einbarte, dass er und seine Söhne das Schenkungsgut weiter nutzen könnten. Es wäre durchaus möglich, dass die Kirche nach 765 für den Priester Eio erbaut und von diesem betreut wurde. Auch Eios Bruder Alphart war an der Erneuerung der Poapo-Schenkung be-teiligt. Alphart war schon 765 Zeuge für seinen Vater gewesen. Entscheidend aber war Eio; dies zeigt sich 836, als eine Versammlung in Holzen abgehalten wurde, das bestimmt wird als das Hol-zen, das dem Priester Eio gehörte („ad Holze quod fuit Eioni presbiteri“).38 In dieser Versammlung, in der ein Priester Erchanfrid – er trug den gleichen Namen wie der erwähnte Langenpettenbacher Grundherr – Lehen und Besitz zu Sin-genbach (Gde. Gerolsbach, LK Pfaffen-hofen a. d. Ilm) und Ried (Gde. Markt Indersdorf, LK Dachau) übergab,39 ging es also auch um Orte im Umkreis von Langenpettenbach; die Versammlung fand am 25. Januar statt, also mitten im Winter. Es erscheint wenig wahrschein-lich, dass die 38 genannten Zeugen zu ihrer Zeugenhilfe in das weit entfernte Holzen an der Attel reisten.

Genau ein Jahr später, am 25. Januar 837, fand wieder ein großer Gerichtstag statt und zwar in Ainhofen („Eiinhofa“ =

Page 22: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

42 43

der Erneuerung Bischof Hitto, ihnen Boten mitzugeben, die das Schenkungs-gut in Augenschein nehmen sollten. Der Bischof schickte einige Leute, an ihrer Spitze den Grafen Liutpald. Graf Liut-pald gehört zu den seltenen Ausnahmen, bei denen die Grafschaft in den Quellen geographisch bestimmt ist. Bei der Er-neuerung einer Schenkung an die Kirche von Vierkirchen (Gde. Vierkirchen, LK Dachau) 823 heißt es: „in hac provincia in qua constructa est Feohtkiricha in ministerio Liutpaldi comitis“ – „in dieser Provinz, in der Vierkirchen errichtet ist, im Amtsbereich des Grafen Liutpald“.54 Vierkirchen liegt ungefähr vier Kilometer südöstlich von Weichs, dessen Identi-tät mit dem „Uuihse“ des Poapo wir mit Diepolder annehmen. Insgesamt zeigt sich, dass die Nennungen dieses Grafen in den Freisinger Traditionen im Umkreis des heutigen Marktes In-dersdorf zu finden sind. Hier können nur einige Beispiele angeführt werden. Graf Liutpald war Spitzenzeuge, als ein Reginuuart 822 Besitz zu „Pohscorro“ als Benefizium erhielt.55 Bitterauf be-stimmte „Pohscorro“ mit Bockhorn im Landkreis Erding, aber Wallner konnte zeigen, dass es sich um einen bei Sulz-rain in der Gemeinde Hebertshausen im Landkreis Dachau abgegangenen Hof am Pasenbach handelte.56 Liutpald war auch erster Zeuge, als dieser Regin-uuart 823 für das genannte Benefizium Besitz zwischen Amper und Pasenbach („inter Ampre et Pasenpah“) gab.57 Der Ort, in dem der Name des Pasenbachs weiterlebt, liegt etwa vier Kilometer südlich von Weichs. Um das eben

genannte Sulzrain ging es 829 in einem Gerichtstag, den Graf Liutpald leitete.58 828 war Graf Liutpald Spitzenzeuge, als ein Priester Ekkihart Besitz in Ried (Gde. Markt Indersdorf) an die Salvatorkirche zu Vierkirchen gab.59 Als es 818 um ein Benefizium in Ottmarshart, dem west-lichen Nachbarort von Ried, ging, war Graf Liutpald Spitzenzeuge.60 Zu erinnern ist hier an jenen Kerhoh, den wir in Ried und in dem für unsere Überlegungen wichtigen Langenpettenbach fanden,61 und an jenen Priester Erchanfrid, der in Ried und in Singenbach begütert war.62 Als Erchanfrid 836 Besitz und Benefi-zium an Bischof Erchanbert gab, und zwar „in Holzen, das dem Priester Eio gehörte“, war bezeichnenderweise Graf Liutpald Spitzenzeuge. Insgesamt zeigt dieser Graf, dass das Holzen des Poapo auf keinen Fall im Ebersberger Raum zu suchen ist.

Da, wie schon angeführt, die Einöde Holzen in der Gemeinde Zolling als früh-mittelalterlicher Kirchort ebenso wenig in Frage kommt wie die niemals mit einer Kirche erscheinende Einöde Holzen in der Gemeinde Nandlstadt und es heute daneben keinen Ort Holzen gibt, der in der Grafschaft des Grafen Liutpald gesucht werden könnte, bleibt nur die Annahme, dass das „Holze“ der Poapo-Familie ebenso seinen Namen geändert hat wie das „Holze“ der Toto-Familie.

Diepolder hat sicher Recht mit der Annahme, dass das Holzen des Priesters Eio in Ainhofen zu suchen ist, zumal auch dort Graf Liutpald 837 die große Versammlung leitete.63 Ebenso

des Poapo zu „Uuihse“ und damit auf seine Identifizierung mit Sonnenwiechs und Noderwiechs bei Großhöhenrain. Der Hinweis auf Poapo lag nahe, denn aus der Erneuerung seiner Schenkung zu Holzen durch Eio wissen wir, dass Poapo auch einen Sohn Alphart hatte. Dieser Alphart war 765 unter den Zeugen – und damit ein rechtsfähiger Mann –, als Poapo in Freising seine Schenkung vornahm. Die Forschung nahm bisher an, dass es sich beim Tradenten Alphart von 828 um den Zeugen von 765 hand-le, was aber aus zeitlichen Erwägungen – es liegen immerhin zwei Generationen zwischen den beiden Nennungen – ganz unwahrscheinlich ist. Da es sich beim „Hohinreini“ des Alphart um die Großgemarkung handeln dürfte, die heute in Groß- und Klein- Höhenrain aufgespalten ist – in der Umgebung des Pfarrdorfes Höhenrain in der Gemeinde Berg im Landkreis Starnberg findet sich kein Ort, in dem man das „Hohinreini“ mitgenannte „Uuihse“ sehen könnte –, und Sonnen- und Noderwiechs, die ur-sprüngliche Großgemarkung „Uuihse“, Nachbarorte von Groß- und Kleinhöhen-rain sind, ist daraus die Folgerung zu ziehen, dass das „Uuihse“ des Poapo – Weichs – nicht mit dem „Uuihse“ des Alphart – (Sonnen-, Noder-) Wiechs - identisch ist.

Für die Annahme, dass das Holzen, in dem Poapo schenkte und sein Sohn Eio die Schenkung erneuerte, nicht in Holzen an der Attel zu suchen ist, gibt es ein Argument, dem man Beweis-charakter zusprechen kann. Der Priester Eio und sein Bruder Alphart baten vor

in der Gemeinde Moosach: „Zu den Hö-fen des Scatto. Ein Scatto, der einzige dieses Namens in den Freisinger Tradi-tionen, mit seinem Bruder Poapo 802 erwähnt (Tr Frei 186. 187). Auf Poapo geht wohl Pullenhofen, auf Scatto das diesem benachbarte Schattenhofen zu-rück. Wir haben hier also den seltenen Fall, daß einem Brüderpaar auch ein Ortsnamenpaar entspricht.“48 Pullen-hofen erscheint in der Erstnennung als „Puopinhova“. Dazu schreibt Puchner: „Der sehr seltene PN Poapo begegnet außerdem noch in den ON Biebing und in Zell, 815 Poapincella sowie in dem Namen Poapintal für das Oberinntal“.49 Wenn es sich auch bei der Einöde Biebing, die 1092/1113 als „Buobingin“ erstmals erwähnt ist, eher um einen -ing-Ort der jüngeren Stufe und damit kaum eine frühmittelalterliche Gründung han-delt – zumal der Personenname Pubo in der Herrenschicht des Ebersberger Raumes noch im 11. Jahrhundert vor-kommt –50 und der Bezug eines 815 mit einer Kirche genannten Poapincella51 auf die Einöde Zell bei Frauenneuharting, wo sich niemals eine Kirche nachweisen lässt, schon im Historischen Atlas für Ebersberg widerlegt wurde52 – es handelt sich um Preinerszell (Gde. Schweiten-kirchen, LK Pfaffenhofen a. d. Ilm) –, zeigt doch Pullenhofen, dass Poapo im Ebersberger Raum begütert war.

828 übergab ein Alphart mit Zustim-mung seiner Söhne und Verwandten Besitz in „Hohinreini“ und „Uuihse“.53 Bitterauf bestimmte „Hohinreini“ mit Großhöhenrain im LK Rosenheim, zu „Uuihse“ verwies er auf die Schenkung

Page 23: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

44 45

Nachbarort Litzldorf.70 Außerdem kann man bei Kienberg, Dörnbach und He-bertshausen nicht von Nachbarschaft sprechen. Beim fraglichen Ort, der im Frühmittelalter dreimal „Dornakindorf / Dornegindorf“ heißt und nur einmal „Dornaginpah“,71 wobei wohl eine Ver-wechslung des Schreibers mit dem ihm bekannten späteren Dörnbach vorliegt, handelt es sich eindeutig um Derndorf, wie aus späteren Nennungen ersichtlich ist. In den Traditionen des Klosters Tegernsee kommt Derndorf erstmals um 1115 mit einem Altman „de Dorn-gindorf“ vor; um 1150 heißt der Ort in einem Verzeichnis von Abgaben von Leinenpfennigen „Dornagedorf“.72 Dern-dorf geht auf „Dornegindorf“ zurück, Dörnbach auf „Dornigipah“, wie der Ort in der Tegernseer Verlustliste aus der Zeit um 910 heißt.73 Um 1150 er-scheint er als „Dornenbach“ und um 1195 als „Dornbach“ in den Freisinger Traditionen.74

Allerdings besteht das Problem, dass für Derndorf niemals eine Kirche nachzuweisen ist – allerdings auch für Dörnbach nicht. Dabei handelte es sich bei der Kirche des Mekilo um eine von Bischof Arbeo geweihte Kirche, also um eine heilige Stätte, nicht um einen privaten Andachtsraum, bei dem man eher annehmen könnte, dass er wieder aufgegeben wurde. Wie soll die Kirche in einem Ort verschwinden, der selber nicht verschwindet? Außerdem gibt es nach Westen erst in Au, also in über sechs Kilometer Entfernung, wieder eine alte Kirche, so dass eine Kirche im Raum Derndorf seelsorgerlich unbedingt not-

wendig war. Nach Norden aber liegt in einer Entfernung von circa eineinhalb Kilometern die Kirche von Wiechs. Wäh-rend das Hochstift Freising in Derndorf überhaupt keinen Grundbesitz hatte, war es in Wiechs mit drei ganzen und drei halben Höfen der mit Abstand wichtigste Grundherr.75 Ohne Zweifel ist die 777 in der Großgemarkung Derndorf genannte Kirche in Wiechs zu suchen. Diese Feststellung ändert nichts daran, dass die in den Freisinger Traditionen genannten Grundherren von „Dornekindorf / Dornaginpah“ keinerlei Bezug zu Poapo aufweisen und damit kein Argument dafür sind, dessen „Uuihse“ auf Wiechs bei Bad Feilnbach zu beziehen und nicht auf Weichs in einer Umgebung, die ganz stark von Poapos Verwandtschaft geprägt war.

Im Lexikon bayerischer Ortsnamen findet sich ein Artikel „Weichs Pfarr-dorf, Landkreis Dachau, Oberbayern“.76 Darin ist als Erstnennung eine Freisinger Urkunde von 807 angegeben. Damals schenkte eine Deotpurc mit Zustim-mung ihres Mannes Anno Besitz „ad Uuihse“;77 Anno übergab 804 einen Wald „ad Cella“,78 wobei es sich nicht um Bayerischzell – so von Bitterauf bestimmt – handelt, sondern um Prei-nerszell, das, wie schon erwähnt, auch als „Poapincella“ erscheint. 807 ist Anno Zeuge in „Cella“.79 Ohne Zweifel handelt es sich bei dem „Uuihse“ der Deotpurc und des Anno um Weichs, damit aber um das „Uuihse“ des Poapo. Die Erstnennung ist deshalb mit 765 anzusetzen, nicht mit 807.

olim“) vollzogenen Schenkung.66 Dieses „schon längst“ ist relativ zu verstehen: Denchilos Schenkung war im Jahr 827.67 Bitteraufs Hinweis auf diese Nr. 545 ließ Andrelang unbeachtet, wohl deswegen, weil hier Denchilos Besitzort als „Dorna-ginpah“ erscheint. Denchilo agierte 829 als Zeuge, als der Edle Herimot und sein Sohn Diakon Batucho, der Neffe eines Priesters Eto, Besitz in „Dornekindorf“ übergaben.68

Eduard Wallner lehnte in dem schon 1950 erschienenen und leicht zugänglichen, oben zitierten Aufsatz, mit dem sich Andrelang offensichtlich nicht auseinandersetzte, den Bezug der angeführten Nennungen auf Derndorf ab und entschied sich für Dörnbach (Gde. Hohenkammer, LK Freising). Da-für würde die geringe Entfernung vom Bistumssitz, der Nachweis freisingischen Besitzes in Dörnbach und vor allem die Freisinger Traditionsurkunde Nr. 565 sprechen: „Bischof Hitto hat sich seiner Gewohnheit gemäß auf seinen Som-mersitz in der Erchinger Heide begeben und lässt sich hier am gleichen Tage, 26. Juni 828, Besitz aus 3 verschiedenen Orten der Nachbarschaft übertragen, aus Kienberg an der Glonnmündung in die Amper (Nr. 564), in Dörnbach (Nr. 565) und in Hebertshausen (Nr. 566), ebenfalls unweit der Amper. Die 3 Orte liegen in einer Geraden, deren Mitte unser Dörnbach einnimmt.“69 Allerdings ist Wallners Argumentation keineswegs zwingend: die geringe Entfernung von Freising spielt bei der Bestimmung von Schenkungsorten keine Rolle, im-merhin erhielt Freising 849 Besitz im

überzeugend ist es, wenn Diepolder das „Uuihse“ des Poapo mit Weichs, das nur wenige Kilometer östlich von Ainhofen liegt, bestimmt.

1967 hatte Franz Andrelang vor-geschlagen, das „Uuihse“ des Poapo auf Wiechs, Gemeinde Bad Feilnbach, Landkreis Rosenheim, zu beziehen: „Ge-gen die Angabe Bitteraufs, der Uuihse mit Noder-(Sonnen)wiechs gleichsetzt, neige ich zu dieser Lokalisierung Wiechs bei Feilnbach, da der bekannte Tra-dent Poapo eng mit dem Derndorfer Schenker und den dort angeführten Zeugen verwandt ist. Ferner häuft sich um Wiechs in späteren Jahrhunderten Freisinger Besitz, dessen Herkunft m. E. in den Schenkungen des 8. Jahrhunderts zu sehen ist“.64

Für eine Verwandtschaft des Poapo mit dem Grundherrn von Derndorf, unter dem Andrelang einen Mekilo ver-steht, der 777 eine Kirche zu „Dornakin-dorf“ an Bischof Arbeo, der diese Kirche weihte, übergab,65 gibt es aber keinerlei Hinweis. Dies gilt auch für Mekilos Zeu-gen – nach Bischof Arbeo Dauid, Heri-pald, Alpuni, Otperht, Otperht, Alholf, Hacuno, Herolf, Heripald, Uuolfpero, Hrodunc, Otker, Asprant, Podolunc –, bei denen sich keine Verbindung zu Po-apo erkennen lässt, wie denn auch An-drelang kein Argument für eine solche Verbindung beibringt. Andrelang nennt auch die Freisinger Tradition Nr. 565, in der aber nicht Mekilo, sondern 828 ein Denchilo in „Dornakindorf“ erscheint, und zwar nicht als Tradent, sondern als Erneuerer einer „schon längst“ („iam

Page 24: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

46 47

Karl und Karlmann leistete. Tassilo dürf-te den „pagus Vallenensium“ als Bene-ficium erhalten haben. Aber nur nach wenigen Jahren verweigerte Tassilo dem König die Heerfolge gegen Aquitanien. Er erschien im Mai 763 zwar noch am Sammelort Nevers, zog aber mit der Begründung, er sei krank, wieder heim, was von fränkischer Seite als „harisliz“ angesehen wurde und noch im Prozess gegen Tassilo 788 als todeswürdiges Verbrechen herangezogen wurde. Heit-meier macht darauf aufmerksam, dass das Kloster Scharnitz unmittelbar nach Tassilos Rückkehr aus Nevers gegründet wurde:

„Das zeitliche Zusammentreffen legt nahe, daß die Klostergründung bereits bespro-chen war, für den Fall von Tassilos Zerwürfnis mit Pippin. Wenn Tassilo das Inntal tat-sächlich als beneficium erhalten hatte, dann drohte nach diesem Treuebruch die Gefahr des Entzugs und damit der Verlust über die Verfügung der Paßstraßen, insbesondere des Brennerpasses. Die sogenannte Scharnitzer Gründersippe, die zum großen reichsweit versippten Familienverband der Huosi gehör-te und die in der Nachfolge des fränkischen Amtsträgers aus dem frühen 7. Jahrhundert im Inntal über großen Besitz und zentrale Straßenpositionen verfügte, gleichzeitig aber im bayerischen Voralpenland reich begütert war, musste fürchten, in diesen Prozeß mit hineingezogen zu werden, zumal sie offenbar nicht nur auf der Seite des Herzogs stand, son-dern auch zur agilolfingischen Verwandtschaft gehörte. Die Klostergründung scheint aus dieser Perspektive in erster Linie der Sicherung von Besitz und Herrschaftsrechten im Inntal

und an den nach Norden führenden Straßen gedient zu haben. Die Lage in Mittenwald beherrschte den Zugang zur Leutasch wie zum Seefelder Sattel, und jeder, der von Norden kam, ob über Garmisch oder vom Kochelsee, musste das Kloster passieren.“83

Ohne Zweifel ging es bei den Be-denken der Söhne des Poapo um den Konflikt zwischen Pippin und Tassilo, der im Mai 763 zum Ausbruch kam. Die Klostergründung war natürlich schon lange vor der definitiven Übergabe der Besitzausstattung am Tag des heiligen Petrus 763 abgesprochen, und zwar zwi-schen Bischof Joseph, seinem Erzpriester („archipresbiter“) Arbeo, Herzog Tassilo und der Gründersippe. Die Petruskirche, die zur Klosterkirche bestimmt war, war schon fertig gestellt und schon geweiht, denn die ganze lange Urkunde spricht nicht von einer Weihe. Viermal wird Tassilos Konsens erwähnt; also gingen hier die entsprechenden Verhandlungen voraus, was ebenfalls einen längeren Zeitraum voraussetzt. Tassilo wird in aller Hochachtung als „erlauchtester Herzog“ / „inlustrissimus dux“ ange-führt. Bischof Joseph ging es darum, die Scharnitz-Einöde, die offensichtlich bistumsmäßig noch nicht dauerhaft organisiert war, für sein Bistum Frei-sing zu behaupten („ut ex eodem loco inconiacentis diocesis, id est Frigisinga ad sanctam Mariam ad episcopum qui illuc esse videretur censum exire videre-tur“), und um das Recht des Freisinger Bischofs, den dortigen Abt zu ordinieren („ut dicio episcopalis non deesset ad ordinandum abbatem cum consensu

beriet sich mit ihnen. Diese gaben ihm „auf Ehre und Gewissen“ („per fidem“) den Rat, sein Erbgut dem Haus der hei-ligen Maria in Freising, also der dortigen Domkirche, zu übertragen. Dies bedeu-tet, dass Poapo zunächst die Absicht hatte, die Schenkung für sein Seelenheil einer anderen Kirche zuzuwenden. Die oben aufgezeigten Zusammenhänge zeigen, dass es sich um das Kloster Scharnitz handelte. Warum aber hatten Poapos Söhne Bedenken? Um diese zu verstehen, ist ein Blick auf die Politik jener Zeit notwendig.

Als es unter Herzog Theodo um 715 zur Errichtung von Bistümern in Bayern kam, deren Sprengel sich an die Unter-herzogtümer anlehnten, in die Theodo seinen Dukat geteilt hatte, gehörte das Gebiet des späteren „Poapintales“ nicht zu einem der vier bayerischen Bistümer Regensburg, Salzburg, Freising und Passau, sondern zum Bistum Chur. Daran änderte auch die Neubesetzung der bayerischen Bischofsstühle durch Bonifatius und Odilo nichts. Nach Irm-traut Heitmeier war Herzog Tassilo III. offensichtlich der erste Bayernherzog, der Zugriff auf das Inntal westlich des Ziller, den „pagus Vallenensium“ hatte. Dies zeige vor allem sein ausdrücklicher Konsens bei der Gründung des Klosters in der Scharnitz.82 Als Tassilo 757 voll-jährig wurde, wurde die Vormundschaft seines karolingischen Onkels Pippin, der 751 zum König erhoben worden war, durch einen Treueid ersetzt, den der jun-ge Herzog auf einer Reichsversammlung in Compiègne Pippin und seinen Söhnen

Wie sich beim Priester Eio zeigte, gehörte die Poapo-Familie zu den Huosi, einer der fünf in der Lex Baiuvariorum genannten Genealogien. 763 errichte-ten die Huosi Reginperht, sein Bruder Irminfrid, ihre Mutter Ackilind und ihre Verwandten Otilo und Cros in der Scharnitz-Einöde eine Kirche in der Absicht, dabei ein Kloster zu errichten.80 Wie schon erwähnt, wurde zu dieser Klostergründung auch Besitz im oberen Inntal im heutigen Tirol übergeben. Die Urkunde spricht von „Uallenensium ex pago“. Ebenfalls wurde schon erwähnt, dass 799 ein Gaio wiederum Besitz im oberen Inntal tradierte, jetzt an das von Scharnitz nach Schlehdorf verlegte Klos-ter.81 Das Tal heißt jetzt „Poapintal“, ist also nach Poapo benannt, der dort eine entscheidende Rolle spielte. Gaio, ein Sohn Poapos, ließ sich vom Kloster Schlehdorf Besitz in Langenpettenbach geben, einem Nachbarort von Ainhofen.

Wir kommen jetzt zur Schenkungs-urkunde des Poapo vom 17. Mai 765 zurück. Sie gehört zu den bemerkens-wertesten frühen Freisinger Traditions-urkunden, weil sie nicht nur die bloße Tatsache einer Besitzübereignung fest-hält, sondern auch auf die Vorgeschich-te eingeht. Poapo wollte eine Stiftung für sein Seelenheil machen; da aber sei-ne Söhne Bedenken vorbrachten, rief er eine große Zahl seiner Sippengenossen zusammen – auch sie werden als Edle bezeichnet („multitudinem parentum meorum nobilium virorum“), was den außergewöhnlichen gesellschaftlichen Rang von Poapos Sippe aufzeigt – und

Page 25: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

48 49

unter Bischof Hitto gefälschte Urkunde enthält die durchaus glaubwürdige Nachricht, dass Tassilo und seine Frau Liutpirc ein sehr schlechtes Verhältnis zu Arbeo hatten.89 Der Bischof, der natürlich über die Uneinigkeit in der Poapo-Familie informiert war, begrüßte den Rat der Leute des Poapo, seine Schenkung besser an die Domkirche zu Freising zu machen („hoc consilium gra-tanter accepit“). Eine solche Tradition war politisch völlig unbedenklich.

Arbeo baute für den Fall, dass Poapo in seiner exponierten Position im oberen Inntal im Fall einer Strafaktion Pippins gegen Tassilo davon auch betroffen ge-wesen wäre, zwei Sicherungen in Poapos Schenkungsurkunde ein. Poapo hätte auf diese Urkunde verweisen können und die Geistlichen, die sie für Pippin gelesen hätten, hätten festgestellt, dass es sich um eine „sehr fränkische“ Urkunde handelte.90 Vor allem aber datierte Arbeo die Urkunde nur nach Pippins Regierungsjahren, sicher nicht eigenmächtig, sondern in Absprache mit dem Tradenten. Diese Datierung drückt die Auffassung aus, dass König Pippin und nicht der abtrünnige Herzog Tassilo der rechtmäßige Herr in Bayern sei. Arbeo hatte zwar mehrfach nach Pippin und Tassilo datiert,91 niemals sonst jedoch allein nach Pippin. Seine ablehnende Haltung gegenüber der Politik Tassilos, sich möglichst aus der fränkischen Oberhoheit zu lösen, zeigt sich darin, dass er auch nach dem Ende der Vormundschaft 757 ausdrücklich von der Herrschaft Pippins spricht: „reg-nante Pippino rege et Tassiloni duce“;

„regnante inlustrissimo rege Pippino et venerabile duce Tassilone“.92 Das For-mular der Poapo-Urkunde zog Arbeo nur noch einmal heran bei der Schen-kung eines Sigifrid und seines Sohnes Er-chanfrid93 – dies wohl nur aus Bequem-lichkeit, weil für die beiden Tradenten keinerlei fränkische Verbindungen zu sehen sind. Im Übrigen datierte Arbeo für die beiden allein nach Tassilo.

Deutlich ist Poapos Bestreben zu sehen, sich die Gunst Pippins nicht zu verscherzen, während die Söhne wohl eher auf Tassilos Seite standen.

Wohl nicht lange nach Poapos Schenkung hätte sich das Problem, ob er sich an der Ausstattung des Sippen-klosters Scharnitz beteiligen sollte, von selbst gelöst. Bischof Arbeo verlegte es nach Schlehdorf, das zur Gründungs-ausstattung gehört hatte.94 Damit war das Kloster aus dem Bereich heraus-genommen, dem bei einer Strafaktion Pippins die Konfiszierung drohte. Aller-dings verlor das Kloster mit der Verle-gung seine verkehrspolitische und damit strategische Schlüsselposition für den Zugang zum Inntal. Das Bistum Freising konnte zwar einen kleinen Raum um Schlehdorf für sich sichern, dazu einen Streifen im Gebirge bis an den Voralpen-rand mit dem Mittelpunkt in Garmisch, konnte aber das Bistum Augsburg nicht aus seiner beherrschenden Position westlich der Isar verdrängen und musste akzeptieren, dass Schlehdorf in der Kon-trolle eines wichtigen Übergangs in das Inntal hinter den Klöstern Benediktbeu-ern und Kochel zurückstehen musste.

In Poapos Familie herrschte Uneinigkeit, wie man sich politisch orientieren sollte.

Wenn Heitmeier sagt, dass die Scharnitzer Gründer als Mitglieder der Huosi-Genealogie zur agilolfingischen Verwandtschaft gehörten, dann wurde schon 1974 festgestellt, dass die Namen für Verwandtschaft mit dem alemanni-schen Zweig der Agilolfinger sprechen, nicht aber mit der bayerischen Linie – es gibt zum Beispiel keine Theud-Namen bei den Huosi.85 In der Scharnitzer Grün-dersippe gibt es einen Otilo, der den Namen des bayerischen Herzogs trug, einen Lantfrid und einen Liutfrid – so hießen Brüder Odilos aus dem aleman-nischen Herzogshaus. Allerdings waren die Huosi keineswegs einheitlich auf die alemannischen Agilolfinger ausgerich-tet. Wir erwähnten die zur Scharnitzer Gründersippe gehörige Alpun, die in Langenpettenbach Besitz hatte,86 wo auch der Scharnitzer Mitgründer Otilo begütert war.87 Sie hatte einen Sohn mit dem in den Freisinger Traditionen singu-lären Namen Karl – alle anderen Nen-nungen dieses Namens beziehen sich auf Mitglieder des Karolinger-Geschlechts. Ein so außergewöhnlicher Name wurde natürlich bewusst gegeben, als Zeichen der Verbundenheit mit den Karolingern. Dabei ist eher an den 741 gestorbenen Karl Martell zu denken als an Karl den Großen, der wohl etwa gleichaltrig mit dem Langenpettenbacher Karl war.88 Alpun war mit Bischof Arbeo, zuvor der erste Abt von Scharnitz, verwandt, von dem wir feststellten, dass er nicht an der Weihe von Tassilos großer Kloster-stiftung Kremsmünster teilnahm. Eine

fratrum illuc in loco demorantium“). Arbeo war als erster Abt des neuen Klosters ausersehen („Arbionis archi-presbiteri qui ecclesiam cum donatione tradendi studio commendavimus ad regendum“).

Wenn auch Heitmeier meint, dass die Klostergründung bereits bespro-chen war, für den Fall von Tassilos Zerwürfnis mit Pippin, so muss man wohl eher davon ausgehen, dass dieses Zerwürfnis bei der Inangriffnahme der Klostergründung keineswegs absehbar war, dass ein sehr gutes Einvernehmen mit Tassilo herrschte und König Pippins Interessen nicht verletzt waren. Erst im Mai 763 änderte sich die Lage. Es ist unwahrscheinlich, dass Tassilo schon bei seinem Abmarsch den Vorsatz hatte, es zum Bruch mit Pippin kommen zu lassen, und noch weniger wahrschein-lich, dass er eine solche Absicht öffent-lich gemacht hätte – es wäre weniger provozierend gewesen, sich von Bayern aus „krank zu melden“, als nach Nevers zu kommen, dort sich als krank auszu-geben, aber doch noch zurückkehren zu können, wobei er offensichtlich sein Aufgebot wieder zurückführte, was wohl in den Augen Pippins Tassilos Verhalten besonders empörend machte. Das Zer-würfnis war also erst wenige Wochen vor der feierlichen Besitzausstattung der Kirche in der Scharnitz-Einöde aktuell, als die Klostergründung nicht mehr zu stoppen war. In der neu eingetretenen Situation war der Gründungsakt als eindeutiges Bekenntnis zu Tassilo zu verstehen. Die Urkunde wurde nur nach den Regierungsjahren Tassilos datiert.84

Page 26: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

50 51

Abb. 3: Der Priester Tiso errichtet nach 783 in Absprache mit dem Freisinger Bischof Atto „ad Holze“ bei Aßling eine Kirche, stattet sie aus und lässt sie weihen. Auszug aus den Traditionen des Hochstifts Freising.

Atto geweiht wurde. (Abb. 3) Bitterauf gibt für die Weihe den 22. August 807 an. Der in der Urkunde genannte Tag der Weihe trifft sicher zu, denn er war ja für die Feier des Kirchweihfestes ent-scheidend, das Jahr 807 sicher nicht – es ist auch nicht in der Urkunde genannt. Die Urkunde, die die Weihe enthält, ist einer anderen vorangestellt, die auf den 25. August 807 datiert ist.98 Sie beginnt mit den Worten: „Jetzt nämlich habe ich Priester Tiso von schwerer Krank-heit bedrückt, sogar zum Lebensende gebracht, die oben genannte Kirche mit ihrer gesamten Besitzausstattung über-geben“. Die Übergabe fand in Freising statt, aber Tiso konnte sie nicht mehr selber vollziehen:

„Von heftigem Schmerz geplagt konnte ich nämlich nicht mehr gehen, als ich zum Haus der heiligen Maria herangebracht war. Diese Schenkung vollzog ich durch die Hände meiner Verwandten und Sippengenossen folgender-maßen, dass auf meine Bitte Eginolf, Hroad-perht und Madalhart diese Schenkung auf den Altar der heiligen Maria legten und auch auf meine Anordnung hin mit rechtmäßigen Zeu-gen bekräftigten, wobei auch die Geistlichkeit der heiligen Maria teilnahm.“

Bei dem schwerkranken Zustand, in dem Tiso nach Freising transportiert wurde, darf man annehmen, dass er diese Reise mindestens zwei Tage vor seinem dortigen Auftritt hätte antreten müssen, also spätestens am 23. August 807. Er wäre also am Tag der Weihe seiner Kirche (22. August) oder am Tag danach schlagartig so sehr erkrankt,

Diese beiden Klöster gehören aber zum Bistum Augsburg.

Holzen (Gde. Aßling, LK Ebersberg) – das Holzen des Priesters Tiso

Acht Jahre vor der Nennung des Holzen, „das dem Priester Eio gehörte“, kommt in den Freisinger Traditionen ein weiteres Holzen vor, das näher bestimmt wird, und zwar als Holzen beim Ort Aßling („Holze prope vico Azzalingas“) – eindeutig Holzen an der Attel.95 Deutlich ist das Bemühen der Freisinger Schreiber, die beiden Holzen voneinander zu unterscheiden.96 Dass es sich um zwei verschiedene Orte handelt, geht auch daraus eindeutig hervor, dass in Holzen bei Aßling Graf Oadalschalk als zuständiger Graf auftrat („actum est hoc coram Hittone venerabili episcopo et Iskario abbate et Oadalscalcho comi-te“), und zwar zu der Zeit, zu der Graf Liutpald im Dachauer Raum amtierte und für Holzen, ist gleich Ainhofen zu-ständig war. Oadalschalks Grafschaft lag im weiteren Raum um die Mangfall.97 Dass Bischof Hitto sich in Holzen an der Attel aufhielt und den Ort zu einem Treffen mit Abt Isker von Tegernsee aus-wählte, zeigt, dass er für den Freisinger Bischof eine besondere Rolle spielte.

Die Kirche in diesem Holzen bei Aßling ist ohne Zweifel mit einer Kirche „ad Holze“ identisch, die von einem Priester Tiso in Absprache mit Bischof Atto erbaut und ausgestattet und von

Page 27: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

52 53

dies als Vogt eines Adalmann. Adalmann hatte den Besitz von seinem Bruder Hartmann bekommen. Dass er einen Vogt brauchte, zeigt, dass er dem geist-lichen Stand angehörte – ohne Zweifel der 825 genannte Abt. Die zweimalige Nennung als Adal-mann, noch dazu mit einem Bruder Hart-mann, lässt es als ganz unwahrscheinlich erscheinen, dass er mit einem Adelmar identisch ist. Diese Identifizierung wird auch nicht dadurch wahrscheinlicher, dass ein Abt Adalmann in keinem der Klöster der ganzen Umgebung (man fragt: in der Umgebung wovon?) zu finden ist. Wir kennen bei weitem nicht alle hier in Frage kommenden Äbte; außerdem ist nicht gesagt, dass Adalmanns Kloster in der Umgebung lag.

Anzumerken ist noch, dass unter den Zeugen für Hitto und Hruodhoh die Gruppe Uuillahelm, Eginolf, Hrodperht erscheint, bei der es sich um wilhelmini-sche Verwandte des Tiso „von Holzen“ handelt. Man darf annehmen, dass jener Abt Adalmann, dem Bischof Hitto Besitz in Aßling, Holzen und Anzing abkaufte, zu den Wilhelminern gehörte. Bischof Hitto hatte zwar diesen erwor-benen Besitz den Mönchen im Dom-kloster Freising zugedacht, zunächst aber bekamen diese nur einen jährlichen Zins, wie er auch für Erchanperht fest-gesetzt wurde, der das Schenkungsgut auf Lebenszeit weiter nutzen durfte. Hitto hielt sich mehrmals auf seinem Eigengut in Holzen auf. 828 traf er dort mit Abt Isker von Tegernsee und mit Graf Oadalscalch zusammen und nahm dabei zwei Rechtsgeschäfte vor.105 Wir

erwähnten bereits, dass dabei Holzen ausdrücklich als Holzen bei Aßling ge-nannt ist.

Bischof Erchanperht, sein Neffe und Nachfolger auf dem Freisinger Bischofs-stuhl, hielt sich ebenfalls im Aßlinger Raum auf. Am 30. Oktober und am 1. November 841 wurden in Holzen Schen-kungen an Freising vorgenommen – sie betrafen Besitz in Tegernau und in Rott am Inn.106 Zwar wird die Anwesenheit des Bischofs nicht erwähnt, sie ist aber sehr wahrscheinlich, zumal von keinem Vertreter die Rede ist und der Bischof schon am 14. November 841 in Aßling nachzuweisen ist, wo er eine für die dortige Kirche bestimmte Schenkung von Besitz und Unfreien in der Großge-markung Audorf entgegennahm.107 Am 27. August 842 wurde eine Schenkung in Holzen vollzogen, die Besitz in „Seuun“ betraf, das wohl in der Großgemar-kung Seeon im Ebersberger Raum zu suchen ist.108 Auch hier könnte Bischof Erchanperht in Holzen anwesend gewe-sen sein, denn der Priester Cozroh, der die Schenkungsurkunde dieses August-tages schrieb, tat dies auf Anordnung des Bischofs Erchanperht. Zumindest war die „capsa sanctae Mariae“, ein dem Freisinger Dom gehörendes Reli-quienbehältnis, nach Holzen verbracht, das wohl kaum Freising ohne Bischof verließ.

Klar ist, dass den Bischöfen Hitto und Erchanperht und ihren Mitarbei-tern bei ihren Aufenthalten in Holzen eine Kirche zur Verfügung stand. Es

sicherte seinem Neffen Erchanperht, den er auch als seinen Nachfolger auf den Freisinger Bischofsstuhl brachte,101 das Nutzungsrecht.102 Hitto hatte diesen Besitz von einem Abt Adalmann gekauft, den Bitterauf in das Kloster Wesso-brunn setzt. In Wessobrunn im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts geschrie-bene Verzeichnisse von frühen Wesso-brunner Äbten, die auf eine ältere Liste des Wessobrunner Schreibermönchs Konrad Pozzo aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückgehen dürften, erwähnen einen Abt Adelmar, für den sie die Jahre 793 und 799 angeben. Reinhard Höppl, der Herausgeber der Traditionen des Klosters Wessobrunn, sagt zur Gleichsetzung dieses so spät genannten Abtes mit dem frühmittelal-terlichen Adalmann von Holzen: „Da für die besagte Zeit bei keinem Kloster der ganzen Umgebung ein Abt Adelmann nachweisbar ist, wird man Bitterauf fol-gen dürfen, der ihn mit einem um 830 verstorbenen Abt Adelmar von Wesso-brunn identifiziert“.103

Diese Gleichsetzung ist aber ganz un-wahrscheinlich. Bischof Hitto ist bereits 822 als Grundherr im Aßlinger Raum genannt.104 Er hatte Streit mit einem Hruodhoh um eine Liegenschaft („terri-torium“) bei Aßling („iuxta Azzalinga“). Hruodhoh behauptete, Hittos Leute hätten sich einen Übergriff auf seinen Grundbesitz geleistet. Um den Streit bei-zulegen, erschien der Bischof persönlich zusammen mit Graf Orendil und vielen Adeligen. Das strittige Territorium hat-ten ein Snelhard und ein Kerhelm dem Bischof zu Eigen übergeben. Kerhelm tat

dass er plötzlich das Lebensende vor sich sah. Dies ist natürlich ausgeschlos-sen. Die Weihe der Kirche ist viele Jahre vorher anzusetzen – nach 783, als Atto Bischof wurde. Der Priester Tiso wirkte wohl als Geistlicher an seiner Kirche. Darüber, dass diese Kirche „ad Holze“ nach Holzen an der Attel ge-hört, herrscht allgemeiner Konsens. Sie war die einzige Kirche in dieser kleinen Siedlung, denn die Kirche des Poapo-Sohnes Eio gehört, wie wir sahen, nicht in dieses Holzen, sondern nach Ainhofen. Der 807 so schwer erkrankte Tiso war schon 778 Priester; am 18. September dieses Jahres weihte Bischof Arbeo zwei Kirchen, zuerst eine zu Aß-ling, die ein Priester Lantperht übergab, dann die zweite zu Niclasreuth. Diese Kirche hatte ein Starcholf errichtet, der aber bei der Weihe nicht anwesend sein konnte. Er übergab sie deshalb durch die Hand seines Neffen, des Priesters Tiso; außerdem ließ er die Schenkung durch seine Söhne Rimideo, Ratolt und Hiltolf bekräftigen.99 Die Sippe des Priesters Tiso wurde bereits eingehend untersucht; die Ergebnisse sollen hier nicht im Einzelnen wiederholt werden.100 Sie gehörte zur Gruppe der Wilhelminer, die zu den besitzmächtigsten und poli-tisch bedeutendsten Adeligen im früh-mittelalterlichen Bayern gehörten. Sie hatten eine starke Position im südlichen Ebersberger Raum.

825 finden wir in Holzen Bischof Hitto als Grundherrn; er übergab seinen Besitz in den drei Orten Aßling, Anzing und Holzen seiner Domkirche und

Page 28: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

54 55

Anmerkungen

1 Bitterauf, Theodor (Hg.): Die Traditionen des Hoch-stifts Freising, Bd. 1: 744-926, (Quellen und Erörte-rungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, NF 4), München 1905.

2 Ebenda, S. 51-52, Nr. 23.3 Puchner, Karl: Landkreis Ebersberg, (Historisches

Ortsnamenbuch von Bayern, Oberbayern 1), Mün-chen 1951, S. 43, Nr. 182.

4 Mayr, Gottfried: Ebersberg – Gericht Schwaben, (His-torischer Atlas von Bayern, Altbayern I/48), München 1989, S. 61-69.

5 1200 Jahre Holzen-Aßling. Die Lebensgeschichte der Pfarrei Holzen und der Gemeinde Aßling, Festschrift, hg. vom Heimatverein Aßling/Obb., Aßling 1966.

6 Diepolder, Gertrud: Bemerkungen zur Frühgeschichte der Klöster Tegernsee und Ilmmünster, in: Jenal, Georg (Hg.): Herrschaft, Kirche, Kultur. Beiträge zur Geschichte des Mittelalters. Festschrift für Friedrich Prinz zu seinem 65. Geburtstag, (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 37), Stuttgart 1993, S. 155, Anm. 66. Diepolders Ortsbestimmung findet Zustimmung bei Mayr, Gottfried: Die Auflösung der frühen Großgemarkungen – dargestellt aus Beispielen aus Oberbayern, in: Land um den Ebersberger Forst 15 (2012), S. 34-61, hier S. 48-50, mit dem Hinweis darauf, dass damit die Notwendigkeit entfalle, für den kleinen Ort Holzen den Bau von zwei Kirchen vor 800 in kurzem zeitlichen Abstand anzunehmen.

7 Stahleder, Helmuth: Bischöfliche und adelige Eigen-kirchen des Bistums Freising im frühen Mittelalter und die Kirchenorganisation im Jahre 1315, in: Ober-bayerisches Archiv 104 (1979), S. 117-188, hier S. 152-153.

8 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 95-96, Nr. 70.9 Ebenda, S. 97-98, Nr. 72 a.10 Ebenda, S. 95-96, Nr. 70.11 Ebenda, S. 96, Nr. 72 b.12 Ebenda, S. 95-96, Nr. 70.13 Baumann, Cornelia: Altlandkreis Erding, (Histori-

sches Ortsnamenbuch von Bayern, Oberbayern 3), München 1989, S. 87-88, Nr. 292.

14 Im Karolinger-Reich stellten die Kapläne die oberste Geistlichkeit dar. Die Hofkapelle war nach Flecken-stein eine höfisch-kirchliche Institution, deren Name von der von den fränkischen Königen besonders verehrten Mantelreliquie („cappa“) des heiligen Martin auf die Geistlichen, die sie betreuten, und auf die Pfalzkirchen, in denen sie während eines Königs-aufenthaltes aufbewahrt wurde, überging. Hauptauf-gaben der Kapläne waren der herrscherliche Gottes-dienst und die schriftliche Verwaltungstätigkeit. Siehe Fleckenstein, Josef: Karl der Große, (Persönlichkeit und Geschichte 28), Göttingen 1962, S. 68-69.

15 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 397-398, Nr. 465.16 Ebenda, S. 106-107, Nr. 86.17 Ebenda, S. 284-285, Nr. 333 a, b.18 Ebenda, S. 449, Nr. 523 a.19 Die Namen der Judith und ihres Sohnes Konrad

zeigen klare Zusammenhänge mit dem berühmten Geschlecht der Welfen, aus dem Judith, die zweite Gemahlin Kaiser Ludwigs des Frommen, und ihr Bruder Konrad stammten. Siehe Mitterauer, Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten. Fränkische

Reichsaristokratie und bayerischer Stammesadel im österreichischen Raum, (Archiv für österreichi-sche Geschichte 123), Wien 1963, S. 38. Bitterauf bezeichnet Droants Söhne in der Vorbemerkung als Grafen, wovon in der Urkunde keine Rede ist.

20 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 209-210, Nr. 226.21 Ebenda, S. 450, Nr. 523 b.22 Metz, Wolfgang: Barschalken, in: Lexikon des Mittel-

alters, Bd. I, München 2003, Sp. 1489. Danach ent-hält der Name die Bestandteile „-skalk“ („Knecht“) und „bar“, was „Zins“ („Ertrag“) oder „freier Mann“ bedeute. Dabei erscheint „der freie Mann als Knecht“ als in sich widersprüchlich. Wenn „colones atque tributales“ die Übersetzung von „Barschalken“ ins Lateinische darstellt, wäre die Bedeutung des „bar“ als „Zins“ („tributum“) anzunehmen.

23 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 190-191, Nr. 198.24 Ebenda, S. 444-445, Nr. 520.25 Ebenda, S. 210-211, Nr. 227.26 Ebenda, S. 340, Nr. 399 a. Der Priester Ascrih trat

nach dem Tod des Kaplans Wago, der am 27. Juni 830 zum letzten Mal begegnet (ebenda, S. 509-510, Nr. 594), in dessen Amt als Kaplan ein; erstmals ge-nannt am 25. August 830 (ebenda, S. 514, Nr. 600).

27 Ebenda, S. 340-341, Nr. 399 b.28 Ebenda, S. 246, Nr. 280.29 Hiereth, Sebastian: Landgericht Moosburg, (Histo-

rischer Atlas von Bayern, Altbayern I/1), München 1950, S. 25.

30 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 51-52, Nr. 23.31 Ebenda, S. 178-179, Nr. 186.32 Ebenda, S. 170-171, Nr. 177.33 Ebenda, S. 46-48, Nr. 19.34 Ebenda, S. 170-171, Nr. 177.35 Ebenda, S. 71-72, Nr. 44.36 Ebenda, S. 191-192, Nr. 199.37 Ebenda, S. 276-277, Nr. 323.38 Ebenda, S. 522-523, Nr. 609.39 Ebenda, S. 533-535, Nr. 626 a.40 Ebenda, S. 146-147, Nr. 142.41 Ebenda, S. 82, Nr. 54.42 Ebenda, S. 130-131, Nr. 118, 119.43 Ebenda, S. 272-273, Nr. 318 a.44 Ebenda, S. 270, Nr. 315.45 Ebenda, S. 522-523, Nr. 609.46 Ebenda, S. 589-591, Nr. 703 a, b.47 Ebenda, S. 71-72, Nr. 44; S. 191-192, Nr. 199.48 Puchner (wie Anm. 3), S. 79-80, Nr. 337. Bei Orten

im Landkreis Ebersberg ist im Folgenden die Gemein-de- und Landkreiszugehörigkeit nicht angegeben.

49 Ebenda, S. 73, Nr. 305.50 Hundt, Friedrich Hector Graf von (Hg.): Das Cartular

des Klosters Ebersberg. Aus dem Fundationsbuche des Klosters unter Erörterung der Abtreihe, dann des Überganges der Schirmvogtei auf das Haus Scheyern-Wittelsbach, sowie des Vorkommens von Mitgliedern dieses Hauses, München 1879, Register.

51 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 283, Nr. 331.52 Mayr (wie Anm. 4), S. 63-64.53 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 481, Nr. 559.54 Ebenda, S. 413-414, Nr. 484.55 Ebenda, S. 392-393, Nr. 461.56 Wallner, Eduard: Beiträge zum Namensregister der

handelte sich dabei um die Kirche des Priesters Tiso, die dieser in schwerer Krankheit, den Tod vor Augen, ohne jede Einschränkung an Freising gegeben hatte. Hitto hatte die weitere Nutzung seines Schenkungsgutes in Aßling und Holzen auf seinen Neffen Erchanperht beschränkt; dass nach Erchanperht sich kein Bischof mehr in Holzen aufhielt, zeigt, dass Hitto und Erchanperht dort ihr Eigengut in Anspruch nahmen. Die Kirche von Holzen entwickelte sich, viel-leicht wegen ihres Ranges im 9. Jahrhun-dert als vom Bischof genutzte Kirche, zur Pfarrkirche für das ganze Umland.

Page 29: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

56 57

dazu auch Mayr, Gottfried: Bad Aibling. Geschichte einer Stadt, Bd. 1, Bad Aibling 2006, S.78-79.

90 Kanoldt, Alexandra: Studien zum Formular der ältes-ten Freisinger Schenkungsurkunden 743-782, Diss. Phil. masch., Würzburg 1950, S. 33-35.

91 Bitterauf (wie Anm. 1), Nr. 7, 8, 9 b, 12, 15, 17, 22.92 Ebenda, Nr. 12, 17.93 Ebenda, S. 59-60, Nr. 31.94 Ebenda, S. 81, Nr. 53.95 Ebenda, S. 486-487, Nr. 568 a, b von 828.96 846 wird ein weiteres Holzen geografisch festgelegt

als „Holze inter fluviis Isaurie et Filusa“ = „Holzen zwischen den Flüssen Isar und Vils“; gemeint ist das Kirchdorf Holzen, Gde. Buch a. Erlbach, LK Lands-hut. Siehe Bitterauf (wie Anm. 1), S. 571, Nr. 678.

97 Ebenda, Register.98 Ebenda, S. 232-233, Nr. 260 a, b.99 Ebenda, S. 110, Nr. 91.100 Mayr (wie Anm. 4), S. 69-80; Ders.: Bemerkungen

zu den Gerichtstagen im frühmittelalterlichen Bayern, in: Oberbayerisches Archiv 131 (2007), S. 7-32, hier S. 24-32; Ders.: Die frühen Wilhelminer in Bayern, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 73 (2010), S. 1-45, hier S. 19-22.

101 Störmer, Wilhelm: Früher Adel. Studien zur poli-tischen Führungsschicht im fränkisch-deutschen Reich vom 8. bis 11. Jahrhundert, Teil II, (Monogra-phien zur Geschichte des Mittelalters 6/II) Stuttgart 1973, S. 332.

102 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 446-448, Nr. 522.103 Höppl, Reinhard (Bearb.): Die Traditionen des

Klosters Wessobrunn, (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte 32/1), München 1984, S. 170; vgl. S. 27*.

104 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 404-405, Nr. 473.105 Ebenda, S. 486-488, Nr. 568 a, b; 569.106 Ebenda, S. 543-544, Nr. 639, 640.107 Ebenda, S. 544 a, Nr. 641 a.108 Ebenda, S. 550, Nr. 651.

Abbildungsnachweis

• Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München: Abb. 1-3.

Traditionen des Hochstifts Freising, hg. von Theodor Bitterauf, in: Oberbayerisches Archiv 76 (1950), S. 43-79, hier S. 60 Nr. 72.

57 Bitterauf (wie Anm. 1), S.418-419, Nr. 490.58 Ebenda, S. 500-501, Nr. 585 a, b.59 Ebenda, S. 490-491, Nr. 574 a.60 Ebenda, S. 330-331, Nr. 390.61 Ebenda, S. 272-273, Nr. 318 a.62 Ebenda, S. 522-523, Nr. 609.63 Ebenda, S. 533-535, Nr. 626 a.64 Andrelang, Franz: Landgericht Aibling und Reichs-

grafschaft Hohenwaldeck, (Historischer Atlas von Bayern, Altbayern I/17), München 1967, S. 50, Anm. 11.

65 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 106, Nr. 85. Dazu Andre-lang (wie Anm. 64), S. 50.

66 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 484-485, Nr. 565.67 Ebenda, S. 465, Nr. 545.68 Ebenda, S. 498, Nr. 581 a, b.69 Wallner (wie Anm. 56), S. 70, Nr. 161.70 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 594, Nr. 708.71 Ebenda, Register.72 Acht, Peter (Bearb.): Die Traditionen des Klosters Te-

gernsee 1003-1242, (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, NF 9/1), München 1952, S. 118, Nr. 153, S. 203-204, Nr. 269.

73 Reindel, Kurt: Die bayerischen Luitpoldinger von 893-989, (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte 11), München 1953, S. 86.

74 Bitterauf, Theodor (Hg.): Die Traditionen des Hoch-stifts Freising, Bd. 2: 926-1283, (Quellen und Erör-terungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, NF 5), München 1905, S. 540, Nr. 1759 c, S. 554, Nr. 1782.

75 Andrelang (wie Anm. 64), S. 130.76 Reitzenstein, Wolf-Armin Freiherr von: Lexikon Baye-

rischer Ortsnamen. Herkunft und Bedeutung. Ober-bayern, Niederbayern, Oberpfalz, München 2006, S. 299.

77 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 228, Nr. 253.78 Ebenda, S. 195, Nr. 201.79 Ebenda, S. 232, Nr. 259.80 Ebenda, S. 46-48, Nr. 19.81 Ebenda, S. 170-171, Nr. 177.82 Heitmeier, Irmtraut: Das Inntal. Siedlungs- und Rau-

mentwicklung eines Alpentales im Schnittpunkt der politischen Interessen von der römischen Okkupation bis in die Zeit Karls des Großen, (Schlern-Schriften 324), Innsbruck 2005, S. 338-339.

83 Ebenda, S. 342.84 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 46-48, Nr. 19.85 Mayr, Gottfried: Studien zum Adel im frühmittelalter-

lichen Bayern, (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 5), München 1974, S. 75-76.

86 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 71-72, Nr. 44.87 Ebenda, S. 170-171, Nr. 177.88 Im Huosi-Gebiet um Ainhofen – Langenpettenbach

liegt der Ort Pipinsried, dessen Name auf einen Pip-pin zurückgeht. Er zeigt, dass auch der Name Pippin, ein Leitname der Karolinger, bei den Grundherren dieses Raumes zu finden ist. Allerdings war er genau-so selten wie der Name Karl.

89 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 182-185, Nr. 193 b. Siehe

Page 30: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

58 59

Abb. 1: Adalfrit bestätigt und erweitert am 2. Oktober 815 in Freising die Schenkung ihres verstorbenen Mannes Cundhart zu Moosach. Auszug aus den Traditionen des Hochstifts Freising.

Am 2. Oktober 815 trat während einer Synode in Freising eine Frau namens Adalfrit im dortigen Dom an den Altar der heiligen Maria heran und erneuerte vor Bischof Hitto die Schenkung ihres Mannes, des Grafen Cundhart. Dieser hatte in Moosach („in loco nuncupato Mosaha“) eine Kirche errichtet und zwar, wie die Urkunde über diese Erneuerung sagt, auf seinem Eigengut wie auch auf dem Gut seiner Frau – gemeint ist wohl, dass sie mit Besitz von beiden Eheleuten in Moosach ausgestattet wurde – und von Atto, der von 783 bis 811 Bischof von Freising war, weihen lassen. Adalfrit behielt das Recht, den Besitz der Kirche zu nutzen.1 Als nach einiger Zeit („iam evoluto tem-pore“) Cundhart starb, erfüllte Adalfrit das Vermächtnis ihres Mannes, die Kir-che an Freising zu geben, wozu sie mit Verwandten, von denen nur Cundharts

Bruder Hiltolf („cum Hiltolfo fratre eius“) mit Namen genannt ist, zur Syno-de nach Freising kam. Die Urkunde un-terscheidet genau zwischen „eius“ und „suus“: Adalfrit, die Frau des Cundhart, ist zunächst korrekt „uxor eius“, „dessen Frau“, dann erneuert sie die Schenkung „Cundharti viri sui“, also „ihres Man-nes“, und gibt auch ihren Anteil dazu, „adiunxit etiam et suam partem“. Dies bedeutet, dass „cum Hiltolfo fratre eius“ als „mit dessen Bruder“, also mit Cund-harts Bruder, zu verstehen ist. (Abb. 1)

Die Schwierigkeit der Urkunde be-steht darin, dass es im Gebiet des dama-ligen Bistums Freising zwei Kirchorte mit dem Namen Moosach gibt, die beide für das „Mosaha“ herangezogen wurden. Moosach mit der Kirche Sankt Martin ist heute ein nordwestlicher Stadtteil von München; auf dieses Moosach hat

„Mosaha“ und seine Kirche im Jahr 815

Gottfried Mayr

Page 31: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

60 61

war.13 Ellanod überließ dabei Starcholf und Hiltolf die Kirche zu Aßling als Bene-fizium; Starcholf und Hiltolf übergaben dafür zwei Mansen zu Aßling und den dritten Teil ihres Ackerlandes, außerdem versprachen sie, jedes Jahr einen Zins zu geben, und zwar zwölf Scheffel Din-kel und zwölf Scheffel Hafer und zwei Frischlinge oder deren Wert in Silber.14 Graf Cundhart war als amtierender Graf Spitzenzeuge; dass er auch der Bruder des Hiltolf war, sagt die Urkunde nicht. Dazu hatte sie auch keinen Anlass, denn ein solches Verwandtschaftsverhältnis war für den Vollzug des Rechtsgeschäfts ohne Belang. Hiltolf beweist, dass Starcholf „von Niclasreuth“ mit dem Grundherrn von Aßling und Holzhausen identisch ist.

Dass Starcholf und Hiltolf die Kir-che zu Aßling als Lehen bekamen, zeigt ebenso wie die gemeinsamen Zeugen-reihen, die Lantperht und Starcholf 778 aufbieten, dass die beiden Kirchenstifter eng verwandt waren. Hiltolf wird noch einmal im Zusammenhang mit Starcholf genannt: er erneuerte 824 Schenkun-gen, die sie früher an Freising gemacht hatten.15 Es ging um Besitz in Aßling und in Ast bei Pörsdorf; außerdem erweiter-te Hiltolf die Schenkung zu Holzhausen um jenen vierten Teil, den er 804 zurück-behalten hatte.

Hiltolf wird hier als Diakon bezeich-net, was bei den bisher angeführten Urkunden ebenso wenig der Fall war wie bei dem nach Cundharts Tod erfolgten Moosacher Besitzgeschäft von 815. Der Titel „Diakon“ ermöglicht es, auch jenen Diakon Hiltolf, der 828 die Schenkung

einer Kirche zu „Poah“ erneuerte,16 mit dem Sohn des Starcholf zu identifi-zieren. Es handelt sich dabei um das Kirchdorf Buch in der Pfarrei Zorneding (Gde. Kirchseeon), wie Bitterauf richtig feststellte und auch Puchner annahm.17 Unter den Zeugen erscheint Hiltolfs Bru-der Rimideo. Buch liegt etwa dreieinhalb Kilometer nordwestlich von Moosach. Insgesamt lassen sich die angeführten Hiltolf-Nennungen, mit und ohne Dia-kontitel, zwischen 778 und 828 auf eine Person beziehen, auf den Sohn des Star-cholf. Ohne Zweifel war auch der Bruder des Graf Cundhart identisch mit diesem Hiltolf. Es gibt keinen Anhaltspunkt, neben diesem einen weiteren wichtigen Hiltolf anzunehmen, der einen Grafen zum Bruder gehabt hätte. Hiltolfs Be-sitzort Buch spricht sehr dafür, dass das Moosach, in dem er 815 genannt ist, in den Landkreis Ebersberg gehört. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass 813 ein Ratolt Besitz zu Zorneding über-gab;18 Buch liegt in der Pfarrei Zorne-ding. Die Urkunde gibt an, dass Ratolt den Besitz von seinem Vater erhalten hatte, nennt aber dessen Namen nicht. Trotzdem zeigt die Besitznachbarschaft, dass Ratolt der 778 genannte Bruder des Hiltolf war.

Der Priester Tiso, Neffe des Starcholf und damit Cousin des Hiltolf und seiner Brüder, ist für den Ebersberger Raum deswegen von Bedeutung, weil er in Holzen an der Attel eine Kirche errich-tete, die er 807 an die Marienkirche zu Freising schenkte. Dabei bat er seine Verwandten Eginolf, Hroadperht und

Um 778 schenkte ein Ratheri mit seiner Frau Pilimot und einem Neffen Hroadheri Besitz zu „Hanguuanc / Hagananga“ an Freising,5 das Theodor Bitterauf mit Hangenham (LK Freising) bestimmte. Karl Puchner bezog den Ort aber auf Haging – sicher zu Recht.6 Denn in der Zeugenreihe finden sich nicht nur die Kirchengründer Priester Lantperht und Starcholf und Starcholfs Sohn Rimideo, sondern auch Mahali und Struz, die eindeutig in die Um-gebung von Aßling gehören.7 An der Spitze der Laienzeugen stehen die Gra-fen Fritilo und Adalhoh, die aber nach dieser Schenkung nicht mehr auftreten, während dagegen Cundhart dann als Graf im Raum südlich des Ebersberger Forstes amtierte. Hroadheri „von Ha-ging“ nahm 804 am Gerichtstag von Steinkirchen teil und steht als Zeuge hin-ter Eginolf und Liutpato.8 823 übergab er mit einem Sohn Uualdker eine Kirche zu Aiterndorf.9

Am 13. Februar 804 leitete Graf Cundhart nach den Vorschriften des Gesetzbuches der Bayern den eben erwähnten Gerichtstag in Steinkirchen. Dazu war der Erzpriester Ellanod als Vertreter des Freisinger Bischofs Atto gekommen und Starcholf „von Niclas-reuth“ und sein Sohn Hiltolf übergaben ihren Besitz zu „Holzhusir, ubi sita est Remegii basilica“ an Freising.10 „Holzhu-sir“ ist mit Holzhausen bei Oberbiberg (LK München) identisch;11 dort hatte ein David die Kirche an Tegernsee gege-ben,12 der Spitzenzeuge für den Priester Lantperht und für Starcholf gewesen

Wilhelm Störmer die Kirche von 815 bezogen.2 Im Landkreis Ebersberg liegt Moosach mit seiner Bartholomäuskir-che, in dem der Verfasser das „Mosaha“ von 815 suchte.3 Diese unterschiedli-chen Ortsbestimmungen legen nahe, die Nennung der Kirche zu „Mosaha“ von 815 einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Dabei bietet die Urkunde zwei wichtige Anhaltspunkte, nämlich: dass Cundhart Graf war und dass er einen Bruder Hiltolf hatte.

Ein Mann mit dem Namen Hiltolf begegnet zuerst am 18. September 778, als Bischof Arbeo von Freising nachein-ander zwei Kirchen weihte: zu Aßling und zu Niclasreuth.4 Die Kirche zu Aßling errichtete ein Priester Lantperht mit seinen Nachbarn, die zu Niclasreuth ein Starcholf. Da aber Starcholf bei der Weihe seiner Kirche nicht anwesend sein konnte, ließ er sie durch einen Neffen, den Priester Tiso, übergeben und die Schenkung von seinen Söhnen Rimideo, Ratolt und Hiltolf bekräftigen. Wir wer-den sehen, dass dieser Hiltolf mit dem Bruder des Grafen Cundhart identisch ist, übersehen aber nicht, dass dieser nicht unter den 778 genannten Söhnen des Starcholf steht. Dies lässt sich aber erklären: Cundhart war damals schon Centenarius, das heißt ein unter den Grafen stehender Amtsträger, der die Gerichtsgemeinde der Centena (Hun-dertschaft) leitete, und war wohl von seinem Vater in dem Sinne unabhängig geworden, dass er von den Besitzge-schäften der Familie nicht mehr betrof-fen war.

Page 32: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

62 63

Huosi treten vor allem als Stiftergruppe um das frühe Kloster Scharnitz-Schleh-dorf in Erscheinung. Zu ihnen gehörte das Brüderpaar Scatto und Poapo, das im Ortsnamenpaar Schattenhofen und Pullenhofen weiterlebt, das auf diese beiden Personennamen zurückgeht.28 Schattenhofen liegt ungefähr zwischen Buch, wo Hiltolf, und Moosach, wo sein Bruder Cundhart begütert war, Pul-lenhofen liegt ungefähr zwei Kilometer östlich von Moosach. Dass die Familie des Starcholf „von Niclasreuth“ Sippen-verbindungen zu den Huosi hatte, kann nicht verwundern, gehörte sie doch sel-ber zu einer der mächtigsten Adelsgrup-pen im frühmittelalterlichen Bayern, zu den Wilhelminern.

Aufgabe des vorliegenden Beitrages war nicht die Einordnung der Starcholf-Familie in den größeren genealogischen Zusammenhang der frühen Wilhelminer – diese wurde bereits an anderer Stelle vorgelegt –29, sondern eine Antwort auf die Frage, wo das „Mosaha“ des Grafen Cundhart zu suchen ist. Wenn wir zusammenfassend bedenken, dass die Familie dieses Grafen, die einen Besitzschwerpunkt im Raum Aßling-Niclasreuth-Holzen hatte, mit den Brüdern Hiltolf und Ratolt in Buch und in Zorneding zu finden ist, und dass der Verwandte Hrodperht nicht nur in Taglaching, sondern in Moosach selber begütert war, dann ist diese Frage mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, wie sie im frü-hen Mittelalter mit den sporadischen Nennungen von Abstammungen und

Verwandtschaftsverhältnissen, die ja für die Rechtsgeschäfte ohne Belang waren, bei mehrdeutigen Ortsnennungen selten gewonnen werden kann, mit Moosach im Landkreis Ebersberg zu beantworten.

Wilhelm Störmer hat in seinem Buch „Adelsgruppen im früh- und hochmittel-alterlichen Bayern“ auch „Graf Helmuni und seine Sippe“ untersucht.30 Dabei nennt er einen Cundhart, den Ver-wandten („proximus“) eines Helmuni. Helmuni machte noch 792 eine Schen-kung zu Grüntegernbach (LK Erding) an Freising,31 starb aber bald. Dann brachte dieser Cundhart den vaterlosen Sohn Anno nach Freising, wo er Ausbil-dung und Lebensunterhalt haben sollte. Diesen Anno habe man für identisch mit dem späteren Bischof Anno von Freising (854-875) gehalten: eine Annahme, die auf keinen Fall zutrifft. Helmunis Sohn war beim Tod des Vaters offensichtlich ein noch unmündiges kleines Kind. Wäre er zum Beispiel 792 acht Jahre alt gewesen, wäre er bei seinem Amts-antritt 70 Jahre alt gewesen und hätte bis zu einem Alter von 85 Jahren sein Bi-schofsamt ausgeübt. Wilhelm Störmer schreibt dazu: „Der genannte Cundhart (später Graf) hatte 815 offensichtlich größeren Besitz in Moosach (StK Mün-chen). Im selben Ort war aber auch 853 ein Freisinger Diakon Anno begütert.32 In diesem Diakon werden wir wohl den Freisinger Bischof sehen müssen, zumal vorher seit 830 kein Geistlicher namens Anno im Freisinger Quellenmaterial mehr auftritt“.33 Dazu ist zu sagen, dass Cundhart „von Moosach“ nicht „später“

Vogt des Hiltolf agieren sollte, als dieser seine und seines Vaters Starcholf Schen-kungen erneuerte.22 Cotafrid schenkte 819 für sich und seinen Bruder Sigifrid Besitz in Straßlach (LK München) an die dortige dem Freisinger Dom gehörende Kirche;23 bemerkenswert deswegen, weil das Holzhausen, in dem Starcholf und Hiltolf Besitz hatten, in der Gemeinde Straßlach liegt.

Graf Cundhart hatte nicht nur in Moosach Grundbesitz, sondern auch in Huppenberg (Gde. Wackersberg, LK Bad Tölz-Wolfratshausen). 793 schenkte er dort Erbbesitz an Freising.24 Im Februar 809 fand im eben erwähnten Holzhau-sen bei Straßlach ein Gerichtstag statt.25 Dabei übergaben Abt Meginhart (von Tegernsee), Cundhart, Reginhart und Hitto, ein Sohn des Reginhart, gemein-sam („communis manibus“) Besitz zu Huppenberg.26 Cundhart ist sicher mit dem dort begüterten Grafen identisch; es ist ganz unwahrscheinlich, dass es in dieser heutigen Einöde gleichzeitig einen weiteren Cundhart gab. Bei Hiltolf, dem Bruder des Grafen Cundhart, haben wir gesehen, dass die Freisinger Traditionen ihn einige Male ohne die Bezeichnung „Diakon“ anführen, diese also keines-wegs immer die Titel anführen. Es spricht für die Bedeutung Cundharts, dass er gemeinsamen Besitz mit dem Abt des bedeutenden Klosters Tegernsee hatte.

Die Namen der Mitbesitzer Reginhart und Hitto führen zu den Huosi, die eine der fünf in der Lex Baiuvariorum heraus-gehobenen Genealogien bildeten.27 Die

Madalhart um ihre Mitwirkung.19 Diese hebt die Zeugenreihe heraus als die Männer, die die Schenkung vollzogen; dann aber kommt als erster der Diakon Hiltolf, der Cousin des Tiso. Eginolf steht ganz vorne in der Zeugenreihe für Starcholf und Hiltolf von 804, vor einem Liutpato, der bald nach Tassilos Abset-zung 788 die Übergabe einer Kirche zu Taglaching bei Moosach bezeugte.20 Liutpato ist dabei unmittelbar nach dem Spitzenzeugen Graf Cundhart an-geführt, für den keinerlei „dienstliche“ Funktion wie beim Gerichtstag in Stein-kirchen zu erkennen ist, der also als „Privatperson“ Zeugenhilfe leistete.

Die Kirche übergaben der Kleriker Uuilliheri und der Laie Hrodperht, die sie aber nicht erbaut, sondern von ihren Vorfahren („antecessores“) übernom-men hatten. Hrodperht haben wir ge-rade als Verwandten des Priesters Tiso kennen gelernt, und die Zeugenhilfe des Grafen Cundhart und des Liutpato zeigt die Sippenbeziehung zu Starcholf, dem Onkel des Priesters Tiso. Eine wichtige Nennung in Zusammenhang mit der Frage, ob das Moosach des Grafen Cundhart dasjenige bei Taglaching ist, ist die gemeinsame Schenkung von Liut-pato und Hrodperht in „Mosacha“, die Bitterauf in die gleiche Zeit wie Hrod-perhts Schenkung zu Taglaching setzt, weil hier kein Zweifel daran besteht, dass es sich um das Moosach im Land-kreis Ebersberg handelt21 – mit Liutpato und Hrodperht haben wir Verwandte des Grafen Cundhart in Moosach. Letz-ter Zeuge ist dabei ein Cotefrid, um 790 wohl noch ein junger Mann, der 824 als

Page 33: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

64 65

Anmerkungen

1 Bitterauf, Theodor (Hg.): Die Traditionen des Hoch-stifts Freising, Bd. 1: 744-926, (Quellen und Erörterun-gen zur bayerischen und deutschen Geschichte, NF 4), München 1905, S. 298-299, Nr. 349.

2 Störmer, Wilhelm: Adelsgruppen im früh- und hochmit-telalterlichen Bayern, (Studien zur bayerischen Verfas-sungs- und Sozialgeschichte 4), München 1972, S. 56.

3 Mayr, Gottfried: Ebersberg – Gericht Schwaben, (His-torischer Atlas von Bayern, Altbayern I/48), München 1989, S. 70; Ders.: Bemerkungen zu den Gerichtstagen im frühmittelalterlichen Bayern, in: Oberbayerisches Archiv 131 (2007), S. 7-32, hier S. 26; Ders.: Die frü-hen Wilhelminer in Bayern, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 73 (2010), S. 1-45, hier S. 32. Die in den genannten Arbeiten vertretene Auffassung, dass Hiltolf Adalfrits Bruder gewesen sei, ist aufgrund des vorliegenden Beitrags zu revidieren.

4 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 110, Nr. 91.5 Ebenda, S. 117-118, Nr. 100.6 Puchner, Karl: Landkreis Ebersberg, (Historisches

Ortsnamenbuch von Bayern, Oberbayern 1), München 1951, S. 35, Nr. 143.

7 Auf den Personennamen Rimideo geht der Ortsname Rinding zurück, der 1010/20 erstmals als „Rimidin-gun“ erscheint. Siehe Puchner (wie Anm. 6), S. 76f, Nr. 323. Die seltenen Namen der Zeugen Mahali und Struz finden sich in den Ortsnamen Meiletskirchen (856/59 „Mahalineschirihhun“) und Straußdorf (um 940 „Struzzisdorf“). Siehe ebenda, S. 56, Nr. 244 u. S. 91, Nr. 380. Die in der vorliegenden Arbeit ohne geographische Bestimmung genannten Orte liegen im Landkreis Ebersberg.

8 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 185-186, Nr. 194.9 Ebenda, S. 423-424, Nr. 494.10 Ebenda, S. 185-186, Nr. 194.11 Mayr, Gerichtstage (wie Anm. 3), S. 26.12 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 187-190, Nr. 197.13 Ebenda, S. 110, Nr. 91.14 Ebenda, S. 186, Nr. 195.15 Ebenda, S. 431-432, Nr. 506.16 Ebenda, S. 475-476, Nr. 552.17 Puchner (wie Anm. 6), S. 15, Nr. 58. Puchner bezieht

auf dieses Buch auch Puoh im Sundargau, wo drei Wochen vorher ebenfalls eine Kirche übergeben wurde. Siehe Bitterauf (wie Anm. 1), S. 474-475, Nr. 551. Es ist aber ausgeschlossen, dass in der kleinen Ausbau-siedlung Buch in der Gemeinde Kirchseeon in so kurzer Zeit zwei Kirchen übergeben wurden.

18 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 265, Nr. 308.19 Ebenda, S. 232-233, Nr. 260 a, b.20 Ebenda, S. 132-134, Nr. 121 a, b.21 Ebenda, S. 134, Nr. 123.22 Ebenda, S. 431-432, Nr. 506.23 Ebenda, S. 350, Nr. 406.24 Ebenda, S. 164, Nr. 165.25 Ebenda, S. 251, Nr. 288: „in publico placito in loco Holz-

husun“. Siehe Mayr, Gerichtstage (wie Anm. 3), S. 26.26 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 232, Nr. 290.27 Mayr, Gottfried: Studien zum Adel im frühmittelalter-

lichen Bayern, (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 5), München 1974, S. 72-74.

28 Puchner (wie Anm. 6), S. 79-80, Nr. 337: Schatten-hofen (1046/48 „Scattenhofa“), S. 73, Nr. 305: Pullen-hofen (887/95 „Puopinhova“).

29 Mayr, Wilhelminer (wie Anm. 3).30 Störmer (wie Anm. 2), S. 49-60.31 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 154-155, Nr. 153.32 Ebenda, S. 613, Nr. 737.33 Störmer (wie Anm. 2), S. 56.34 Die vorliegende Arbeit behandelte nur Nennungen des

Zentenarius und Grafen Cundhart, die sich auf seinen Besitz und auf seine Tätigkeit in seiner Grafschaft be-ziehen. Graf Cundhart steht mit 14 weiteren Grafen in der Zeugenreihe einer Urkunde, die 802 in Regens-burg bei einem missatischen Gericht ausgestellt wurde. Siehe Bitterauf (wie Anm. 1), S. 174, Nr. 183. Im Juni 804 nahm er an dem feierlichen Tag in Tegernsee teil, an dem der heilige Quirinus endgültig beigesetzt wurde und an dem ein alter Streit zwischen dem Kloster und der Freisinger Bischofskirche entschieden wurde. Hier waren neben Cundhart die Grafen Droant und Pippin und der Zentenarius Reginhart anwesend. Siehe Bitter-auf (wie Anm. 1), S. 187-190. An einem Gerichtstag im April 807 in Föhring nahm Cundhart mit den Grafen Liutpald, Heriperht und Orendil teil. Siehe Bitterauf (wie Anm. 1), S. 226-227, Nr. 251.

35 Bitterauf (wie Anm. 1), S. 106-107, Nr. 86.36 Mayr, Gottfried: Holzen an der Attel im frühen Mittel-

alter, im vorlegenden Jahrbuch, S. [30-56].

Abbildungsnachweis

• Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München: Abb. 1.

Graf war, sondern 815 bereits als Graf verstorben war. Er ist seit Tassilos Abset-zung als Graf nachweisbar34 und damit mit dem Verwandten des Helmuni kei-nesfalls identisch, der niemals Graf war. Dieser Cundhart war wohl der Sohn eines Toto; der Vater musste 777 seine Erbteilung berichtigen, auch zugunsten des Sohnes Cundhart.35 Diese Familie ist im Aufsatz über „Holzen“ behan-delt.36 Der Besitz des Diakons Anno in Moosach (StK München) ist keinesfalls ein Argument dafür, dass sein Moosach mit dem des Grafen Cundhart identisch ist.

Page 34: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

66 67

Abb. 2: Flurkarte mit Böschungen. Kartengrundlage: Liegenschaftskataster, Gemarkung Oberndorf und Daten der Bayerischen Vermessungsverwaltung.

Abb. 3: Böschung der oberen Terrasse Ostseite.

Das planierte Gebiet und eine kleine nach Süden geneigte Wiese liegen auf einer Terrasse, die hier als obere Terras-se bezeichnet wird. Sie ist nach Süden, Osten, Nordosten und teilweise nach Westen von künstlich angelegten Bö-schungen umgrenzt. (Abb. 3)

Die geradlinigen Böschungen nach Süden (1) und Osten (2) stehen im stumpfen Winkel zueinander. Unterhalb dieser Terrasse liegt eine weitere, grö-ßere Terrasse. Sie wird im Osten durch den Graben zum Motzenbach und im Süden und Westen von zwei annähernd

Das Kirchdorf Haselbach liegt circa 1.200 Meter Luftlinie oder circa 20 Gehminuten vom Ortszentrum Ebers-berg entfernt in nordöstlicher Richtung auf einem Hügelsporn. Mit der weithin sichtbaren Kirche Sankt Margaretha ist es ein beliebtes Fotomotiv. Der Blick nach Haselbach stellt den Inbegriff ei-ner friedlichen Idylle dar. Bei genauerem Hinsehen fallen im Gelände einige An-omalien in Form von Böschungen auf. (Abb. 1)

Das System der Böschungen

Der Hügelsporn, auf dem Haselbach liegt, ist aus einer Endmoräne der Wür-meiszeit geformt. Er wird im Osten vom Motzenbach1 und im Süden von der Ebrach begrenzt. Auf dem Nasenrücken dieses Sporns findet sich das teilweise planierte Siedlungsgebiet des Ortes. Das Siedlungsgebiet ist von Böschungen umgeben. (Abb. 2)

Die frühmittelalterliche Wehranlage in Haselbach, Stadt Ebersberg

Rudolf Scharl

Abb. 1: Blick nach Haselbach von Süden.

Page 35: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

68 69

dieses Böschungssystem informiert. In seiner Antwort stellt es fest, dass es sich bei den Böschungen lediglich um Ackerterrassenkanten und Flurbegren-zungen handle. Es gebe weder im Luft-bild noch im Digitalen Geländemodell, in alten Karteneinträgen oder durch Altmeldungen Indizien für eine heute vergangene Befestigungsanlage.3

Die Errichtung eines Böschungssys-tems mit Böschungen von 1,5 Metern für Flurabgrenzungen ist unter dem Gesichtspunkt rationalen Wirtschaf-tens nicht erklärbar. Vielmehr folgen die Flurstücksgrenzen den bereits vorhandenen Böschungen. Flurstücks-grenzen wurden zur klar bestimmbaren

Stufen und einer Berme von circa. 2 Metern ausgestaltet. Im Osten geht die Böschung in den Steilhang zum Motzen-bach über, im Nordosten ist sie durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung verebnet, zum Teil ist ein flacher Gelän-derücken erkennbar.

Die Böschungen haben unterschied-liche Höhen, von 0,5 Meter bis über 1,5 Meter. Ihre Neigung beträgt 20° bis 35°. Die Flurstücksgrenzen folgen zum großen Teil den Böschungslinien.

Böschungen als Wehranlage

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) wurde über

Abb. 5: Böschung nach Westen, Ansicht von der Straße aus Reith.

geradlinigen Böschungen (3 u. 4) um-geben, die ebenfalls einen stumpfen Winkel bilden.

Westlich der Kirche, im Wald, etwa 90 Meter von den Terrassen entfernt, befindet sich in Ost-West-Richtung eine circa 20 Meter lange Böschung mit zwei Stufen (5). Die Stufen sind durch einen circa 5 Meter breiten Absatz (Berme) unterteilt, der diese sehr steile Böschung standsicherer macht und einen Bö-schungsbruch verhindert. Nach Westen geht diese Böschung in den Steilhang im Wald über. Eine Stützmauer aus Granitsteinen an der oberen Stufe und eine Treppe wurden erst nach dem 2. Weltkrieg eingebaut.2 Zwischen dieser Böschung und der Kirche verläuft in ei-nem Obstgarten auf dem westlichen Teil dieser Strecke ein circa 2 Meter breiter Streifen mit Bewuchsunterschied, der als positives Bewuchsmerkmal (6) auf Feuchtigkeitsdifferenzen und damit auf eine Veränderung der Bodenstruktur hindeutet. (Abb. 4)

Nördlich der zweistufigen Böschung

(5) liegt eine Wiese ohne Auffälligkeiten. Weiter nördlich verläuft eine weitere nach Westen gerichtete Böschung (7), die von der Straße nach Reith auf den nördlich gelegenen Hügel verläuft. (Abb. 5) Sie liegt in einer Linie mit dem westlichen Ende der zweistufigen Böschung (5).

Östlich der Ortsbebauung befindet sich am Motzenbach eine Ausbuchtung mit einem nach Nord-Ost abfallenden Steilhang. Die Hangkrone ist auf circa 10 Meter als Böschung (8) mit zwei

Abb. 4: Positives Bewuchsmerkmal im Obstgarten.

Page 36: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

70 71

Abb. 6: Karte mit Böschungslinien. Kartengrundlage: Generalstabskarte 1920 mit Höhenlinien und Daten der Bayerischen Vermessungsverwaltung. Das Gebiet um Haselbach wurde um Eintragungen reduziert, um die Höhenlinien erkennbarer zu machen.

von geringer Schutzwirkung gegenüber Fußvolk. Erfolgreich kann eine solche weiträumige Barriere aber als Annähe-rungshindernis gegen eine Reitergruppe wirken.

Ein solcher Feind waren die Un-garn in der 1. Hälfte des 10. Jahrhun-derts. Gegen sie waren die üblichen

Befestigungsanlagen mit Mauer und Graben unwirksam. Kennzeichnend für diese Reitergruppen war eine bis dahin nicht gekannte Kampf- und Waffen-technik. Sie griffen mit ihren schnellen Pferden ohne Vorwarnung selbst befes-tigte Städte an, plünderten und zogen wieder ab, bevor sich ein Widerstand

Haselbach weist diese Merkmale auf, zum Teil verlaufen sie sogar auf der Fall-linie des Hanges. Auf der Abbildung 6 wären hangparallele Böschungen durch einen parallelen Verlauf mit den Höhen-linien erkennbar. Dies ist bei keiner der Böschungen der Fall. Die zweistufige Böschung (5), die mit einer Höhenlinie parallel verläuft, stellt lediglich einen Ausbau des natürlichen Steilhangs dar. Die Böschung der angesproche-nen Ackerterrasse in Haselbach wurde selbstverständlich nicht berücksichtigt. (Abb.6)

Die Böschungen in Haselbach sind nicht zufällig durch Planierungen oder durch die landwirtschaftliche Bewirt-schaftung entstanden, sondern planmä-ßig angelegt. Sie liegen um einen Kern im Umfeld des jetzigen Kiermayer-Hofs und sind radial mit der Front nach au-ßen errichtet. Die topografischen Gege-benheiten wurden dabei berücksichtigt. Offenkundig handelt es sich bei dem System von Böschungen um die Reste einer Wehranlage. Dabei kann unter-stellt werden, dass auf den Böschungen Strauch- und Dornverhaue oder ein Palisadenzaun errichtet wurden. Ver-haue waren seit prähistorischer Zeit eine verbreitete Abwehrmaßnahme.

Bei der Frage, gegen welche Angrei-fer sich eine solche Anlage gerichtet haben kann, liefert die untere Terrasse einen entscheidenden Hinweis. Die relativ große Entfernung der südlichen Terrassengrenze von 150 bis 200 Metern zu dem zu schützenden Zentrum, ist nur

Feststellung ihres Verlaufs, soweit möglich, an natürlichen Merkmalen ausgerichtet. Deutlich erkennbare Bö-schungen waren solche Merkmale. Da es keinen Grund gab, für die landwirt-schaftliche Bewirtschaftung die Bö-schungen an einer Flurstücksgrenze zu verändern, sind die Böschungen über Jahrhunderte erhalten geblieben. Dort, wo ehedem Böschungen, Gräben oder Wälle innerhalb eines Grundstücks lagen, zum Beispiel bei dem Bewuchs-merkmal (6) oder bei der Böschung am Motzenbach (8), wurden sie durch die Bewirtschaftung verebnet.

Ackerterrassen treten an stark geneigten Hängen mit ackerfähigem Boden auf und sind seit dem Mittel-alter bekannt. Durch hangparalleles Pflügen verschob sich die Erde talwärts und wurde an der unteren Feldgren-ze angehäuft. Hierdurch bildete sich eine Böschung, die auch deutlich die Feldgrenze wiedergibt. Die Höhe der Böschung ist abhängig von der Hang-neigung und der Hanglänge. Im Raum Ebersberg existieren mehrere Beispiele für Ackerterrassen, unter anderem auch in Haselbach. Kennzeichnend für Acker-terrassen sind die hangparallele Lage der Böschungen, die durchaus bis zu einer Höhe von 1 Meter reichen können, und eine typische seitliche Abböschung der Felder bei ungestörter Lage. Von oben nach unten steigt die seitliche Abbö-schung, vom Bodenniveau des Umfelds beginnend, kontinuierlich bis zur Höhe der hangparallelen Böschung an. Keine der oben beschriebenen Böschungen in

Page 37: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

72 73

Geltung haben. Zu bedenken ist aber, dass bei der starken frühmittelalter-lichen Bevölkerungsvermehrung und der damit verbundenen Ausweitung der Siedlungsflächen die Anzahl der großen Burganlagen nicht ausreichte, flächendeckend dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Dazu Michael Weithmann:

„Neben zentralen Schutzorten entstand […] eine große Anzahl kleinerer Refugien, die über das ganze Land verstreut errichtet wurden und nur bestimmten Gauen oder Orten Schutz boten. […] Es handelte sich um Gemeinschaftswerke der Bevölkerung von Dörfern und Weilern aus der Einsicht der Bedrohung selbst heraus, teils wohl auch unter der Anleitung und dem Druck herzoglicher oder kirchlicher Gesandter. […] Viele dieser kleinen Ungarnfliehburgen sind namenlos geblieben und nach dem Ende der Bedrohung wieder völlig in Vergessenheit geraten.“5

Gerhard Mildenberger stellt im Zu-sammenhang mit der Errichtung von Burgen in germanischer Zeit fest, dass es nicht sicher sei, dass alle Fluchtbur-gen mit Wällen oder Mauern befestigt waren, deren Reste sich noch heute erkennen lassen. „Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass auch leichtere Befestigungen errichtet wurden, die sich dem archäologischen Nachweis entzie-hen. Insbesondere ist hier an Hecken und Dornverhaue zu denken.“6

Die Wehranlage in Haselbach ist als kleines Refugium zu bezeichnen. Die Er-richtung solcher Anlagen gründete sich

meist nicht auf vorhandene wiederver-wendbare Gräben oder Wälle. Die An-lagen mussten mit einer vergleichsweise geringen Anzahl an Arbeitern geschaffen und im Gefahrenfall auch verteidigt wer-den. Die geringen technischen und per-sonellen Möglichkeiten ließen zumeist nur einfache Erde-Holz-Befestigungen zu. Durch Böschungen, deren ursprüng-liche Höhe nicht mehr festgestellt werden kann, die aber aufgrund vorhan-dener Reste 1 bis 1,5 Meter überstiegen haben dürften, war in Haselbach bei hohem personellem Einsatz eine relativ zügige Errichtung gewährleistet. Ein Strauchverhau durch die Bepflanzung der Krone mit schnellwachsendem Strauchwerk und Dornengestrüpp stellte eine effektive Reiterabwehr dar. Reiter wurden am Eindringen gehindert, das Schussfeld wurde gestört und die freie Sicht der Reiterkrieger auf ihr Ziel verhindert. Der Verhau musste für die Verteidiger aber tiefer liegen, um darü-ber hinwegschießen zu können. Bei der oberen Terrasse ist deshalb auch eine auf der Böschungskrone angebrachte Befestigung mit Palisaden in Erwägung zu ziehen.

Auch der Verlauf der Befestigung im Gelände spricht für eine ungarn-zeitliche und damit frühmittelalterliche Datierung der Anlage in Haselbach. Bei einem Vergleich von prähistorischen Anlagen mit frühmittelalterlichen Be-festigungen kommen Burgenforscher zu folgendem Ergebnis: Bei prähisto-rischen Anlagen ist eine dem Gelände angepasste, bogenförmige Führung der Befestigung normal. Dem gegenüber

Hanggräben, die in die künstlichen Stufen eingezogen wurden, umgeben.“4

Die Wehranlage in Haselbach liegt auf einem Hügelsporn und ist mit Bö-schungen terrassiert. Es existieren aber keine Gräben oder Wälle. Lediglich ein positives Bodenmerkmal (6), vermutlich für einen verebneten Graben im jetzigen Obstgarten, konnte westlich der Kirche festgestellt werden.

In Zeiten der Gefahr bestand schon seit prähistorischer Zeit Bedarf, Zu-fluchtsstätten zu haben. Topografisch geeignete Lagen wurden bevorzugt ausgebaut und bei neuerlicher Gefahr wieder verwendet. Dies gilt auch für die meisten der in der Literatur immer wieder zitierten Burganlagen gegen die Ungarneinfälle. Gerne werden deshalb Ungarnrefugien oder Ungarnwälle mit mächtigen Wall- und Grabensystemen und gut erhaltenen Abschnittsbefes-tigungen verknüpft, zum Beispiel die „Alte Burg“ von Unterregenbach an der Jagst, St. Michelsberg bei Kipfelsberg oder die „Birg“ bei Hohenschäftlarn, wobei Teile der Wehranlagen auch aus Böschungen bestehen können. Auch die Wallanlage „Schlossberg“ südlich des Schlosses Elkofen ist in diesem Zu-sammenhang zu erwähnen. Das BLfD sieht deshalb Erdwälle und Reiterhin-dernisse als Definitionskriterien für Un-garnburgen und lehnt wegen Fehlens dieser Merkmale eine ungarnzeitliche Einstufung von Haselbach ab.

Für große Schutzburgen, insbe-sondere wenn sie historische Anlagen wieder nutzen, mag dies durchaus

formieren konnte. Die Angriffe erfolgten vom Pferd aus mit Pfeil und Reflexbo-gen, der zum Beispiel dem fränkischen Langbogen erheblich überlegen war. Gefürchtet war vor allem der Pfeilhagel, auch mit Brandpfeilen. Anhand von Nachbauten ungarischer Reiterbögen konnte ermittelt werden, dass die Reichweite von Pfeilen bei ballistischem Abschuss zwischen 150 Meter und 200 Meter lag. Eine Verteidigungsanlage musste also auf große Distanz ange-legt sein. Die Angreifer waren bereits im Vorfeld daran zu hindern, mit ihren Fernwaffen Schaden anzurichten. Eine für Pferde nicht überwindbare Barriere wie Böschungen mit Strauch- und Dorn-verhau war ein ausreichendes Annähe-rungshindernis, denn die ungarischen Reiter waren nicht darauf eingerichtet, eine längere Belagerung durchzuführen oder die Hindernisse zu beseitigen.

Gegen diese Bedrohung durch un-garische Reiter wurden im ganzen Land Refugien geschaffen. Michael Weith-mann beschreibt die Refugien wie folgt:

„In unserer Gegend [Altbayern, Anm. d. Verf.] boten sich […] besonders häufig die Winkelflächen zwischen zwei zusammenlau-fenden Wasserläufen (an). Diese sogenann-ten ‚Spornburgen‘, im Grundriss dreieckig, beschränkten also die Angriffsmöglichkeit nur auf die dem Bergplateau oder ebenen Hinter-land zugewandte Seite. Diese wurden durch Gräben und Wälle gesichert. […] Waren die Flanken der Bergzunge beziehungsweise die abfallenden Seiten zu den Flusstälern zu wenig steil, so wurden sie künstlich abge-böscht, in manchen Fällen terrassiert und mit

Page 38: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

74 75

erscheint für derartige Geländeforma-tionen heute befremdlich. Sie könnte aber auf einen weit zurückliegenden Sprachgebrauch verweisen, mit dem der Begriff „Damm“ im Althochdeutschen die Bedeutung von „hinausstoßen, zurückdrängen, vertreiben“ hat oder bei Johann Andreas Schmeller im Sinne von „einengen“, „bezähmen“ gebraucht wurde.10 Insbesondere wegen des auf der Böschung geführten Weges könnte man versucht sein, die Bezeichnung von Wegedamm oder Straßendamm herzu-leiten. Die Bezeichnung wird jedoch für alle Böschungen gebraucht.

Ungarneinfälle in Baiern

Über die Häufigkeit der Ungarneinfäl-le finden sich Informationen nur in den

Annalen und Heiligenlegenden. „Allein 33 nach Westen gerichtete Kriegsunter-nehmen zwischen den Jahren 898 und 955 verzeichnen die Annalen. Ein Gutteil betraf das Herzogtum Baiern direkt.“11 Baiern war damals Teil des ostfränki-schen Reiches. Dem Kernland von Baiern waren das durch die Zerschlagung des Awaren-Reiches durch Karl den Großen gewonnene Pannonien im 9. Jahrhundert als pannonische Provinz oder Awaren-Mark und die karantanische Provinz als Präfektur angegliedert worden. Damit reichte das baierische Herrschaftsge-biet zu Beginn des 9. Jahrhunderts bis weit in das heutige Niederösterreich und Oberitalien. (Abb. 7) Es hatte eine gemeinsame Grenze mit dem aus Ma-gyaren und Turkstämmen bestehenden Stammesverband der Ungarn, die, ab der Mitte des 9. Jahrhunderts aus der

Abb. 7: Baiern kurz vor 900.

scheint eine fast gerade Linienführung der Befestigung mit stumpfwinkeligem Scheitelknick bei frühmittelalterlichen Anlagen nicht unüblich.7 Die Wehran-lage in Haselbach weist diese Merkmale für eine frühmittelalterliche Anlage auf.

Einige Fragen müssen aber offen bleiben. Haselbach war im Osten durch den natürlichen, steilen Graben des Motzenbachs geschützt. Im Süden, am Nasenrücken des Hügelsporns war es wegen der geringen Steilheit durch zwei übereinander gelegene Terrassen mit Böschungen gesichert. Die beiden Ter-rassen enden im Westen vor der Kirche. Die Verteidigungslinie ist damit nur circa 50 Meter vom zu schützenden Zentrum entfernt. An dieser Stelle kann wegen des zwischenzeitlichen Kirchenbaus und des Wegebaus die ursprüngliche Situation nicht mehr rekonstruiert werden. Es ist aber zu vermuten, dass das Zusammen-treffen der beiden Böschungen (1, 3) zu einem höheren Erdwerk, möglicherweise zu einer zweistufigen Böschung führte.

Bezieht man das westlich der Kirche in Ost-West-Richtung liegende zweistufige Böschungsstück (5) in die Überlegungen ein,8 so ist von dem oben angedachten Erdwerk bis zu diesem Böschungsstück eine Verteidigungslinie zu vermuten. Durch die baulichen Maßnahmen be-ziehungsweise Planierungen im dazwi-schen liegenden Obstgarten wurde die vermutete Befestigung wahrscheinlich verebnet. Der Obstgarten weist aber an der möglichen Verteidigungslinie einen Knick von einem leichten Gefälle zu ei-nem stärkeren Gefälle auf. Der Streifen mit Bewuchsänderung folgt dem leicht

gebogenen Verlauf des Gefälleknicks. Als positives Bewuchsmerkmal deutet der Streifen auf einen Graben hin. Die südliche Flanke des Hügelsporns war also durch eine zweistufige Böschung, möglicherweise durch einen Graben mit Wall gesichert. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass bei der Südflanke die Hangquellen und die damit verbun-dene Vernässung des Hanges sowie die Ebrach mit ihrer Sumpfaue erhebliche Annäherungshindernisse für Reiter darstellten.

An der ebenen Seite des Hügelsporns Richtung Westen und Nordwesten sind Böschungen nur noch teilweise erkenn-bar. Doch ist auch hier eine geschlosse-ne Verteidigungslinie zu vermuten. Reste eines Halsgrabens konnten aber nicht entdeckt werden.

Die Absicherung des zu schützenden Gebiets an der nordöstlichen Flanke des Hügelsporns kann wegen der bestehen-den Bebauung und der landwirtschaftli-chen Nutzung nicht mehr rekonstruiert werden. Es findet sich auf nordöstli-cher Seite der Rest einer zweistufigen Böschung (8) an der Hangkrone zum Motzenbach. Eine Verteidigungslinie im leichten Bogen von dieser Stelle bis zum nördlichen Rand der Bebauung entlang eines teilweise erkennbaren flachen Geländerückens wäre denkbar. Böschungen und / oder ein Strauchver-hau könnten einen Absperrriegel nach Nordosten gebildet haben. Bewuchs-merkmale wurden in dem fraglichen Bereich nicht entdeckt.

Die Böschungen werden im Ort als „Damm“ bezeichnet.9 Diese Bezeichnung

Page 39: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

76 77

Herzog Heinrich I. die erneut einfal-lenden Ungarn wohl gegen erhebliche Tributzahlungen nach Westen umzulei-ten.15 955 wurden sie auf dem Lechfeld bei Augsburg besiegt.

Bedrohung von Haselbach durch Ungarneinfälle

Dem Raum Ebersberg kam beim Kampf gegen die Ungarneinfälle eine strategische Bedeutung zu. Dabei ist entscheidend, dass Wälder für die Steppenkrieger erhebliche Hindernisse darstellten. In Wäldern konnten sie die Vorzüge ihrer Kriegsführung wie Schnelligkeit, Scheinfluchten, Pfeil und Bogen nicht nutzen. Außerdem bestand die große Gefahr des Hinterhalts. Die Durchzugswege der Ungarn führten des-halb entweder nördlich des Ebersberger Forsts und des mit ihm zusammenhän-genden Haager Forsts vorbei oder süd-lich der zusammenhängenden Wälder des Hofoldinger und des Höhenkirchner Forsts. Der einzig natürliche Zugang von Westen war bei der Engstelle in Kirch-seeon leicht zu sperren. Der kürzeste Weg von Westen nach Ungarn führte nördlich des Ebersberger Forsts und des Haager Forsts über das Isental und das Rottal zu den Pockinger Heiden als Futterplatz für ihre Pferde und dem dortigen Innübergang. Auf diesem Weg musste der schmale Korridor zwischen den Sumpfgebieten im Erdinger Moos und dem Forst passiert werden. Dieser Korridor war aber durch Wehranlagen in Sempt beziehungsweise Utzing (Gde.

Oberbergkirchen, LK Mühldorf) gesi-chert. Im Süden stellten die Mangfall-Befestigungen bei Mitterdarching eine Gefahr für die Ungarn dar. Alle diese Befestigungsanlagen waren im Besitz der Ebersberger Grafen. Der Graf von Ebersberg konnte von Ebersberg aus bei drohender Gefahr die Verteidigungsan-lagen in relativ kurzer Zeit verstärken.16

Ebersberg war demnach aus Rich-tung Norden, Westen und Süden durch Wälder geschützt. Nur nach Osten war es für Angriffe der Reiterkrieger offen. Aus dieser Richtung erfolgte nach der Klosterchronik von Ebersberg auch der Einfall der ungarischen Reiterkrieger. Die Klosterchronik aus dem 11. Jahrhundert berichtet darüber: „Quorum legio ad orientem castri Eberspergensis in equis accurrens , ac sagittas pro omine contra castrum emittens , et id tutum per omne sentiens , cum gannitu ab eo profugit .“17 Deren Heer (das Heer der Ungarn) eilte an die Ostseite der Ebersberger Burg mit Stuten herbei und schoss als Warnung Pfeile gegen die Burg, und als sie diese als geschützt erkannten, flüchteten sie schimpfend von dort.

Nach dem Bericht von Walter Sage, der die Grabungen südlich der Pfarrkir-che Sankt Sebastian in Ebersberg leitete, wurde die erste hölzerne Burg in Ebers-berg niedergebrannt

„und das kann natürlich im Zuge eines früheren und erfolgreichen ungarischen An-griffs geschehen sein. Unklar bleibt zunächst, ob eine solche Zerstörung in die Frühphase

südrussischen und südukrainischen Steppe kommend, das Karpatenbecken besetzten. 895 erfolgte die endgültige Landnahme. Fast alle nach Westen ge-richteten Kriegszüge der Ungarn muss-ten durch Baiern.

Die Feldzüge der Ungarn dienten der Stabilisierung ihres neuen Siedlungsrau-mes. Tributzahlungen, Söldnerdienste sowie Beutegüter aus den benachbarten Hochkulturen und Sklavenhandel wa-ren neben Viehzucht und den Abgaben unterworfener Ackerbauern die wirt-schaftliche Basis des Steppenimperi-ums. Ihre Feldzüge waren aber keine chaotischen Aktionen, wie in älteren Berichten behauptet. Vielmehr nutzten sie, gut organisiert, die Streitigkeiten der europäischen Provinzherrn aus, um vor allem Tributzahlungen einzutreiben. Die Ungarn waren Verbündete beziehungs-weise Auftragnehmer der damaligen Großmächte, unter anderem auch des ostfränkischen Königs. Sie waren diszip-liniert und in der Regel vertragstreu.

Nach einer Reihe von Angriffen ver-suchte der baierische Markgraf Luitpold 907 die Ungarn zu verdrängen. Diese Aktion endete mit einer vernichtenden Niederlage der Baiern bei Preßburg, bei der der Markgraf und zahlreiche Adelige und Bischöfe fielen. Von da an war Bai-ern den Angriffen der Ungarn schutzlos ausgeliefert. Bevorzugtes Ziel waren die ungeschützten und leicht erreichbaren Klöster, die auch reiche Beute verspra-chen, zum Beispiel 909 der Bischofssitz von Freising. Die Altaicher Annalen verzeichnen 911 ein „proelium cum

Ungaris ad Nuihanga“ (oder in anderer Lesart „Luihanga“, Loiching oberhalb Dingolfing), eine Schlacht mit Ungarn bei „Nuihanga“. „Nuihanga“ wird mit Neuching übersetzt. Sollte die Lesart mit „Nuihanga“ richtig sein, könnten die Ungarn wegen des befestigten Ebersbergs angezogen worden sein.12 913 verheerten die Ungarn Baiern und Schwaben. Bei ihrer Heimkehr wurden sie vom baierischen Herzog Arnulf I. am Inn geschlagen.

Ein Streit zwischen dem ostfrän-kischen König Konrad I. und dem baierischen Herzog Arnulf I. um die Kirchenhoheit, dessen Zeitpunkt nicht eindeutig bestimmbar ist, mündete in der Flucht des Herzogs nach Ungarn bis 917. Herzog Arnulf hatte wohl nach sei-nem Sieg 913 am Inn diplomatische Be-ziehungen mit den Ungarn gepflegt. Bis 926 blieb Baiern von den Einfällen der Ungarn verschont, wohl weil der baieri-sche Herzog Arnulf I. zum ungarischen Vasallen geworden war. 926 waren des-sen Tributzahlungen eingestellt worden und die Ungarn fielen wieder in Baiern ein und bestürmten Augsburg. Dem ostfränkischen König Heinrich I. und im Anschluss daran dem baierischen Herzog Arnulf I. gelang 926 ein neuer Waffenstillstand.13 Der Waffenstillstand lief aber nicht aus, sondern wurde 933 vom ostfränkischen König Heinrich I. im Einvernehmen mit seinen Großen gekündigt.14 Neue Angriffe waren die Folge, aber den Ungarn gelangen keine bedeutenden Siege mehr. 943 wurde Baiern nur kurz von den Ungarn ge-streift. 954 gelang es dem baierischen

Page 40: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

78 79

Ebersberg selbst im Zusammenhang mit dem Namen eines Zeugen auf. Zwischen 1010 und 1020 übergab der „miles“ Dietram eine „manse“ in Sallandorf (Salmdorf) an das Kloster Ebersberg. Als letzter Zeuge der Zeugenliste wird ein Adalfrid „de hasalpah“ genannt.22 Die Reihenfolge der Zeugen gibt ihre Bedeutung beziehungsweise ihren Rang wieder. Als letzter Zeuge hat der Adalfrid „de hasalpah“ den niedrigsten Rang in der Zeugenliste. Da er nach Günther Flohrschütz in der folgenden Schen-kungsnotiz als Adalfrid „de spiliperga“ (Spielberg) auftritt, sei dies ein Beleg, dass die Zeugen der Grafen sich nicht nach deren Gütern nannten. Florschütz vermutet, dass der Graf einen Tausch vornahm. Er widmete den näheren Hof dem Kloster und gab dem Adalfrid einen Besitz in Spielberg. Die Verwal-tung solcher Eigengüter der Grafen sei demnach von Leuten wahrgenommen worden, die vermutlich Unfreie waren.23 Der Namenszusatz „de hasalpah“ war demnach eine Herkunftsbezeichnung und kein Beiname.

Es liegt nahe, dass aufgrund der Bedrohung durch Ungarneinfälle die Grafen von Ebersberg in der 1. Hälfte

des 10. Jahrhunderts ihren Besitz in Ha-selbach hatten schützen und gleichzeitig aber auch ein Refugium für die lokale Bevölkerung schaffen wollen, denn das Umfeld scheint bereits bewohnt gewe-sen zu sein. In Motzenberg und Wes-terndorf soll nach Günther Flohrschütz ein Grundstück oder Gut im Besitz der Grafen bestanden haben. Er datiert die Orte Motzenberg und Altmannsberg aufgrund der Gründernamen Mazo und Altman in das 10. Jahrhundert.24 Unter Berücksichtigung der ersten Erwähnun-gen von Orten in der Umgebung im Car-tular von Ebersberg wie Mailing (980), Weiding (1010) und Sigersdorf (1060) dürfte das Umfeld von Haselbach zu-mindest teilweise bereits zur Ungarnzeit bewohnt gewesen sein. Aufgrund seiner topografischen Vorzüge kam Haselbach eine besondere Schutzfunktion für die-ses Umfeld zu. Es liegt nahe, die Wehr-anlage in Haselbach aufgrund ihrer Funktion und ihrer Größe als das Werk eines Kollektivs zu sehen, das wohl unter Anleitung und mit Hilfe von Vasallen der gräflichen Besitzer errichtet wurde.

Kennzeichnend für die kleinen Fliehburgen war ihre versteckte Lage.

Abb.8: Auszug aus der älteren Ebersberger Klosterchronik. Markierung durch den Verfasser.

ungarischer Überfälle etwa vor 915 fiel, wofür sprechen könnte, dass Bayern nach diesem Zeitpunkt länger verschont blieb, oder ob der Wiederaufbau als unmittelbare Reaktion auf die Brandschatzung und womöglich unter be-achtlichem Zeitdruck erfolgte.“

Die Befunde der Grabungen erbrach-ten, „dass zur überlieferten Zeit (933 Anm. d. Verf.) unter Graf Eberhard I. ein Neubau der Burg in Stein erfolgte; die Datierung der in Resten erhaltenen ältesten Massivumwehrung in die Jahre um 933/34 liegt durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen.“

Man hatte sich beim Bau der Um-wehrung aber nicht die Mühe gemacht, „wenigstens für die horizontale Lage der Mauersohle zu sorgen“. Dies könnte nach Sage für die große Hast beim Bau des Beringes sprechen, also für Arbeit bei drohender Gefahr und somit vielleicht auch für das rasche Aufeinander von Brandzerstörung und Wiederaufbau.18

Die Klosterchronik und die Gra-bungen geben Hinweise, dass Ungarn vermutlich um 933 im Raum Ebersberg waren. Auch Haselbach lag in diesem nach Osten ungeschützten Gebiet. Aus dem Forst war keine Gefahr zu befürch-ten. Der zwischen Ebersberg und Sempt bei Forstinning führende Burgweg durch den Forst war für die Ungarn wertlos, da er leicht unpassierbar zu machen war. Der Ort Reith existierte im Frühmittel-alter noch nicht.19 Möglicherweise war deshalb auch die Wehranlage von Hasel-bach in Richtung Westen und Nordwes-ten wegen der Schutzfunktion des Forsts nur schwach ausgebildet.

Zu prüfen ist, ob Haselbach zur Zeit der Ungarneinfälle bereits existierte. „Die ‚Herrschaft‘ Ebersberg ist entstanden durch die Rodung eines Teiles des Ebers-berger, vormals Sempter Forsts, den der Graf (Sieghard) samt dem Markt Sempt vom König erhalten hatte“, so Flohr-schütz. Den Beginn der Rodung setzt er mit circa 890 an.20

Es ist davon auszugehen, dass unter den ersten Rodungen auch die gräflichen Besitzungen waren. Zu dieser Zeit war die Gefahr der Ungarneinfälle bereits real. Der Graf musste also bei den von ihm veranlassten Rodungen bereits den Gesichtspunkt der Verteidigungsfähig-keit berücksichtigen. In weitem Umkreis bietet Haselbach aufgrund seiner Sporn-lage die beste Verteidigungsmöglichkeit. Haselbach dürfte also bei den ersten Rodungen gewesen sein und zur Zeit der Ungarneinfälle bereits existiert haben. Schriftliche Nennungen finden sich aber erst später. So wird der Ort Haselbach in der Klosterchronik, vorangestellt dem Cartular, der ältesten Verwaltungshand-schrift des Klosters Ebersberg aus dem 11. Jahrhundert, erwähnt. Darin wird vom Tod des Grafen Ulrich von Ebers-berg im Jahre 1029 berichtet und weiter: „Pro cuius animae requie filius Adalpero praedium haſalpah dedit“.21 Für die Ruhe seiner Seele übergab sein Sohn Adalpero das Gut in Haselbach an das Kloster. Damit ist belegt, dass es sich in Hasel-bach um ein „praedium“ (Landgut) des Grafen handelte. (Abb. 8)

Der Ortsname Haselbach taucht aber auch im Cartular des Klosters

Page 41: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

80 81

Anmerkungen

1 Der Bachlauf von Motzenberg zur Ebrach trägt amtlich keine Bezeichnung, wird aber vor Ort als Motzenbach bezeichnet.

2 Angaben von Theodora Ulrich, Haselbach.3 Das BLfD wurde mit E-Mail vom 14.07.2014 mit einem

Plan über die Böschungen und einem Foto über einen Fund informiert. Es teilte am 21.07.2014 unter ande-rem mit dieser Begründung mit, dass dem Fund und dem Böschungssystem kein Denkmalwert zukomme.

4 Weithmann, Michael W.: Die „Ungarn-Fliehburgen“ des 10. Jahrhunderts, in: Ungarn-Jahrbuch 20 (1992), S. 1-26, hier S. 9.

5 Ebenda, S. 7.6 Schneider, Wilhelm: Die südwestdeutschen Ungarn-

wälle und ihre Erbauer, (Arbeiten zur alamannischen Frühgeschichte 16), Tübingen 1989, S. 152; Milden-berger, Gerhard: Germanische Burgen, (Veröffentli-chungen der Altertumskommission im Provinzialins-titut für westfälische Landes- und Volksforschungen, Landschaftsverein Westfalen-Lippe 6), Münster 1978, S. 149.

7 Schneider (wie Anm. 6), S. 169; Fehring, Günter P. / Kummer, Stefan / Stachel, Günter: Die Alte Burg ober-halb von Unterregenbach, in: Württembergisch Fran-ken 56 (1972), S. 121-152, hier S. 128.

8 In der Karte von 1920 liegt dieses Böschungsstück auf einer Wiese außerhalb des Waldes. Diese Wiese ist jetzt durch Bäume und Strauchwerk überwachsen.

9 Aussage von Theodora Ulrich, Haselbach.10 Das Wort „Damm“ wird als Rückbildung aus dem

Verb althochdeutsch „firtemmen“, neuhochdeutsch „dämmen“ angesehen mit der Bedeutung von „hin-ausstoßen, zurückdrängen, vertreiben“. Riecke, Jörg: Die schwachen „jan“-Verben des Althochdeutschen: ein Gliederungsversuch, Göttingen 1996, S. 384-385; Köbler, Gerhard: Althochdeutsches Wörterbuch 2014, „firtemmen“, http://www.koeblergerhard.de/ahdwb-hin.html (zuletzt eingesehen am 07.11.2014); Schmel-ler, Johann Andreas / Frommann, Georg Karl: Bayeri-sches Wörterbuch, Bd. 1, München 1872, Sp. 506.

11 Weithmann (wie Anm. 4), S. 1. 12 Ebenda, S. 3. 13 Ebenda, S. 3, 4. 14 Jäschke, Kurt-Ulrich: Burgenbau und Landesverteidi-

gung um 900, Sigmaringen 1975, S. 28.15 Weithmann (wie Anm. 4), S. 4.16 Bowlus, Charles R.: Der Weg vom Lechfeld. Die Krieg-

führung der Magyaren, in: Wurster, Herbert W. / Treml, Manfred / Loibl, Richard (Hg.) Bayern-Ungarn – Tausend Jahre, Aufsätze zur Bayerischen Landesaus-stellung, Passau 2001, S. 77-90, hier S. 85-89; Flohr-schütz, Günther: Der Adel des Ebersberger Raumes im Hochmittelalter, (Schriftenreihe zur Bayerischen Lan-desgeschichte 88), München 1989, S. 103-105.

17 Arndt, Wilhelm (Ed.): Chronicon Eberspergense, in: Monumenta Germaniae Historica, Scriptores 20, Han-nover 1868, S. 9-16, hier S. 12, Z. 1-3.

18 Sage, Walter: Klostergeschichte, die im Boden steckt – Ergebnisse der Ausgrabungen in der ehemaligen Gra-fenburg zu Ebersberg in: Schäfer, Bernhard (Red.): Kloster Ebersberg. Prägekraft christlich-abendländi-scher Kultur im Herzen Altbayerns, Haar bei München 2002, S. 53-76, hier S. 65-66.

19 Mayr, Gottfried: Ebersberg – Gericht Schwaben, (His-

torischer Atlas von Bayern, Altbayern I/48), München 1989, S. 37.

20 Flohrschütz (wie Anm. 16) S. 16-17, 47, 50.21 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA),

KL Ebersberg 2, fol. 5v; Arndt (wie Anm. 17), S. 14, Z. 33; Ziegler, Hans-Ulrich: Das Historische Gesamt-werk des Abtes Williram von Ebersberg (1048 -1085) in: Schäfer, Bernhard (Red.): Kloster Ebersberg. Prä-gekraft christlich-abendländischer Kultur im Herzen Altbayerns, Haar bei München 2002, S. 161-184, hier S. 182. Der Ortsname ist in althochdeutscher Sprache geschrieben, „Hasel“: althochdeutsch „hasal“, mittel-hochdeutsch „hasel“, „Bach“: althochdeutsch „b(p)ah“, mittelhochdeutsch „bach“. Mit „Haselbach“ ist ein von Haselgebüsch gesäumter Bach bezeichnet.

22 BayHStA, KL Ebersberg 2, fol. 13r; Hundt, Friedrich Hector Graf von (Hg.): Das Cartular des Klosters Ebersberg. Aus dem Fundationsbuche des Klosters unter Erörterung der Abtreihe, dann des Überganges der Schirmvogtei auf das Haus Scheyern-Wittelsbach, sowie des Vorkommens von Mitgliedern dieses Hauses, München 1879, S. 139.

23 Flohrschütz (wie Anm. 16), S. 19.24 Flohrschütz (wie Anm. 16), S. 48-49, 53.

Abbildungsnachweis

• Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München: Abb. 8.• Rudolf Scharl, Ebersberg: Abb. 1-7.

Viele dieser Fliehburgen wurden von den Ungarn nicht entdeckt oder nicht heim-gesucht. Archäologische Nachweise für Einfälle der Ungarn sind bei niedrigen Wallanlagen in Verbindung mit Strauch-verhauen nicht möglich. Ausnahmen er-geben sich dann, wenn Funde aus dieser Zeit gemacht werden. Eine hinter einer Böschungskrone gefundene stark korro-dierte Eisenkugel mit zylinderförmigem Loch entsprach in den Maßen, dem Gewicht und der kugeligen Form den Streitkolbenköpfen aus den Herkunfts-gebieten des Stammesverbandes der Ungarn. Auch für Ungarn selbst kann die Kenntnis von kugeligen Streitkolben durch Sekundärquellen, insbesondere durch das ungarische Königsszepter aus dem 12. Jahrhundert, festgestellt wer-den. Die gefundene Eisenkugel war zwar Anlass für die genauere Geländeunter-suchung in Haselbach. Sie war aber kein Streitkolbenkopf. Dank eines Hinweises von Friedhelm Buchenhorst, Grafing, konnte das Fundstück als neuzeitliches Kugelauge oder Gelenkauge eines land-wirtschaftlichen Geräts identifiziert werden. Ein Nachweis, dass ungarische Reiterkrieger Haselbach heimsuchten, kann demnach bisher nicht erbracht werden.

Page 42: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

82 83

Cartular herausgegeben und so der inte-ressierten Öffentlichkeit zugänglich ge-macht.2 Unter der Nummer 37 im Buch Nr. III (Vermischte Fortsetzung) findet sich die Notiz mit der ersten Erwähnung der Ortschaft Schwaben.

Die Schwabener Urkunde

„Quidam miles nomine Ovdalricus tra-didit Deo et s. Sebastiano unam molam apud Suaben cum duobus mancipiis pro remedio anime Ruodperti et pro requie ani-marum omnium fidelium defunctorum. T. Dietmar, Wecil, Aribo, Ekkihard, Chuono, Ebbo, Aribo, Ebo, Ovdalrich, Adalhard, Friderich, Ruodolf, Warmund. Pro investi-tura: Ebbo, Aribo“ – „Ein gewisser Ritter namens Ulrich übergab Gott und dem hei-ligen Sebastian eine Mühle bei Schwaben mit zwei Hörigen zum Seelenheil des Rupert und zur Ruhe der Seelen aller verstorbenen Christgläubigen. Zeugen, Dietmar, […]. Zur Besitzeinweisung: Ebbo, Aribo“ (Abb. 1)

Die Urkunde ist leider undatiert und bedarf einer begründeten chronologi-schen Einordnung. Zwei Namen werden uns genannt. Da ist zunächst der noble Stifter, der „miles“ Ovdalricus, der Rit-ter Ulrich. Dazu erfahren wir von einem verstorbenen Ruodpert, zu dessen See-lenheil die Stiftung dienen sollte. Durch zahlreiche weitere Einträge im Cartular können wir zunächst Ruodpert gut iden-tifizieren. Niemand anderer als Rupert I., Abt des Klosters Ebersberg, verbirgt sich dahinter.

Rupert, Abt des Benedikti-nerklosters Ebersberg von 1085 bis 1115

Im Jahre 1085 trat Rupert I. die Nachfolge seines berühmten und äußerst erfolgreichen Vorgängers Abt Williram an. 30 Jahre lang trug er nun Würde und Bürde seines hohen Amtes in bewegter Zeit hartnäckigen kriegerischen Streits um die rechte Investitur des Klerus. Wenig vor seinem Tod hielt er Rückschau auf sein segensreiches Wirken, denn er zog in der Urkunde Nummer III/35, einem bewegenden Schreiben, in schnörkeliger Handschrift eine Art Lebensbilanz: „[…] ich, Rupert, bin den Wirren der Kriege und auch den Hinterhältigkeiten bos-hafter Menschen begegnet, seit ich, fast noch ein Bub, die Würde eines Abtes von Ebersberg ohne eigenes Verdienst erlangt habe […]“, so und ähnlich klagt er bitter resignierend, vom Alter und vielleicht von Gebrechen gebeugt, in der Mitteilung des Cartulars. Aber er vergisst nicht, in gewachsenem Selbstbewusst-sein fortzufahren, dass er „postquam autem perveni ad maturam“, erwachsen geworden, sich sehr wohl durchzusetzen verstand. Dazu fügt er eine „commemo-ratio acquisitonum“, einer Aufzeichnung von Erwerbungen, an.

Ruperts Abkunft und Verwandtschaft

Rupert war ein Kind der damals sehr einflussreichen und reichen Adelsfami-

Das Ebersberger Cartular

Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Schwaben findet sich im so genannten Ebersberger Cartular. Es ist dies eine für die lokale Geschichte äußerst wertvolle Handschrift, ein Per-gamentband in Großfolio gebunden, im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, München, sorgsam aufbewahrt. Ge-wissenhaft sind darin Stiftungen mit Tradenten, Örtlichkeiten und Zeugen aufgereiht, die das Benediktinerkloster Ebersberg zwischen 934 und 1250

empfangen hat. Die Einträge sind in drei Gruppen vorgelegt: „Liber traditionum“ (Buch der Übergaben), „Liber concam-biorum“ (Buch der Tausche) und „Con-tinuatio traditionum et concambiorum permixta“ (Vermischte Fortsetzung der Übergaben und Tausche). Man weiß sicher, dass der berühmte Ebersberger Abt Williram (von 1048 bis 1085 im Amt) das Cartular hat anlegen und wei-terführen lassen.1

Im Jahre 1879 hat der namhafte Historiker Friedrich Hector Graf Hundt im Verlag der königlichen Akademie das

Abt Rupert I. von Ebersberg und sein Ritter Ulrich

Schwaben 1115 erstmals schriftlich genannt

Willi Kneißl

Abb. 1: Der Ritter Ulrich übergibt 1115 eine Mühle bei Schwaben an das Kloster Ebersberg. Eintrag im Cartular der Ebersberger Benediktinerabtei.

Page 43: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

84 85

wechselte. Wir lesen noch von Über-gaben zu „Huzinisperch“ (Hintsberg) mit einer halben Manse, von „Suaben“ (Schwaben) mit einer Mühle und von ei-ner Mühle des Ekkihard.

Rupert konnte seiner „commemo-ratio acquisitionum“ nichts Weiteres hinzufügen. Er hatte im August 1115 aus diesem Leben gehen müssen. Die-se drei nachgereichten Traditionen ge-schahen unmittelbar nach seinem Tode und dienten als Seelgeräte („remedio animae“) für den Verstorbenen. Er er-warb sie also eigentlich posthum. Der folgende Abt Adalbero, 1115 bis 1117 im Amte, konnte sie eben deshalb dem Lebenswerk seines verehrten Vorgängers zurechnen, ehe er im Jahre 1116 seinem Konvent selber und erstmals durch eige-nen Verdienst eine Zensualin als Unter-gebene gewann (III/38).

Die halbe Manse von Hintsberg findet im Cartular keine weitere Er-wähnung, die Schenkung der Mühle zu Schwaben durch Ritter Ulrich und die Fundation des Ekkihard sind in den Ur-kunden III/37 und III/36 verifiziert.Den sicheren Beweis für diese Zusam-menhänge und vor allem eine treff-sichere Datierung der angefügten Belege liefert uns die Urkunde mit der Mühle des Ekkihard.

Die Schenkung Ekkihards, Bruder von Abt Rupert I., beweist das Jahr 1115

Der Ritter Ekkihard widmete seinen Knecht Lanzo mit dessen Eheweib und

Überlassung klösterlicher Höfe als Le-hen vom Kloster großzügig abgegolten. Die Aussicht auf reiche Kriegsbeute, de-ren Verteilung unter den Siegern genau-estens geregelt war, gab einen weiteren starken Anreiz ab, das wahrlich nicht ge-ringe Risiko der Kriegsleute einzugehen.

Die „commemoratio acquisitionum“, die Aufzeich-nung von Erwerbungen des Abtes Rupert

In der Urkunde III/35 berichtet Abt Rupert auch nicht ohne Stolz vom Er-werb an Grund und Boden, von Höfen, von leibeigenen Menschen, von adeligen Vasallen, die unter seiner Ägide in drei Jahrzehnten für das Kloster gewonnen werden konnten. Er beginnt die Liste mit dem Erwerb von 5 Mansen (auch mittel-alterliches Flächenmaß) Grund und Bo-den in der damals weitläufigen Gemeinde Wald bei Mühldorf, beschreibt Güter und Mühlen zu Moosach, aus väterli-chem Eigentum stammend, und endet nach vielen weiteren Nennungen mit der Tradition von zwei Mansen bei Gramma-nisdorf (Gronsdorf / Salmdorf).

„Suaben“ im Anhang der Erwerbsliste

Es ist zunächst erstaunlich, dass noch drei weitere Einträge in der „com-memoratio“ folgen, die offensichtlich ein anderer Schreiber verfasst hat, der dabei auch noch die Tinte mehrfach

ersparen. In feierlichster Form, auf kost-barem Pergament verpflichtete er seine Schwester Chuniza, dafür zu sorgen, dass Ulrich standesgemäß heiratete. Für diesen Fall versprach überdies sein Ver-wandter Dietmar von Steinhart dem zu-künftigen Bräutigam das wohl unlängst dem Wald abgerungene Gut Wolfers-berg bei Zorneding. Im anderen Fall oder durch Kinderlosigkeit sollte es dem Kloster zufallen. Da Wolfersberg später nie als Klostereigentum genannt wird, hat Ulrich wohl den Wunsch seines On-kels befolgt und eine allen willkommene Ehe geschlossen.

Der Ritter Ulrich, ein Ebersberger Klostervasall

Abt Rupert gewährte seinem Nef-fen die Bezeichnung „miles“. Dieser im Mittel alter gängige Begriff reicht zur Annahme aus, dass Ulrich als freier Edelmann und Ritter sich als Vasall in den Dienst des Klosters gestellt hatte. In Friedenszeiten oblag dem Vasallen wohl vornehmlich das Geleit der Fuhr-leute und die Pflege der Salzstraßen, so-weit sie den Klosterwald südöstlich von Forstinning berührten. Er sicherte die Einnahme des Salzzolls. Auch bei an-deren hoheitlichen Aufgaben wurde der Klostervasall herangezogen. Rief Kaiser Heinrich zum Kriegszug, hatte auch das reichsunmittelbare Kloster Ebersberg sein Aufgebot zu stellen. Abt Rupert sandte seinen wohlgerüsteten Vasallen zum Sammelplatz des Heeres. Die Be-soldung des „miles“ wurde durch die

lie von Moosach (bei Grafing) und als ganz junger Mensch Mönch bei den Benediktinern zu Ebersberg geworden. Die Edelfreien von Moosach hatten drei Linien gebildet. Außer in Moosach leb-te ein Zweig auf dem Sedelhof zu Für-moosen und ein weiterer im festen Haus zu Steinhart an der Attel bei Pfaffing. Schon Ruperts Eltern, die Edlen Megin-hart und Adala von Moosach, bewiesen durch allerlei Stiftungen über weite Stre-cken verstreuten Grundbesitz. So tritt der Name Meginhard auch im Zusam-menhang mit Forstinning in Erschei-nung (z. B. Urkunde I/104).

Der Ritter („miles“) Ovdalricus, Neffe des Abtes Rupert

In der Schwabener Urkunde erfahren wir lediglich von seiner noblen Stiftung. Genauere Auskunft über ihn geben die viel ausführlicheren Notizen III/26, und wir können ihn als Ulrich von Moosach erkennen. Seine Mutter war Chuniza, Schwester des Abtes Rupert, somit war er dessen Neffe. Ein köstliches Detail zur Biographie unseres Ritters Ulrich lässt sich hier entdecken. Es war in jenen Jah-ren üblich geworden, dass die edelfreien Herren hübsche und gesunde Mädchen aus niedrigerem Stand zu Gemahlinnen erkoren. Das geltende Recht traf dann die Kinder aus solchen Ehen hart. Sie hatten dem Stande der Mutter zu folgen und gerieten so in die Unfreiheit. Dieses Schicksal wollte Abt Rupert I. der Fami-lie seines Neffen und Schützlings Ulrich

Page 44: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

86 87

Anmerkungen

1 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Klosterliteralien Ebers-berg 2.

2 Hundt, Friedrich Hector Graf von (Hg.): Das Cartular des Klosters Ebersberg. Aus dem Fundationsbuche des Klosters unter Erörterung der Abtreihe, dann des Überganges der Schirmvogtei auf das Haus Scheyern-Wittelsbach, sowie des Vorkommens von Mitgliedern dieses Hauses, München 1879.

Abbildungsnachweis

• Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München: Abb. 1.

tiz von allergrößter Bedeutung. Im Jahr 2015 kann der Markt Schwaben seinen 900sten Geburtstag feiern.

Die Kressiermühle

Bleibt zu überlegen, welche der zahlrei-chen Mühlen bei Schwaben der Ritter Ul-rich als persönliches Eigentum verschen-ken konnte: Die Ebersberger Mönchsge-meinschaft hatte schon von Graf Eber-hard 934 (I/2) und auch noch später Mühlen „ad Semitaha“, an der Sempt, erhalten. Bei der neueren Schenkung wird dieser Flusslauf nicht erwähnt. Der Abt Adalbero lokalisiert dafür das Mühlwas-ser nahe bei dem Dorfe Schwaben. Es kann sich nur um den westlicheren, aus der Anzinger Flur kommenden Semptarm handeln, der die Schwabener Mooswiesen durchfließt. Jahrzehnte danach taucht da-für die Bezeichnung „Westernach“ in den Ebersberger Urkunden auf, was nichts an-deres bedeutet als Bachlauf westlich der klösterlichen Semptgüter.

Im späteren Mittelalter finden sich mehrere Mühlen an der Anzinger Sempt. Von allen unterstand seit jeher nur die Kressiermühle der Grundherrschaft des Klosters Ebersberg. Also sieht man in ihr die Mühle des Klosterritters Ulrich. Die adeligen Herren vermieden für ihre from-men Fundationen gewöhnlich Eingriffe in ihre Allode, den altüberkommenen Fami-lienbesitz. Es handelte sich bei der nun-mehr geschenkten Mühle also eher um einen erst von Ulrich oder seinem Vater Meginhart um das 1100 gerodeten, dem Moor abgerungenen Siedelplatz.

einer Mühle, die sie beide bewohnten, dem Altar des heiligen Sebastian für sei-ne eigene Seele und zum Heil der Seelen seiner verstorbenen Eltern „et specialiter pro anima fratris sui Ruodperti nuper defuncti“, und besonders für die Seele seines Bruders Rupert, der eben verstor-ben war. Dass hier der kürzlich verstor-bene Abt Rupert gemeint ist, kann als offensichtlich gelten. Wenn der Abt „nu-per defunctus“, also „eben verstorben“ war, wurde auch die Tradition des hier vorgenommenen Seelgeräts noch im To-desjahr 1115 vorgenommen. Durch die-se nahen verwandtschaftlichen Verhält-nisse können wir zudem verstehen, war-um der nachfolgende Abt Veranlassung genug hatte, diese letzten Traditionen dem verstorbenen Abt zuzuschreiben; und dies umso mehr, als auch der „miles nomine Oudalricus“, uns als Stifter der Mühle bei Schwaben bekannt, als Neffe zur Verwandtschaft von Abt Rupert ge-hörte, wie wir gesehen haben.

Die Schwabener Urkunde, verfasst im Jahre 1115

Bei Betrachtung all dieser aufge-zeigten Verhältnisse lässt sich also die Schwabener Urkunde gut chronologisch identifizieren. Durch das von vielen Zeu-gen beglaubigte Seelgerät des Kloster-ritters Ulrich ist die Existenz der gewiss viel älteren dörflichen Siedlung Schwa-ben 1115 erstmals urkundlich gesichert. Für die Geschichte des um 1298 von Herzog Rudolf zum Markt erhobenen Dorfes Schwaben ist diese knappe No-

Page 45: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

88 89

nungen. Allseits wird angenommen, dass es sich dabei um den Gemeindeteil Berglern handelt. Unarc (= ohne Arg, ohne Falsch) von Lern war damals Vasall des Grafen Eberhard von Ebersberg.3 200 Jahre lang herrschte die Familie über weite Allodien und auch verliehe-nes Land im Erdinger Raum. Männer namens Tegano, Helmbert, Gotpold und Guntpold gehörten zu dieser adeli-gen Sippe und wurden von den Großen des Landes immer wieder zu wichtigen Verhandlungen herangezogen. Harrant war viele Jahre Domprälat zu Freising, ehe er 1114 starb.

Zu Beginn des 12. Jahrhunderts welk-te die Blüte des Lerner Adelsgeschlechts dahin. Regilo (1095-1121) und Burchart (1095-1126), die letzten Edelleute von Lern, hatten zwar Söhne, aber diese hausten weitab und nannten sich nicht mehr nach Lern. Rudiger, Bernhard und Isengrim finden wir später gar als Ministeriale des Bischofs von Freising.4

Veränderungen um 1115

Die Jahre um 1115 brachten ein-schneidende politische Umwälzungen im weiteren Umfeld. Die Grafen von Scheyern / Wittelsbach wurden nach und nach zur nicht immer gewaltlos expandierenden Übermacht. Sie errich-teten ab 1115 ihre festen Burgen Wit-telsbach bei Aichach und zu Warten-berg. Das starke Wartenberg (nördlich von Erding) rückte den Herren von Lern bedrohlich nahe.5 Durch die Übernahme der Vogtei des Klosters Ebersberg war

den Herren von Scheyern dieser Burgen-bau möglich geworden. Viele Jahrzehnte wurde Wartenberg zur Hauptburg der Scheyerner / Wittelsbacher Dynastie. Erst mit dem Umzug zur Trausnitz über Landshut im Jahre 1204 sollte die Feste ihre Bedeutung verlieren.

Der tatkräftige Pfalzgraf Otto IV. von Wittelsbach hatte 1114 seinen Bruder Ulrich als Vogt des Hochstifts und des Domkapitels Freising abge-löst. Damit entfiel für die Lerner auch eine sichernde Hinwendung zu dem gewiss einflussreichen Bischof Heinrich I. (1098-1137).6 Der Scheyerner sollte schließlich nach dem Aussterben der Edelleute von Lern (1126) sämtliche Reichslehen dieser Familie als Pfalzgraf an sich reißen.7

So ist es verständlich, dass sich Burchard von Lern seiner Sicherheit hal-ber als Vasall dem von Wittelsbach noch unabhängigen Benediktinerkloster Tegernsee andiente, das zudem ,wie gesehen, in der Umgebung reich begü-tert war. Abt Aribo, aus dem Geschlecht derer von Weyarn / Neuburg stam-mend, und Vogt Sigiboto, aus der glei-chen Familie, nahmen den Edelmann gerne auf.8

Zusammen mit seinem Bruder Regilo war Burchard erster Zeuge bei einer Besitzübergabe an Tegernsee zu Thann bei Landshut.9 Mit sei-nem Onkel Guntpold bestätigte er diese Tradition wenig später.10 Bei Verkaufsverhandlungen zu Pfrombach an Tegernsee war er zweiter Zeuge.11 Schließlich kümmerte er sich an einem Märztag um 1115 um sein ewiges

Ungefähr für die Zeit seiner ers-ten Erwähnung (1115) im Cartular des Klosters Ebersberg erfahren wir neuer-dings eine Bestätigung zur Existenz des Ortes Schwaben im frühen 12. Jahr-hundert. Nunmehr werden wir in den Traditionsbüchern des Klosters Tegern-see fündig.1 Der Ortsname „Suabun“ (Schwaben) wurde hier zwischen den Jahren 1102/1121 notiert.

Altes Tegernseer Eigentum um Schwaben

Die berühmte Klostergemeinschaft vom Tegernsee war im Mittelalter in unserer Umgebung durch reichen Besitz sehr präsent. Wir wissen von umfang-reichem Fiskalgut der Tegernseer Bene-diktiner im nahen Finsing. Das Dorf gehörte bereits zur Grundausstattung ihres Klosters aus den Jahren 760/765.2

In Finsing war Tegernsee der maßge-bende Grundherr und besaß somit die Ortshoheit. Der Klostervogt kümmerte sich um die dörfliche Gerichtsbarkeit. Immer wieder saßen Tegernseer Ministe-riale auf den Finsinger Sedelhöfen.

Einer der drei großen Meierhöfe von Gelting, der Voichtmair-Hof, und zwei Viertelhöfe waren hier seit 1034 Tegern-seer Eigentum. Im „Gefild“, wahrschein-lich in Feldkirchen bei München, hatte das Kloster sogar einen Verwaltungssitz eingerichtet. Schon aus den Jahren um 800 sind uns Pullach und Sickenberg bei Forstern als uraltes Tegernseer Eigentum bekannt.

Die Edelleute von Berglern

Seit 935 begegnen uns die „nobiles de Lerun“, die Edelleute von Lern nörd-lich von Erding, in den alten Aufzeich-

„Loco Suabun“ (1102-1121)

Die Schenkung des Burchard von Lern an das Kloster Tegernsee

Willi Kneißl

Page 46: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

90 91

Graf Sigiboto II., Vogt des Klosters Tegernsee von 1102 bis 1121

Seit 1070 tritt uns Sigiboto II. als Graf an der Mangfall in den Urkun-den entgegen. Zunächst wissen wir nichts über seine Hauptburg oder sei-nen Wohnhof. Erst um 1080 lichtet sich der Nebel. Er hauste hauptsäch-lich auf seiner Altenburg zu „Wuare“ (Weyarn) und wird deshalb als Graf von Weyarn betitelt. Um 1090 ließ er auf einem seiner Allodien, bei Vagen auf erhöhter Stelle, eine neue Burg errichten und erwählte sie alsbald als Wohnplatz für sich und seine Gemahlin Adelheid von Sulzbach und die Kinder Gertrud und Sigiboto III. Nunmehr lesen wir in den Urkunden auch „Graf Sigiboto von Neuburg“, wenn er als Zeuge aufgerufen war. Und dies war unter Abt Eberhard II. (1068-1091) immer wieder der Fall. Und stets finden wir ihn in der Zeugen-reihe an erster Stelle.

Im Jahre 1102 erfuhr der „preses Sibito“ eine besondere Gunst durch Kaiser Heinrich IV. (1084-1106). Simul-tan mit dem Aufzug des neuen Abtes Aribo wurde ihm die Vogtei über das altehrwürdige Reichskloster Tegernsee übertragen. Dazu kam als Erweiterung und Stärkung seiner Machtbefugnisse die Grafschaft an der oberen Isar mit dem Haupt- und Gerichtsort Haching. Durch die Heirat mit Adelheid hatte er schon vorher die Güter um Mann-hartsberg erworben. So ausgestattet mit Machtbefugnissen, konnte Sigiboto auch noch die Vogteien über die Klöster

Baumburg und Seeon an sich ziehen.Kein Wunder, dass sich Übermut

und Trotz gegen die kaiserliche Obrig-keit einstellten. Eben waren die langwie-rigen Verhandlungen über das Worm-ser Konkordat 1121 in eine entschei-dende Phase getreten. Kaiser Heinrich V. forderte vom Kloster Tegernsee die Übernahme von Lebensmitteltranspor-ten. Es ging um Vieh, Wein, Getreide, Obst und Gemüse. Der Vogt glaubte sich berechtigt, einen dieser wichtigen Transportzüge zurückzuhalten und der eigenen Verwendung zuzuführen. Die kaiserliche Majestät war bitter erzürnt. Eine schwere Strafe folgte. Sämtliche Vogteirechte wurden dem Grafen ent-zogen. Er verlor zudem die Grafschaft an der oberen Isar. Graf Otto IV. von Wolfratshausen, aus dem Geschlecht derer von Andechs stammend, wurde dort als Graf installiert, und der neue Mann erhielt zudem die Vogtei über das Reichskloster Tegernsee.14

So ergeben sich für die Schwabener Urkunde des Burchard von Lern auf Grund der Amtszeit des Grafen Sigibo-to II. von Neuburg als Vogt des Klos-ters Tegernsee ein Terminus post quem 1002 und ein Terminus ante quem 1021. Innerhalb dieser verbleibenden 19 Jahre verschrieb Burchard dem Klos-ter Tegernsee sein Gut zu „Suabun“.

Im Jahre 1130 trat der alternde Sigi-boto II. von Neuburg von allen Aufga-ben als Graf zurück. Drei Jahre später gründete er gemeinsam mit Gemahlin Adelheid und den Kindern Sigiboto und

Seelenheil durch die fromme Schenkung seines Gutes zu „Suabun“ an sein Kloster.12

Die fromme Schenkung zu Suabun

Wir lesen:

„[...] Quidam nobilis vir de Leren Burchardus dictus tale predium, quale habuit in loco Suabun nominato, cum consensu filio-rum suorum pro remedio anime sue et fartris sui Regilo dicti necnon et omnium parentum suorum per manus Aribonis abbatis et Sigibo-tonis advocati cum area edificiis, agris, pratis, arboribus nemoralibus, cultis et incultis, [...] et cum omnibus appendiciis ad hoc pertinenti-bus potestativa manu delegavit ad altare sanc-ti Quirini martyris in usum fratrum inibi deo et eidem martyri servientium [...].“ – „Der Edle Burchard von Lern hat sein Eigentum, das er an einem Ort genannt Suabun hatte, mit Einverständnis seiner Söhne zum Heil seiner Seele und der seines Bruders Regilo und nicht zuletzt aller seiner Verwandten durch die Hand des Abtes Aribo und des Vogtes Sigiboto mit Hofstatt, Gebäuden, Äckern, Wiesen, Holzböden, urbar gemachtem und wilden Land und allem Zubehör mit rechtmä-ßiger Hand am Altar des heiligen Märtyrers Quirinus zum Nutzen der dort Gott und dem genannten Märtyrer dienenden Brüder übereignet.“

Nicht zuletzt gewährte Burchard den Mönchen auch noch ausdrücklich das Veräußerungsrecht für das ihnen geschenkte Gut. Zur Bezeugung der

Urkunde hatten der Stifter und Vogt Sigiboto 23 freie Herren und Tegern-seer Ministeriale ins Kloster gerufen. Sie kamen unter anderem aus Bey-harting, Vagen, Seeham, Pienzenau, Biberbach (Lech), Stünzbach (Buch a. Erlb.), Esterndorf (Seeham), Aufhofen (Egling), Frontenhausen, Steinbrücken (Bergen), Pfrombach und Eggerding (Schnaitsee). Die Verwandten des Stif-ters fehlten.

Das Ausstellungsdatum der Urkun-de ist nicht angegeben. Über den amtie-renden Abt Aribo und den eingesetz-ten Vogt Sigiboto lässt sich jedoch die betreffende Zeit gut eingrenzen. Ihre Amtszeiten sind anderweitig gesichert.

Aribo von Neuburg, Abt des Klosters Tegernsee von 1102 bis 1134

Nicht viel ist uns von Abt Aribo über-liefert. Er entstammte dem vornehmen Grafengeschlecht derer von Weyarn und ging aus der Mönchsgemeinschaft zu Tegernsee hervor. Schon in jungen Jah-ren soll er wegen seiner Tüchtigkeit Abt von Sankt Ulrich und Afra zu Augsburg geworden sein, ehe man ihn 1102 nach Tegernsee zurückholte. Im Jahre 1111 ließ er die Kirche Sankt Laurentius in Egern gründen und erbauen. Während seiner Amtszeit belasteten die bedroh-lichen Verhältnisse des Investiturstreits zwischen Kaiser und Papst auch das Kloster Tegernsee. Abt Aribo starb am 21. Dezember 1134.13

Page 47: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

92 93

Anmerkungen

1 Acht, Peter (Bearb.): Die Traditionen des Klosters Te-gernsee 1003-1242, (Quellen und Erörterungen zur Bayerischen Geschichte, Neue Folge 9/1), München 1952, Nr. 154.

2 Mayr, Gottfried: Bemerkungen zur frühen Geschichte des Klosters Tegernsee, in: Oberbayerisches Archiv 123 (1999), S. 7-38, hier S. 21-23.

3 Hundt, Friedrich Hector Graf von (Hg.): Das Cartular des Klosters Ebersberg. Aus dem Fundationsbuche des Klosters unter Erörterung der Abtreihe, dann des Überganges der Schirmvogtei auf das Haus Scheyern-Wittelsbach, sowie des Vorkommens von Mitgliedern dieses Hauses, München 1879, Nr. I/ 7.

4 Flohrschütz, Günther: Der Adel des Ebersberger Rau-mes im Hochmittelalter, (Schriftenreihe zur Bayeri-schen Landesgeschichte 88), München 1989, S. 362.

5 Weithmann, Michael W.: Inventar der Burgen Ober-bayerns. 3. überarb. u. erw. Aufl., München 1995, S. 481-483.

6 Maß, Josef: Das Bistum Freising im Mittelalter, Mün-chen 1986, S. 148.

7 Flohrschütz (wie Anm. 4), S. 127.8 Mathäser, Willibald: Chronik von Tegernsee, München

1981, S. 62.9 Acht (wie Anm. 1), Nr. 131a.10 Ebenda, Nr. 148.11 Ebenda, Nr. 169a.12 Ebenda, Nr. 154.13 Mathäser (wie Anm. 8), S.62 u. 63.14 Tyroller, Franz: Genealogie des altbayerischen Adels

im Hochmittelalter in 51 genealogischen Tafeln mit Quellennachweisen, einem Anhang und einer Karte, in: Wegener, Wilhelm (Hg.): Genealogische Tafeln zur mitteleuropäischen Geschichte, Göttingen 1962-1969, S. 45-524, hier S. 216.

15 Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 1, München 1763, S. 273.

16 Hundt (wie Anm. 3), Nr. I/100.

Gertrud an der Stelle der alten Famili-enburg das Augustinerchorherrenstift Weyarn an der Mangfall. 1034 trat er selber als Converse dort ein, nachdem seine Gemahlin ein Jahr vorher aus die-ser Welt gegangen war. Graf Sigiboto II. von Neuburg starb am 10. Februar 1136.

Die Tochter Gertrud sollte einen Herrn Rudolf von Falkenstein (bei Flints-bach) heiraten. So kam dieser Zusatzna-me in die Familie. Der „weiße Falke“ wurde nun als Wappen geführt. Sigibo-to IV. von Neuburg / Falkenstein sollte 1166 von Schreibern und Buchmalern des Chorherrenstiftes Herrenchiemsee, das er auch bevogtete, den wertvollen „Codex Falkensteinensis“ anlegen las-sen, der unbeschädigt überdauert hat, als einziges erhaltenes Urbarbuch einer weltlichen Herrschaft aus der Staufer-zeit.

Das Tegernseer Eigentum zu Schwa-ben wurde bald wieder verkauft oder vertauscht. Schon in den Klosterurba-ren des 13. Jahrhunderts ist davon keine Rede mehr.

Als die Familie derer von Neuburg / Falkenstein 1272 ausstarb, wurde auch ihr Wappen, der „weiße Falke“, frei und ledig. Die Rechte der erloschenen Fami-lie wurden zum allergrößten Teile von den Wittelsbachern übernommen. 137 Jahre später sollte Herzog Stephan III. von Ingolstadt seinem getreuen Markte zu Schwaben den „weißen Falken“ als Marktwappen gnädigst gewähren.

Schwaben um 1115

Da Notar und Klostervogt ihre Sache recht genau nahmen und also exakt beschrieben, erfahren wir Einzelheiten über den Hof in Schwaben. Neben Hof-gebäuden, Äckern und Wiesen wird der Waldanteil besonders hervorgehoben. Auch unkultiviertes Land gehörte dazu. Es fällt auf, dass zweifellos in der Umge-bung vorhandene Bäche, Flussläufe oder Teiche nicht erwähnt wurden. In der Tat finden wir die zwei großen Höfe an den zwei Schwabener Weihern und am Hennigbach (Thalmair-Hof und Hofbauer) im 12. Jahrhundert in anderen Händen. Die Hallgrafen von Limburg / Wasserburg waren dort die Grundherren.15 Der Adelshof Burcharts befand sich also oben am Berg. Er muss im Raum des heutigen oberen Markt-platzes zu suchen sein, an einem der Fahrwege gegen Anzing oder Gelting.

Burchard nennt den Platz „in loco Suabun“. Die Vokabel „locus“ will uns eine Größenangabe vermitteln. Wir fin-den sie in einer Reihe damals üblicher Begriffe, welche die Größe von Ortschaf-ten beschreiben sollten: „Vicolus, vicus, villa, ....“ 50 Jahre früher spricht Abt Williram von Ebersberg (1048-1085) von einem „loco qui dicitur Erilipah“.16 Gemeint ist das heutige Erlbach, ein Weiler, südlich der Staatsstraße Markt Schwaben – Pastetten gelegen und in mehr als 900 Jahren offenbar so geblie-ben, wie er ehedem war. Wir haben uns demnach das Dorf Schwaben um 1115 als unbedeutendes Dörfchen mit weni-gen Häusern vorzustellen.

Page 48: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

94 95

I. DIE BURG ZU FALKENBERG

Eigentlich wissen wir nur eines sicher: Es hat einmal eine Burg zu Falkenberg gegeben, und sie war ein zentraler Stütz-punkt der zur Macht strebenden frühen Wittelsbacher. Wann und von wem sie erbaut wurde und wie lange sie hier ge-standen hat, sind offene Fragen. Es war ja sicher nicht so, dass eines schönes Ta-ges im 11. Jahrhundert ein stolzer Ritter des Weges kam, beim Anblick des Ge-ländespornes stutzte und sich dachte: Ei potz, welch schöner Platz, hier will ich mir eine Burg bauen. Nein, auch beim Bau dieser Burg standen nicht Erwägun-gen landschaftlicher Schönheit im Vor-dergrund, sondern Macht, Herrschaft, Sicherheit.

Und so kommt doch wieder die Land-schaft ins Spiel: Der übers Moosach-Tal ragende Geländesporn wurde wohl aus strategischen Gesichtspunkten gewählt – von hier aus bot sich ein guter Über-blick. Weithin konnte man das Gesche-hen beobachten und früh erkennen, was Konkurrenten und Feinde (davon gab es viele!) im Schilde führten.1

Und noch eine offene Frage: Stand damals die Nachbarburg im heutigen Altenburg noch? Oder war sie schon seit längerem zerstört und unbewohnt? Oder wurde die alte Burg jetzt aufge-lassen und die Burgherren zogen einfach um in den moderneren „Neubau“ nach Falkenberg? Oder existierte die „alte Burg“ und ihre Herrschaft noch und war eine „Konkurrenz“, derer sich die Fal-kenberger Herren durch Zerstörung zu

entledigen wussten? Und wer waren die Herren auf der alten Burg? Fragen, auf die wir keine sichere Antwort finden.2

Ach, könnten wir nur mit einigen der frühen Vorfahren sprechen, die auf unsere Fragen Antwort wüssten. Wie der Cunz Vischer, der 1517 „auf dem Purckstall“ saß,3 also auf dem Platz, wo vorher Falkenbergs Burg gestanden hatte. Er wusste wohl um das Ende dieser Burg – so wie von ihren Anfän-gen der erste, uns um 1160 bekannte Burghauptmann Osrich. Er stand in Wittelsbacher Diensten, wie vorher sein Vater, der auf der 1116/17 errichteten Burg Wartenberg bei Erding ebenfalls Hauptmann war.4

Osrich war sehr weit weg von Fal-kenberg, 2.700 Kilometer Luftlinie, als er sich schriftlich in unsere Geschichte eintrug: Bei einer Reise ins Heilige Land begleitete er die Wittelsbacher Pfalzgra-fen, die Brüder Friedrich und Otto, und unterschrieb in Jerusalem 1167 als Zeu-ge eine Urkunde der beiden.5 Die Brüder waren die Söhne des Mannes, der die Burg Falkenberg gebaut oder zumindest geplant hatte. (Burghauptmann Osrich ahnte damals in Jerusalem nicht, dass er den späteren Bayern-Herzog begleitete.)

Was hatten die Herren im Mor-genland zu tun? Wir befinden uns im Zeitalter der Kreuzzüge. Der zweite, gescheiterte Kreuzzug (1147-1149) war vorbei, der dritte (1189-1192) stand bevor. Abenteuerliche Reisen ins Heilige Land waren groß in Mode. Aber für die-se Reise hatten die Wittelsbacher Brüder einen besonderen politischen Grund: Sie wollen, wie auch andere hohe

Die Ortschaften, Weiler und Fluren, die einst die „Hauptmannschaften“ Moosach und Fürmoosen bildeten und später zur kleinen Landgemeinde Moosach wurden, weisen in ihrer mittelalterlichen Geschichte gleich mehrere bedeutsame Herrschaftssitze auf: Hier saßen die Adelsgeschlechter von Schattenhofen und Moosach-Fürmoosen, hier lebten die Herren von Altenburg und Falkenberg.

Während Schattenhofen und Moosach-Fürmoosen schon im 12. Jahrhundert, nach-dem ihre letzten Ritter vom Kreuzzug nicht mehr heimgekommen waren, ihre Bedeutung verloren, hatte Altenburg noch etwa 100 Jahre länger eine herausgehobene Funktion als Verwaltungssitz des Klosters Tegernsee. Danach aber gab es nur noch eine Herr-schaft in diesem Raum: die Herren zunächst auf der Burg Falkenberg, danach im Schloss. Rund 700 Jahre lang war Falkenberg ein Machtzentrum, von dem heute noch das Schloss kündet.

In Schattenhofen und Fürmoosen finden wir keinerlei bauliche Hinweise mehr auf ver-gangene Größe, und auf Altenburgs Hügel erlauben uns die Wallfahrtskirche und einige ausgegrabene Mauerreste davon allenfalls eine leise Ahnung. In Falkenberg dagegen sehen wir, auf der Straße von Fürmoosen herab kommend, zur rechten Hand eine auf-fallend undörfliche Allee: sie führt zum kürz-lich geschmackvoll renovierten, schon seit über 400 Jahren hier stehenden Schloss, sie erinnert uns an Kutschen und hochwohlge-borene Herrschaften, an acht Jahrhunderte untergegangener Macht.

Falkenberg – wir blättern im bedeut-samsten Kapitel der Geschichte der Gemein-de Moosach. Wir erzählen von der einstigen Wittelsbacher Burg, wir verfolgen durch vier Jahrhunderte die Geschicke der Herren im Schloss, wir lassen die längst vergessene Hofmark noch einmal auferstehen, und wir werfen einen Blick in die versunkene Schlosskapelle.

Falkenbergs vergangene Größe – eine Erinnerung

Verschwundene Burg – 400-jähriges Schloss –

vergessene Hofmark*

Peter Maicher

Page 49: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

96 97

Gräfin Haziga schuf die Grundlagen für den Aufstieg der Wittelsbacher.14 Äu-ßerst hilfreich waren dabei ihre sehr en-gen Beziehungen zum Kaiserhof.15 Otto von Scheyern erhielt nach seiner Hoch-zeit mit Haziga den Grafentitel und, was für Macht und Einfluss noch wichtiger war, wohl auch auf Vermittlung Hazi-gas die Vogtei des Hochstifts Freising,16 „eine der wichtigsten Machtpositionen in Bayern“.17

Das Amt eines Vogtes war zu dieser Zeit für den, der es auszunutzen wuss-te, eine ungeheure Machtquelle und Goldgrube18 – davon werden wir später noch genauer hören. Haziga, „eine der reichsten Frauen Bayerns“19, brachte in die Ehe mit Otto stattliche Ländereien ein, auch im Ebersberger Raum. Dabei kann es hier offen bleiben, inwieweit ihr Grundbesitz aus der Ebersberger Gra-fenfamilie ererbt worden oder von Kaiser beziehungsweise König als Reichslehen oder anderweitig in Ottos und Hazigas Hand gekommen war.20

Jedenfalls wurde Otto von Scheyern vom König zum starken Mann in unserem Raum aufgebaut. Hatte er das den guten Beziehungen seiner Frau Haziga zu ver-danken oder dem politischen Bestreben des Herrschers, in das nach dem Erlö-schen des mächtigen Ebersberger Grafen-geschlechts in weiten Teilen Altbayerns entstandene Machtvakuum hier einen Mann seines besonderen Vertrauens zu setzen und so das Eindringen benachbar-ter Hochadelsfamilien zu verhindern?21 Vielleicht spielte ja beides zusammen.

Haziga und Otto erlebten noch, dass ihr Sohn Ekkehard neben der Vogtei von

Freising um das Jahr 1080 auch die über Weihenstephan erhielt22 und so das so einträgliche „Vogtei-Sammeln“ der Scheyerner eröffnete. Dessen Sohn Otto setzte dies mit großem Eifer und Erfolg fort. Aber das erlebten die Großeltern Otto und Haziga nicht mehr, auch nicht, dass Enkel Otto die Stammburg Scheyern aufgab, die Burg Wittelsbach als Residenz wählte und sich 1115 „Graf von Wittelsbach“ nannte.

Wenige Jahre später wies die gräfliche „Visitenkarte“ einen weiteren Zugewinn an Einfluss und Macht aus: Hazigas En-kel Otto war nun (um 1120) Pfalzgraf in Bayern, also der Vertreter des Königs be-ziehungsweise Kaisers, und damit nach dem Herzog der „zweite Mann“ im Land. Sein Sohn (Hazigas Urenkel) erhielt 1180 als Otto I. das Herzogtum Bayern. Mit diesem begann die lange Reihe der Wit-telsbacher, die als Herzog, Kurfürst und schließlich König das Bayernland über 700 Jahre lang bis 1918 regierten.

Otto – gräflicher Bauherr der Burg

Die Suche nach den Anfängen der Burg Falkenberg hat uns in einen ent-scheidenden Abschnitt der bayerischen Geschichte geführt. Der Kreis von Gräfin Haziga zu unserer Burg schließt sich mit Hazigas Enkel, Pfalzgraf Otto, der die Burg baute oder zumindest plante;23 zwischen 1120 und 1160 wurde sie er-baut.24 Aber einerlei, ob der Vater oder Sohn der Bauherr war: er hieß, wie so viele in diesem Geschlecht, Otto.

Herren, vermeiden, an einem Kriegszug Kaiser Barbarossas gegen den Papst teilzunehmen.6

13 Jahre nach dieser Jerusalem- Reise erhielt einer der beiden von Osrich begleiteten Brüder, nämlich Otto, vom Kaiser das Herzogtum Bayern; Herzog Otto war ein kühner, kräftiger Mann, „das Gesicht von frischer Röte, dazu fast schwarzes Haar“.7

Mit einer starken Frau fing’s an

Doch die Geschichte führt uns zu-nächst weg von diesem Mann, weitere 150 Jahre zurück, zu einer Frau: seiner Urgroßmutter. Es spricht einiges dafür, dass im Spiel der politischen Kräfte, das vom 11. zum 12. Jahrhundert in unserem Raum zu einer Verlagerung der Macht und schließlich auch zum Bau unserer Burg geführt hat, eine gro-ße Frau ihre Hand im Spiel hatte, eine Gräfin, eine Heilige (1. August): Haziga von Scheyern (†1104).

Scharen von Historikern haben sich schon im Dickicht wild rankender Theo-rien über die Herkunft der Gräfin her-umgeschlagen. Etwas respektlos wurde Haziga in der Geschichtswissenschaft bereits als „genealogischer Wander-pokal“ betitelt – angesichts der Vielzahl von Grafen-Geschlechtern, denen sie als Tochter zugedacht wurde: Bogen, Dießen, Fagana, Sulzbach, Hörzhau-sen-Kühbach.8 Auch die beiden ver-dienstvollen Autoren der 1989 erschie-nenen historischen Standardwerke über

unseren Raum, Günther Flohrschütz und Gottfried Mayr, sind sich nicht ei-nig: Der eine vermutet, Haziga sei die Tochter eines Babo, Graf im Chiemgau und von Scheyern gewesen9 – der an-dere glaubt, dass sie dem Ebersberger Grafengeschlecht entstammte.10

Doch wer auch immer Hazigas Va-ter war – uns interessieren hier mehr ihr zweiter Ehemann Otto von Scheyern und ihre Nachkommen. Denn Gräfin Haziga wurde „die berühmte Stamm-mutter aller Wittelsbacher“11, begrün-dete mit Ehemann Otto die Dynastie.12 Weil diese in ihrem ersten Jahrhundert gleich eine Reihe wichtiger Ottos auf-weist, hier eine Hilfe zum besseren Ver-ständnis des Folgenden:13

1. Otto von Scheyern feierte um das Jahr 1050 Hochzeit mit der verwitweten Gräfin Haziga.

2. Um das Jahr 1083/84 wurde einer ihrer Enkel auf den Namen Otto getauft. Er sollte um 1120 den Titel Pfalzgraf tragen und sich als erster „von Wittelsbach“ nennen. Dieser Pfalzgraf Otto war der Begründer der Burg Falkenberg, ließ sie erbauen oder zumindest planen.

3. Pfalzgraf Otto ließ einen seiner Söh-ne ebenfalls auf den Namen Otto taufen. Das war jener Otto, den Fal-kenbergs Burghauptmann Osrich im Jahre 1167 auf einer Jerusalemfahrt begleitete und der im Jahre 1180 als Otto I. von Wittelsbach Herzog von Bayern wurde.

Page 50: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

98 99

Abb. 1: So stand die Burg auf dem Falkenberger Hügel. Historische Geländeaufnahme des Burgstalls mit Vor- und Hauptburg (1889).

So wie hier in Falkenberg errichteten die Wittelsbacher manch andere Burg. Aber sie bauten nicht wie ihr späterer Nachkomme Ludwig II. aus Lust an ar-chitektonischer Phantasie, sondern zur Sicherung ihrer Macht auf strategisch besonders geeigneten Plätzen.25 Dass sie ihre Burg in Falkenberg auf Grund und Boden des Freisinger Bischofs bauten, bekümmerte die Wittelsbacher nicht sonderlich; wie sie ja auch sonst als Vögte allenthalben Freisinger Besitz an sich brachten.26

Die Lage der Burg ist nicht identisch mit dem Standort des heute noch vor-handenen, im Jahre 1579 außerhalb der ehemaligen Burgbefestigung erbauten Schlosses. Schon Mitte des 19. Jahrhun-derts notierte der damalige Schlossherr Dr. Karl Ritter von Grundner: „Nach der Volkssage stand früher eine Burg auf dem südlich vom gegenwärtigen Schlos-se gelegenen Bergvorsprung.“27 Dieser Platz wurde im Steuerkataster „Burg-Landacker“ genannt. Heute stehen hier die Häuser der sogenannten Siemens-Siedlung; im Jahre 1982 benannte der Moosacher Gemeinderat dort einen Weg „Burgweg“. Im 19. Jahrhundert wurden auf diesem Platz geschwärzte, auf einen Brand hindeutende Bausteine ausgeackert.28 Mitte des 20. Jahrhun-derts stieß man bei Gartenarbeiten auf eine Treppe im Boden,29 um 1960 fand man erneut Baureste und Tuffsteine.30

Archäologen sagen uns, dass die Burg Falkenberg zweigliedrig angelegt war: Es gab eine Hauptburg (85 m x 50 m) und eine kleinere Vorburg (50 m x 80 m), beide von Wällen und Gräben

umgeben, von denen wir heute nur mehr wenige Spuren im Gelände sehen können.31 Die Burg hatte nur einen Zugang (auf Höhe des heutigen Burg-wegs). (Abb. 1) Auf dem Berg-Vorsprung um sich blickend, kann man sich hier eine Burg gut vorstellen. Ihre Erbauer nutzten die Vorteile des Geländes, das der späte-re Leiter der Prähistorischen Staats-sammlung Hermann Dannheimer und sein Kollege Walter Torbrügge 1961 so beschrieben haben:

„Die mächtige Anlage ist auf einer brei-ten Höhennase erbaut, die nach Süden ins Moosachtal abfällt, nach Westen steiler in eine Senke mit Weiher. Im Norden wird sie durch einen Erosionsgraben geschützt, der in die Weihersenke hinabführt. Unter Aus-nützung seines Hanges ist hier ein Hügel von fast rechteckiger Gestalt aufgeworfen, des-sen nahezu ebene Oberfläche gut 80m von Ost nach West und an die 35m von Nord nach Süd mißt. Im Westen und Süden gehen seine Steilkanten in den natürlichen Hang über. Im Osten trennt ihn ein mindestens 10m tiefer und sehr breiter Halsgraben, der offensichtlich zu einem Vorwerk ausgebaut war und die Burg gegen den nach Nordosten ansteigenden Rücken des Höchen-Berges zu schützen hatte. Der Graben ist teilweise eingefüllt.“32

Die Burg sichert Wittelsbachs Macht

Burg Falkenberg ragte einst hier auf als Monument von Machtanspruch und

Page 51: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

100 101

Zurück nach Falkenberg. Hier stand jetzt die Hauptburg der Wit-telsbacher in unserem Raum.40 Sie gab Zeugnis vom Willen und Können der Wittelsbacher, Macht und Herrschaft „schlagkräftig zu organisieren“, sich mit solch einer Burg auch ein „militäri-sches Potential“ zu schaffen, während ihre Konkurrenten an ein planmäßiges Organisieren von Herrschaft noch gar nicht dachten.41 Auf diese Weise setz-ten sich die Wittelsbacher in unserem Raum durch gegen die Konkurrenz von Scheyern und Valley, des Bischofs von Freising und des Klosters Ebersberg.

Als Otto von Wittelsbach, enger Verbündeter, zuverlässiger politischer Vertrauter und kühner militärischer Streiter des Kaisers Friedrich Barba-rossa, von diesem am 16. September 1180 im thüringischen Altenburg das Herzogtum Bayern erhielt,42 waren die Wittelsbacher am Ziel ihrer planmäßi-gen Strategie, zu der auch der Bau der Burg Falkenberg gehörte. Systematisch und klug, zuweilen auch begünstigt durch Erbfälle, waren sie zur Herr-schaft in Bayern gelangt. Insbesondere durch ihre Ämter als Vögte des Freisin-ger Bischofs und zahlreicher Klöster wie Ebersberg oder Weihenstephan sowie durch ihre Stellung als Pfalzgra-fen mehrten sie stetig Einfluss, Macht, Besitz.

Ein Vogt war oberster Richter im Herrschaftsbereich von Bischöfen und Äbten, denn Geistlichen blieb das Rich-teramt über ihre Untertanen verwehrt.43 Da gemäß altbayerischem Recht der Richter ein Neuntel der jeweiligen

Strafsumme erhielt, brachte das Amt des Vogts und somit Richters schöne Einnahmen. Der Bischof oder Abt konn-te da nur neidvoll zuschauen.

Kein anderer in Bayern hatte in kurzer Zeit so viele Vogteien erreicht wie des Herzogs Vater, Pfalzgraf Otto I. So wuchs seine Macht „verblüffend schnell“44, und die Wittelsbacher wur-den in Bayern „der reichste Grundherr und mächtigste Vogt“45.

Wie man fremden Besitz einsackelt

Die Mittel, mit denen die Scheyerner und späteren Wittelsbacher ihre Macht ausbauten, waren nicht zimperlich. Oft lagen sie, wie auch andere Vögte, in hef-tigen Auseinandersetzungen mit ihrem Abt oder Bischof; ein Vogt konnte zum Tyrannen des Klosters werden, wenn er seine Macht missbrauchte. Nach den Worten des Freisinger Bischofs Otto war dies bei den Vögten aus dem Hause Scheyern oft der Fall. Etwa 1150 bedachte er sie mit einer vernichtenden Kritik: „Ich weiß nicht, warum der all-mächtige Gott es zugelassen hat, dass fast die ganze Nachkommenschaft des Grafen von Scheyern missraten und kaum ein Mann oder eine Frau darunter ist, die nicht offene Gewalt üben […].“46

Die Wittelsbacher scheinen als Vög-te in ganz besonderer Weise Freisinger Besitz an sich gezogen zu haben. Ein anschauliches Beispiel liegt in nächster Nähe zur Burg Falkenberg: die Einöde Deinhofen. Im Jahre 819 war sie an

stützen konnten: so lebte in unserem Moosach einer ihrer Dienstmannen namens Rotbert von Moosach, oder in Glonn ein Siboto.35

4. Nicht zuletzt konnte man von der Fal-kenberger Burg aus auch die in der nä-heren Umgebung sitzenden edelfreien Geschlechter besser kontrollieren.36

Kreuzritter aus Fürmoosen und Schattenhofen

Unser Blick auf dieses 12. Jahrhun-dert, in dem die Burg Falkenberg errich-tet wurde, wäre nicht vollständig, wür-den wir die Kreuzzüge ausblenden; kein ruhmreiches Kapitel für das Abendland und dessen christliche Ritter. Einer, der selbst mit dabei war, berichtete, wie die Kreuzritter Jerusalem eroberten und sei-ne Verteidiger vor sich her trieben, „sie tötend und niedersäbelnd“; es gab ein „solches Blutbad, dass die Unsrigen bis zu den Knöcheln im Blut wateten“.37

Auch aus unserem Raum brachen 1147 zahlreiche Kreuzritter ins Morgen-land auf, an ihrer Spitze der Begründer unserer Burg, Pfalzgraf Otto.38 Mit da-bei auch der letzte Edle von Fürmoosen, ebenso der Herr von Eichtling, letzter Spross aus dem Geschlecht von Schat-tenhofen. Beide sahen die Heimat nicht mehr – wie auch viele andere, was in unserem Raum zum Aussterben oder zumindest zum sozialen Abstieg von fast 100 freien Familien führte.39 Das gab anderen Geschlechtern Gelegen-heit, Besitz und Macht auszuweiten.

Machtsicherung der Wittelsbacher. Ihre „Konkurrenten“ um Land, Geld und Einfluss waren:

1. Die Bischöfe von Freising. Bischof Otto I. (1138-1158) versuchte, ein Herrschaftsgebiet vom Freisinger Domberg bis zum Alpenrand zu schaf-fen.33 Dabei standen ihm einige Kon-kurrenten im Weg: die Wittelsbacher, aber auch deren Verwandtschaft, die sich weiterhin nach Scheyern nannte und in unserem Raum durch ihr Amt als Vogt des Klosters Ebersberg mäch-tig war.

2. Auch gegen diese Verwandtschaft diente die Burg. Denn das Verhältnis zwischen denen von Wittelsbach und jenen von Scheyern war angespannt; kein Wunder, wollten doch die Wit-telsbacher in unserem Raum ihre Herrschaft aufbauen, obwohl sich hier die Scheyerner durch ihr Ebers-berger Vogt-Amt als „Platzhirsche“ betrachteten.34

3. Zu achten war auch auf andere Ver-wandte: die Grafen von Valley. Diese vermochten die Wittelsbacher und auch den Freisinger Bischof eine Zeit lang daran zu hindern, ihre Macht nach Süden auszubreiten. Insbeson-dere nach dem Tod des Pfalzgrafen Otto 1156 geriet die Wittelsbacher Expansion ins Stocken: Valley baute seinen Machtbereich zwischen 1160 und 1175 rasch von der Mangfall bis zur Moosach aus und fand hier viele Familien, auf die sich Valleys Grafen

Page 52: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

102 103

Abb. 2: Damit sie nicht „verloren gehen“, hat Freising seine Zinspflichtigen aufgelistet, so 1187 auch von Falkenberg Mathilde und ihren Sohn Konrad (vorletzte Zeile).

Falkenbergs frühe Ritter

Um ihre Ämter auszuüben, um ihre politischen beziehungsweise militäri-schen Interessen zu wahren und um ihren Besitz zu verwalten, waren die Wittelsba-cher auf tüchtige und loyale Helfer und Mitarbeiter angewiesen, auf Dienstman-nen, auf „Beamte“, die wir schon unter dem Namen „Ministeriale“ kennen. Den Willen von Graf beziehungsweise Herzog in die Tat umzusetzen, war deren Aufga-be auch auf der Burg Falkenberg.

Wir kennen die Namen der in den ersten Jahrzehnten auf der Burg maß-geblichen Ritter. Vom ersten Burg-hauptmann Osrich um 1160 haben wir bereits gehört. Sein früherer Sitz war Straußdorf. Von Osrich übernahm dessen Sohn Heinrich, wie sein Vater im Gefolge der Wittelsbacher Pfalzgrafen Friedrich und Otto, den Chefposten auf der Burg, waltete hier über 20 Jahre als „Kastellan“ (Burghauptmann und Ver-walter), nachweislich von circa 1174/80 bis 1212.51 Wir hören von weiteren Männern: Adalbero Chranz kam von Preising und hatte wohl einen Kranz im Wappen, Friedrich Stier (seine Familie saß in Straußdorf und Thal / Schönau) war Dienstmann von Pfalzgraf Friedrich und hatte als Helfer der Wittelsbacher in unserem Raum besondere Bedeutung.52 Werner Kretzel, ein Wigand, Otto Kret-zel und ein Ritter mit dem Beinamen „Sprinz“ gehörten ebenfalls in die frühe Falkenberger Ahnengalerie. Wir können nur ihre Namen aus den alten Doku-menten auflesen, nicht ihr Leben, ihr Denken, ihr Tun.

Freising geschenkt worden und gehör-te noch um 1140 einem Ministerialen des Bischofs – im Jahre 1301 aber war sie Eigentum des Hauses Wittelsbach. Auch Pullenhofen gehörte zunächst dem Freisinger Bischof, kam dann im 12. Jahrhundert ebenfalls in die Hand der Wittelsbacher.47

Im frühen Mittelalter war Freising der weitaus größte Grundherr in unse-rem Raum gewesen. Als die Ebersberger Grafen dann im 10. Jahrhundert ihre Herrschaft ausbauten, ging schon dies auf Kosten Freisings. Aber jetzt bewirk-te das Walten der Wittelsbacher einen „immensen Güterverlust für Freising“. Pfalzgraf Otto, der spätere Herzog, presste zum Beispiel dem Freisinger Bi-schof 100 Höfe für seine Gefolgsleute ab; juristisch waren die Anwesen Lehen, in der politischen Praxis aber musste Freising diese zum großen Teil als Ver-lust abschreiben. Denn die Wittelsba-cher Ministerialen dachten nicht mehr an eine Rückgabe.48

In den Jahren von 1125 bis 1261 hielt die Freisinger Verwaltung immer wieder fest, wer auf dem Falkenberger Gebiet an Freising Zins zu zahlen hatte. So lesen wir von der zinspflichtigen Mathilde „de valchenberge“ und ihrem Sohn Konrad, oder von „Wernhart de Valchenperge“, der jährlich 5 Pfennige an Freising zu zah-len hatte.49 (Abb. 2) Das akribische Fest-schreiben seiner Zinspflichtigen deutet darauf hin, dass Freising ihren Verlust (an Wittelsbach) befürchtete.50 Aber es konnte ihn nicht verhindern.

Page 53: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

104 105

Abb. 3: Wer im Amt Falkenberg („in officio Valchenbch“) den Wittelsbacher Burgherren Geld oder Naturalien zu liefern hatte, wurde im Herzogsurbar (um 1230) notiert.

abliefern. Damit wir besser einschätzen können, was das für den Bauern damals bedeutete: Für 45 Pfennige musste sei-nerzeit ein Arbeiter 9 Tage arbeiten; eine Maß Bier kostete 1 Pfennig, ein Pfund Rindfleisch 2 Pfennige.

Offensichtlich handelte es sich bei diesem Taglachinger Bauern um einen eher schwächeren Steuerzahler; andere Höfe hatten Schweine mit einem Wert von bis zu 65 Pfennigen zu liefern. Als 40 Jahre später die Abgaben der Hube

gesammelt wurden. Nur die wenigsten Bauern besaßen damals eigenen Grund und Boden. Die allermeisten waren einem Grundherrn dienstpflichtig, das heißt, sie mussten ihm Naturalien oder Geldzahlungen leisten, außerdem auch Hand- und Spanndienste. So zählte es zu den wichtigen Aufgaben der Minis-terialen auf Burg Falkenberg, die den Wittelsbachern zustehenden Abgaben von den hörigen Bauern einzutreiben.

Um das Jahr 1230 wurde erstmals der gesamte zinseinbringende Besitz der Wittelsbacher in einem Verzeich-nis (Herzogsurbar) zusammengestellt. (Abb. 3) Burg Falkenberg war damals Zentrum der herzoglichen Verwaltung in unserer Gegend, ein herzogliches „Amt“ (Verwaltungsbezirk) – so wie zur gleichen Zeit das Kloster Tegernsee in Altenburg ein „Urbaramt“ zum glei-chen Zweck besaß.56 Insgesamt wurden im Falkenberger Amt über 40 Orte ver-zeichnet, aus denen der Herzog Abga-ben erhielt; in Moosach beispielsweise von einer Mühle und einem Hof, in der näheren Umgebung von einem Hof und einer Mühle in Bruck, von drei Höfen in Pullenhofen, von einem Zinspflichtigen in Alxing, von einer Hube (= ein mittel-großer Hof) in Oberseeon und einer in Taglaching.57

Der Steuerbescheid, der auf dem Amt Falkenberg für die Hube in Tagla-ching erging, verlangte vom Bauern die Abgabe einer bestimmten Menge von Weizen und Hafer; ferner musste er jähr-lich ein Schwein im Wert von 45 Pfenni-gen, eine Gans, drei Hühner und 50 Eier

Von Wigand aber erfahren wir ein wenig mehr. Er war herzoglicher Ver-walter zu Falkenberg und hatte eine Tochter mit Namen Gerdrudis. Diese wollte im Jahre 1282 einen Ulrich von Eggelburg heiraten. Ihr Auserwählter war wohl ein Dienstmann des Klosters Ebersberg. Hochzeit wie Ortswechsel bedurften der Genehmigung des welt-lichen oder geistlichen Herrn. Herzog Ludwig II., Herr über die Menschen in seiner Burg Falkenberg, schenkte die junge Frau samt ihren Nachkommen dem Kloster Ebersberg.53 Wie gehen wir heute, über 700 Jahre später, mit solch einer Nachricht um? Einerseits belegt sie deutlich Abhängigkeit und Unfrei-heit auch hochrangiger Ministerialer,54 andererseits zeugt sie vom Entgegen-kommen des Herzogs: Er ermöglichte der Gerdrudis die Heirat mit Ulrich, in-dem er sie aus seiner Untertanenschar entließ und auf seine Rechte, seinen Anteil an den Einkünften durch ihre Ar-beit verzichtete zugunsten des Klosters Ebersberg, dem ihr zukünftiger Mann Ulrich diente.55

Burg Falkenberg: Steuerbescheide und Richtersprüche

Dieser Wigand zu Falkenberg wird als „granator“ bezeichnet – zu Deutsch „Kastner“. Der Mann war zuständig für die Getreidekästen, Gebäude, in denen die von den Bauern der Herr-schaft geleisteten Naturalabgaben

Page 54: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

106 107

Wie die Burg Falkenberg ihre Bedeutung verlor

Zurück nach Falkenberg im 12./13. Jahrhundert. Rund 150 Jahre lang blieb die Burg Falkenberg ein wichtiger Herr-schaftsstützpunkt der Wittelsbacher. Dann verlor sie an Bedeutung. Für die Wittelsbacher wurde die Burg in Schwaben (Markt Schwaben) strate-gisch wichtiger; daher musste Falken-berg im Laufe der Zeit seine Funktionen dorthin abgeben.

Diese negative Entwicklung für Falkenberg, der drohende Verlust sei-ner dominanten Stellung deutete sich schon im Jahre 1270 an, als im neuen Verzeichnis der herzoglichen Zinsein-künfte neben dem Amt Falkenberg be-reits ein Amt Schwaben genannt wurde, wo jetzt die Einkünfte aus Wasserburg eingingen.64

Warum musste Falkenberg trotz seiner geographisch wesentlich güns-tigeren Lage die zentrale Verwaltungs- und Gerichtsfunktion an Schwaben abgeben? Als die Wittelsbacher im Jahre 1247 Wasserburg und Umge-bung gewaltsam in Besitz nahmen, kam auch Schwaben in ihre Hände. Die Burg, die sie dort anlegten, sollte ihre Herrschaftsrechte über dieses Gebiet und die Wasserburger Gegend sichern. Darum übertrugen sie die entsprechen-den Herrschafts- und Verwaltungsfunk-tionen von Falkenberg nach Schwaben; ein wichtiger Schritt dafür war die Einsetzung eines Richters zu Schwaben (zwischen 1270 und 1290).65

Während Falkenberg in die Bedeu-tungslosigkeit zurückfiel, entwickel-te sich Schwaben zum Zentrum des „Landgerichts Schwaben“, das in etwa den heutigen Landkreis Ebersberg und einige angrenzende Gebiete umfasste. Erst im Jahre 1811 sollte der Sitz des Landgerichts von Markt Schwaben nach Ebersberg verlegt werden.66

Ebenso wie über die Anfänge der Burg Falkenberg ist uns auch über ihr Ende nichts bekannt. Nach dem Jahre 128267 wird sie nicht mehr in Urkunden genannt. Im 19. Jahrhundert vermutete der seinerzeitige Schlossherr Karl Ritter von Grundner, dass die Burg während des Landshuter Erbfolgekrieges 1504/05 zerstört worden sei. Die „in jüngster Zeit auf diesem Platze“ ausgeackerten ge-schwärzten Bausteine ließen ihn an ei-nen Brand denken.68 Gut denkbar, dass die Burg den militärisch ausgetragenen familiären Zwistigkeiten im Hause Wit-telsbach zum Opfer fiel.

Der Familienfriede wurde immer wieder gestört, da nach dem Tod eines Herzogs Land und Herrschaft zwischen den Söhnen oder sonstigen Erben jedes Mal neu aufgeteilt werden mussten. So kam es ständig zu bayerischen Haus-kriegen, in denen herzögliche Brüder gegeneinander kämpften, ja sogar Väter gegen Söhne. Wie kompliziert die Lage war, sehen wir am besten bei einem Blick ins Jahr 1347: Da regierten sechs Brüder gemeinsam, teilten 1349 schließ-lich das Herzogtum und regierten je zu dritt: die einen Oberbayern (mit Tirol und Brandenburg), die anderen

Bayern Frieden und ungestörten Wohl-stand“, urteilte 30 Jahre nach seinem Tod ein Chronist.63 Der neue Herr des Falkenberger Richters Ulrich war nun Ottos Sohn, Herzog Ludwig I. Weil dieser 1231 auf der Donaubrücke in Kelheim meuchlings erdolcht wurde, ging er als „Ludwig der Kelheimer“ in Bayerns Geschichte ein.

Mit diesem Herzog Ludwig ist ein entscheidendes Datum der bayerischen Geschichte verknüpft: Ludwig erhielt im Jahre 1214 vom Kaiser die soge-nannte „Pfalzgrafschaft bei Rhein“. Damit begann die Herrschaft der Wit-telsbacher über die Pfalz, die bis 1945 mit Bayern politisch und administrativ verknüpft bleiben sollte. Die Wittels-bacher Herrscher nannten sich nun „Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern“; in ihrem Wappen vereinte sich der goldene Löwe der Pfälzer mit den weiß-blauen bairischen Rauten – bei-des bis zum heutigen Tag Symbole in unserem Staatswappen.

Vor 800 Jahren konnte niemand ahnen, wie wichtig die Pfalz als „zwei-tes Bein“ der Wittelsbacher für diese und Bayern werden würde: Als 1777 mit dem Tod des bayerischen Kurfürs-ten die bayerische Linie erlosch, kam aus der Pfalz, aus dem Mannheimer Hof der Wittelsbacher, unverzüglich ein rechtmäßiger Nachfolger auf den Münchner Thron – und die aufs Erbe gierigen Nachbarn wie Österreich, Preußen und Sachsen hatten das Nachsehen.

in Taglaching erneut schriftlich festge-legt wurden, galt übrigens immer noch der gleiche Steuersatz – es gab also, für uns heute kaum nachvollziehbar, keine Steuererhöhung.58

Der erste Richter auf der Burg

„Oulricus Judex de Valchenberck“ (= Ulrich, Richter von Falkenberg) war ein mächtiger Mann: der erste Richter in Falkenberg. Wir finden seinen Namen in einer Schäftlarner Klosterurkunde nach 1183.59 Er wirkte auf der Burg neben dem Hauptmann, besaß aber noch mehr Amtsgewalt.

Kurz nachdem Otto 1180 Herzog geworden war, setzte er in einer sei-ner ersten Amtshandlungen auf sei-nen Hauptburgen Richter ein.60 Solch ein Richter war damals ein überaus mächtiger und oft gefürchteter Mann, Vertreter der herzoglichen Hoch- und Blutgerichtsbarkeit im Gerichtsbezirk. Die „hochgerichtlichen Fälle“, über die er zu befinden hatte, waren zunächst beschränkt auf die drei todeswürdigen Verbrechen Mord, Vergewaltigung und Diebstahl mit Straßenraub, wurden aber im Lauf der Zeit immer mehr erweitert.61

Richter Ulrich wurde 1180/83 in sein Amt eingesetzt; wir hören von ihm bis 1203.62 Damit überlebte er seinen ersten Herrn Otto I., der nach nur drei Jahren Herzogswürde 1183 starb, zwei Jahrzehnte. Zu Ottos I. Zeit „genoss

Page 55: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

108 109

Schloss und seine Herren auf Falken-bergs Bildfläche erscheinen.

Was ist für uns Heutigen von der Burg geblieben? Kein Stein auf dem anderen, keine schriftlichen „Lebenszei-chen“ mehr nach dem Jahr 1282, nur ei-nige frühe Namen, ein „Burgweg“, Stei-ne im Erdreich und Spuren im Gelände – und natürlich der stolz auf den Moos-kolben sitzende, scharf schauende Falke im Wappen der Gemeinde Moosach. Er hatte wohl einen ähnlichen Vorfahren im Burgwappen, ehe dieser 20 Kilome-ter weiter nach Norden flog, um sich in Markt Schwaben als Wappenvogel niederzulassen. Denn 1409 wurde das Wappen der erledigten „Grafschaft Falkenberg“ von Herzog Stefan III. neu an (Markt) Schwaben verliehen.74 Dem-nach sah der Wappen-Falke unserer Burg so aus, wie er in der Urkunde des Herzogs für Schwaben beschrieben ist: „ein weißer Falke auf einem schwarzen Berg mit aufgehenden Flügeln in einem roten Feld“75.

Aber dagegen gibt es auch zweifeln-de Einwände. Denn es existierte bei uns nie eine Grafschaft Falkenberg. Doch gab es eine Grafschaft Falkenstein, ein mächtiges Adelsgeschlecht mit Burgen im Inntal, zum Beispiel bei Flintsbach. Die Falkensteiner starben 1272 aus, ihr Wappen war also ebenfalls „erledigt“. So geht das „Haus der Bayerischen Geschichte“ in seiner Internet-Be-schreibung des Schwabener Wappens davon aus, dass dieses nicht von unse-rem Falkenberg stammt, sondern von Falkenstein.76

Für den vorzüglichen Kenner un-serer heimatlichen mittelalterlichen Geschichte Gottfried Mayr dagegen steht „eindeutig“ fest: Der Schwabener Falke kommt aus Falkenberg. Mayr: „Zu Falkenstein im Inntal hatte Schwaben keinerlei Beziehung. Dass im 15. Jahr-hundert eine ehemalige Herrschaft als Grafschaft bezeichnet wird, ist kein Ge-genargument, da zwischen Grafschaft und Herrschaft nicht mehr unterschie-den wird, und umgekehrt auch ehe-malige Grafschaften als Herrschaften erscheinen.“77

Mayr überzeugt uns – aber schön wär’s trotzdem, könnten wir den ersten Burghauptmann Osrich fragen, oder den „Cunz Vischer auf dem Purckstall“: die wüßten’s uns genau zu sagen.

gingen in Flammen auf. Auch die Burg Falkenberg?

Die für Bayern so verderblichen Lan-desteilungen und damit verbundenen Kriege wurden erst im Jahre 1506 von Herzog Albrecht, inzwischen Allein-herrscher, durch eine Vereinbarung mit den Landständen beendet, wonach das Herzogtum Bayern jeweils ungeteilt an den Erstgeborenen fallen sollte.71

In der Zeitspanne von 1300 bis 1500 hören wir nur sehr wenig von Falken-berg; des öfteren von einer Mühle „datz der Linden zu Valchenberch“ (1302, im Besitz des Klosters Ebersberg), der spä-teren Sebald-, Wolfs- oder Lindlmühle (heute Martin Oswald, Grafinger Str. 22). Wenn 1417 von „Valickchenberg“ im Amt Nordhofen72 die Rede ist, macht uns dies nachdenklich. Ist da die Burg gemeint? Sie wäre wohl kaum einem Amt, einem Verwaltungsbezirk ein- und untergeordnet worden. Vielleicht stand die Burg nicht mehr, weil sie – wie wir vermuten – 1394 zerstört worden war. Und 1517 ist nur mehr die Rede von der Stelle, wo die Burg einmal stand: vom „Purckstall“.73 Das heißt: Es gab von der Burg nur mehr den Platz, auf dem sie einst errichtet worden war.

Der Falke flog nach Norden

Auch wenn von der Burg also nichts mehr, nicht einmal mehr eine Ruine üb-rig geblieben war: das Leben und Stre-ben da oben in Falkenberg ging munter weiter – und bald sollten ja auch das

Niederbayern (mit den Niederlanden). Danach gab es vorübergehend eine Vierteilung und 1392 schließlich die drei Teil-Herzogtümer Ingolstadt, Landshut und München.69

Im Bruderkrieg zerstört?

Unglücklicherweise bekam der durch seine prunkvolle Hochzeit unsterblich gewordene Landshuter Herzog Georg der Reiche mit seiner Frau Jadwiga von Polen keinen Sohn. Als der Herzog 1503 starb und im Testament seine Tochter als Erbin erschien, war Feuer am Dach – und bald im Land. Denn die Familie Wittelsbach hatte in einem Hausver-trag festgelegt, dass beim Fehlen eines männlichen Erben der Besitz an eine andere Linie gehe. Die Münchner Ver-wandtschaft, Herzog Albrecht, nahm den Bruch des Vertrags durch eine Frau als Erbin nicht hin, es kam zum Lands-huter Erbfolgekrieg 1504/05.70 Wurde da unsere Burg zerstört?

Doch vermutlich geschah das schon 100 Jahre früher in einem anderen Wit-telsbacher Bruderkrieg, im sogenannten „Ersten bayerischen Hauskrieg“. Den begann am Weihnachtsabend 1394 der Ingolstädter Herzog Ludwig der Bärtige gegen seine Münchner Brüder mit ei-nem missglückten Überfall auf Freising. Dieser Krieg, der nur sechs Wochen dauerte, spielte sich mehr in unserer Gegend ab als der spätere Landshu-ter Erbfolgekrieg. So wurde Markt Schwaben niedergebrannt, viele Dörfer

Page 56: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

110 111

Abb. 4: Erste Beschreibung des Falkenberger Besitztums aus dem Jahre 1578 („Vertzaichnus meines Guets“).

war. 1517 lebte da ein „Cunz Vischer auf dem Purckstall“.81 Ein halbes Jahr-hundert später, 1562, hatte hier der Münchner Bürger Blasy Rapp Besitz. Er gab sein Gut Falkenberg auf Leibrecht dem Linhart Lankhofer.82

Stolzer Besitz: „Guet zu Valkhnberg“1578

Sechzehn Jahre später, 1578, legte ein stolzer Besitzer eine ausführliche Beschreibung an,83 ein „Verzaichnus meines Guets zu Valkhnberg, was hir darzur gehörig“. Aus der Beschreibung spricht schon zu Beginn liebevoller Besitzerstolz:

„Erstlich in meinem Garten, mein Be-hausung, zwayen Gaden [Stockwerke] hoch mit einem Ziegeldach bedöckt, und auf drey Seiten, einen Gang herumb, zwo Stuben, die oben sauber ausdäffert [getäfelt], sechs Khämern, zwo oben ausdaffert, zwo gewölbt Kuchl, ein gewelbter Kheller, ein Stall zu drey Pferden, auch in dem Haus aller Hausrath. Vor dem Haus ein Vorbrunnen darbey ein Neuerbaut Patstuben [Badstube], ein Ba-chofen, mit sambt einer Schupfen zu einem Wagen […].“(Abb. 4)

Im Garten stehen etwa 140 junge Obstbäume. Außerhalb des Gartens aber „meines Bauerns Behausung mit sampt Stadl und Casten, vor dem Hauß ein Vorbrunnen, hinter dem Hauß ein Gärtle […].“

Weiter hören wir zweimal von „mein Holz“ und einem „Krautgarten“, auch

II. DAS SCHLOSS UND SEINE HERREN

Mit der Geschichte von Schloss Falkenberg haben sich, soweit wir das erkennen können, in den letzten 150 Jahren vier Menschen intensiver befasst: Karl Ritter von Grundner hat um 1860/70 als damaliger Schlossherr in seinen „Historischen Notizen“ die wesentliche Grundlage einer historischen Darstellung ge-schaffen. Seine Aufzeichnungen wurden nach seiner Zeit in Falkenberg für den Zeitraum 1874 bis 1928 von unbekannter Hand fort-geführt und von ebenfalls unbekannter Hand mit der Schreibmaschine abgetippt.78 Im Jahre 1966 hat Illona Zielinski79 Grundners Notizen zusammen mit anderen Publikationen für ein Heimatkunde-Referat ausgewertet und zu-sammengefasst.80 Vor etwa drei Jahrzehnten hat auf dieser Grundlage Oskar Mayer in den „Moosacher Streifzügen“ und schließlich im Moosacher Heimatbuch von 1990 die Schlossgeschichte beschrieben. Wenn wir jetzt der Vergangenheit von Schloss Falkenberg mit einem vertieften Blick näher kommen können, ist das zu danken diesen Vorarbeiten, der grundlegenden Forschung von Gottfried Mayr (1989), hilfreichen Hinweisen aus dem Baye-rischen Hauptstaatsarchiv, München, der en-gagierten Arbeit des Moosacher Archiv-Teams und den modernen Recherche-Möglichkeiten im Internet, insbesondere den Digitalen Sammlungen (Bavarica) der Bayerischen Staatsbibliothek.

Wir sind im Jahre 1517, dem Jahre von Luthers Thesen in Wittenberg. In Falkenberg ist von der Wittelsbacher Burg nur mehr der „Burgstall“ übrig, der Platz, auf dem die Burg gestanden

Page 57: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

112 113

war – wollte er durchaus einen repräsentativen herrschaftlichen Bau hinstellen; das zeigt auch der Bau einer eigenen Schlosska-pelle 1583.87

Erstes „Foto“ um 1700

Das erste „Foto“ des Schlosses wurde um das Jahr 1700 aufgenommen. Damals reiste der Hofkupferstecher Michael Wening durchs barocke Bayern, um im Auftrag des Kurfürsten Max Emanuel eine bild-hafte Beschreibung des Landes zu erar-beiten. Ihm verdanken wir einen schönen Blick, ein wenig aus der Vogelperspek-tive, auf das Schloss. (Abb. 6) Das ist freilich nicht mehr original identisch mit Schöttls Bau. Denn Freiherr von Wäm-pel, Schlossherr seit 1693, hatte kurz vor Wenings Besuch das Schloss baulich verbessert, es „in bessern Standt erhebt“ – so lesen wir in der Beschreibung zu Wenings Bild aus der Feder des Jesuiten Ferdinand Schönwetter.

Dieser nennt als Jahr der Erbauung 1579. Was Wening zeichnete und sein „Texter“ Schönwetter aufschrieb, ent-spricht zwar nicht immer der Realität – doch im Falle Falkenbergs sollte uns das eine Jahr Differenz zwischen dem bei Wening genannten Erbauungsjahr 1579 und dem Datum 1578 der Schlossbe-schreibung nicht zu sehr beunruhigen; 1579 galt vielleicht familienintern als

das Jahr der end-gültigen Fertigstel-

lung.88 Aber, wie auch immer, hören

wir, wie es in der Be-schreibung zu Wenings

Kupferstich heißt:

„Das Schloß, welches Herr Alexander Schöttl Anno 1579 zu genugsamben Under-kommen erbauet und ein Capell Anno 1583 dem H. Tauffer Johanni zu Ehren darbey setzen unnd weyhen lassen, stehet in der Höhe und geniesset einen sehr frisch und ge-sunden Lufft, massen [= während] die nächst beyfliessende Forellen-Bächlein von lauteren Köck-Wasser [= gurgelndes Wasser] auss den nächst liegenden Püchlen [= Hügeln] ent-springen […].“89

Schöttl war Mitglied des „Inneren Rats“ zu München, also des entschei-denden politischen Gremiums der Stadt. Als Vater Martin Schöttl gestor-ben war, hatte Herzog Albrecht V. die Söhne Alexander und Georg 1570 mit der Hofmark Delling (bei Seefeld, LK Starnberg) belehnt; drei Jahre später war hier aber nur mehr vom Bruder Georg die Rede.90 Das deutet vielleicht darauf hin, dass Alexander Grund hatte, nach einem eigenen Herrschaftssitz zu schauen. (Abb. 7)

Abb. 7: Alexander Schöttl, der Erbauer des Schlosses – Porträt auf einer

Medaille im Kunsthistorischen Museum Wien.

der angrenzenden Nachbargrundstücke, an die sie „oben […] unthen“ stoßen, ei-nes zum Beispiel an den Sebald-Müller. Wir lesen weiter als angrenzende Grund-nachbarn „den Künsinger, den Pfarrer, den Brandtmair, den Herrn Pienznauer, den Wirmair, den Bamhauer, den Hin-termayer von Bullenhofen, den Kazmair, den Waltpacher“ – und erkennen einige noch heute geläufige Hausnamen.

Eine der aufgezählten Wiesen „stoßt an meines gnädigen herrn grundt“. Der 1578 im hier beschriebenen zweistö-ckigen, stattlichen Gebäude wohnende Mann hatte als Grundnachbarn und „gnädigen Herrn“ den Wittelsbacher Herzog – und er muss der erste Herr und Erbauer des Schlosses gewesen sein: Ale-xander Schöttl, Spross einer Münchner Bürgerfamilie, der die früher zur Burg gehörenden Ländereien des Herzogs in seinen Besitz gebracht hatte.84

Sein Schloss ließ Schöttl nicht genau auf dem Standort der einstigen Burg erbauen, sondern außerhalb der Burg-mauern nördlich des Bergvorsprungs, auf dem die Burg gestanden hatte85 (heute Siemens-Siedlung). Es wurde auf Bauschutt (von der zerstörten Burg?) oder aufgefülltem Boden errichtet; darauf deutet die Nachgiebigkeit des Untergrunds. Starke Strebepfeiler, die bis zu der harten Nagelfluhschicht in den Boden getrieben wurden, sollten ein Einstürzen der Außenmauern verhin-dern.86 (Abb. 5)

Auch wenn Schöttl in seiner Beschrei-bung nicht von einem „Schloss“ spricht – vielleicht, weil er 1578 zunächst „nur“ Bürger und noch kein Hofmarksherr

von einem „grossen Anger“ und „etliche schön groß Obstbaum“. Besonders sorgfältig werden die vielen „Äcker“ aufgeführt und beschrieben, insgesamt 238 an der Zahl; das sind kleine Felder, von denen „8 werden gerechnet wie ein Joch“, also wie ein Tagwerk. Der Acker-grund (ohne Wiesen) beläuft sich damit auf insgesamt circa 30 Tagwerk; ein Drittel davon ist „mit einem Zaun um-fangen, steht oben an mein Holz und an der Leiten [= Abhang]“.

Wo genau seine Äcker liegen, be-schreibt der Besitzer durch die Angabe

Abb. 5: Fensterschacht im Keller: mächtiges Gemäuer.

Page 58: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

Abb. 6: Das Schloss um 1700 (Ansicht Wening).

Page 59: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

116 117

Wie Schöttl legten auch andere Münchner Patrizier ihr Vermögen in Be-sitzungen im Umkreis der Hauptstadt an, erwarben Edelsitze, Hofmarken und höheren sozialen Rang. Ein Bei-spiel in der Nachbarschaft ist die Hof-mark Egmating (Münchner Ratsfamilie Schrenk),97 ein weiteres der Münchner Ratsherr und Kaufmann Leonhard Hö-ger, der in Anzing Güter und Schloss erwarb und dessen Nachfahren in den Adelsstand erhoben wurden.98

Alexander Schöttl lebte auf Fal-kenberg als erster in einer langen Reihe von Schlossherren. Wenn wir nun stichpunktartig den Verlauf der Schlossgeschichte betrachten,99 folgen wir der von Ritter von Grundner vor-gezeichneten chronologischen Linie. Hin und wieder blicken wir auch in die Münchner Residenz zum dort regieren-den Landesherrn. Im 19. Jahrhundert werden wir die Schlossherren von Hof-stetten und von Grundner eingehender betrachten und anhand derer Leben und Wirken politische und wirtschaft-liche Gegebenheiten dieser Zeit näher bringen.

Der 1578 in der Beschreibung von Schöttls Falkenberger Besitz als Grund-nachbar genannte „gnädige Herr“ war Herzog Albrecht V. (1550-1579). Er war ein großer Förderer der Künste, machte die Residenzstadt München zu einem kulturellen Zentrum, holte bedeutende Gelehrte und Künstler an seinen Hof, zum Beispiel den großen Tonkünstler Orlando di Lasso, der München damals zu einer europäischen Musikmetropole macht. Bei Albrechts

Tod 1579 schrieb ein Zeitgenosse: „Ist ein gottesfürchtiger, stattlicher und gar vernünftiger Herr gewesen, der gelehrte und kunstreiche Leute recht lieb hatte und Bayern zieren wollte von innen und außen“.100

20 Familien in vier Jahrhunderten

Auf Schloss Falkenberg wechselten die Herren nach der Familie Schöttl in rascher Folge – wir erleben an die 20 Familien in vier Jahrhunderten! Das bereitet uns nicht nur einige Chronisten-Mühe, sondern legt auch die Frage nach der Ursache nahe. Wir haben für eine Antwort keine stichhaltigen Hinweise, können nur vermuten, dass der wirt-schaftliche Ertrag aus den Gütern nicht zufriedenstellend war, zumal die meist recht kleinen Falkenberger Anwesen nur wenig abwarfen; auch dürften man-chem Herrn die immer wieder zu tra-genden Baulasten zu schwer geworden sein. Darauf deuten vor allem im 19. Jahrhundert Klagen der Schlossherren von Hofstetten und von Grundner hin.

1599101 erwarb Dr. Johann Wolf-gang Freymann auf Hohenrandeckh von und zu Essingen, kaiserlicher gehei-mer Rat, das Schloss von den Erben Ale-xander Schöttls. Er erhielt im Jahre 1600 auf seine Bitte hin vom Landesherrn Maximilian I. als besondere Rechte102 die Hofmarchs-Gerechtigkeit und Edel-mannsfreiheit, die niedere Gerichtsbar-keit über zwei Höfe, vier kleine Anwesen und zwei Mühlen in Falkenberg.103

28. August 1581, drei Tage, nachdem er seinen Falkenberger Besitz durch das Tauschgeschäft mit Herzog Wilhelm ver-größert hatte, erhielt Schöttl vom Herzog diese sogenannte „niedere Gerichtsbar-keit“.93 So hatte jetzt Bürger Schöttl den sozialen Aufstieg geschafft, und wir lesen bald vom „edlen“ Alexander Schöttl: Das Kloster Ebersberg verlieh 1586 dem Edlen und seiner Frau Katharina wegen besonderer Verdienste um den klösterli-chen Weinbau an der Etsch in Südtirol Einnahmen unter anderem aus einem Hof in Fürmoosen.94 (Abb. 8)

1597 hören wir, dass Alexander Schöttl nicht mehr lebte.95 Seine Erben, drei Brüder und drei Schwestern, ver-kauften jetzt den Falkenberger Besitz, der aber nur sechs Jahre später von den Schöttls wieder zurückgekauft wurde und dann fast ein Jahrhundert lang in der Familie blieb.96

Alexander Schöttls Ehefrau Catha-rina Ligsalz kam aus einer sehr reichen Münchner Familie und brachte wohl viel an „Gerstl“ für den Schlosserwerb mit – so wie etwa hundert Jahre später eine andere Katharina Ligsalz, die es ihrem Ehemann auf dem Edelsitz im nahen Pöring ermöglichte, die marode Pöringer Kirche auf eigene Kosten neu zu erbauen.

Schöttls Trachten ging danach, seinen Besitz in und um Falkenberg zu vergrößern. 1581 tauschte er von Her-zog Wilhelm V. kleinere Anwesen in Reit und Falkenberg sowie die unterhalb des Schlosses liegende Waldbachmühle.91 Auch in der Nachbarschaft schuf er sich Eigentum: Im Jahre 1588 erscheint er als Besitzer eines Anwesens in Pöring, das bis 1671 in der Familie blieb.92

Schöttls Aufstieg in den Stand der Edlen

Der Erwerb des ehemaligen Burgsit-zes Falkenberg und der dazu gehörenden Ländereien eröffnete dem Münchner Bürger Schöttl den Weg zur „Hofmark“ und damit zum sozialen Aufstieg in den Stand der Edlen. Mit der Hofmark wur-de er Herr über die hier auf seinem Land lebenden und arbeitenden Menschen, konnte von ihnen Arbeit und Abgaben verlangen und urteilte als ihr Richter über alle Delikte, auf denen nicht – wie für Mord, Raub, Notzucht – die Todes-strafe stand.

Solch ein Herr wurde Schöttl bald nach dem Bau seines Schlosses: Am

Abb. 8: Wappen der Familie Schöttl.

Page 60: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

118 119

notiert Grundner, wurde seine Tochter Sidonia vom Freisinger Bischof Veit Adam gefirmt. Von diesem Schöttl ka-men 1847 zwei Siegel in den Besitz des Historischen Vereins von Oberbayern.110

1648 plünderten die Schweden Ebersberg und die benachbarten Orte aus. Grafing wurde neuerdings abge-brannt. Schloss Falkenberg blieb „we-nigstens vom Brand verschont“.

1682 starb der „praenobilis“ Johann Albert Schöttl in Falkenberg.

1690 starb seine Tochter Sidonia Schöttl, verehelichte Robaltin111 in Falkenberg und vermachte der Kirche zu Moosach 300 Gulden (fl). Anton Albrecht, der letzte Schöttl, ging in ein Augustiner-Kloster und brachte damit dem Orden den Besitz Falkenberg.

Dieser letzte Schöttl-Spross erlebte noch mit, wie in der Residenzstadt das „große Bauen“ in barocker Pracht112 be-gann: davon zeugen unter anderem die Theatiner-Kirche und Schloss Nymphen-burg. Auch im Falkenberger Schloss konnte man sich wohl kaum dem über ganz Europa ausstrahlenden Glanz des Sonnenkönigs Ludwig XIV. (1638-1715) entziehen: Französische Lebensart und Sprache gehörten in den höheren Stän-den zum guten Ton, wenn man nicht – angeregt von der italienischen Kurfürs-ten-Gattin, ihrem Hofstaat und vielen südländischen Künstlern – lieber Itali-enisch parlierte. Andere Zeitgenossen störten sich an dieser Mode – und ein Chronist sah Anlass zur Klage, „dass die höheren Münchner Stände das Franzö-sische und Italienische besser beherrsch-ten als ihre heimische Muttersprache“.113

Schlossherr von Wämpel Vermittler im Bauernauf-stand 1705

1693: Der Ordensprovinzial ver-kaufte am 29. Dezember Falkenberg an Johann Sebastian Freiherr von Wämpel zu Tödtnau114 und auf Schwarzenbach, Landschaftskanzler, Geheimer Rat und Pfleger zu Krayburg. Dieser erhielt 1696 die niedere Gerichtsbarkeit auch über weitere neuerdings der Hofmark einver-leibte Untertanen.115 Dazu zählten auch „einschichtige“ Untertanen (z. B. einer in Taglaching)116 – das waren Bauern, die auf einem Anwesen außerhalb der Hofmark lebten. Auf den neuen Schloss-herrn Wämpel sollte beim Bauernauf-stand mit der „Sendlinger Mordweih-nacht“ 1705 eine schwierige Aufgabe zukommen.

1700-1703: Während des Spani-schen Erbfolgekrieges erlitten die Men-schen „erschröckliches Ungemach“, notiert von Grundner. Und zwar kei-neswegs nur von den feindlichen Ös-terreichern, Ungarn, Kroaten, Husaren und Panduren, sondern auch durch die bayerischen Truppen mit ihren alliierten Franzosen, Hessen und Pfälzern; die sei-en die Allerschlimmsten gewesen.

In diesem Krieg (1701-1714) ging es um das Erbe eines kinderlos verstorbe-nen spanischen Königs; Spanien sollte an Frankreich fallen, was England nicht hin-nehmen wollte. Im Bunde mit Österreich besiegte es 1704 die Franzosen und die mit diesen verbündeten Bayern. Der bayerische Kurfürst Max Emanuel, Enkel Maximilians, floh und überließ

gebrandschatzt; Ebersberg erlebte an den Pfingstfeiertagen unmenschliche Grausamkeiten. Grundner schreibt dazu: „[…] so ist es leicht zu verstehen, dass der Markt Grafing und die umlie-gende Gegend nicht verschont geblie-ben“; jedermann sei von Haus und Hof entlaufen. „Habschaften, Pferde und Vieh wurden in abgelegenen Wäldern und Filzen untergebracht, gerettet und salvieret. Abgelegenere Orte wie Fal-kenberg, die von den Heeresstraßen 2 bis 3 Stunden abgelegen und seitwärts situiert, waren den Einquartierungen, Durchmärschen und Plünderungen nicht so ausgesetzt.“ Auch die Veste Zinneberg sowie Glonn wurden von den Schweden zerstört. Grafing brannte 1632 fast völlig aus.

1642 wurde das Land weiterhin vom 30-jährigen Krieg überzogen. Kurfürst Maximilian befahl zur Verstärkung der Landesverteidigung die Errichtung eines Landwehr-Regiments aus „Jäger-, Wildt-, Bürg-Schützen, Reistjäger [?], Jägerjun-gen und Zihlschützen“. Diesen Erlass („Brief“), so schreibt Schlossherr von Grundner, „fand ich in einem Wandkas-ten nebst einem Plan vom Schlosse Fal-kenberg und anderen älteren Papieren“; er gab ihn zu seinen Aufzeichnungen. Zielinski hat ihn dort im Jahre 1966 noch vorgefunden („alter Druck, beschädigt“) und erläutert, dass dieser Befehl des Kurfürsten vom 14. November 1642 ausdrücklich auch an die „Hoffmarchs Inhaber“ ergangen sei.109

1643 war der „praenobilis“, also „hochedle“ Johann Albert Schöttl Herr auf Falkenberg. In diesem Jahr, so

Der neue Landesherr Maximilian re-gierte seit 1598; sein Vater Wilhelm V., mit dem Schöttl Grundbesitz getauscht hatte, hatte wegen des drohenden Staatsbankrotts abdanken müssen. Maximilian (seit 1623 Kurfürst, † 1651) regierte über ein halbes Jahrhundert, wurde einerseits „eine der größten Herr-schergestalten seiner Zeit“, andererseits aber zugleich auch zu einem strengen „moralischen und religiösen Zuchtmeis-ter seiner Untertanen“.104

1603: Martin Schöttl, Kastner in Pfaf-fenhofen, und sein Bruder Jakob Schöttl, Stadthauptmann in München105, kauften das Schloss wieder zurück. Die Schöttls erwarben eine Sölde (kleines Anwesen) in Fürmoosen und wollen auch darüber die niedere Gerichtsbarkeit, was aber 1605 zunächst abgelehnt und erst 1611 nach einem Gutachten der Hofkammer von Maximilian bewilligt wurde.106

Während Martin schon vor dem Jah-re 1616 starb,107 lebte sein Bruder „Jakob Schöttl zu Falkenberg“ als „churfürstli-cher Kriegsrath und Oberstlieutenant“ noch 1622.108 Falkenberg blieb nun etwa 90 Jahre im Besitz der Familie Schöttl – keine andere Falkenberger Herrschaft währte so lange.

Erlass von Kurfürst Maximilian 1642 im Wandkasten

1632: Im 30-jährigen Krieg besetzte Gustav Adolf München und vertrieb Kurfürst Maximilian; die Schweden drangen bis zum Inn und bis Tirol vor. Aibling und Rosenheim wurden

Page 61: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

120 121

Abb. 9: Blick auf das Schloss Falkenberg um 1720. Ausschnitt aus einem Gemälde des Hofmalers Franz Joachim Beich.

Page 62: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

122 123

Reichsgraf, Reichsfreiherr und ein Gesandter

1716: Freiherr Aloysius Clemens Franziskus Pancratius Reichsgraf von Rechberg und Rothenlöwen kaufte am 20. Juli Falkenberg samt neun Unter-tanen von den Erben von Wämpels. Zu diesen zählte Wämpels Schwes-ter Johanna, Wirtschaftsführerin des Augsburger Dominikanerinnen-Klosters Sankt Katha rina. Sie verwendete ihren Verkaufs erlös, oder einen Teil davon, für Zwecke des Klosters.121

Reichsgraf von Rechberg war Chur-fürstlicher Kammerer und Pfleger zu Erding, also ein hoher Amtsträger in Verwaltung und Rechtsprechung; er hatte weitere Besitzungen und war un-ter anderem auch Herr auf Elkofen und Lorenzenberg. Er war mit einer Fugger-Tochter verheiratet, erhielt 1730 den Churbayerischen Ritterorden des hei-ligen Georg. Als er 1732 starb, erlosch diese Linie; eine andere sitzt bis zum heutigen Tage auf Schloss Elkofen.122

Erbin von Falkenberg wurde Tochter Maria Felicitas, Reichsgräfin von Rech-berg (1709-1788). Sie ehelichte Josef Clemens Heinrich Maria Reichsfreiherr von Morawitzky (1711-1786). Der neue Schlossherr entstammte einem der ältes-ten polnischen Adelsgeschlechter und führte in seinem vollständigen Titel „auf Tenczin und Rudnitz, Herr auf Moosen, Arnstorf und Ramlesreuth“. Als Wirkli-cher Geheimer Rat und Vizestatthalter in Amberg schrieb er sich in die Annalen ein. (Abb. 10 u. 11) Abb. 11: Porträt des Schlossherrn Josef Clemens

Reichsfreiherr von Morawitzky.

Abb. 10: Wappen des Freiherrn von Morawitzky.

er doch gegenüber seinen bayerischen Landsleuten, den Wortführern der auf-ständischen Bauern, den Standpunkt der österreichischen Besatzer verdeut-lichen. Gleich zu Beginn der Ausspra-che erklärte von Wämpel, er und die weiteren Vertreter der „Landschaft“ (= Landtag) nähmen die Beschwerden der Bauern entgegen und wollten sich bei der österreichischen Verwaltung für eine Abhilfe einsetzen. Auf einen Rück-zug der kaiserlichen Truppen dürfe aber niemand hoffen, die Aufständischen müssten sich unterwerfen.118 Alle Ver-mittlungsbemühungen von Wämpels und seiner Mitstreiter blieben vergebens, konnten die Katastrophe von Sendling nicht verhindern.

1707: Froh und dankbar, dass sein Falkenberg von den Kriegsgräueln ver-schont geblieben war, stiftete Freiherr von Wämpel am 30. März (und noch einmal am 20. August 1710) sieben heilige Messen für die Schlosskapelle in Falkenberg. Sein Motiv: „Ich, Freiherr von Wämpel bekenne, [dass ich] so vielfältige Gnaden […] erhalten, dass die Hofmarch Falkenberg samt den dazugehörigen Unterthanen bei diesen schweren und gefährlichen Kriegsläuf-ten von feindlicher Gewalt, Plünderung, Brandschatzungen und anderen derglei-chen feindlichen Verfolgungen befreiet und unbeirrt geblieben […].“ Eine wei-tere Stiftung setzte er am 4. April 1709 zur „Haltung der Kinderlehre durch den Pfarrer von Moosach“ ein.119

1715 hören wir im März von einer schweren Erkrankung des Freiherrn.120 Von dieser konnte er nicht mehr genesen.

seine Untertanen den feindlichen Ös-terreichern. Kaiser Joseph I., ein Habs-burger, wollte Bayern in seine Erblande einverleiben, das Land litt unter den brutalen kaiserlichen Besatzern, die Bauern wurden ausgeplündert; Öster-reich versuchte, bayerische Männer in seinen Soldatendienst zu zwingen. Die Bayern hassten die Österreicher, aber auch den eigenen Kurfürsten. Wider-stand und blutige Unruhen waren die Folge.117

1705: „1705 bei dem Aufstande des Volkes gegen die verhasste Fremdherr-schaft der Österreicher betheiligte sich auch Landvolk aus unserer Gegend und Anführer war der Posthalter Hirner von Anzing“, notiert von Grundner; die Rol-le von Wämpels blieb ihm offensicht-lich unbekannt.

Am 25. Dezember wurden in der „Sendlinger Mordweihnacht“ von den „Kaiserlichen“ über 1.000 aufständi-sche bayerische Bauern getötet, ob-wohl sich viele schon ergeben hatten. Zuvor hatte von Wämpel, als Land-schaftskanzler höchster Beamter einer Art von „Landtag“, in einer von der kaiserlichen-österreichischen Verwal-tung mit Verhandlungen beauftragten Kommission den Waffenstillstand von Anzing mitverhandelt – vom 10. bis 12. Dezember im Anzinger Höger-Schlöss-chen. Wir können uns gut vorstellen, wie er an diesen Tagen in seiner Kutsche mit schwerer Sorge im Herzen von Fal-kenberg nach Anzing fuhr, um mit den aufständischen Bauern zu verhandeln.

Für den Falkenberger Schlossherrn sicher keine einfache Aufgabe, musste

Page 63: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

124 125

„Reichsfreyherr von Mayr“. 1782 erbte Sohn Friedrich, 1789 dessen Sohn Max Anton Reichsfreiherr von Mayr.128

1770-1773 notiert Grundner „in un-serer Gegend Hungersnoth“.

1789 begann in Paris die Franzö-sische Revolution zu toben; an deren Ende 1799 ergriff Napoleon Bonaparte die Macht.

1791 starb in Wien Wolfgang Ama-deus Mozart. Er war in seinem nur 35-jährigen Leben wiederholt am kur-fürstlichen Hof in München, gab als Sie-benjähriger 1763 ein Konzert in Schloss Nymphenburg, bat 1777 den Kurfürsten erfolglos um eine Anstellung, kompo-nierte hier 1880 die Oper „Idomeneo“, erlebte deren sehr erfolgreiche Urauf-führung im Cuvilliés-Theater – doch sein Wunsch nach einer festen Anstellung durch den Kurfürsten wurde jetzt von Karl Theodor ebenso wenig erfüllt wie zuvor durch Max III.

Pfälzer bringen uns den Leberkäs

1795-1799 „hat unsere Gegend wieder viel durch Einquartierungen zu leiden“, schreibt Grundner. Erneut plag-ten österreichische und französische Soldaten das Bayernland. Falkenbergs Schlossherren aus der Freiherren-Fami-lie von Mayr hatten zuvor erlebt, wie 1777 mit dem Tode des vielgeliebten Max III. die bayerische Linie der Wittels-bacher erlosch und in Bayern fortan mit Kurfürst Karl Theodor ein Spross der in der Pfalz residierenden Wittelsbacher

regierte. Es gab mit den Österreichern einen Streit um das Erbe, dabei verlor Karl Theodor 1779 das Innviertel an Österreich.

Als Österreich und Preußen 1792 Krieg gegen die französischen Revolu-tionsarmeen begannen, versuchte Karl Theodor zunächst neutral zu bleiben, musste sich aber bald widerwillig mit Österreich verbinden. Nur zu gerne hät-te der Kurfürst von den Österreichern die Niederlande gegen Altbayern einge-tauscht – zur Erleichterung der empörten bayerischen Patrioten wurde nichts dar-aus. Der ungeliebte Herrscher, der zuletzt mit viel Polizeidruck regierte, erlitt 1799 beim Kartenspiel einen tödlichen Schlag-anfall. München atmete befreit auf.129 Nachfolger wurde Kurfürst Max Joseph, später Bayerns erster König.

Die Wittelsbacher aus der Pfalz brachten neue Impulse an den Münch-ner Hof; am politischen Horizont des alten Bayern tauchten liberale Gedan-ken auf. Nebenbei gab es auch einen nachhaltigen gastronomischen Import aus der Pfalz: Im Hofstaat, mit dem Karl Theodor vom Mannheimer Hof in die Münchner Residenz wechselte, kam auch ein Metzger mit: der soll unseren Leberkäs „erfunden“ haben!130

1800 berichtet Grundner von Ein-quartierungen französischer Truppen sowie deren Durchzug durch Grafing. Er notiert, dass am 3. Dezember 1800 der französische General Moreau die Ös-terreicher und Bayern bei Hohenlinden besiegte und 60 Wagen mit Verwunde-ten und 1.200 Gefangene nach Grafing kamen.

Haupt- und Residenzstadt München, erhielt 1747 die Edelmannsfreiheit und zählte 30 Untertanen.124

1754 fertigte der Ingenieur-Lieutnant Pusoto125 einen Plan des Schlosses Fal-kenberg an, „der dortselbst heute noch zu sehen ist“, wie Grundner schreibt, uns heute aber nicht mehr vorliegt.

1756 verkaufte Wachsensteins Wit-we Florentina an den Freiherrn und Ge-heimen Rat Johann Adam von Schroff (1709-1760). Dieser erhielt nicht die Edelmannsfreiheit und verlor deshalb acht „einschichtige“ Untertanen. Von Schroff war „accreditirter Minister“ (Gesandter) am Hofe von Kurfürst Maximilian III. Joseph, der seit 1745 in der Münchner Residenz regierte. Max III. war ein aufrichtiger, engagierter und sehr mildtätiger Herrscher. Er trug den Ehrentitel „Vielgeliebter“ und war nach dem Urteil von Maximilian Graf von Montgelas der beste und erlauchteste der Wittelsbacher Fürsten.126

1760: Schlossherr von Schroff starb 51-jährig am 27. März „nach einer drey-monatlichen Krankheit und erfolgten zweyfachen Schlagfluße“. Durch die Ehe mit dessen einzigen Tochter und Erbin wurde neuer Besitzer der kurfürstliche Hofkammerrat Max Friedrich Freiherr von Mayr. Dieser besaß die Edelmanns-freiheit und erhielt damit die dem ver-storbenen Schwiegervater entzogenen „einschichtigen“ Untertanen wieder zurück.127

Falkenberg blieb bis 1805 im Besitz der Familie Freiherr von Mayr. 1772 werden genannt „Freyinnen von Mayr“ (besaßen auch Johanneskirchen), 1778

1737: Reichsfreiherr von Morawitzky und seine Frau verkauften an Johann Karl Joseph Reichsgraf von Preysing (1689-1770), Spross einer über Jahr-hunderte hindurch bedeutendsten bay-erischen Adelsfamilie.

Landesherr war seit 1726 Kurfürst Karl Albrecht; dieser förderte mit sei-nem Baumeister François de Cuvilliés den Siegeszug des Rokoko: Amalien-burg, „Reiche Zimmer“ in der Residenz, Cuvilliés-Theater, Künstler der Wesso-brunner Schule.

Die nach dem Jahr 1737 folgenden Besitzerwechsel auf Falkenberg werden bei Grundner nicht aufgeführt und erst wieder ab 1806 notiert.

1742-1745: Für diese Jahre notiert Grundner: „Während des österreichi-schen Erbfolgekrieges unter dem Kur-fürsten Albrecht von Bayern war unsere Gegend mit Einquartierung, Durchmär-schen und Plünderungen viel geplagt“. Der Kurfürst erhob Gebietsansprüche gegen Kaiserin Maria Theresia, fiel in Nieder-, Oberösterreich und Böhmen ein – bis die Österreicher den Spieß um-drehen konnten, Bayern besetzten und drangsalierten. Grafing und Umgebung wurden immer wieder zum Soldaten-Quartier, einmal lagen hier 8.000 Mann. Für Bayern wurden diese Kriegsjahre zur schrecklichen Panduren-Zeit.

1747 Reichsgraf von Preysing ver-kaufte am 24. Juli Schloss und Sitz Falkenberg samt dem Deinhofer Gut an Egidius de Courcelle von Wachsenstein und seine Ehefrau Florentina.123 Wach-senstein war General-Feldmarschall-Lieutenant und Kommandant der

Page 64: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

126 127

Abb. 12: Wappen der Schlossherren von Hofstetten.

Ehrenmitglied der Akademie der Wis-senschaften.135 Mit Selbstbewusstsein und Stolz auf die Verdienste der Familie richtete Benno von Hofstetten zusam-men mit seinem Sohn Anton bald nach dem Erwerb der Hofmark Falkenberg eine Bittschrift an den König: Max I. Joseph möge die Herren von Hofstetten gebührenfrei in den Reichsfreiherren-Stand erheben.136 Die Bitte wurde unter-mauert mit Verweis auf die besonderen Leistungen der Familie, zum Beispiel die des Vaters Benedict sowie des Groß-vaters Joseph Martin, langjähriger Bür-germeister von Straubing, der die Stadt im Österreichischen Erbfolgekrieg als Stadthauptmann tapfer „gegen die be-lagernden Österreicher“ verteidigt habe – dafür hatte es 1748 für die Hofstettens ja auch den Adelsbrief gegeben.

Vergebliche Bitten an König Max

Der König verfügte auf der Bitt-schrift „Beruht bis zur Krönung“, was heißen sollte: erst einmal liegen lassen. Eine förmlich-zeremonielle Krönung gab es dann aber nie. Später wurde auf einem erneuten Schreiben Hofstettens offensichtlich von Beamtenhand die Frage notiert, ob Abwarten Schaden bringe („periculum in mora“); offenbar mochte sich der König nicht entschlie-ßen. Im Jahre 1810 erinnerte Bennos ältester Sohn Anton den König, dieser habe doch dem Vater bereits vor eini-gen Jahren als Belohnung für seine Ver-dienste und die der Familie die „taxfreie

1805-1806: Krieg Österreichs und Russlands gegen Frankreich; Bayerns Kurfürst war, beraten von seinem klu-gen Minister Montgelas, noch schnell auf die Seite Napoleons gewechselt. Nach dessen Sieg erhielt Max Joseph 1806 zum Dank von Napoleon die Kö-nigskrone (was Max aber 1813 nicht hindern sollte, in den beginnenden Be-freiungskriegen, gedrängt von Montge-las, erneut die Seite zu wechseln: in das siegreiche Bündnis gegen Napoleon). Französische und bayerische Soldaten nahmen, so berichtet Grundner, 1805 Quartier in Parsdorf, Zorneding, Ho-henlinden, Schwaben, Ebersberg und Grafing; 1806 wurden in Grafing öster-reichische Kriegsgefangene „verwahret“.

1805131 verkaufte Marcus Freiherr Mayer von Schernegg132 die Hofmark Falkenberg an den Kurfürstlichen Hof-oberrichter und Hofrat Benno Ignatz von Hofstetten (1748-1811)133. Der neue, 57-jährige Schlossherr war noch ein Mann aus der Ära des Kurfürsten Karl Theodor, zählte auch zu dessen engeren politischen Beratern. Er ver-brachte seine letzten Lebensjahre in Falkenberg und erlebte mit König Max I. und dessen „rechter Hand“ Montgelas den Beginn einer neuen Zeit: eine „Re-volution von oben“ durch Reformen von Verfassung, Verwaltung, Gerichtswesen, Grundbesitz – Grundlagen des moder-nen Bayern.134 (Abb. 12)

Die Hofstetten (vorher Hofstetter / Hofstötter), 1748 in den bayerischen Adelsstand erhoben, waren eine hoch angesehene Familie; Bennos Vater Be-nediktus war Hofkammerdirektor und

Page 65: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

128 129

Erhebung in den Freiherrenstand“ zugesagt.137 Vergeblich – und auch als Sohn Anton dem König im Januar 1811 mitteilte, Vater Benno habe „nur noch wenige Tage auf diesem Erdenrunde zu leben“, wurde seine Bitte nicht erfüllt.138 (Spielte dabei vielleicht eine Rolle, dass der starke Mann am Königshofe, Mont-gelas, in Benno von Hofstetten einen Mann aus der alten Garde des Kurfürs-ten Karl Theodor sah? Beim Kurfürsten war Montgelas einst als junger Hofrat so in Ungnade gefallen, dass er den Hof und München hatte verlassen müssen. Es fällt auch auf, dass im Nachruf auf Benno von Hofstetten dessen Regie-rungstätigkeit für Karl Theodor nicht erwähnt wird.)

Benno von Hofstetten waren nur we-nige Jahre als Herr auf Falkenberg ver-gönnt; mit 63 Jahren starb er 1811. Im Nachruf des „Königlich-baierischen In-telligenzblatts“139 heißt es, er sei gestor-ben „an Entkräftung, beweint von einer geliebten Gattin und 5 Kindern und von allen Patrioten geschätzt“. Weiter schildert der Nachruf die Laufbahn des Verstorbenen: Mit 25 Jahren wurde er „wirklicher Hofrath“ und Kultur-Kom-missär, mit 31 Jahren Ober-Landesre-gierungsrat, zwei Jahre später Hofober-richter und Gerichtsherr in der Au (bis 1796140). Zu seinem Tätigkeitsbereich zählten die Aufsicht über öffentliche Gefängnisse, Zuchthaus und Hospital, aber auch die „Beleuchtungsanstalten“; 1799 war er Kommissar für das „Hof- und Stadtbeleuchtungsamt“141.

Nicht erwähnt wird sein Engagement fürs Schützenwesen; als Beauftragter

von Kurfürst Karl Theodor war er zusam-men mit dem Münchener Bürgermeister verantwortlich für die Erarbeitung einer Schützenordnung für München und „für alle Schützenstätten“.142 (Abb. 13)

Ein konkreter Hinweis auf seine Re-gierungstätigkeit fehlt im Nachruf. Als 1779 Kurfürst Karl Theodor seine Regie-rung organisierte, berief er 15 Räte – ei-ner davon war Benno von Hofstetten.143 Und so sehen wir ihn fortlaufend im „Hof- und Staatskalender“ verzeichnet als „Mitglied der Kurfürstlichen hohen Oberen Landesregierung“ (z. B. 1781, 1784), als einen der „Räthe von der Rit-terbank“ (1785), oder als Mitglied „im Kurfürstlichen Hofraths-Dicasterium“ (Gericht / Ministerium). Darauf also geht der Nachruf nicht ein, doch rüh-mend wird hervorgehoben, wie der Ver-storbene seine Amtspflichten mit den Geboten der Menschlichkeit in Einklang zu bringen vermochte:

„Was Benno von Hofstetten leistete, ist in Baiern bekannt, in welchem Grade er sich je-derzeit die Zufriedenheit seines Landesfürsten erworben, hierüber sprechen offene schrift-liche Beweise – daß er ohne Sekierer, ohne Verfolger zu seyn, und ohne seiner Amtspflicht zu nahe zu treten – im Menschen stets den Menschen ehrte, Unglück verhütete, Leiden linderte, wo er konnte, erkennt noch manch Dankbarer, wie das Vaterland selbst.“

Benno von Hofstetten war im Üb-rigen auch Mitglied der Marianischen Männerkongregation.144 Die trauernde Witwe Therese, geborene Soyer von Eisendorf, folgte ihrem Mann 1819.145

Abb. 13: Eine der Arbeiten des kurfürstlichen Hofoberrichters Benno von Hofstetten: die Schützen-Ordnung für München und alle bairischen Schützenstätten von 1796.

Page 66: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

130 131

„1812 kam die Hofmark an Herrn v. Weindl“ schreibt Grundner; dieser Weindl habe auch 1812 die Kapelle neu gebaut.146 Doch der Mann wirft viele Fragen auf. Wurde er wirklich nach dem Tode des Schlossherrn Benno der neue Besitzer? Unzweifelhaft geht aus der Korrespondenz des Anton von Hofstet-ten, des ältesten Sohnes, mit dem König hervor, dass er, Anton, spätestens im September 1813 Herr auf Falkenberg war.147 War Weindl Pächter, Verwalter, Gerichtsbeamter? Falsch ist jedenfalls die Angabe Grundners, Weindl habe an den späteren Schlossherrn von Fuchs verkauft, denn dieser selbst nennt als Verkäufer von Hofstetten.148

So gehen wir davon aus, dass Anton149 von Hofstetten den Besitz Falkenberg von Vater Benno erbte. Anton (* in München 02.04.1775, dort † 11.05.1858) war zu dieser Zeit Königlich Bayerischer Appel-lationsgerichtsrat, ab 1822 „Oberappel-lationsgerichtsrat“;150 das Oberappellati-onsgericht in München war das höchste Gericht in Bayern, vorgesetzte Instanz der neun bayerischen Appellationsgerichte.151 Lange Zeit war er Vorstand des Landwirt-schaftlichen Vereins für Oberbayern. Mit Johanna von Schneid (1783-1875) hatte er 1801 eine begüterte Frau geheiratet; ihrer Familie gehörten die Hofmarken Mauern und Hängertshausen in der Hallertau.152

1819: Ein unbequemer Abgeordneter aus Falkenberg

1819 wurde Anton von Hofstetten Abgeordneter in der „Ständeversamm-lung“, Mitglied der Abgeordneten-Kammer (ein Vorläufer des heutigen Landtags). Er war einer der Vertreter der adeligen Gutsbesitzer mit Gerichtsbar-keit153 und sprach dort „im Tone edler und furchtloser Patrioten“ selbstbe-wusst gegenüber den in der 1. Kammer sitzenden Reichsräten und dem König.154 In der Datenbank des Bayerischen Land-tags heißt es über ihn: „Gemäßigt liberal […] als Opponent gegen die Regierung bekannt“.155

Während Vater Benno im „altvä-terischen Kurstaat“ Bayern gewirkt, in dieser „eingerosteten, […] barock verschnörkelten Welt“156 gelebt hat-te, erscheint Sohn Anton als ein Kind der neuen, aufgeklärten Zeit nach der französischen Revolution. Nicht nur im Geistigen und Politischen, durchaus auch im erdverbunden Praktischen: Als Vorstand des Landwirtschaftlichen Vereins für Oberbayern setzte er sich für eine moderne Landwirtschaft ein. Im Vereins-Wochenblatt erschien 1824 ein Artikel über Anbau und Ernte von Raps, in dem Anton von Hofstettens „Anlei-tung“ gewürdigt wird und dass dieser dem Autor „unentgeltlich Repssamen bester Qualität“ gesandt habe.157

Hofstetten versuchte, manch alten Zopf abzuschneiden, und scheute in seinen umfangreichen Schriftsätzen keinen Ärger. Selbst Jurist an höchster

Abb. 14: Weil Schlossherr von Hofstetten 1814 wissen will, warum er dem Moosacher Pfarrer und Mesner jähr-liche Naturalienabgaben leisten muss, erläutert Pfarrer Hieber die historische Zinspflicht eines Falkenberger Hofes. Dem Pfarrer stehen jährlich drei schwarze Brotlaibe zu, dem Mesner Brot und Eier zu Ostern, Brot und Nudeln zu Kirchweih sowie zu Allerheiligen, dazu „Läutgarben“ (fürs Wetterläuten).

Page 67: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

132 133

Polizey wegen dem Anblick der Men-schen – wenigsten der schwangeren Weiber – entzogen werden“, dachte und schrieb Hofstetten.

Aber nicht so das königliche Land-gericht Ebersberg. Es wollte, dass dieser bedauernswerte junge Mann wegen „Befreiung vom Soldatenstande“ vor dem Landgericht erscheine – und dies, obwohl er dort bereits einmal vorge-führt worden war. Hofstetten empörte sich sehr, es sei „das Verlangen der Wie-derholung […] überflüssig und hart“. Die armen Eltern, mittellose „Leer-häusler“, seien „unglücklich genug, ein solches Kind zu haben“, die Mutter sei „kurzsichtig und gebrechlich“ – und nun sollten sie durch diese unverständliche Vorladung einen Arbeitstag verlieren, wo sie doch nur „von einem Tag zum andern durch saurer Händearbeit“ le-ben könnten.

Und noch schlimmer: Die völlig mit-tellosen Eltern sollten für die Militärbe-freiung ihres Sohnes auch noch bezah-len, obwohl, wie Hofstetten kritisierte, dem Landgericht deren „gänzliche Ver-mögenslosigkeit“ bekannt sein müsste. (Darum hatte die verzweifelte Mutter von Hofstetten einen Vorschuss erbe-ten). Und wie, so empörte sich Hofstet-ten weiter, könne man überhaupt den schwerstbehinderten Sohn Andreas zum zweiten Mal zur Musterung einbestel-len, wo doch dem Landgericht dessen dauerhafte Untauglichkeit bekannt sein müsste?

Für Falkenbergs Schlossherrn war es unvorstellbar, wie jemand „aus einem kaum menschenähnlichen Wesen für das

Militär Nutzen ziehen“ und entsprechend eine „Abgabe für Militär-Befreiung“ ver-langen wolle. Er konnte nicht glauben, dass dieses Vorhaben „von einem Ge-richtsmitgliede herrühre“ und hatte den Verdacht, dass ein Betrüger als wirklicher oder angeblicher „Gerichtsdienerknecht“ die kleinen Leute zugunsten seines eige-nen Beutels prellen wolle.

So sei ja kürzlich vom Landgericht Wolfratshausen ein „Individuum“ aus dem Ebersberger Bezirk zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt worden, weil dieser Mann sich als angeblicher Landgerichts-diener ausgab, die „Landleute prellte“ und von einem Bauern durch falsche Angaben 100 Gulden ergaunerte.

„Plackereien“ gegen den „gemeinen Mann auf dem Lande“

Hofstetten sah im Falle des Andreas Steffel „abermals einen Beleg, welchen Plackereien der gemeine Mann auf dem Lande unaufhörlich […] ausgesetzt und wie er immer bedroht“ sei, vor Gericht geladen zu werden, ohne zu wissen war-um – und dort um sein Geld gebracht zu werden. Ob es sich auch im vorliegenden Fall um solch einen Betrug handle, konn-te Falkenbergs Schlossherr nicht sagen. Er fühle sich aber verpflichtet, die Sache dem König beziehungsweise dessen In-nenministerium zur Aufklärung vorzule-gen – „und auf jeden Fall zur Zurechtwei-sung des Landgerichts“. (Abb. 15)

Hofstetten scheint mit dem Ebersber-ger Landgericht in Dauerfehde gelegen

durchblättert, kommt einem angesichts der in Form und Inhalt verschnörkelten Schriftsätze die Einsicht Nestroys in den Sinn: „Da streiten sich die Leut’ herum […].“

Von all dem, was vor 200 Jahren der Herr auf Falkenberg mit Herzblut und Ingrimm schrieb, forderte und be-gründete, ist heute längst nichts mehr wichtig; geblieben ist nur mehr ein Sta-pel vergilbender Papiere. Damals aber waren diese Schriftstücke Ausfluss und Spiegel rauer Wirklichkeit, in der es nur zu oft dramatisch um Leben und Über-leben ging.

Musterung einer Missgeburt

Auf elf Seiten beschwerte sich von Hofstetten im Jahre 1824 bei König Max I. über einen Vorfall, den er für skandalös hielt.162 Da kam eines Tages „die Braunhäuslerin Ostermair“ von Falkenberg zu ihm; „heulend und schrei-end“ verlangte sie seine „Vermittlung bei dem sie drohenden Unglück“ und einen „Geldvorschuß, damit sie das Land-gericht befriedigen könne“.

Die hilfesuchende Frau war „Hinter-sassin“ ihres Grund- und Gerichtsherrn Hofstetten, diesem wirtschaftlich und rechtlich untertan. Mit bewegten Wor-ten schilderte Hofstetten den Fall dieser Frau. Es ging um ihren Sohn Andreas Steffel. Der war eine bedauernswerte Missgeburt, fast blind und taub, „nur thierähnliche Töne stönend, mehr einem Thiere als einem Menschen“ gleichend. Dieses „gräßliche Wesen“ sollte „von

Stelle, stritt er sich wiederholt mit den königlichen Beamten von Landgericht, Regierung, Königshof und fiel auch immer wieder dem König selbst lästig. Er geißelte Behördenwillkür und Un-menschlichkeit, wenn er zum Beispiel protestierte, dass ein junger, geistig wie körperlich entsetzlich behinderter Falkenberger zum zweiten Mal zur Mus-terung vorgeladen und den mittellosen Eltern dafür auch noch eine Gebühr abgeknöpft werde. Er kämpfte (vergeb-lich) dafür, dem Moosacher Pfarrherrn durch Zusammenlegen der Kirchenstif-tung Moosach und des Benefiziums Altenburg ein vernünftiges wirtschaftli-ches Auskommen zu sichern. Er wollte Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten nicht hinnehmen und bombardierte den König zwölf Jahre lang immer wieder mit Eingaben wegen einer Rückgabe der seinem Vater widerrechtlich aus der Hofmark entzogenen Untertanen.160 Sei-ne Ansprüche verteidigte er beziehungs-weise sein Gerichtshalter Joseph Anton Ritter von Kern161 durchaus auch gegen „einfache“ Leute, zum Beispiel in Nie-derseeon oder Deinhofen, wenn diese nach seiner Überzeugung ihn in seinen Rechten beeinträchtigten.

Ein Wirrkopf war er nicht, vielleicht ein wenig Quer- oder Dickkopf, auf alle Fälle aber ein streitbarer Herr. Ein di-cker Akt im Bayerischen Hauptstaatsar-chiv erzählt, mit wem und worum sich Hofstetten so herumschlug. Wenn man dort die vielen Blätter mit Hofstettens Eingaben und den Erwiderungen der königlichen Beamten heute in der fried-lichen Beschaulichkeit des Lesesaals

Page 68: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

134 135

zu haben: Als Herr der Hofmark be-ziehungsweise des Patrimonialgerichts Falkenberg habe er hier besondere juris-tische Zuständigkeiten, die aber „dem königlichen Landgerichts-Vorstande aus leicht zu errathenden Gründen sehr zuwider“ seien und deshalb von diesem wiederholt missachtet worden seien. So wäre das Problem für den armseligen An-dreas Steffel und seine bedauernswerten Eltern erst gar nicht entstanden, hätte sich das Landgericht an die für Muste-rungen geltende Rechtslage gehalten: Das Landgericht könne anordnen, aber der Vollzug obliege Hofstetten bezie-hungsweise seinem Falkenberger Patri-monialgericht – und dem wäre aufgrund seiner örtlichen Kenntnisse ein solcher Missgriff wie die erneute Vorladung ei-ner Missgeburt nicht unterlaufen.

So aber, klagte Hofstetten verbit-tert an, habe das Landgericht seine Kompetenzen überschritten und unter Umgehung von Falkenbergs Zuständig-keit direkt eingegriffen; es sei „aus dem Geleise seiner Competenz getretten, wie es so vielfach in Beziehung auf die Rechte der adelichen Gutsbesitzer zu thun pflegt“.

Hofstetten richtete an König Max I. die „allerunterthänigst gehorsamste Bit-te“, dieser möge „allergnädigst geruhen, durch die Kgl. Regierung des Isarkreises [Vorläufer der Regierung von Oberbay-ern]163 das Landgericht Ebersberg ernst-lichst in seine Schranken weisen und demselben fernere Willkür, Uebertre-tung und Mißachtung verfassungsmä-ßiger Rechte […] untersagen zu lassen“.

Nach Untersuchung des Falles teilte die Regierungsbehörde dem König am 28. September 1824 mit, Hofstettens Beschwerde „über Bedrückung der Un-terthanen […] und Verletzung verfas-sungsmäßiger Rechte“ sei unbegründet. Sie monierte, die Beschwerde sei „in anmaßenden und höchst ungeeigneten Ausdrücken“ abgefasst (eine für heuti-ge Leser erstaunliche Beurteilung) und zudem „unter Umgehung des Instanzen-weges unmittelbar“ beim König einge-reicht worden.

Überhaupt wollten des Königs Be-amte nicht anerkennen, dass es dem Falkenberger Schlossherrn um die Sache gehe. Sie nannten seine Beschwerde „nur eine Ausgeburt der gekränkten Eigenliebe und der gereitzten Leiden-schaft“ Hofstettens. Weil er auch in einigen anderen Beschwerden gegen das Landgericht den kürzeren gezogen habe, fühle er sich wohl „verletzt“ und suche seinem „Ingrimm“ durch „schnödeste“ Scheiben an den König Luft zu machen.

In ihrer psychologischen Analyse bezogen sich die Beamten auch auf den vom Ministerrat beabsichtigten (und dann auch vollzogenen) Ausschluss Hofstettens von einer erneuten Wahl ins Parlament; dadurch werde ihm eine weitere Tätigkeit als Abgeordneter verwehrt, wodurch seine „Hoffnung, bei der nächsten Stände-Versammlung mit seinen hämischen Angriffen die Staatsbehörden aufs Neue öffentlich besudeln zu können, ihm geschwunden seyn mag“. Das erregte offensichtlich Vorfreude in den Amtsstuben …

Abb. 15: Beschwerde des Oberappellationsgerichtsrats Anton von Hofstetten an König Ludwig I. wegen „Plakereien der Unterthanen“ vom 28. September 1824.

Page 69: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

136 137

„geheimen Denunziation“ des Landge-richtes gehört worden – er werde sich an „allerhöchster Stelle“ beschweren.

Harsche Reaktion der Regierungs-behörde: Sie verhängte eine Diszipli-narstrafe von 25 Gulden gegen Kern, weil dieser das anklagende Schreiben Hofstettens „durch die Ausfertigung zu dem seinigen gemacht“ habe – offenbar, so vermutete die Behörde, als Trotz-reaktion auf die zuvor verhängte erste Geldbuße.

Im zweiten Fall war Richter Kern in eine veterinärmedizinische Angelegen-heit verwickelt. Unter den Schafen in Falkenberg war eine „Egel[?]- und Klau-enkrankheit“ ausgebrochen. Dennoch ließ man den Verkauf von Schafen sowie das Betreten der Ställe weiter zu, son-derte die Tiere nicht ab – im Vertrauen auf die Aussage der Medizinalbehörde in Ebersberg. Der dortige „Gerichtsphy-sicus“, so rechtfertigte sich Kern, habe nach eigener Aussage der Regierungsbe-hörde dargelegt, dass die Schafskrank-heit nicht ansteckend sei. Das sahen die Regierungsbeamten anders und hielten Kern der Kompetenzüberschreitung für schuldig.

Kern bat in seiner Eingabe den König, dieser möge seine missliche Lage beden-ken, wenn ihm die Medizinal-Behörde A sage, die Regierung aber B – müsse, dürfe man ihn da „gleich mit der ärgsten Strafe“ belegen? Und die Beschwerde in Sachen „Forstfrevel Maierhofer“ habe er nur im Auftrage seiner Gutsherrschaft ausgefertigt. Er habe sich in keiner Wei-se schuldig gemacht und bitte daher, ihm die Strafe zu erlassen.

„Anmaßlichkeit und derbe Frechheit“

Doch die Beamten wollten in ihrer Stellungnahme an den König zwischen Hofstetten und seinem Gerichtshalter Kern nicht lange unterscheiden. Sie sahen eine „zwischen dem Gutsherrn und sei-nem Gerichtshalter in Beziehung auf An-maßlichkeit und freche Derbheit auch im Dienstverhältnisse zu vorgesetzten Stellen bestehende Wahlverwandtschaft“. Ge-mäß dem Vorschlag der Beamten wurden von höchster Stelle am 29. Oktober 1824 die Beschwerden Hofstettens und Kerns abgewiesen. Richter Kern hat das wohl verkraftet; er sollte als Gerichtshalter auch noch unter Hofstettens Nachfolger Johann von Fuchs amtieren.

Mit seiner streitbaren, oppositio-nellen Haltung brachte sich Anton von Hofstetten allenthalben in Misskredit. Wie sehr, zeigt sich im Jahre 1824.165 Im Ministerrat wurde im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl vereinbart, als „Hauptstütze gegen Mißgriffe in den Wahlen“ diejenigen Staatsdiener auszuschließen, „welche sich durch ihr Benehmen […] die Unzufriedenheit der Regierung […] zugezogen“. Ein Gutach-ten aus dem Justizministerium empfahl, den Abgeordneten von Hofstetten auszuschließen; er habe die bisherigen Landtagssitzungen nur als „Erholung und Gemüths-Erheiterung“ betrachtet, aber doch eine politische Rolle gespielt. Sechs gewählte Abgeordnete wurden schließlich ausgeschlossen – unter ihnen der politisch nicht genehme Anton von Hofstetten.166

16 Seiten schilderte Kern am 1. Septem-ber 1824 dem König die zwei zugrunde liegenden Vorfälle:164

Der erste Fall: Die Witwe Maria Mai-erbacher, „Deinhof-Besitzerin“, hatte im Vorjahre an drei Tagen ihr Hornvieh im Wald der Gutsherrschaft Falken-berg weiden lassen. Unerlaubt, urteilte Richter von Kern vom Falkenberger Patrimonialgericht, und brummte ihr eine Geldstrafe wegen „Forstfrevels“ auf. Witwe Maierbacher rechtfertigte sich, sie habe die Weiderechte und ging in Berufung vor die Regierung des Isar-kreises. Bei der dortigen Verhandlung gab es wohl einen Disput zwischen Kern und dem Landgericht; Kern sprach von „Mißverständnissen“ und „Competenz-Conflicten“, wobei das Landgericht ja gar nicht zuständig sei, da 1. Instanz das Patrimonialgericht und 2. Instanz die Regierungsbehörde sei.

Strafe gegen Falkenbergs Gerichtsbeamten

Richter Kern erhielt eine Geldbuße von 6 Gulden, ihm wurde „anmaßen-des Benehmen gegen das Landgericht“ und „ungeziemende Schreibart“ an-gelastet. Als das Patrimonialgericht die Geldbuße an das Landgericht übersandte, lag ein von Hofstetten eigenhändig verfasstes Schreiben bei. Darin warf dieser dem Landgericht „inkompetentes Einschreiten“ und der Regierung „irrige Ansichten und rechtsverletzende Zugeständnisse“ vor; auch seien weder er noch Kern zu einer

Rüffel fürs Landgericht Ebersberg

Aber man konnte die Augen nicht davor verschließen, dass in der von Hofstetten angeprangerten Sache durchaus etwas faul war. Obwohl des-sen Beschwerde als unbegründet zu-rückgewiesen wurde, gab es – in einem bemerkenswerten Beamten-Spagat – einen heftigen Rüffel für den Chef des Ebersberger Landgerichts. Die vorgesetzte Regierung schrieb ihm ins Stammbuch, auch wenn Hofstettens Beschwerde unbegründet sei, müsse das Vorgehen des Landgerichts gegen den Falkenberger Andreas Steffel bezie-hungsweise seine Eltern, insbesondere die Geldforderung, scharf kritisiert wer-den: es sei „die Ausstellung eines Vor-schusszettels durch den Gerichtsdiener-Gehilfen […] höchst ahndungswürdig“. Das Landgericht solle künftig solche „das Ansehen des Amtes kompromit-tierenden Handlungen von Unterge-ordneten“ verhindern; dafür werde der Landgerichts-Chef persönlich „streng verantwortlich erklärt“.

Kaum waren die königlichen Re-gierungsbeamten mit diesen Schrift-sätzen fertig, mussten sie in Sachen „Hofstetten“ erneut zur Feder greifen. Der Schlossherr beziehungsweise sein Gerichtshalter Joseph Ritter von Kern waren erneut mit dem Landgericht be-ziehungsweise der Regierung des Isar-kreises aneinandergeraten; Kern hatte eine saftige Disziplinarstrafe kassiert, wogegen er und auch sein Gerichtsherr Hofstetten Beschwerde einlegten. Auf

Page 70: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

138 139

Diese Gnade gewährte der König am 23. August 1826 und erhob Fuchs und seine Nachkommen in den Adelsstand. (Abb. 17) Eine Kopie der Urkunde liegt im Dorfarchiv Moosach. Mit eigenhän-diger Unterschrift genehmigte der König auch, dass sich die Familie von Fuchs „für ewige Zeiten“ eines (genau beschrie-benen) Wappens bedienen dürfe. Die 1936 geborene Nachfahrin Waltraud von Fuchs-Müller erinnert sich, dass sie das Wappen noch um 1950 in Stein gehauen rechts neben der Eingangstüre des Schlosses gesehen habe.

König Ludwig I. machte in seiner Ur-kunde keinen Hehl daraus, warum er den erst 25 Jahre alten Johann Fuchs adelte. Grund war dessen Vater Johann Georg Joseph, der drei Jahre zuvor gestorben war und dessen Verdienste der König jetzt am Sohn würdigen wollte; es gehe ihm darum, schrieb der König, „das sich bis zum Tode stets bewahrte Verdienst achtbarer Männer selbst in den Nach-kommen noch anzuerkennen und zu belohnen“. Daher bewillige er den Adels-stand „dem Sohne eines in zweiundvier-zigjähriger Amts-Verwaltung durch Treue und Rechtlichkeit sich ausgezeichneten Staats-Dieners“. (Abb. 18)

Vater Fuchs, übrigens Doktor der Rechte, war Staatsschuldentilgungs-hauptkassier. Er nahm öfter die Dienste des Lohnkutschers Krenkl in Anspruch, eines Münchner Originals, dessen Sprü-che für die Nachwelt überliefert wurden. Dr. Fuchs saß in Krenkls Kutsche, als dieser damit im Englischen Garten die königliche Karosse überholte und vom Bock herunter die seitdem geflügelten

Abb. 17: Von König Ludwig I. am 23. August 1826 ausgestellter Adelsbrief für Johann Georg Fuchs.

1826:167 Der 51-jährige Anton von Hofstetten verkaufte seinen Besitz, um den er so viele Auseinandersetzungen geführt hatte. Hatte er sich müde ge-stritten, müde gekämpft für sein Recht und für die Interessen von Untertanen? Er verkaufte an einen jungen Mann: Johann Georg Fuchs168, geboren 1801 in München. Zur Bedingung machte er, dass Fuchs den Kaufpreis ohne seine Einwilligung niemandem nennen dürfe.169

1826: Wie man vom König den „von“-Titel erlangt

Wenige Monate später sollte der erst 25-jährige Käufer sich mit dem Adelsti-tel „von Fuchs“ schmücken dürfen. Am 8. April 1826 bat er König Ludwig I. „in Unterthänigkeit […], ihm den Erbadel allergnädigst verleihen zu wollen“. Er habe, so schrieb Fuchs, mit dem Kauf von Falkenberg „den festen Entschluss gefaßt, mich dem Landleben vollendet zu widmen, und als rationeller Land-wirth […] ein Beyspiel aufzustellen, daß ein genügsamer Familienvater mit Fleiß, Beharrlichkeit und Verstand auch in die-ser für den Landbau undankbar schei-nenden Zeit […] bestehen könne“. So sang also der studierte Apotheker eine Ode auf die Scholle und knüpfte daran die Folgerung: „Um jedoch mein auf diese Besitzung verwandtes Vermögen in der gesetzlich erlaubten Ausdehnung genießen zu können, ist erforderlich, mit dem Range eines Adelichen bekleidet zu seyn“ – und um diese „allerhöchste Gnade“ bitte er.170 (Abb. 16)

Abb. 16: Gesuch des Johann Georg Fuchs um Erhebung in den Adelsstand vom 8. April 1826.

Page 71: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

140 141

Worte rief: „Wer ko, der ko!“. Ein ander-mal bemerkte er, auf den Namen Fuchs anspielend: „Daß Sie a Viech sand, hab’ i g’merkt – aba daß S’a Geheimrat sand, siecht ma Eahna net o“.171

Taufe in der Schlosskapelle

Sein Sohn, der neue Schlossherr Johann Georg von Fuchs, war zuvor

Apo theker in Mindelheim gewesen. Bald nach dem Umzug ins Schloss Falken-berg wurde hier im April 1826 das dritte Kind, Sohn Friedrich Anton Ludwig, von Frau Antoinette geboren.172 Der Bub wurde in der Schlosskapelle von Moos-achs Pfarrer Schrecker getauft, Taufpate war Vorbesitzer Anton von Hofstetten.173 (Abb. 19)

In der Adelsmatrikel „Fuchs“ liegt auch eine Beschreibung des „Landgutes

Abb. 19: Von Moosachs Pfarrer Schrecker am 16. Mai 1826 ausgestellter Taufschein für Sohn Friedrich Fuchs, den er in Falkenbergs Schlosskapelle getauft hat.

Abb. 18: Der Reichsherold bestätigt die Aufnahme des Johann Georg Fuchs in den Adelsstand (31. Aug. 1826).

Page 72: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

142 143

1829: Schlossherr von Fuchs ließ am 29. Oktober festlegen, dass neun seiner Untertanen ihre Arbeitsverpflichtungen (Handscharwerk) für den Grundherrn „auf ewige Zeiten“ gegen eine jährliche Zahlung von je 9 Gulden ablösten. Aus-gefertigt und unterschrieben wurde das Dokument von Gerichtshalter Ritter von Kern – für das „Fuchsische Patrimonial-gericht Falkenberg“.177

1833 war das Schloss laut Aufzeich-nung der Pfarrei („Status animarum“, Verzeichnis der „Seelen“) unbewohnt.178

1835: Fuchs verkaufte an Staatsrath Simon Freiherr von Eichthal den zum Guts-Komplex gehörigen Waldgrund von 360 Tagwerken um 1.800 Gulden.179

1836 war das Schloss nicht be-wohnt;180 die alte Hofmark existierte juristisch nicht mehr.

1837: Fuchs verkaufte die „Domi-nicalien“, also die Grundstücke und alle darauf ruhenden Rechte sowie die Gerichtsbarkeit vom „Gute Falkenberg“ für 20.000 Gulden an den Staat. Das Patrimonialgericht wurde zum 1. Juli 1837 aufgelöst, Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt wurden auf das Landge-richt Ebersberg übertragen.181 Einzelne Häuser verkaufte Fuchs „an ehemalige Grundholden.“182

1838: Freiherr von Eichthal erwarb den ganzen Deinhofer Hof von der Re-vierförsters-Witwe Aloisia Bärenfänger.

1847: Geldadel im Schloss

1846: Herr von Fuchs wurde nur 45 Jahre alt, starb am 21. Oktober 1846. Freiherr Simon von Eichthal erwarb 1847 das Schloss.183 Er war 1787 in einer sehr begüterten Bankiersfamilie geboren worden. Sein Vater Aaron Elias Seligmann war Gründer des gleichnami-gen Münchner Bankhauses, das in der Theatinerstraße stand, ein prächtiges, dem nahegelegenen heutigen Erzbi-schöflichen Palais sehr ähnliches Cuvilli-és-Palais. Es wurde im Krieg durch eine Bombe zerstört und dann abgerissen.184

Seligmann war Hofbankier von Kö-nig Max I. und dessen Retter vor dem

Abb. 22: Wappen des Herrn von Fuchs.

Dass wir durch diese Beschreibung heute noch einen optischen Eindruck vom Schloss aus der Zeit vor etwa 200 Jahren haben, hat einen rein materiellen Grund: Es ging um die „Werthschät-zung“ des Besitzes, veranlasst wohl für Verkaufsverhandlungen des Herrn von Fuchs oder auch schon des Vorbesitzers von Hofstetten.175 Mit all seinen Grün-den, Rechten und Einnahmen wurde der „gesamte Gutswerth“ auf 51.639 Gulden geschätzt.

und Patrimonialgerichtes Falkenberg“.174 Sie erinnert uns stark an die allererste aus dem Jahre 1578: Das Schloss liege „an einem erhabenen Platze“ und biete eine „romantische Aussicht auf das Dorf Moosach“. Es sei „ganz gemauert, die Stockwerke hoch, mit vielen Zimmern und einer wohl dotierten hübschen Capelle […]. Die Oeconomiegebäude sind weiß gemauert und mit Ziegeln ge-deckt“. Am Fuße des Schlosshügels liege ein Weiher „ganz geeignet zu Forellen“. (Abb. 20, 21 u. 22)

Abb. 20: Schlossherr Johann Georg von Fuchs. Abb. 21: Schlossherrin Antoinette von Fuchs.

Page 73: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

144 145

Schlossherr von Grundner: edler, aber armer „Ritter“

Von Grundner trug den stolzen Titel „Ritter und Edler“202 und musste sich doch im Leben abplagen. (Abb. 23) Er war wohl nicht gerade ein armer Schlu-cker, aber es fehlten ihm zum Titel die

Mittel für ein standesgemäßes Leben. So war er ein armer „Ritter“ – und hätte er nicht eine begüterte Frau heiraten kön-nen, wäre ein Schloss wie Falkenberg für ihn als Wohnadresse nie möglich gewe-sen, immer ein Traum geblieben. Wurde es nach dem Kauf im Jahre 1860 zum finanziell drückenden Alptraum?

Abb. 23: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner.

Vorbesitzer Satzenhofen hatte zuvor über 1.000 Gulden für einen neuen Dachstuhl ausgeben müssen; war er da-durch in finanzielle Schwierigkeiten ge-raten? Der neue Schlossherr Grundner war sichtlich bestrebt, durch Ankäufe den Grundbesitz wieder zu vergrößern, erwarb insgesamt etwa 300 Tagwerk an Ackerland, Wiesen, Wald. Dafür inves-tierte er 3.000 Gulden.

1861 „suchte von Grundner eine kleine Oekonomie für den Hausbe-darf auf zwei Pferde und zwei Kühe zu gründen“. Deshalb erwarb er von dem Besitzer des Waltlschuster-Anwesens Andreas Mayer Grundstücke (6 Tgw.) auf dem „Burgland“ beziehungsweise der „Schloß-Wiese“, die schon früher im Eigentum der Schlossherren waren. Im Schloss lebten vier Personen.199

1864: Grundner kaufte außerdem von Oswald200, Moosach, die „Lohmühle“ und das „Lohmühl-Wieserl“, ließ die Loh-mühle abbrechen und baute davon einen Stadel. Außerdem erwarb er von Josef Etmayer, Waldbachmüller zu Moosach, noch Wiesen und Waldungen hinzu.

1872: Grundner verpachtete seinen Besitz zu Falkenberg an einen Arnold Schröder aus Köln; am 3. April bezog dieser als erster nichtadeliger Herr das Schloss.201

Schlossherr von Grundner geriet zum Glücksfall für die Geschichte der Gemeinde. Mit seinen „Historischen Notizen“ über Falkenberg wurde er Moosachs erster Heimatforscher. Wir werfen hier einen näheren Blick auf sein Wirken und sein Leben, das leider in Ge-brechlichkeit und Armut endete.

ständig drohenden Staatsbankrott. 1814 wurde er vom dankbaren König zum Freiherrn von Eichthal geadelt,185 erstei-gerte 1816 umfangreiche Ländereien und Wirtschaftsgebäude des ehemali-gen Klosters Ebersberg (Brauhaus, May-erhof usw.).186 All dies erbte 1830 sein Sohn Simon,187 der dann begann, sich in Falkenbergs Flur einzukaufen.

Simon von Eichthal war ein sehr um-triebiger Mann.188 Er gründete 1835 die erste große deutsche Aktienbank: die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-bank;189 in der Sammlung HypoVereins-bank zeigt ihn ein Ölgemälde von Stieler als „Ersten Direktor“.190 Am 28. August 1854 starb er 67-jährig in Ebersberg an der Cholera, seine Frau Julie folgte ihm im Dezember 1855. Der Grabstein der Eheleute steht im Alten Südlichen Fried-hof in München.191

1857: Nach dem Tode des Simon von Eichthal war das Schloss von 1856 bis 1858 unbewohnt;192 Sohn Ludwig193 veräußerte das Schloss dann „mit Garten und englischer Anlage und Forellenweiher“ an den pensionierten Rittmeister Friedrich Baron von Satzen-hofen.194 Für 9.000 Gulden, wie Grund-ner schreibt. Im Steuerkataster jedoch ist notiert, dass Satzenhofen das Gut Falkenberg von Ludwig von Eichthal gegen ein Wohnhaus in der Münchner Schellingstraße eintauschte.195

1860: Mit Dr. Karl Ritter von Grundner197 (1816-1898) wurde nun ein Mediziner, ein königlicher Militär-arzt, Herr auf dem Schloss. Er kaufte es samt dem nur mehr fünf Tagwerk umfassenden Grund für 10.000 Gulden.

Page 74: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

146 147

Abb. 24: Das Kriegsministerium bewilligt das Heiratsgesuch des Militärarztes Dr. Karl Ritter von Grundner (14. Juni 1847).

1845 ernannte man ihn zum Unterarzt, 1850 zum Bataillonsarzt.207

Drei Jahre zuvor hatte er in der Münchner Ludwigskirche Maria Elisa-betha von Poschinger geheiratet, be-güterte Tochter aus einer der ältesten angesehen Familien im Land. (Im fol-genden Jahrhundert sollte eine andere und spätere Poschinger-Tochter Olga als Frau von Wedelstaedt die letzte Gutsherrin in Niederseeon werden). Grundners Heirat wurde nur dank der Mitgift seiner Braut möglich. „Militärs“ durften damals erst heiraten, wenn sie eine Heiraths-Caution hinterlegten. Da-mit sollte ihrer Familie auch in schweren Zeiten eine standesgemäße Lebensfüh-rung gesichert und die Staatskasse des Königsreiches vor zu hohen Pensionslas-ten bewahrt werden.208 (Abb. 24)

Schlossherr nur dank Mitgift

Grundner konnte trotz seiner edlen Titel diese Kaution nicht aufbringen, war er doch – wie es in seinem Perso-nalakt heißt – ohne „Vermögen oder sonstige Beihülfe“. Die Heiratskaution in Höhe von 11.500 Gulden und 450 Gulden Jahresrente wurde von seiner Braut Maria von Poschinger hinterlegt. Als das Kriegsministerium König Lud-wig I. mitteilte, dass mit der Heiratskau-tion alles in Ordnung gehe („einwand-frey gesichtet und annehmbar erklärt“), bewilligte Ludwig am 11. Juni 1847 mit eigenhändiger Unterschrift die Heirat. (Abb. 25) Drei Wochen danach wurde Hochzeit gefeiert. Ein Jahr später bekam

Die Familie Grundner hatte wohl nie größeres Vermögen. Schon als Großva-ter Joseph Benedict, churpfalzbairischer Landesdirektionsrat, von Kurfürst Carl Theodor 1790 in den Ritterstand erho-ben wurde, blieb im Formular die Rubrik „Güter und Besitzungen“ leer.203 „Ohne Vermögen“ heißt es ein halbes Jahrhun-dert später auch im Leumund-Bogen für den 29-jährigen Enkel Karl.204

Karl wurde am 28. Juli 1816 als Sohn eines kleinen Steuerkataster-Beamten in München geboren. Er durfte Medizin studieren – aber die finanziellen Schwie-rigkeiten waren so groß, dass der Vater im Jahre 1844 König Ludwig I. bat, sei-nen Sohn vom Standort Augsburg nach München zu versetzen. Er habe für die Promotion des Sohnes ein Darlehen über 500 Gulden aufnehmen müssen; sein Einkommen sei gering – wenn der Sohn in München im gemeinsamen Hausstand leben könnte, wäre das eine finanzielle Erleichterung. (Die erbete-ne Versetzung ließ zwei Jahre auf sich warten.)205

Die angesprochene, kostenträchtige Doktorarbeit veröffentlichte Karl im Jah-re 1843 als „Medicinische Abhandlung über die Früchte des Evonymus europa-eus“, also über das äußerst giftige Pfaf-fenhütchen.206 Im gleichen Jahr begann der frischgebackene Doktor der Medi-zin, Chirurgie und Geburtshilfe sowie approbierte Apotheker seine Laufbahn als Militärarzt, zunächst als Praktikant bei der Commandantschaft Augsburg. Er wurde 1845 fachlich wie charakterlich gut beurteilt, galt als introvertiert: „lebt überhaupt eingezogen, aber anständig“.

Page 75: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

148 149

So bat er im Oktober 1865, dass ihm Obligationen über 6.000 Gulden freige-geben würden, damit er „mit denselben die Kosten, die auf Schloß Falkenberg bestehen, gänzlich heimzahlen kann“. Er werde für die 6.000 Gulden eine 1. Hypo-thek auf sein Gut eintragen lassen. Dieses habe sich überdies „durch Bauten und Ankauf von Gründen in den Händen des gehorsamst Unterzeichneten gehoben und am Werthe gewonnen“.

Grundners Ehefrau, von der das Kautionsgeld ja kam, musste hier wie zu jedem derartigen Vorgang mit Un-terschrift ihr Einverständnis erklären. So erfolgte auch eine Woche später die Bewilligung der Herausgabe des Geldes „unter Voraussetzung der Zustimmung der Gattin“. 1872 wurden die restli-chen 4.000 Gulden aus der Kaution freigegeben.

Anfang 1873 verkaufte Grundner seinen Falkenberger Besitz214 und zog nach München; Ehefrau Maria starb hier im Jahre 1881. Seinen Lebensabend verbrachte der Witwer bei seiner ältes-ten Tochter Henriette und deren Mann in der Münchner Sckell-Straße 6. Of-fensichtlich führte er ein beschwerliches Leben: er sah nichts mehr, war schwer-hörig und pflegebedürftig. Auch reichte die Pension nicht.

Am 8. November 1888 richtete der schwerbehinderte alte Herr ein Gesuch an Prinzregent Luitpold, ihm eine „Gna-denbewilligung als Pensionszuschuss“ zu gewähren. Da er selbst nicht mehr zu schreiben vermochte, diktierte er seiner Tochter. Diese musste ihm bei der Unterschrift die Hand führen. Als

Abb. 28: Kavallerie-Leutnant Christian Ritter von Grundner, ein Neffe des Schlossherrn (1869).

das Paar eine Tochter, ein Sohn und eine weitere Tochter folgten.209

Der erst 44-jährige Bataillonsarzt Grundner wurde im Jahre 1860 wegen eines Augenleidens nach 17 Jahren „Dienst zur vollkommenen Zufrieden-heit seiner Vorgesetzten“ in den Ruhe-stand versetzt. Im gleichen Jahr erwarb er Schloss Falkenberg und nahm hier seinen Wohnsitz.210 Er vergrößerte durch Zukäufe den zuvor arg geschrumpften Grundbesitz. In Mußestunden vertiefte er sich in alte Chroniken der Umgebung sowie in Moosachs Pfarrbücher, daraus entstanden seine „Historische und an-dere Notizen über Falkenberg und die benachbarten Orte“211. (Abb. 26 u 27)

1870 wurde Grundner für den Krieg gegen Frankreich in den Dienst zurück-gerufen; sein Augenleiden war nach eigener Darstellung „durch Schonung zum Stillstand gekommen“212. Für seinen Einsatz erhielt Grundner die von Kaiser Wilhelm I. geschaffene „Kriegsgedenk-münze aus Stahl mit Combattanten-bande“. 1871 ging er wieder in Pension als Regimentsarzt. Drei Jahre später war er „gänzlich erblindet“ und auf einen Führer angewiesen.213

Fast zur Hälfte besteht Grundners im Münchner Kriegsarchiv aufbewahrter Personalakt aus einem dicken Stapel von Papieren zum Betreff „Heiraths-Caution“. In seinen Eingaben ging es dem Schlossherrn darum, an die hinter-legten 10.000 Gulden zu kommen, um seine finanzielle Situation zu verbessern. Offensichtlich drückten ihn Belastungen durch den Erwerb des Schlosses für 10.000 und Zukäufe für 3.000 Gulden.

Abb. 25: Mit dieser Unterschrift stimmte König Ludwig I. von Grundners Heirat zu (11. Juni 1847).

Abb. 26: Titelseite der von Ritter von Grundner um 1860/70 verfassten „Historischen Notizen“.

Abb. 27: Eine Unterschrift des Dr. Karl Ritter von Grundner.

Page 76: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

150 151

sondern einen heiter bis schalkhaften Gesichtsausdruck. (Abb. 29) Er war von einem „überaus liebenswürdigen heite-ren künstlerischen und fein gebildeten Wesen“, berichtet später sein Sohn Haupt (ein bei uns seltener, aber in der Pappenheim-Familie traditioneller Vorname); Wie der Sohn schreibt, war sein Vater Clemens „überaus beschei-den und hatte es nie verstanden, sich vorzudrängen“.220

Mit ihrem Ehemann kam aufs Schloss Falkenberg Hermine Gräfin von Paumgarten aus alter niederbayerischer Adelsfamilie, eine „kluge, energische, oft aber etwas herbe“ Frau, der ihr Ehe-mann Clemens nur zu gerne Geschäfte des Alltags überließ.221 Die beiden hatten 1857 im mittelfränkischen Städtchen Pappenheim geheiratet, wo die Stamm-burg des Geschlechts steht. Sie hatten drei Kinder, der jüngere Sohn Haupt war gerade vier Jahre alt, als die Familie das Schloss Falkenberg bezog.

Falkenbergs Bauern „völlig urwüchsig“

Offensichtlich hatte Haupt Graf zu Pappenheim von Vater und Großvater das Interesse für Literatur und Familien-geschichte geerbt. Aus seiner Feder er-schien 1940 eine ausführliche Geschich-te des Gräflichen Hauses Pappenheim.222 Sie gibt außergewöhnliche Einblicke in die Zeit ab dem 18. Jahrhundert und enthält für uns interessante Erinnerun-gen an Falkenberg 1873bis 1880:

Abb. 29: Graf Felix zu Pappenheim im Alter von 60 Jahren (1882).

Monatseinkommen gab der 72-jährige Grundner 75 Mark Pension plus 50 Mark Zinseinnahmen an. Obwohl der gutachtende Stabsarzt außerhalb seines medizinischen Gutachtens anmerkte, Grundner lebe bei einer gutsituierten Tochter, wurde ihm ein Zuschuss von 250 Mark bewilligt, ebenso im folgen-den Jahr.

Am 3. November 1898 war in den „Neuesten Münchner Nachrichten“ zu lesen, dass tags zuvor in der Sckell-Stra-ße 6 der „Königl. Bayer. Stabsarzt a.D.“ von Grundner gestorben sei. Er wurde 82 Jahre alt. Die Todesanzeige unter-zeichnete der Schwiegersohn; Sohn und Töchter waren nicht mehr am Leben, Enkel gab es nicht, die Linie starb aus.

Von seiner langen Lebenszeit ver-brachte Dr. Karl Ritter von Grundner nur eine kurze Spanne im Schloss Fal-kenberg. Doch hinterließ er nachwirken-de Spuren.

1873: Graf Felix Clemens renoviert

1873: Der königliche bayerische Regierungsrat Graf Clemens zu Pappen-heim kaufte nach seinem „Abschied“ aus dem Staatsdienst das Schlossgut für 15.500 Gulden als Ruhesitz.215 Aber ruhig ließ es der Graf nicht angehen. Im Gegenteil: Falkenberg wurde gründlich renoviert. Die Viehställe wurden ver-größert, das „Bauhaus“ aufgestockt, Waschhaus und Remise eingebaut, Backofen und Hühnerstall errichtet. Im Schloss wurde das Stiegenhaus

erneuert, Mauern wurden versetzt, ein Balkon wurde gebaut, es gab neue Fens-ter und Türen, es wurde tapeziert und gemalt, auch ein neuer „Abtritt“ kam hinzu. Sogar „laufendes“ Wasser wurde eingerichtet, es wurde kanalisiert und das Schloss bekam Öfen und Herde. Garten und Park wurden neu gestaltet; „Ende August 1873 wird das Schloss bezogen“, lesen wir bei Grundner.216

Pappenheim – die dörfliche Historie rund um Falkenberg wurde da berührt von der Geschichte eines tausendjähri-gen fränkisch-schwäbischen Uradels, eines bedeutenden, im Dienste von Königen und Kaisern bewährten Ge-schlechts mit klingendem Namen: Die Pappenheimer sind weltweit ein Begriff seit dem (inzwischen geflügelten) Wort Wallensteins in Schillers Drama. Damit wurde die Treue und Zuverlässigkeit der Soldaten um den Feldmarschall Pap-penheim gerühmt; wenn wir heute „un-sere Pappenheimer kennen“, ist damit meistens ein ironisches Augenzwinkern verbunden.

Der neue Herr im Schloss Falken-berg,217 1822 in Würzburg geboren, hatte in München eine besondere Aus-bildung genießen dürfen: von 1835 bis 1840 als „Edelknabe“ in der königlichen Pagerie, einer zum Hofe gehörenden Bil-dungsanstalt für junge Adelige.218 Nach dem Jura-Studium widmete er sich der „Verwaltungscarriere“, war unter ande-rem in Reichenhall Landrichter, in Tölz Bezirksamtmann. Ein im Kriegsarchiv erhaltenes Fotoporträt219 aus dem Jahre 1882 zeigt uns einen eher zarten Mann, der keine würdevolle Strenge präsentiert,

Page 77: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

152 153

konnte. In der Antwort aus Moosach vom 10. Dezember 1938 heißt es, dass von den beiden in Falkenberg im Januar 1885 geborenen Zwillingsschwestern die eine schon nach drei Tagen gestorben sei, die andere inzwischen in einem Münchener Altersheim lebe; der Aufenthalt des 1886 geborenen Sohnes sei nicht bekannt.230

1881 lebten 4 Personen im Schloss, 1887 war es unbewohnt, 1890 wurden 6 Bewohner gezählt.231

1895: Felix Heinrich Henle, der Bru-der von Seligmanns Frau Johanna (und, wie Moosachs Bürgermeister 1938 dem Bezirksamt berichten sollte, ebenfalls Jude), kaufte Schloss und Gut232 und vergrößerte es durch Ankauf des Bau-ernhofes Reit (Besitzer Trenkler). Er

Handelsbank München.228 Er dürfte zur großen Bankiers-Familie des früheren Falkenberger Schlossherrn Simon von Eichthal gehören, die vor der Erhebung in den Adelsstand 1814 Seligmann hieß.229 Seligmann konvertierte vom jü-dischen zum katholischen Glauben und durfte sich „Falkenberg“ nennen (genau so war es vordem in der Eichthal-Familie gelaufen).

Ein halbes Jahrhundert später wurde die Namensänderung für den „Juden Seligmann“ widerrufen. Der Moosacher Bürgermeister wurde vom Bezirksamt Ebersberg aufgefordert, Informationen über dessen Nachkommen zu geben – wohl damit auch bei diesen die Namens-änderung rückgängig gemacht werden

Abb. 30: Felix Heinrich Henle.

„Graf Clemens […] kaufte ein kleines Gut mit einem Schlösschen, Falckenberg […] in ei-ner etwas rauhen und noch sehr abgelegenen Gegend. Im Winter fegten Stürme über das Hochplateau und verwehten die Zugänge, so dass man förmliche Hohlwege zum Hausein-gang ausschaufeln musste.

Die Bauernschaft war noch völlig urwüch-sig und bewegte sich die Woche immer in bis zum Knöchel reichenden schwarzen Lederho-sen – sogenannten ‚Krachledernen‘, welche Freitags von dem Dorfsäckler abgekratzt, frisch geschmiert und dann auf hölzernen Bö-cken steif getrocknet wurden […].

Am Fuß des dicht mit Veilchen bewach-senen Schlossberges lag ein kristallklarer Forellenweiher, von dem aus ein murmelndes Bächlein zur Moosach hinabfloss. Die Land-wirtschaft war primitiv und wenig erträglich. Die Jagd gut.“223

Graf Haupts Kindheitserinnerungen verdanken wir auch eine nähere Vorstel-lung eines Moosacher Schullehrers, der ihn im Schloss unterrichtete; wir erfahren nicht seinen Namen, aber es dürfte sich um Max Stettmayer handeln.224 Der Graf beschreibt ihn als einen „herkulischen, stets schwitzenden, aber eigentlich sehr klugen und originellen Dorfschullehrer“; dieser füllte „ganze Folianten mit erläu-ternden recht geschickten Zeichnungen, die oft in wenigen Strichen eine bessere Vorstellung des Gegenstandes erbrach-ten, als lange Erklärungen.“

Während der Bub bei seiner „sehr strengen, aber grundgescheiten Mutter“ schon sehr früh „perfekt“ Französisch und Englisch lernte, führte ihn Vater Clemens „zeitig in die hohe Kunst des

Forellenfischens ein, wozu man – wie er sagte – außer Begabung auch ‚seine kgl. bayerische Ruh‘ haben muss.“225

1874: Wir kehren zurück zu Grund-ners Notizen und lesen den letzten hand-schriftlichen Eintrag: Graf Pappenheim kaufte von Georg Mayer in Schartlhof 21,40 Tagwerk Wald, außerdem 11,26 Tagwerk Wiese in Falkenberg vom ehe-maligen Peifergütler Bronold. Im Okto-ber ließ Pappenheim die nördliche und östliche Seite des Schlossdaches mit Schiefer neu eindecken. Im Schloss leb-ten jetzt 9 Personen.226

1880: Clemens Graf zu Pappenheim verkaufte Falkenberg und zog „gesund-heitshalber“ nach München. Hier starb er nach einem ruhigen Lebensabend 82-jährig im Jahre 1904; er ruht zusam-men mit seiner 1914 verstorbenen Ehe-frau auf dem Pappenheimer Friedhof.227

Diesem Grafen Pappenheim mit seinen umfangreichen Renovierungs-anstrengungen ist es zu danken, dass Schloss Falkenberg baulich so gut ins 20. Jahrhundert kam. Sein Sohn Haupt, aus dessen Erinnerungen an seine Falkenberger Kindheit wir zitiert haben, wurde kaiserlich-deutscher Ge-sandtschaftsattaché; im 1. Weltkrieg war er Fliegerhauptmann. 1954 starb er 85-jährig in München.

Aus Seligmann wird Falkenberg

1880: Neuer Schlossherr wurde 1880 Albert Seligmann (* 1840 in Karlsruhe), Direktor der Bayerischen

Page 78: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

154 155

Abb. 31: Anna und Dr. Rudolf Soltmann mit Tochter Anneliese im Jahre 1914.

Weihnachtstage nach der Vesper […] im Schulsaale“ versammelt. Lieder, Gedichte, Ansprachen von Pfarrer Lex und Schloss-herrn Dr. Soltmann – anschließend „nahm die liebenswürdige Schloßherrin

persönlich die Verteilung der Geschenke vor […]. Innig dankend verabschiedete sich die hochbeglückte Kinderschar. Das Jesuskindlein lohne den edlen Gebern, was sie den Kleinen gethan“.

bekam 1899 von der Katholischen Kir-che die Genehmigung, die Kapelle aus dem Schloss zu verlegen. (Abb. 30)

In Henles Zeit berührten sich wieder einmal Lebenslinien aus dem Schloss Falkenberg und dem Gut Deinhofen, im Mittelalter eng verbundene Besitzungen. Henle wollte heiraten – eine Gisela, und die war „des Herrn Friedrich Fries hinter-lassene Witwe“; Fries war Gutsbesitzer von Deinhofen gewesen und hatte sich 1894 erschossen. Der „wohlgeborene“ Henle und seine ebenso „wohlgebore-ne“ Braut gaben sich am 23. Juni 1899 im Moosacher Pfarrhof das Eheverspre-chen, bezeugt von Bürgermeister Wag-ner, Lehrer Weinhardt und Pfarrer Lex. Zuvor freilich war ein Ehehindernis zu beseitigen gewesen: Die Braut hatte als Witwe schon einmal geheiratet: einen Prosper Baron Docteur. Doch weil diese (vermutlich in Graz geschlossene) Ehe protestantisch geschlossen worden war, hatte sie das Erzbischöfliche Ordinariat „als vom Anfange an null und nichtig erklärt“.233 Über eine Hochzeit erfahren wir zunächst nichts. Dass Felix Henle und Gisela Fries aber tatsächlich heira-teten, lesen wir 1938 in einem Schreiben des Moosacher Bürgermeisters.234

1900: Die Ära Soltmann beginnt

1900: Henle verkaufte das Schloss an Dr. Rudolf Soltmann.235 Der 35-jäh-rige war eigentlich Chemiker und war zusammen mit einem Bruder Eigentümer der väterlichen Mineralwasser-Fabrik in

Berlin. Nach wirtschaftlichen Schwie-rigkeiten verlegte er sich auf die Malerei und folgte dem Maler Herkomer für zwei Jahre nach England,236 wo er 1897 Anna Smith heiratete; 1899 wurde in der Nähe von London der älteste Sohn und spätere Schloss-Erbe Albrecht geboren. (Abb. 31)

Dr. Rudolf Soltmann war der letzte Besitzer des zum Schloss gehörigen Gutes Falkenberg, das er bis zu dessen Verkauf und Zertrümmerung 1928 be-wirtschaftete. Seine besondere Liebe galt dem Wald. Als einer seiner Aussprü-che wird überliefert: „Ich bin 30 Jahre Forstmann, mir sagt keiner was!“237

Dr. Soltmann vergrößerte das Gut; zunächst durch Zukauf des Oswald-Anwesens, das er zur Schlosswirtschaft umbaute,238 danach durch den Kauf des Laaberger-Anwesens und von Wie-sen- und Feldparzellen. So wuchs Gut Falkenberg bis 1928 wieder auf 106,5 Hektar, also über 300 Tagwerk;239 Mitte des vorangegangen Jahrhunderts hatte es nur mehr 5 Tagwerk umfasst.

Gleich zu Beginn seiner Falkenber-ger Zeit wollte Dr. Soltmann die alte Schlosskapelle auflassen und eine neue in der Nähe des Fischweihers erbauen. Der Gemeindeausschuss stimmte am 29. Juni 1900 zu,240 doch wurde aus dem Projekt nichts.

Ende Dezember 1900 berichtete das Bezirksamtsblatt241 in seiner Rubrik „Privat-Nachrichten“ anerkennend, dass die neue Schlossherrin Anna Soltmann (geb. Smith) die Tradition der Weih-nachtsbescherung für die Moosacher Schulkinder fortgesetzt habe. 31 Moos-acher Kinder waren mit ihren Eltern „am

Page 79: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

156 157

„Bedürfnisfrage“ Wirtshaus in Falkenberg

Recht bald, schon im Frühjahr 1900, wollte der neue Schlossherr Soltmann das Oswald-Anwesen in ein Wirtshaus umwandeln. Moosachs Gemeindeväter berieten über seinen Antrag auf eine Konzession. Ergebnis laut Gemeinde-protokoll vom 22. April 1900: „Ge-suchsteller Dr. Soltmann erfreut sich eines sehr guten Leumundes und liegen Tatsachen nicht vor, welche die An-nahme rechtfertigen, dass derselbe das Gewerbe zur Förderung der Völlerei, des verbotenen Spiels, der Hehlerei und der Unsittlichkeit missbrauchen werde.“242

In Falkenberg braucht’s eben ein Wirtshaus – und gab es darum schon seit alters. Darauf hat Moosachs Gemein-deausschuss schon 1884 verwiesen, als er die diesbezügliche „Bedürfnisfrage“ beriet und einstimmig bejahte. Denn die Falkenberger

„haben bis Moosach, wo sich das nächste Gasthaus befindet, eine gute Viertelstunde, die Bewohner der nördlich gelegenen Häuser Fal-kenbergs, ferner der Ortschaft Baumhau sind von Moosach eine halbe Stunde entfernt. Bei derartigen Entfernungen ist das Bierholen mit bedeutendem Zeitverluste verbunden und dürf-te im Interesse der Leute der Fortbestand der Gastwirtschaft wirklich angezeigt erscheinen.“243

1901 erhielt Dr. Soltmann laut ge- meindlicher Niederschrift das Heimat- und Bürgerrecht.244 In diesem Jahr wohn-ten im Schloss 21 Personen, später um die fünf.245

Abb. 32: Blick in die Wohnräume der Soltmanns im Schloss.

Page 80: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

158 159

Ein besonderes Ereignis müssen die von Soltmann veranstalteten Hubertus-Jagden gewesen sein, im Gästebuch wiederholt mit Wort und Zeichenstift festgehalten. (Abb. 34) Doch man ließ sich’s nicht nur gut gehen; viele Belege zeigen, dass Schlossherr Soltmann sein Gut, seine Landwirtschaft sehr ernst nahm.

1903/1905: Nur zwei kleine Streif-lichter auf Soltmanns landwirtschaft-lichen Alltag. Die „Dr. Soltmann’sche Guts-Verwaltung Falkenberg“ suchte 1903 einen „Maulwurffänger“, 1905 empfahl sie per Annonce verschiedene Sorten von besonders qualitativem Saatgetreide „zur geneigten Abnahme“, den Zentner zu 11 beziehungsweise 10 Mark.247

Die Familie aus dem „G’schlohß“248 hatte auch im kirchlichen Leben ihren festen, herausgehobenen Platz. Für 35 Mark Gebühren im Jahr besaß sie das „Inhaberrecht“ auf je zwei Kirchenstühle auf der Männer- und Frauenseite in der Pfarrkirche und ebenso in der Kirche Al-tenburg, sowie auf zwei auf der Empore in der Pfarrkirche. Ein Enkel des Schloss-herrn Rudolf erinnert sich heute noch gerne, über dem Altarraum so manche Messe „hoch über dem unvergessenen Pfarrer Anton Kreutmeier“ miterlebt zu haben.249

1905: „Frevler“ sägen Alleebäume um

1905: In der Nacht vom 6. zum 7. August sägten unbekannte Täter

Abb. 34: Falkenberger Hubertusjagd, verewigt in Soltmanns Gästebuch.

Die Familie Soltmann entwickelte auf Falkenberg ein reges gesellschaftliches Leben, beherbergte häufig Gäste, vor allem aus der großen Verwandtschaft.

Kleine Einblicke erhalten wir im Soltmann’schen Gästebuch.246 Hym-nisch zum Beispiel ein Eintrag aus dem Sommer 1901:

Abb. 33: Hymnischer Eintrag in Soltmanns Gästebuch 1901.

„Haus Falkenberg, in deinen altehrwürdigen Räumen,Durch Kunst verschönert und durch Lieb’ so traut,

Wo Frohsinn herrscht, Gambrinus, Bacchus schäumen,Wo liebe Menschen ihr idyllisch Nest gebaut.“ (Abb. 33)

Page 81: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

160 161

Allee bäume an der Schlosszufahrt um. Für Hinweise auf den / die Täter setzte Dr. Soltmann per Zeitungsannonce 250 Mark aus, den gleichen Betrag auch die Gemeinde zur „Habhaftwerdung des Frevlers behufs Strafeinschreitung“. Bürgermeister Melchior Huber äußerte dabei „die ernsteste Mißbilligung über eine solche rohe Handlungsweise“.250 Besonders wegen dieses Vorfalls setzte sich Dr. Soltmann energisch für den Wunsch der Gemeinde nach einer ei-genen Polizeistation ein – so wie auch sein Niederseeoner Gutsbesitzer-Kollege Freiherr von Büsing wegen Rowdytums am Steinsee.251

2. Juni 1914: Noch waren in Fal-kenberg die dunklen Wolken am Welt -

himmel nicht wahrzunehmen – großer Festtag im Schloss: Anna Soltmanns 25-jährige Tochter aus erster Ehe, Dr. Mary Endres, Kunsthistorikerin in der Münchner Pinakothek, heiratete den Pi-nakotheks-Direktor Prof. Heinz Braune-Krickau. Viel Hautevolee hatte sich zu dieser Hochzeit eingefunden. Ein früher Fotograf hielt die vornehme Gesellschaft für die Nachwelt fest. In der Verwandt-schaft befand sich auch Paulaner-Chef Anton Sedlmayr. (Abb. 36)

Dem 85-jährigen Großvater des Bräutigams, Heinrich Beer, ehedem Richter am Reichsgericht zu Leipzig, verdanken wir in seinen Lebenserinne-rungen eine kurze Schilderung dieser Hochzeit: Die Trauung erfolgte „in dem

Abb. 36: Glänzender Festtag kurz vor der Weltkriegskatastrophe: Die Tochter der Schlossherrin, Dr. Mary Endres (Kunsthistorikerin in der Münchner Neuen Pinakothek) heiratet den Pinakotheks-Direktor Prof. Heinz Braune-Krickau (2. Juni 1914). Der Bräutigam trägt seinen Strohhut in der Hand, rechts neben ihm die Braut.

Abb. 35: Kahnpartie auf dem Schlossweiher, am Ruder Sohn Rudolf

Page 82: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

162 163

Abb. 38: „Fern von der lie-ben Heimat mit zerrissenem Herzen und durchschos-senen Gliedern [...]“ – im Gästebuch danken verwun-dete Soldaten für die gute Pflege im Schloss.

„Zweite Heimat“ für Verwundete

1916: Viele Soldaten trugen im Soltmann’schen Gästebuch ihren Dank in berührender Weise ein: „Mit zerris-senem Herzen und durchschossenen Gliedern kam ich in das liebliche Schloß Falkenberg“, schrieb ein Unteroffizier im Januar 1916; er habe hier „Genesung,

Erholung und eine zweite Heimat finden dürfen“. Von „liebevollster, aufmerk-samster Pflege“ oder „mütterlichster Be-handlung“ sprechen auch viele andere. (Abb. 38)

Wer immer Grundners Notizen nach dessen Zeit weitergeführt hat: Über die Kriegsjahre 1914 bis 1918 schweigt er sich, ausgenommen den Hinweis auf das Lazarett, aus; wir lesen erst wieder

blütenreichen Gewächshaus des Schlos-ses“; vorangegangen war ein Frühstück mit „nach einer bayrischen Sitte“ kre-denzten „Weißwürstl“. Den Schloss-herrn Dr. Soltmann schilderte der alte Herr als „einen liebenswürdigen, geist-vollen und vornehmen Mann, Dr. phil. und Rittmeister der Landwehr“, Ehefrau Anna rühmte er als „einen Ausbund weiblicher Liebenswürdigkeit“.252

„Friedensengel“ ohne Macht

Juli 1914: Bis zum 31. Juli waren für drei Wochen einige enge Verwandte zu Gast. Zum Abschied gab es einen Ein-trag ins Gästebuch253: Die Kriegsgefahr habe zuletzt die Stimmung gedämpft; es möge aber die Schlossherrin „Anna, der unentwegte Friedensengel, doch noch Recht behalten!“ Dieser Wunsch blieb unerfüllt, Friedensengel hatten in den nächsten fünf Jahren nichts zu sagen.

August 1914: Bald nach Ausbruch des 1. Weltkriegs meldete sich Schloss-herr Rudolf Soltmann freiwillig und nahm am Krieg als Major bis zum bitte-ren Ende teil. Sein Sohn Albrecht sollte knapp 18-jährig 1917 in den Krieg ziehen und in Flandern kämpfen.

Schloss Falkenberg wurde „bereits in der 1. Mobilmachungswoche“ dem Roten Kreuz als Genesungsheim unentgeltlich zur Verfügung gestellt – und dieses „hoch-herzige Anerbieten des Schlossherrn“ sei, so schrieb die Heimatzeitung254, „dankbar angenommen“ worden. Das Schloss wur-de „Lazarett“, lesen wir bei Grundner255, müssen uns da aber wohl eher eine Ein-richtung für Rehabilitation vorstellen. 252 Verwundete wurden hier im Laufe des Krieges betreut. Die ärztliche Betreu-ung lag während der gesamten Kriegszeit beim Glonner Arzt Max Lebsche (Vater des als Professor für Chirugie berühmt gewordenen gleichnamigen Sohnes). Die Leitung des Lazaretts hatte Schlossherrin Anna. Sie erhielt als „allerhöchste Aus-zeichnung“ das König-Ludwigkreuz, wie am 26. September 1916 im „Ebersberger Anzeiger“ zu lesen war. (Abb. 37)

Abb. 37: Anna Soltmann mit Tochter Mary und Enkel Wolfi 1917.

Page 83: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

164 165

In der „Grafinger Zeitung“ vom 11. Oktober 1928 inserierte Dr. Soltmann wegen des Verkaufs seines Guts eine „Zuchtviehauktion“: die Versteigerung einer seit 26 Jahren durchgezüchteten Herde von 11 Kühen und 13 Stück Jung-vieh (Simmentaler Rasse).

Am 28. Oktober genehmigte der Ge-meinderat den „Bau einer Autohalle“,257 heute würden wir wohl „Garage“ sagen.

1929: Die Eigenjagd Falkenberg, „Tatort“ so vieler Hubertus-Jagden,

aus dem Jahre 1928, als Soltmann das Gut verkaufte (das ist der letzte Ein-trag). (Abb. 39-41)

1928: Dr. Soltmann verkaufte das Gut, behielt aber das Schloss und die umliegenden 5 Hektar Grund. Käufer war die Darlehenskasse in Grafing, die nun das Gut „zersplittert“, das heißt stückweise verkaufte. Die umliegen-den Nachbarn erwarben einen Teil der Grundstücke und erweiterten damit ihre Betriebsflächen.256

Abb. 41: Das Schloss mit Eiskeller und Gärtnerhäuschen (undatiert).

Abb. 39: Das Schloss mit Gärtnerei 1919.

Abb. 40: Das Schloss 1937.

Page 84: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

166 167

Abb. 42: Enkel des letzten Gutsherrn: Peter und Helmut Soltmann (1944).

wurde aufgelöst; bis zur nächsten Ver-steigerung der Gemeindejagd über-nahm sie der bisherige Jagdpächter Karl Sackmann.258

1930: Albrecht Soltmann, der äl-teste Sohn, heiratete Lilly Sedlmayr. Zum Einzug der jungen Frau ins Schloss errichtete Falkenbergs Jugend einen Triumphbogen – zum Dank dafür floss reichlich Freibier, kam doch die Braut aus der Spatenbräu-Familie.259

Hühnerkrieg?

Auch ein Schlossherr muss sich mit kleinlichem Nachbarschaftsärger her-umschlagen. Am 14. September 1929 bekam Dr. Soltmann von einem Nach-barn folgendes Schreiben:

„Nachdem Ihr Gärtner am 2. und 3. September die Drahtlöcher wegen der Hühner zugemacht hat und ich an diesen Tagen mein Haberfeld abgeerntet habe, muß ich anneh-men, daß diese absichtlich so lange nicht zugemacht wurden. Die Hühner kommen heute noch durch den Zaun, was ich Ihrem Gärtner schon gesagt habe. Sie haben daher ab 23. August bis heute den Übertritt Ihrer Hühner in mein Haberfeld, mein Haus und den Rübenacker, also für 145 Stück a 5 Pfg. zusammen M 7,25 innerhalb einer Woche zu entrichten, andernfalls ich die in mein Haus eingedrungenen 6 Hühner, welche ich in Ge-wahrsam habe, als Ersatz für obige Summe betrachte. Beim Abholen der Hühner ist ein tägliches Futtergeld von 30 Pfg. zu entrichten. Ihr Nachbar […].“

Schlossherr hin oder her: Da wurde nun wirklich nichts ausgelassen – und wie mag es ausgegangen sein?260

Der Nachbar und die Hühner, die um-gesägten Alleebäume – es wird noch mehr Ärgernisse und Probleme gegeben haben …, aber wir erfahren davon nichts, weil uns für diese Jahrzehnte ein akribischer Chronist wie vordem Grundner und der dessen Notizen bis 1928 fortsetzende „Nachfolger“ fehlt. So sind wir unverse-hens im Jahre

1940: Das Schloss sei „in gutem Zustand, und sauber gepflegte Gärten und Anlagen geben dem Ganzen ein gu-tes Aussehen. Gegenüber dem Schlosse liegt der große Gutshof.“ So schrieb die „Grafinger Zeitung“ in ihrer Ausga-be vom 5. September 1940. Aber der Schlossherr durfte sich nicht mehr lange daran freuen. Denn

1942 im September starb 77-jäh-rig Dr. Rudolf Soltmann nach über 40 Jahren auf Falkenberg, Ehefrau Anna war ihm schon 1938 vorausgegan-gen. Moosachs Bürgermeister stellte einen „Leichen-Paß“ aus, damit der tote Schlossherr ohne Probleme nach München überführt werden konnte.261 Zusammen mit seiner Frau und den vier Kindern ruht er im Familiengrab auf dem Münchner Waldfriedhof (alter Teil).

1943: Neuer Besitzer war der 44- jährige Sohn Albrecht, der Anfang Ja-nuar mit seinen drei Geschwistern als Miterben notariell deren Auszahlung festlegte.262 Ostern 1943 zog er mit sei-ner Frau Lilly und den vier Kindern vom Bodensee kommend in Falkenberg ein. (Abb. 42 u. 43)

Page 85: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

168 169

„Bruder Bach“, einem gelernten Gärt-ner und evangelischen Diakon im „Missionsdienst“.

1966: Das Schloss wurde gründlich renoviert, erhielt unter anderem ein neu-es Schieferdach.271

2000: Das Ehepaar Brigitte und Pe-ter Fitzon erwarb das Schloss und ließ es stilvoll renovieren.

dann wieder zurück an den Bodensee. Albrecht Soltmann war wegen seiner Kriegsverwundung weitgehend berufs-unfähig; er starb 1974 in München.268

Der „Missionsdienst für Christus“ führte im Schloss Lehrgänge für Haus-wirtschaft und zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung durch.269 (Abb. 44)

Um 1960 wurde auf dem Gelän-de eine Gärtnerei betrieben270 – von

Abb. 44: Elternbesuchstag beim Missionsdienst 1991.

Oberst Albrecht Soltmann war Be-rufsoffizier, wurde in Russland schwer verwundet und kam ins Lazarett in Zinneberg. Er war noch nicht auf dem Schloss, als 1945 die Amerikaner dieses für sich beschlagnahmten, ehe sie ins Sackmann-Haus wechselten.263

1946: Im 1. Stock wurde die aus dem Sudetenland geflohene Familie Zirkler mit ihrer Handweberei tätig; die Räume waren im Sommer vom Landratsamt zur Verfügung gestellt worden;264 1947 fand der Betrieb in Moosach ein neues Domizil265.

1949: Nachdem der größte Teil des Schlosses ans Bayerische Landwirt-schaftsministerium verpachtet worden war,266 betrieb jetzt das Landwirtschaft-samt Ebersberg hier eine Hauswirt-schaftsschule (Leiterin: Frau Helm267).

1952: Eine Ära ging zu Ende, als Albrecht Soltmann das Schloss an den „Missionsdienst für Christus“ verkaufte. Albrechts Sohn Helmut erinnert sich, dass der Verkauf des durch die Kriegs- und Aufbaujahre „zäh erhaltenen“ Be-sitzes für seine Eltern nicht einfach war. Die Familie mit den vier Kindern zog

Abb. 43: Helmut Soltmann auf Zuchttraber um 1945.

Page 86: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

170 171

München (zeitweise auch Straubing) aufgespaltene „Herzogthum Baiern“ wieder vereinigt hatte, die Hofmarks-gerechtigkeit weiter konkretisiert. Sie umfasste niedere Gerichtsbarkeit, Poli-zeigewalt, Festlegen und Eintreiben von Steuern, Musterung, Arbeitsdienste (Scharwerk), niedere Jagd (Hirsch und Wildschwein durfte weiterhin nur der hohe Adel jagen).280

Als später auch der Enkel Albrecht V. Geld brauchte, besorgte er sich das, indem er im Jahre 1557 adeligen Hof-marksherren ein zusätzliches Recht ge-währte: die „Edelmannsfreiheit“. Damit erhielten die Hofmarksherren jetzt die Niedergerichtsbarkeit auch über jene ihrer Güter, die außerhalb des geschlos-senen Bezirks der Hofmark lagen; solche Güter nannte man „einschichtig“. Im Gegenzug durfte der Herzog eine neue Steuer einheben, verlor aber die Einnah-men aus den Geldbußen bei Gerichts-verfahren auf den einschichtigen Höfen. Auch die Falkenberger Herren besaßen etliche einschichtige Güter; ohne diese hätten sie allein aus den kleinen Falken-berger Anwesen kaum ein ausreichendes Einkommen gehabt.

Der erste Herr auf Schloss Falken-berg, Alexander Schöttl, erhielt am 28. August 1581 die „Niedergerichtsbarkeit über seine Güter zum Falkenberg“.281 Man hat diese Rechtsform schon als „bürgernahe Verwaltung“ bezeichnet.282 Denn es gab in der Hofmark Gerichts-tage mit dem Herrn oder mit einem von diesem beauftragten Richter, der nicht nur über Delikte und Streitigkei-ten urteilte, sondern vor allem auch

mittelalterlichem politischen Kuh-handel, wenn nicht Erpressung. Die bayerischen Herzöge waren notorisch so sehr in finanziellen Nöten, dass sie wiederholt dringend auf die Unter-stützung durch ihre „Stände“ (Adel, hohe Geistlichkeit, Bürger in Städten und Märkten) angewiesen waren.278 Diese nutzten das aus, schlossen sich zu „Landständen“ (eine erste Art von Volksvertretung) zusammen und halfen ihrem Landesherrn nur, wenn dabei für sie selbst etwas heraussprang. So trotzten sie dem Landesherrn über die Anerkennung ihrer zum Teil schon sehr alten Rechte hinaus immer wieder neue Rechte beziehungsweise Einnahme-quellen ab.

Als der niederbayerische Herzog Otto III. vor 700 Jahren Geld brauchte, gestan-den ihm 1311 die Stände zu, eine einma-lige Steuer zu erheben, und erhielten da-für im Gegengeschäft unter anderem für ihre Hofmarken die niedere Gerichtsbar-keit:279 Die Hofmarkherren konnten hier jetzt Recht sprechen über alle Delikte, auf die nicht die Todesstrafe stand. Die „Blutgerichtsbarkeit“ zum Beispiel über Mord, Raub, Notzucht, Ehebruch, Got-teslästerung, Hexerei behielt der Herzog sich beziehungsweise seinem Landgericht vor – doch solche Verfahren brachten nichts ein, während die niedere Gerichts-barkeit für die Hofmarkherren schönen Ertrag durch Gebühren beziehungsweise Geldstrafen brachten.

Im Jahre 1505 wurde von Herzog Albrecht IV., der nach dem verheeren-den Landshuter Erbfolgekrieg das in die Teilherzogtümer Landshut, Ingolstadt,

III. DIE HOFMARK FALKENBERG

„Hofmark“ – da klingt etwas Beson-deres in unseren Ohren: Herrschaft, Macht, Geschichte, untergegangene Größe. Heute hören wir „Hofmark“ nur mehr in Straßennamen oder als Kauf-anreiz für besondere Produkte. Am besten lässt sich „Hofmark“ in ihrer Dimension heute begreifen, wenn wir sie grob vereinfacht in unsere Gegen-wart übertragen. Stellen wir uns vor: In einem großen Teil einer Landgemeinde Moosach hätte heute nicht kommunale und staatliche Verwaltung das Sagen, sondern allein eine besonders hochge-stellte Persönlichkeit: Diese – und nicht mehr das Finanzamt Ebersberg – würde unsere Steuern einkassieren, und zu-gleich hätte diese Person das absolute Sagen, nämlich die Zuständigkeit und Amtsgewalt von Bürgermeister, Land-rat, Amtsrichter, Polizei und Notar; sie wäre auch zuständig für die Mus-terung und hätte Mitsprache bei der Schulvisitation.272

Die Hofmark war also ein „Staat im Staate“. Da verwundert es nicht, dass bei der Bildung der Gemeinden in Bayern die Hofmarken zunächst eigene Gemeinden wurden;273 so erscheint Fal-kenberg 1818 nicht als Teil der Land-gemeinde Moosach, sondern als eigene Gemeinde.274

Für uns ist die Hofmark längst nur mehr eine verschwundene wirtschaft-liche, administrative, juristische und politische Einheit. Für die Vorfahren aber besaßen die Hofmarksherren die

geschilderte Machtfülle bis vor etwa 170 Jahren (Fachausdruck: Hofmarks-gerechtigkeit). Große Teile des Landes mit vielen Einwohnern unterstanden im mittelalterlichen Bayern nicht unmit-telbar dem Landesherrn, sondern dem Herrn einer Hofmark. Erst in Folge der Revolution von 1848 und dank eines neuen „Reformlandtags“ sowie der Reformbereitschaft des neuen Königs Maximilian II. wurde die Institution Hofmark abgeschafft – und erst ab diesem Zeitpunkt gab es einheitliche Untertanen.275

Die Hofmark Falkenberg war eine von 18 Hofmarken im Landgericht Schwa-ben,276 unserem mittelalterlichen / frühneuzeitlichen Verwaltungsbezirk und Vorläufer des Landkreises Ebers-berg. In der engeren Nachbarschaft Falkenbergs lagen die Hofmarken Wil-denholzen, Zinneberg, Egmating und Elkofen.

Eine Statistik aus dem Jahre 1791 verdeutlicht die beachtliche politische und wirtschaftliche Größenordnung der Hofmarken. Während der Kurfürst im Gerichtsbezirk Schwaben 1757 Fa-milien mit Besitz unter seiner eigenen, meist über das Landgericht ausgeüb-ten Gerichtsbarkeit zählte, waren den Herren der Hofmarken immerhin 1004 Familien untertan.277

Des Herzogs notorisch klamme Kasse

Die besonderen Rechte der Hof-marken waren das Ergebnis von

Page 87: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

172 173

Viel Geld aus Oberseeon für den Schlossherrn

Zwei Beispiele dafür, wie es vor etwa 200 Jahren zwischen Schloss-herrn und Grundholden lief:293 Am 26. Juli 1808 erhielt der ledige Andreas Gaar aus Oberseeon „auf unterthänig gehorsamst erbitten“ seiner Eltern An-dreas und Katharina vom Falkenberger Hofmarkherren Benno von Hofstetten das Leibrecht für die Bewirtschaftung des bisher von seinen Eltern geführten Hofes Obersoy zu Obersoyn.

Für diese Hofübergabe mussten die Eltern 300 Gulden Laudemium und eine weitere, „Stiftgeld“ genannte Ge-bühr von 10 Gulden 20 Kreuzer an ih-ren Grundherrn entrichten. Viel Geld: ein Tagwerk guter Wald kostete um diese Zeit 50 Gulden, ein Oberknecht bekam im Jahr einen Lohn von 40 Gulden,294 und selbst ein bayerischer Oberst musste für solch eine Summe fast zwei Jahresgehälter aufbringen.295 Oft hatten die jungen Bauern nach dieser Art von „Erbschaftssteuer“ an die Grundherren kein Geld mehr für Investitionen, was den Fortschritt hemmte.296

25 Jahre lang lebte und arbeitete Andreas Gaar auf dem Oberseeoner Hof. Dann erbat er, offensichtlich ledig und kinderlos geblieben, wieder-um eine Bewilligung seines Hofmarks-herrn, der jetzt Georg von Fuchs hieß: Bauer Gaar wollte den Obersoyer Hof seinem Vetter Joseph Miller und des-sen Frau Anna übergeben und für sich und seine Schwester Barbara einen

in der Mitte des 18. Jahrhunderts der „ganze“ (also große und ertragreiche) Hof „Obersoyer“ in Oberseeon, zwei ganze Höfe in Wolfersberg und ein ganzer in Deinhofen. Dazu kamen Gü-ter in Moosach (1/4-Hof „Waldbach-müller“, heute Sägewerk Oswald), Berghofen (1/2-Hof Bergmair),288 Reit (1/2), weitere in Niederseeon, Fürmoo-sen, Taglaching, Großesterndorf und Gelting;289 hier wurde im Jahre 1817 das „zur Hofmark Falkenberg leibrechtsweis grundbar“ gehörige „Schmalzmairische Anwesen“, ein ganzer Hof, versteigert.290

Leibrechtsweis – das Leibrecht war die bei uns üblichste Form des Leihe-verhältnisses zwischen Grundherrn und Bauern („Grundholden“): Der Grund-herr gab dem Bauern den Hof auf Le-benszeit – im Erbfalle, bei einer Über-gabe oder bei sonstigen Veränderungen musste der Grundherr zustimmen und erhielt dafür eine nicht geringe Abgabe (Laudemium). Günstiger für den Bau-ern, aber auch seltener, war das Erb-recht: Das Nutzungsrecht ging auf die Erben über. Die schlechteste Form für den Bauern war die Freistift: das Besitz-und Bewirtschaftungsrecht wurde nur für ein Jahr vergeben, musste danach immer neu geregelt werden; in einem solch ungünstigen Rechtsverhältnis zur Wildenholzener Herrschaft stand zum Beispiel im Jahre 1789 der Moosacher Schmied Jakob Huber.291 Schließlich gab es noch die Neustift, die mit dem Tode des Grundherrn endete.292

die Aufgaben eines Notars erfüllte. Da die meisten Untertanen damals nicht schreiben konnten, wurden behördliche oder zivilrechtliche Schriftsachen von ihm erledigt. Geldstrafen konnte der Richter vor allem einnehmen für Wirts-hausraufereien und für „Leichtfertigkeit“ (uneheliche Kinder).283

1605: Umstrittenes Gütl in Fürmoosen

Die einschichtigen Höfe sollten für die Falkenberger Herren immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen mit dem Landesherrn sein. Das begann schon bei Schöttls Erben. Diese erwarben ein kleines Anwesen (Sölde) in Fürmoosen und wollten, dass es ihrer Gerichtsbar-keit unterstellt werde. Das wurde 1605 zunächst abgelehnt und erst sechs Jahre später aufgrund eines Gutachtens der Hofkammer vom Landesherrn Maximili-an I. bewilligt.284

Voraussetzung für das Recht der Ge-richtsbarkeit war, dass der Schlossherr die Edelmannsfreiheit besaß. Konnte er sie nicht vorweisen beziehungsweise erwerben, musste er die Gerichtsbarkeit über die einschichtigen, also außerhalb seiner geschlossenen Gemarkung liegen-den Güter wieder zurück an das Landge-richt geben. Das widerfuhr auf Falken-berg zum Beispiel im Jahre 1756 dem Geheimen Rat Johann von Schroff, der so acht Untertanen verlor. Vier Jahre spä-ter erhielt der neue Herr, Hofkammerrat Max von Mayr, diese wieder zurück, weil er die Edelmannsfreiheit besaß.285

Auch Hofoberrichter Benno von Hofstetten, der 1805 die Hofmark Fal-kenberg erwarb, besaß nicht die Edel-mannsfreiheit und verlor deshalb 19 einschichtige Untertanen; 8 erhielt er nach seinem Einspruch wieder zurück – die restlichen blieben eine ungeklärte anhängige Streitsache („lis pendens“), über die Sohn und Erbe Anton von Hofstetten in umfänglicher Korrespon-denz mit dem König beziehungsweise dessen Beamten eine langjährige juris-tische Auseinandersetzung führte.286

Wie sah die Hofmark Falkenberg aus? Beherrschend in jedem Sinne, bau-lich wie juristisch, natürlich das herr-schaftliche Schloss; die „Unterthanen“, die mit ihren Abgaben und Leistungen den Ertrag der Hofmark erwirtschaf-teten, lebten in ihren nur sehr kleinen Anwesen rundum auf den Hügeln und Senken der Falkenberger Flur. Mitte des 18. Jahrhunderts gab es hier insgesamt 14 kleine „Gütl“ (1/16-Höfe), die nur einen Garten, keinen Acker hatten. 12 davon waren unter Falkenberger Hofmarkherrschaft (darunter die An-wesen Jäger, Kramer, Sattler, Kistler); zwei 1/16-Höfe waren der Hofmark Wildenholzen beziehungsweise dem Kloster Tegernsee untertan. Die Zahl der Anwesen in Falkenberg veränderte sich auch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kaum.287

Diese kleinen Anwesen auf der Falkenberger Flur machten für den jeweiligen Herrn der Hofmark das Kraut nicht fett. Einträglich waren die großen „einschichtigen“ Güter außer-halb: So gehörten dem Hofmarkherrn

Page 88: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

174 175

Ständeherrschaft wurde zugunsten einer bürgerlichen Eigentümergesellschaft auf-gelöst“.300 Historiker urteilen, Montgelas habe „mit einer ‚Revolution von oben‘ das neue Staatswesen“ geschaffen.301 Von ihm kamen die ersten Ansätze zur Einschränkung der Macht der adeligen Herren und zur Besserstellung ihrer bäu-erlichen Untertanen. Ein beschwerliches, immer wieder von Rückschlägen unter-brochenes Unterfangen, das erst 1848 zum späten, doch guten Ende kam.

Die von den gesellschaftspolitischen Umbrüchen verursachten Verwerfungen in einem zuvor klar geordneten System sind in der Hofmark Falkenberg deutlich zu spüren; mit ihnen hatten schon vor Herrn von Fuchs seine Vorgänger Benno und vor allem Anton von Hofstetten zu kämpfen.

Der König hatte 1808 die Macht des Adels zwar eingeschränkt, aber „vom ba-rocken Zopf blieben […] die Grundherr-schaft und die Patrimonialgerichte“.302 Das war weiterhin die „stärkste Bastion des bayerischen Adels. Immerhin unter-standen bis 1848 15,8 Prozent der bay-erischen Bevölkerung der gutsherrlichen niedrigen Gerichtsbarkeit, die die Mehr-zahl der alltäglichen Fälle umfasste und eine wichtige Einnahmequelle bildete“303 – wofür wir in der Übergabe des Oberso-yer Hofs und den daraus in die Schatulle des Grundherrn von Fuchs fließenden Gebühren ein anschauliches Beispiel ge-sehen haben.

„angemessnen Austrag bedingen“. Dem stimmte Herr von Fuchs am 10. Mai 1833 zu.297 (Abb. 45)

An den „alten Zöpfen“ wird schon gezogen

Für den Grundholden Andreas Gaar galten da noch die überkommenen Be-dingungen einer jahrhundertealten Tra-dition der Grundherrschaft. Sein Grund-herr von Fuchs aber sollte den Umbruch in eine neue Zeit erleben. Doch jetzt galt noch: So wie in Oberseeon der Bauer Andreas Gaar dem Herrn von Fuchs, so unterstand im Land bis zum Jahre 1848 jeder sechste Bayer einer Grundherr-schaft.298 Noch – denn es wurde an den „alten Zöpfen“ schon spürbar gezogen …

Den ersten „Ruck“ gab es bereits in der Regierungszeit von König Max I. Die Impulse dazu kamen von Minister Graf von Montgelas. 18 Jahre lang war dieser von den Ideen und Wirkungen der Französischen Revolution beeinflusste Aufklärer und Reformer der wichtigste politische „Antreiber“ von Max I.

Dem Grafen Montgelas sind sicher die Auswüchse der Säkularisation, vor allem die „rigorose“, mit „ideologischer Blind-heit“299 erfolgte Auflösung der Klöster an-zulasten. Seiner Lebensleistung gerecht wird man aber nur, wenn man ihn als weitsichtigen Wegbereiter für das moder-ne Bayern würdigt. Montgelas brachte in Politik und Verwaltung „zukunftsweisen-de Modernisierungsfaktoren … Die alte

Abb. 45: Übergabebewilligung des Hofmarkherrn von Fuchs für den Bauern Andreas Gaar, Oberseeon, 10. Mai 1833.

Page 89: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

176 177

geklärt sei. Das „GeneralKommissariat“ empfahl dem König, der Einbeziehung von Wolfersberg zuzustimmen, lehnte aber einen Zugriff auf Eglharting ent-schieden ab.

Seine Zustimmung, Wolfersberg aus dem Gemeindeverband Oberpframmern aus- und in die Falkenberger Herrschaft einzugliedern, begründete das „Gene-ralKommissariat“, in Wolfersberg habe der Falkenberger Herr eine seiner „vor-züglichsten Grundbarkeits-Besitzungen“ und schon immer die Gerichtsbarkeit ausgeübt.308

Offensichtlich gab es in früherer Zeit zwischen der Einöde Wolfersberg und dem Moosacher Gebiet eine viel engere Verbindung als heute. Darauf deutet auch hin, dass wir auf einer Karte von 1856 einen Weg („Mühlweg“) von Wol-fersberg nach Schattenhofen sehen.309

Für König Max I. und seine Adminis-tration standen in diesen Wochen des Jahreswechsels 1816/17 aber viel drän-gendere Fragen als „Falkenberg“ und „Hofstetten“ auf der Tagesordnung. Schon seit 1813 herrschte zwischen dem jungen, nach Einfluss strebenden Kronprinzen Ludwig und dem alles beherrschenden ergrauten Staatsmann Montgelas „Eiszeit“ – zusammen mit ei-nigen einflussreichen Männern am Hofe arbeitete Ludwig auf den Sturz des Mi-nisters hin. Mit Erfolg: Am 2. Februar 1817 musste Montgelas ein vom König Max handgeschriebenes Entlassungs-schreiben entgegennehmen.310

Im Mai 1817, nach einem halben Jahr vergeblichen Wartens auf eine Entschei-dung, auf eine „definitive Bestimmung

der künftigen Ortsgerichtsbarkeit“, richtete Hofstetten in dieser „so lange zu meinem größten Nachtheile in der Benützung meiner Eigenthums-Rechte verzögerten Angelegenheit“ ein erneutes Schreiben an den König.311 Vergeblich – daher ging ein weiteres Vierteljahr spä-ter wieder ein Schreiben aus Falkenberg in der Münchner Residenz ein, in der Anrede die damals übliche Ehrerbietung „Allerdurchlauchtigster Großmaech-tigster Koenig! Allergnaedigster Koenig und Herr !“. Doch mochte Hofstetten noch so sehr „allerunterthänigst und gehorsamst“ unterzeichnen – schon im ersten Satz spürt man, wie er in seinem Zorne bebte: „Vier volle Jahre sind nun über der Organisation meines Patrimo-nialgerichts Falkenberg […] verfloßen, ohne daß ich einmal in den vollen Ge-nuß meines rechtlich erworbenen Ei-genthumes gesetzt werde“. Hofstetten legte dar, die von der königlichen Ver-waltung gegen die Bildung des Gerich-tes vorgebrachten „Bedenklichkeiten und Anstände“ seien alle behoben. Wie immer die angekündigten Neuerungen hinsichtlich der Gerichtsbarkeit adeliger Gutsbesitzer auch ausfallen mögen: „le-gal erworbenes Recht und Eigenthum“ müsste doch „sich des Schutzes der Re-gierung zu erfreuen haben“. Die von ihm beantragte Bildung eines Ortsgerichtes sollte ohne Probleme möglich sein „bey einem schon längst bestandenen Hof-marksgerichte unter einer der älteren altbaierischen Adelsfamilien“, wie es in Falkenberg der Fall sei. (Abb. 46)

Der Kampf ums Falkenberger Ortsgericht

Im Bemühen, barocke Zöpfe abzu-schneiden, wurde 1808 die Gerichts-barkeit über die außerhalb der Hofmark liegenden einschichtigen Güter („Edel-mannsfreiheit“) beseitigt. Die juristische Zuständigkeit der Hofmarkherren sollte generell auf mehr oder weniger notarielle Aufgaben zurückgestutzt werden. Doch das ließ sich offensichtlich so nicht hal-ten, denn bereits 1812 wurden größeren Adelsgütern wieder mehr Kompetenzen zugestanden; Montgelas ließ jetzt zu, dass die gutsherrliche Gerichtsbarkeit durch Zukauf oder Tausch von Anwesen erweitert wurde. Wenn eine Hofmark mindestens 50 Familien umfasste, konn-te der Besitzer hier ein „Ortsgericht“ (später „Patrimonialgericht“ genannt) einrichten.304 Um ein solches Ortsgericht und die dafür notwendige Anzahl von Untertanen sollte Falkenbergs Schloss-herr Anton von Hofstetten (wie Vater Benno als Appellationsgerichtsrat eben-falls ein hochgestellter Jurist) jahrelang kämpfen.

„Allerdurchlauchtigster Großmäch-tigster König! Allergnädigster König und Herr!“ war von Hofstettens Anrede, als der 38-jährige Schlossherr seinen König Max I. am 29. September 1813 bat, in Falkenberg ein „Ortsgericht“ bilden zu können. Auf sechs Seiten begründete er dies und legt dar: In Falkenberg stün-den 20 Untertanen unter seiner Juris-diktion, 26 weitere habe er im Gericht Neumarkt erworben, dazu weitere 23 in den Gerichten Dachau, Freising und

Deggendorf. In Moosach lebten 68 Familien, in Oberpframmern 56 und in Eglharting 26 – diese 150 Familien „würden das Ortschaftsgericht […] sehr schicklich bilden und arrondieren, der Ort Falkenberg ist in dessen Mitte“.305

Am 17. Oktober 1813 verfassten die königlichen Beamten im „GeneralCom-missariat des Isarkreises“ (Vorläufer der Regierung von Oberbayern) auftragsge-mäß für den König eine Stellungnahme: Hofstetten könne ein Ortsgericht alleine mit seinen schon vorhandenen Unter-tanen und den Moosacher Familien bilden, brauche dafür also Oberpfram-mern und Eglharting nicht; doch wichen die Beamten einer Entscheidung aus und stellten diese dem König, „der aller-höchsten Gnade anheim“.306

Gericht Falkenberg um Wolfersberg erweitert

Im Januar 1814 genehmigte der König, dass Hofstetten ein Ortsgericht mit den 69 Familien im Steuerdistrikt Moosach einrichtete.307 Im Dezember 1816 musste sich Max I. aber wiederum mit Hofstetten befassen. Der machte einen erneuten Vorstoß zur Erweiterung seines Gerichtsbezirks und wollte auch die Einöde Wolfersberg mit zwei Fami-lien sowie den Steuerdistrikt Eglharting mit 53 Familien einbeziehen. Das be-gründet er unter anderem damit, dass seinem Vater Benno 1806 elf Untertanen „widerrechtlich“ der Hofstetten’schen Gerichtsbarkeit entzogen worden seien und die Streitsache immer noch nicht

Page 90: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

178 179

weiter um die elf von Vater Benno „ver-lorenen“ Untertanen.312

Die königlichen Beamten mussten nun im Jahre 1820 alte Akten studieren und die Historie einschichtiger Unterta-nen seit den Anfängen der Falkenberger Herrschaft mit Schöttl aufrollen313 – für sie viel Mühe, für Falkenbergs Chronik ein glücklicher Umstand. Endlich bei Va-ter Benno von Hofstetten angekommen, stellte man fest, dieser habe erst die erforderlichen Erwerbsurkunden nicht vorlegen können; bei dann nachgereich-ten Dokumenten habe es Zweifel an der Identität einiger reklamierter Unterta-nen gegeben. Im Jahre 1809 schließlich habe man die Sache als inzwischen ge-genstandslos angesehen, da Benno von Hofstetten nur über 22 Familien verfügt habe und „mithin seine Gerichtsbarkeit ohnehin erlöschen würde“. Im Ergebnis wurde jetzt Hofstettens Patrimonialge-richt bestätigt, ausgenommen blieben die 1806 eingezogenen Güter und – we-gen unklarer Urkundenlage – Deinhofen.

Auch ein Jahr später, 1821, blieb die königliche Administration dabei: Die ein-gezogenen Güter könnten nicht zurück gegeben werden – aber immerhin erhielt Hofstetten jetzt den Hof in Obersoyen zurück.314 Am 13. Januar 1823 hielt das königliche Innenministerium in einem sich ellenlang über 16 Zeilen hinziehen-den Bandwurm-Satz fest: 1806 seien einschichtige Untertanen des Hofstet-ten eingezogen und die von diesen zu zahlenden Abgaben provisorisch bis zu einer endgültigen Entscheidung auf eine Art Sperrkonto gebucht worden. Eine Entscheidung sei seitdem nicht gefallen;

Der Schlossherr drängt den König

Höchst ehrerbietig im Ton, aber be-stimmt in der Sache drängte Hofstetten zur Eile, hatte er doch für den Erwerb der zur Gerichtsbildung notwendigen zusätz-lichen Anwesen beziehungsweise Unter-tanen viel Geld aufbringen müssen:

„Meine stets sich mehrende Beschädigung bey den gehabten großen Auslagen […] und meine nicht geringe Verlegenheit in Bestellung und definitiven Besoldungs-Bestimmung des Dienstpersonals wird mich entschuldigen, wenn ich Eure Kgl. Majestät um baldige Er-ledigung dieser Angelegenheit vor Eintritt des nächsten Etatsjahres dringendst bitte, mich zu allerhöchster Huld und Gnade allerunterthä-nigst empfehlend.“

Doch die Angelegenheit schleppte sich weiter hin. Am 3. Juni 1819 schrieb Hofstetten dem König, von den Privaten habe er den Kaufschilling für die abge-kauften Rechte (Jurisdictionsgerechtsa-me) inzwischen zurück erhalten – anders aber verhalte sich „eine königliche Stel-le“, von welcher er noch 576 Gulden zu bekommen habe, und die er zudem um Rückgabe wichtiger Urkunden bitte.

Hofstetten stimmte am 31. Dezem-ber 1819 der Bildung eines Patrimoni-algerichts II. Klasse zu; es war zuständig für zivilrechtliche und notarielle Ange-legenheiten. (Mit „Patrimonialgericht“ bezeichnete man ab 1818 die niedere Gerichtsbarkeit; 1836 gab es in unserem Landgerichtsbezirk acht Patrimonialge-richte). Er kämpfte aber unverdrossen

Abb. 46: Gesuch des Anton von Hofstetten an König Max I. betreffend Bildung eines Ortsgerichts Falkenberg, 1. September 1817.

Page 91: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

180 181

Abb. 47: Das Ende der Hofmarks-Rechte kündigt sich an: Neun Falkenberger Häusler lösen am 29. Oktober 1829 ihr Scharwerk ab.

bei dieser werde es „vor allem auf Ent-scheidung der staatsrechtlichen Frage ankommen […], wie der Besitzstand vom Jahre 1806 zu verstehen sey“.

Am gleichen Tag genehmigte König Max, dass Hofstetten die Gerichtsbar-keit über drei Untertanen (in Esterndorf, Adling und Ursprung) wieder erhielt.

Am 19. März 1824 bat Hofstetten erneut den König, die Herausgabe der Untertanen zu verfügen, „damit ich nach so langen Jahren widerrechtlichen Entzuges in Folge der allerhöchst ver-sprochenen nachträglichen Entschlie-ßungen endlich einmal noch zu meinem Eigenthum und mir verfassungsgemäß gebührende Rechte gelange, und bey den ungewissen schwankenden Rechts-verhältnissen nicht Gutsherr, Hintersa-ßen und Fiscus zugleich leiden mögen.“

Neuer König – alte Leier

Dann passierte ein weiteres Jahr offensichtlich wieder nichts. So wandte sich Anton von Hofstetten am 21. No-vember 1825 erneut an den König. Das war jetzt Ludwig I.; Vater Max war fünf Wochen zuvor gestorben.

Neuer König – alte Leier: Hofstetten beklagte sich, er sei „bedeutend beschä-digt, weil ich nicht allein meine ausge-legten Gelder Jahre lang nicht erhielt, und alle Entschädigungs-Ansprüche abgeschlagen wurden“. Ein Teil der vom königlichen Fiscus „widerrechtlich“ 1806 eingezogenen Untertanen sei zurückgege-ben worden, wegen der restlichen Grund-holden habe man ihn auf eine spätere

Entscheidung vertröstet, „welcher ich aber meiner allerunterthänigster Moni-torien und Bitten ungeachtet seit Jahren vergeblich entgegen sehe“.

Hofstetten berief sich hinsichtlich seiner Rechte (seiner „Jurisdictions-Ge-rechtsame“) zum wiederholten Male auf die neue Verfassung von 1818 und bat Ludwig I. unter vielen verbalen Bücklin-gen, er wolle „allerhuldreichst geruhen“, die zuständigen Ministerien des Innern und der Finanzen anzuweisen, ihm die solange vorenthaltenen Rechte „nun-mehr ohne Verzug und kostenfrei wieder zuzuweisen“.

Dieses Schreiben ist das letzte Schrift-stück im fraglichen Akt. Es findet sich darin kein Hinweis, ob und wie die Sa-che weiterging. Kurz nach diesem Brief wechselte in Falkenberg der Besitzer, Hofstetten verkaufte – schon im Frühjahr 1826 sehen wir einen neuen Herrn im Falkenberger Schloss.315 Hatte sich Anton von Hofstetten müde gekämpft?

Sicher ist die streitbare Korrespon-denz des Schlossherrn Hofstetten nur eine kleine Episode im historischen Kon-text dieser Zeit. Aber sie entspringt einer offensichtlichen Rechtsunsicherheit. Das amtliche Hin und Her in der Frage der Gerichtsbarkeit des Adels (erst „Zopf ab“, dann wieder „Zopf zurück“), die Unschlüssigkeit und Entscheidungsscheu der beurteilenden Beamten, zeigt: Mont-gelas, der in vielen Vorhaben rasch Erfolg hatte, kam in seinen Reformen gegen Interessen des Adels nur zäh voran. Hier scheinen Priorität und Durchsetzungswil-le gefehlt zu haben, politisch nicht oppor-tun gewesen zu sein. Montgelas wagte

Page 92: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

182 183

Vertrag auf „ewige Zeiten“?

Es mutet uns Heutige im 21. Jahrhun-dert, die wir den Lauf der Geschichte ken-nen, eigentümlich an, wie sehr in diesem Vertrag die „ewigen Zeiten“ beschworen werden. Schlossherr von Fuchs und seine Untertanen sollten rasch erleben, wie schnell und grundlegend sich die Ver-hältnisse änderten. Schon im Jahre 1835 ist in einer amtlichen Verlautbarung des „Intelligenzblatts“ von der ehemaligen Hofmark Falkenberg zu lesen.321

Von einer „Hofmark“ war keine Rede mehr, nur vom „Gute Falkenberg“, als das Königliche Staatsministerium der Finanzen im Mai 1837 dem Innenminis-terium mitteilte, man habe die „Domini-calien“ (Grundstücke und darauf ruhen-de Rechte) und die Gerichtsbarkeit vom Gut Falkenberg für den Staat erworben. Daraufhin wurde das Patrimonialgericht zum 1. Juli 1837 aufgelöst, Gerichtsbar-keit und Polizeigewalt wurden auf das Landgericht Ebersberg übertragen.322 Der Kaufpreis betrug 20.000 Gulden.323 Wie hier in Falkenberg versuchten König Ludwig I. und seine Administration vie-lerorts, „alte Zöpfe“ durch solchen Kauf abzuschneiden, um Verwaltung und Rechtsprechung ganz in staatlicher Hand zu vereinen.

Das endgültige Aus für alle Hof-marken im Königreich Bayern brachten die Revolution von 1848 und der neue König Maximilian II.324 Dieser trat im März 1848 die Nachfolge seines Vaters Ludwig I. an, der sein persönliches An-sehen im Volk verspielt und das Ansehen der Monarchie beschädigt hatte (u. a.

wegen seiner Affäre mit Lola Montez). Ausgelöst durch die Februar-Revolution in Paris war in deutschen Landen ohne-hin eine unruhige Zeit; politische und wirtschaftliche Unzufriedenheit brachten die Münchener dazu, das Zeughaus zu stürmen und sich zu bewaffnen. Da auch seine Reformversprechungen im Volk nichts mehr bewirkten, trat Ludwig I. ver-bittert zurück. Schon zwei Tage später, am 22. März 1848, eröffnete sein Sohn Maximilian II. einen Reformlandtag und erklärte „Unser Wahlspruch sei Freyheit und Gesetzmäßigkeit“.

Der Landtag erhielt mehr Rechte, das Wahlrecht wurde demokratischer, die Stellung der Bürger vor der Obrigkeit in Verwaltung und Gericht verbessert. Und die für die Grundholden in Falkenberg entscheidende Reform:

„Besonders einschneidend war die Auf-hebung der adeligen Grundherrschaft und der damit verbundenen Herrschafts- und Gerichtsrechte. Damit war unwiderruflich das Ende der alten Hofmarken gekommen; die Gerichtsbarkeit übernahm der Staat, traditio-nelle Dienstleistungen und Abgaben entfielen ebenso entschädigungslos wie das Jagdrecht. Das Eigentum an Grund und Boden erhielten die Bauern gegen einen Bodenzins, der teilweise bis ins 20. Jahrhundert gezahlt wurde.“325

Mit der Abschaffung der Grund-herrschaft wurde den bäuerlichen Untertanen Eigentum und Selbständig-keit ermöglicht. So verlor auch die auf Falkenberg zwischen Herrn von Fuchs und seinen Untertanen 1829 verein-barte Abgabe von jährlich 9 Gulden

waren „in Geschäften abwesend“318 und beurkunden erst zwei Tage später; drei der neun Untertanen konnten nicht schreiben.

Die Gutsherrschaft, Johann Georg von Fuchs, ließ zu Protokoll erklären, dass die bisherigen ungemessenen Handscharwerke gegen eine jährliche Ablösesumme „auf ewige Zeiten“ abge-löst werden sollten. Was die Betroffenen erklärten / erklären sollten, liest sich so:

„Die erschienenen scharrwerkspflichtigen Unterthanen danken für die gute Gesinnung der Gutsherrschaft, und offerieren sich, daß jeder für sich und seine Angehörigen und sämt-liche Gutsnachfolger, sohin auf ewige Zeiten, jährlich neun Gulden bezahlen wollen […] Es soll für ewige Zeiten weder in der Willkühr der Gutsherrschaft, noch in der Willkühr der be-nannten Unterthanen liegen, eine Aenderung hierinne zu machen […]. Gegen diese jährliche Bezahlung soll die fraglichen Unterthanen we-der Krieg, Feuersbrunst, so andere Unglücks-fälle befreyen, sondern die Gutsherrschaft soll die rechtliche Fug und Macht haben, gegen den säumigen Zahler auf gesetzliche Weise ein-schreiten zu laßen […].“(Abb. 47)

Wo die neun „Häußler“, die vor über 180 Jahren gegenüber ihrem Schlossher-ren die „ewigen Zeiten“ beschworen, ihre Behausung hatten, können wir heute noch feststellen. In der Urkunde wird nach dem Namen jedes Untertanen auch sein Haus-name genannt – diesen hat im Jahre 1936 der Moosacher Chronist Wilhelm Steiner lokalisiert,319 was es uns heute möglich macht, diese Hausnamen in der Anmer-kung 319 aktuell zu identifizieren.320

es wohl nicht, die gesamte Adelsklasse gegen den König und sich aufzubringen. Aber dennoch setzte er Entwicklungen in Gang, die 1848 zur „Bauernbefreiung“ führten.

Scharwerksdienste: Ende der Willkür

Ein spürbarer Schritt zu diesem Ziel war die Bereinigung der Scharwerks-dienste, also von Arbeitsleistungen der Untertanen für den Grundherrn. Wenn diese Dienste „ungemessen“, also im Umfang nicht genau bezeichnet waren, dann hatten sie, wie es ein Lexikon aus dem Jahre 1793 beschreibt, „nach Will-kür der Frohnherrschaft“ zu erfolgen.316 Diese Willkür wurde nun eingegrenzt. Bezugnehmend auf die neue Verfassung von 1818 verfügte das Staatsministe-rium der Finanzen am 8. Februar 1825 „Die ungemessenen Frohn-(Scharwerks-)Dienste müssen auf ein bestimmtes Maß gesetzt werden.“317

Solche nicht bestimmten, willkürlich abrufbaren Arbeitsleistungen gab es auch in der Hofmark Falkenberg. Aber es dauerte noch über vier Jahre, ehe sich hier etwas tat. Neun „Häußler“ waren solche „Handscharwerker“ für den Fal-kenberger Herrn; sie wurden für den 29. Oktober 1829 vor den „Kgl. Bayerischen Rath“ und Gerichtsbeamten Joseph An-ton Ritter von Kern, „Adelich von Fuch-sisches Patrimonial Gericht Falkenberg“, geladen. Amtsschreiber Joseph Keller protokollierte die „anwesenden Theile“, nur sieben an der Zahl, denn zwei Häusler

Page 93: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

184 185

Wahrscheinlicher ist, er wollte uns im Falkenberger Schloss-Garten keine Ka-pelle zeigen, sondern eine Art Jagd- oder Kavaliershäuschen, das „eher der Lust als dem Gebet“ diente.333

Etwa 120 Jahre nach dem Bau der Kapelle schrieb Schlossherr Freiherr von Wämpel im Jahre 1707, die Kapelle liege „unter dem Schlossdach in der 3. Contignation [Stockwerk]“,334 also keine Rede von einem freistehenden Kapellen-bau. Wämpel sah die unterm „Dachjuch-he“ gelegene Kapelle in keinem guten Zustand und nicht gut ausgestattet. Das sollte jetzt anders werden: In einer Mess-stiftung setzte er unter anderem jährlich 3 Gulden für „Paramente und bedürftige Beleuchtung“ ein (Paramente: Messge-wänder, Altardecken u. ä.). „Jeder Inha-ber des Schlosses“, so diktierte Wämpel seinem Schreiber, werde es „von selbst für eine besondere Gnad und geistlichen Trost“ halten, dass er in einem Schloss „mit einer ordentlichen, consecrierten [geweihten] Kapellen“ wohne.335

Das klingt wie ein Appell an künftige Schlossherren, sich gut um die Kapelle zu kümmern – und wirkt wie eine dip-lomatisch verbrämte Kritik an den Vor-besitzern aus der Familie Schöttl, die vor Wämpel fast ein Jahrhundert lang Herren auf Falkenberg waren. Später heißt es in einer Beschreibung aus dem Jahre 1738, die Kapelle sei mit Para-menten versehen, es fehle ihr aber eine Sakristei.336 In der Kapelle soll danach ein nach 1750 gefertigter Rokoko-Altar gestanden haben.337

Blicken wir jetzt im 19. Jahrhundert auf die Schlosskapelle. Gemäß dem

In der Beschreibung des „Guets zu Valckenberg“329 von 1578 ist von einer Kapelle nichts zu lesen. Falkenbergs ers-ter Schlossherr Alexander Schöttl errich-tete bald nach dem Bau seines Schlosses eine Kapelle: Er hat 1583 „ein Capell […] setzen unnd weyhen lassen“, und zwar zu Ehren von Johannes dem Täufer, heißt es um 1700 in der Beschreibung zu Wenings Kupferstich des Schlosses Falkenberg.

„Setzen“: da könnte man auch an ein gesondertes, freistehendes Gebäude denken; allerdings sind die Herrschaften sicher lieber trockenen Fußes zur Messe gegangen. Grundner jedenfalls berich-tet in seinen historischen Notizen, die alte, 1508 geweihte Kapelle sei baufällig geworden und Schöttl habe im ersten Stock eines westlich gelegenen Turmes eine neue Kapelle eingerichtet, aus der alten Kapelle Altar und Altarstein hier-her „übergesiedelt“.330 (Eine Schloss-Kapelle in einem oberen Stockwerk war nichts Ungewöhnliches, wie Beispiele im Schloss Zinneberg und Reichersbeuern zeigen.)331 Grundner erwähnt auch, bei der Kapelle habe sich eine „Sepultur“, also Begräbnisstätte befunden.

Unterm Schlossdach

Um 1700 bildete der Kupferstecher Michael Wening Schloss Falkenberg ab. Manche332 wollen da in dem klei-nen Gebäude zur Linken, durch einen tiefen Graben vom Schloss abgesetzt, eine Kapelle erkennen. Dann aber wäre Wening hier (wie so oft!) mehr seiner Phantasie denn der Realität gefolgt.

Notizen“, dass laut einer in seiner Ka-pelle rechts neben dem Altar hängen-den Urkunde am 30. Juni 1508 vom „Bischofe Bartholomäus von Freising“ hier eine Kapelle geweiht worden sei.327 Hinter das Datum 1508 müssen wir aber ungeachtet der Grundner vorlie-genden Urkunde aus folgenden Grün-den ein dickes Fragezeichen setzen:

1. In den Listen der Freisinger Bischöfe und Weihbischöfe finden wir für das Jahr 1508 keinen Bartholomäus – wohl aber einen Weihbischof dieses Namens von 1581 bis 1629.328 Das legt nahe, dass nur das bei Wening genannte Einweihungsdatum 1583 richtig ist. Grundner hatte wohl mit dem Datum Probleme. In seinen handschriftlichen Notizen hat er eine ursprünglich notierte, nicht mehr leserliche Jahreszahl ausgestrichen und nachträglich durch 1508 ersetzt; mehrere Ausstreichungen und Kor-rekturen deuten hier auf eine gewisse Unsicherheit hin.

2. Im Jahre 1508 dürfte auf Falkenberg die Burg nicht mehr gestanden ha-ben, und das Schloss war noch nicht errichtet. Was sollte da eine bischöf-lich eingeweihte Kapelle ohne Bezug zu einem herrschaftlichen Bau, sozu-sagen „auf der grünen Wiese“?

3. 70 Jahre später, 1578, ist in der ersten Beschreibung des Falkenberger Be-sitztums von einer Kapelle nicht die Rede – fünf Jahre danach, 1583, wird eine neue errichtet.

ihre Rechtsgrundlage. Aber darüber wie auch über andere Falkenberger Vorgän-ge im Rahmen dieser Reform haben wir keine Informationen.

Man kann sich vorstellen, wie sich nach dieser Reform mancher „Herr von und zu …“ gefühlt haben mag, den man wohl noch höchst ehrerbietig ansprach, dem aber der Reformlandtag die wirt-schaftlichen und rechtlichen Grundla-gen entzogen hatte. Der damalige Herr auf Schloss Falkenberg freilich konnte diese Einbußen wohl mühelos tragen: Es war Bankier Simon von Eichthal; ihm gehörte auch Gut Ebersberg – und er war der erste Direktor der von ihm gegründeten Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank.326

Die Hofmark Falkenberg: ver-schwunden und vergessen – überdauert hat das Schloss.

IV. DIE SCHLOSSKAPELLE

Im Schloss Falkenberg gab es bis zum Jahre 1900 eine kleine Kapelle. Sie stellt uns vor einige Rätsel; in der Überlieferung gibt es Widersprüche und Unklarheiten. Im Jahre 1508 soll in Fal-kenberg eine Kapelle eingeweiht worden sein – doch der Freisinger Weihbischof, der die Kapelle geweiht haben soll, war erst Jahrzehnte später im Amt. Und war-um wird diese Kapelle 1578 in einer Be-schreibung Falkenbergs nicht erwähnt?

Der Weg durch die Überlieferung ist schwierig: Um 1860/70 schreibt der seinerzeitige Schlossherr Karl Ritter von Grundner in seinen „Historischen

Page 94: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

186 187

„Fundation [Stiftung] zur Lesung ein oder anderer heiligen Messe nicht vorhanden“.349 Wämpel legte unter anderem fest, dass bei einer Messe um Allerheiligen je sechs arme „Manns- und Weibspersonen […] Falkenberger Un-terthanen“ von der Hofmarksherrschaft zum Erscheinen veranlasst werden und für die Stifter „einen heiligen Rosen-kranz“ oder was sonst „ihre Andacht ermahnt bethen“ sollten. Und jeder von diesen Zwölf sollte aus dem Zins des Stiftungskapitals 15 Kreuzer erhalten.350

Eine dritte Stiftung Wämpels soll-te 1709 die „Haltung der Kinderlehre durch den Pfarrer von Moosach“351 för-dern. Der Falkenberger Schlossherr woll-te mit dieser Zuwendung erreichen, dass die Bauernkinder möglichst frühzeitig die katholische Lehre kennenlernten. Daher sollte der Moosacher Pfarrer zu-mindest alle 14 Tage die „Christenlehre“ abhalten.352

Diese Stiftung und jene aus 1710 beschäftigten im Jahre 1844 den könig-lichen Landrichter Bernhard Joseph Höß in Ebersberg: die Schuldurkunden waren verlustig! Aus den entsprechenden amt-lichen Verlautbarungen353 erfahren wir, dass Wämpel mit seinen Verfügungen Gelder aus sehr alten, noch von Herzog Wilhelm im Jahre 1594 beziehungsweise Kurfürst Maximilian im Jahre 1632354 angelegten Kapitalien eingesetzt hatte; diese waren über den Weg von Erb-schaften auf Wämpel gekommen.

Dass die aus Wämpels Stiftungen ver-bliebene Dotation im Jahre 1900 nach Al-tenburg ging, zeichnet einen bemerkens-werten Kreis von der rätselbehafteten,

Figurennische („an einem Seitenaltar anzubringen“).348

1900: Die Dotation geht nach Altenburg

Dass das noch verbliebene Kapital der von ihm dotierten Schlosskapelle jetzt der Wallfahrtskirche Altenburg zu Gute kam, entsprach grundsätzlich dem Willen des Stifters von Wämpel. Dieser machte sich 1710 Gedanken um den Bestand seiner Stiftung, falls Schloss Falkenberg „injuria temporum [durch die Unbill der Zeiten] zu Grunde gehen oder etwa abgebrannt werden möchte […] wozuvor Gott gnädiglichst seyn wolle“. In diesem Falle sollten die sieben Messen, die er jetzt stiftete zum Dank dafür, dass die „Hofmarch Falkenberg samt den dazugehörigen Unterthanen“ von den Kriegswirren verschont blieb, „vor dem wunderthätigen unserer lieben Frauen Bild zu Altenburg“ zelebriert werden.

Die Furcht des Freiherrn vor der „Unbill der Zeiten“ war verständlich. Hatte er doch im Spanischen Erbfolge-krieg und danach beim Bauernaufstand gegen die österreichischen Besatzer mit der „Sendlinger Mordweihnacht“ ein Unmaß an Gräueln, Gewalttaten, Plünderungen und Brandschatzungen erleben müssen. Wie oft mag er in der Schlosskapelle gebetet haben?

Schon im Jahre 1707 hatte Schloss-herr Wämpel sieben Messen für die Schlosskapelle gestiftet, da er festge-stellt hatte, dass für die Kapelle eine

Willen des Stifters Wämpel würden hier jährlich 14 Messen gelesen, notierte 1818 der Moosacher Benefiziat Korbinian Wäsler. (Später lesen wir in einer anderen Notiz, dass es 1844 neun Messen für Fal-kenberg in Moosachs Pfarrkirche gab.)338

Im Jahre 1812 fand die Kapelle einen neuen Standort; sie wurde „zu ebener Erde verleget resp. neugebaut“, da ihr vormaliger Standort, der Turm, „zu-sammengestürzt“ war, berichtet von Grundner.339

Der Pfarrer kritisiert den Schlossherrn

1873/74 beklagte der Moosacher Pfarrer: „Die Schloßkapelle in Falken-berg läßt wohl manches zu wünschen übrig, aber der Gutsherr als Protestant kümmert sich nicht um die Sakristei und deren Feuchtigkeit“.340 Diese kritische Feststellung dürfte entweder dem Pro-testanten Ritter von Grundner oder aber Graf Felix zu Pappenheim gegolten ha-ben, der das Schloss 1873 erwarb. Auch der fränkische Graf Felix war evangelisch, seine niederbayerische Frau aber katho-lisch; die zwei Söhne wurden evangelisch, die Tochter katholisch getauft.341

Zwei weitere Jahrzehnte gingen ins Land, da beabsichtigte Felix H. Henle, seit 1895 Besitzer des Schlosses, die Kapelle aus dem Schloss zu verlegen, was 1899 das Ordinariat des Erzbistums genehmigte. Aber es kam alles ganz an-ders. Schon im folgenden Jahr verkaufte Henle das Schloss an Dr. Rudolf Solt-mann. Der beabsichtigte zunächst, die

Schlosskapelle aufzulassen und „eine neue Kapelle an dem Fahrtwege in der Nähe des Fischweihers zu erbauen“, und zwar auf dem Platze, wo einst das nicht lange zuvor abgebrannte Säckler-Anwe-sen (heute Haus Opitz) stand.342 Die Ge-meinde Moosach war laut Protokoll vom 29. Juni 1900 einverstanden.343

Doch zu diesem Neubau kam es nicht.344 Zum Ausgleich wollte Dr. Solt-mann 5.000 Mark entrichten. Die Kir-chenverwaltung stimmte am 24. Juni zu, die Regierung von Oberbayern im Einver-nehmen mit dem Ordinariat am 13. Juli. Die 5.000 Mark sollten ins Vermögen der Kirchenstiftung Altenburg fließen, ebenso die etwas über 1.500 Mark, die als rentierliches Vermögen fürs Lesen von jährlich zehn Messen bestimmt waren, und auch das nichtrentierliche Vermögen im Wert von an die 1.000 Mark.345

Die 5.000 Mark stünden dann für die Renovierung der Kirche Altenburg zur Verfügung, teilte Moosachs Pfarrer Erhard Lex am 18. September 1901 der Königlichen Regierung von Oberbayern mit.346 Dieses Geld aus Falkenberg kam Pfarrer Lex gerade recht, denn die Moo-sacher Pfarrkirche hatte soeben einen neuen Hochaltar bekommen, und jetzt stand auch noch die Renovierung in Al-tenburg an …347

Im März 1903 schrieb die Regierung ans Landgericht Ebersberg, dass aus der aufgelösten Schlosskapelle einige Stücke wieder verwendet werden sollten: Zwei geschnitzte Rokokoleuchter, die zu ver-golden seien; vier Metall-Leuchter (Louis XIV.), die zu versilbern seien; eine Ampel mit Schnur; die 12 Apostelleuchter, die

Page 95: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

188 189

hinsichtlich Hazigas Abstammung anderer Ansicht ist, sieht auch er hinter dem Aufstieg ihres Mannes Otto „deutlich das Walten des Königs“.

16 Mayr (wie Anm. 1.), S. 121.17 Holzfurtner (wie Anm. 11), S. 16-17.18 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 200.19 Holzfurtner (wie Anm. 11), S. 17.20 Mayr (wie Anm. 1), S. 122, sieht Grafenerbe und ehe-

malige Reichslehen; Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 115 u. 120, allenfalls nur geringes Grafenerbe.

21 So Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 127.22 Dieser Absatz nach der Stammtafel von Trotter / Tyro-

ller (wie Anm. 13).23 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 313.24 Mayr (wie Anm. 1), S. 124, begründet das Jahr 1120;

Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 206 (Fn. 28) u. 313, setzt ausdrücklich dagegen die Zeit um das Jahr 1160.

25 Holzfurtner (wie Anm. 11), S. 20: „strategisch ge-schickt lokalisierte Ministerialenburgen“.

26 Mayr (wie Anm. 1), S. 124; Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 206, Fn. 28.

27 Grundner, Karl Ritter von: Historische und andere Notizen über Falkenberg und die benachbarten Orte, Handschrift von ca. 1860/70, zitiert nach maschinen-schriftlicher Abschrift, S. 4. Kopie und Abschrift der „Notizen“ im Dorfarchiv Moosach.

28 Ebenda: „in jüngster Zeit“.29 Zielinski, Illona: Kurzer Überblick über die Geschichte

des Schlosses Falkenberg, Notizen für ein Heimatkun-dereferat, Manuskript von 1966, S. 3.

30 Kastner, Heinrich: Moosach, in: Der Landkreis Ebers-berg in Geschichte und Gegenwart. Ein Heimatbuch, hg. v. Verlag Bayerische Heimatbücher, Ebersberg 1960, S.110-114, hier S. 113.

31 Later (wie Anm. 2), S. 30.32 Dannheimer, Hermann / Torbrügge, Walter: Vor- und

Frühgeschichte im Landkreis Ebersberg, Kallmünz in der Oberpfalz 1961, S. 117-118.

33 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 156 u. 200.34 Ebenda, S. 204 u. 211.35 Ebenda, S. 160; Mayr (wie Anm. 1), S.189 u. 204.36 Ebenda.37 Erdmann, Elisabeth: Die Kreuzzüge, in: Noormann,

Harry (Hg.): Arbeitsbuch Religion und Geschichte. Das Christentum im interkulturellen Gedächtnis, Bd. 1, Stuttgart 2009, S. 225-252, hier S. 237-238.

38 Ziegler, Wolfram: König Konrad III. (1138-1152). Hof, Urkunden und Politik, Wien 2008. Ottos Teil-nahme bezeugt u. a. in den Traditionen des Klosters Ebersberg, Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHS-tA), KL Ebersberg 2, fol. 31v. Gedruckt zu finden bei Hundt, Friedrich Hector Graf von (Hg.): Das Cartular des Klosters Ebersberg. Aus dem Fundationsbuche des Klosters unter Erörterung der Abtreihe, dann des Überganges der Schirmvogtei auf das Haus Scheyern-Wittelsbach, sowie des Vorkommens von Mitgliedern dieses Hauses, München 1879, S. 49, Nr. III/12.

39 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 175, 303, 187-188.40 Ebenda, S. 202.41 Holzfurtner (wie Anm. 11), S. 20.42 Ebenda, S. 21.43 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 200.44 Ebenda, S. 119.45 Holzfurtner (wie Anm. 11), S. 19. Hier wird die „aus-

Anmerkungen* Für wertvolle Hinweise und Hilfen dankt der Verfasser

insbesondere dem Dorfarchiv-Team Moosach: Renate Ries (Leitung), Hermine, Hubert und Martin Wolper-tinger, Ingeborg Schmid, Zenta Brunner, Mariele Pa-penfuß; dem Foto-Archiv Moosach (Traudl Raith); Dr. Gottfried Mayr; Prof. Manfred Treml; Bernhard Schä-fer M.A. / Historischer Verein für den Landkreis Ebers-berg; dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Markus Frauenreuther, Dr. Martina Haggenmüller, Alexandra Scharmüller und Lesesaal-Team); dem Staatsarchiv München (Dr. Monika Ofer); dem Archiv des Erzbis-tums München und Freising (Michael Volpert M.A.); Wolfgang Bethke, Siegertsbrunn; Helga Hasselt, Ebersberg; Hans Huber, Taglaching; Dr. Wolfgang Lehner, München; Dr. Christian Later / Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dr. Markus Nadler / Archiv des Bayerischen Landtags; Hans Navratil, Stadtarchivar Pappenheim; Helmut Soltmann, Mün-chen; Ulrike Steinmetz, Icking; Martin Ziller, Aßling.

1 Mayr, Gottfried: Ebersberg – Gericht Schwaben, (His-torischer Atlas von Bayern, Altbayern I/48), München 1989, S. 124.

2 Later vermutet „am ehesten“ das Ebersberger Grafen-geschlecht, weil es damals „wichtigster Machtfaktor in der Region“ war; siehe Later, Christian: Beile, Burgen, Schratzellöcher – Archäologische Fundstellen und Bo-dendenkmäler in der Gemeinde Moosach, in: Land um den Ebersberger Forst 16 (2013), S. 8-35, hier S. 23.

3 Puchner, Karl: Landkreis Ebersberg, (Historisches Ortsnamensbuch von Bayern, Oberbayern 1), Mün-chen 1951, S. 27.

4 Mayr (wie Anm. 1), S. 124.5 Ebenda, S. 123.6 Mayr, Gottfried: Die Geschichte des Klosters Ebers-

berg, in: Schäfer, Bernhard (Red.): Kloster Ebersberg. Prägekraft christlich-abendländischer Kultur im Her-zen Altbayerns, Haar bei München 2002, S. 13-50, hier S. 28.

7 Hubensteiner, Benno: Bayerische Geschichte, Sonder-ausgabe, München 1980, S. 85.

8 Weller, Tobias: Die Heiratspolitik des deutschen Hoch-adels im 12. Jahrhundert, Köln 2004, S. 753-754.

9 Flohrschütz, Günther: Der Adel des Ebersberger Rau-mes im Hochmittelalter, (Schriftenreihe zur Bayeri-schen Landesgeschichte 88), München 1989, S. 127 u. 121.

10 Mayr (wie Anm. 1), S. 120. In diese Richtung geht auch als derzeit aktuellste Arbeit Wolf, Elli: Neue Er-kenntnisse zur Herkunft der Wittelsbacher und der Linie der Ebersberger, in: Land um den Ebersberger Forst 12 (2009), S. 8-29.

11 Holzfurtner, Ludwig: Die Wittelsbacher. Staat und Dy-nastie in acht Jahrhunderten, Stuttgart 2005, S. 17.

12 Mayr (wie Anm. 1), S. 119.13 Genealogie nach Trotter, Kamillo / Tyroller, Franz:

Die Grafen von Scheyern-Wittelsbach-Dachau-Valley, in: Glaser, Hubert (Hg.): Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I. zu Ludwig dem Bayern, (Wittelsbach und Bayern I/1), München 1980, Anhang.

14 Mayr (wie Anm. 1), S. 122.15 Ebenda. Mayr führt diese auf Hazigas Abstammung

von einer Ebersberger Grafen-Schwester und insbe-sondere deren Mann Graf Werigand von Friaul zurück (S. 120). Obwohl Flohrschütz (wie Anm. 9), S.127,

verschwundenen Schlosskapelle zur bis heute lebendig gebliebenen Wallfahrt Altenburg.

V. SCHLUSSBETRACHTUNG

Verschont von Brand und Zerstö-rung ist Schloss Falkenberg durch die Jahrhunderte gekommen, hat auch – wie man heute gut sehen kann – den Kampf gegen den „Zahn der Zeit“ bestanden.

Welch lange Reihe der Besitzer von Schloss und Hofmark sehen wir hier, welch Fülle von Leben und Schicksal, Geburt und Tod, Hoffnung und Ver-zweiflung, Freude und Trauer. Für einige Familien öffneten Erwerb und Besitz von Falkenberg den Weg zu sozialem Auf-stieg. Das beginnt schon beim Erbauer des Schlosses; der Münchner Bürger Alexander Schöttl wurde auf Falkenberg ein „Edler“, Nachfahren galten als „pra-enobilis“. Das finden wir wieder beim jungen Apotheker Fuchs, der 1826 als Schlossherr von Ludwig I. geadelt wur-de. „Sozialen Gewinn“ sehen wir auch bei Seligmann, der als Schlossherr sei-nen jüdischen Namen ablegen und sich „Falkenberg“ nennen durfte.

Es gab Zeiten, da schrumpften Falkenbergs Ländereien durch Ver-kauf – und es gab Zeiten, da wuchsen sie wieder durch Zukauf. Es gab Herren, die suchten in Falkenberg nur eine ren-tierliche Rendite – andere aber die länd-liche Idylle, um sich hier wie der junge von Fuchs „dem Landleben vollendet zu widmen“. Es gab Herren, die lebten mit ihren Familien auf dem Schloss – und es

gab andere wie den Münchner Bankier von Eichthal, die nur selten da waren und das Schloss und seine Ökonomie verwalten ließen. Immer wieder ver-merkte der Moosacher Pfarrer, wenn er seine Seelen zählte, dass derzeit im Schloss niemand wohne (Jahre 1833, 1836, 1856, 1858, 1871, 1887).

Seit fast einem halben Jahrtausend steht Falkenbergs Schloss „in der Höhe“, wie es in der liebevollen Beschreibung bei Wening heißt – und nicht anders vordem die versunkene Burg. Wie viel Wasser ist seitdem in den „nechst bey-fliessenden Forellen-Bächlein“ Moosach und Waldbach von den „Püchlen“ (Hü-geln) geflossen. Und mit dem Wasser Stunde um Stunde, Tag um Tag, Jahr um Jahr. Nur Gast auf Zeit waren in Burg und Schloss selbst die hochfahrendsten, stolzesten und mächtigsten Herren und ihre Damen – nicht anders als ihre ärms-ten Knechte, Mägde und Diener – alle nur Gast auf Erden …

Page 96: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

190 191

115 Mayr (wie Anm. 1), S. 321.116 Wie Anm. 103.117 Augustin (wie Anm. 98), S. 174; Treml (wie Anm. 71),

S. 89.118 Probst, Christian: Lieber bayrisch sterben, München

1978, S. 232.119 Näheres im Abschnitt IV zur Schlosskapelle. Fun-

dationsbrief vom 22.04.1709, Kopie im Dorfarchiv Moosach; Allgemeiner Anzeiger für das Königreich Bayern, 1844, S. 194; Intelligenzblatt der Königli-chen Regierung von Oberbayern, 1844, S.355-356, http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10346956-5.

120 Gerhard, Dietrich (Hg.): Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jh., Göttingen 1969, S. 213.

121 Haffner, Hanneliese: Das Dominikanerinnenkloster S. Katharina in Augsburg im 18. Jh., University of Califor-nia 1938, S. 72.

122 Ludovici, Carl Günther: Großes vollständiges Univer-sal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste …, Leip-zig – Halle 1741, Sp. 1280, Google E-Book; genealogy index v. Rechberg 3 genealogy.euweb.cz/german/rechberg3.html. Am 30. Juni 2013 starb 93-jährig Dr. Albrecht Graf von Rechberg und Rothenlöwen, von 1980 bis 1988 Vizepräsident des Malteser Hilfsdiens-tes Deutschland.

123 StAM, Hohenaschauer Archiv A 2139.124 Wie Anm. 103.125 „Pusoto“ richtig Zielinski (wie Anm. 29), S. 4; dagegen

Grundner-Abschrift (wie Anm. 27) fälschlich „Pusch“.126 Wie Anm. 103; Hubensteiner (wie Anm. 7), S. 201;

Schroffs in der Bayerischen Staatsbibliothek ver-wahrter Nachlass wurde vom Verf. noch nicht einge-sehen (bsb-muenchen.de/Nachlaesse). – Todesjahr bei ancestry.de mit 1829 falsch angegeben, richtig 27.03.1760. (Information von Dr. Markus Nadler mit Verweis auf: Ranft, Michael: Neue genealogisch-histo-rische Nachrichten von den vornehmsten Begebenhei-ten, welche sich an den europäischen Höfen zutragen, 12. 1761/62, Leipzig 1762, S. 204. Hier auch die An-gabe, dass von Schroff „Fürstl. Freysingischer, Regen-spurgischer und Zweybrückischer“ Gesandter war.

127 Wie Anm. 126 u. 103.128 Zech, Johann Nepomuk Felix: Anzeige der in Kurfürs-

tenthume Baiern ... befindlichen Klöster, Grafen und Herrschaften, München 1772, scan 97, 1778, S. 106, 134, http://www.mdz-nbn- resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10335957-0; Mayr (wie Anm. 1), S. 322.

129 Hubensteiner (wie Anm. 7), S. 225-227.130 Bernd Schneidmüller in einem Referat im Bayerischen

Landtag am 22.03.2014 mit Verweis auf Ausstellungs-katalog „Die Wittelsbacher am Rhein“, 2013.

131 Grundner nennt als Verkaufsdatum den 20.08.1806, dagegen die für den König am 22.09.1820 erstellte Akte (s. Anm. 103) den 05.08.1805.

132 In der maschinenschriftlichen Abschrift von Grundners Notizen ist zu lesen „Freiherr Major von Schernegg“. Das hat dem Verf. zunächst einige Rätsel aufgegeben, weil alle Recherchen über diese Person ohne Ergebnis blieben. Auf die richtige Spur gesetzt wurde der Verf. schließlich von der Schlossbrauerei Scherneck: Auf de-ren Homepage findet sich die Information, das dortige Schloss sei von 1691 bis 1822 im Besitze einer Familie von Mayer gewesen. Der Schluss, die seit 1772 auf Fal-kenberg sitzende Freiherrliche Familie von Mayr habe

93 BayHStA, M Inn 29066, Bericht des Präs. der Regie-rung an den König v. 22.09.1820 (Kopie im Dorfar-chiv Moosach); Heller v. Hellersberg, Karl Sebastian: Beiträge zur neueren Geschichte der Patrimonial-Ge-richtsbarkeit in Baiern, München, 1802, S. 25.

94 Mayr (wie Anm. 1), S. 242, 321.95 Ebenda, S. 321.96 Ebenda.97 Beham, Hermann: Kirchen im Landkreis, Ebersberg

2003, S. 85-86.98 Augustin, Michael (Hg.): Anzing. Chronik einer

1200-jährigen Vergangenheit, Anzing 2012, S. 171.99 Wir orientieren unsere Darstellung maßgeblich an den

„Historischen Notizen“ Grundners, mit wesentlichen Ergänzungen aus Mayr (wie Anm. 1), S. 321-322, sowie insbesondere für das 19. Jh. aus weiteren vom Verf. herangezogenen Quellen. Unsere Angaben der Seitenzahlen beziehen sich auf die maschinenschrift-liche Abschrift von Grundners Notizen; diese ist sehr fehlerhaft, was schon Zielinski (wie Anm. 29), S. 1, feststellt. Die Lesefehler wurden vom Verf. bereinigt. Die Abschrift (und wohl auch die Fortsetzung nach Grundner) stammt offensichtlich von jemandem ohne tiefere historische bzw. Latein-Kenntnisse. – Da Oskar Mayer für seine verdienstvollen Arbeiten nur die feh-lerhafte Abschrift zur Hand war, erfolgen gegenüber seinem 1990 im Moosacher Heimatbuch erschiene-nen Aufsatz hier wesentliche Korrekturen und dank der erweiterten Recherchen umfassende Ergänzungen.

100 Zitiert nach Hubensteiner (wie Anm.7), S. 156; Zitat siehe auch Full text of „Die kunstbestrebungen am bayerischen hofe unter ...“ archive.org/stream/.../die-kunstbestrebu00stoc_djvu.txtſ.

101 Bei der mit vorangestellter Jahreszahl erfolgenden chronologischen Darstellung folgen wir der Systema-tik Grundners.

102 Siehe dazu Abschnitt III. – In diesem Dokument ist nicht von einem Schloss die Rede, sondern von einem gemauerten Haus. Siehe Mayr (wie Anm. 1), S. 321. Dagegen wird ein Jahr zuvor beim Kauf das Schloss genannt. Siehe Mayr (wie Anm. 87) mit Verweis auf BayHStA, Gerichtsurkunde Schwaben 205.

103 BayHStA, M Inn 29066, Bericht des Präs. der Regie-rung an den König vom 22.09.1820.

104 Treml (wie Anm. 71), S. 80-81.105 Bei Mayr (wie Anm.1), S. 321, ist Jakob „Hauptmann

zu Furth“, dagegen bei Wening „Statt-Hauptmann zu München“. So auch Grundner (wie Anm. 27), S. 6.

106 Wie Anm. 103.107 Trost, Michael: Regesten von Urkunden aus dem Ar-

chive der Stadt Pfaffenhofen, in: Oberbayerisches Ar-chiv 27 (1867), S. 329: Wir hören 1616 von Martin Schöttls Witwe Afra.

108 Kunstmann, Friedrich: Neue Beiträge zur Geschichte des Würmtales, München 1867, S. 39.

109 Zielinski (wie Anm. 29), S. 2. Kopie des Erlasses im Dorfarchiv Moosach.

110 Jahresbericht des Historischen Vereins von Oberbay-ern 9 (1846), S. 81. Hier lautet Schöttls zweiter Vorna-me Albrecht.

111 So richtig Zielinski (wie Anm. 29), S. 4, falsch Grund-ner-Abschrift (wie Anm. 27) „unverehelichte“.

112 Hubensteiner (wie Anm.7), S. 188.113 So referiert Hans Kratzer im Artikel „Sakradi“ in der SZ

vom 21. 01.2013 Lorenz von Westenrieder 1782.114 Wohl Tettenweis.

gedehnte Ansammlung von Hausgut“ im Einzelnen beschrieben.

46 Zitiert nach Weber, Andrea: Ein Kampf um Bayern, in: Süddeutsche Zeitung / Ebersberger Neueste Nachrich-ten vom 19.03.1983.

47 Mayr (wie Anm. 1), S. 121; Ders. (wie Anm. 6), S. 122.48 Mayr (wie Anm. 1), S. 122; Flohrschütz (wie Anm. 9),

S. 136.49 Bayerische-landesbibliothek-online, liber-censualium-

edition-marginalien, 08.02.2013/10.01.2014.50 Mayr (wie Anm. 1), S. 124.51 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 206, 313; Mayr (wie

Anm. 1), S. 124.52 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 313; Mayr (wie Anm. 1),

S. 125, 205-206, 227.53 Mayr (wie Anm. 1), S. 125, 180; Ders. (wie Anm. 6),

S. 123.54 Mayr (wie Anm. 6), S. 123.55 Telefonischer Hinweis von Dr. Gottfried Mayr, Willing,

am 26.01.2013.56 Mayr (wie Anm.1), S. 124.57 Ebenda, S. 123.58 Huber, Hans: 1200 Jahre Taglaching, Taglaching

1988, S. 43-44.59 Monumenta Scheftlariensia, in: Monumenta Boica,

ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 8, München 1767, S. 357-576, hier S. 438. Ulrichs Familie kam aus Wetting bei Forstern. Siehe Mayr (wie Anm.1), S. 124; Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 313.

60 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 202; Mayr (wie Anm. 1), S. 124.

61 Mayr (wie Anm. 6), S. 124; Hubensteiner (wie Anm. 7), S. 94.

62 Flohrschütz (wie Anm. 9), S. 206.63 Abt Konrad von Scheyern, zitiert nach Hubensteiner

(wie Anm. 7), S. 85.64 Mayr (wie Anm. 1), S. 125.65 Ebenda, S. 128, 344.66 Dickopf, Karl: Von der Monarchie zur Diktatur, in: Der

Landkreis Ebersberg. Raum und Geschichte, hg. v. d. Kreissparkasse Ebersberg, Stuttgart 1982, S. 136-229, hier S. 141.

67 Grundner (wie Anm. 27), S. 2; Mayr (wie Anm. 1), S. 125.

68 Grundner (wie Anm. 27), S. 4.69 Hubensteiner (wie Anm. 7) S. 354-355.70 Ebenda, S. 113-114; Volkert, Wilhelm: Geschichte

Bayerns, 4. Aufl., München 2010, S.38-39.71 Treml, Manfred: Der bayerischen Geschichte auf der

Spur, Regensburg 2011, S. 75.72 Puchner (wie Anm. 3), S. 27.73 Ebenda.74 So Mayr (wie Anm. 1), S. 345; vgl. auch Homepage

Markt Schwaben.75 BayHStA, GL Schwaben 21.76 Hdbg/gemeinden Markt Schwaben, 28.01.2013.77 Mayr in einem Schreiben an den Verf. vom 15.03.2013

(Kopie im Dorfarchiv Moosach).78 Da um 1930 Wilhelm Steiner über Moosachs Ge-

schichte geforscht und darüber in der „Grafinger Zeitung“ geschrieben hat und da er zudem in der Fal-kenberger Schlosswirtschaft wohnte und Zugang zur Familie des damaligen Schlossherrn hatte, ist er als Autor zu vermuten. Vom Schriftbild nicht auszuschlie-ßen wäre auch ein Mann namens Xylander (O.? Dr.?), der 1943 sieben maschinenschriftliche Seiten über die

Geschichte der Familie von Hofstetten verfasst hat und der aus Grundners Notizen zitiert.

79 Die damals 35-jährige Frau hat das Referat offen-sichtlich im Rahmen einer Tätigkeit im seinerzeit im Schloss angesiedelten „Missionsdienst für Christus“ erarbeitet. Sie lebte später in Weißenburg und ist im Januar 2006 in Gunzenhausen gestorben (Auskunft Einwohnermeldeamt Gunzenhausen 08.04. 2014).

80 Zielinski (wie Anm. 29), S. 1, zur Datierung: „Nach einem nicht mehr ganz entzifferbaren, stark durch-gestrichenen Vermerk auf dem Titelblatt scheinen die Angaben des Manuskriptes in den Jahren 1865-1878 zusammengetragen worden zu sein“. In einer im Dorfarchiv Moosach jetzt vorliegenden, erst kurz vor Abschluss dieses Aufsatzes aufgetauchten Kopie von Grundners Handschrift lässt sich diese Angabe nicht entziffern.

Die Kopie endet mit einem Eintrag zum Oktober 1874, während die Abschrift bis 1928 reicht. Auffällig ist, dass sich das Erscheinungsbild der Handschrift ab den Einträgen zu 1835 ändert; die (eher laienhaften) Schriftvergleiche durch den Verf. und insbesondere die Jahreszahlen deuten jedoch daraufhin, dass hier die gleiche Hand geschrieben hat.

Grundner war Schlossherr von 1860 bis 1873. Er nennt als Quellen neben Moosacher Pfarrbüchern und Wening u. a.: „Geschichte von Ebersberg und des-sen Umgegend“, Franz Xaver Paulhuber, Burghausen 1847; „Chronik des Marktes Grafing“, Handschrift des Marktschreibers Lorenz Wagner; Meichelbeck his-toria; Oefele; „Chronik der Hofmark Oelkofen und Ei-sendorf“, Handschrift Wilhelmseder (1776); „Kriegs-geschichte Bayerns“, Heilmann u. Würdinger.

81 Puchner (wie Anm. 3), S. 27; Mayr (wie Anm. 1), S. 321.82 BayHStA, GL Fasz. 3657/16 Nr. 1, Lesart unsicher.83 Ebenda. Diese Urkunde scheint bisher in heimatge-

schichtlichen Darstellungen nicht auf, auch Grundner scheint sie nicht gekannt zu haben. Wie viele andere verdankt der Verf. auch diesen Hinweis Mayr (wie Anm.1), S. 321, Fn. 3.

84 Mayr (wie Anm. 1), S. 242, 321. Siehe auch ausführ-lichen Brief von Mayr vom 11.02.2014 an den Verf. (Kopie im Dorfarchiv Moosach).

85 Grundner (wie Anm. 3), S. 4.86 Artikel von „SK“ über das Schloss in der „Ebersberger

Zeitung“ vom 29.11.1950.87 Brief Mayr (wie Anm. 84).88 Ebenda.89 Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch,

Neudruck d. 2. Aufl. v. 1872-1877, München1985, S. 885-886.: „köcken“ für „rülpsen“, hier wohl „gurgeln“; S. 206: „Püchlen“ = Hügel (Buckel!). Riepl, Reinhard: Wörterbuch zur Familien- und Heimatforschung, 2. Aufl., Waldkraiburg 2004, S. 251: „massen“ = indem, weil.

90 Mayr (wie Anm. 1), S. 242; Karaisl, Franz Freiherr von: Zur Geschichte des Münchener Patriziats, Mün-chen 1938, S. 16. Die Information über Vater Martin und Sitz Delling verdankt der Verf. einem freundlichen Hinweis von Georg Weilnböck, Grafing, gestützt auf Staatsarchiv München (StAM), Toerring-Seefeld Lit. DD Nr. 3 u. 4.

91 Mayr (wie Anm. 1), S. 321 u. Ders. (wie Anm. 84).92 Haus Nr. 13 Greppmair; Angaben in Vortrag Franz

Pfluger, Heimatkundekreis Zorneding, am 17.01.2013 in Pöring.

Page 97: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

192 193

190 Ebenda, S. 155.191 Ebenda, S. 164.192 Pfarrarchiv Moosach, 100.193 Zu Ludwig siehe zum Beispiel Bienvenue sur l’arbre de

Philippe COSTE; geneat.org, 08.04.2014.194 Josef Bartholomäus Mayr spricht in seinem 1862 er-

schienenen Aufsatz noch von Freiherrn von Eichthal auf Falkenberg. Siehe Mayr, Josef Barth.: Das Schloss Falkenberg, in: Verhandlungen des Historischen Ver-eins für Oberpfalz und Regensburg 13 (1862), S. 27-29, hier S. 27. Mayr verfügte bei der Erstellung seines Manuskripts wohl noch nicht über die aktuellsten In-formationen.

195 StAM, Kataster Nr. 4525, S. 259-260: Urkunden vom 30.09. u. 20.10.1857 sowie vom 05.06.1858.

197 In der fehlerhaften Abschrift von Grundners Notizen (s. Anm. 27) wurde „Karl v.“ als „Karola“ notiert.

199 Pfarrarchiv Moosach, 100.200 Nicht identisch mit heutigem Haus / Sägewerk Os-

wald in Moosach.201 Im Vorjahre 1881 unbewohnt laut „status animarum“,

Pfarrarchiv Moosach, 100.202 BayHStA, Adelsmatrikel Ri G 18. Den Titel „Edler“ hat

Grundner offensichtlich nicht benutzt.203 Ebenda.204 BayHStA, Abt. IV (Kriegsarchiv), Personalakt Grund-

ner, OP 21087, Bogen vom 19.03.1845.205 Ebenda, Gesuch vom 20.05.1844. 1846 Versetzung

zum Infanterieregiment Kronprinz.206 Im Personalakt (wie Anm. 204).207 So laut Personalakt (wie Anm. 204); in Adelsmatrikel

(wie Anm. 202) wird 1854 genannt.208 Vergleiche Wirthmann, Joachim / u. a.: Handbuch

über die Heiraths-Cautionen und Ehen der Militär-Personen im Königreiche Bayern ..., München 1859, S. 9-11; http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10380921-1.

209 Siehe Anm. 202 u. 204.210 Am 17.05.1861 beantragte er die Auszahlung seiner

Pension nach Schloss Falkenberg (s. Anm. 204). In Grundners Notizen (wie Anm. 27, S. 15) wird der 15.05.1860 als Kaufdatum angegeben, im Steuerka-taster der 14.05.1861 (StAM, Kataster Nr. 4526, S. 260).

211 Kopie im Dorfarchiv Moosach.212 Im Bittgesuch an den König vom 08.11.1888 (wie

Anm. 204).213 Ebenda.214 Laut Steuerkataster (s. Anm. 195) Verkauf am 24.02.1873.215 Laut Steuerkataster (s. Anm. 195) Kaufdatum 24.02.1873.216 Grundner (wie Anm. 27), S. 17.217 Zu den Lebensdaten siehe Pappenheim, Haupt Graf

zu: Geschichte des Gräflichen Hauses zu Pappenheim 1739-1939, masch. Manuskript, München 1940, S. 109-112.

218 Ebenda, S. 109.219 Nr. BS-PS III 169/64.220 Pappenheim (wie Anm. 217), S. 112.221 Ebenda.222 Für die hilfreiche Bereitstellung von Kopien dankt der

Verf. dem Stadtarchivar Pappenheims Hans Navratil.223 Pappenheim (wie Anm. 217), S. 112.224 In Moosachs Schule tätig von 1867 bis 1883.225 Pappenheim (wie Anm. 217), S. 122.226 Pfarrarchiv Moosach, 100.227 Pappenheim (wie Anm. 217), S. 112.

162 BayHStA, M Inn 29067, Schreiben vom 14.05.1824.163 Das Königreich war 1808 in 15 „Kreise“ genannte Ver-

waltungsbezirke eingeteilt worden. Stephan, Michael: Zur Geschichte der Regierung von Oberbayern seit 1808, in: Böhm, Hans-Werner (Hg.): Die Regierungs-präsidenten von Oberbayern im 19. und 20. Jahrhun-dert, München 2005, S. 31-50, hier S. 33.

164 BayHStA, M Inn 29067; Darstellung durch den Verf. unter Einbeziehung der Informationen aus der Stel-lungnahme der Regierung vom 16.10.1824.

165 Leeb (wie Anm. 138), S. 588.166 Ebenda, S. 589-590.167 Wenn für 1821 ein Friedrich von Hofstetter genannt

wird (Mayr, wie Anm. 1, S. 366), dürfte damit An-ton gemeint sein, dessen zweiter Vorname Friedrich lautete. – Antons Sohn Friedrich von Hofstetten (kgl. Kammerjunker u. Landgerichtsassessor) wird genannt in der Todesanzeige seines Großvaters von Schneid am 28.11.1836 (Allgemeine Zeitung, 2298). Er wurde erst 1804 geboren, brachte es zum Appellationsgerichts-rat, starb 1880 (Online-Biografie der Deutschen Na-tionalbibliothek). Mit seinen 17 Lebensjahren kann er 1821 wohl nicht Herr auf Falkenberg gewesen sein.

168 Bei Grundner (wie Anm. 27), S. 13, heißt es, Weindl habe (erst) 1829 oder später an Fuchs verkauft. Doch im Adelsbrief für Fuchs wird dieser 1826 als „Inha-ber der Hofmark Falkenberg“ verzeichnet. Georg von Fuchs unterschreibt am 08.04.1826 in Falkenberg sein Gesuch um Erhebung in den Adelsstand (BayHStA, Adelsmatrikel Adelige F 37).

169 BayHStA, Adelsmatrikel Adelige F 37, Schreiben Fuchs an Landgericht Ebersberg vom 26.05.1826.

170 Ebenda, Gesuch Fuchs vom 08.04.1826.171 V. Fuchs-Müller in Rundbrief Nr. 27 des Fördervereins

bairische Sprache und Dialekte e.V., 1998, S. 12.172 Mündliche Auskunft aus den Familiendokumenten

durch V. Fuchs-Müller am 29.10.2012: Ein Sohn wur-de 1823, eine Tochter 1825 in Mindelheim geboren.

173 Bestätigung von Pfarrer Schrecker vom 16.05.1826 (Kopie im Dorfarchiv Moosach).

174 Adelsmatrikel (wie Anm. 169); Jahreszahl nicht er-sichtlich.

175 Dass vom Wert des Gutes und nicht mehr der Hof-mark die Rede ist, deutet wohl auf die spätere Zeit des von Fuchs.

177 Kopie der Urkunde im Dorfarchiv Moosach; zu Kern s. Anm. 161.

178 Pfarrarchiv Moosach, 100, ausgewertet und mitgeteilt von Pfarrer Dr. Wolfgang Lehner.

179 So Grundner (wie Anm. 27), S. 15; auf S. 14 fälsch-lich: Die Hofmark sei 1835 an Eichthal gekommen.

180 Pfarrarchiv Moosach, 100.181 BayHStA, M Inn 29066, 29.05. u. 06.07.1837 sowie

BayHStA, MF 59647, 21.07.1837.182 Grundner (wie Anm. 27), S. 13, Fn. 1; als Verkaufsda-

tum nennt Grundner den 15.06.1837.183 Zur Person und Familie siehe Jungmann-Stadler, Fran-

ziska: Die Eichthals – Ebersberger Gutsbesitzer und Münchner Bankiers, in: Land um den Ebersberger Forst 14 (2011), S. 150-165.

184 Ebenda, S. 159, 160.185 Ebenda, S. 159, 164.186 Ebenda, S. 150, 156-158.187 Ebenda, S. 163.188 Ebenda.189 Ebenda, S. 165.

etwas mit dem „Major von Schernegg“ zu tun, wurde bestätigt in einem Pfarreienverzeichnis von 1804, in dem ein „B(aron) von Mayr von Scherneck“ erscheint (Kirmaier 1804, 90), ebenso in einem Verzeichnis der Haus- und Grundeigentümer Münchens von 1823: „Mark. Ant. Baron von Mayer von Scherneck“ (Müller 1823, 26). Als dem Verf. später eine Kopie von Grund-ners Handschrift vorlag, wurden alle Zweifel beseitigt.

133 In den Xylander (wie Anm. 135) vorliegenden Hofs-tettenschen Aufzeichnungen wird fälschlich als To-desdatum 17.04.1793 angegeben, was – wie Xylander erkennt – jedoch nicht zum Jahre des Erwerbs von Fal-kenberg 1806 passen würde. – Im „Kgl.-bayerischen Intelligenzblatt“ 1811 (erschienen am 12.04.), Sp. 244, wird im Nachruf der 02.01.1811 als Todestag ge-nannt. Dem steht entgegen Schreiben des Anton von Hofstetten an König vom 10.01.1811 mit Hinweis, seinem Vater blieben nur noch wenige Lebenstage (BayHStA, Adelsmatrikel Adelige H 87).

134 Treml (wie Anm. 71), S. 99-100.135 Xylander, O.(?) v.(?) : Angehörige der Familie von

Hofstetten, welche Besitzer des Schlosses Falkenberg waren, masch. Manuskript, München, Juli 1943, 7 S., Kopie im Dorfarchiv Moosach, S. 2.

136 BayHStA, Adelsmatrikel Adelige H 87/88.137 Ebenda. Schreiben 29.12. (?) 1810 an den König.138 In den Akten der Adelsmatrikel H 87/ 88 wie auch M

Inn 29066 u. 29067 findet sich kein Hinweis auf den Titel „Freiherr“. In der gemeinsamen Datenbank des Bayerischen Landtags und des Hauses der Bayerischen Geschichte trägt Anton von Hofstetten diesen Titel mit Verweis auf Leeb, Josef: Wahlrecht und Wahlen zur Zweiten Kammer der bayerischen Ständeversammlung im Vormärz (1818-1845), Bd. 2, Göttingen 1996, S. 179-180, 558-559, 719. In den Protokollen der Land-tagsverhandlungen erscheint von Hofstetten meist ohne diesen Titel, wird hier allerdings 1822 Freiherr genannt. Für den Verf. entscheidend ist, dass die in der Adelsmatrikel aufbewahrten gedruckten Trauer-anzeigen keinen Hinweis auf den Freiherrn-Titel geben und Anton von Hofstetten in seiner Darstellung der Familienverhältnisse 1841 (Schreiben vom 14.12. an den König, Adelsmatrikel) diesen Titel nicht erwähnt.

139 12.04.1811, Sp. 243-244, scan 126. http://www.mdz- nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn: de:bvb:12-bsb10347001-4.

140 Geiß, Ernest: Gesammelte Schriften, 15/1, München 1865, S. 11.

141 Hof- und Staatskalender 1799; dieser und die nach-folgend genannten Kalender sind über die Suchseite „Bavarica“ leicht zugänglich.

142 Schützenordnung 1796, http://www.mdz-nbn-re-solving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10378445-6.

143 Lipowsky, Felix Josef: Karl Theodor, Churfürst von Pfalz-Bayern. ... Leben und Thaten…, Sulzbach 1828; S. 123, Fn. 6; http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10376123-0.

144 Album Marianum 1792 u. 1795, über „Bavarica“ (s. Anm. 141).

145 Laut Adelsmatrikel (wie Anm. 136) hatte das Ehepaar fünf Kinder; Xylander nennt heute kaum glaubhafte 19. Möglicherweise werden nur die fünf (noch) leben-den Kinder genannt und die Frau hatte tatsächlich weitere zur Welt gebracht.

146 Grundner (wie Anm. 27), S. 13, 8.

147 BayHStA, M Inn 29066; Mayr (wie Anm. 1) erwähnt den Namen von Weindl nicht.

148 BayHStA, Adelsmatrikel F 37 Adelige, Beiakten.149 Bei Xylander (wie Anm. 135), S. 1, lauten weitere

Vornamen Johann Nepomuk Franz – ebenso Adels-matrikel (wie Anm. 136); dagegen Anton Friedrich bei Jaeck, Michael: Uebersicht der Justiz-Organisa-tionen und Dienst-Laufbahn der Justizstaatsdiener Bayerns während der Regierung des Königs Maxi-milian Joseph I. …, Bamberg 1826, S. 42 (scan 50); http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10374866-2. In einem in den Beiakten zur Adelsmatrikel enthaltenen Schrei-ben vom 22.12.1812 heißt es ebenfalls Anton Fried-rich; so unterzeichnet er auch seine Schreiben. In sei-nem letzten Schreiben an den König vom 14.12.1841 gibt er als seine Vornamen an: Anton Johann Nepo-muk Friedrich (Beiakten).

150 Jaeck (s. Anm. 149), S. 42 (scan 50).151 Bachmann, Christoph / Sepp, Florian: Justiz (19./20.

Jahrhundert), in: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/arti-kel_44719 (18.09.2012).

152 Adelsmatrikel (wie Anm. 136).153 Kammer der Abgeordneten (Bayern), Ständever-

sammlung 1819, Liste der Mitglieder des Landtags, Wikipedia 24.02.2014.

154 Spaun, Franz Anton von / Gönner, Nikolaus Thad-däus: Bemerkungen über die wichtigsten Versamm-lungen der bayrischen Ständeversammlung, 1, Köln 1819; S. 23; http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10378839-7.

155 Schriftliche Auskunft des Landtagsarchivs vom 29.10.2012.

156 Hubensteiner (wie Anm. 7), S. 243.157 Wochenblatt des landwirtschaftlichen Vereins in Bai-

ern, Jahrgang XIV, Nr. 19 vom 10.02.1824, S. 308.160 Siehe dazu Abschnitt III über die Hofmark.161 Da Benno von Hofstetten keinen eigenen Gerichtshal-

ter aufzustellen vermochte, wurde die Gerichtsbarkeit dem Fuggerschen Verwalter zu Zinneberg übertragen, ebenso später erneut unter von Fuchs 1829. Siehe Mayr (wie Anm. 1), S. 322. So lesen wir unter einem Dokument vom 28.10.1820 für das „Hofstettensche Patrimonialgericht Falkenberg“ die Unterschrift des „kgl. Rath- und interimistischen Gerichtsbeamten Jo-seph Anton Ritter von Kern“. Siehe StAM, Br.Pr.4121 (Kopie im Dorfarchiv Moosach). Seinen Amtssitz hatte er zu dieser Zeit in Höhenrain (Intelligenzblatt Isarkreis 1820, S. 241), wo er das Schloss besaß (BayHStA, Adelsmatrikel Ri K 3). Kern hatte übri-gens über seine Gerichtsakten hinaus durchaus noch andere Interessen: Auf dem Centrallandwirtschafts-fest (Oktoberfest) 1824 errang er einen kleinen Preis „für einen braunen Stier inländischer Gebirgsrasse“. Davon konnte ganz Bayern in den diversen „Intelli-genzblättern“ (z. B. Unterdonaukreis 1824, S. 472) und auch im Wochenblatt des Landwirtschaftlichen Vereins lesen (Bd. 15, 1824/25, S. 89). Im Jahre 1819 bewarb er sich als Archivar bei der Ständeversamm-lung (Bayer. Landtagszeitung, 19.02.1819, S. 1850). 1841 lebte er in Grafing, während seine Frau Anna auf Schloss Oberrain wohnte (Adelsmatrikel, s.o.). Am 01.06.1852 starb er 78-jährig (Münchner Tages-An-zeiger 1852, S. 641, www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10335446-7).

Page 98: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

194 195

320 In der Reihenfolge der urkundlichen Aufzählung: Jo-seph Sageder, Kramer: Der Hof stand auf dem jetzigen Parkplatz der Wirtschaft; 1840 wurde er dort abge-brochen und weiter bergan neu aufgebaut (heute: Hans Baumann). – Anton Ostermayr, Braun: heute Robert Simmer. – Johann Schweiger, Pauker: heute Wolfgang Bodmayr. – Josef Kögl, Neuhäusler: Das Haus wurde von Anna Fichtinger abgerissen, an etwas anderer Stelle Neubau, heute Monika Preis. – Baltha-sar Schaber, Weber: Früheres „Gruber-Anwesen“, wur-de in den 1980er Jahren abgerissen, Neubau, Doppel-haus heute Ingrid und Siegfried Lehnberg und Ursula Schwankhart. – Bartholomäus Fankhauser, Leimber-ger: heute Josef Beham. – Jakob Raufer, Kistler: heu-te Bettina Beham. – Ignatz Kleeberger, Pfeifer: heute Ingrid Scholze. – Johann Steingraber, Sattler: Anwesen unterhalb des Schlossweihers, brannte in den 1890er Jahren ab, wurde nicht mehr aufgebaut. Heute auf dem Grundstück Horst Opitz.

321 Intelligenzblatt 1835, S. 202. – In Korrespondenz / Schriftstücken ab der Zeit Anton von Hofstettens fällt auf, dass der Begriff Hofmark so gut wie nicht mehr erwähnt wird, statt dessen Patrimonialgericht oder Gut Falkenberg. Aber zum Beispiel Dokument vom 10.05.1833 beginnt mit den Worten „Ich Johann Ge-org von Fuchs, Herr der Hofmarch Falkenberg […]“ (s. Anm. 297).

322 BayHStA, M Inn 29066, 29.05. u. 06.07.1837.323 BayHStA, MF 59647, 21.07.1837.324 Dieser und der folgende Absatz nach Treml (wie Anm.

298), S. 69-73, 53-54.325 Ebenda, S. 72; siehe auch Volkert (wie Anm. 70 ), S.

67-68.326 Jungmann-Stadler (wie Anm. 183), S. 163, 165.327 Grundner (wie Anm. 27), S. 5, 8; in Abschrift fälsch-

lich „30. Juli“.328 Listen der Freisinger Bischöfe beziehungsweise Weih-

bischöfe in: Gatz, Erwin (Hg.): Die Bischöfe des Heili-gen Römischen Reiches, 1448 bis 1648, Berlin 1996, S.792-793, 650 (vita Bartholomäus).

329 BayHStA, GL Fasz. 3657/16 Nr. 1.330 Grundner (wie Anm. 27), S. 5; diese detaillierte Anga-

be spricht allerdings für eine schon vorher existierende Kapelle.

331 Hinweis von Hans Huber, Taglaching, E-Mail 11.03.2014.

332 So SK in der Ebersberger Zeitung vom 29.11.1950 „Das Schloss Falkenberg…“.

333 Huber (wie Anm. 331).334 Grundner (wie Anm. 27) zitiert S. 8-9 aus Stiftungs-

brief Wämpels vom 30.03.1707.335 Grundner (wie Anm. 27), S. 8-9; in der Abschrift feh-

lerhaft „conservierten“.336 Deutinger Martin von: Die älteren Matrikeln des Bist-

hums Freysing, Bd. 2, München 1849, S. 344.337 Kopie (im Dorfarchiv Moosach) aus einem nicht nä-

her identifizierbarem kunsthistorischen Kirchenfüh-rer, offensichtlich aus einem Geheft von Notizen des Ebersberger Kreisheimatpflegers Kastner. Der unbe-kannte Autor verweist auf Mayer-Westermayer III, 269 und urteilt „unbedeutend“.

338 Archiv des Erzbistums München und Freising, Pfarrbe-schreibung Moosach; Pfarrarchiv Moosach, unsigniert; beides mitgeteilt von Pfarrer Dr. Wolfgang Lehner.

339 Grundner (wie Anm. 27), S. 5; auf S. 8 schreibt er aber, der Turm sei „baufällig“ geworden. Grundner

resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10374820-9. 1821 ist Schlossherr von Hofstetten in seinem Patrimonialgericht Herr über 19 „Gerichts-holden“.

288 Mayr (wie Anm. 1), S. 320.289 Ebenda, S. 322.290 Intelligenzblatt Oberbayern 1817, S. 462-463.291 Niederlechner, Josef: Die Schmiede in Moosach, in:

1200 Jahre Moosach. Beiträge zur Geschichte der Ge-meinde, hg. v. d. Gemeinde Moosach, Moosach 1990, S. 203-204.

292 Begriffserklärungen nach Heydenreuter, Reinhard / u. a.: Vom Abbrändler zum Zentgraf. Wörterbuch zur Landesgeschichte, 3. Aufl., München 2010, s. v.

293 Briefprotokolle aus dem StAM, Br.Pr. 4122 u. 4121, ausgewertet und zur Verfügung gestellt von Wolfgang Bethke.

294 Geheft „Historische Werte II“, Stichwort „Immobili-en“, S. 3 (Fürstenfeldbruck 1814), Stichwort „Löhne“, S. 7 (Fürstenfeldbruck 1811), bei Hans Huber.

295 Klose, Dietrich O. A. / Jungmann-Stadler, Franziska: Löhne und Preise im Königreich Bayern, Ausstellungs-katalog, München 2006; zitiert nach Internet, Press-glas-Korrespondenz 2011/3.

296 Wolfesing, hg. v. Heimatkundekreis Zorneding e.V., Zorneding 2011, S. 34.

297 „gegeben zu München“, StAM, Br.Pr. 4121 (wie Anm. 293).

298 Treml, Manfred: Königreich Bayern (1806-1918), in: Ders. (Hg): Geschichte des modernen Bayern, 3. Aufl., München, 2006, S. 13-159, hier S. 37.

299 Ebenda, S. 30.300 Treml (wie Anm. 71), S. 100.301 Ebenda, S. 99.302 Hubensteiner (wie Anm. 7), S. 244.303 Treml (wie Anm. 298), S. 37.304 Hiereth (wie Anm. 273), S. 21-22, 25; Bachmann (wie

Anm. 151), S. 2; Heydenreuter (wie Anm. 292), S. 155, 159.

305 BayHStA, M Inn 29066.306 Ebenda.307 Ebenda; Genehmigung wird referiert im Schreiben des

Generalkommissariats des Isarkreises vom 20.12.1816.308 Ebenda. 309 Uraufnahme 1856, im Dorfarchiv Moosach.310 Hubensteiner (wie Anm. 7), S. 256.311 Dieses und die weiteren zitierten Schreiben siehe

BayHStA, M Inn 29066.312 Mayr (wie Anm. 1), S. 366; BayHStA, M Inn 29066.313 BayHStA, M Inn 29066, Kammer des Innern,

22.09.1820.314 Ebenda, Generalfiskalat, 15.06.1821.315 Georg von Fuchs unterschreibt am 08.04.1826 in Fal-

kenberg sein Gesuch um Erhebung in den Adelsstand, BayHStA, Adelsmatrikel Adelige F 37.

316 Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen ... Mundart, Leipzig 1793, Bd. 2, Sp. 317-319.

317 Döllinger, Georg Ferdinand: Sammlung der … Verord-nungen, Bd. 5, München 1839, S. 335.

318 Kopie einer beglaubigen Abschrift im Dorfarchiv Moosach.

319 Wilhelm Steiner in der 2. Folge seines Artikels „Aus Moosachs Geschichte“, Grafinger Zeitung vom 05.05.1936; aktuelle Angaben von Hermine und Hu-bert Wolpertinger.

228 Kaufdatum 05.04.1880, laut Steuerkataster (s. Anm. 195); Geburtsort und -datum siehe Korrespon-denz Bürgermeister vom 10.12.1938 (im Dorfarchiv Moosach).

229 Jungmann-Stadler (wie Anm. 183), S. 159.230 Schreiben Bürgermeister vom 10.12.1938 (im Dorfar-

chiv Moosach).231 Pfarrarchiv Moosach, 100.232 22.06.1895 laut Steuerkataster (s. Anm. 195).233 Kopien der einschlägigen Schriftstücke im Dorfarchiv

Moosach.234 Laut Mitteilung aus der Verwaltungsgemeinschaft

Glonn findet sich kein Eintrag über eine Trauung Henle / Fries. Dass eine Heirat Henle / Fries (geb. Kappel-Knight) stattgefunden hat, erwähnt Moosachs Bürgermeister in einem Schreiben ans Bezirksamt vom 10.12.1938 in der Namenssache „Seligmann / Falken-berg“; vergleiche Anm. 230

235 26.05.1900 (s. Anm. 195).236 Telefonische Informationen von Helmut Soltmann

(Sohn des Schlossbesitzers Albrecht Soltmann) am 30.10.2012 sowie E-Mail vom 03.05.2014.

237 Wolpertinger, Martin: Erinnerungen rund ums Schloss, Manuskript für Moosacher Heimatbuch 2015, S. 2.

238 Grundner (wie Anm. 27), S. 18 – natürlich nicht mehr von Grundner selbst, sondern von unbekannter Hand maschinenschriftlich festgehalten.

239 Ebenda.240 Siehe Mayer, Oskar: Das Schloss in Falkenberg, in:

1200 Jahre Moosach. Beiträge zur Geschichte der Ge-meinde, hg. v. d. Gemeinde Moosach, Moosach 1990, S. 55-58, hier S. 58.

241 Amtsblatt vom 29.12.1900, S. 206-207.242 Mayer (wie Anm. 240), S. 58.243 Protokoll der Beratung des Gemeindeausschusses

vom 15.06.1884, zitiert nach Abschrift A. Fuchs, S. 93-94 (im Dorfarchiv Moosach).

244 Mayer (wie Anm. 240), S. 58.245 Pfarrarchiv Moosach , 100. 246 Einträge von 1898 bis 1917; aus Familienbesitz zur

Verfügung gestellt von Ulrike Steinmetz, Enkelin von Mary, der Tochter / Stieftochter von Anna und Rudolf Soltmann.

247 Kopien der undatierten Annoncen aus 1903 und 1905 im Dorfarchiv Moosach.

248 Gebührenquittung der Kirchenverwaltung Moosach vom 30.12.1900 in Abschrift der Gutsverwaltung vom 23.01.1922 (Kopie im Dorfarchiv Moosach). Sprach-gebrauch überliefert von Enkel Helmut Soltmann, E-Mail vom 30.01.2013.

249 Helmut Soltmann E-Mail vom 30.01.2013.250 Kopien der Annoncen im Dorfarchiv Moosach. In der

Fortsetzung von Grundners Notizen (wie Anm. 27) wird der Vorfall nicht erwähnt.

251 Ries, Wolfgang: Die Gendarmerie-Station Moosach, in: 1200 Jahre Moosach. Beiträge zur Geschichte der Gemeinde, hg. v. d. Gemeinde Moosach, Moosach 1990, S.171-177, hier S. 171.

252 Maicher, Peter: Festtag auf Schloss Falkenberg, Ma-nuskript für Moosacher Heimatbuch 2015. Das Foto und ein Auszug aus Beers Erinnerungen (Manuskript) wurden aus Familienbesitz zur Verfügung gestellt von Ulrike Steinmetz, siehe Anm. 246.

253 Wie Anm. 246.254 Ebersberger Anzeiger vom 25.08.1914.

255 Wie Anm. 27, S. 18; zu Lebsche sen. vergleiche Ober-mair, Hans: Zum 75. Todestag von Sanitätsrat Max Lebsche, in: Glonner Blickpunkt, Manuskript 2015.

256 Angaben Wolpertinger (wie Anm. 237); zum Beispiel Anzenberger, Gillhuber, Murr, Obermayr und Wolper-tinger. Der Hof in Reit wird wieder selbständig, die Schlosswirtschaft geht mit kleiner Landwirtschaft an Hans Aschauer.

257 Gemeindeprotokoll vom 31. 10.1928.258 Gemeindeprotokoll vom 07.02.1929.259 Angaben Wolpertinger (wie Anm. 237).260 Kopie im Dorfarchiv Moosach.261 28.09.1942, Dorfarchiv Moosach.262 Vergleiche Beschluss des Ebersberger Landrats vom

17.09.1943, im Dorfarchiv Moosach.263 Telefonische Mitteilung von Helmut Soltmann vom

30.10.2012.264 Maicher, Peter: Moosach – neue Heimat für Vertriebe-

ne, in: 1200 Jahre Moosach. Beiträge zur Geschichte der Gemeinde, hg. v. d. Gemeinde Moosach, Moosach 1990, S. 78-83.

265 Laut Mitteilung von Helmut Soltmann in einer „Kies-grube auf der gegenüberliegenden Talseite“, E-Mail vom 16.11.2012.

266 Ebersberger Zeitung vom 29.11.1950.267 Mitteilung von Helmut Soltmann, E-Mail vom

16.11.2012.268 Telefonische Mitteilung von Helmut Soltmann vom

30.10.2012.269 Laut Steuerkataster erwirbt der Missionsdienst das

Schloss am 16. 09.1953 (s. Anm. 195).270 Kastner (wie Anm. 30), S. 113.271 Zielinski (wie Anm. 29), S. 5.272 Als die Schule Altenburg zu Beginn des 19. Jahrhun-

derts vom Schulinspektor visitiert und beurteilt wird, sind auch der Falkenberger Gutsherr und sein Patri-monialgericht vertreten; Abschrift ohne Datum im Dorfarchiv Moosach.

273 Hiereth, Sebastian: Die bayerische Gerichts- und Ver-waltungsorganisation vom 13. bis 19. Jahrhundert, (Historischer Atlas von Bayern, Altbayern I/0), Mün-chen 1950, S. 22.

274 Mayr (wie Anm. 1), S. 373, 379.275 Hiereth (wie Anm. 273), S. 22; Volkert (wie Anm.

70),S. 67-68.276 Zahl ergibt sich aus Mayr (wie Anm. 1), S. 301-303.277 Mayr (wie Anm. 6), S. 141.278 Das Folgende nach ebenda, S. 126.279 Sogenannte Ottonische Handfeste vom 05.06.1311.280 Wie Anm. 277.281 Heller (wie Anm. 93), S. 35.282 Kiening, Josef: Neuordnung der bayerischen Staats-

verwaltung 1816-1812, www.genealogie-kiening.de/verwaltu.htm, 27.10.2012, S. 2.

283 Ebenda, S. 3.284 BayHStA, M Inn 29066 (wie Anm. 93). Dieses Doku-

ment wie auch die weiteren aus diesem Akt zitierten befinden sich auch in Kopie im Dorfarchiv Moosach.

285 Ebenda.286 Ebenda.287 Der auf Schloss Elkofen 1845 gestorbene Staatsrat

Josef Ritter von Hazzi zählt in seinen 1803 erschiene-nen „Statistischen Aufschlüssen“, München, 3. Bd., 1, S. 451 16 Häuser. Im Jahre 1816 sind es ebenso viele (Jacobi, Johann G. F.: Neue … Erdbeschreibung, Bd. 2, München 1816, S. 54), http://www.mdz-nbn-

Page 99: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

196 197

lässt diese Baumaßnahme von einem Schlossherrn „v. Weindl“ durchführen; wie vom Verf. in Abschnitt II dargelegt, gibt es von diesem Weindl keinerlei „Le-benszeichen“, alle uns verfügbaren Daten sprechen gegen seine Existenz als Schlossherr.

340 Pfarrarchiv Moosach, 100, mitgeteilt von Pfarrer Dr. Wolfgang Lehner.

341 Schriftliche Mitteilung des Stadtarchivars von Pappen-heim Hans Navratil vom 13.05.2013 und Ahnentafel in Pappenheim (wie Anm. 217).

342 So Wilhelm Steiner in der 2. Folge seines Artikels „Aus Moosachs Geschichte“, Grafinger Zeitung vom 05.05.1936.

343 Von Mayer (wie Anm. 240), S. 58 zitiert, Dorfarchiv Moosach.

344 Steiner schreibt in der Grafinger Zeitung vom 05.05.1936, der Neubau sei „auf Wunsch der Kirchen-behörde“ unterblieben. Die Regierung von Oberbay-ern zitiert im Bescheid Nr. 29378 vom 13.07.1901 den „Beschluß der Kirchenverwaltung Falkenberg v. 24. Juni 1901 von Erbauung einer neuen Kapelle […] an Stelle der profanierten und entbehrlichen Schloss-kapelle […] abzusehen“. Vorsitzender der Kirchen-verwaltung Falkenberg war Pfarrer Erhard Lex, dem offensichtlich (aus welchen Gründen auch immer) zusätzliche Mittel für Altenburg wichtiger waren als eine neue Schlosskapelle Falkenberg, (vgl. Staatsarchiv München, LRA 75939).

345 Xylander (wie Anm. 135), S. 3, 4.346 Pfarrarchiv Moosach, 545, mitgeteilt von Pfarrer Dr.

Wolfgang Lehner.347 Lehner, Wolfgang / Hauser, Manfred: Maria Alten-

burg: Burg – Wallfahrt – Stille Einkehr, Raubling 2008, S. 44.

348 Pfarrarchiv Moosach, 100.349 Stiftungsbrief vom 30.03.1707, auszugsweise zitiert

bei Grundner (wie Anm, 27), S. 8-9.350 Dieser Stiftungsbrief wurde „in duplo ausgefertigt“

und vom Stifter wie vom Moosacher Pfarrer Johannes Hagn unterschrieben und gesiegelt. Das Exemplar des Schlossherrn war schon zu Lebzeiten Grundners ver-loren, das der Pfarrei lag damals noch im Pfarramt, ebenso wie der gleichfalls von Pfarrer Hagn mitunter-schriebene Stiftungsbrief von 1710. Grundner (wie Anm. 27), S. 10.

352 Fundationsbrief vom 22.04.1709, ausgestellt vom Freisinger Bischof Johann Franz (Kopie im Dorfarchiv Moosach); 200 Gulden Kapital, verhypothekisiert auf Wämpels Hofmarksgüter; aus den Zinsen sollen Pfarrer, Mesner, Kinder unterstützt werden (Urkunde schwer lesbar, inhaltliche Zusammenfassung durch Andreas Sauer, Historische Dienstleistungen, Mün-chen).

353 Intelligenzblatt der Regierung von Oberbayern 1844, S. 355-356; Allgemeiner Anzeiger für das Königreich Bayern 1844, S. 194 (s. Anm. 119).

354 Schuldbrief vom 18.02.1632 an Münchner Bürger Georg Schobinger, 700 Gulden (Kopie im Dorfarchiv Moosach, kaum lesbar, inhaltliche Zusammenfassung wie Anm. 351).

Abbildungsnachweis• Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München: Abb. 4, 12,

14-19, 22-29, 46.• Bayerische Staatsbibliothek / Bayerische Landesbib-

liothek Online, München: Abb. 2.• Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München:

Abb. 1.• Dorfarchiv Moosach: Abb. 6, 13, 20, 21, 32, 35, 41-45,

47.• KHM-Museumsverband Wien: Abb. 7.• Marianische Männerkongregation Mariae Verkündi-

gung zu München (Franz Holzapfel): Abb. 9.• Privat: Abb. 3 (Huber, Taglaching), Abb. 5 (Seibert,

Moosach), Abb. 30, 31, 33, 34, 36-40 (Steinmetz, Icking).

• J. Siebmacher’s Großes Wappenbuch, Bd. 22: Abb. 8.• Wikipedia, s. v. „Morawitzky“: Abb. 10, 11.

Page 100: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

198 199

Swaben“ eine erkleckliche Summe. Die Burg blieb also unversehrt. Doch das eigentliche Kriegsziel, die Schwächung der feindlichen Herzogsmacht, konnte man, oft genug geübt, auch anders er-reichen.

Der Markt wurde verwüstet

Niemand hinderte die wegen ihres Misserfolgs erzürnten Kriegsknechte, plündernd in die Häuser zu stürzen. Es kann nicht viel Wertvolles gewesen sein, was sie zur Aufbesserung ihres Solds davonschleppten. Es mögen sich in jener Zeit ein paar Dutzend hölzerne Handwerkerhäusln um den Marktplatz geschart haben. Die engen Ställe bar-gen Kuh und Geiß. Vorne am Platz der Märkte und Schrannen hatten sich die gewichtigeren Anwesen der Wirte und Bäcker ausgebreitet. Als nichts mehr zu holen war, schleuderten die Plünderer Brandfackeln in die Stroh- und Schin-deldächer. In wenigen Stunden muss der Feuersturm den ganzen Markt verwüstet haben. Der Bürgermeister fand keine Zeit mehr, Papiere des Magistrats zu bergen. Alle Urkunden gingen verloren.

Statt tatkräftiger Hilfen nur Verpfändung

Die letzten Tage des Jahres 1394 hatten für die Entwicklung des Mark-tes einen katastrophalen Rückschlag gebracht. Niemand half. Die Herzöge Stephan und Ludwig von Ingolstadt

eingeschworenen Burghütern des Mark-tes, die mit ihren Knechten und Ehal-ten eingesetzt waren, hatte der Pfleger bei ansteigender Kriegsgefahr offenbar mehrere Söldner und Reisige angewor-ben. Das alt gewohnte Zeremoniell des Festungskriegs lief ab. Der Stadtpfeifer ließ vor der aufgezogenen Graben-brücke schrille Fanfarentöne hören. Der junge Herzog forderte zur Übergabe auf. Bedingungen wurden formuliert. Meist war von freiem und ehrenhaften Abzug der Burgbesatzung die Rede. Als Antwort schwirrten den Angreifern frisch geschiftete Pfeile entgegen. Spott-verse, Schimpfwörter wechselten nun hinüber und herüber. Die Zimmerleute errichteten am höchsten Platz süd-lich der Burg feste Rampen. Hölzerne Wurf- und Schleudermaschinen, die Antwerke, sollten mit schweren Stein-kugeln Breschen schlagen. Während die Armbrustschützen die Mauerkrone mit einem Pfeilhagel überschütteten, trieb der Herzog seine Reisigen durch den tie-fen Burggraben vor die Mauern und auf die Leitern. Doch die Verteidiger wichen nicht, die Befestigungen hielten stand.

Als ihr Handstreich vereitelt war, hielten sich die Angreifer nicht mehr lange vor den Gräben auf. Die Haupt-leute drängten zum Abzug. Zu tief musste man in den Stadtsäckel greifen. Ein halbes Pfund und 20 Pfennige Wo-chensold waren allein dem einfachen Schützen zu reichen. Den Zimmerleuten waren 25 Pfund Pfennige an Weingeld und Lohn zugesagt. Die Hauptleute sel-ber beanspruchten für „Fuhr, Wein und Brot, Botenlohn und Kundschaft gen

Eine unglückselige Landesteilung

Am 19. November 1392 hatten die herzoglichen Brüder Stephan, Friedrich und Johann nach endlosem Familienstreit dem Rat von 24 adeligen Herrn und 16 namhaften Stadt-bürgern zugestimmt und neue Grenzen gezogen. Oberbayern wurde zweigeteilt mit den Residenzstädten München und Ingolstadt. Burg, Markt und Pflegamt Schwaben wurden dem neuen Herzog-tum Bayern-Ingolstadt zugeschlagen. Im Würfelspiel wurde Herzog Stephan III., allgemein wegen seiner Prachtliebe der Kneißl genannt, der älteste der Brüder, zum Herrn in Ingolstadt bestimmt.

Aber der Vertrag tat nicht gut. In In-golstadt fühlte man sich benachteiligt, und besonders der Herzogsohn Ludwig der Bärtige rebellierte immer heftiger gegen „die von München“. Dort hatte

sich der „alt Herzog Hans“ zusammen mit Sohn Ernst

mit den Münchner Bürgern verbündet. Am Stefanitag des

Jahres 1394 begann der Krieg.

Die Burg „ward nit gewunnen“

Die Münchner Kammerrechnun-gen beweisen, dass unmittelbar nach Weihnachten 1394 „ein Feld“ gegen die Ingolstädter Burg Schwaben unternom-men wurde. Der Münchner Herzogsohn Ernst, eben 21 Jahre alt geworden, leitete das Unternehmen. Ein „starker Haufen“ Münchner Knechte war zu seinen Leuten gesellt, verstärkt durch Armbrustschüt-zen und Zimmerleute.

Eglolf von Pichler befehligte die ver-teidigende Burgbesatzung. Er war sei-nem Herrn treu ergeben. Zu den acht

Der weiße Falke, ein Wappen als Trostpflaster dem 1394 schwer getroffenen Markt Schwaben aufgelegt

Willi Kneißl

Das 1409 verliehene Wappen des Marktes Schwaben.

Page 101: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

200 201

dem Weißen Sonntag 1409 ein fürstli-ches Wappen verliehen würde, hatten sie wohl kaum erwartet. Es war vom damals 72-jährigen Fürsten, vier Jahre vor seinem Tod, wohl als späte Genugtuung für die armen Leute von Schwaben wegen un-verschuldet erlittenen Unheils gedacht. Freilich wusste man sich in Schwaben in der Schuld für so hochherzige herzogli-che Gnade und reichte gerne die vorge-schriebenen Taxen und Unkosten zum fürstlichen Kastenamt. Gewiss konnte man den Preis nur mit Mühe aufbringen.

Das Bayerische Hauptstaatsarchiv stellte 1953 fest: „Das Wappenprivileg für den Markt Schwaben ist das älteste bis-her bekannte Privileg, das ein bay. Herzog für einen Ort ausgestellt hat […].“

Die Nachricht Arnpecks

„Dux Ernestus et Monacenses obseder-unt castrum Swaben, sed non ceperunt, licet forum combusserint“. Herzog Ernst und die Münchner belagerten die Feste Schwaben; aber sie eroberten sie nicht; obgleich sie den Marktflecken in Schutt und Asche legten. So schreibt der altbairi-sche Historiker Veit Arnpeck (1438-1495) auf der Seite 405 in „Sämtliche Chroni-ken“ über die schwersten Schicksalsjahre in der Geschichte des Marktes Schwaben kurz und bündig und bestätigt die vielen Quellen und indirekten Hinweise in den „Regesta Rerum Boicarum“ und in den Kammerrechnungen der Stadt München.

Abbildungsnachweis• Markt Markt Schwaben.

Herzog Ludwig der Bärtige im Geldsegen

Am Samstag nach dem Fest des hei-ligen Nikolaus (8. Dezember) des Jahres 1403 war Herzog Ludwig plötzlich in der Lage, Burg und Markt Schwaben „um eine soliche summe“ einzulösen. Der junge Fürst hatte durch seine Hoch-zeit mit der Französin Anna von Bour-bon 120.000 Franken als Mitgift gewin-nen können. So ausgestattet, dazu mit großzügigen Zuwendungen von seiner Schwester Elisabeth, der Königin von Frankreich, versehen, konnte Ludwig nach und nach die Verpfändungen sei-nes Vaters rückgängig machen. Das Amt des Pflegers von Schwaben besetzte er nunmehr mit einem Mann seines beson-deren Vertrauens. Seine Wahl fiel auf Friedl von Reichertsheim. Dieser förder-te den Wiederaufbau tatkräftig weiter.

Das Ortswappen, eine späte Genugtuung

Der alte Herzog Stephan hielt sich in seinen späten Jahren mit der jungen, eben 31-jährigen Gemahlin Elisabeth von Cleve gerne an seinem Gerichtssitz Was-serburg auf. Dorthin pilgerte im Früh-jahr 1409 eine Abordnung Schwabener Bürger, wohl auf Anregung Reicherts-heimers. Man bat untertänigst um die Erneuerung der Rechte und Freiheiten des Marktes, wo doch die ursprüngli-chen Pergamente dem Feuer zum Op-fer gefallen waren. Dass dem Märktlein Schwaben schon voraus am Freitag vor

und Entschädigung nach Wiederein-lösung der Verpfändung: „Herzog Ste-phan ersucht Wilhelm von Eberstein die Äcker und Päw (Gebäude) zu Schwaben welche wie er von seinem Sohne Herzog Ludwig vernommen habe öd liegen zu bauen mit dem Versprechen der Feste Schwaben alle Kosten zu bezahlen.“ Der Pfleger Wilhelm von Eberstein konnte nichts ausrichten. Auch er wurde abge-setzt. Wochen später zahlte die Obrig-keit die Pfandsumme für Feste, Kasten, Gericht und Vogtei zurück.

Echte Hilfe und Wieder-aufbau durch Konrad von Preysing ab 1397

Am 23. November 1397 verpfändete Herzog Stephan die Burg Schwaben an die Familie von Preysing. Konrad hielt sämtliche Einkünfte in Händen: Burg, Markt, Zölle, Gericht, Leute und Güter des Herzogs, die Vogtei (Steuern) zu Ebersberg. Sogar die höhere Gerichts-barkeit, das Recht Todesstrafen zu ver-hängen, war ihm übertragen. Der Prey-singer hatte sich dieses Projekt 5.000 Gulden kosten lassen. Der finanzkräfti-ge Adelige brachte endlich eine spürbare Besserung zu Stande. Die Marktrechte wurden reaktiviert, die alten Jahrmärk-te organisiert, ein Marktmagistrat aus aufbauwilligen Bürgern eingerichtet. Der Pfleger konnte nach friedlosen Zei-ten wieder das Bannrecht des Marktes durchsetzen. Im Januar 1398 wird wie-der von einem Markt in Schwaben be-richtet.

waren damit beschäftigt, ihren zahlrei-chen Gläubigern zu entgehen, ihre ho-hen Kriegsschulden durch immer neue Verpfändungen zu begleichen. Diese Geldnot trieb den Herzog Stephan schließlich im Juli zu einer schändlichen Tat. Er verpfändete die Feste Schwaben, den Kasten, das Gericht und die Vog-tei um 3.700 Gulden an den Adeligen Wilhelm von Eberstein und ernannte ihn zum neuen Pfleger. Der treue Eglolf von Pichler, erfolgreicher Verteidiger der Burg, wurde angewiesen, „die Feste zu Schwaben mit all ihrer Zugehörung Wil-halmen von Ebersteinen unverzügenlich einzuantworten“. Eglolf musste seinen Posten abgeben, obwohl er selber noch einen Pfandbrief auf die Pflege Schwa-ben über 2.000 Gulden vorlegen konnte. Er wurde zum Ausgleich als Burghüter auf die wittelsbachische Burg Elkofen abgeschoben. Es fällt auf, dass in den Briefen jener Jahre von keinem Markt zu Schwaben mehr die Rede ist. In der Tat fanden keine Märkte mehr statt. Schwa-ben lag öde da.

Ein nutzloses Unterfangen 1397

Endlich im Herbst des Jahres 1397 erinnerte man sich in Ingolstadt des Elends in Schwaben. Der junge Herzog Ludwig hatte auf einem Umritt durch das Herzogtum die trostlose, öde Brand-stätte gesehen und dem Vater berichtet. Dieser bürdete die Last des Wiederauf-baus seinem Beamten in Schwaben auf und versprach unverbindlichen Dank

Page 102: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

202 203

dungen der Höhenkircher, die bis 1565 auf Tegernau und Eichbichl saßen, nach Wasserburg erhalten nunmehr eine kon-krete Verortung. Gleichzeitig erfährt die Besitzergeschichte des Hauses eine Fortsetzung in frühere Jahrhunderte. Da es sich bei den beiden Rauten um das sogenannte Stamm- und nicht um das „vermehrte“ Wappen von 1556 han-delt,2 reicht der Besitz des Wasserburger Anwesens wohl weit ins 15. Jahrhundert zurück, auch wenn sich im Hausinneren bislang keine Hinweise auf die Höhen-kirchen finden lassen. Diese Familie tritt immer wieder in Urkunden des Klosters Rott3 auf und auch zur Tätigkeit in Was-serburg gibt es im Stadtarchiv Belege: Ein Rueland Höhenkircher war 1492 einer der Vormünder von Wolfgang und Agathe Spilberger in Wasserburg4 und ein Asem / Asam Höhenchircher siegel-te hier 1436 einen Gerichtsspruch.5 Die Tochter Barbara des Hans Höhenkir-cher des Älteren war um 1500 mit einem Augustin Zeller, Bürger von Wasserburg, verheiratet6 und wenn man noch weiter zurückgehen will, stößt man sogar auf Zacharias den Höhenkircher, der ver-mutlich mit einer Tochter des Zacharias von Höhenrain, Pfleger in Wasserburg und 1341 Stifter des Heilig-Geist-Spi-tals, verheiratet war.7

Den oberen Marienplatz dominie-ren zwei mächtige Gebäudekomplexe: Nach Süden schließt ihn das (ähnlich dem Rathaus) doppelgieblige ehema-lige Mauthaus (später Bräu im Winkel genannt) ab, gegen Westen begrenzt ihn der kubische Bau des Lebzelter-Hauses. Leider gibt es keine baugeschichtlichen

im weißen (= heraldisch silbernen) Feld Aufschluss über die Geschichte des Hauses, die weiter zurückreicht, als die bisherigen Spuren belegen. (Abb. 1)

Die Wasserburger verbinden das „Lebzelter-Haus“ – lässt man die Be-sitzerfolge im 20. Jahrhundert außer Acht – vornehmlich mit den Wachszie-hern und Lebzeltern Surauer, die das Anwesen seit 1641 besaßen. In diesem Jahr hatte Rupert / Ruprecht Surauer II. († 1658) durch die Heirat mit Regina Thalhamer († 1675) das Haus erwor-ben – der Grabstein der Familie befin-det sich an der Nordwand der Sankt Jakobskirche. An die Thalhamer erinnert im Untergeschoss des Gewandhauses noch das rotmarmorne Brunnenbecken von 1630 mit dem Allianzwappen des Hans Thalhamer und der Juliane Dellin-ger, aus deren Ehe die erwähnte Regina Thalhamer hervorging. Auf deren Vor-besitzer wiederum im 16. Jahrhundert verweist die Ausmalung des Erkers im 1. Stock des schmalen Gebäudeteils, wo in einem Wappen Leonhart Lunghamer mit seinen beiden Gattinnen verewigt ist.1 Das Epitaph des Leonhart Lungha-mer in der Krieger-Gedächtnis-Kapelle von Sankt Jakob zeigt sein Wappen – ei-nen aufsteigenden Steinbock in schräg geteiltem Feld – und die Hausmarke sei-ner zweiten Gattin Katharina. Er starb 1564, sie 1586, wobei ihr Mädchenna-me unbekannt bleibt.

Jetzt lässt sich mit dem Rautenwap-pen am Giebel der Hausgeschichte noch ein weiteres Kapitel hinzufügen. Die bis-lang nur archivalisch belegbaren Verbin-

Längst haben sich die Wasserburger in den 25 Jahren, seit die „grell bunte“ Fassade des Gewandhauses Gruber den oberen Marienplatz dominiert, an das perspektivische Wabenmuster ge-wöhnt. Nur die Touristen fragen meist noch nach dem Alter und Sinn dieser Dekoration, die mit den diagonal ge-stellten Quadraten in Rot, Gelbocker und Schwarz eine sogenannte Geister-

falle darstellt und ins ausgehende 15. Jahrhundert zurückreicht. Ein kleines Detail in der Giebelzone des zwischen dem Bräu im Winkel (Marienplatz 25) und den Arkaden des Lebzelter- / Surau-er-Hauses (Schmidzeile 3 – heute Ge-wandhaus Gruber) zurückspringenden, schmalen Gebäudeteiles wird aber in der Regel übersehen. Dabei gibt dieses Wappen mit den beiden roten Rauten

Ein Besitz der Höhenkircher von Tegernau und Eichbichl in Wasserburg

Ferdinand Steffan

Abb. 1: Wappen der Höhenkircher am zurückgesetzten Gebäudeteil des Hauses Schmidzeile 3.

Page 103: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

204 205

Abb. 4: Grundriss der beiden Häuser nach dem Stadtplan von 1813.

Abb. 5: Grundriss der beiden Häuser nach dem Stadtplan von 1854.

„Bräu im Winkel“ ist jedenfalls 1615 schon kartographisch vermerkt. Als man vielleicht im 16. Jahrhundert eine Erwei-terung zum Marienplatz hin (einschließ-lich des Arkadenganges plante), konnte man die Zufahrt zum Mauthaus / Bräu im Winkel nicht einfach verbauen, sodass an dieser Stelle die alte Hausfront beste-hen bleiben musste.9

Während die Giebelsituation des schmalen Gebäudeteiles heute dem „Haupthaus“ Surauer / Gruber ange-passt ist,10 zeigt die Umzeichnung eines Gemäldes aus der Zeit vor 1840 ein nach Süden geneigtes Pultdach.11 (Abb.

6) Aufschluss über die ursprüngliche Anbringung des Familienwappens der Höhenkircher könnte eine Maßnahmen-beschreibung der Renovierungsarbeiten von 1978/79 geben, die uns aber nicht vorliegt. So bleibt nur die Feststellung, dass das Wappen der Höhenkircher sei-nerzeit an der Fassade oder im Inneren des Hauses entdeckt und in eine vor-handene Zinnennische übertragen wur-de. (Abb. 7) Vielleicht ist es tatsächlich der Rest einer „Ahnenreihe“ am Giebel gewesen, wie sie in unmittelbarer Nach-barschaft am Haus Marienplatz 13 noch erhalten ist.

Untersuchungen zum Höhenkircher-/ Thalhamer- / Surauer- / Lebzelter Stau-tner- / Gruberhaus. (Abb. 2) Ein Blick auf die alten Katasterpläne zeigt eine ungewöhnliche Situation. 1813 und 1854 hat der Grundriss einen schmalen „Schlauch“ zwischen Schmidzeile und In-nufer, während auf dem ältesten Plan der Stadt Wasserburg von 16158 ein recht-winkliger Block eingezeichnet ist. (Abb. 3-5) Möglicherweise bildete der heute zurückgesetzte Gebäudeteil die ursprüng-liche Baulinie. Der Arkadengang auf der Nord- und Ostseite des Hauses mit dem steilen Treppenabgang nach Süden zum

Abb. 2: Planzeichnung des „Höhenkircher-Hauses“ einer Umbaumaßnahme von 1987/1988.

Abb. 3: Grundriss der Häuser Bräu im Winkel (Marienplatz 25) und Lebzelter Surauer (Schmidzeile 3) nach dem Plan von Tobias Volckhmer von 1615.

Page 104: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

206 207

Abb. 7 (Bild links): Ansicht des schmalen Gebäude teiles, das das Wappen der Höhenkircher trägt, eingeklemmt zwischen dem Anwesen „Bräu im Winkel“ links und dem Lebzelter-Haus rechts.

Abb. 6: Umzeichnung eines Gemäldes, das die Dachsituation von Haus Schmidzeile 3 wiedergibt.

Page 105: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

208 209

Anmerkungen1 Eine kunstgeschichtliche Würdigung dieser Wandmale-

reien steht noch immer aus, obwohl sie seit langem be-kannt sind. Die angebliche Datierung auf das Jahr 1550 ist heute ebenso verschwunden wie eine Inschrift mit Fragmenten von Namen. Das rechteckige Bild zeigt das Wappen der Lunghamer (aufsteigender Steinbock in sil-bernem beziehungsweise weißem und rot schräg links geteiltem Feld) und darunter zwei Hausmarken, wobei die (vom Betrachter aus) rechte am Grabstein des Leon-hart Lunghamer in dessen Allianzwappen wiederkehrt. Demnach kann es sich bei den zwei Hausmarken nicht um die Eltern seiner 2. Gattin handeln, sondern um die 1. und 2. Gattin. Zur 1. Gattin fehlen jegliche Daten.

2 Mayr, Gottfried: Die Höhenkircher. Bemerkungen zu ihrer gesellschaftlichen Entwicklung, in: Land um den Ebersberger Forst 15 (2013), S. 62-81, hier S. 73.

3 Ebenda, S. 67 u. 71.4 Stadtarchiv Wasserburg (StadtA Wbg.), I2a148 Ur-

kunde vom 18.06.1492: Verkauf eines Gartens; StadtA Wbg., I2a276 Urkunde vom 18.06.1492: Verkauf von drei Schiffsmühlen.

5 StadtA Wbg., I1a112 Urkunde vom 26.04.1436.6 Mayr (wie Anm. 2), S. 77.7 Ebenda, S. 69.8 Tobias Volckmer, Gründt Rüß der Statt Wasserbürg,

1615 – Kopie im Städtischen Museum Wasserburg.9 Die Arkaden zum Marienplatz hin wurden erst 1934

geöffnet und somit der Gang geradlinig geführt. Der ursprüngliche Treppenabgang wurde stillgelegt. Seit der Eröffnung des Gewandhauses Grubers dient er als Ram-pe für Rollstuhlfahrer. Für die Annahme, dass der Kern des Hauses nach Osten erweitert wurde, spricht auch die Größe und Lage des Flacherkers: Für den schmalen Fassadenteil ist er eigentlich zu groß und sitzt asymme-trisch im Eck. Desgleichen sind die Zinnen – sofern sie nicht erst in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gehören – willkürlich abgeschnitten.

Auffallend ist ferner, dass die „Nord-Süd-Arkade“ fast die doppelte Breite (ca. 4,30 m) besitzt wie die „West-Ost-Arkade“(ca. 2,43 m) – damit entspräche sie durch-aus einer Raumtiefe und würde die Annahme eines jüngeren Vorbaus stützen. Leider gibt es weder bauhis-torische Untersuchungen noch ein verformungsgerech-tes Aufmaß.

Als man die Fassade des „Haupthauses“ mit der „Geis-terfalle“ bemalte, bezog man auch den zurückgesetz-ten Hausteil ein. Reste davon befinden sich unter dem Rundbogen.

Eine Untersuchung der topographischen Situation am Auslauf des Burgberges ist ein seit langer Zeit bestehen-der Wunsch.

10 Die bauliche Veränderung mag in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgt sein. Der gerade Dachabschluss / Vorschussmauer mit seinen angedeuteten Zinnen ent-spräche dann dem Haus in der Hofstatt 3.

11 Zeichnung nach einem Ölbild im Surauer-Haus, das den Zustand vor 1840 wiedergibt, in:

Heimat am Inn (alte Reihe) 8. Jg., H. 9, 1934, S. 2. Der Verbleib des Originals ist unbekannt.

Auch ein Stahlstich des Marienplatzes von Johann Ga-briel Friedrich Poppel von 1840, der auf eine Zeichnung von Michael Neher wohl aus dem Jahre 1838 zurück-geht, gibt die ursprüngliche Dachform wieder, ebenso ein motivgleiches Ölgemälde des Marienplatzes aus dem Jahre 1846 von einem Monogrammisten ISt (Jakob Strixner oder Johann Streng).

Abbildungsnachweis• Ferdinand Steffan, Thalham: Abb. 1-7.

Page 106: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

210 211

Kirche, die sich auf vier mit Köpfen figurierten Kragsteinen des Netzrip-pengewölbes in Erinnerung gebracht haben und sechs weiteren – von ur-sprünglich zwölf – Wappenkragsteinen der Geschlechter Sempt-Scheyern und Pfalzbayern, des Bischofs von Freising, des Klosters Ebersberg und dessen Abt Sebastian Häfele. Der Werkmeister Ulrich Randeck, Sohn des Erbauers der spätgotischen Ebersberger Klosterkir-che Erhart Randeck († 1487)2 stellte sich selbstbewusst zwiefach mit sei-nem Steinmetzzeichen auf einem Krag-stein und einer Rundscheibe von 0, 33

Metern Durchmesser dar. Auch Hans Winhart wies sich auf einem gleich-großen Glastondo als Glasmaler aus, der nicht nur in Hohenlinden, sondern auch in Haselbach und sehr wahr-scheinlich auch in Traxl die Kirchen mit seinen leuchtendfarbigen Glasgemäl-den3 ausstattete.

Die Reliefplatten

Den Steinmetzarbeiten und Glas-malereien stehen zwei Bildwerke ge-genüber, deren künstlerische Herkunft

Abb. 2: Hohenlinden, Kirche Mariae Heimsuchung. Der Bethlehemitische Kindermord, Sandsteinrelief, um 1500.

Unter den zahlreichen Ebersberger Landkreis-Kirchen noch erkennbar mit-telalterlichen Ursprungs stellt die kleine, 1489 geweihte1 Mariae-Heimsuchung-Kirche in Hohenlinden an der alten Pil-gerstraße von München nach Altötting, der heute vielbefahrenen Bundesstraße

Anonyme Kunstwerke in der Kirche Mariae Heimsuchung in Hohenlinden

Brigitte Schliewen

Abb. 1: Hohenlinden, Kirche Mariae Heimsuchung. Heimsuchung, Sandsteinrelief, um 1500.

12, ein stilles, dennoch sprechendes Kleinod dar. Still im Sinne von beschei-den, denn ihre Schätze erschließt sie nicht einem schnellen, oberflächlichen Blick. Sprechend, weil sie viel zu erzäh-len hat: Von den Vorfahren, Stiftern, Erbauern und Kunsthandwerkern der

Page 107: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

212 213

geschaffen wurde oder aus anderem Be-sitz dorthin gelangte. Leider wird es we-der im Inventar der Bayerischen Kunst-denkmäler12 noch im Dehio von 196413 aufgeführt, erst Florian Trenner erwähnt 2006 „einen Kruzifixus des 15. Jahrhun-derts“.14 Aus dem Bericht einer 1964 er-folgten Kirchenrenovierung15 geht hervor, dass zuvor ein Kreuz auf einem „aus ver-schiedenen Teilen“ zusammengefügten Hochaltar stand. Nach Auskunft der Mesnerin16 hatte der Kruzifixus 1989 mit einer „Stabat mater“, deren Marien- und Johannesfiguren sich nun in der benach-barten Kirche Sankt Joseph befinden, seinen Platz an der Wand. Bis heute17 unterblieb eine wissenschaftliche Unter-suchung des Corpus, die Aufklärung über die Beschaffenheit des hölzernen Bildwer-kes und über mögliche frühe Fassungen18 geben und, im günstigen Falle wie bei der Restaurierung des Landshuter Kreuzes von Michel Erhart,19 sogar Hinweise auf eine Datierung liefern könnte. So muss sich eine kunsthistorische Bestimmung vorläufig auf die Ikonographie und Stil-merkmale des Kruzifixes beschränken, soweit sie nach dem gegenwärtigen Zu-stand ein Urteil erlauben.

Die Größe des Corpus20 scheint ei-ner von Anfang an geplanten Aufstel-lung in einem Altar zu widersprechen, zumal die Schmidtische Matrikel keinen Kreuzaltar, sondern nur Kreuzpartikel im Marienaltar benennt. Die gegenwär-tige Aufhängung des Kreuzes unmittel-bar vor dem kaum eingezogenen Chor lehnt sich an die frühen Triumphkreuze zwischen Langhaus und Chor an. Ab-gesehen von barocken Ergänzungen wie

dem Strahlenkranz und dem von Kor-deln gehaltenen Lendentuch oder Peri-zoma21 ist für den spätgotischen Kruzifi-xus ein genaues Studium der Anatomie des Corpus kennzeichnend. Der Gottes-sohn hängt mit gestreckten Armen am Querbalken des Kreuzes, über dem ein-gezogenen Leib wölben sich die Rippen des Brustkorbes unter der Spannung der Arme, seine Hände krümmen sich um die eingeschlagenen Nägel, die Beine mit den überdehnten Wadenmuskeln sind fest an den Kreuzstamm gepresst und die übereinandergenagelten Füße unter der Folter bis in die Zehenspitzen heruntergebogen. Das schmale, von kinnlangen, homogen gelockten Haar-strähnen umrahmte bärtige Haupt mit den tiefliegenden, unter schweren Li-dern gebrochenen Augen, den eingefal-lenen Wangen und dem offenstehenden Mund ist im Todeskampf nach vorn zur rechten Schulter geneigt. (Abb. 3 u. 4)

Zur Typik mittelalterlicher Kruzifixe

Die aufrechte Ausrichtung des Kör-pers vor dem Kreuzstamm bei fast waa-gerecht gedehnten Armen unterscheidet den Hohenlindener Kruzifixus von der traditionellen gotischen Darstellungs-form der Kreuzigung, die sich mit einer manchmal extremen Verschwenkung des entstellten Körpers bis zu einer exzessiv durchhängenden Y-Form der Arme und den unter dem Körpergewicht eingeknick-ten Knien darstellt. Eine Entwicklung, die in der frühgotischen Buchmalerei wie in

größeren – Sandsteintafeln heraus. Für eine ursprüngliche Funktion der

Reliefs als Teilstücke eines Steinretabels könnte ein Eintrag in der Schmidtischen Matrikel aus den Jahren 1738 bis 1740 sprechen: „Ecclesia filialis Beatissimae Virginis in Hohenlinden [...] adsunt tria altaria: Altare maius, dedicatum in ho-norem Beatissimae Virginis, ubi etiam colitur particula de S. Cruce, Altare S. Annae et altare SS. Innocentium marty-rum“.9 Nach dieser Beschreibung kann es sich nur um die liturgische Ausstat-tung der Kirche vor ihrer Barockisierung im Jahr 1760 handeln. Unter den drei Altären sind ein Maria geweihter und ein zweiter der Unschuldigen Kinder genannt, zu denen die beiden Reliefs motivisch passen würden.10 Doch weder das Alter der oben beschriebenen Altä-re noch deren Ausführung und Material sind bekannt, aus denen sie gebildet wa-ren.11 Ohne weiter aufklärende Schrift-zeugnisse bleibt zwar die Vorstellung, dass in der Hohenlindener Kirche im Spätmittelalter ein figürlich gestalteter, mittelalterlicher Steinaltar stand, verlo-ckend – aber hypothetisch.

Zum Corpus des Hohen-lindener Kruzifixes

Das heute über dem Hauptaltar hängende Kreuz evoziert die Frage nach seiner ursprünglichen Aufstellung im Kir-chenraum, seiner liturgischen Funktion und seiner künstlerischen Bedeutung, wobei auch hier offen bleibt, ob es ur-sprünglich für die Hohenlindener Kirche

und liturgische Funktion bisher kaum hinterfragt wurden. In die Freiflächen zwischen die rautenförmig gebroche-nen Rippen4 des Netzgewölbes sind zwei rechteckige Sandsteinreliefs5 eingelas-sen. Dargestellt ist in den von beschnit-tenem spätgotischem Astwerk um-rahmten Steinreliefs die „Heimsuchung Mariae“, nach der die Kirche ihren Namen hat, und der „Kindermord von Bethlehem“.6 (Abb. 1 u. 2) Zu fragen ist, ob die Platten in Zusammenhang mit der 17607 erfolgten Barockisierung der Kirche und einer damit verbundenen innerkirchlichen Umorganisation als überflüssig erachtet, aber aus Ehrfurcht vor dem überlieferten Erbe nicht besei-tigt, sondern im Gewölbe angebracht wurden. Auch bleibt unklar, ob die Reliefs zur ursprünglichen liturgischen Ausstattung der Hohenlindener Kirche gehörten. Die Ikonographie der beiden Bildwerke spricht dafür, dass sie mögli-cherweise Teil eines steinernen Marien-leben-Retabels8 waren. In diesem Falle wären im Vergleich mit gemalten, zeit-genössischen Altaraufsätzen zumindest eine „Verkündigung“ und die „Geburt Christi“ als Ergänzung vorstellbar, viel-leicht noch die „Anbetung der Könige“ und die „Flucht nach Ägypten“. In der Landshuter Martinskirche hat sich auf dem Hochaltar ein in Teilen spätgoti-sches Steinretabel aus dem Jahr 1424 erhalten, das allerdings durch Zufü-gungen des 19. Jahrhunderts verunklärt wurde. Auch Veit Stoß meißelte 1499 die Passionsreliefs der Volkamer’schen Gedächtnisstiftung in der Nürnberger Sankt Sebaldkirche aus drei – allerdings

Page 108: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

214 215

Abb. 5: Veit Stoß, Kruzifixus in der Sankt Lorenzkirche in Nürnberg, um 1510/15.

den ausgezehrten und geschundenen Skulpturen der Gabelkreuze des frühen 14. Jahrhunderts einsetzt, sich in weni-ger krasser Form in der Malerei des Ro-gier van der Weyden (1397/1400-1464), Michael Wolgemuths (1433/34 - 1519) und des Müncheners Jan Polack (um 1435 - 1519) wie in den Skulpturen Mi-chel Erharts (tätig in Ulm 1469 - 1522) fortsetzt und sogar noch in der geschmei-digen Beugung des aus Porzellan gestal-teten Christuskörpers (1756) von Ignaz Günther (1735 - 1775) nachklingt.

Im Gegensatz dazu steht die Hohen-lindener Darstellung, deren Bildschnitzer die Passion Christi in einer introvertier-ten Form darstellte, ohne das Ebenmaß des Körpers durch Überzeichnung zu zerstören. Er folgte damit einem Leit-bild, mit dem der aus den Niederlanden stammende Straßburger Bildhauer Niko-laus Gerhaert von Leyden († 1473) der spätgotischen Kunst einen neuen, euro-paweiten Impuls gab. Dessen steinerner Kruzifixus (1467), der ehemals auf dem Alten Friedhof in Baden-Baden (heu-te in der Stiftskirche) stand, weist die gleichen Merkmale auf, die ein halbes Jahrhundert später auch den Kreuzty-pus in Hohenlinden prägen: Den ge-rade am Kreuz hängenden, schmalen Körper mit waagerecht am Querbalken überstreckten Armen, eine anatomisch präzise Gestaltung des Brustkorbes, im Schmerz durchgedrückte und an den Kreuzstamm gepresste Beine, eine veristisch unter dem eingeschlagenen Nagel geschoppte Haut der Fersen an

Abb. 4: Hohenlinden, Kirche Mariae Heimsuchung. Kruzifixus, Detail, um 1500.

Abb. 3: Hohenlinden, Kirche Mariae Heimsuchung. Kruzifixus, um 1500.

Page 109: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

216 217

Abb. 7: Meister von Rabenden und Werkstatt, Kreuzigung in der Sankt Kolomanskirche in Haslach, um 1500.

den verkrampften Füßen. In scheinba-rem Widerspruch zum Martyrium des Gekreuzigten erscheint der Körper des Gottessohnes bis auf die Seiten- und Nägelwunden jedoch unversehrt, ja vollkommen. Veit Stoß (1438 o.1447-1533), der Nürnberger Bildschnitzer, sublimiert diese Darstellung im Kruzifix der Kirche von Sankt Lorenz in Nürn-berg (um 1510-15) zu einer überläng-ten, bis in die geschnitzte Fersenhaut äußerst feingliedrigen Figur – nur die tief eingegrabenen Gesichtszüge zeigen die Spuren der Folter. (Abb. 5) Rainer Kahsnitz leitet diese Diskrepanz im Aus-druck zwischen Schönheit und Todes-kampf aus den Psalmen des Alten Testa-mentes her und beschreibt das Bild des dort prophezeiten Erlösers22, angelehnt an den visionären Bibeltext, als „Mann der Schmerzen und der Schönste aller Menschenkinder“.23

Der bezwingende Eindruck des in Schönheit geadelten Körpers wurde von Veit Stoß durch ein virtuos geschnitztes, in einen Faltenstrudel ausschwingendes Lendentuch (Abb. 6) noch gesteigert. Die eigentliche Bedeutung, die hinter diesem außergewöhnlichen Bildeinfall steht, kann nur erahnt werden. In jedem Fall fand das zu einem wirbelnden Or-nament herausgearbeitete Lendentuch ein weites stilistisches Echo, das den Weg selbst zu den muskulösen Chris-tuskörpern Hans Leinbergers (tätig zwi-schen 1510 und 1530) in Moosburg und Erding fand. Wie es ursprünglich in Hohenlinden aussah, wissen wir nicht, vermutlich ging es um 1760 bei der Barockisierung der Kirche verloren

und wurde durch ein an einer doppel-ten Kordel hängendes Tuch ersetzt, das den rechten Oberschenkel des Gekreu-zigten freilässt. Möglicherweise war es dem Lendentuch des Kreuzes in der Haslacher Sankt Kolomanskirche (um 1520, Abb. 7) ähnlich, das mit gutem Grund dem Meister des Hochaltares von Rabenden24 zugeschrieben wird. Die eher geerdeten, ausdrucksstarken Holzbildwerke des unbekannten bay-erischen Schnitzers, dessen Werkstatt-sitz noch immer umstritten ist, können trotz ihrer individuellen Gestaltung eine Kenntnis der Arbeiten von Veit Stoß nicht leugnen. In Haslach hängt der aus Lindenholz geschnitzte, gedrungenere Körper mit dem ausgezehrten, leider überarbeiteten Antlitz Christi aufrecht wie in Stoß’ens Hochaltar in der Sankt Lorenzkirche am Kreuz, die Arme und Beine sind gestreckt, die Knie durchge-drückt, die Füße gespreizt. Als beson-ders augenfälliges Merkmal für einen künstlerischen Einfluss des Nürnber-gers spricht der über der rechten Hüf-te voluminös gebundene Knoten des Lendentuches, dessen gedrehte Stoff-bahn sich in einem Wirbel über dem rechten Oberschenkel auflöst. (Abb. 8) Ebenso verweist der Mantel des unter dem Kreuz stehenden Johannes mit der nach oben geschlagenen Ohrmuschel-falte (Abb. 9) am Saum auf eine für Veit Stoß charakteristische Gestaltungsart, wie sie beispielhaft an den holzsichti-gen Figuren des heiligen Andreas und des Tobias mit dem Engel Raphael zu erkennen ist (beide in Nürnberg, Ger-manisches Nationalmuseum).

Page 110: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

218 219

Abb. 8: Meister von Rabenden und Werkstatt, Kruzifixus in der Sankt Kolomanskirche in Haslach, Lendentuch Christi, um 1500.

Abb. 9: Meister von Rabenden und Werkstatt, Kreuzigung in der Sankt Kolomanskirche in Haslach, Ohrmuschelfalte am Mantelsaum des Johannes, um 1500.

Abb. 6: Veit Stoß, Kruzifixus in der Sankt Lorenzkirche in Nürnberg, Lendentuch Christi, um 1510/15.

Page 111: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

220 221

Anmerkungen1 In der spätgotischen Ebersberger Klosterchronik wird

unter den von Abt Sebastian Häfele initiierten Bauten die Kirche in Hohenlinden mit den Worten „von grun-nd auf erpawtt“ ohne Datum genannt. Siehe Stadtar-chiv München, Zimelie 123, fol. 74v. Mayer, Anton / Westermayer, Georg: Statistische Beschreibung des Erzbisthums München-Freising, Bd. III, Regensburg 1884, S.108-109, vermuten „wahrscheinlich 1489“ den Bau einer „Capelle“ in Hohenlinden. Trenner, Florian: Hohenlinden, Kath. Filialkirche Mariä Heim-suchung, in: Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bayern IV: München und Oberbay-ern, München – Berlin 2006, S. 486, benennt vorsichti-ger das Jahr 1489 als Weihedatum.

2 Schliewen, Brigitte: St. Anna in Traxl – Eine spätgoti-sche Landkirche als bürgerliche Grablege, in: Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege 44 (1990), S. 34-59, hier S. 54, Anm. 80.

3 Ebenda, S. 42-45; Dies.: Die figurierten spätgoti-schen Glasmalereien in den Kirchen des Landkreises Ebersberg, in: Kloster Ebersberg. Prägekraft christlich-abendländischer Kultur im Herzen Altbayerns, hg. v. Landkreis u. Kreissparkasse Ebersberg, Haar bei Mün-chen 2002, S. 93-104, hier S. 93-95.

4 Diese Gewölbeform wiederholt sich in der Kolomans-kirche in Haslach.

5 Die Maße der Reliefs sind in den Schriftzeugnissen nicht angegeben.

6 Stilistisch zeigen sie zeittypische Merkmale, wobei aber ein Einfluss Erasmus Grassers, insbesondere bei der Bewegung und Tanzschrittstellung der Schergenfigur im „Kindermord“, die der einzelner Moriskentänzer äh-nelt, nicht zu übersehen ist.

7 Nach der Schrift und Hohenlindener Festrede des Erdin-ger Kreisheimatpflegers Wolfgang Schierl, 1990, S. 6.

8 Auch an die Anbringung eines Tonreliefs des heili-gen Martin im Chorscheitel der ebenfalls von Ulrich Randeck erbauten Münchener Sankt Martinskirche sollte in diesem Zusammenhang gedacht werden. Sie-he Kobler, Friedrich: München, Katholische Pfarrkirche St. Martin, in: Dehio (wie Anm. 1), S. 778.

9 Schmidtische Matrikel des Bistums Freising vom Jahre 1738-1740, in: Deutinger, Martin von: Die älteren Ma-trikel des Bistums Freising, Bd. III, München 1850, S. 81, § 364.

10 Die „Festschrift 500 Jahre Alte Kirche Mariae Heimsu-chung“ in Hohenlinden (ohne Verfasser- und Seitenan-gabe) berichtet, dass 1859 zwei Seitenaltäre abgebro-chen und auf den Dachboden gebracht worden seien, bevor im Jahr 1880 ein neugotischer Altar für 1900 Mark auch den „Barockaltar“ ersetzt habe.

11 Widersprüchliche Angaben zu zwei möglichen Kir-chenpatrozinien „Maria Schnee“ und der „Heilige Elisabeth“ (Vorgängerkirche?, Kapelle?) erschweren zudem eine Bestimmung der beiden wohl seit 1760 im Hohenlindener Gewölbe eingelassenen Reliefplat-ten. Siehe Mayer-Westermayer (wie Anm. 1), S. 109, Anm. unten, bezieht sich auf die Sunderndorffersche Matrikel von 1524 und auf die Schmidtische Matrikel von 1738-40. Auffällig ist die Nennung eines „sacellum s. Elisabethae in Höchenlinden“ als Filiale der Pfarrei Mittbach in den Matrikeln Deutingers (wie Anm. 9), S. 175. Erst 1827 wurde anstelle von Mittbach die „Ca-pelle“ Hohenlinden zur Pfarrei erhoben. Siehe ebenda, S. 79, Anm. VI, 245. Möglicherweise stand das Ereignis

in Zusammenhang mit einem Patroziniumswechsel zu „Mariae Heimsuchung“.

12 Bezold, Gustav von / Riehl, Berthold / Hager, Georg (Bearb.): Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern, Teil 2, Stadt München, Bezirksämter Er-ding, Ebersberg, Miesbach, Rosenheim, Traunstein, Wasserburg, (Die Kunstdenkmale des Königreiches Bayern vom elften bis zum Ende des achtzehnten Jahr-hunderts 1/2), München 1902, S.1369-1370.

13 Dehio, Georg / Gall, Ernst: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Oberbayern, München – Berlin 1964, S. 170-171.

14 Trenner (wie Anm.1).15 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München

(BLfD), Bericht vom 24.11.1964. Vermutlich wurde der Kreuzstamm anlässlich dieser Renovierung erneuert.

16 Freundliche Auskunft der Mesnerin Perzel vom 03.02.1989.

17 Freundliche Auskunft am 16.02.2015 von Kirchenpfle-ger Gallenberger, der mich auf eine wohl geplante Res-taurierung (?) hinwies.

18 Nach einem Vermerk des BLfD vom 17.12.1937 wurde schon damals anlässlich der Kirchenrenovierung eine Untersuchung der Fassung vorgeschlagen.

19 Bei der vor 2002 vorgenommenen Restaurierung wurde auf der Rückseite des Kreuzes die Jahreszahl 1495 ent-deckt. Siehe Kahsnitz, Rainer: Kruzifixe im Werk Michel Erharts, in: Reinhardt, Brigitte / Roller Stefen (Hg.): Michel Erhart & Jörg Syrlin d.Ä. Spätgotik in Ulm, Katalog zur Ausstellung im Ulmer Museum der Stadt Ulm, 8. September bis 17. November 2002, Stuttgart 2002, S. 112-127, hier S. 124.

20 Die Corpusmaße sind bisher unbekannt, bei einer Ver-messung anlässlich der geplanten Restaurierung aber genau zu bestimmen.

21 Auch die Lendentücher des Gekreuzigten in der Ebers-berger Sebastianskirche, in den Kirchen von Pliening und Niclasreuth sind wie bei den Bildwerken von Ignaz Günther in Aholming (1767) und von Christian Jorhan d. Ä. (1727-1804) in Gars am Inn (1762) von einfa-chen oder doppelten Kordeln gehalten.

22 Altes Testament, Psalm 44.23 Zitiert nach Kahsnitz, Rainer: Veit Stoß, der Meister

der Kruzifixe, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 49/50 (1995/96), 123-178, hier S. 149, 151.

24 Rohmeder, Jürgen: Der Meister des Hochaltares in Ra-benden, München – Zürich 1971, S. 49.

25 Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 7, Freiburg 1962, Sp. 234.

26 Ludolf von Sachsen: Das Leben Jesu Christi, übertragen von Susanne Greiner und Martha Gisi, Freiburg 1994, S. 177.

27 Die Offenbarungen der heiligen Birgitta von Schweden, ausgewählt und eingeleitet von Sven Stolpe, Frankfurt am Main 1961, S. 118.

Abbildungsnachweis• Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München:

Abb. 1-4.• Brigitte Schliewen, Vaterstetten: Abb. 7-9.• Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München: Abb. 5, 6.

Zu den Textvorlagen

Die oben beschriebenen Kruzifix-Ty-pen gehen nicht auf selbständige Bilder-findungen der Schnitzer oder Bildhauer zurück, sie haben ihre Wurzeln vielmehr in mystischen Texten, deren Ursprung in den wohl franziskanischen25 Fröm-migkeitsbewegungen des 13. und 14. Jahrhunderts zu suchen ist. Die Passi-onsmystik der „Meditationes vitae chris-ti“ appelliert an den frommen Gläubi-gen, die Qualen des Gottessohnes am Kreuz zu verinnerlichen, sie geradezu körperlich nachzuerleben, weshalb sie in ihrer Drastik durchaus mit heutigen Fernsehspots zu vergleichen ist, die an-deren Zwecken dienen als religiöser Be-trachtung. So beschreibt der Straßbur-ger Kartäuser Ludolf von Sachsen (um 1300-1378) die Kreuzigung des Got-tessohnes mit folgenden Worten: „Mit ausgespannten Sehnen und Adern, mit gewaltsam gestreckten Knochen und Gelenken wurde er ans Kreuz geschla-gen, nachdem Hände und Füße roh durchbohrt und mit dicken, sehr harten Nägeln verwundet, Haut und Fleisch, Nerven, Adern zerrissen und die Gelenke zersplittert waren.“26 Und die gleichalt-rige Birgitta von Schweden, Gründerin des Birgittenordens, erkennt in ihrer visionären Schrift der Offenbarungen: „[..] da schienen seine Augen halbtot, seine Wangen eingesunken, sein Ge-sicht schrecklich entstellt, sein Mund offen, seine Zunge blutig; sein Bauch lag plattgedrückt gegen den Rücken, da alle Flüssigkeit verzehrt war, als ob er keine Eingeweide hätte.“27

Diese von Frömmigkeit und tiefer Empathie für die Qualen des Gekreuzig-ten getragenen Texte fanden ihre starke Resonanz in den „Crucifixi dolorosi“ des 14. Jahrhunderts, die die Not der Pest-jahre um 1348 in der drastischen Form des entstellten Christuskörpers wider-spiegeln. Im Gegensatz dazu strahlen die im 15. Jahrhundert im Gerhaert’schen Typus geschnitzten Kruzifixe selbst unter der Folterung jene bezwingende Ruhe aus, die den gläubigen Betrachter an die Majestät romanischer, souverän über den Tod triumphierender Kruzifixe erinnert.

Page 112: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

222 223

fungierte. Durch regelmäßige Visitatio-nen wurde religiöse Treue gewährleistet, ein Abweichen konnte sofort festgestellt und sanktioniert werden. Nicht zuletzt war der Herzog auch sehr persönlich am Erhalt der Einnahmen aus den kirchlichen Pfründen interessiert, sie dienten schließlich der Versorgung sei-ner Familie.1

Die Herzöge zogen folglich alle Re-gister, wenn es um die Verteidigung des katholischen Glaubens ging. Herzog Wilhelm V. holte die Jesuiten ins Land, die das Volk erziehen sollten. Reichs-unmittelbare mächtige Fürsten und Grafen, die dem lutherischen Glauben

neu gewonnener zentraler Kraft gegen abtrünnige Landesherren vorgehen. Bayern blieb auch weitgehend verschont von den Bauernkriegen, im Gegensatz etwa zu den schwäbischen Landen oder Thüringen, weil es nicht, wie es dort in hohem Maß geschah, zur Verelendung der Bauern kam. Ursache dafür war nicht nur die in Bayern auf den Höfen vorherrschende Erbregelung (Majorat), sondern wahrscheinlich auch die Tat-sache, dass viel bäuerliche Arbeitskraft im reichen, ausgedehnten Klosterbesitz gebunden war. Zugleich war es gerade das Netz der Klöster, das als Möglich-keit der religiösen Kontrolle landesweit

Abb. 2: Der Innenraum der Kirche.

Habsburgern eng verwandt, auch die geografische Lage nahe an Italien und damit nahe am Kirchenstaat war sicher nicht ohne Einfluss. Dann war Bayern nach den jahrhundertelangen, zum Teil komplizierten Landesteilungen seit 1506 wiedervereint und konnte daher mit

In Grafing, in der Glonner Straße, stand bis zum Jahre 1972 eine Kapelle mit Schindelturm und Wetterhahn. Sie war mit wildem Wein bewachsen, der den Bau im Herbst leuchtend rot färbte. Die Kirche war klein, man sah ihr nicht an, dass sie mehr als hundert Menschen Platz bieten konnte. Aber zur Zeit ihrer Erbauung 1924 war die Anzahl der Kirchgänger der damals noch jungen (Tochter-)Kirchengemeinde Ebersberg-Grafing überschaubar. (Abb. 1 u. 2)

Protestanten in Bayern

Das Herzogtum Bayern hatte es fertiggebracht, in den Jahrhunderten nach Luthers Thesen-Veröffentlichung 1517 fast rein katholisch zu bleiben. Die Gründe waren vielfältig. Die Wit-telsbacher waren mit den katholischen

Eine Kirche, die es nicht mehr gibt

Die evangelische Heilandskirche in Grafing*

Eva Niederreiter-Egerer

Abb. 1: Heilandskirche in den 1960er Jahren.

Page 113: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

224 225

von Mooren ihre Arbeit fanden und an ihren Arbeitsorten Gemeinden grün-deten, zum Beispiel in Maxfeld im Do-naumoos oder in Großkarolinenfeld bei Rosenheim.

Protestanten in Grafing2

Nach Grafing kamen zu dieser Zeit noch so gut wie keine Neusiedler, daher war die Anzahl der evangelischen Mit-bürger von Anfang an gering. Bis zum Jahr 1900 bewegte sie sich meist im ein-stelligen Bereich, 1910 standen 1.117 Katholiken gerade mal 13 Protestanten gegenüber, 1950 waren es dann schon 623 evangelische bei 4.026 katholischen Einwohnern.3

Grafing war ab 1900, als sich die evangelische Kirche zu organisieren be-gann, Feldkirchen unterstellt, was für die Gläubigen viel und vor allem umständli-chen Fahrdienst bedeutete. 1923 kam Grafing, als die neue Selbständigkeit Bad Aiblings eine Neuordnung notwen-dig machte, zu Großkarolinenfeld. Das machte die Sache nicht besser, auch weiterhin blieben dem Pfarrer und den Gläubigen weite Wege nicht erspart.

Die Bedingungen für die evangeli-sche Gemeinde waren also zu dieser Zeit ziemlich unkomfortabel. Dem sollte mit der Gründung eines „Evangelischen Vereins Ebersberg und Umgebung e.V.“ 1922 entgegengewirkt werden. Dieser Verein unter dem Vorsitz von Karl Schäfer, eines neu nach Ebersberg übersiedelten Majors a. D., erreichte vorerst, dass für die Betstunden der

Grafinger Rathaussaal benutzt werden durfte. Aber auch hier musste der Pfar-rer anreisen und die Stunden fanden nur in großen Abständen statt. Außerdem war die Benutzung des Rathaussaals unpraktisch: der Altar musste extra aus dem Speicher geholt und aufgebaut werden, auch war der Andrang für den kleinen Raum mit der Zeit zu groß, wie Schäfer in einem Brief an den Grafinger Gemeinderat im August1923 beklagte.4 Daher galt das ganze Streben des Majors dem Bau einer eigenen Kirche im Ebers-berger Landkreis. Und die Errichtung eines Gotteshauses gerade in Grafing begründete Schäfer mit der guten Er-reichbarkeit aus dem Umland von allen Seiten, die vor allem durch die Bahnlinie München-Rosenheim gewährleistet war.

Kirchenbau in Grafing

Die Kirchengemeinde sammelte Geld und schon nach kurzer Zeit konnte der Verein ein Grundstück an der Gra-finger Glonner Straße erwerben. Auf dem etwa 500 Quadratmeter großen Gelände stand das ehemalige örtliche Feuerwehrhaus. Der Zimmermeister Bartholomäus Rieperdinger hatte 1888 dieses Gebäude in einer Größe von 6 auf 12 Meter errichtet. Es wurde aber für seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr genutzt, sondern diente nur noch als Lager oder Abstellraum. (Abb. 3)

Die finanzielle Lage nach dem Ers-ten Weltkrieg war nirgends großartig, so auch nicht bei der protestantischen Kirche. Daher wollte man die Mauern

anhingen, wie die Ortenburger oder Maxlrainer, wurden allmählich aus ihren Einflussbereichen und vom Hof verdrängt. Und so war es nicht zufällig der bayerische Herzog (später Kurfürst) Maximilian, der im 30-jährigen Krieg die katholische Liga anführte.

Erst 1740 kam die erste nennens-werte Zahl protestantischer Siedler innerhalb bayerischer Grenzen, als das

Kurfürstentum Bayern, nach dem Aus-sterben des fränkischen Geschlechtes der Wolfsteiner dessen evangelische Gebiete Sulzbürg-Pyrbaum erbte.

1799 folgte dann die Einwanderung von evangelischen Siedlern, die mit dem neuen Kurfürsten Herzog Max und dessen evangelischer Gattin Karoline von Baden nach München kamen. Es waren Pfälzer, die in der Trockenlegung

Abb. 3: Der Grundriss des Feuerwehrhauses.

Page 114: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

226 227

des Feuerwehrhauses als Grundstock für die neue Kirche nutzen und sie in den neuen Bau miteinbeziehen, denn die geplante Kirche sollte ja möglichst günstig kommen. Allerdings verlänger-te man das Haus zur Straße hin um 7 Meter und an der Rückseite wurde eine Apsis angebaut. Das Dach musste aus Kostengründen so bleiben wie es war, so flach wie auf dem ehemaligen Spritzen-haus. Der Bau wurde rauhverputzt und vorne, in die linke Front, wurde ein Turm integriert, der im oberen Drittel mit Holzschindeln verkleidet war. Ebenso auf der linken Seite gab es einen kleinen Vorbau als Eingangsüberdachung. An diesen schloss sich eine halbhohe Mauer an, die sich rund um die Kirche zog.

Der Bau war schnell fertiggestellt. Obwohl erst im September 1924 be-gonnen, konnte die neue Kirche bereits nach drei Monaten, am 14. Dezember, geweiht werden. Über die Ankunft der zahlreichen Gäste anlässlich der Einwei-hungsfeierlichkeiten wird berichtet:

„[…] Am Bahnhof-Grafing hatten sich in der Frühe Vorstandschaft, Ausschuß des ev. Vereins und der Kirchenvorstand der jungen Tochtergemeinde eingefunden zum Empfang der mit den Zügen von München und Rosenheim zahlreich eingetroffenen Teilnehmer an der Feier. [...] Nach kur-zem Aufenthalt am Bahnhof-Grafing ging die Fahrt nach Grafing-Markt weiter, des-sen Bahnhof gleichfalls durch Fahnen die Ankommenden grüßte. Diese begaben sich zunächst durch die festlich geschmückte Bahnhofstraße zum Rathause. [...].“5

Abb. 4: Einweihung.

Page 115: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

228 229

Der Architekt German Bestelmeyer

Der Architekt, der hier zu Wort kam, war German Bestelmeyer. Man hatte mit ihm einen Mann engagiert, der zu seiner Zeit eine Kapazität im evangelischen Kirchenbau war. Er ist heute, nicht mehr so bekannt, wie es die Anzahl seiner Bauten vermuten lassen könnte. Großkirchen und Dorfkirchen, aber auch Museen, Universitätsanbau-ten und vieles mehr, haben ihn in seiner Zeit zu einem der begehrtesten Archi-tekten gemacht. (Abb. 6)

German Bestelmeyer8 wurde 1874 in Nürnberg als Sohn eines Militärarztes geboren. Er studierte an der Techni-schen Hochschule in München Archi-tektur, unter anderem bei Friedrich von Thiersch, Gabriel von Seidl und Heinrich von Schmidt, sie alle namhafte Architek-ten, die München mit ihren Bauten im Stil des Historismus geprägt haben.

Der erste Erfolg gelang Bestelmeyer 1902 mit einem Entwurf für die geplan-te Erweiterung der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die Universität stellte ihn sofort an. 1910 bekam er eine Professur in Dresden. In diesen Jahren boten sich ihm aber noch an-dere Aufträge, etwa in den USA und in Rom. 1919 erhielt er eine Professur in Berlin-Charlottenburg.

1921 starb in München Friedrich von Thiersch und die Universität wollte Bestelmeyer als Nachfolger für den Lehr-stuhl an der Technischen Hochschule München. Der Ruf des jungen Archi-tekten war bereits so gefestigt, dass er

Bedingungen stellen konnte. Er wollte die Planung der neuen Flügelbauten der Technischen Hochschule übernehmen, die eigentlich bereits Theodor Fischer vorgelegt hatte. Er bekam sie.

1924 wurde Bestelmeyer Präsident der Bayerischen Akademie der Bilden-den Künste. Diese Stellung hatte er bis zu seinem Tode inne. Allerdings übte er sein Amt so konservativ aus, dass die fortschrittlicheren Kräfte in seiner Kol-legenschaft wie Richard Riemerschmid, Robert Vorhoelzer, Theodor Fischer gar nicht mehr zum Zuge kamen. Er protegierte dagegen Architekten wie Paul Ludwig Troost oder Josef Thorak, die dann auch im Nationalsozialismus Karriere machten. Das Bayerische Kul-tusministerium unterstützte ihn nach Kräften in seinem Tun.

1928 wurde er Gründungsmitglied der Architektenvereinigung „Der Block“. Diese Gruppierung propagierte traditi-onelle, konservative Bauweise. Hierzu

Abb. 6: German Bestelmeyer.

Abb. 5: Die Kirche (links unten) in ihrer Umgebung.

Im Rathaussaal, dem alten Betsaal, wurde mit einer bewegenden Predigt Ab-schied gefeiert, danach formierten sich die Gäste zu einem Zug hin zur neuen Kirche, die den Namen „Heilandskirche“ erhalten hatte. Dort weihte der Ober-kirchenrat Altar, Kanzel und Taufstein. Großzügige Spenden hatten es möglich gemacht, dass die Besucher bereits die Einrichtungsgegenstände bewundern

konnten, die bei regionalen Werkstätten in Auftrag gegeben worden waren.6 Bei den Einweihungsfeierlichkeiten ergriff auch der Architekt das Wort. Er lobte, es sei „ihm ein besonderes Bedürfnis, seiner Freude Ausdruck zu geben, darüber, dass ihm selten ein Ort unterkäme, wo die Handwerksmeister der ihnen übertrage-nen Arbeiten mit solchem Fleiß gerecht wurden wie hier.“7 (Abb. 4 u. 5)

Page 116: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

230 231

verheerenden Krieg nicht üppig waren. Viele Architekten gingen leer aus. Bestel-meyer aber hatte durch seine Stellung als Akademie-Präsident alle Möglichkei-ten und Informationen, Projekte an sich zu ziehen. Dazu kam, dass seine Frau mit einem damals maßgeblichen evan-gelischen Dogmatiker, Dekan Friedrich Langenfass, verschwägert war. Dieser war nicht nur Pfarrer in Sankt Markus in München, einer Kirche, in der Bestel-meyer schon an den Renovierungsarbei-ten beteiligt gewesen war, er war zudem höchst interessiert an protestantischer Kirchenarchitektur in ganz Bayern. Durch seine berufliche Stellung und seine verwandtschaftlichen Beziehungen

hatte Bestelmeyer also genug Möglich-keiten, um an Aufträge zu kommen.

Die Grafinger Kirche war der erste Kir-chenbau Bestelmeyers nach seiner Rück-kehr nach München. Sie wird sogar als „Initialbau“15 für den Kleinkirchenbau im romanisch-gotischen Stil des Architekten in Süddeutschland bezeichnet. Hier zeigt der Architekt seine Fähigkeit, mit traditi-onellen Bauweisen flexibel umgehen und die bestehenden Verhältnisse und das regionale Ambiente berücksichtigen zu können.

Was seine Kirchen nicht zeigen, sind die Charakteristika, die bis dahin bereits typisch für evangelische Architektur ge-worden waren. Seit dem 19. Jahrhundert

Abb. 7: Plan der Kirche von der Seite A.

gab es eine Gegengruppe fortschrittli-cherer Architekten, die sich „Der Ring“ nannte. Ihnen gehörten wiederum Per-sönlichkeiten wie Mies van der Rohe, Erich Mendelssohn oder Walter Gropius an. Sie stand für das aus dem Bauhaus gespeiste, neue, moderne, funktionale Bauen.

Bestelmeyer war auch Mitglied im Deutschen Werkbund, auch dies eine Gruppe von Traditionalisten, die dem vermeintlichen Werteverfall des deutschen Handwerks entgegentreten wollten. Er war aber auch im, eindeu-tig antisemitischen, „Kampfbund für Deutsche Kultur“. Mit diesen Vorgaben entstanden in den späten 1920er Jahren seine Großkirchenbauten in Nürnberg, Bamberg und München.9

Bestelmeyer trat 1933, also sehr früh, der NSDAP bei und wurde 1935 von Josef Goebbels zum Reichskul-tursenator ernannt. Dass er dennoch nicht zum engsten Kreis der Architekten um Hitler gehörte, lag wahrscheinlich daran, dass der Kirchenbau, dem inzwi-schen Bestelmeyers Hauptinteresse galt, generell nicht zu dem von Hitler favori-sierten Bauspektrum gehörte. Aber es spielten vermutlich auch persönliche Eifersüchteleien eine Rolle. Dabei ist zum Beispiel von Albert Speer bekannt, dass er verhinderte, dass Bestelmeyer an die Seite des Diktators kam.10 Es lag aber auch vermutlich am Architekten selbst, dessen Persönlichkeit nicht bereit war, sich einem Diktat zu unterwerfen, selbst wenn er mit der nationalsozialistischen Ideologie durchaus übereinstimmte. Be-stelmeyer erhielt nach seinem Tod 1942

in Tegernsee zwar ein offizielles Staats-begräbnis, doch die Bedeutung dessen lag wohl mehr in der Propaganda, denn in der ehrlichen Wertschätzung des Verstorbenen.11

Bestelmeyer hatte sein Studium noch in der Zeit des Historismus, der die Kombination verschiedener historischer Bauelemente nach rein ästhetischen Gesichtspunkten bedeutete, absolviert. Sehr bald lehnte er diese Architektur und ihr freizügiges Zitieren aus der Vergangenheit ab und warf ihren Prot-agonisten vor, eine „sinnlose, verlogene Sprache“12 zu sprechen. Er begrüßte dagegen eine „Befreiung von historisch-stilistischen Zwangsvorstellungen“13. Er selber war neben den großen gotischen Kirchen Sankt Sebald und Sankt Lorenz in Nürnberg aufgewachsen und viel zu sehr von ihnen geprägt, um ihre Bauwei-se ignorieren zu können. Paradoxerweise empfand er die Art, wie er ihre Elemente in seine Architektur mit einbezog, als die Schaffung von einer völlig neuen Richtung. Für ihn hatten die Kirchen in Baustil und Ausstattung die Funktion von Stimmungsträgern.14 Der kleine Kirchenbau in Grafing ist dafür ein be-sonders schönes Beispiel.

Was nun die Grafinger Kirche be-trifft, stellt sich die Frage: wie kommt ein in dieser Zeit so bedeutender Architekt an ein so relativ kleines Kirchenbauvor-haben, oder umgekehrt: wie kamen die Grafinger an einen solchen Architekten?

Es wurde bereits erwähnt, dass der Baubedarf gerade der evangelischen Gemeinden in jener Zeit groß war, je-doch die finanziellen Mittel nach dem

Page 117: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

232 233

von einer gleichseitigen Raumordnung war man hier weit entfernt, und das hatte nicht nur mit den Vorgaben des Feuerwehrhauses zu tun. Wie erwähnt, war Bestelmeyer die romanisch-gotische Anmutung für die Andacht wichtig. Daher bekam die Kirche ein reichlich katholisches Aussehen.

Es entstand ein länglicher Saalbau mit einem außenliegenden Strebepfeiler, rückwärtig war eine halbrunde Apsis angebaut. Die geringe Dachneigung, die man vom Feuerwehrhaus übernahm, rechtfertigte man mit der in Italien, dem Mutterland der Romanik, üblichen Bautradition. So konnte das Dach bleiben wie es war, es wurde allerdings um einen halben Meter angehoben. Die Fenster waren breit und etwas ge-drungen mit Spitzform, besaßen damit ländlichen Charakter. An der rechten Rückseite wurde eine Sakristei ange-baut. (Abb. 7 u. 8)

Einen großen Teil der Innenausstat-tung hatte Bestelmeyer selbst geplant und bei regionalen oder damals be-kannten Münchner Künstlern in Auftrag gegeben. Auch hier, wie er es in seinen Kirchenbauten fast immer tat, wollte er ein Gesamtkunstwerk schaffen, dessen Ausstattung nicht einfach nur zusammengekauft werden durfte. Das Bauwerk und das Inventar sollten als ein stimmiges Ganzes komponiert werden. Grafing fand prominente Unterstützer: der damalige Kirchenpräsident17, Dekan Friedrich Veit, brachte persönlich eine großzügige Spende, die er Major Schäfer übergab. Dieses Geld machte die An-schaffungen überhaupt erst möglich.18

Die ausführenden Metall-Künstler Steinicken & Lohr, Fritz Schmidt, Otmar Kees

Bestelmeyer entwarf eigene Wand-leuchter aus Messing und ließ diese bei der Münchner Firma Steinicken und Lohr fertigen, einer metallverarbeitenden Kunstwerkstatt in der Nymphenburger Straße, die bekannt war für ihre kirch-lichen und profanen Arbeiten „jeder Stilart und in jedem Metall“19, tätig zwischen 1897 und 1924. Otto Lohr war Maler, Medailleur und Goldschmied, Professor an der Kunstgewerbeschule Nürnberg, und Eduard Steinicken war ebenfalls Goldschmied. Offensichtlich hörte die Firma mit dem Tod Eduard Steinickens 1924 auf zu existieren. Aber bis heute sind auf Auktionen vereinzelt wertvolle Gegenstände dieser Werkstätte zu finden. Sogar im Bayerischen Natio-nalmuseum ist mindestens eine Arbeit zu sehen.20 Auch die Grafinger Wandleuch-ter sind dankenswerterweise erhalten und in Privatbesitz. (Abb. 9)

Abb. 9: Wandleuchter.

hatte sich nämlich eine Art Codex her-ausgebildet, der die Gemeinschaft der Gläubigen in den Mittelpunkt stellte. Bevorzugt waren also weite, mehr qua-dratische oder runde Räume mit um-laufenden Emporen, die allen den etwa

gleichen Abstand zum Altar gewährten, daher zwangsläufig den Altar weit möglichst in die Mitte rückten.16 Von Emporen konnte natürlich angesichts des zur Verfügung stehenden Raumes in Grafing keine Rede sein, aber auch

Abb. 8: Plan der Kirche von vorne und Querschnitt.

Page 118: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

234 235

Carl-Johann Becker-Gundahl. Dieser Lehrer war über die – wenigstens zeit-weise – gleichzeitige Lehrtätigkeit an der Akademie der Bildenden Künste mit Bestelmeyer bekannt, fungierte somit höchstwahrscheinlich als Vermittler für die mehrfache Zusammenarbeit Berg-manns mit dem Architekten. Der junge Kirchenmaler war im Ersten Weltkrieg Soldat und als er zurückkam, arbeitete er als Kunsterzieher an Münchner Gym-nasien. Zusätzlich betätigte er sich als Kirchenmaler im süddeutschen Raum. Eine Studienreise nach Rom, Assisi und Ravenna machte ihn vertraut mit den Techniken der frühchristlichen und mit-telalterlichen Fresko-Malerei. Mit diesen Kenntnissen malte er Kirchen aus in Mur-nau, Kempten, Riem und München und in den dreißiger Jahren bekam er auch den Auftrag für die katholische Kirche in Kirchseeon. In München, Sankt Maxi-milian, malte er für den Seitenalter nahe dem Haupteingang einen überlebens-großen Christophorus. Ein besonders schönes Werk ist ihm in Olching, Sankt Peter und Paul, gelungen. Die Arbeit dort musste er mehrfach unterbrechen, weil das Geld für die Weiterarbeit fehl-te. In Olching hat er sich als Reiter auf einem Fresko selbst verewigt. (Abb. 11) An seiner letzten Wirkungsstätte Dolln-stein, wo ihm die gesamte Ausmalung der Pfarrkirche übertragen worden war, fiel er bei der Arbeit vom Gerüst und zog sich so schwere Verletzungen zu, dass er 1952 daran starb.

In der Grafinger Kirche bestimmte Bergmann die gesamte Farbgebung der Kirche. Er hatte dabei nur die bereits

vorhandenen Gegebenheiten wie den Solnhofener Bodenbelag und die wei-ßen Wände zu berücksichtigen. Damit blieb ihm jeder Spielraum. Die flache Holzdecke in Kassettenoptik bestimmte er in Rot und Blau, die Türen in Rot.23 Es existiert vom Aussehen des Raumes kein Farbbild, doch stammt von Bergmanns Hand auch die Ausmalung der Kirche Sankt Peter und Paul in Olching, in der Bergmann im selben Zeitraum wie in Grafing arbeitete. Sie kann uns vielleicht eine Vorstellung von dem Aussehen der Decke liefern, abgesehen von der Tatsa-che, dass Sankt Peter und Paul wesent-lich größer ist. (Abb. 12)

Abb. 11: Josef Bergmann als Reiter im Wandgemälde in Olching.

schwarzen Holzkreuz. Von beidem exis-tiert eine Aufnahme noch aus der Zeit nach dem Ende der Kirche, doch ist un-bekannt, wo sich die Gegenstände heute befinden.

Im evangelischen Betsaal in Aßling steht ein Taufstein, der ursprünglich seinen Platz in der Heilandskirche links neben dem Altar hatte. Im Sinne eines Gesamtkonzeptes geht auch seine Gestal-tung auf German Bestelmeyer zurück. Er ist aus dem klassischen Stein für Kirchen-kunst und Grabmale, aus Rotmarmor aus Ruhpolding. Der Deckel aus Messing ist ebenfalls von einem Dozenten einer Münchner Kunstschule, von Otmar Kees von der Gewerbeschule an der Luisen-straße, der – wie Bestelmeyer auch – als Mitglied des deutschen Gewerbebunds aufgeführt wird. Von Kees stammt auch der Opferstock. Es dürfte derjenige sein, der noch heute im Eingang der Auferste-hungskirche zu sehen ist.

Auch ein Wetterhahn und ein vergol-detes Kreuz für den Giebel wurden für die Kirche von der Hofkupferschmie-de Weber und Rucker aus München gegossen.21

Der Kirchenmaler Josef Bergmann22

Der in der Grafinger Kirche am meis-ten beschäftigte Künstler war neben dem Architekten der Kirchenmaler Josef Bergmann. Er wurde 1888 in Amberg geboren und studierte in Weimar und München Bildende Künste, in München bei dem damals bekannten Kirchenmaler

Abb. 10: Kerzenleuchter, Kruzifix und Taufstein.

Ein anderer der engagierten Künst-ler war der Münchner Goldschmied Fritz Schmidt. Er war Professor an der Kunstgewerbeschule in München. Zu dieser Zeit war der Direktor dieser Schule Richard Riemerschmid, dessen Nachfolger Fritz Schmidt 1933 wurde. Später nannte sich diese Einrichtung Staatsschule für Angewandte Kunst und wurde schließlich 1946 Teil der Aka-demie der Bildenden Künste. Schmidt schuf vieles für den sakralen Raum und für Grafing speziell vier Messingleuchter (Abb. 10) und ein Kruzifix, das ebenfalls aus Messing gefertigt war, auf einem

Page 119: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

236 237Abb. 12: Kassetten-Decke von Sankt Peter und Paul, Olching.

Page 120: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

238 239

Straßenseite der Kirche zurück, das von Major Schäfer mit lobenden Worten2524 beschrieben wurde. Es zeigte den le-bensgroßen Kopf des Königs David. Der ausführende Künstler war ein Glasmaler Von der Heydt. Dieses Fenster war nicht mehr zu finden, vielleicht ist es beim Abriss der Kirche zerstört worden. Es hängt allerdings im Eingangsbereich der neuen Auferstehungskirche ein in einen Kirchenfenster-Rahmen gesetztes Glasbild, das aber Martin Luther dar-stellt. Stammt dieses vielleicht aus der Heilandskirche?

Bergmanns besonderes Werk ist aber sein Fresko, das er für das Rund der Apsis geschaffen hat. Es stellt die vier sitzenden Evangelisten dar, die zu

Neben der Sakristei-Türe im vorderen Raum der Kirche rechts, hatte die Kanzel ihren Platz. Während der Gesamtentwurf des achteckigen, in der Höhe leicht ge-rundeten, Muschelkalksockels mit dem hölzernen fünfseitigen Holzaufbaus vom Architekten Bestelmeyer stammt, hat Josef Bergmann die Bemalung der Holz-paneele übernommen. Die Holzflächen waren mit Portraits biblischer Propheten ausgefüllt. Das Gestell des Aufsatzes existiert privat untergebracht, die heraus-genommenen Propheten-Darstellungen sind als einzelne Bilder im Büro des Ge-meindehauses der Auferstehungskirche zu sehen. (Abb. 13 u. 14 a-d)

Ebenfalls auf einen Entwurf Berg-manns ging ein Glasfenster an der

Abb. 13: Kanzel.

Abb. 14 a-d: Die Propheten an der Kanzel.

Page 121: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

240 241

Kalk, wie er für diese Kunst benötigt wurde, war nur schwer zu bekommen, gerade in der Nachkriegszeit. Doch mit Hilfe der Münchner Krongutverwaltung (heute Bayerische Verwaltung der staat-lichen Schlösser, Gärten und Seen) und mit allerhand Tauschgeschäften kam man bis zum Herbst an das Material und gegen Ende des Jahres konnte das Fresko fertiggestellt werden.2726 Nachdem die Arbeit erst einmal begonnen war, musste

es ja schnell gehen, weil es nötig war, die Farbe auf den noch feuchten Putz aufzutragen.

Das zweite Problem war mehr die Frage der Akzeptanz des Bildnisses von Seiten der Kirchgänger. Dabei war es anscheinend weniger die Art der Male-rei insgesamt, dieser Rückgriff auf die Antike, der zu dieser Zeit auch noch un-gewohnt war, sondern wohl mehr die Ge-staltung speziell der Christusfigur, welche

Abb. 15 b: Die Evangelisten Markus und Johannes.

je Zweien links und rechts neben einem proportional größeren Christus, eben-falls in sitzender Position, platziert sind. Die wenig plastische Ausmalung (z. B. der Gewandfalten) und die Betonung der Konturen zeigen, wo die Vorbilder des Künstlers zu finden sind: Man er-kennt vor allem die Maler der frühen Christenheit. Dem Betrachter zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dieser Schritt zurück wohl nicht so vertraut, wie ein

Kommentar Schäfers zeigt: „Man muß sich erst an die neue Kunst gewöhnen, um die Werte dieser herben und doch so frommen Kunst verstehen zu können.“25 (Abb. 15 a u. b)

Mit den Fresken ergaben sich aller-dings zwei Probleme. Das erste Problem war technischer Art und mit der Zeit lös-bar: die Malereien waren für das Frühjahr 1925 geplant, doch gab es mit dem Ma-terial Liefer-Schwierigkeiten. Keimfreier

Abb. 15 a: Die Evangelisten Matthäus und Lukas.

Page 122: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

242 243

diesem Blick spricht der absolute Wille, sein Leiden und Sterben müsse der gan-zen Welt zum Heile werden.“29 Wenn man das Bildnis genauer betrachtet, versteht man auch, warum sich Schä-fer in Erklärungsnot sah. Der Christus blickte mit jedem Auge in eine andere Richtung. (Abb. 16)

Weil sich die Betrachter an den Christus anscheinend nicht gewöhnen konnten, veränderte der Grafinger Kunstmaler Emil Höpfner das Gesicht der Christusfigur. (Abb. 17) Offensicht-lich wurden auf Veranlassung Berg-manns die Bilder der Apsis eine Zeitlang zugehängt;30 ein Zustand, der auf Abbil-dung 11 zu erkennen ist.

Die Glocken

Eine kleine Kostbarkeit hängt im Glockenturm der Auferstehungskirche. Zwei der drei Glocken, die sonntags zum Gottesdienst läuten, sind für den evangelischen Kirchenneubau von einem Grafinger gestiftet worden. Die dritte Glocke hingegen stammt noch aus der Heilandskirche. Sie wurde in Nürnberg gefertigt, davon zeugt die Aufschrift. Rund um den Körper zieht sich ein Schriftband: „HANS PFEFFER IN NYRNBERG GOS MICH ANNO DO-MINI 1616.“ (Abb. 18)

In Nürnberg gab es wenigstens zwei Stück- und Glockengießer mit dem Namen Hans Pfeffer. Diese waren Vater und Sohn. Aus den Lebensdaten zu schließen kommt der Vater als Schöp-fer der Grafinger Glocke in Frage. Er

wurde am 26. Juli 1590 in Nürnberg als eines von sieben Kindern des Zeugmeis-ters Matthäus Pfeffer getauft.31 Seine Mutter war Anna Herold, die Tochter des Glockengießers Balthasar Herold. Die Herolds waren eine angesehene Glockengießer-Dynastie in Nürnberg. Daher ist anzunehmen, dass Hans Pfeffer durch seinen Großvater das Handwerk erlernte. Pfeffer muss als Gießer sehr gefragt gewesen sein, denn er fertigte bis zu seinem Tode im Jahr 1626 Glocken in großer Zahl. Sie sind heute im ganzen bayerischen Raum ver-teilt.32 Sein berühmtestes Werk ist das

Abb. 17: Der veränderte Christus.

die Irritationen hervorrief. Ein Journalist formulierte es so: „[...] die Strenge im Blick konnte so mancher nicht gleich in Einklang bringen mit seiner auf Er-ziehung und Gewohnheit basierenden Vorstellung [...].“27 Major Schäfer hatte das Problem erkannt und versucht, in diversen Artikeln und Vorträgen um Verständnis für das neuartige Werk zu werben: „Christus ist dargestellt als der Urquell aller Weisheit und Wahrheit. In einer viereckigen Mandorla thronend, überragt er in Übermenschgröße die vier Apostel in majestätisch vornehmer Zurückhaltung mit der linken Hand das

Unterkleid raffend, die rechte mahnend erhoben. Ohne den Kopf zu drehen, ist der Blick auf die links sitzenden Apostel gerichtet, die eben mit der Niederschrift ihres Evangeliums zu Ende sind.“2928 Eine andere Beschreibung im „Oberbayer“ formuliert das Aussehen folgenderma-ßen: „Es darf nicht vergessen werden, dass der Künstler sich aus dem Leben und Wirken des Herrn den Augenblick gewählt hat, in dem der Meister unmittelbar vor der Vollendung seiner irdischen Mission gestanden hat und im Begriffe war, einen Leidensweg von seltenster Tragik zu beschreiten. Aus

Abb. 16: Der ursprüngliche Christus in der Apsis.

Page 123: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

244 245

Abb. 18: Die Glocke von Hans Pfeffer.

Angelegenheit nichts unternommen worden war. Dem Grafinger Kirchenma-ler Helmut Knorr war es schließlich zu verdanken, dass die Evangelisten sach-gemäß aus der Apsis genommen und in die Auferstehungskirche transferiert wurden. Knorr machte den Handwerker ausfindig, der mit Bergmann zusammen in Kirchseeon gearbeitet hatte. Der lie-ferte ihm die nötigen Informationen, um die gerundeten Bilder in flache Rahmen

betten zu können, so dass sie als Tafeln gehängt werden konnten. Der Architekt Franz Lichtblau hatte zu dieser Art der Anbringung geraten. Es wurden aber nur die vier Evangelisten übernommen. Der Christus führt dagegen bis heute ein Schattendasein im Lager des Ge-meindehauses, weil Helmut Knorr bei der Abnahme der Fresken festgestellt hatte, dass die Veränderungen am Kopf, die in den 1920er Jahren vorgenommen

Geläut von Sankt Michael in Bamberg. Es sind vier Glocken, deren Schwerste mehr als 3 Tonnen wiegt und dabei einen Durchmesser von 1,5 Metern hat. Die Grafinger Glocke ist im Vergleich dazu ein Leichtgewicht mit etwa 50 cm Durchmesser. Seine Produkte verzierte Pfeffer meist reich. Unter seinem Text zieht sich eine Schmuck-Bordüre und die Aufhänger sind Engelsbüsten.

Da Hans Pfeffer auch ein bedeuten-der Geschützgießer (Stückgießer) war, ist er vermutlich kein armer Mann gewesen. Er war in der Lage, von seinem Vater ein Grundstück in heute Nürnbergs bester Lage zu erwerben, ein Grundstück heute im Zentrum in der Breiten Gasse 33 für 6.000 Gulden.33

Laut Karl Schäfer erhielt Grafing die Glocke als Geschenk der Gemeinde Ay-Senden bei Ulm.34 Da dort die Unterla-gen über die Vorgänge dieser Zeit nicht mehr existieren, lassen sich nur Vermu-tungen anstellen, wie die Heilandskir-che zu der Spende kam. Im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg wurden so viele Glocken für die Waffenproduktion ein-gezogen, dass man mit der Verarbeitung nicht nach kam. So wurden die Glocken auf sogenannten Glockenfriedhöfen gelagert. 1914 bis 1918 gab es zum Bei-spiel in Innsbruck / Wilten ein solches Gelände. Etliche Glocken blieben dort bis nach dem Krieg und wurden, soweit sie zu identifizieren waren, wieder an ihre Heimatgemeinden zurückgegeben. Da dies in den Wirren der Nachkriegs-jahre manchmal erst verspätet geschah, hatten sich die Gemeinden inzwischen oft schon neue Glocken besorgt und

viele der alten Glocken wurden ver-schenkt. Dies könnte auch der Weg der Heilandskirchen-Glocke gewesen sein.

Die neue Auferstehungskirche

Nach dem Zweiten Weltkrieg war durch die Flüchtlingsströme die Zahl der Protestanten im Landkreis Ebersberg stark angestiegen. Und wieder wurde die Verwaltung neu strukturiert. Ebers-berg wurde 1958 eine eigenständige Pfarrei und bekam einen eigenen Pfarrer und eine eigene Kirche, die Heilig-Geist-Kirche. Johannes Hiller, der 1964 neuer Seelsorger wurde, erkannte die Notwen-digkeit, der gestiegenen Zahl der Gläu-bigen auch in Grafing gerecht zu werden und trieb das Projekt „Kirchenneubau“ im Ort energisch voran. Mit den Planun-gen wurde das Architektenbüro Franz Lichtblau beauftragt und 1970 konnte die neue, die Auferstehungs-Kirche, ein-geweiht werden.

Zu diesem Zeitpunkt stand die inzwi-schen verwaiste Heilandskirche noch. Zum Leidwesen vieler war der Abriss aber schon beschlossene Sache, zum einen, weil das Grundstück zur Finanzierung des Neubaus verkauft werden musste und die Käufer, die Familie Rothmoser, das Grundstück auch zu nutzen beabsich-tigten, zum anderen, weil die Kirchenge-meinde nicht wollte, dass das Gebäude profaniert würde. Immerhin warteten die Käufer zwei Jahre mit der Aktion, weil zwar an eine Herausnahme der Fres-ken gedacht, aber lange Zeit in dieser

Page 124: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

246 247

Anmerkungen* Für die Unterstützung bei meinen Recherchen und die

Überlassung von Fotografien möchte ich mich herzlich bedanken bei Manfred Bergmeister, Axel Kainath, Hel-mut Knorr, Franz Lichtblau, Ernst Müller, Dietrich Pro-bul, Peter Rothmoser und Oskar Brunner, dem Schwie-gersohn von Josef Bergmann.

1 Zur Geschichte der Reformation in Bayern siehe Lutz, Heinrich / Ziegler, Walter / Albrecht, Dieter: Das kon-fessionelle Zeitalter, in: Spindler, Max (Hg.): Hand-buch der bayerischen Geschichte, Bd. II: Das alte Bay-ern. Der Territorialstaat, 2., überarb. Aufl., München 1988 (1969), S. 324-457.

2 Zur Situation der Protestanten in Grafing siehe Hupfer, Hans: Von den Anfängen der Evangelisch Lutherischen Kirche in Grafing bis heute, in: Grafinger heimatkundli-che Schriften 13 (2000), S. 6-32, hier S. 11-24.

3 Archiv der Stadt Grafing (ASG), I 1 A E 2 c: Übersicht über die Religions-Zugehörigkeit der Einwohner des Marktes Grafing zum 13. September 1950.

4 Ebenda: Brief Karl Schäfer an Gemeinderat Markt Grafing vom 24. August 1923 zur Begründung der Notwendigkeit einer neuen Kirche und der Bitte um Überlassung des Zeughauses in der Glonner Straße zu diesem Zweck.

5 Burk, C.: Die Einweihung der evangelischen Kirche in Grafing, in: Der Oberbayer vom 18. Dezember 1924.

6 Schäfer, Karl: Die Heilandskirche in Grafing (Teil 1), in: Oberbayerische Heimatblätter 3 (1925), Nr. 23 vom 15.12.1925.

7 Der Oberbayer vom 18. Dezember 1924.8 Zu Leben und Arbeit German Bestelmeyers siehe Koch,

Florian: German Bestelmeyer (1874-1942), Architekt. Tradition als Illusion der Permanenz. Der süddeutsche Kirchenbau, romantisch-retrospektiver Traditionalis-mus im Sakralbau der zwanziger und dreißiger Jahre, München 2001.

9 Beispiele: Nürnberg, Gustav-Adolf-Kirche (1927-1930); München – Schwanthalerhöhe, Erlöserkirche (1930-1931); Bamberg, Erlöserkirche (1930-1933).

10 Koch (wie Anm. 8), S. 256.11 Ebenda, S. 145.12 Brülls, Holger: Neue Dome, München 1994, S. 48.13 Ebenda, S. 11.14 Koch (wie Anm. 8), S. 149.15 Ebenda, S. 159.16 Es gab Bauanweisungen wie zum Beispiel das Eisena-

cher Regulativ von 1861, das sich noch an gotische Traditionen anlehnte, oder das Wiesbadener Pro-gramm von 1892, das den Raum weiter sah und den Altar in die Mitte rückte.

17 Das Amt des Kirchenpräsidenten wurde ab 1933 zum Amt des Landesbischofs. Veit war der einzige Kirchen-präsident. Sein Nachfolger war Hans Meiser.

18 Schäfer (wie Anm. 6).19 Siehe Werbebroschüre Steinicken und Lohr, München

(Selbstverlag) 1925.20 Zum Beispiel eine Glückwunschadresse der Bayeri-

schen Ministerien zum 80. Geburtstag des Prinzregen-ten Luitpold von 1901.

21 Die Angaben im Absatz „Die ausführenden Metall-Künstler Steinicken & Lohr, Fritz Schmidt, Othmar Kees“ sind – wenn nicht anders angegeben – entnom-men aus Schäfer, Karl: Heilandskirche, in: Der Ober-bayer vom 15. Dezember 1925.

22 Informationen über Bergmann aus: Altmann, Lothar: Katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul, Lindenberg 2012.

23 Schäfer (wie Anm. 6).24 Ebenda.25 Schäfer, Karl: Die Heilandskirche in Grafing (Teil 2): in:

Oberbayerische Heimatblätter 3 (1925), Nr. 24.26 Der Oberbayer vom 25.02.1926.27 Eda.28 Schäfer (wie Anm. 25).29 Der Oberbayer vom 25.02.1926.30 Hupfer (wie Anm. 2), S. 14.31 Grieb, Manfred (Hg.): Nürnberger Künstlerlexikon: Bil-

dende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. München 2007, S.1139-1140.

32 Glocken von Pfeffer hängen unter anderem in Ans-bach-Brodswinden (St. Bartholomäus) , Heilbronn (Bergkirche Heinsheim), Bayreuth (Auferstehungskir-che), Schrattenhofen (St. Bartholomäus).

33 Grieb (wie Anm. 31), S. 1139.34 Schäfer (wie Anm. 6).35 Nach Auskunft Helmut Knorr36 Nach Auskunft Peter Rothmoser. Sein Bruder Martin

war bei den Abrissarbeiten dabei.

Abbildungsnachweis• Archiv der Stadt Grafing: Abb. 3.• Florian Koch: German Bestelmeyer (1874-1942).

Architekt, München 2002: Abb. 6.• Eva Niederreiter-Egerer, Grafing: Abb. 9, 12, 14a-14d,

15a, 15b, 17-20.• Privat: Abb. 1, 2, 4, 5, 10, 13, 16.• Staatsarchiv München: Abb. 7, 8.• Siegfried Wameser, München: Abb. 11.

wurde gerettet und verrichtet immer noch sein Werk, heute allerdings zu ebener Erde auf dem Vorplatz der Auf-erstehungskirche.36 (Abb. 20)

worden waren, tief in den Putz gingen.3635 Im den ersten Monaten des Jahres 1972 fand schließlich der Abriss der Heilands-kirche statt.

Auch Kirchen und ihre Ausstattung sind der Mode unterworfen. Daher kamen die meisten der alten Einrich-tungsgegenstände nicht mehr in die Auferstehungskirche mit hinüber. Es wurden neue Kunstwerke gefertigt. Aber ein paar der Dinge, die an die Heilands-kirche erinnern, sind dennoch zu finden. Dazu gehört der achtseitige Kanzelfuß aus Muschelkalk. Der Gesteinsblock hing schon zum Abtransport am Kran in der Luft, als die Aktion im letzten Moment gestoppt wurde. Der Architekt Carl Behmer hatte die Idee, ihn in das Hauseck des auf dem alten Grundstück neu entstandenen Gebäudes in geringer Entfernung der alten Kirche einzumau-ern, wo er heute noch zu sehen ist. (Abb. 19) Und auch der metallene Wetterhahn

Abb. 19: Kanzelfuß im Haus Ecke Gartenstraße / Glonner Straße.

Abb. 20: Wetterhahn.

Page 125: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

248 249

Jugendlichen. Dementsprechend bot er die Schaffung einer größeren Skulptur in seinem Atelier in Straußdorf an, samt Bereitstellung des dazu notwendigen Materials. Nun fehlten nur noch einige Mitstreiter. Wer würde das Los ziehen?

Kein anderer als der allseits bekann-te und spendierfreudige Ebersberger Geschäftsmann Ludwig Margraf zog dieses Los im Gegenwert eines höheren Betrages. Der gläubige Katholik wollte damit ein Zeichen setzen und der evan-gelischen Kirche eine größere Spende zukommen lassen. Freudig überrascht über das Angebot Wörles, wollte er sich jedoch nicht selbst aktiv an der Gestaltung des geplanten Kunstwerkes

Bevölkerung bei der Heilig-Geist- Kirche, um gemeinsam die Einweihung des gerade fertig gestellten Gemeindehau-ses zu feiern. Damit ergab sich zum einen die Gelegenheit, um Geldspenden für das Gemeindehaus zu werben, zum anderen die Möglichkeit, zwischen den Teilnehmern engere Kontakte zu knüp-fen. Um beide Ziele zu erreichen, orga-nisierte Strack eine Tombola.

Die Gäste konnten auf kleinen Zet-teln den Vorschlag für eine ganz per-sönliche Leistung oder Hilfestellung für denjenigen notieren, der sein Los ziehen würde. Diese wurden mit Namen und Anschrift versehen und in eine bereit-stehende Box gelegt, aus der jeder Teil-nehmer für einen kleinen Obulus Lose ziehen konnte. Die Angebote waren höchst unterschiedlich, der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. So kam es, dass manche Besucherin und man-cher Besucher eine Einladung zum Kaf-fee zog, während sich andere über eine Fahrradreparatur, Erledigung von Haus-arbeiten, Einkäufen oder eine Einladung zu einem gemeinsamen Kino- oder The-aterbesuch freuen konnten.

An der Verlosung nahm auch der Straußdorfer Bildhauer Franz Ferdinand Wörle teil, der, trotz seiner Jugend, bereits ein über die Landkreisgrenzen hinaus anerkannter Künstler war. (Abb. 1) Ihm ging es weniger um Besorgun-gen oder die Erledigung notwendiger Hausarbeiten, sondern konkret darum, den Vorplatz der Heilig-Geist-Kirche mit einem Kunstwerk zu bereichern. Es sollte ein sinnvolles Objekt sein, eine Gemeinschaftsarbeit mit interessierten

Abb. 1: Der Künstler Franz Ferdinand Wörle. (2015)

Seit ihrer feierlichen Einweihung im Jahre 1958 zählt die Evangelisch-Luthe-rische Heilig-Geist-Kirche ohne Zweifel zu den bedeutendsten Bauwerken der Kreisstadt Ebersberg. Konzipiert und geplant von zwei Münchner Stararchi-tekten, gilt die Kirche in ihrer Schlicht-heit und Machbarkeit, was den Licht-einlass in den Innenraum betrifft, als Vorzeigeobjekt der 1960er Jahre. Hel-mut von Werz (1912-1990) gründete 1946 nach seiner Ausreise am Ende des Zweiten Weltkrieges aus Siebenbürgen / Kronstadt, ein Architekturbüro in Mün-chen, dem 1952 der aus Greifswald stammende Hochschullehrer und Archi-tekt Johann-Christoph Ottow (1922-2012) als Partner beitrat. Beide setz-ten architektonische Schwerpunkte von höchstem Rang im Münchner Stadtge-biet und darüber hinaus.

Anders als das allseits bekann-te evangelische Gotteshaus mit sei-nen wenigen, doch beachtenswerten

Kunst und Glaube

Folge 3: Franz Ferdinand Wörle (* 1952)Bildhauer und Grafiker

„Der Lebensbaum“ und sein klingendes Geheimnis

Antje M. Berberich

Kunstwerken im Inneren der Kirche, dürften Entstehungsgeschichte und Symbolik der einzigen Skulptur auf dem Vorplatz eher schwach im Bewusstsein der Ebersberger Bürger verankert sein. Das Bildwerk steht eindeutig im Schat-ten des Kirchengebäudes. Grund genug, zumindest zwei Fragen zum besseren Verständnis des Werkes zu stellen: Wie war es zur Fertigung der Skulptur, die seit 28 Jahren das Areal vor der Kirche ziert, gekommen? Was symbolisiert das Kunstwerk?

Entstehung der Skulptur

Meine Recherche ergab zunächst Folgendes: Auf Einladung des dama-ligen evangelischen Gemeindepfar-rers und heutigen Dekans Hans-Die-ter Strack und des Kirchenvorstandes versammelten sich am 8. März 1987 viele Menschen aus allen Teilen der

Page 126: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

250 251

Abb. 2: „Der Lebensbaum“ am Vorplatz der evangelischen Heilig-Geist-Kirche in Ebersberg. (2015)

beteiligen. Stattdessen dachte er an seinen 15-jährigen Sohn Bernhard als Mitwirkenden, der dadurch spielerisch zur Kunst geführt werden konnte, was sich der Vater sehr wünschte. Sohn Bernhard nahm den Vorschlag an und hatte Erfolg bei seinen Bemühungen, einige Freunde für das Projekt zu gewin-nen. Schließlich konnte Wörle vier zwi-schen 15 und 17 Jahre alte junge Men-schen begrüßen, die bereit waren ihre Freizeit gegen künstlerische Aktivität zu tauschen. Damit begann die Entste-hungsgeschichte der Skulptur auf dem Vorplatz der Heilig-Geist-Kirche.

Mit Bernhard Markgraf, Friederike Stottele, Peter Gutdeutsch und Susan-ne Mayerl freute er sich, dass diese bereit waren ihre Freizeit gegen Kunst zu tauschen. Ihre anfängliche Furcht, neben dem Meister handwerklich nicht bestehen zu können, legte sich unter der Anleitung des Künstlers so schnell, dass sich die fünfköpfige Gruppe bereits in einer ersten Besprechung darauf ver-ständigen konnte, was für ein Werk, in welcher Höhe und aus welchem Material es gefertigt werden sollte: ein Baum als Hohl-Skulptur aus Metall in knapp zwei Meter Höhe, konkret ein „Lebensbaum“, der ihnen den Weg in die Zukunft weisen möge.

Ganz fachmännisch ging es an die Erstellung eines kleinen Modells, das dem Pfarrer und dem Kirchenvorstand zur Begutachtung und zur Genehmigung vorgelegt werden musste. Ohne Abstrich wurde der Vorschlag angenommen.

Nun ging es daran, die geplante Skulptur in der gewünschten Größe

anzufertigen. Dank des Arbeitseifers aller Beteiligten entstand – trotz win-terlicher Temperaturen – innerhalb von drei Wochen ein groß dimensioniertes Werk, ein stilisierter Lebensbaum von nicht unerheblicher Aussagekraft; ein Werk, das während seiner Entstehung zu Diskussionen in der Gruppe, zu tief gehenden Gesprächen über Religion im Allgemeinen und über Kunst im Besonderen führte und somit auch die Freundschaft zwischen den fünf Betei-ligten festigte – genau so wie Pfarrer Strack es erhofft hatte.

Die jungen Künstler wussten auch, dass ihr Lebensbaum durch Witterungs-einflüsse und Korrosion bald der Ver-gänglichkeit preisgegeben sein würde. Auch das war für alle stimmig. (Abb. 2)

Bevor das Werk nach Ebersberg transportiert werden sollte, wurde die-ses noch einmal gemeinsam begutach-tet. Dabei merkten sie, dass irgendet-was noch fehlte. Ihr Werk wirkte kahl und unpersönlich; farblos. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit waren sie sich sicher und einig: auf ihrem Lebensbaum fehlte eine letzte Einbringung von eige-nen Gedanken, von Hoffnungen, von Wünschen. Es fehlte eine Botschaft, die dem Betrachter Trost und Freude brin-gen konnte. Eine Idee reifte: der Cor-pus musste bemalt werden, mit etwas Buntheit ausgestattet werden. Dafür wurde jedem der vier Jugendlichen ein Viertel der Skulptur zugewiesen, die nach eigenen Vorstellungen künstlerisch gestaltet werden durfte. So entstan-den zur Krönung des Werks die mit

Page 127: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

252 253

werden, muss aber nicht“, betont Franz Wörle. Ihm ist die Ausdruckskraft des Kreises – hier als Baumkrone konzipiert – wichtiger. Der Kreis, als Zeichen der Vollkommenheit, bündelt für ihn alle Punkte auf einer Ebene, einer Ebene, die jedem zugänglich ist. Das ist seine Botschaft. Peter Gutdeutsch wiederum sieht als zentralen Punkt ein Kreuz, das Kreuz des Christentums, das in die Voll-kommenheit des Kreises gebettet ist.

Vielleicht noch ein letzter Hinweis auf den hohen Symbolgehalt der Skulp-tur: Die deutlich voneinander unter-scheidbaren Teile befinden sich nicht auf gleicher Höhe; der eine strebt nach oben, erhebt sich über den anderen, scheint den unteren förmlich aufzufor-dern, es ihm gleichzutun, sich zu ent-wickeln, zu wachsen, gemeinsam in die Höhe, gen Himmel zu streben …

„Der Lebensbaum“ als Quelle musikalischer Inspiration

Kaum zu glauben, dass die Skulp-tur „Der Lebensbaum“ ihren Ursprung in einer einfachen Tombola hat. Das Kunstwerk ist seit seiner Einweihung ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des Vorplatzes der Heilig-Geist-Kirche, fast schon ein Wahrzeichen des Gottes-hauses, auch wenn viele es noch nicht richtig wahrgenommen haben.

Was Bernhard Margraf, Friederike Stottele, Peter Gutdeutsch und Susan-ne Mayerl zusammen mit Franz Ferdi-nand Wörle schufen, steht für Dialog,

Die Symbolik des Kunstwerkes

Die Skulptur besteht aus zwei Kreishälften, die durch leicht versetzte Dreiecke und Quadrate in sich durch-brochen sind. Während sie die Gemein-samkeit der christlichen Konfessionen visualisieren, bringen sie gleichzeitig die fortdauernde Spaltung der christlichen Kirchen zum Ausdruck; ein Befund, der in der seit vielen Jahren andauernden öffentlichen Diskussion über die Mög-lichkeit des gemeinsamen Abendmahls seine wohl augenfälligste Entsprechung hat. Dass es aus dieser Situation mögli-cherweise einen Ausweg gibt, deutet das in der Mitte der Skulptur entstandene offene Fenster an, das bereit ist, frischen Wind durchziehen zu lassen und damit den Dialog und den Austausch, die Verständigung zwischen den verschie-denen Konfessionen ermöglichen kann. Dass der Stamm des Kunstwerkes nicht sehr hoch ist, lässt sich wohl deuten als Symbol dafür, dass alle Menschen – auch die kleinsten und jüngsten – direk-ten Zugang zum durchlässigen Fenster haben, um mitzudiskutieren, sich aktiv zu beteiligen. Es ist der Wunsch, inter-aktive Kontakte zwischen allen Konfes-sionen zu erhalten und zu fördern, einen frischen Luftzug in die Problematik der manchmal zögerlichen Verständigung zu bringen.

Der fest in der Erde verankerte Lebensbaum könnte aber auch als sti-lisiertes Kreuz gesehen werden, zum Beispiel als verbindendes Objekt zwi-schen den Menschen und dem göttli-chen Himmelreich. „Kann so gesehen

ab. Doch leider ist in Schmitt-Jemüllers umfangreichen fotografischen Nachlass das Original nicht mehr auffindbar. Ein einziger Abdruck, eine schwache Kopie – gefunden im Archiv der Zeitung – doku-mentiert heute das stolze Posieren der vier jungen Künstler mit deren Mentor vor ihrem Erstlingswerk . (Abb. 3)

Bitumen aufgetragenen, symbolträchti-gen Zeichen, die bis heute noch leichte Spuren hinterlassen haben.

Kurz vor Fertigstellung des Werkes lichtete die große Ebersberger Foto-grafin Marlene Schmitt-Jemüller (* 08.07.1924 in Garmisch, † 10.04.2015 in Grafenaschau) dieses für einen Pres-sebericht in der „Süddeutsche Zeitung“

Abb. 3: In Arbeitskluft und wegen der Kälte dick vermummt präsentieren (v. r.) Susanne Mayerl, Friederike Stottele, Bernhard Margraf und Peter Gutdeutsch stolz ihre Plastik, die sie unter Anleitung des Bildhauers Franz Wörle (2. v. l.) geschaffen haben. (1987)

Page 128: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

254 255

Abb. 4: Michael Reinelt lässt den Parsifal erklingen. (2015)

mit Klängen und Tönen verbunden. Ich hörte, dass ein Ebersberger Bürger vor einigen Jahren eine ganz besondere „musikalische“ Entdeckung in Zusam-menhang mit der Skulptur gemacht hat. Ein Anruf genügte, ein Termin wurde vereinbart und ich durfte erfahren, dass mein Gegenüber ein begeisterter Wagnerianer ist und mir mit größtem Vergnügen ein bisher streng gehütetes Geheimnis preisgab.

Michael Reinelt, Lektor und als Rentner weiterhin ehrenamtlich in sei-nem Fach tätig, erzählt von seiner Lei-denschaft für Musik im Allgemeinen und von seinem Wissen über die Werke Richard Wagners im Speziellen:

„Seit meinen Kindertagen hat sich fol-gende Angewohnheit bei mir erhalten: Sehe ich eine Metallplastik, muss ich prüfen, ob ich dieser Töne entlocken kann; vorausgesetzt natürlich, dass sie innen hohl ist.So verfuhr ich vor einigen Jahren auch mit der Plastik vor der Heilig-Geist-Kirche. Und siehe: jedes der vier Elemente an dem Kunstwerk, die für die vier Orte, die zur Kirchengemeinde gehören, nämlich Ebersberg, Hohenlinden, Kirchseeon und Steinhöring stehen, hat einen anderen Ton. Sofort erkannte ich, dass, mit einem Holz in der richtigen Reihenfolge angeschlagen, gleich einem Glockengeläut, ein Thema aus dem ‚Parsifal‘ von Richard Wagner zu hören ist. Mit diesem Geläut wurden auf der Gralsburg die Gralsritter zum Gebet, zur Andacht und zum Abendmahl – angesichts des Heiligen Grals – gerufen.So steht diese Plastik am rechten Platz: oben rufen die Glocken die Gemeinde zum

Versöhnung, Ausgleich, Toleranz und Frieden. Eigentlich sollten alle Gläubi-gen diese Skulptur kennen. Und nicht nur sie.

Eng mit der Symbolik der Skulptur verbunden sind Entdeckungen, die von zwei Ebersberger Persönlichkeiten und Musikkennern an und um das Werk gemacht wurden und die erstmals an dieser vorgestellt werden: Gongschläge am Kirchenvorplatz und Richard Wag-ners Parsifal-Thema.

Monika Sauer entdeckt Gong-Töne

Monika Sauer, Organistin, Kom-ponistin, Chor- und Akkordeongrup-penleiterin, wurde morgens oft beim Vorbeigehen an der Skulptur von einem Gong-ähnlichen Klang überrascht. Die Musikerin erklärt sich diesen Ton fol-gendermaßen: Offenbar entsteht nach einer kalten Nacht im Corpus der Skulp-tur eine Spannung, die sich bei wär-menden Sonnenstrahlen am Morgen in einen schönen obertonreichen Klang entlädt. Ein erstaunliches Erlebnis, das bisher noch keinem bewusst zu Ohren kam und dessen Erklärung die Entde-ckerin nach einigen Überlegungen auf die Spur kam.

Michael Reinelt hört Richard Wagners „Parsifal“

Darüber hinaus ist der Lebensbaum auch noch in anderer Hinsicht eng

Page 129: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

256 257

Sein vorerst letztes beachtliches Gemeinschaftswerk ist der Skulpturen-weg im Ebersberger Forst, ein gern angenommener Ort der Besinnung, ein Traumpfad. Sein neuestes Vorhaben,

das den Künstler momentan voll in Anspruch nimmt, ist die Organisation und Durchführung eines Skulpturen-weges für 2015 in Grafing. Wir können gespannt sein.

Anhang

Peter Gutdeutsch erinnert sich an die Kunstaktion „Der Lebensbaum“ vor 27 Jahren:

„Da ich fast jedes Osterfest in der evangelischen Kirche in Ebersberg feiere – inzwischen mit meiner Frau und eigenen Kindern – freue ich mich jedes Mal, die Skulptur an ihrem Platz zu sehen. Es ist schön, von der Lebendigkeit der neuen Interpretation zu hören und ich denke an die spannenden, tiefgreifenden und konstruktiven Diskussionen mit dem Künstler und den Freunden. Somit kann jeder von uns mit gutem Gewissen auch von ‚seiner‘ Skulptur sprechen. Für mich vor allem wirkt das Vollkommene des Kreises, im Zentrum das Kreuz des Christentums, entstanden und sichtbar gemacht durch die Verschiebungen und Spaltungen des Vollkommenen.“

Anmerkung1 Judith Bader in ihrem Vorwort zu: Franz Ferdinand

Wörle – Skulpturen, Rosenheim 2002.

Abbildungsnachweis

• Antje M. Berberich, Ebersberg: Abb. 2, 4.• Marlene Schmitt-Jemüller, Ebersberg (†): Abb. 3.• Vinzenz Wörle, Straußdorf: Abb. 1

wenn auch manchmal nur andeutungs-weise – optische Durchlässigkeit erzeu-gen, weisen zum Thema hin.

Wörles fast filigrane „Seelenhäu-ser“ sind „bewohnt“, in sich ruhend, im Gegensatz zu seinen eher massiven „Bodentoren“, die durch senkrechte oder waagrechte Öffnungen zum Durchgehen auffordern. „Der Lebens-baum“ vor der Heilig-Geist-Kirche ist ein typisches Beispiel eines beseelten Hauses. Wörle hat in Zusammenarbeit mit jungen Menschen hier, wie kaum in einem anderen Bildwerk, eine fein-sinnige Variation zu Dreieck, Rechteck und – wer so will – Prisma geschaffen, die seiner Skulptur tiefste Symbol-kraft verleiht. Freistehend und schon „bewohnt“ scheint das Kunstwerk den Weg zum jederzeit „offenen“ Kirchen-raum davor zu weisen. Eine nichtverbale Kommunikation findet statt, die ihres-gleichen sucht.

Zahlreiche Preise zeugen von Wör-les international anerkannter Kunst. Er erhielt unter anderem den Debütan-tenpreis des Bayerischen Staates, den Kunstpreis der Stadt Ebersberg und den Förderpreis der Dr. Stocker-Kul-turstiftung Rosenheim. Mit unzähligen Ausstellungen und Beteiligungen im In- und Ausland hat der Unermüdliche sich auch als Preisrichter einen Namen gemacht.

Vermehrt bringt sich Wörle in sei-ner Region mit ständig neuen Ideen zu Ausstellungen, zu künstlerischer Perfor-mance ein; er spornt an und schafft es immer wieder aufs Neue, Künstler für ein anstehendes Projekt zu begeistern.

Gottesdienst und unten hätten wir das Glei-che, nur wusste das bisher niemand, weil ich bis zu dem Zeitpunkt, als du mich ange-sprochen hast, nur im Familienkreis darüber gesprochen habe, da dies alles so unglaubwür-dig klingt.“ (Abb. 4)

Ich konnte mich vom Gegenteil überzeugen. Eine Tonaufnahme dieses bisher unbekannten Klangerlebnisses wird angeregt.

Der Künstler Franz Ferdinand Wörle

Der Künstler wurde 1952 in Mün-chen geboren. Er studierte Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München, die er mit einem vorzügli-chen Diplom verließ. Heute lebt er als freischaffender Künstler abwechselnd in Straußdorf bei Grafing und in Irland.

Franz Wörles bevorzugtes Material ist Stahl, ein korrodierender Werkstoff, der modern ist, gleichzeitig jedoch durch die rostige Oberfläche eine archaisie-rende Wirkung erzielt. Seine Skulpturen sind von architektonischer Strenge, die „den numinosen Aspekt als nicht religi-onsgebundene Kultstätte streifen, aber auch kühl die Grundfragen menschli-cher Existenz wie Verortung im Raum, Kommunikation und Vergänglichkeit anhand und mit Hilfe der Formen und des Materials reflektieren.“1

Die Grundform seiner Plastiken bestimmt der Kubus. Schnörkellose geo-metrische Formen, die durch senkrechte und waagerechte Kerben oder Luken –

Page 130: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

258 259

bevor wir schließlich unser Latein-Projekt angehen konnten. Projektorientiert ar-beiten hieß konkret, gemeinsam an der Realisierung eines selbst gesteckten Ziels mitzuwirken und dabei die Grundlagen des Projektmanagements anzuwenden. Also wählten wir zwei Projektmanager, deren Aufgabe es sein sollte, alle Fäden in den Händen zu halten und somit den Überblick darüber, wer mit wem was bis wann zu erledigen hatte. Nach der Zielde-finition galt es, einen Projektstrukturplan zu erstellen, in dem die gesamte Projek-tarbeit in sogenannte Arbeitspakete auf-geteilt wurde. Anschließend klärten wir, wer von uns welche Aufgabe übernehmen

sollte. Dazu zählte nicht nur die Bildung der „Übersetzungs-“ und „Kulturteams“, sondern auch die Ernennung einer Kon-taktperson für die externen Partner, eines Protokollanten und eines Moodle-Be-treuers. Schließlich erhielt alles in einem Meilensteinplan eine zeitliche Kompo-nente. Unsere „Kick-off-Veranstaltung“ planten wir in der Kreisdokumentation des Landkreises Ebersberg. (Abb. 1) Die dortigen Mitarbeiter, Monika Riederer und Fritz Staffe gaben uns interessante Einblicke in die Bestände der Dokumen-tationsstelle. Von ihnen erhielten wir auch die Digitalisate der drei Handschrif-ten, die uns in den kommenden Wochen

Kick-off-Veranstaltung in der Kreisdokumentation des Landkreises Ebersberg.

uns auf das Wagnis ein, Geheimnisse in lateinischen Urkunden zu erkunden, und begaben uns damit auf eine Spurensu-che im Landkreis Ebersberg. Schließlich war es doch ein wenig verlockend, Latein so kennen zu lernen, wie es tatsächlich einmal in Gebrauch war – jenseits von Grammatik, Wortkunde und Formen-paukerei. Und es hat sich gelohnt! Doch zunächst bedurfte es eines Umwegs: Vom Wörterbuch zum Projektmanagement und zurück ...

P-Seminar Latein – zwischen Wörterbuch und Projektmanagement

Seminarteilnehmer eines P-Seminars zu sein, war eine neue Erfahrung. Zuerst durchliefen wir eine Phase der allgemei-nen Berufs- und Studienorientierung,

Geheimnisse in lateinischen Urkunden – zur Idee des Projekts

Die Idee zum Seminar „Geheimnisse in lateinischen Urkunden“ hatte unser langjähriger Lateinlehrer Tobias Scheller. Er sagte, er sei als Enkel des Ortschro-nisten seiner Heimatgemeinde Oberpf-rammern schon früh mit Urkunden und deren geschichtsträchtigen Inhalten in Berührung gekommen; er sagte, er fän-de es irgendwie spannend, wie sich Wort um Wort und Zeile für Zeile immer neue Erkenntnisse und Wendungen auftäten, bis sich schließlich einzelne Puzzleteile zu einem großen Gesamtbild zusammen-fügten; er sagte, es mache Spaß, an ein-zelnen Worten zu tüfteln – so lange bis sich endlich ein sinnvoller Inhalt ergäbe ... Anfangs verstanden wir nicht alles, was er meinte, und dennoch ließen wir

Mitteilungen und Notizen

P-Seminar Latein „Geheimnisse in lateinischen Urkunden“

Kirchseeoner Gymnasiasten auf „Spurensuche im Landkreis Ebersberg“

Simon Brunner / Leonhard Baumgartner

Page 131: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

260 261

Ende“. Besonders in diesen Phasen wa-ren wir auf den externen Rat eines Exper-ten angewiesen, den wir in dem Histori-ker und Vorsitzenden des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V. Bernhard Schäfer fanden. Mit seiner Hil-fe konnten wir fast alle Lücken schließen, die bei Transkription und Übersetzung noch geblieben waren.

Jetzt ging es ans Layout der Ausstel-lung und an die Veröffentlichung der Transkription, der Übersetzung und der historischen Kontextualisierung. (Abb. 2) Alle Ergebnisse wurden zusammenge-führt. Das Wörterbuch konnten wir nun zwar getrost beiseite lassen. Das richtige Arrangement aus Text und Bildern zu finden, war jedoch auch eine neue Auf-gabe für uns, bei der wir noch viel lernen konnten.

Wir wollten nicht aufgeben. Dank der vielen Stunden, die wir investierten und dank der vielen Ratschläge und Aufmunterungen, die wir dabei erfah-ren durften, haben wir es schließlich ge-schafft. Die Ausstellung mit unseren Er-gebnissen präsentierten wir zum ersten Mal am 5. November 2014 im Rahmen des 2. Dialogforums zur „Bildungsregi-on Landkreis Ebersberg“ und anschlie-ßend noch einmal im Foyer des Landrat-samtes. Auch hier waren wir auf externe Partner bei der Organisation angewie-sen, die wir vor allem im Bildungsma-nagement des Landratsamtes fanden. Unsere Abschlusspräsentation hielten wir, im Beisein des Landrats Robert Nie-dergesäß, im Landratsamt Ebersberg ab. (Abb. 3) So wurde unser Projekt dort abgeschlossen, wo es begann.

Erfahren Sie nun unser Ergebnis, das auch in Form einer 25-seitigen Veröf-fentlichung vorliegt, die wir mit freund-licher Unterstützung der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg in Druck geben konnten und die für Interessierte beispielsweise in der Kreisdokumentati-on einzusehen ist.

Spurensuche im Landkreis Ebersberg – zum Inhalt der Handschriften

„WANDERER LEBE WOHL! STEH HIER UND SIEH!“, so endet die letzte der drei transkribierten und übersetz-ten Seiten. Vielleicht waren sie einmal am Rande eines Weges aufgehängt, der am Kloster Ebersberg vorbeiführte – wir wissen es nicht sicher. Gewiss ist jedoch, dass es keine guten Nachrichten waren, die der Schreiber dem Leser darin prä-sentierte und mit „NOT. VAE“ über-

Ausstellung im Foyer des Landratsamts Ebersberg.

wie Amts-, Zeit- und Ortsangaben, die einer näheren Betrachtung bedurften. Es folgten immer wieder Zwischenprä-sentationen der Kleingruppen vor dem Seminar und anschließend erneute Überarbeitungsphasen.

Unseren Lehrer, Herrn Scheller, er-nannten wir bei alledem zum Beobachter und zu unserem persönlichen Berater, den wir auch brauchten; denn in den Do-kumenten ging es weder um politische Reden, noch um Kriegsberichte oder Liebesgedichte, wie wir sie aus der Schu-le kannten, und so waren wir zum Teil sprichwörtlich „mit unserem Latein am

und Monaten beschäftigen sollten und deren Inhalt für uns damals noch ein Ge-heimnis war, das es zu entschlüsseln galt. Nun konnte es also losgehen ...

Je eine Gruppe mit vier Schülern machte sich daran, die teils schwer leser-lichen oder gar verderbten Handschrif-ten in Reinschrift zu bringen. Nachdem dies so gut als möglich abgeschlossen war, nahmen sich die Latein-versierteren Seminarteilnehmer der transkribierten Schriften an, um sie zu übersetzen und dem „Kulturteam“ die Fragen zu souf-flieren, die es inhaltlich zu klären galt. Schließlich waren da etliche Namen so-

Arbeit am Layout der Präsentation des Projekts.

Page 132: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

262 263

Zweite Schreckens-nachricht zum Jahr 1781.

schrieb. „Not.“ als „notitia“ und da-mit als „Notiz“ oder als „Nachricht“ zu identifizieren, fiel uns noch recht leicht, doch „vae“ ... ? Das kannten wir lediglich als Ausspruch des Heer-führers Brennus: „Vae victis!“, „Wehe

den Besiegten!“, rief er den unterlegen Römern zu. Doch was soll „Wehe-Notiz“ bedeuten? Herr Scheller hatte uns gewarnt – das Tüfteln ging los und schließlich entschieden wir uns für „Schreckensnachricht“.

Erste Schreckensnachricht zum Jahr 1773.

Page 133: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

264 265

Die erste Schreckensnachricht fällt auf den 31. August 1773. (Abb. 4) Das Kloster Ebersberg war zu dieser Zeit eine Ordensniederlassung der Jesuiten. Der Orden wurde in diesem Jahr allerdings vom Papst aufgelöst und damit nahm auch das Schicksal für die Jesuitennieder-lassung in Ebersberg seinen Lauf: Richter und Beamte des Kurfürsten stürmten in das Schlafgemach des Ordensvorstehers und entzogen ihm die Macht über das Kloster und seine Besitztümer. Überra-schend war für uns die emotionale und pathetische Schilderung der Ereignisse: Die Bulle wurde in geradezu theatrali-scher Art und Weise vorgetragen – den Patres blieb wörtlich jedes Wort im Hal-se stecken. Die Mitglieder des Jesuitenor-dens mussten das Kloster schließlich bis auf wenige Ausnahmen verlassen.

Die zweite Schreckensnachricht re-kurriert auf ein Ereignis am 20. Mai 1781. (Abb. 5) Das Kloster brannte. Der Brand wurde durch eine beträchtliche Menge Getreide, das im Kornspeicher gelagert war, zusätzlich angefacht. Auch mehrere wertvolle Gegenstände waren vom Brand bedroht, darunter die berühmte Hirn-schale des Heiligen Sebastian. Es gab Tote und Verletzte. Bei stärkerem Wind hätte das Feuer auch auf andere Häu-ser übergreifen können, was die Gefahr für jeden einzelnen Bewohner des Ortes noch einmal zusätzlich erhöhte. Stau-nend blickten wir auf deutsche Worte inmitten der lateinischen Urkunde. Doch mussten wir – ebenso wie bei den latei-nischen Worten – recherchieren, um he-rauszufinden, was sie meinten, was also

etwa eine „Schrepferei“ war und was es bedeutete, das Getreide „auf der Dürr“ zu lagern. Herr Schäfer konnte helfen. Als Randnotiz des Dokuments erfuhren wir, dass auch im Ebersberger Kloster Bier ge-braut wurde.

Auf der dritten, kürzesten und letz-ten Seite der Handschrift sind sogar zwei Schreckensnachrichten zu finden: Zum einen ist zu lesen, wie Graf Friedrich von Flachslanden am 22. September 1781 das abgebrannte Kloster für den Malte-serorden in Besitz nahm. Der das Doku-ment verfassende Priester reagiert emo-tional und pathetisch: Er wendet sich – beinahe im Klageton – hilfesuchend an Gott. Zum anderen heißt es, dass Johan-nes Michael Dollmann, ein ehemaliger Jesuit, der fast 38 Jahre lang in Ebersberg Vikar war, aufgrund freiwilligen Verzichts mit einer festgelegten Pensionszahlung in Frieden entlassen wurde.

Auch wenn manche Ungewissheit in Transkription und Übersetzung bleibt, eine Sache ist sicher: Es hat durchaus ei-nen Reiz, sich mit Geschichte(n) zu be-fassen, die unmittelbar vor unserer Haus-türe geschehen ist / sind. Der besondere Reiz unseres Projekts lag aber darin, diese Geschichte(n) im Original zu entdecken und nicht nur in Geschichtsbüchern da-von zu lesen.

Abbildungsnachweis• Gymnasium Kirchseeon, P-Seminar Latein, • Abiturjahrgang 2013/15: Abb. 1-3.• Kreisdokumentation des Landkreises Ebersberg:

Abb. 4-6. Dritte und vierte Schreckensnachricht zu den Jahren 1781 und 1783.

Page 134: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

266 267

Kinder“ oder des Herrgotts von Heili-genstatt als auf die der Muttergottes oder des Heiligen Leonhard vertraut ha-ben? Wir werden es wohl nie ergründen, zumal die Hofchronik keinerlei Informa-tionen dazu liefert.

Aber ebenso außergewöhnlich wie der Ort der Zuflucht und des Gelöb-nisses ist auch die „Votivtafel“, da man üblicherweise eine mehr oder weniger kunstvoll gemalte Szene auf Holz oder Blech mit dem knienden Bittsteller, um-geben vom betroffenen Vieh, erwarten würde, wie sie noch heute an großen und kleinen Wallfahrtsorten vorherrschend sind. Stattdessen ist die Danksagung in eine Kelheimer Platte gemeißelt, wobei der vierzeilige Text schwarz hervorge-hoben ist und die freien Flächen durch schwungvolle Ornamente gefüllt sind.4 Im oberen Drittel sind in einem vertieften Feld, das der Tafelform folgt, zwei Pfer-de herausgearbeitet, die einander gegen-überstehen und die linken beziehungs-weise rechten Vorder- und Hinterbeine gleichzeitig heben. Der Hintergrund war kobaltblau ausgemalt, sodass angenom-men werden kann, dass auch die Tiere farbig hervorgehoben waren, zumal auch am unteren Rand der Platte Reste einer roten Bemalung in Form eines Dreiecks zu sehen sind.

Die Anfertigung dieser Danksagung in Stein war sicherlich nicht nur kost-spieliger als die üblichen „Taferl“, die lokale Maler fast schablonenhaft und serienmäßig hergestellt haben, sondern stellte auch hinsichtlich des Transports eine Herausforderung dar. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass Sebastian

Maierbacher diesen schweren Stein in einer Kraxe bis nach Heiligenstatt getra-gen hat. Vielleicht hat er ihn mit einem Pferdegespann nach der Gesundung sei-ner Tiere dorthin gebracht oder gar bei einem Steinmetz vor Ort in Auftrag ge-geben. Im Prinzip muss ja wohl von zwei Besuchen des Brixl in Heiligenstatt aus-gegangen werden: Zunächst hat er um die Heilung seiner Pferde gebetet und nach der Erfüllung seiner Bitte geraume Zeit später die schuldige Danksagung erbracht. Leider gibt es kein Mirakel-buch zur Heiligenstatter Wallfahrt, das Informationen über diese eher seltene Votivgabe bieten würde.

Anmerkungen1 Sebastian Mayerbacher, * 12.05.1796, † 28.11.1867,

verh. seit 06.02.1826 mit Barbara Daberger, * 06.08.1791 in Tulling, † 19.03.1861 in Sensau. Die Hofgeschichte von Hs. Nr. 7 in Sensau, Hofname Brixl, lässt sich bis ins Jahr 1507 zurückverfolgen. Für die freundliche Mitteilung habe ich dem derzeitigen Hofbesitzer Alois Obermaier herzlich zu danken.

2 Birkmaier, Willi: Dem hl. Leonard hechsten Danckh – Das Mirakelbuch von Ramerberg, in: Heimat am Inn 14/15 (1994/95), S. 195-252.

Auf die Verehrung des Heiligen Leonhard in Grafing mit der noch alljährlich stattfindenden Leonhardi-fahrt muss nicht eigens eingegangen werden.

3 Die Wallfahrt nach Heiligenstatt beziehungsweise deren Kirche geht auf einen mittelalterlichen Hos-tienfrevel zurück und feierte das Patrozinium an Fronleichnam. Später wurde auch ein Kreuz verehrt, dessen Haare angeblich nachwuchsen. Seit 1721 exis-tiert eine Fußreliquie eines „Unschuldigen Kindleins“, welche die bestehenden Ziele der Verehrung überla-gerte. Das Patrozinium wird heute am 28. Dezember, dem Fest der Unschuldigen Kinder, gefeiert.

Für Hinweise und Daten zur Votivplatte habe ich Herrn Hannes Roth vom Heimatbund Tüßling herz-lich zu danken.

4 Die Platte ist am südlichen Chorbogenpfeiler in die Wand fast bündig eingemauert und zusätzlich oben und unten durch einen Eisenhaken gesichert. Die Maße sind 28 x 28 Zentimeter, wobei den oberen Abschluss ein Segmentbogen bildet.

Abbildungsnachweis

• Hannes Roth, Tüßling.

Dabei hätte es Sebastian Mayer-bacher1 sicher einfacher gehabt, sich in Viehnöten an den üblichen Patron Sankt Leonhard zu wenden, dessen nächstgelegene Wallfahrtsorte doch in Grafing und Ramerberg2 gleichsam vor der Haustüre liegen. Stattdessen ist Heiligenstatt eine Wallfahrt zu den „Un-schuldigen Kindern“ und liegt zudem nur circa 6 Kilometer von Altötting, dem größten Gnadenort Altbayerns, entfernt.3 Warum also nicht gleich Al-tötting, das in Sichtweite von Heiligen-statt liegt? Oder sollte der Bauer den weiten Weg von Sensau aus nicht mehr bis dorthin geschafft haben? Oder sollte er mehr auf die Hilfe der „Unschuldigen

Eine Votivtafel weitab vom Wohnort des Stifters? – Diese Frage mag man sich stellen, wenn man die ungewöhnliche Votivtafel betrachtet, die ein Votant aus Sensau, Gemeinde Steinhöring, Land-kreis Ebersberg, in die Wallfahrtskirche Heiligenstatt, Gemeinde Tüßling, Land-kreis Altötting, gestiftet hat:

„Im Jahre 1843 verlobte sich hieher

wegen Krankheit sei /ner Pferde Sebastian Mayerbacher

Brixl von Sen /sau Landgerichts Ebersberg

und hat Hilfe erlangt. /Gott sey ewiger Dank gesagt.“

Warum in die Ferne schweifen, wenn die Hilfe doch so nah?

Ferdinand Steffan

Votivtafel des Sebastian Maierbacher von Sensau in der Wallfahrtskirche Heiligenstatt.

Page 135: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

268 269

Linck, Roland: Geophysikalische Unter-suchungen im Bereich des Erdstalls von Doblberg liefern Nachweis für dort be-findliche ehemalige Kirche, in: Der Erd-stall 39 (2013), S. 6-10. M. f. u. s.-w. Abb.

Nationalsozialismus im Landkreis Ebersberg – Menschen, Alltag und Vereine, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum der Stadt Gra-fing, hg. v. P-Seminar Geschichte d. Ab-iturjahrgangs 2013/15 am Gymnasium Grafing, Grafing (Selbstverlag) 2015. 32 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. Kostenlos

900 Jahre Markt Schwaben. 1115-2015, Festschrift, hg. v. Verein Heimat-museum Markt Schwaben e.V., Markt Schwaben (Selbstverlag) 2015. 16 S. m. f. u. s.-w. Abb. Kostenlos

Schäfer, Berthold: Wieser Elektro – 100 Jahre Firmengeschichte (1914-2014), Festschrift, Frauenneuharting (Wieser Elektro) 2014. 39 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. Kostenlos

Skasa, Michael (Hg.): Nix gehabt – und so viel erlebt. Zwei Dutzend Gra-finger erzählen von den wilden Jahren gleich nach dem Krieg, München (Jung

GmbH) 2014. 206 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. ISBN 978-3-9816916-0-3 Euro 15,00

Staudter, Günter: Baiern in Bayern. Ein Heimatbuch, Baiern (Gemeinde Baiern) 2014. 544 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. Euro 60,00

Ziller, Martin / Voglsinger, Martin / Kastenmüller, Hans: Aßlinger Gewerbe im Wandel, Begleitbuch zur Ausstellung Februar 2015, Aßling (Heimatverein Aß-ling e.V.) 2015. 274 S. m. zahlr f. u. s.-w. Abb. Euro 35,00

Gelting (Pfarrei Mariä Himmelfahrt) 2014. 542 S. m zahlr. s.-w. Abb. ISBN 978-3-00-046261-0 Euro 35,00

Krammer, Markus: G’schichten aus Ebersberg, Bd. 4, Ebersberg (K. Schmid-le Druck und Medien GmbH) 2014. 389 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. ISBN 978-3-00-046747-9 Euro 39,90

Land um den Ebersberger Forst. Bei-träge zur Geschichte und Kultur. Jahr-buch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V. 16 (2013), hg. v. Historischen Verein für den Landkreis Ebersberg e.V., Haar bei München (Verlag Lutz Garnies) 2014. 203 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. ISBN 978-3-926163-78-3 Euro 18,90

150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Gra-fing (1864-2014), Festschrift, hg. v. d. Freiwilligen Feuerwehr Grafing, Grafing bei München (Selbstverlag) 2014. 50 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. Kostenlos

100 Jahre Katholisches Frauen- und Mütterbündnis Grafing 2014, hg. v. KFMB Grafing, Grafing (Selbstverlag) 2014. 22 S. m. s.-w. Abb. Kostenlos

Geheimnisse in lateinischen Urkunden. Spurensuche im Landkreis Ebersberg, hg. v. P-Seminar Latein d. Abiturjahr-gangs 2013/15 am Gymnasium Kirch-seeon, Kirchseeon (Selbstverlag) 2014. 23 S. m. f. Abb. Kostenlos

Huber, Hans: Das Adelsgeschlecht der Pienzenauer auf Wildenholzen und die Schlosskapelle St. Andreas, Bruck (Kir-chenverwaltung Bruck) 2014. 92 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. Euro 5,00

Jahrbuch des Vereins für Heimatkunde Kirchseeon 11 (2014), hg. v. Verein für Heimatkunde Kirchseeon e.V., Kirchsee-on (Selbstverlag) 2015. 117 S. m. zahlr. f. u. s.-w. Abb. Euro 16,00

Kneißl, Willi: Plieninger Hofgeschich-ten, mit Pliening, Ottersberg, Unter-spann und Gigging, (Unsere Heimat 4),

Hinweise

Neues heimatkundliches Schrifttum

Page 136: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

270 271

Regina Klie, EbersbergWilli Kneißl, GeltingErhard Knoop, EbersbergDr. Eduard Koch, JakobneuhartingGünther Koch, VaterstettenKlaus Koeck, EbersbergMarkus Krammer, EbersbergKreisbildungswerk Ebersberg e.V.Kulturverein Markt Glonn e.V.Landkreis EbersbergIrmgard und Josef Lang, EbersbergErna Lechner, NiclasreuthDr. Tobias Leingärtner, RegensburgKarin Leonhardt, BaldhamSibylle Liesk, GrafingBalthasar Lohmeyer, UnterlaufingFranz Ludl, JakobneuhartingAnna und Reinhold Ludwig,

Markt SchwabenPeter Maicher, ZornedingAndrea und Michael Maier, AßlingHermann Maier, Grafing-BahnhofHermann Maier, KirchseeonMarktgemeinde Markt SchwabenRobert Massar, EbersbergHerbert Mathä, ZornedingRichard Matuszewski, ZornedingDr. Gottfried Mayr, Bad AiblingDr. Ernst und Hannelore Meineke,

ErdingIngeborg Mertens, EbersbergGermana und Helmut Metzeler,

EbersbergDr. Adalbert und Johanna Mischlewski,

GrafingGemeinde MoosachMartin Moosmeyer, LohenHelmut Moritz, SchammachMichael Müller, EbersbergJosef Niedermaier, Kronau

Winfried Freitag, MünchenFranz Frey, GrafingLutz Garnies, HaarRudolf Gerer, GlonnMarktgemeinde GlonnDr. Hans Gnahn, EbersbergIngrid Golanski, GrafingStadt Grafing bei MünchenKarolina Grasser, HohenlindenThomas Grundmann-von Holly,

SteinhöringFranz Gschwendtner, JakobneuhartingWerner Gutdeutsch, EbersbergLudwig und Ursula Haffner, EbersbergElisabeth Hamel, EbersbergDr. Karl Haushofer, Markt SchwabenGertrud und Heinz Hecht, EbersbergHeimatkundekreis Zorneding e.V.Heimatverein Wasserburg am Inn e.V.Siegfried Herfurt, GrafingIngrid Herz, Markt SchwabenHistorischer Verein für Bad Aibling und

Umgebung e.V.Anneliese Hindelang, OberndorfGemeinde HohenlindenJosef Hollerith, AnzingHeidi HöferHeinrich Hölzle, GrafingAnton Huber, GeltingHans Huber, TaglachingHermann und Jacqueline Huber,

GrafingThomas Huber, GrafingWerner Hubert, EbersbergChristine und Peter Hübner, GrafingBirgit und Siegfried Jocher, GrafingBrigitte Keller, LindachProf. Dr. Reinhard und Dr. Waldtraut

Kennel, KirchseeonAlois Kleinmaier, Grafing

Dr. Gabriele Bartsch, EdlingStefan Bauer, EbersbergElisabeth Baumgarten, EbersbergHildegard Baur, JakobneuhartingDr. Wolfgang Beer, GrafingGertrud Beham, GrafingAntje M. Berberich, EbersbergManfred Bergmeister, EbersbergKlaus Berninger, GlonnAnneliese und Karlheinz Berwig,

EbersbergDr. Burkhard Bietau, ZornedingHans Binsteiner, HolzenGudrun Bosch, GrafingMagdalena Brand und Gerhard

Grießmayr, Markt SchwabenZeno Brandl, PlieningBärbel Braun, VaterstettenWalter Brilmayer, EbersbergAnne und Fritz Brosig, GrafingMatthias Brosig, GrafingMarkus Bürgmayr, SteinhöringKarin Clark, EbersbergCzech Franz, HohenlindenGero Daleiden, TervurenGerhard Eberl, EbersbergHermann Eberle, Ebersberg

Stadt EbersbergWolfgang von Eichborn, GmaindFritz und Ingeborg Eichhorn, AßlingMichael Eichner, GrafingIngeborg Erlenbauer-Hentze, ZornedingGottlieb Fauth, BaldhamAnna Federauer, StraußdorfGemeinde ForstinningGemeinde Frauenneuharting

Historischer Verein für den Landkreis Ebersberg e.V.

Tegernauer Straße 1583553 FrauenneuhartingTelefon: 08092 / 336373Telefax: 08092 / 336374E-Mail: [email protected]: www.ebersberger-historie.de

Vorstandschaft

1. Vorsitzender: Bernhard SchäferStellvertretende Vorsitzende: Dr. Rotraut Acker Eva Niederreiter-EgererSchriftführerin: Ingrid GolanskiSchatzmeisterin: Anja Renata Walz

Mitglieder

Dr. Rotraut und Udo Acker, GrafingRichardis Ahammer-Schwenger,

HohenthannDieter Ahlborn, GraßMax Aman, TullingAndreas Ametsbichler, GindlkofenIrmtraud Anhalt, EbersbergGemeinde AnzingArbeitsgemeinschaft für Heimatkunde

Grafing e.V.Gemeinde AßlingMartina und Michael Augustin, AnzingGemeinde Baiern

Vereinschronik 2014

Page 137: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

272 273

Veranstaltungen

1. Februar 2014Der Historische Verein für den Landkreis Ebersberg e.V. besichtigt die im Ebers-berger Museum Wald und Umwelt ge-zeigte Sonderausstellung „Nachhaltigkeit – ein moderner Leitbegriff feiert 300. Ge-burtstag“. Die Führung übernimmt Dr. Madeleine Oelmann, Forstinning.

4. Februar 2014Historische Runde im Gasthaus „Alte Post“ in Ebersberg. Der Vereinsvorsitzen-de Bernhard Schäfer spricht über „Das Grafinger Haberfeldtreiben von 1863“.

19. März 2014Der Archäologe Dr. Hans Peter Uenze, Vaterstetten, hält im Museum der Stadt Grafing einen Lichtbildervortrag zum Thema „Zur Frühzeit der Dörfer in der Gemeinde Vaterstetten“. 1. April 2014Historische Runde im Gasthaus „Alte Post“ in Ebersberg. Der Vereinsvorsitzen-de Bernhard Schäfer informiert über das Thema „1200 Jahre Schammach“.

10. Mai 2014Der Historische Verein für den Land-kreis Ebersberg e.V. besucht die im Markt Schwabener Franz-Marc-Gymna-sium präsentierte Ausstellung „Vergesse-ner Widerstand in Markt Schwaben und Umgebung (1933-1945), Teile 1-6“. Ge-führt werden die Teilnehmer der Veran-staltung vom langjährige Projektleiter,

Traudl Voith, EbersbergHans Vollhardt, EbersbergManfred Wagner, GrafingAnja Renata und Volker Walz, GrafingFriedrich Wamsler, MünchenMargit Wegemann, GrafingDr. Inge Weid, BruckhofElisabeth Weigl, StraußdorfAnton Weilhammer, GrafingGeorg und Elisabeth Weilnböck,

GrafingDr. Franz Weinfurtner, EbersbergMarlene Weininger, TraxlRobert Weininger, EbersbergChristel Weiske, EbersbergAnton Graf von Wengersky, ElkofenBernhard, David und Gisela Winter,

Markt SchwabenDr. Eleonore Wintergerst, EbersbergMaria und Siegfried Wögerer, GrafingFlorian Wörner, EbersbergHelmut Wohner, EbersbergAnton Wolf, EbersbergDr. Florian Wüsten, EbersbergMartin Ziller, Dorfen

Abgänge: 4Zugänge: 8Gesamtmitgliederzahl: 212

(Stand: 31.12.2014)

Bernhard Schechner, EbersbergErich Schechner, GrafingMartin und Rosa Schimpf, NeufarnUlrich Schlegel, EbersbergBrigitte Schliewen, VaterstettenAnna Schmid, GrafingHans und Magda Schmidmaier,

VaterstettenAnnegret und Karlheinz Schmidt-Roepke,

EbersbergDr. Hans Leonhard Schneider,

EbersbergErika Schnell, FrauenneuhartingWolfgang Schubert, PoingGeorg Schuder, EbersbergHerbert Schütze, EbersbergKathrin und Thomas Schuster,

EbersbergGeorg Schweiger, BaldhamSegismundo Schweiger, GrafingDr. Wilfried Seidelmann, EbersbergJohann Sichler, KirchseeonJosef Singer, HungerbergReinhold Sporer, EbersbergPankraz Spötzl, EmmeringMartin Stahhuber, GrafingGabriele Staudigl, FrauenneuhartingGünter Staudter, UnterhachingProf. Dr. Hans Steinbigler, PoingGemeinde SteinhöringChrista Stewens, AngelbrechtingJoachim Taubert, EbersbergCaroline Thewalt, GrafingAlois Uhl, GrafingGemeinde VaterstettenVerein Heimatmuseum Markt Schwaben

e.V.Dr. Klaus Vogt, Markt SchwabenHartmut und Klothilde von Voigt,

Grafing

Max Niedermeier, SteinhöringEva Niederreiter-Egerer und Reinhard

Egerer, GrafingMaria Obermaier, GrafingHans Obermair, GlonnRudolf Obermayr, BerghofenGemeinde OberpframmernDr. Madeleine Oelmann, ForstinningElisabeth und Max Oswald, GrafingFranz Oswald, GrafingFranz und Irmgard Otter, EbersbergSebastian Otter, EbersbergGottfried Pasour, EbersbergWolfram Patschky, GrafingRobert Pawlowski, Markt SchwabenReinhard Pecher, EbersbergLilo Pfeiffer, GrafingAnton Pfluger, ZornedingRudolf Pilzweger, EbersbergMichael Pleyer, Bad AiblingGemeinde PlieningHelga-Marlene und Dr. Helmut Pölcher,

EbersbergGemeinde PoingMichael Pollak, EbersbergJohann Preimesser, SteinhöringDr. Rea von Raben, EichbichlTheresa Ranzinger, SteinhöringMax Graf von Rechberg, UnterelkofenGeorg Reitsberger, VaterstettenGeorg Reupold, GlonnHeinz Richter, HohenlindenDr. Burkhard Roselieb, EbersbergGertrud und Wolfgang Rückl, GrafingPeter Rüth, Markt SchwabenBernhard und Irene Schäfer, SteinhöringBerthold Schäfer, JakobneuhartingBrigitte Schäfer, JakobneuhartingRudolf Scharl, EbersbergHelmut Schaumberg, Grafing

Page 138: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

274 275

2. Dezember 2014Historische Runde im Heimatmuseum Markt Schwaben. Der 1. Vorsitzende des Vereins Heimatmuseum Markt Schwa-ben e.V., Bernd Romir, stellt die Jahres-ausstellung und das anstehende Jubilä-um „900 Jahre Markt Schwaben“ vor.

12. November 2014Der Ebersberger Kreisheimatpfleger Mar-kus Krammer referiert im Hermann-Be-ham-Saal des Landratsamtes Ebersberg über „Das Sperrholzwerk Ebersberg Kurt Rohde“.

Die Teilnehmer der Exkursion nach Regensburg im Hof des Schlosses Thurn und Taxis.

Foto

: Ire

ne S

chäf

er, S

tein

hörin

g

22. bis 24. August 2014Der Historische Verein für den Landkreis Ebersberg e.V. begibt sich im Rahmen einer dreitägigen Studienfahrt nach Re-gensburg, um dort die Landesausstel-lung „Ludwig der Bayer – Wir sind Kai-ser“ zu besichtigen. Auf dem Programm stehen ferner bei der Hinfahrt die Ebers-berger Klostergründung Geisenfeld, der Hazzi-Geburtsort Abensberg und das Weltkulturerbe-Kloster Weltenburg, in der einstigen Reichstadt selbst der Dom Sankt Peter und das Schloss Thurn und Taxis sowie auf der Rückfahrt das Kel-ten-Römer-Museum Manching.

14. September 2014Der Historische Verein für den Land-kreis Ebersberg e.V. besichtigt anläss-lich des Tages des offenen Denkmals, der unter dem Leitthema „Farbe“ steht, die Marktkirche Zur Allerheiligsten Drei-faltigkeit in Grafing. Die Führung über-nimmt der Grafinger Archiv- und Muse-umsleiter Bernhard Schäfer.

7. Oktober 2014Historische Runde im Gasthaus „Alte Post“ in Ebersberg. Heidemarie Seibert, Moosach, gibt als Projektleiterin einen Bericht über das Entstehen des neuen Moosacher Heimatbuches.

29. Oktober 2014Der Geschichtsforscher Rudolf Scharl, Ebersberg, hält im Sitzungssaal des Ebers-berger Rathauses einen Lichtbildervor-trag über „Die frühmittelalterliche Wehr-anlage von Haselbach bei Ebersberg“.

Geschichtslehrer und Ausstellunskurator Oberstudienrat i. R. Heinrich Mayer, Mün chen.

14. Mai 2014Der Geschichtsforscher und Buchau-tor Alois Uhl, Grafing, referiert in einem Lichtbildervortrag zum Thema „Die Ti-roler Künstlerfamilie Vicelli, ihr Wir-ken in Bayern und ihre Nachfahren im Ebersberger Raum“. 3. Juni 2014Historische Runde im Gasthaus „Alte Post“ in Ebersberg. Die Stellvertretende Vereinsvorsitzende Eva Niederreiter-Ege-rer M.A. spricht über das Thema „Die frühere evangelische Kirche in Grafing und ihre Künstler“.

8. Juli 2014Im Hermann-Beham-Saal des Landrat-samtes Ebersberg findet die Jahreshaupt-versammlung des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e.V. statt. Daran anschließend stellt die Schriftstel-lerin Viktoria Schwenger, Hohenthann, den 16. Band des vereinseigenen Jahrbu-ches „Land um den Ebersberger Forst. Beiträge zur Geschichte und Kultur“ vor.

5. August 2014Historische Runde im Gasthaus „ Alte Post“ in Ebersberg. Die Kunsthistorikerin Brigitte Schliewen M.A. und der Archäo-loge Dr. Hans Peter Uenze, beide Vater-stetten, berichten über das Ende der Brennereien in der Gemeinde Vaterstet-ten.

Page 139: Land um den Ebersberger Forstebersberger-historie.net/assets/jb_17_web.pdf(Foto: Brigitte Schliewen, Vaterstetten) Umschlagrückseite: Wappen des Dr. Karl Ritter von Grundner, Schlossherrn

276 277

Mitarbeiter dieses Bandes

Leonhard BaumgartnerAbiturientSarreiterweg 385560 Ebersberg

Antje M. BerberichLeiterin des Stadtarchivs EbersbergMarienplatz 185560 Ebersberg

Simon BrunnerAbiturientAm Kleinfeld 585614 Kirchseeon

Willi KneißlKonrektor i. R.Am Urtel 885652 Pliening

Peter MaicherDirektor des Bayerischen Landtags a. D.St. Martin-Straße 1985604 Zorneding

Dr. Gottfried MayrHistorikerEugen-Belz-Straße 3483043 Bad Aibling – Willing

Eva Niederreiter-Egerer M.A.HistorikerinGanghoferstraße 1185567 Grafing bei München

Rudolf ScharlGeschichtsforscherAn der Weinleite 12 a85560 Ebersberg

Brigitte Schliewen M.A.KunsthistorikerinHeinrich-Marschner-Straße 66 B85591 Vaterstetten

Ferdinand Steffan M.A.KreisheimatpflegerThalham 1083549 Eiselfing

Für den Inhalt der Beiträge sind aus-schließlich die Verfasser verantwortlich, denen an dieser Stelle für die unentgelt-liche Überlassung ihrer Manuskripte ge-dankt sei. Dank gebührt auch allen in den Abbildungsnachweisen genann-ten Personen und Institutionen für die freundliche Genehmigung der Wieder-gabe der Bildvorlagen.

Beiträge zum Jahrbuch sowie Anregun-gen zu seiner Gestaltung werden von der Redaktion dankbar entgegengenommen.

Verlag Lutz Garnies, Haar / MünchenISBN 978-3-926163-88-2