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Datum der Ausgabe: 26.05.2016 Landtag Brandenburg P-PKK 6/8 6. Wahlperiode Parlamentarische Kontrollkommission Protokoll 8. (öffentliche) Sitzung 12. April 2016 Potsdam - Haus des Landtages 14.00 Uhr bis 15.20 Uhr Vorsitz: Abgeordneter Kosanke (SPD) weitere PKK-Mitglieder: Abgeordnete Gossmann-Reetz (SPD) Abgeordneter Kurth (SPD) Abgeordneter Eichelbaum (CDU) Abgeordneter Lakenmacher (CDU) Abgeordneter Ludwig (DIE LINKE) Abgeordneter Dr. Schöneburg (DIE LINKE Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90) Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK): Minister Schröter Herr Homburg Herr Rhode Protokoll: Stenografischer Dienst Ingo Borkowski

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Datum der Ausgabe: 26.05.2016

Landtag Brandenburg P-PKK 6/8

6. Wahlperiode Parlamentarische Kontrollkommission

Protokoll 8. (öffentliche) Sitzung 12. April 2016 Potsdam - Haus des Landtages 14.00 Uhr bis 15.20 Uhr Vorsitz: Abgeordneter Kosanke (SPD) weitere PKK-Mitglieder: Abgeordnete Gossmann-Reetz (SPD) Abgeordneter Kurth (SPD) Abgeordneter Eichelbaum (CDU) Abgeordneter Lakenmacher (CDU) Abgeordneter Ludwig (DIE LINKE) Abgeordneter Dr. Schöneburg (DIE LINKE Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90) Ministerium des Innern und für Kommunales (MIK): Minister Schröter Herr Homburg Herr Rhode Protokoll: Stenografischer Dienst Ingo Borkowski

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Parlamentarische Kontrollkommission 12.04.2016 8. (öffentliche) Sitzung Stenogr. Dienst/borko

Tagesordnung: Ausführlicher Bericht des Ministeriums des Innern und für Kommunales zu den Aktivi-täten des NSU-Trios insbesondere:

a) Kenntnis von der Absicht des NSU-Trios, sich Schusswaffen zu be-schaffen,

b) Rolle und Umstände der Informationsgewinnung durch die Quelle

„Piatto“,

c) Weitergabe von Informationen an andere Verfassungsschutzbehörden

d) Beitrag Brandenburgs zur Aufklärung in den Untersuchungsausschüs-sen des Bundes und der Länder sowie im Prozess vor dem Oberlan-desgericht München

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Parlamentarische Kontrollkommission 12.04.2016 8. (öffentliche) Sitzung Stenogr. Dienst/borko

Festlegungen und Beschlüsse: 1. Die Kommission nimmt den ausführlichen Bericht des Ministeriums des Innern

und für Kommunales zum NSU-Komplex und der Rolle Brandenburgs darin zur Kenntnis und betrachtet die öffentliche Behandlung der Thematik als Ein-stieg in eine vertiefende parlamentarische Befassung mit der Materie im Rah-men eines einzusetzenden Untersuchungsausschusses.

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Parlamentarische Kontrollkommission 12.04.2016 8. (öffentliche) Sitzung Stenogr. Dienst/borko

Aus der Beratung: Vorsitzender Kosanke (SPD): Meine sehr verehrten Damen und Herren Kommissionsmitglieder! Verehrter Minister! Verehrte Gäste in den Besucherreihen - dies zu sagen ist für mich als PKK-Vorsitzender eine Premiere, denn die Parlamentarische Kontrollkommission tagt erstmals in der Geschichte des Landes Brandenburg öffentlich -, ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Sitzung. Wir haben in unserer Sitzung am 15. März 2016 einstimmig beschlossen, heute öf-fentlich zum NSU-Komplex zu tagen und das Ministerium des Innern und für Kom-munales zu den in der Tagesordnung genannten Unterpunkten zu befragen. Hat sich diesbezüglich Gegenteiliges ergeben? - Das ist nicht der Fall. Der Vollständigkeit halber informiere ich Sie, dass ich ein Schreiben des Parlamenta-rischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion erhalten habe, das in Anbetracht der be-vorstehenden Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Frage nach der Notwendigkeit einer öffentlichen PKK-Sitzung zum Inhalt hatte. Da Herr Dr. Red-mann nicht Mitglied der Kommission ist, sind wir darauf nicht eingegangen. Ich stelle Beschlussfähigkeit fest und frage, ob es zur vorliegenden Tagesordnung Änderungswünsche gibt. - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir nach der vorlie-genden Tagesordnung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

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Parlamentarische Kontrollkommission 12.04.2016 8. (öffentliche) Sitzung Stenogr. Dienst/borko

Zu TOP 1: Ausführlicher Bericht des Ministeriums des Innern und für Kom-munales zu den Aktivitäten des NSU-Trios

insbesondere

a) Kenntnis von der Absicht des NSU-Trios, sich Schusswaffen zu beschaffen,

b) Rolle und Umstände der Informationsgewinnung durch die

Quelle „Piatto“,

c) Weitergabe von Informationen an andere Verfassungs-schutzbehörden

d) Beitrag Brandenburgs zur Aufklärung in den Untersu-

chungsausschüssen des Bundes und der Länder sowie im Prozess vor dem Oberlandesgericht München

Das Ministerium hat uns im Vorfeld der Sitzung Unterlagen zur Quelle „Piatto“ bereit-gestellt, die im Kommissionssekretariat eingesehen werden konnten. Dabei handelt es sich um Vermerke und Deckblattmeldungen aus dem Jahr 1998. Das Ministerium hat versichert, dass sämtliche dort enthaltenen Informationen auch in der Präsentati-on innerhalb dieser Sitzung Erwähnung finden. Die Unterlagen dienen als zusätzliche Serviceleistung zur individuellen Vorbereitung der Kommissionsmitglieder und mög-licherweise auch zur Nachbereitung der Sitzung. Insofern ist die Einsichtnahme auch nach der Sitzung weiterhin möglich; wenden Sie sich bitte an Herrn Borkowski. Wir hören zunächst den ausführlichen Bericht vonseiten des Ministeriums; Herr Homburg und Herr Rhode sind hierzu anwesend. Gibt es vor der Präsentation noch wichtige Hinweise? - Das ist nicht der Fall. - Herr Homburg, Sie haben das Wort. Herr Homburg (MIK): Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Bei all dem, was ich sagen werde, bitte ich, immer im Hinterkopf zu behalten, dass es sich beim NSU um ein komplexes und totales Versagen der Sicherheitsarchitektur der Bundes-republik Deutschland gehandelt hat. Nichts von dem, was ich gleich sagen werde, ist der Versuch, irgendetwas schönzureden oder zu rechtfertigen. Beim Komplex NSU im Zusammenhang mit Rechtsextremismus und dem Land Brandenburg handelt es sich in Teilen um Prozesse und Vorgänge, die so weit zu-rückliegen, dass sie teilweise als historisch betrachtet werden können. Insofern ist es wichtig, den Kontext aufzuzeigen, in dem es überhaupt dazu kam, dass eine Person wie „Piatto“ in Brandenburg Quelle des Verfassungsschutzes werden konnte. Es war noch mitten im Transformationsprozess, weg vom SED-Unrechtsstaat, hinein in die freiheitlich demokratische Bundesrepublik Deutschland. Zum damaligen Zeit-punkt gab es massive Verwerfungen sozialer und ökonomischer, aber auch politi-scher Natur. Es gab in Brandenburg, aber auch in anderen Teilen Ostdeutschlands ein dramatisches Anwachsen rechtsextremistischer Bestrebungen und Personenpo-

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tenziale. Ich habe zwei Zitate aus einem vor kurzem erschienenen Buch mitgebracht, die die damalige Situation relativ gut umreißen:

„Fest steht: Die frühen 1990er-Jahre waren für viele Menschen lebensgefähr-lich und für noch mehr bedrohlich.“

„Die Rechten waren nicht überall gleich viele und nicht überall gleich stark, … aber sie waren überall präsent. An jedem Wochenende, in jeder Kleinstadt, passierte irgendetwas.“

Das sind Zitate aus dem Buch „Generation Hoyerswerda. Das Netzwerk militanter Neonazis in Brandenburg“, Herausgeberinnen sind Heike Kleffner und Anna Span-genberg. Zum damaligen Zeitpunkt, Anfang der 1990er-Jahre, zogen Rechtsextremisten durch Brandenburg. Sie mordeten, verübten schwerste Gewaltstraftaten und brandschatz-ten. Wir hatten in Brandenburg allein bis 1993 neun Todesopfer zu beklagen, die im di-rekten Zusammenhang mit rechtsextremistischer Gewalt stehen: Andrzej F., 1990, in Lübbenau nach einer Prügelei in einer Diskothek getötet, 3 Täter; Amadeu Antonio K., 1990, Eberswalde (Barnim), von einer Tätergruppe mit Sprung auf den Kopf ins Koma getreten, später verstorben; Wolfgang A., 1991, Schwedt (Uckermark), in den Tod geprügelt; Gerd H., 1991, in Hohenselchow (Uckermark) mit Sprung auf den Kopf getötet; Timo K., 1991, Meuro (Oberspreewald-Lausitz), erschossen; Emil W., 1992, in Neuruppin (Prignitz) erstochen; Rolf S., 1992, Kloster Lehnin (Potsdam-Mittelmark), nach schweren Kopfverletzungen ertränkt; Horst H., 1993, Fürstenwalde (Landkreis Oder-Spree), zu Tode gequält; Belaid B., 1993, Belzig (Potsdam-Mittelmark), ins Krankenhaus geprügelt, sieben Jahre später an den Spätfolgen ge-storben. Der erste brandenburgische Verfassungsschutzbericht erschien im Jahr 1994 und beleuchtete rückwirkend die Ereignisse des Jahres 1993. Der damalige Bericht ist online immer noch abrufbar. Ihm ist sehr genau zu entnehmen, wie die damalige La-ge vom Verfassungsschutz dargestellt wurde. Der parteipolitische Rechtsextremismus spielte zu dem Zeitpunkt eine eher nachge-ordnete Rolle. Es gab eher Ansätze von Parteien, Strukturen zu etablieren. Im Ge-gensatz dazu gab es eine sehr ausgeprägte rechtsextremistische und gewaltorien-tierte Jugendkultur. Im Schwerpunkt waren das damals die Skinheads, von denen auch die schlimmsten Gewaltstraftaten ausgingen. Diese Szene war zum damaligen Zeitpunkt schon sehr stark angewachsen und eine große Herausforderung für die noch schwache Zivilgesellschaft, aber auch für die Polizei, die sich selbst noch im Umstrukturierungsprozess befand. Es gab 1992 Brandanschläge in Sachsenhausen und in Cottbus den Versuch, Zu-stände zu etablieren, die, wenn die Polizei sie nicht in den Griff bekommen hätte, ähnlich gewesen wären wie in Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda; man ist knapp daran vorbeigeschrammt.

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Was das rechtsextremistische Personenpotenzial der Jahre 1993 bis 2000 angeht, so zählte der Verfassungsschutz für das Jahr 1993 1 190 Rechtsextremisten. Diese Zahl wuchs bis zum Jahr 2000 auf 1 490 an. Die polizeilich erfassten Gewaltstraftaten liegen schon ab dem Jahr 1992 vor. Es gab allein im Jahr 1992 254 Gewaltstraftaten, darunter auch die von mir genannten To-desfälle. Im Jahr 1993 stieg die Zahl der Straftaten an, die der Gewaltstraftaten war zum ersten Mal leicht rückläufig, aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Im Jahr 1994 hat dann „Piatto“ Kontakt mit dem Brandenburger Verfassungsschutz auf-genommen. Der Verfassungsschutz war bis zum 5. April 1993 de facto blind. Es gab ein vom Landtag am 3. Dezember 1991 verabschiedetes Vorschaltgesetz, das dem Verfas-sungsschutz ausdrücklich verbot, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Der Verfassungsschutz Brandenburg durfte also bis zum April 1993 lediglich nachrich-tendienstliche Meldungen zur Kenntnis nehmen, die von anderen Behörden zur Ver-fügung gestellt wurden; das werden im Schwerpunkt Berlin und der Bund gewesen sein. Es durften keine nachrichtendienstlichen Mittel angewendet werden, keine G10-Maßnahmen, keine Quellenführung, keine Observationen. Am 5. April 1993 hat der Landtag Brandenburg dann das Verfassungsschutzgesetz in Kraft gesetzt, das dem Verfassungsschutz die Befugnis erteilte, nun endlich auch sehen und hören zu dürfen, weil ihm damit ausdrücklich nachrichtendienstliche Be-fugnisse bewilligt wurden. Zur Stellenentwicklung des brandenburgischen Verfassungsschutzes: Die Stellen waren zu keinem Zeitpunkt zu 100 % besetzt. Im Jahr 1992 werden 30 Stellen für den Verfassungsschutz angegeben. - Diese Dinge liegen weit über 20 Jahre zurück. Wir haben über Recherchen bei ehemaligen Mitarbeitern herauszubekommen ver-sucht, wie viele Stellen tatsächlich besetzt waren. Die letzte Auskunft ist: Im Dezem-ber 1992 gab es in Brandenburg 18 Verfassungsschützer. Im Jahr 1993 waren es dann 40 Stellen, die mit etwa 30 Personen besetzt waren. In der Folge können Sie über den Daumen gepeilt davon ausgehen, dass nur etwa 90 % der Stellen beim Verfassungsschutz Brandenburg tatsächlich besetzt gewesen sind. Der Verfassungsschutz verfügte im Jahr 1992 über gerade einmal zwei Quellenfüh-rer, die natürlich keine Quellen führen durften, sich aber wohl darauf vorbereiteten, später in die Quellenführung einzusteigen. Diese Zahl wuchs nur ganz langsam an. Im Jahr 1994 sind es drei Quellenführer, ab 1993 durften formal Quellen geführt wer-den. Wir reden hier von Quellenführern im Bereich Rechtsextremismus. Im Jahr 2000 waren es dann insgesamt fünf Quellenführer. Tatsächlich geführte Quellen heißt, diese Zahlen sind teilweise geschätzt, weil wir sie nicht mehr über Dokumente komplett nachhalten und verifizieren können. Es kann also sein, dass es bei diesen Zahlen eine leichte Varianz gegeben hat. Im Bereich Rechtsextremismus gab es im Jahr 1994 gerade einmal zwei Quellen, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem in Brandenburg Rechtsextremisten mordeten, regelrecht brandschatzten und Skinhead-Horden für sehr viel Gewalt und Unsicher-

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heit sorgten. Bei den zwei für das Jahr 1994 ausgewiesenen Quellen ist die Quelle „Piatto“ bereits eingerechnet. Wie kam es zur Quelle „Piatto“? Am 8. Juli 1994 schreibt C. S. - der Name sollte an-sonsten gemeinhin bekannt sein; wir nennen ihn später bekanntlich Quelle „Piatto“- aus der Untersuchungshaftanstalt einen Brief an den Verfassungsschutz Branden-burg. Ich wiederhole es noch einmal: an eine Behörde, die zu diesem Zeitpunkt im Aufbau befindlich und de facto blind war für das, was sich konkret in Brandenburg ereignete, die de facto zu diesem Zeitpunkt gar nicht in der Lage war, die rechtsext-remistische Szene vollständig aufzuklären. Das Gesetz verlangt indes vom Verfas-sungsschutz, Informationen über extremistische Bestrebungen zu sammeln und dann zuständige Stellen zu unterrichten. „Piatto“ hat wohl damals in einem Verfassungsschutzbericht - es kann nur der 93er- oder 94er-Bericht gewesen sein - seinen Namen oder über eine ihm zugeordnete Tat gelesen, was er dann zum Anlass genommen hat, sich an den Verfassungsschutz zu wenden. Kurze Zeit später, am 2. August 1994, erfolgt das erste Treffen mit C. S. in der Un-tersuchungshaft, von wo aus er sich an den Verfassungsschutz Brandenburg ge-wandt hatte. Er saß dort wegen einer wirklich schweren Gewaltstraftat, bei der je-mand fast zu Tode gekommen und „Piatto“ eine Art Rädelsführer gewesen ist. Im Mai 1995 wurde er wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Schon zum damaligen Zeitpunkt fanden mit „Piatto“ regelmäßige Quellentreffen statt. Heute, rückwirkend betrachtet, würden wir sagen: Der Zeitpunkt, als „Piatto“ Quelle wurde - also darüber hinausgehend, als dass er sich als Gesprächspartner anbot -, der Zeitpunkt, zu dem er also konkret Quelle wurde, wird etwa November 1994 ge-wesen sein. Es gab damals regelmäßige Treffen mit der Quelle „Piatto“, teilweise bis zu drei Treffen in der Woche. Am 15. Dezember 1999 erfolgte auf Beschluss des Landgerichts Potsdam die Ent-lassung auf Bewährung. Am 30. Juni 2000 wird die Quellentätigkeit von „Piatto“ auf Weisung des damaligen Staatssekretärs des Innenministeriums beendet. Hinter-grund war, dass „Piatto“ in einem Strafverfahren belastet wurde, was schließlich zu der Entscheidung führte: Diese Quelle kann nicht weiter als Quelle des Verfassungs-schutzes geführt werden. Wenige Tage später erschien im „Spiegel“ ein sehr ausführlicher Artikel mit der Überschrift „Führer der Meute“. Beim Lesen dieses Artikels konnten zumindest Sze-nekenner relativ genau vermuten, um wen es sich dabei handelte. Das führte dazu, dass „Piatto“ am 14. Juli 2000 in das Zeugenschutzprogramm der Polizei aufge-nommen wurde. Der Verfassungsschutz in Brandenburg verfügt über kein eigenes Zeugenschutzprogramm. Das hat nur die Polizei. Seitdem hat „Piatto“ keinen Kontakt mehr zum Verfassungsschutz gehabt und der Verfassungsschutz auch nicht zu „Piat-to“. Ich zitiere aus einem internen Vermerk des Verfassungsschutzes Brandenburg über die Qualität der Quelle „Piatto“:

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„PIATTO berichtet zuverlässig und umfassend. Aufträge führt er gewissenhaft aus. Er ist in hohem Maße lernfähig. Seine Einsatzbereitschaft ist bemer-kenswert. Aus Sicht der Auswertung hat sich die Quelle als uneingeschränkt steuerbar und glaubwürdig erwiesen … PIATTO ist mit Abstand die beste Quelle der hiesigen Behörde. Sie ist aber auch im bundesweiten Maßstab eine herausragende, besonders wertvolle Quelle. In der Breite ihres Einsatzes lässt sie sich aus hiesiger Sicht mit keiner anderen Quelle einer Verfassungs-schutzbehörde vergleichen.“

Vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss sagte als Zeuge der damalige Quel-lenführer, Herr Meyer-Plath, der heute Leiter des Verfassungsschutzes in Sachsen ist, aus: Es war ein „Quantensprung“, als man „Piatto“ als Quelle hatte und „Piatto“ entsprechende Informationen lieferte. Diesen Quantensprung bezieht er nicht nur auf Brandenburg selbst, sondern er sagte auch aus, dass alle anderen Behörden von diesen Informationen profitieren konnten. Darauf gehe ich später noch kurz ein. Kommen wir zum Komplex NSU, Brandenburg und „Piatto“. Für den historischen Kontext ist wichtig: Am 26. Januar 1998 in Jena: Die Polizei durchsucht einen Garagenkomplex. Der dabei anwesende Böhnhardt steigt in sein Fahrzeug und fährt davon. Böhnhardt war zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt, jedoch nicht in Haft. Auch deshalb sagte ich zu Beginn meines Vortrages, man möge bitte im Auge behal-ten, dass es sich hierbei um ein komplexes Versagen aller Sicherheitsbehörden han-delt, wenn man den Komplex NSU anfasst, sowohl was seine Entstehungsgeschich-te, als auch das Untertauchen der Beteiligten, als auch die blutige Spur, die der NSU durch Deutschland ziehen konnte, angeht. Böhnhardt hätte zu diesem Zeitpunkt ei-gentlich auch in Haft sitzen können - saß er aber nicht. Am selben Tag tauchten Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos unter. Die Haftbefehle wurden zwei Tage später erlassen. Die erste zurzeit bekannte Straftat des NSU-Trios erfolgte am 18. Dezember 1998. Ich zitiere aus einer Deckblattmeldung vom 19. August 1998 und setze hinzu: Eine Deckblattmeldung ist ein Bericht, den ein Quellenführer schriftlich verfasst, nachdem er sich mit einer Quelle getroffen hat. Dort wird das Ergebnis des Quellentreffs fest-gehalten, natürlich ohne Nennung des Klarnamens. Die Deckblattmeldung ging dann an die Abteilung Auswertung. Ich zitiere also aus einer Deckblattmeldung vom 19. August 1998:

„Laut Anje P.“ - das war eine Rechtsextremistin aus Sachsen, die tief in der Szene verwurzelt war -

„sind drei sächsische Skinheads (zwei Männer und eine Frau) zur Zeit wegen verschiedener Straftaten auf der Flucht vor der Polizei. Dieser Fall sei medi-enbekannt. Die drei, von denen einer anonym Artikel für die Publikation „White Supremacy“ geschrieben habe, wollen sich angeblich innerhalb der nächsten

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drei Wochen mit ‚geliehenen Pässen‘ nach Südafrika absetzen und dort in neue Identitäten schlüpfen.“

Diese Deckblattmeldung wurde am 21. August 1998 verschickt an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), an den Verfassungsschutz Sachsen, an den Verfas-sungsschutz Berlin, an den Verfassungsschutz Thüringen - auf Bitten des BfV am 31. August, also wenige Tage später. Hier ist die Rede von drei sächsischen Skinheads. Offenbar war „Piatto“, der diese Information entgegennahm, nicht konkret bekannt, um wen es sich genau handelt - möglicherweise, aber das wird sich später weiter aufklären. In den Medien und in den Untersuchungsausschüssen ist sehr häufig über eine SMS berichtet worden, die am 25. August 1998 verschickt wurde. Diese SMS wurde im Zuge des „Schäfer-Gutachtens“ bekannt, das im Nachgang, als der NSU-Komplex bekannt wurde, in Thüringen erstellt wurde. Der Ablauf ist folgender: Der sächsische Rechtsextremist Jan W. - er war damals in der sogenannten „Blood & Honour“-Bewegung eine führende Figur und ebenfalls in Sachsen ansässig - schickt am 25. August 1998 um 19.21 Uhr eine SMS an das Quellenhandy von „Piat-to“, also an ein Handy, das er von seinem Quellenführer bekommen hat, um zu kommunizieren. Inhalt:

„Hallo, was ist mit dem Bums“ Am selben Tag wurde dieses Handy aber wohl vor dem Absenden der SMS aus Gründen des Quellenschutzes vom Quellenführer eingezogen und deaktiviert. Hin-tergrund dafür war, dass dieses Handy im Rahmen einer Telekommunikationsüber-wachungsmaßnahme auftauchte. Diese Information hatte der Verfassungsschutz Brandenburg vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Zum damaligen Zeitpunkt gab es - ich habe es vorhin schon einmal gesagt - teilweise bis zu drei wöchentliche Quellentreffs mit „Piatto“. Das kann ein Zufall sein, aber die Treffhäufigkeit war jedenfalls sehr hoch. Das damalige Handy, das „Piatto“ zur Ver-fügung gestellt wurde, lief nicht legendiert auf irgendeine Person. Es lief offen auf das Innenministerium des Landes Brandenburg. Daher wurde dieses Handy ausge-tauscht. Das Treffen mit der Quelle „Piatto“ an diesem Tag soll schon etwas früher stattge-funden haben, sodass er sich, wie mir zuletzt gesagt wurde, an diesem Tage gegen 20 Uhr bereits im Gefängnis befunden haben soll. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Handy diese SMS tatsächlich nie empfangen hat, sehr hoch. Über dieses Handy und den Fortlauf dieses Handys ist nie besonders viel dokumen-tiert worden. Entscheidend ist: Die SMS war dem Verfassungsschutz Brandenburg nie bekannt. Sie wurde erst im Rahmen des Schäfer-Gutachtens bekannt, weil Tele-kommunikationsüberwachungsprotokolle des Thüringer Landeskriminalamtes diese SMS ausgewiesen haben. Zu diesem Handy gab es beim Brandenburger Verfas-sungsschutz auch keine polizeiliche Anfrage aus Thüringen.

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Nächste Deckblattmeldung. Jetzt geht es langsam um die Waffen. Diese Deckblatt-meldung wurde am 9. September 1998 erstellt. Man muss dazu sagen, dass solche Deckblattmeldungen in der Regel immer sehr zeitnah zum erfolgten Treffen mit der Quelle erstellt wurden. Es steht unter Verschiedenes, denn es handelt sich ja hier nicht um Erkenntnisse, die das Land Brandenburg direkt betreffen, sondern es sind de facto „Beifänge“, die ein Verfassungsschützer oder eine Quelle des Brandenbur-ger Verfassungsschutzes über andere Länder oder aus anderen Ländern generieren konnte. Deswegen steht es unter Verschiedenes.

„Einen persönlichen Kontakt zu den drei sächsischen Skinheads“ - noch immer glaubte man, es geht um sächsische Skinheads -,

„(siehe Deckblattmeldung vom …)“ - das ist die, die ich gerade vorgelesen habe -

„soll Jan W. haben. Jan W.“ - ich wiederhole: Er ist zum damaligen Zeitpunkt ein führender Aktivist in Sachsen im „Blood & Honour“-Netzwerk -

„soll zurzeit den Auftrag haben, die drei Skinheads mit Waffen zu versorgen. Gelder für diese Beschaffungsmaßnahme soll die ‚Blood & Honour‘-Sektion Sachsen bereitgestellt haben. Die Gelder stammen aus Einnahmen aus Kon-zerten und dem CD-Verkauf. Vor ihrer beabsichtigten Flucht nach Südafrika soll das Trio einen weiteren Überfall nach dem Erhalt der Waffen planen, um mit dem Geld sofort Deutschland verlassen zu können. Der weiblichen Person des Trios will Antje P. ihren Pass zur Verfügung stellen. P. und W. sollen un-abhängig voneinander und ohne Wissen des anderen für die drei tätig sein.“

Zwei Tage später wurde auch diese Deckblattmeldung, also der Inhalt dieser Mel-dung - ein „Beifang“, der Sachsen betrifft -, erneut verschickt, und zwar an das Bun-desamt für Verfassungsschutz, an den Verfassungsschutz Thüringen, an den Ver-fassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern, an den Verfassungsschutz Sachsen, an den Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt und an den Verfassungsschutz Berlin. Of-fenbar führte das Versenden dieser Deckblattmeldung, also die Generierung einer Information im Zusammenhang mit drei abgetauchten Skinheads und Waffen, zu ei-nem Treffen der Verfassungsschutzbehörden von Brandenburg, Thüringen und Sachsen in Potsdam am 15. September 1998, weil man in den jeweiligen Ländern offenbar spätestens jetzt zuordnen konnte, um wen es sich wohl handelte. Zu den damaligen Vorgängen liegen uns beim Brandenburger Verfassungsschutz nur zwei Vermerke vor. Der eine Vermerk entstammt dem Verfassungsschutz Sach-sen, der andere Vermerk ist ein Fax vom Brandenburger Verfassungsschutz, wel-ches damals zumindest an Thüringen geschickt wurde. Beide Dokumente lagen aber in Brandenburg selbst nicht mehr vor. Sie sind uns über den NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss sozusagen erst wieder bekannt geworden.

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Bei dem damaligen Treffen in Potsdam wurden Festlegungen getroffen, wie mit den Informationen umzugehen ist, was die drei untergetauchten Rechtsextremisten und den Versuch, sich eventuell Waffen zu besorgen, betrifft. Eine Festlegung war: Das Innenministerium Brandenburg ist grundsätzlich nicht bereit, die Quellenmeldung als solche für die Polizei freizugeben. Die Quellenmeldung als solche freizugeben hätte bedeutet, dass die Polizei vom Brandenburgischen Innenministerium oder vom Ver-fassungsschutz selbst ein offizielles Schreiben bekommen hätte, worin gestanden hätte - ganz offen schriftlich formuliert -, dass der Verfassungsschutz Brandenburg Erkenntnisse hat, dass die Personen P. und W. offenbar in irgendeiner Art und Wei-se mit Rechtsextremisten in Kontakt stehen und zumindest versuchen, Waffen oder Pässe für die Ausreise ins Ausland zu organisieren. Wäre ein solches Schreiben der Polizei in die Hand gedrückt worden, ein Vermerk, ein Behördengutachten - welcher Natur das Schreiben auch immer gewesen wäre -, dann wäre es in den Fahndungsakten der Polizei abgeheftet worden. Wäre es später zu einem Strafverfahren gekommen, hätte auch der Anwalt der Betroffenen Zugriff gehabt. Er hätte mit den Betroffenen darüber gesprochen und sie hätten gesehen: Das ist eine Information aus Brandenburg. Und dann hätten sie untereinander fest-stellen können, wer wohl die Quelle ist, weil ja beide mit einer Person aus Branden-burg gesprochen haben. Deshalb war der Verfassungsschutz Brandenburg nicht be-reit, die Quellenmeldung als solche in schriftlicher Form für die Thüringer Polizei frei-zugeben. Aber es gab eine andere Lösung, auf die ich gleich eingehe. Zum einen wurde in diesem Vermerk erwähnt, dass gegebenenfalls ein Behördenzeugnis durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ausgestellt werden könne, da von dort Unterstüt-zung zugesagt sei. Inwieweit das nachgehalten wurde, kann ich Ihnen nicht sagen. Auch meine Rückfragen haben da keine weiteren Ergebnisse gebracht. Offenbar ist es nicht ganz klar, aber wir reden hier auch von Dingen, die 18 Jahre zurückliegen. Zumindest wird auch festgehalten:

„Der Verfassungsschutz Thüringen informiert ohne Nennung der Herkunft der Informationen das LKA Thüringen über den Sachverhalt - Behandlung der Hinweise mit hoher Sensibilität wird vorausgesetzt.“

Das bedeutet, es treffen sich drei Verfassungsschutzbehörden und stimmen ab, was in dem Vermerk in Sachsen festgehalten wird. Der Verfassungsschutz Thüringen - man konnte offenbar den Vorgang Thüringen schon zuordnen - setzt die Polizei, in dem Fall das LKA Thüringen, formal darüber in Kenntnis, dass es bestimmte Perso-nen gibt - natürlich namentlich benannt -, die wohl mit Waffenbeschaffung etc. be-fasst sind oder entsprechende Aufträge haben. Es folgen noch weitere Punkte, auf die ich hier nicht weiter eingehe. Entscheidend ist: Dieser Vermerk aus Sachsen hält weitere Dinge fest. Dort steht auch, dass am 17. September 1998 gegen 10.49 Uhr der Verfassungsschutz Thürin-gen auf Anfrage folgenden Sachverhalt mitteilte. Es steht wortwörtlich im Vermerk:

„Am 16.09.98 abends gab es eine Besprechung mit dem Präsidenten des LKA Thüringen.“

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Parlamentarische Kontrollkommission 12.04.2016 8. (öffentliche) Sitzung Stenogr. Dienst/borko

Das heißt, der Chef des Landeskriminalamtes Thüringen wurde im Nachgang zu dem Treffen in Potsdam einen Tag später am Abend offenbar unterrichtet. In dem Vermerk steht auch: Der Präsident des LKA Thüringen verlangte einen schriftlichen Bericht für die Umsetzung polizeilicher Maßnahmen, was aber - wie ich eben schon sagte - aus bekannten Gründen des Quellenschutzes bereits im Vorfeld bei der Erör-terung und Festlegung der Maßnahmen abgelehnt wurde. Aber - das ist der ent-scheidende Punkt - die Polizei muss, auch wenn sie mündlich von einem Verfas-sungsschützer unterrichtet wird, im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig werden. Es braucht dafür nicht zwingend einen Behördenvermerk, es genügt tatsächlich die mündliche Unterrichtung auf dienstlicher Basis. Diese ist offenbar erfolgt. Das haben die beiden damaligen Thüringer Verfassungsschützer auch in den betreffenden Aus-schüssen noch einmal konkret so ausgesagt. Es gibt eine weitere Deckblattmeldung, erstellt am 29. September 1998.

„Am Rande des Konzerts erfuhr die Quelle, dass Jan W. bei seinen Versu-chen, die drei flüchtigen Neonazis aus Thüringen mit Waffen zu versorgen, noch nicht erfolgreich war und die Versuche fortsetzt.“

Zu diesem Zeitpunkt kann man die untergetauchten Neonazis schon Thüringen zu-ordnen. Das war wohl ein Gespräch, das in Potsdam stattgefunden hat. Auch diese Deckblattmeldung, die ja wiederum auch nur ein „Beifang“ des Brandenburger Ver-fassungsschutzes ist, weil Brandenburg für sich betrachtet gar nicht betroffen war, wurde unmittelbar weitergesteuert - am 2. bzw. am 5. Oktober 1998 an das Bundes-amt für Verfassungsschutz, an den Verfassungsschutz Sachsen, an den Verfas-sungsschutz Berlin, an den Verfassungsschutz Niedersachsen, an den Verfassungs-schutz Mecklenburg-Vorpommern, an den Verfassungsschutz Thüringen, an den Verfassungsschutz Bayern und an den Verfassungsschutz Hamburg. Es kam im Nachgang des Bekanntwerdens der Ereignisse des NSU und den damit verbundenen fürchterlichen Straftaten dann zu einem Bundestagsuntersuchungs-ausschuss, und es wurde häufig die Frage gestellt: Wie konnte man eigentlich über-haupt jemanden wie „Piatto“ als Quelle werben? Der Einschub sei gestattet. Hätte es „Piatto“ als Quelle des Verfassungsschutzes Brandenburg nicht gegeben, würden wir möglicherweise nicht hier zusammensitzen. Der damalige Leiter des Verfassungsschutzes - er wurde im November 1996 zum Leiter der Abteilung 5 des Innenministeriums Brandenburg - Dr. Förster, sagte vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss: „Ich war entsetzt, diesen V-Mann zu haben.“ - Es geht um „Piatto“.

„Minister wusste davon nichts; Staatssekretär wusste davon nichts. Dann bin ich zum Minister gegangen (…) Wir haben einen Mann konsultiert - der tot ist -, Ziel und ich (…) Und dieser Mann hat gesagt, weil ja so eine Quelle … Erkenntnisse geben kann … würde er die Frage ‚Darf man mit so einem über-haupt zusammenarbeiten?‘ mit ‚man muss‘ beantworten. Und nach dieser …

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Begegnung sind wir gemeinsam, der Minister und ich, ins Parlamentarische Kontrollgremium gegangen, mit der gleichen Frage.“

Protokoll der 41. Sitzung des 2. UA am 22. November 2012. Bei dem „Mann“, „der tot ist“ soll es sich nach Medienberichten um den damaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland Ignatz Bubis handeln. Zu-mindest wurde das vom „Spiegel“ damals berichtet und von anderen Zeitungen auf-gegriffen. Der damalige Innenminister Ziel wurde anschließend mit den Worten zitiert: „Dazu stehe ich (…) Die Verantwortung trug ich.“ Ein Dementi ist mir nicht bekannt, aber auch keine ausdrückliche Bestätigung dieser Information. Aber wir nehmen sie trotzdem zur Kenntnis. „Piatto“ sei „ein nützliches Werkzeug“ gewesen, sagte der damalige PKK-Vorsitzende Christoph Schulze, der heute nicht mehr der SPD angehört - Zitat „Mär-kische Allgemeine Zeitung“ vom 10. Juli 2000. Die Zeitung „Neues Deutschland“ zitiert das damalige Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission Michael Schumann. Ich zitiere den Artikel, weil die Zitate von Michael Schumann darin eingebettet sind.

„Gestern hat Michael Schumann, PDS-Vertreter der PKK, seine Fraktion in ei-ner ‚persönlichen Erklärung‘ informiert … Schumann unterstrich, dass auch er ‚trotz erheblicher Bedenken letztendlich‘ der Anwerbung von „Piatto“, eines Freundes von Polizistenmörder Kay D., zugestimmt habe. Unter anderem, weil die Situation in Brandenburg ‚durch eine unerträgliche Häufung schwerster rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierter Straftaten‘ geprägt war.“

Neues Deutschland, 12. Juli 2000 - nachdem bekannt wurde, dass „Piatto“ Quelle des Verfassungsschutzes Brandenburg war und abgeschaltet worden war etc. Der Brandenburger Verfassungsschutz hat - da sind wir bei den Beiträgen des Bran-denburger Verfassungsschutzes zu den Untersuchungsausschüssen und Gerichts-verfahren - etwa 9 000 Blatt Papier gescannt und diese Papiere dem Bundestagsun-tersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt. Ebenso wurden auch Dokumententei-le in Papierform übermittelt. Alle den Verfassungsschutz Brandenburg betreffenden Beweisbeschlüsse wurden fristgerecht und vollumfänglich umgesetzt. Der Formulie-rung „fristgerecht“ muss hinzugefügt werden, dass teilweise um eine neue Frist gebe-ten wurde, weil manche Fristen sehr kurz waren. Innerhalb dieser neu gewährten Frist wurde dann entsprechend informiert. Es gab manchmal auch Anforderungen mit dem Terminus: unmittelbar. - Unmittelbar ist relativ. Es war dann schwierig, unmittel-bar zu reagieren. Das hat dann manchmal auch Tage dauern können, weil es sich hierbei um komplexe Dokumente handelt.

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Folgende Verfahrensgrundsätze des Verfassungsschutzverbundes wurden bei der Übermittlung der Dokumente eingehalten oder besser gesagt umgesetzt. Namen von Personen, von Verfassungsschutzmitarbeitern unterhalb der Amtsleiterebene, wur-den geschwärzt, und es gab Schwärzungen, wenn die Gefahr bestand, dass eine vom Verfassungsschutz Brandenburg geführte Quelle identifiziert werden könnte. Im 2. Untersuchungsausschuss des Bundestages haben der eben von mir zitierte Dr. Hans-Jürgen Förster, der ehemalige Quellenführer Gordion Meyer-Plath und der Quellenführer R. G. ausgesagt. Das ist der Quellenführer, über den gelegentlich im Rahmen des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht in München berichtet wurde. Dort haben wiederum die ehemalige Quelle „Piatto“ und die ehemaligen Quellenfüh-rer Gordion Meyer-Plath und R. G. ausgesagt. Der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt werden vom Verfassungsschutz Brandenburg seit Januar 2012 unterstützt. Die vom Oberlandesgericht München eingezogenen Unterlagen des Zeugen R. G. wurden zunächst gesperrt, aber später dann doch freigegeben. Grund für die Sperrung war, dass diese Unterlagen Informationen enthielten, die aufgrund parallel laufendender Verfahren beim Generalbundesanwalt möglicherweise Proble-me verursacht hätten. Es musste also erst eine Klärung mit dem Generalbundesan-walt herbeigeführt werden, was die Freigabe betrifft. Als die Klärung erfolgt war, wur-den diese Unterlagen später dann doch freigegeben. Lassen Sie mich zusammenfassen: Anfang der 90er-Jahre gab es einen dramatischen Anstieg von Rechtsextremisten und Gewalt in Brandenburg. Bis Mitte 1993 waren dem Verfassungsschutz Brandenburg nachrichtendienstliche Mittel untersagt, und wir hatten auch nur sehr wenig Mitarbeiter. Die Führung von „Piatto“ als Quelle war gesetzeskonform. Das damalige Branden-burgische Verfassungsschutzgesetz verbot nicht, jemanden wie „Piatto“ als Quelle zu führen. Die PKK wurde im Frühjahr 1997 - vermutlich im Januar 1997 - über „Piatto“ unter-richtet. Ich füge hinzu, dass dem Verfassungsschutz Brandenburg Protokolle der Parlamentarischen Kontrollkommission erst ab dem Sommer 1999 vorliegen. „Piatto“ lieferte Erkenntnisse zu abgetauchten Rechtsextremisten in Sachsen und Thüringen, also zu den Personen, bei denen es sich später dann wohl um den NSU gehandelt hat. Der Verfassungsschutz Brandenburg steuerte seine Erkenntnisse regelmäßig und zeitnah, und ich betone noch einmal: Es waren „Beifangerkenntnisse“ ohne direkten Brandenburgbezug. Nach Aktenlage waren die Verfassungsschutzbehörden und insbesondere die Polizei in Thüringen informiert. Im Sommer 2000 wurde „Piatto“ abgeschaltet.

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Noch kurz zu „Piatto“ selbst. Im Kontext der „Piatto“-Meldungen oder -Informationen, die durch den Verfassungsschutz Brandenburg generiert wurden, gab es etwa 200 strafrechtliche oder sonstige exekutive Maßnahmen, darunter das Verbot der Kame-radschaft Oberhavel. „Piatto“ lieferte mitentscheidende Informationen, um dieses Verbot umsetzen zu können. Er gab Hinweise über geplante Ausschreitungen bei Fußballländerspielen, das Verbotsverfahren von „Blood & Honour“ konnte durch In-formationen von „Piatto“ sehr stark angereichert werden. Es gab von ihm Hinweise auf die Produktion und Auslieferung strafrechtlich relevanter Tonträger. Unter ande-rem wurden mehrere Tausend Tonträger beschlagnahmt. „Piatto“ lieferte auch Hinweise auf Hasskonzerte, die dadurch von der Polizei verbo-ten oder aufgelöst werden konnten, sowie auf Waffengeschäfte, gegen die die Polizei entsprechend vorgehen konnte. Im Land Brandenburg wurden schon seit Beginn der Neunzigerjahre neonationalso-zialistische Personenzusammenschlüsse verboten. Dabei hat Brandenburg im Ver-gleich zu anderen Bundesländern eine Vorreiterrolle eingenommen: Es wurden die „Direkte Aktion/Mitteldeutschland“, die „Kameradschaft Oberhavel“, die Kamerad-schaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“, die „ANSDAPO“, der „Schutzbund Deutsch-land“, die „Freien Kräfte Teltow-Fläming“ und der „Widerstand Südbrandenburg“ ver-boten. In den letzten 24 Jahren kam es in Brandenburg zu zahlreichen polizeilichen Maß-nahmen, die nur umgesetzt werden konnten, weil vom Verfassungsschutz entspre-chende Informationen generiert und der Polizei zur Verfügung gestellt werden konn-ten. Solche Erfolge werden zu Recht von der Polizei gefeiert; als Verfassungsschüt-zer kann man da nur leise auf den Tisch klopfen, weil wir die von uns eingebrachten Informationen nicht so offen zur Verfügung stellen können. Ich garantiere Ihnen, dass wir bis in die jüngste Zeit die Polizei stets mit solchen Informationen versorgt haben und so maßgeblich zu Aufklärungen beitragen konnten. Abgeordnete Gossmann-Reetz (SPD): Vielen Dank für diese klare chronologische Darstellung, die noch einmal gezeigt hat, welchen unglaublichen Hass es zu dieser Zeit in Brandenburg gab. Mir kommt es manchmal wie ein Rückblick in eine völlig fremde Welt vor. Ich bin immer wieder er-schüttert, wie selbstverständlich man das damals hingenommen hat. Sie haben ausgeführt, dass „Piatto“ einmal in der Untersuchungshaft aufgesucht worden ist. Anschließend gab es keinen Kontakt mehr, erst nach der Verurteilung wieder. Was waren das damals für Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die solche Besuche durchgeführt haben? Welche Ausbildung hatten sie und welche Position hatten sie beim Verfassungsschutz inne? Waren diejenigen, die nach der Verurtei-lung Kontakt aufgenommen haben, andere? Wie hat man entschieden, wer auf sol-che Personen angesetzt wird? Gibt es dazu Quellen? Auf Seite 14 der Präsentation ging es um eine Beurteilung von „Piatto“, über die Herr Meyer-Plath im Untersuchungsausschuss des Bundestages berichtet hatte. Wer hat solche internen Vermerke damals für den Verfassungsschutz erstellt? War das Herr Meyer-Plath persönlich? Wer hat Personen so beurteilt?

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Sie sagten außerdem, dass Ihnen die Vermerke aus der Zeit des Diensttreffens der Verfassungsschutzbehörden nicht mehr vorlägen. Diese seien Ihnen erst wieder im Rahmen des Untersuchungsausschusses bekannt geworden, weil Ihnen die Unterla-gen zurückgegeben worden sind. Wo in Brandenburg sind sie verblieben? Warum sind sie weg? - Ich möchte einfach verstehen, wie man sich damals verhalten hat. Uns liegt ein Bericht vor, dass Herr Dr. Förster, der damals neuer Leiter des Verfas-sungsschutzes wurde, Herrn Ziel aufgesucht hat. Wann war das ungefähr? Gibt es da ein Datum? Warum gibt es erst seit 1999 Protokolle der PKK? Was hat sich da rechtlich verän-dert? Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90): Ich begrüße außerordentlich, dass unsere Kommission einmal öffentlich tagt; es war ja des Öfteren schon im Gespräch, das Verfassungsschutzgesetz zu ändern. In un-serem Nachbarland Berlin zum Beispiel sind öffentliche Sitzungen durchaus üblich. Ich habe eine Reihe von Fragen und denke, dass wir uns hier schon am Beginn des geplanten Untersuchungsausschusses befinden. Ich möchte einige Anmerkungen dazu machen, wohin die Reise gehen wird. Bestand schon vor 1994, als die Quelle „Piatto“ sich aus der Untersuchungshaft an-geboten hat, irgendein Verhältnis zu einer Verfassungsschutzbehörde eines anderen Landes oder des Bundes oder zu einer sonstigen Sicherheitsbehörde? Was die Freigänge in der Zeit von 1994 bis 1999 betrifft: Wir wissen, dass die Quelle umfänglich Ausgang hatte, teilweise über Tage, um sich in Sachsen aufzuhalten. Was geschah während dieser Freigänge? Wer hat das genehmigt? Wie hat die Quel-le aus der sehr lockeren Untersuchungshaft heraus in der rechtsextremistischen Szene agiert? Welche Geldmittel wurden aufgewandt, um die Quelle zu vergüten, und wie wurden diese Mittel verwendet? Wurden sie für Aufbautätigkeiten in die rechtsextremistische Szene gesteckt? Frau Gossmann-Reetz hat es schon angedeutet: Der neue Leiter der Verfassungs-schutzbehörde Dr. Förster hatte den Innenminister Ziel aufgesucht und informiert. - Das wird auf November 1996 datiert. Auch die Informationen der Abgeordneten Schulze und Schumann als Mitglieder der PKK werden auf Ende 1996 kolportiert. Was ist in der Zeit zwischen November 1994 und November 1996 geschehen? Wur-de da irgendjemand informiert oder nicht, und wenn nicht, warum nicht? Sie haben gesagt, das Material des Quellenführers R. G., der im Rahmen des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht München jetzt häufiger im Mittelpunkt stand, hätte wegen paralleler Ermittlungen des Bundesamtes initial nicht freigegeben werden können. Herr Staatssekretär Kahl hat uns hier aber ausführlich darüber informiert, dass die Sicherheit Brandenburgs gefährdet sei, wenn dieses Material freigegeben würde. Zu diesem Widerspruch hätte ich gern eine Erklärung.

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Herr Rhode (MIK): Zu Ihrer Frage, Frau Gossmann-Reetz, warum wir keine Akten mehr haben: Wir hät-ten aus Datenschutzgründen normalerweise keinerlei Akten mehr über „Piatto“, wenn dieser sich nicht im Zeugenschutzprogramm des LKA befinden würde. Wir sind ver-pflichtet, die Akten nach bestimmten Fristen zu löschen und zu vernichten. Das ist der Hauptgrund, warum wir in unserer Behörde über bestimmte Unterlagen nicht mehr verfügen. Abgeordnete Gossmann-Reetz (SPD): Können Sie mir die Fristen nennen? Herr Rhode (MIK): In der Regel beträgt die Frist zehn Jahre. Zu Ihrer Frage nach der Vergütung von „Piatto“, Frau Nonnemacher: Er hat über den gesamten Zeitraum - das ist auch den Protokollen des Untersuchungsausschusses des Bundestages zu entnehmen - 50 000 DM bekommen. Es ist nicht auszuschlie-ßen, dass er Mittel, die er vom Verfassungsschutz bekam, in die rechte Szene ein-gebracht hat. Herr Homburg (MIK): Es waren viele Fragen, und ich werde Sie nicht an jedem Punkt zufriedenstellen können, da es um Dinge geht, die über 20 Jahre zurückliegen. Frau Gossmann-Reetz, Sie sprachen die Intervalle der Treffen an, als „Piatto“ sich in Untersuchungshaft befand. Da kann ich nur wiedergeben, was mir mitgeteilt wurde: Man hat sich unregelmäßig mit ihm getroffen, als er in Untersuchungshaft saß, hatte aber schon festgestellt, dass er über sehr viele Informationen verfügte. Man hatte ihm dann wohl auch schon Dinge zukommen lassen, noch während er in Untersu-chungshaft saß, sodass man nach heutigen Maßstäben davon ausgehen müsste, dass er spätestens ab November 1994 als Quelle fungierte. Die Regelmäßigkeit der Treffen zwischen Quellenführer und „Piatto“ hat aber erst nach der Verurteilung ein-gesetzt. Während der Untersuchungshaft gab es also eher unregelmäßige Treffen, „Piatto“ besaß aber nach heutigen Maßstäben schon Quellenstatus. Nach der Verur-teilung trat eine Regelmäßigkeit der Treffen ein. Zur Frage nach den Freigängen und wer diese genehmigt hat: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Der Verfassungsschutz kann Freigänge wahrscheinlich nicht genehmi-gen. Es muss in irgendeiner Art und Weise eine Kooperation mit der Justizvollzugs-einrichtung gegeben haben. Irgendjemand muss „Piatto“ erlaubt haben, die Haftan-stalt zu verlassen. Und jemand muss ihm die Tür auch wieder geöffnet haben. Aber das sind Dinge, die sich der Entscheidungsbefugnis des Verfassungsschutzes ent-ziehen.

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Abgeordnete Gossmann-Reetz (SPD): Ich hatte gefragt, was es für Personen waren, die damals für den Verfassungsschutz tätig waren. Herr Homburg (MIK): Viele der damaligen Mitarbeiter arbeiten dort nicht mehr, teilweise leben sie auch nicht mehr. Das betrifft zum Beispiel auch den damaligen PKK-Vorsitzenden im Landtag; er ist mittlerweile auch verstorben. Ich muss Herrn Rhode fragen, ob er da-zu etwas weiß. Herr Rhode (MIK): Ich weiß es auch nicht, aber soweit mir aus den Unterlagen ersichtlich ist, ist der V-Mann-Führer R. G. wohl von Beginn an dabei gewesen. Soweit mir bekannt ist, hat dieser eine normale Verwaltungsausbildung genossen. Herr Homburg (MIK): Herr Meyer-Plath ist Sozialwissenschaftler und wurde teilweise auch als junger Quel-lenführer eingesetzt. Es sollen auch andere Mitarbeiter für kurze Zeit Kontakt gehabt haben. Einige, die noch in Ausbildung sind, wurden auch einmal mitgenommen. Manchmal ist ein Quellenführer auch im Urlaub; da muss sich dann jemand anderes mit der Quelle treffen. Die Personenzahl wird aber wahrscheinlich überschaubar sein. Es sind aber nicht mehr alle im Dienst; viele sind bereits verstorben. Ihre nächste Frage bezog sich auf einen internen Vermerk, in dem eine Art Resümee über die Qualität der Quelle „Piatto“ gezogen wird. Sie fragten, wer einen solchen Vermerk erstellt. In der Regel erfolgt das in der Abteilung Auswertung. Sie ist Ab-nehmer der Informationen. Der Quellenführer führt die Informationen nur zu, aber die Auswertung muss einschätzen: Stimmt das oder stimmt das nicht? Oder: Oh Gott, das wussten wir alles noch gar nicht etc. - Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat die Abtei-lung Auswertung den Vermerk formuliert. Herr Rhode (MIK): Die Abteilung Beschaffung ist gar nicht in der Lage, eine solche Bewertung vorzu-nehmen. Die Zusammenhänge des gesamten Bereiches Extremismus können nur von der Abteilung Auswertung beurteilt werden. Daher gibt es diese strikte Trennung von Beschaffung und Auswertung schon seit vielen Jahren, auch bei uns in Bran-denburg. Da soll es keine Verzahnung geben, sondern beide Bereiche sollen strikt getrennt voneinander arbeiten. Herr Homburg (MIK): Frau Nonnemacher, Sie hatten die Frage gestellt, inwieweit „Piatto“, bevor er den Verfassungsschutz Brandenburg aus der Untersuchungshaft angeschrieben hatte, gegebenenfalls auch Kontakte zu anderen Diensten hatte: Dazu liegen uns keine

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Informationen vor. Es ist uns de facto nicht bekannt, ob er vorher anderswo Kontakt gesucht hatte oder in intensivem Kontakt stand. Herr Rhode (MIK): Es gab im Zusammenhang mit dem Auffliegen von „Piatto“ die Vermutung, dass er eventuell für die Polizei tätig war. Das ist in unseren Unterlagen aber nicht nachzu-vollziehen. Herr Meyer-Plath hat vor dem Untersuchungsausschuss des Bundesta-ges zu dieser Frage Stellung genommen und ausgeschlossen, dass „Piatto“ seine Informationen parallel an mehrere Behörden weitergegeben hat. Herr Homburg (MIK): Frau Nonnemacher, Sie fragten, wann der damalige Innenminister Ziel bei Herrn Bu-bis gewesen sein soll. Das ist uns nicht bekannt. Wir haben dazu keine Aktenlage. Wir wissen nur, wann der damalige Leiter des Verfassungsschutzes Dr. Förster ins Amt gekommen ist: Das war im November 1996. Kurz darauf muss er diese Informa-tionskette losgetreten haben: Staatssekretär, Minister, externe Personen und später dann die direkte Befassung mit der Person in der PKK. Wir gehen davon aus, dass es im Januar 1997 stattgefunden hat, zumindest die Befassung in der PKK.

(Herr Rhode und Herr Homburg beraten sich.) Frau Nonnemacher, Sie hatten weiterhin gefragt, was zwischen 1994 und 1997 ge-schehen ist und wer unterrichtet wurde. Aus unseren Unterlagen geht nicht hervor, warum wer nicht unterrichtet wurde. Ein vergleichbarer Fall wäre aufgrund der Ge-setzeslage heute nicht mehr möglich. Bei uns ist es bereits seit vielen Jahren alltägli-che Praxis: Die Hausleitung wird über besondere Probleme im Bereich der Beschaf-fung selbstverständlich unterrichtet. - Warum das zwischen 1994 und 1997 nach un-seren Unterlagen nicht geschehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie hatten eine Frage zu den Unterlagen, die gesperrt wurden, und sich dabei auf die Aussage von Staatssekretär Kahl bezogen, nach der die Sicherheit des Landes Brandenburg gefährdet sei. Das war nur ein Teilaspekt; Herr Kahl hatte auch aus-führlich dargelegt, dass diese Freigabe letztlich erfolgte, weil wir vom Generalbun-desanwalt die Freigabe für Informationen erhielten, die für von ihm geführte Strafver-fahren relevant waren und eigentlich nicht hätten freigegeben werden dürfen. Aber wir haben alles koordiniert, und der Generalbundesanwalt hat seine Zustimmung er-klärt. Das war aber nur ein Teilaspekt. Vorsitzender: Gibt es Nachfragen? - Herr Lakenmacher, bitte. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Wir schürfen gerade noch nicht tief, und bei den bisherigen Fragen haben wir erlebt, dass vieles nicht beantwortet werden kann. Insofern ist die Sitzung heute ein guter Auftakt und auch ein Beleg dafür, dass es den Untersuchungsausschuss in Bran-denburg braucht. Wenn ich es richtig deute, sehe ich auch beim Ausschussvorsit-

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zenden und beim Innenminister eher Fragezeichen als Zufriedenheit in den Gesich-tern. Herr Homburg, Sie haben berichtet, dass die Quelle „Piatto“ nach dem Urteil - acht Jahre wegen versuchten Mordes - entlassen wurde. Inwieweit haben Brandenburger Sicherheitsbehörden und der Verfassungsschutz Brandenburg bei der Entlassung mitgewirkt? Welche Angaben wurden gegenüber der Justiz gemacht? Wurden Anga-ben gemacht? Wenn ja, wann und welche? Gab es irgendwelche Vereinbarungen? Sie haben berichtet, dass erst im Untersuchungsausschuss des Bundestages Doku-mente wieder auftauchten, die auch Brandenburg betrafen und Ihnen erst zu diesem Zeitpunkt wieder bekannt und zugänglich wurden. Lagen diese Dokumente jemals in Brandenburg vor? Warum lagen sie nicht mehr vor? Wurde hier geschreddert, wur-den Akten und Dokumente vernichtet? Ist auszuschließen, dass über diese Doku-mente hinaus weitere Dokumente in anderen Sicherheitsbehörden existieren, die Brandenburg und „Piatto“ betreffen, aber hier nicht vorliegen? Eine ganz allgemeine Frage: Wurden Akten im Zusammenhang mit dem NSU und „Piatto“ vernichtet? Wann, warum und auf wessen Anweisung hin wurden sie ver-nichtet? Ich stelle die Frage noch einmal anders: Ist auszuschließen, dass Dokumen-te im Zusammenhang mit dem NSU vernichtet wurden? Sie sagten, der Verfassungsschutz Brandenburg hatte seit dem Jahr 2000 keinen Kontakt mehr zu „Piatto“. Nun gab es die Aussage vor dem Oberlandesgericht Mün-chen. Gab es davor keinen Kontakt zwischen dem Verfassungsschutz Brandenburg und „Piatto“? Ist Ihre Aussage „kein Kontakt“ so aufrechtzuerhalten? Vor dem Oberlandesgericht München gab es auch die Aussage des V-Mann-Führers R. G., der eine beschränkte Aussagegenehmigung hatte. Was war von seiner Aus-sagegenehmigung nicht erfasst? Was durfte er nicht aussagen und warum nicht? Herr Rhode (MIK): Auf die Frage, ob bei uns geschreddert wurde, sage ich: Nein. Die damalige Abtei-lungsleiterin Schreiber hatte kurz nach dem Auffliegen des NSU ein Lösch- und Ver-nichtungsmoratorium für den Bereich Rechtsextremismus ausgesprochen. Herr Homburg (MIK): Sie fragten, ob die von mir erwähnten Dokumente in Brandenburg jemals vorlagen. Zumindest eines der Dokumente muss damals vorgelegen haben, weil sich darunter ein Fax befand, das nachvollziehbar von Brandenburg an Thüringen gesendet wur-de. Später erreichte uns auch eine Antwort aus Thüringen. Die Faxnummer zeigt an, dass es aus Brandenburg geschickt worden sein muss. Das Dokument muss also in irgendeiner Form irgendwo einmal vorgelegen haben. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Nun wurde offenbar nicht geschreddert. Was ist mit den Dokumenten passiert?

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Herr Homburg (MIK): Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie sind ja wieder da, aber es geht hier um Doku-mente, die fast 20 Jahre alt sind. Herr Rhode (MIK): Ich hatte bereits auf die Frage von Frau Gossmann-Reetz geantwortet: Wir unterlie-gen normalerweise Lösch- und Vernichtungsregelungen und Verpflichtungen nach dem Datenschutzgesetz. Diese sind in unserer Behörde immer eingehalten worden, bis zu dem Zeitpunkt, als Frau Schreiber ein Lösch- und Vernichtungsmoratorium ausgesprochen hat. Vorher wurde in regelmäßigen Abständen vernichtet, wenn die Fristen abgelaufen waren. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Also wurde doch vernichtet? Herr Rhode (MIK): Ja, bis 2011, aber aufgrund der Rechtslage.

(Lakenmacher [CDU]: Das war nicht meine Frage. - Ludwig [DIE LINKE]: Das ist aber die Antwort, die Sie bekommen. - Heiterkeit)

Vorsitzender: Fragen und Kommentare bitte mit eingeschaltetem Mikrofon, damit alle etwas davon haben. Gibt es weitere Fragen? - Herr Lakenmacher, bitte. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Von meinen Fragen wurden bisher 20 % beantwortet, bzw. es wurde der Versuch unternommen, sie zu beantworten. Herr Rhode (MIK): Zur Frage der Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei der Haftentlassung von „Piat-to“: Auch dazu hat Herr Meyer-Plath im Untersuchungsausschuss des Bundestages ausführlich Stellung genommen. Es gab selbstverständlich auch Gespräche, an de-nen der Verfassungsschutz teilgenommen hat, weil wir ein Interesse daran hatten, dass „Piatto“ wieder aus der Haft entlassen wird. Wir haben aber keinerlei Einfluss auf die Justiz genommen und gesagt, dass wir uns wünschen, dass er nach der Hälf-te seiner Strafe oder frühzeitig entlassen werden soll. Es hat Gespräche zwischen dem Verfassungsschutz und dem Justizministerium gegeben, aber Einfluss auf die Entscheidung wurde unsererseits nicht genommen.

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Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Ich fasse zusammen: Sie hatten ein Interesse, dass er entlassen wird. Sie haben Gespräche geführt, aber keinerlei Einfluss genommen. Herr Homburg (MIK): Ich möchte ergänzen: Die Mitarbeiter des damaligen Verfassungsschutzes hatten dieses Interesse. Wir, Herr Rhode und ich, waren seinerzeit noch nicht dort beschäf-tigt. Es geht um den Verfassungsschutz Brandenburg. Das ist ein wichtiger Hinweis. Sie hatten die Frage aufgeworfen, ob vor dem Hintergrund des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht München nicht in irgendeiner Art und Weise ein Kontakt zustande gekommen wäre.

(Lakenmacher [CDU]: Nach 2000.) Seitdem sich „Piatto“ im polizeilichen Zeugenschutzprogramm befindet, weiß der Verfassungsschutz Brandenburg nicht, wo er sich aufhält. Die Vorbereitung seiner Zeugenaussage ist allein von der Polizei organisiert und durchgeführt worden. Ich kann nicht ausschließen, dass sich die Zeugen aus der Entfernung irgendwo im Fo-yer einmal gesehen habe. Es gab seitdem aber keinen direkten Kontakt mehr zwi-schen dem Verfassungsschutz Brandenburg und der damaligen Quelle „Piatto“. Herr Rhode (MIK): Zu Ihrer Frage, worauf die Aussagegenehmigung des Zeugen R. G. beschränkt ge-wesen ist: Sie war auf den Gegenstand seiner Vernehmung beschränkt. Dort durfte er alles sagen. Er durfte nichts sagen, wenn Leib und Leben anderer gefährdet ge-wesen wären bzw. wenn weitere Quellen hätten offenbart werden können. Darauf war die Aussagegenehmigung beschränkt. Bezogen auf den Gegenstand seiner Vernehmung konnte er aber immer uneingeschränkt und umfassend aussagen. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Mit anderen Worten: Sie können hier nicht sagen, was er nicht aussagen durfte und was nicht davon umfasst war? Das würde den Rahmen hier sprengen? Herr Rhode (MIK): Ja. Abgeordneter Eichelbaum (CDU): Ich möchte noch einmal auf den Zeitraum vor 1994 zurückkommen. Sie sagten, dass eine Kontaktaufnahme erst 1994 zustande gekommen sei. Gab es Erkenntnisse dar-über, ob „Piatto“ vor dem Jahr 1994 Straftaten verübt und deshalb rechtskräftig ver-urteilt worden ist, und wenn ja, welche?

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Vorsitzender: Herr Lakenmacher ergänzt. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Wer hat der Aussagegenehmigung eine Beschränkung auferlegt? Vorsitzender: Gibt es weitere Nachfragen? - Herr Ludwig, bitte. Abgeordneter Ludwig (DIE LINKE): Nachdem Herr Lakenmacher einige Fragen gestellt hat, die schon vor Jahren öffent-lich beantwortet wurden, möchte ich eine aktuelle Frage sowie einige Bemerkungen anschließen. Ich glaube, als damaliger Zeitzeuge und Parlamentarier heute sagen zu können, dass es möglicherweise nicht nachvollziehbar ist, unter welchen Bedingungen der damalige Innenausschuss arbeiten musste und was ihm vom Innenminister zur Kenntnis gegeben wurde - im Guten wie im Schlechten. Vielleicht ist es erst jetzt möglich, das einzuordnen. Ob der Einzelne heute eine solche Maßnahme treffen würde, will ich damit nicht beantworten. Da gibt es Zitate von damaligen Akteuren, die zum Teil nicht mehr befragt werden können. Aber ich kann bestätigen: Es gab Sondersitzungen des Innenausschusses in den Sommerpausen, für die wir aus halb Europa zusammengetrommelt wurden, um über bestimmte Vorkommnisse in Kennt-nis gesetzt zu werden, und seien es die hier angesprochenen Hasskonzerte. Das ist uns heute Gott sei Dank alles weitgehend fremd. In der damaligen Zeit war es im Innenausschuss aber an der Tagesordnung. Das kann ich aus persönlichem Erleben bestätigen. Auf die gesetzliche Grundlage haben wir als PDS-Landtagsfraktion damals übrigens großen Wert gelegt. Die Löschfrist von zehn Jahren war uns zu lang. Es ist auch eine tragische Erfahrung, was das zur Folge haben kann, dass vernichtet werden musste. Wir haben keinen Zweifel daran, dass in der Amtszeit von Innenminister Schönbohm seit 1999 die Aktenvernichtung nach Recht und Gesetz ordnungsgemäß vorgenom-men wurde. Da war das Brandenburgische Landesrecht immer sehr streng, jedoch mit einer Frist, die uns schon damals politisch gesehen zu lang erschien. Vorhin sind Waffengeschäfte angesprochen worden: Wir wissen heute, wie sich der NSU verhielt und was er sich an Waffen beschafft hat. Dazu meine Frage: Hat die Quelle „Piatto“ zur Verhinderung von Waffenbeschaffung - hier steht nur „anonyme Waffengeschäfte“ - beigetragen oder sonstige Hinweise gegeben? Herr Rhode (MIK): Herr Lakenmacher, zu der beschränkten Aussagegenehmigung: Aussagegenehmi-gungen erteilt in unserem Haus grundsätzlich der Staatssekretär. Es gibt - zumindest für die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes - keine unbeschränkten Aussagegen-

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ehmigungen. Bei uns ist immer die Frage zu berücksichtigen: Können Menschen bzw. die Sicherheit des Landes oder des Bundes durch unsere Aussagen gefährdet werden? Diese Einschränkung ist eigentlich grundsätzlich gegeben; das war kein Spezifikum beim Zeugen R. G. Seine beschränkte Aussagegenehmigung war keine besondere; da ist nichts Geheimnisvolles hineinzuinterpretieren. Herr Homburg (MIK): Wer sich hinter „Piatto“ verbirgt, dazu habe ich kaum Ausführungen gemacht, weil die Medien recht häufig darüber berichtet haben. Es ist mittlerweile schon fast Allge-meinwissen. Er hat bereits vor der Gewaltstraftat, derentwegen er in Haft kam und verurteilt wurde, Straftaten begangen. Er war also bereits vorher auffällig geworden; in der Kette seiner Straftaten war diese allerdings die schwerste. Herr Rhode (MIK): Drei Beispiele: Er hatte Vorstrafen wegen Sachbeschädigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und gemäß § 86a StGB wegen des Tragens eines Kelten-kreuzes. Herr Homburg (MIK): Ich habe nur einen Auszug einer längeren Liste von Ereignissen präsentiert, bei de-nen aufgrund von Hinweisen der Quelle „Piatto“ schwere Straftaten verhindert wer-den konnten. Darunter waren tatsächlich Szenehinweise, die aber - wie mir zur Kenntnis gegeben wurde - nicht mit dem NSU in Zusammenhang standen, dass je-mand angeblich eine Waffe beschaffen wollte oder schon dabei war, sie zu beschaf-fen, um einen Übergriff auf Antifa-Strukturen etc. zu begehen. Was immer „Piatto“ hörte, hat er sofort an seinen Quellenführer weitergegeben. Die-se Informationen wurden dann oft an die Polizei weitergeleitet; so hat „Piatto“ zur Verhinderung von Straftaten beigetragen. Das ließe sich gesondert noch detaillierter auflisten. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht alle Beispiele parat habe - es sind über 200. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Ich will doch eine speziellere Frage stellen; vielleicht können Sie sie beantworten: Über welche Informationen und Erkenntnisse zum neonazistischen Fanzine „Der Weisse Wolf“, zum Ku-Klux-Klan in Königs Wusterhausen, zu Toni S. und zum Bran-denburger Uwe M. von den „Proissenheads“ sowie den jeweiligen Verbindungen zum NSU und dessen Umfeld verfügte der Verfassungsschutz Brandenburg oder andere staatliche Stellen des Landes Brandenburg; wann und von wem erhielt man diese Informationen und Erkenntnisse? Können Sie diese Frage heute an Ort und Stelle beantworten? Herr Rhode (MIK): Bezüglich des Ku-Klux-Klans gab es Hinweise, dass „Piatto“ in die Szene involviert gewesen ist. Zu den anderen genannten Punkten kann ich keine Auskunft geben.

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Vorsitzender: Vielen Dank. - Gibt es weitere Nachfragen?

(Lakenmacher [CDU]: Die werden ja nicht beantwortet oder können nicht be-antwortet werden!)

Wenn das nicht der Fall ist, können wir die Befragung beenden. Herr Homburg (MIK): Wenn Sie gestatten, würde ich eine Ergänzung machen. Vorsitzender: Ergänzungen sind uns immer willkommen. Bitte. Herr Homburg (MIK): Damit eine Sache nicht falsch verstanden wird: Viele der Unterlagen zu „Piatto“ - also die vielen Deckblattmeldungen etc. - sind noch vorhanden, eigentlich nahezu alle. Mir wurde mitgeteilt, dass es da bei meinem Vortrag ein Missverständnis gab. Wir haben im Zuge der NSU-Aufarbeitung später noch zwei Vermerke bekommen, im Kontext des Treffens in Potsdam. Diese Unterlagen hatten wir nicht mehr. Aber an-sonsten sind die Unterlagen zu „Piatto“ selbst bei uns noch vorrätig. Herr Rhode (MIK): Das ist aber - wie ich vorhin zu Frau Gossmann-Reetz sagte - nur deshalb so, weil der Zeuge „Piatto“ sich noch im Zeugenschutzprogramm befindet. Wäre das nicht der Fall, wäre die gesamte Akte „Piatto“ nach Ablauf der Löschfristen vernichtet wor-den. Abgeordneter Kurth (SPD): Ich frage, damit ich das richtig verstehe. Erstens: Unter heutigen Gesichtspunkten dürfte „Piatto“ überhaupt nicht als Quelle genutzt werden, unter den damaligen ge-setzlichen Regelungen schon. Zweitens: Es gilt grundsätzlich nach zehn Jahren die Pflicht zur Löschung, es sei denn, die Person, die als Quelle genutzt wurde, ist im-mer noch in einem Zeugenschutzprogramm (Herr Rhode: Oder aktiv!) - oder aktiv, das ist klar - oder der Fall ist von dem Löschmoratorium infolge des Be-ginns der NSU-Aufklärung betroffen. - Sind das die Regeln? Herr Rhode (MIK): Das ist die Regel.

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Parlamentarische Kontrollkommission 12.04.2016 8. (öffentliche) Sitzung Stenogr. Dienst/borko

Eine Ergänzung: Wir haben frühzeitig mit der Änderung unserer Beschaffungsanwei-sung begonnen. Nach dem Auffliegen des NSU war das Erste, was Brandenburg getan hat, Konsequenzen daraus zu ziehen: In unserer Beschaffungsanweisung steht mittlerweile, unter welchen Voraussetzungen eine Quelle überhaupt noch ge-worben bzw. eingesetzt werden darf. Wurde die Quelle im „Vorleben“ zu bestimmten Straftaten verurteilt, ist das ein Ausschlusskriterium. Das wäre also heute bei uns aufgrund der Rechtslage nicht mehr möglich. Abgeordnete Gossmann-Reetz (SPD): Sie haben berichtet, dass von drei Jahren „Eigenleben“ des Verfassungsschutzes dann erst der Minister - und damit die PKK - unterrichtet wurde. Welche Konsequen-zen hatte das innerhalb des Hauses? Arbeiten Menschen, die damals verantwortlich waren, heute noch beim Verfassungsschutz Brandenburg? Zu welchen Konsequen-zen hat das in der Struktur und den Dienstanweisungen geführt? Herr Rhode (MIK): Es werden mit Sicherheit damalige Mitarbeiter heute noch in der Abteilung tätig sein. Vom Führungspersonal, das damals mit dem Fall „Piatto“ beschäftigt war, bleiben nicht viele übrig: Herr Meyer-Plath ist in Sachsen tätig, einer der Beschaffungsleiter ist verstorben. Zu den Konsequenzen: Wie gesagt, bei uns ist es nun Standard, dass die Hausleitung über Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Quellen unmittelbar un-terrichtet wird. In den geheimen Sitzungen der PKK berichten wir regelmäßig über die Quellensituation; und wenn es im Zusammenhang mit einer Quelle Besonderhei-ten gibt - das ist in der Vergangenheit schon vorgekommen -, unterrichten wir auch die PKK unverzüglich darüber. Die Kommunikation sowohl mit unserer Hausleitung als auch mit der PKK ist eigentlich eine Konsequenz aus den damaligen Umständen. Abgeordneter Lakenmacher (CDU): Abschließend möchte ich sagen: Ich empfinde diese öffentliche Sitzung als Intro zu dem bevorstehenden Untersuchungsausschuss. Auf viele Fragen werden wir heute keine Antwort bekommen: Was war vor 1994? Was konkret war zwischen 1994 und 1996? Welchen Einfluss auf die rechte Szene hatte „Piatto“ aus der Inhaftierung her-aus - mit welchen Folgen? Und so weiter. Insofern danke ich für die öffentliche PKK-Sitzung, die für mich im Ergebnis ein gutes Intro zum bevorstehenden NSU-Untersuchungsausschuss - mit all den tiefschürfen-den Fragen - war und nur sein konnte. Vorsitzender: Ich erlaube mir, mich dieser Einschätzung anzuschließen. Es ist klar, dass man ei-nen über viele Jahre währenden Komplex nicht innerhalb einer PKK-Sitzung vollum-fänglich darlegen kann. Dazu wäre eine Vielzahl von Sitzungen notwendig. Die Fraktionen haben sich nun aber auf die Einsetzung eines Untersuchungsaus-schusses verständigt. Wir sind es den Opfern des NSU-Trios schuldig, zu prüfen, inwieweit noch Licht in die Angelegenheit gebracht werden kann. Insofern haben wir

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Landtag Brandenburg P-PKK 6/8 S. 28

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hier heute - in dieser für Brandenburg neuen Form - einen guten Aufschlag gemacht und versucht, nicht nur der PKK, die viele der Informationen schon als Versatzstücke hatte, sondern auch der Öffentlichkeit einen Überblick über die Gemengelage zu ver-schaffen. Ich schließe hiermit die Sitzung. Die nächste reguläre Sitzung - dann wieder ohne Publikum - findet am 10. Mai 2016 statt. (Dieses Protokoll wurde durch Beschluss der Kommission gemäß § 83 Absatz 2 Satz 2 GOLT in der 9. Sitzung am 24. Mai 2016 bestätigt.) Anlage - Präsentation des Ministeriums des Innern und für Kommunales zu TOP 1

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Ministerium des Innern Anlage

und für Kommunales

LAND Abteilung Verfassungsschutz

BRANDENBURG

Öffentliche Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission

des Landtages Brandenburg am 12. April 2016

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LAND BRANDENBURG

Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz

Gliederung

1. Einführung in das Thema

2. TOP b (Rolle, Umstände, Informationsgewinnung von „Piatto")

3. TOP a & c (Kenntnis über Schusswaffen- beschaffung des NSU und Info-Weitergabe)

4. TOP d (Beiträge VS Brandenburg in U-Ausschüssen etc.)

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 2

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1 LAND

BRANDENBURG

Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz

„Fest steht: Die frühen 1990er Jahre waren für viele Menschen lebensgefährlich und für noch mehr bedrohlich."

„Die Rechten waren nicht überall gleich viele und nicht überall gleich stark, ... aber sie waren überall präsent. An jedem Wochenende, in jeder Kleinstadt, passierte irgendetwas."

(aus: „Generation Hoyerswerda. Das Netzwerk militanter Neonazis in Brandenburg", 2016, Hrsg: Heike Kleffner, Anna Spangenberg)

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 3

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- \---.(N LAND

BRANDENBURG

Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz

Todesopfer rechtsextremistischer Gewalt 1990 - 1993

t Andrzej F. (1990), Lübbenau (OSL), 3 Täter, nach Prügelei in einer Disco erstochen

t Amadeu Antonio K. (1990), Eberswalde (BAR), Tätergruppe, mit Sprung auf Kopf ins Koma getreten

t Wolfgang A. (1991), Schwedt (UM), in den Tod geprügelt

t Gerd H. (1991), Hohenselchow (UM), mit Sprung auf Kopf getötet

t Timo K. (1991), Meuro (OSL), erschossen 1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 4

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Z LAND '

BRANDENBURG

Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz

Todesopfer rechtsextremistischer Gewalt 1990 - 1993

t Emil W. (1992), Neuruppin (PR), erstochen

t Rolf S. (1992), Kloster Lehnin (PM), nach schweren Kopfverletzungen ertränkt

t Horst H. (1993), Fürstenwalde (LOS), zu Tode gequält

t Belaid B. (1993), Belzig (PM) ins Krankenhaus geprügelt, sieben Jahre später an den Spätfolgen gestorben

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 5

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LAND BRANDENBURG

LAND BRANDENBURG

Verfassungsschutzbericht >\ .

1993

Ministerium des Innern

Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz

rechtsextremistische Jugendszene & Skinheads

rechtsextremistische Parteien untergeordnete Rolle

4 Brandanschläge, u.a. Gedenkstätte Sachsenhausen (1992)

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam

6

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Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz

■ Straftaten REX ■ Gewalttaten REX

1 ■

LAND BRANDENBURG

Personen REX

1200

1600

1400

6 ' 0

1000

800

600

400

200 —

0 1992 1993 1994

1.190 1.315

986 559

186 108

1995 1996

1.320 1.210 451 479

74 96

1997 1998 1999 2000 1.170 1.435 1.665 1.490

569 309 288 365 106 68 71 86

Personen Straftaten 662 Gewalttaten 254

Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 7 1. Juni 2016

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Ministerium des Innern und für Kommunales

LAND

Abteilung Verfassungsschutz BRANDENBURG

Vorschaltgesetz über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (3.12.1991 — 5.4.1993)

§ 4 Abs. 1: „Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel durch die Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg ist bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg unzulässig."

§ 4 Abs. 2: „Die Erhebung zum Zwecke der Erstellung von Lagebildern beschränkt sich im Rahmen des Vorschaltgesetzes auf die Sammlung und Auswertung von Informationen anderer Behörden".

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 8

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Ministerium des Innern und für Kommunales

LAND

Abteilung Verfassungsschutz BRANDENBURG

Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (5.4.1993)

§ 3: „Zur Erfüllung ihres Auftrages sammelt die Verfassungsschutzbehörde Informationen (...), über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung (...) gerichtet sind ..."

Der VS Brandenburg war somit befugt nachrichtendienstliche Mittel bspw. menschliche Quellen einzusetzen (§ 6 BbgVerfSchG).

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 9

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Ministerium des Innern und für Kommunales

LAND Abteilung Verfassungsschutz BRANDENBURG

• Stellen VS BB • Quellenführer (geschätzt) Quellen (geschätzt)

100

80

60

40

20

0

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Stellen 30 40 63 89 99 109 105 101 102 QF 2 2 3 3 4 4 4 5 5

1 Q 0 1 2 3 4 4 5 5 5 1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 10

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1\..z LAND

BRANDENBURG

Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz

Gliederung

1. Einführung in das Thema

2. TOP b (Rolle, Umstände, Informationsgewinnung von „Piatto")

3. TOP a & c (Kenntnis über Schusswaffen- beschaffung des NSU und Info-Weitergabe)

4. TOP d (Beiträge VS Brandenburg in U-Ausschüssen etc.)

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 11

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Quelle „Piatto"

8. Juli 1994: C. S. (später „Piatto") schreibt aus U-Haft Brief an VS Brandenburg. 2. August 1994: Erstes Treffen mit 0. S. (später „Piatto")

Mai 1995: Verurteilung wegen versuchten Mordes zu acht Jahren.

Regelmäßige Treffen mit VS Brandenburg und Informationsweitergaben durch „Piatto".

15. Dezember 1999: Entlassung auf Bewährung auf Beschluss Landgericht Potsdam.

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 12

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Quelle „Piatto"

30. Juni 2000: Quellentätigkeit von „Piatto" wird auf Weisung MI-Sts beendet.

10. Juli 2000: „Der Spiegel" veröffentlicht „Führer der Meute".

14. Juli 2000: „Piatto" kommt wegen Enttarnung ins polizeiliche Zeugenschutzprogramm.

VS Brandenburg hat seitdem keinen Kontakt mehr mit „Piatto".

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 13

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Quelle „Piatto"

„PIATTO berichtet zuverlässig und umfassend. Aufträge führt er gewissenhaft aus. Er ist in hohem Maße lernfähig. Seine Einsatzbereitschaft ist bemerkenswert. Aus Sicht der Auswertung hat sich die Quelle als uneingeschränkt steuerbar und glaubwürdig erwiesen ... PIATTO ist mit Abstand die beste Quelle der hiesigen Behörde. Sie ist aber auch im bundesweiten Maßstab eine herausragende, besonders wertvolle Quelle. In der Breite ihres Einsatzes lässt sie sich aus hiesiger Sicht mit keiner anderen Quelle einer Verfassungsschutzbehörde vergleichen." (Interner Vermerk VS Brandenburg vom 2. Juli 1999 über „Piatto")

Meyer-Plath vor dem BT-UA: Der Erkenntnisgewinn durch „Piatto" war für den VS ein "Quantensprung". (Protokoll der 64. Sitzung des 2. UA am 15. April 2013)

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 14

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1. Einführung in das Thema

2. TOP b (Rolle, Umstände, Informationsgewinnung von „Piatto")

3. TOP a & c (Kenntnis über Schusswaffen- beschaffung des NSU und Info-Weitergabe)

4. TOP d (Beiträge VS Brandenburg in U-Ausschüssen etc.)

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NSU-Trio taucht unter

26. Januar 1998, Jena (TH): Polizei durchsucht Garagenkomplex.

Der dabei anwesende Böhnhardt steigt in sein Fahrzeug und fährt davon.

Böhnhardt war zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt, jedoch nicht in Haft.

Am selben Tag tauchen Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos unter.

Haftbefehle wurden am 28. Januar 1998 erlassen.

Erste zur Zeit bekannte NSU-Straftat: 18. Dezember 1998.

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 16

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Laut Antje P , sind drei sächsische Skinheads (zwei Männer und eine Frau)

zur Zeit wegen verschiedener Straftaten auf der Flucht vor der Polizei. Dieser Fall

sei medienbekannt. Die drei, von denen einer anonym Artikel für die Publikation

„White Supremacy" geschrieben habe, wollen sich angeblich innerhalb der näch-

sten drei Wochen mit „geliehenen Pässen" nach Südafrika absetzen und dort in

neue Identitäten schlüpfend

Auszug Deckblattmeldung vom 19.08.1998

verschickt am 21.08.1998 an:

Bundesamt für Verfassungsschutz VS Sachsen VS Berlin

am 31.08. an VS Thüringen (auf Bitten BfV)

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 17

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„Bums"-SMS an totes Quellen-Handy.

Sächsischer Rechtsextremist Jan W. schickt am 25. August 1998 um 19.21 Uhr SMS an Quellen-Handy von „Piatto".

Inhalt: „Hallo, was ist mit dem Bums"

Handy wurde am selben Tag — wohl vor dem Absenden der SMS - aus Gründen des Quellenschutzes vom Quellenführer eingezogen und deaktiviert, da es in TKU-Maßnahme auftauchte. VS BB hatte diese Kenntnis vom BfV.

Zu diesem Handy ist keine damalige polizeiliche Anfrage aus TH bekannt.

Von der SMS erfuhr der VS BB erst über das „Schäfer-Gutachten" im Jahr 2012.

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 18

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Verschiedenes

Einen persönlichen Kontakt zu den drei sächsischen Skinheads (siehe Deck-blattmeldung vom 19.08.1998, Az. V/4.30-068-P-370 004-124198 VS-VertnIQS, Seite 7) soll Jan W7. haben. Jan VL. soll zur Zeit den Auftrag haben, "die drei Skinheads mit Waffen zu versorgen". Gelder für diese Beschaffungs-maßnahme soll die "Blood & Honour"-Sektion Sachsen bereitgestellt haben. Die Gelder stammen aus Einnahmen aus Konzerten und dem CD-Verkauf. Vor ihrer beabsichtigten Flucht nach Südafrika soll das Trio einen weiteren Über-fall nach dem Erhalt der Waffen planen, um mit dem Geld sofort -Deutschland verlassen zu können. Der weiblichen Person des Trios will Antje PF ihren Paß zur Verfügung stellen, P anderen für die drei tätig sein.

Dokument Ende

Auszug Deckblattmeldung vom 09.09.1998

verschickt am 11.09.1998 an:

Bundesamt für Verfassungsschutz

VS Thüringen

und W sol en unabhängig voneinander und ohne Wissen des VS Mecklenburg-Vorp.

VS Sachsen VS Sachsen-Anhalt

VS Berlin

Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 19 1. Juni 2016

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Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz LAND <‘'

BRANDENBURG

Treffen der VS-Behörden am 15.9.1998 in Potsdam Anwesend: VS Thüringen, VS Sachsen, VS Brandenburg. Folgende Festlegungen wurden getroffen (Vermerk VS Sachsen, 17.9.1998):

• „IM Brandenburg ist grundsätzlich nicht bereit, die Quellenmeldung als solches für die Polizei ,freizugeben'."

• „Ggf. Erstellung eines Behördenzeugnisses durch BfV, da Unterstützung von dort zugesagt."

• „LfV Thüringen informiert ohne Nennung der Herkunft der Informationen das LKA Thüringen über den Sachverhalt — Behandlung der Hinweise mit hoher Sensibilität wird vorausgesetzt."

• Es folgen weitere Punkte zur Festlegung operativer Maßnahmen in Sachsen und Thüringen. 1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 20

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BRANDENBURG

Treffen der VS-Behörden am 15.9.1998 in Potsdam „Am 17.09.1998, gegen 10.45 Uhr, teilte ... LfV TH, auf Anfrage folgenden Sachverhalt mit: Am 16.09.1998 abends gab es eine Besprechung mit dem Präsidenten des LKA TH." (Vermerk VS Sachsen, 17.9.1998). Präsident LKA TH verlangt „schriftlichen Bericht" „für die Umsetzung" „polizeilicher Maßnahmen" . VS BB lehnt „Behördenzeugnis" aus Gründen des Quellenschutzes ab. (Vermerk VS Sachsen, 17.9.1998)

Für das polizeiliche Tätigwerden ist mündliche Unterrichtung ausreichend.

VS Brandenburg faxt am 17.9.1998 Zusammenfassung und Analyse der Besprechung vom 15.9.1998 zumindest an VS Thüringen (Fax lag bei VS BB nicht mehr vor, aber dem VS TH).

1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 21

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Ministerium des Innern und für Kommunales Abteilung Verfassungsschutz LAND

BRANDENBURG

Am Rande des Konzerts erfuhr die Quelle, daß Jan W bei seinen Versu-

chen, die drei flüchtigen Neonazis aus Thüringen mit Waffen zu versorgen, noch

nicht erfolgreich war und die Versuche fortsetzt.

Auszug Deckblattmeldung vom 29.09.1998

verschickt am 02. bzw. 05.10.1998 an:

Bundesamt für Verfassungsschutz VS Sachsen VS Berlin

VS Niedersachsen VS Mecklenburg-Vorp. VS Thüringen

VS Bayern VS Hamburg

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Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 22

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„Piatto" und PKK Dr. Förster (11/1996 — 1998 Leiter VS Brandenburg) vor BT-UA: „Ich war entsetzt, diesen V-Mann zu haben. Minister wusste davon nichts; Staatssekretär wusste davon nichts. Dann bin ich zum Minister gegangen (...) Wir haben einen Mann konsultiert — der tot ist -, Ziel und ich (...) Und dieser Mann hat gesagt, weil ja so eine Quelle ... Erkenntnisse geben kann ... würde er die Frage "Darf man mit so einem überhaupt zusammenarbeiten?' mit 'man muss' beantworten. Und nach dieser ... Begegnung sind wir gemeinsam, der Minister und ich, ins Parlamentarische Kontrollgremium gegangen, mit der gleichen Frage." (Protokoll der 41. Sitzung des 2. UA am 22. November 2012)

Bei dem „Mann", „der tot ist" soll es sich nach Medienberichten um 'gnatz Bubis handeln (Vorsitzender Zentralrat der Juden in Deutschland 1992 — 1999, vgl. Spiegel und PNN vom 29. April 2013).

Ex-Minister Ziel: „Dazu stehe ich (...) Die Verantwortung trug ich." (dpa laut PNN vom 29. April 2013)

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„Piatto" und PKK

„Piatto" sei ein „nützliches Werkzeug" gewesen (PKK-Vorsitzender Christoph Schulze, damals SPD, in Märkische Allgemeine Zeitung, 10. Juli 2000).

„Gestern hat Michael Schumann, PDS-Vertreter der PKK, seine Fraktion in einer 'persönlichen Erklärung' informiert ... Schumann unterstrich, dass auch er 'trotz erheblicher Bedenken letztendlich' der Anwerbung von Piatto, eines Freundes von Polizistenmörder Kay D., zugestimmt habe. Unter anderem, weil die Situation in Brandenburg 'durch eine unerträgliche Häufung schwerster rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierter Straftaten' geprägt war." (Neues Deutschland, 12. Juli 2000)

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Gliederung

1. Einführung in das Thema

2. TOP b (Rolle, Umstände, Informationsgewinnung von „Piatto")

3. TOP a & c (Kenntnis über Schusswaffen- beschaffung des NSU und Info-Weitergabe)

4. TOP d (Beiträge VS Brandenburg in U-Ausschüssen etc.)

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Beiträge VS Brandenburg in U-Ausschüssen, etc.

Insbesondere für die parlamentarische Aufarbeitung im Bundestag wurden etwa 9.000 Blatt Papier gescannt.

Ebenso wurden Dokumententeile in Papierform zur Verfügung gestellt.

Alle den VS Brandenburg betreffenden Beweisbeschlüsse wurden fristgerecht und vollumfänglich umgesetzt.

Folgende Verfahrensgrundsätze des VS-Verbundes wurden eingehalten, u.a.:

Geschwärzt: Namen bzw. personenbezogene Daten von VS- Mitarbeitern unterhalb der Amtsleiterebene

Schwärzungen: Bei Gefahr der Identifikation einer menschlichen Quelle

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Beiträge VS Brandenburg in U-Ausschüssen, etc.

Im 2. UA des Bundestages haben ausgesagt:

Dr. Hans-Jürgen Förster

Die ehemaligen Quellenführer Gordian Meyer-Plath und R.G.

Vor dem OLG München haben ausgesagt:

Ehemalige Quelle „Piatto"

Die ehemaligen Quellenführer Gordian Meyer-Plath und R.G.

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Beiträge VS Brandenburg in U-Ausschüssen, etc.

Generalbundesanwalt und Bundeskriminalamt werden seit Januar 2012 unterstützt.

Vom OLG München eingezogene Unterlagen des Zeugen R.G. wurden zunächst gesperrt, dann aber freigegeben.

Hintergrund: Sperrung war notwendig zur Klärung, ob die Unterlagen u.a. Hinweise auf andere Verfahren des Generalbundesanwalts beinhalten.

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Zusammenfassung Anfang der 1990er Jahre: dramatischer Anstieg von Rechtsextremisten und Gewalt.

Bis Mitte 1993: VS Brandenburg waren nachrichtendienstliche Mittel untersagt.

Führung von „Piatto" als Quelle war gesetzeskonform / PKK ab Frühjahr 1997 eingebunden (vermutlich Januar 1997).

„Piatto" lieferte Erkenntnisse zu abgetauchten Rechtsextremisten in „Sachsen" bzw. „Thüringen".

VS Brandenburg steuerte seine Erkenntnisse regelmäßig und zeitnah.

Es waren immer Erkenntnisse ohne direkten Brandenburg-Bezug („Beifang").

Nach Aktenlage waren VS-Behörden und die Polizei in Thüringen informiert.

Sommer 2000: „Piatto" wird abgeschaltet.

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Zusammenfassung Etwa 200 "Piatto„-Meldungen zogen strafrechtliche oder sonstige exekutive Maßnahmen nach sich. Darunter:

• detaillierte Hinweise, die mittelbar zum Verbot der "Kameradschaft Oberhavel" 14. August 1997 führten.

• Hinweise über geplante Ausschreitungen beim Fußballländerspiel am 4. September 1996 in Polen.

• Wertvolle Erkenntnisse, die in die Verbotsverfügung von B&H eingeflossen.

• Hinweise auf Produktion und Auslieferung strafrechtlich relevanter Tonträger, die u.a. zur Beschlagnahmung mehrerer Tausend Tonträger führten.

• Hinweise auf Hass-Konzerte, die dann durch die Polizei verboten oder aufgelöst werden konnten.

• Hinweise auf Waffengeschäfte

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Zusammenfassung

Verbotene Strukturen

• 1995: „Direkte Aktion/Mitteldeutschland"

• 1997: Kameradschaft „Oberhavel"

• 2005: Kameradschaften „Hauptvolk" & „Sturm 27"

• 2005: „ANSDAPO"

• 2006: „Schutzbund Deutschland"

• 2011: „Freie Kräfte Teltow-Fläming"

• 2012: „Widerstand in Südbrandenburg" 1. Juni 2016 Öffentliche Sitzung der PKK am 12. April 2016, Landtag Brandenburg, Potsdam 31