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Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4620 02.12.2015 (Ausgegeben am 03.12.2015) Bericht 13. Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Untersuchungsbericht Berichterstatter: Abgeordneter Herr Peter Rotter Der 13. Parlamentarische Untersuchungsausschuss erstattet dem Landtag den an- liegenden Untersuchungsbericht. Abstimmungsergebnis: 8 : 5 : 0 Peter Rotter Ausschussvorsitzender Hinweise: Der Untersuchungsbericht mit vollständigen Namen und Anlagen wird nur an die Mitglie- der des Landtages von Sachsen-Anhalt verteilt. Im Internet erfolgt eine Bereitstellung mit unvollständigen Namen und ohne Anlagen. Die Drucksache steht digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt er- folgen oder die gedruckte Form abgefordert werden.

Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4620 02.12 · 5 Teil A Einsetzung, Auftrag und Verfahren I. Vorgeschichte Im Februar 2010 wurden in den Medien1 nach Hausdurchsuchungen Informatio-nen

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Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4620 02.12.2015

(Ausgegeben am 03.12.2015)

Bericht 13. Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Untersuchungsbericht Berichterstatter: Abgeordneter Herr Peter Rotter Der 13. Parlamentarische Untersuchungsausschuss erstattet dem Landtag den an-liegenden Untersuchungsbericht. Abstimmungsergebnis: 8 : 5 : 0 Peter Rotter Ausschussvorsitzender Hinweise: Der Untersuchungsbericht mit vollständigen Namen und Anlagen wird nur an die Mitglie-

der des Landtages von Sachsen-Anhalt verteilt. Im Internet erfolgt eine Bereitstellung mit unvollständigen Namen und ohne Anlagen.

Die Drucksache steht digital im Internet/Intranet zur Verfügung. Die Anlage ist in Word als

Objekt beigefügt und öffnet durch Doppelklick den Acrobat Reader. Bei Bedarf kann Einsichtnahme in der Bibliothek des Landtages von Sachsen-Anhalt er-folgen oder die gedruckte Form abgefordert werden.

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Bericht

des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

des Landtages von Sachsen-Anhalt

Seite

Teil A: Einsetzung, Auftrag und Verfahren 3

Teil B: Sachverhalt 21

Teil C: Ergebnisse der Untersuchung und Bewertung der Ergebnisse durch den Untersuchungsausschuss Sondervotum der Mitglieder der Fraktion DIE LINKE

Sondervotum des Mitglieds Herrn Olaf Meister, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

103

Anlagen 171

2

3

Teil A Einsetzung, Auftrag und Verfahren

Inhaltsverzeichnis

I. Vorgeschichte ................................................................................................................. 5

II. Rechtsgrundlagen der Tätigkeit des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses .................................................................................................. 7

III. Besetzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ............................. 7

IV. Untersuchungsauftrag .................................................................................................... 9

V. Ablauf des Untersuchungsverfahrens .......................................................................... 13

1. Konstituierung ......................................................................................................... 13

2. Verfahrensfragen .................................................................................................... 13

3. Sitzungen/Beweiserhebung durch Zeugenvernehmungen ..................................... 14

a) Beweisthema ADrs. 6/U13/3 - Erster Beweisbeschluss .......................................... 15

b) Beweisthema ADrs. 6/U13/17 - Elfter Beweisbeschluss ......................................... 15

c) Beweisthema ADrs. 6/U13/18 - Zwölfter Beweisbeschluss ..................................... 16

d) Beweisthema ADrs. 6/U13/21 - 14. Beweisbeschluss ............................................ 16

e) Beweisthema ADrs. 6/U13/23 - 15. Beweisbeschluss ............................................ 17

f) Beweisthema ADrs. 6/U13/24 - 16. Beweisbeschluss ............................................ 18

g) Beweisthema ADrs. 6/U13/28 - 19. Beweisbeschluss .............................................. 18

4. Aktenvorlageverlangen ........................................................................................... 19

5. Abschluss der Beweisaufnahme ............................................................................. 19

4

5

Teil A Einsetzung, Auftrag und Verfahren

I. Vorgeschichte Im Februar 2010 wurden in den Medien1 nach Hausdurchsuchungen Informatio-nen über einen möglichen Fördermittelskandal öffentlich gemacht. Den Angaben zufolge hatten Beamte des Landeskriminalamtes und der zustän-digen Polizeidirektion in Dessau-Roßlau, Wittenberg, Kemberg und Eisleben Un-ternehmen und Privatwohnungen durchsucht. Der Verdacht der Staatsanwalt-schaft Halle lautete auf Fördermittelbetrug. Den Medien war zu entnehmen, dass das Land Sachsen-Anhalt mehrere Millio-nen Euro Fördergelder für Bildungsmaßnahmen zu Unrecht an die Unternehmen ausgezahlt haben soll. Die Unternehmen waren die Antragsteller und Zuwen-dungsempfänger der Fördermittel. Es wurde vermutet, dass der ehemalige Regi-onalbereichsleiter des Bildungszentrums der Industrie- und Handelskammer Hal-le/Dessau, Herr B., die Bildungsmaßnahmen vermittelt und zusammen mit sei-nen Mitarbeitern bei der Antragstellung Hilfe geleistet hatte. Das IHK-Bildungszentrum erhielt zudem häufig von den Unternehmen den Auftrag, die Bildungsmaßnahmen durchzuführen. Eine größere Zahl dieser Maßnahmen hat das IHK-Bildungszentrum durch Unteraufträge an andere, häufig dieselben Bil-dungsfirmen vergeben. Es wurde vermutet, dass die Unternehmen die Fördermit-tel zwar erhalten hatten, aber die Bildungsmaßnahmen entweder gar nicht oder nicht wie beantragt durchgeführt wurden mit der Folge, dass sowohl die Unter-nehmen als auch die mit der Durchführung der Maßnahmen beauftragten Bil-dungsunternehmen einen geldwerten Vorteil erlangten. Auslöser der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen waren den Angaben zufolge die Ermittlungen des Privatdetektivs Herrn J., den die Geschäftsleitung des IHK-Bildungszentrums mit der Untersuchung der Bildungsmaßnahmen beauftragt hatte, nachdem Auffälligkeiten im Geschäftsbereich des Regionalbereichsleiters Herrn B. festgestellt worden waren. Im Oktober 2008 legte Herr J., der zugleich zeitweilig Präsident des Sportvereins Dessau 05 war, seinen Abschlussbericht vor, aus welchem unter anderem hervorging, dass zu führende Anwesenheitslis-ten von den Teilnehmern einer Bildungsmaßnahme unterschrieben worden wa-ren, obwohl diese nicht an der Maßnahme teilgenommen hatten. Die Staatsan-waltschaft hatte Kenntnis von den Ermittlungsergebnissen des Herrn J.. Parallel hatte das Landesverwaltungsamt als Bewilligungsbehörde bei Vor-Ort-Kontrollen hinsichtlich der Durchführung von Bildungsmaßnahmen Unregelmäßigkeiten bemerkt und sich im November 2008 mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung gesetzt.

1 vgl. z.B. Mitteldeutsche Zeitung vom 25. Februar 2010, Leipziger Volkszeitung vom 24. Februar 2010

6

In der Öffentlichkeit wurde gemutmaßt, das zwischen den bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Fördermitteln an Unternehmen im Raum Dessau und möglichen Spenden an den CDU-Kreisverband ein Zusam-menhang bestünde. Dies wurde vor allem daraus abgeleitet, dass einige Inhaber und Geschäftsführer von Unternehmen Mitglied der CDU sind oder waren und in Ehrenämtern entweder im Stadtrat oder beim Sportverein Dessau 05 waren. Wegen dieser öffentlich bekannten Informationen beantragte die Fraktion DIE LINKE am 5. Juli 2012 eine Aktuelle Debatte zur „Bewertung des Dessauer För-dermittel- und CDU-Spendenskandals“.2 Es wurde unter anderem vermutet, dass der betreffende Regionalbereichsleiter des IHK-Bildungszentrums die Fördermit-telbegünstigten aufgefordert hatte, an die CDU zu spenden. Zur Begründung der Aktuellen Debatte wurde ausgeführt, dass diese Tatsache eine öffentliche Positi-onierung der Landesregierung und der im Landtag vertretenen Fraktionen ver-langt. Darüber hinaus war es nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE außeror-dentlich verwunderlich, dass nach vierjähriger Ermittlung der Staatsanwaltschaft kein greifbares Ergebnis dieser Ermittlungen vorlag und die zuständige Staats-anwaltschaft sich weigerte, Ermittlungen zu den CDU-Spenden in diesem Zu-sammenhang überhaupt aufzunehmen. Nach der Begründung der Aktuellen De-batte gewann der Fördermittelskandal eine besondere Brisanz dadurch, dass es offensichtlich direkte Beziehungen in das Ministerium für Wissenschaft und Wirt-schaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) des Landes Sachsen-Anhalt gegeben haben soll, ohne dass über Jahre hinweg notwendige Konse-quenzen gezogen wurden. Es wurde vermutet, dass der für den in Rede stehen-den Bereich zuständige Referent im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Herr S., mit dem Regionalbereichsleiter des IHK-Bildungszentrums Herrn B. zusam-mengearbeitet und Einfluss auf die Fördermittelbearbeitung genommen hatte. Die Aktuelle Debatte fand am 13. Juli 2012 statt.3 Zudem hatte sich auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Aus-schuss für Wissenschaft und Wirtschaft darauf verständigt, dieses Thema im Rahmen der Selbstbefassung gemäß § 14 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt in seiner 13. Sitzung am 19. Juli 2012 zu behan-deln. Die Landesregierung erstattete in dieser Sitzung Bericht.4 Die Oppositionsfraktionen kamen nach dieser Sitzung und der Aktuellen Debatte zu dem Schluss, dass „bisherige Erklärungen und Aussagen der Landesregie-rung zu den Vorgängen, einschließlich getroffener Bewertungen und gezogener Konsequenzen, nicht das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an der vollstän-digen Aufklärung der Sachverhalte befriedigen konnten und als nicht hinreichend anzusehen sind. Sie stellten in der 32. Sitzung des Landtages am 18. Oktober 2012 einen Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses.5

2 Drucksache 6/1267 3 Planarprotokoll 6/29 vom 13. Juli 2012, S. 2207ff. (TOP 29) 4 Niederschrift über die 13. Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft vom 19. Juli 2012, S. 15ff. 5 Drucksache 6/1498

7

Der Antrag wurde mit den Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Koalitionsfraktionen beschlossen.6 Der Einsetzungsbeschluss liegt in der Drucksache 6/1540 vor.

II. Rechtsgrundlagen der Tätigkeit des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses Die ersten neun Beratungen des 13. Parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses fanden auf der Grundlage des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen (Untersuchungsausschussgesetz - UAG) vom 29. Oktober 1992 (GVBl. LSA S. 757), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Februar 2008 (GVBl. LSA S. 58) statt. Das Untersuchungsausschuss-gesetz wurde durch Gesetz vom 18. Dezember 2013 (GVBl. LSA 2013, 536) ge-ändert, so dass diese Änderungen mit Ausnahme der in der Übergangsvorschrift genannten Regelungen mit der 10. Sitzung am 24. Januar 2014 zur Anwendung kamen. Insbesondere fand für den 13. Parlamentarischen Untersuchungsaus-schuss weiterhin § 21 UAG a.F. Anwendung, wonach den Zeugen weiterhin das Protokoll über die Vernehmung zuzustellen war und die Entscheidung über den Abschluss der Vernehmung erst ergehen durfte, wenn nach der Zustellung des Vernehmungsprotokolls zwei Wochen verstrichen waren oder der Zeuge auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet hatte.

III. Besetzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Ein interfraktioneller Antrag zur Besetzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses7 lag dem Landtag von Sachsen-Anhalt in seiner 32. Sitzung am 18. Oktober 2012 zur Abstimmung vor. Entsprechend der Stärkeverhältnisse der Fraktionen ergab sich folgende Sitzverteilung: Fraktion der CDU: 5 Mitglieder und

5 stellvertretende Mitglieder Fraktion DIE LINKE: 4 Mitglieder und

4 stellvertretende Mitglieder

Fraktion der SPD: 3 Mitglieder und 3 stellvertretende Mitglieder

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1 Mitglied und

1 stellvertretendes Mitglied. Mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses wurde die namentliche Be-setzung der Mitglieder und deren Stellvertreter durch Beschluss bestätigt.8

6 Plenarprotokoll 6/32 vom 18. Oktober 2012, S. 2509ff. (TOP 1a) 7 Drucksache 6/1528 8 Drucksache 6/1541

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Der Ausschuss setzte sich wie folgt zusammen:

Mitglieder: stellvertretende Mitglieder: CDU: CDU: Harms, Uwe Sturm, Daniel Jantos, Eduard Koch-Kupfer, Edwina Krause, Dietmar Schwenke, Wiegbert Rotter, Peter Feußner, Eva Thomas, Ulrich Zimmer, Lars-Jörn Die LINKE: DIE LINKE: von Angern, Eva Thiel-Rogée, Edeltraud Lüderitz, André Knöchel, Swen Dr. Thiel, Frank Loos, Uwe Tiedge, Gudrun Hoffmann, Frank SPD: SPD: Erben, Rüdiger Grimm-Benne, Petra Hampel, Nadine Wanzek, Patrick Steppuhn, Andreas Hövelmann, Holger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erdmenger, Christoph Prof. Dr. Dalbert, Claudia

Mit dem Beschluss zur personellen Zusammensetzung des 13. Parlamentari-schen Untersuchungsausschusses bestätigte der Landtag von Sachsen-Anhalt in seiner 32. Sitzung am 18. Oktober 2012

Abg. Herrn Peter Rotter als Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses. Als seine Vertreterin wurde

Abg. Frau Eva von Angern bestätigt. In seiner 48. Sitzung am 11. Juli 20139 stimmte der Landtag einem Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Änderung der Besetzung zu. An Stelle der Abgeordneten Frau Eva von Angern wurde der Abgeordnete Herr Sven Knöchel Mitglied des Ausschusses. Frau von Angern wurde stellvertretendes Mitglied.10 In seiner 52. Sitzung am 17. Oktober 201311 beschloss der Landtag von Sach-sen-Anhalt, dass für das bisherige Mitglied, Abgeordneter Herr Christoph Erd-menger, nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag Abgeordneter Herr Olaf

9 Plenarprotokoll 6/48 vom 11. Juli 2013, S. 4200 (TOP 31) 10 Beschluss vom 11. Juli 2013, Drucksache 6/2301 11 Plenarprotokoll 6/52 vom 17. Oktober 2013, S. 4524 (TOP 13a)

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Meister Mitglied des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird.12 In derselben Sitzung beschloss der Landtag, dass an Stelle der Abgeordneten Frau Gudrun Tiedge die Abgeordnete Frau Edeltraud Thiel-Rogèe Mitglied des Ausschusses wird und Frau Tiedge stellvertretendes Mitglied.13 In seiner 56. Sitzung am 11. Dezember 2013 fasste der Landtag den Beschluss, dass für den Abgeordneten Herrn Rüdiger Erben der Abgeordnete Herr Ronald Mormann Mitglied des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird.14

Gemäß § 4 Abs. 3 UAG kann jede Fraktion für den Untersuchungsausschuss ei-nen Berater benennen, der dem Landtag nicht anzugehören braucht. Als Berater der Fraktionen wurden tätig:

Herr Harald Trieschmann für die Fraktion der CDU, Frau Kerstin Drzisga für die Fraktion DIE LINKE, Herr Marcel Dörrer für die Fraktion der SPD und Frau Katja Sander für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Berater wurden am 20. November 2012 vom Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt nach dem Verfahren des Gesetzes über die förmliche Verpflich-tung nichtbeamteter Personen vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 547), geändert durch § 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942) zur Ver-schwiegenheit verpflichtet. Als Beauftragten der Landesregierung benannte die Staatskanzlei Herrn Ministerialrat Martin Rohrßen und als seine Vertreterin Frau Regierungsdirektorin Sabine Zumpf. Die Aufgaben der Geschäftsstelle des Untersuchungsausschusses wurden durch die Landtagsverwaltung wahrgenommen. Der Gesetzgebungs- und Beratungs-dienst beim Landtag von Sachsen-Anhalt unterstützte den Vorsitzenden in recht-lichen Fragen und stand dem Ausschuss in seinen Sitzungen beratend zur Seite.

IV. Untersuchungsauftrag Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat in seiner 32. Sitzung am 18. Oktober 2012 auf Antrag mehrerer Abgeordneter auf Einsetzung eines Parlamentarischen Un-tersuchungsausschusses15 folgenden Beschluss16 gefasst:

12 Drucksache 6/2514 13 Drucksache 6/2515 14 Drucksache 6/2661 15 Drucksache 6/1498 16 Einsetzungsbeschluss vom 18. Oktober 2012, Drucksache 6/1540

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„Der Landtag von Sachsen-Anhalt setzt gemäß Artikel 54 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein.

I. Der Ausschuss soll für den Zeitraum von 2004 bis Juli 2012 klären, 1. ob und in welchem Umfang durch Handeln oder Unterlassen der Landesregie-rung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordne-ten Behörden bei der Vergabe und Gewährung von beantragten Fördermitteln und deren Verwendungskontrolle gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wurde sowie Fördermittelvergaben einschließlich des Bewertungsverfahrens als nicht rechtmäßig oder willkürlich einzuordnen sind oder aufgrund unzulässiger mittelbarer oder unmittelbarer Beeinflussung des Verfahrens erfolgten; 2. ob durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden unter besonderer Berücksichtigung einer hierarchisch strukturierten Behörde eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder erst ermöglicht wurde; 3. ob aufgrund eines ungenügenden Kontrollmechanismus oder der Nichteinhal-tung vorgeschriebener Kontrollen seitens der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder ermöglicht wurde; 4. ob und in welchem Umfang Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirt-schaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden im Rahmen der Fördermittelvergabe dazu geführt haben, dass Spen-denleistungen, Provisionen oder andere finanzielle Zuwendungen oder Vorteile durch Fördermittelbegünstigte vor oder nach den Fördermittelvergaben an Mit-glieder der Landesregierung Sachsen-Anhalt oder ihr nahe stehende Personen oder Organisationen getätigt wurden und somit ein ursächlicher oder ein zeitli-cher Zusammenhang zwischen der Fördermittelvergabe und einer Geldspende oder einer anderen finanziellen oder geldwerten Zuwendung hergestellt werden kann, sowie dass Dozentenverträge mit der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH zu marktunüblichen Konditionen oder als Scheinverträge abgeschlossen wurden oder im Zusammenhang mit Informationsveranstaltungen der IHK Bil-dungszentrum Halle-Dessau GmbH Spenden oder sonstige Zuwendungen ge-leistet wurden; 5. ob die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleich-stellung sowie das Ministerium für Inneres und Sport, alles getan hat, um zu ei-ner zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfäl-len beizutragen und insbesondere mittels einer ausreichenden personellen Aus-stattung der Ermittler (hier insbesondere Staatsanwaltschaft und Landeskrimi-

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nalamt) die Ermittlungen Erfolg versprechend durchzuführen und zeitnah ab-schließen zu können.

II. Die Untersuchung nach Nummer I soll sich insbesondere auf Verwaltungsvor-gänge, welche die Vergabe und Verwendung von Fördermitteln im Raum Des-sau-Roßlau, im Landkreis Wittenberg sowie im Landkreis Mansfeld-Südharz be-treffen und auf die Vernehmung der mit den Sachverhalten in Berührung ge-kommenen Beteiligten erstrecken. Darin eingeschlossen ist die Untersuchung der Rolle des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung und des Ministeriums für Inneres und Sport und der nachge-ordneten Behörden bezüglich der Ermittlung und Aufklärung von möglichen För-dermittelbetrugsfällen. In die Klärung sind insbesondere nachfolgende Sachverhalte einzubeziehen: 1. Vorgänge um Vergaben von Fördermitteln sowie deren Verwendung - insbe-sondere von Arbeitsmarktfördermitteln für Weiterbildungen und Qualifizierungen von Beschäftigten - an örtliche Unternehmen und Firmen, wie: 1.1. Vorgang „KMU Personalentwicklung, Folgeantrag QUP 1007703“, be-antragt für die Zeit vom 6. September 2004 bis zum 10. Dezember 2004; Zuwen-dungsbescheid im Verfahren 302-32323/4-QUP1091204. 1.2. Vorgang um das im Jahr 2005 beantragte Förderprojekt (Projekt-Nr.: QU 11603/05; AZ 1510100/QU/03090/05) - Aufbau eines Geschäftsbereichs „In-genieurbüro und Messstelle nach BlmSchG TA Luft“. 1.3. Vorgang um die im Jahr 2005 beantragte Fördermaßnahme „Qualifizie-rung von Beschäftigten“ (Projekt-Nr.: QU 06239/05; AZ BBJ/1510100/QU/06239/05). 1.4. Vorgang um die im Jahr 2005 beantragte Fördermaßnahme (Projekt-Nr.: QU 11646/05; AZ 15101000/QU/03151/05) einschließlich eines Anschluss-projektes für Weiterbildungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 1.5. Vorgang um die im Jahr 2005 beantragte Fördermaßnahme „Haus- und Immobilienverwaltung“ (Projekt-Nr.: QU 03194/05; AZ 1510100/QU/03117/05). 1.6. Vorgang um das Qualifizierungsprojekt „Modulare Weiterbildung Haus- und Immobilienverwaltung“ - Qualifizierung von Beschäftigten in KMU vom 1. März 2005 bis 31. August 2005 (Projekt-Nr.: QU 11312/05). 1.7. Vorgang um die im Jahr 2005 beantragte Fördermaßnahme „Abfallwirt-schaft und Umwelttechnik“ (Projekt-Nr.: QU 11808/05; AZ 1510100/QU/03117/05) einschließlich des Qualifizierungsprojektes aus dem Jahr 2006 „Abfallwirtschaft und Umweltschutz“ (Projekt-Nr.: QU 03421/06).

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1.8. Vorgang um das im Jahr 2006 beantragte Förderprojekt (Projekt-Nr.: QU 03422/06; AZ 15101000/QU/03422/06) - „Büromanagement und kaufmänni-sche Sachbearbeitung“. 1.9. Vorgang um die im Jahr 2006 beantragte Fördermaßnahme „Beschäfti-gungsprojekt CAD Service“ (Projekt-Nr.: QU 03249/06). 1.10. Vorgang um die im Jahr 2006 beantragte Fördermaßnahme „Beschäfti-gungsinitiative MP Management“ (Projekt-Nr.: QU 03246/06; AZ 15171077/QU/03246/06). 1.11. Vorgang um die im Jahr 2006 beantragte Fördermaßnahme „Beschäfti-gungs- und Qualifizierungsinitiative“ (Projekt-Nr.: QU 03084/06; AZ 15171077/QU/03084/06). 1.12. Vorgänge, die in einem engen Zusammenhang mit Fördermaßnahmen stehen, wie der Vorgang um die im Jahr 2006 beantragte Fördermaßnahme „Si-cherung der Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung neuer Arbeitsplätze“ (Projekt-Nr.: QU 03432/06; AZ 15101000/QU/03432/06). 1.13. Vorgang um die im Jahr 2008 bewilligte Fördermaßnahme „Projektma-nagement und Präsentation im Internet“ (Projekt-Nr.: QU 03048/08; AZ 1500100/21.04.1a/03048/08). 2. Vorgänge von Fördermaßnahmen bezüglich des Sportvereines „SV Dessau 05“, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Vermittlung von Qualifi-zierungsmaßnahmen/Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen durch die IHK Bil-dungszentrum Halle-Dessau GmbH stehen. 3. Vorgang um die Verhinderung der Strafversetzung eines der Korruption ver-dächtigen Mitarbeiters aus dem Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) im Jahr 2011, der bis 2004 im Landesverwaltungsamt und danach im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (jetzt Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft) im Bereich der Arbeitsmarktförde-rung tätig war. 4. Vorgang um den Wechsel des seit 2008 in den möglichen Fördermittelbe-trugsfällen ermittelnden Staatsanwaltes von der Staatsanwaltschaft Halle zum Finanzgericht Sachsen-Anhalt seit dem 2. Juli 2012, einschließlich der generel-len personellen Ausstattung des Ermittlerteams.

III. Der Untersuchungsausschuss hat 13 Mitglieder und 13 stellvertretende Mitglie-der.“

13

V. Ablauf des Untersuchungsverfahrens

1. Konstituierung Der 13. Parlamentarische Untersuchungsausschuss konstituierte sich am 30. November 2012. In der konstituierenden Sitzung verständigte sich der Ausschuss über die Ar-beits- und Vorgehensweise. Es wurden der Sitzungsrhythmus, erste Sitzungs-termine, der Verteiler für die Niederschriften über die Sitzungen sowie der Um-gang mit und die Zugangsberechtigungen zu eingehenden Akten und Unterlagen festgelegt.17

2. Verfahrensfragen Der Untersuchungsausschuss legte fest, dass die eingehenden Akten und Unter-lagen von der Geschäftsstelle des Untersuchungsausschusses entgegenge-nommen und in einem dem Untersuchungsausschuss zugewiesenen Raum ge-lagert werden. Es wurde sichergestellt, dass die Akten und Unterlagen entspre-chend dem Beschluss des Ausschusses nur den Mitgliedern und stellvertreten-den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses, den juristischen Beratern, dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, der Ausschussassistentin und deren Stellvertreterin sowie dem Beauftragten der Landesregierung zugänglich ge-macht worden sind.18 Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses verständigten sich bezüglich der Verteilung der Protokolle dahingehend, dass den Ausschussmitgliedern, den Be-ratern der Fraktionen, den die Arbeit des Untersuchungsausschusses begleiten-den Vertretern des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes sowie den Beauf-tragten der Landesregierung neben der elektronischen Übersendung der Datei je eine Kopie der Niederschrift ausgehändigt wird. Den stellvertretenden Mitgliedern soll die Niederschrift elektronisch übersandt werden. Es wurde darüber hinaus vereinbart, das Original der jeweiligen Niederschrift in der Geschäftsstelle zu be-lassen.19 In Bezug auf das angekündigte Nichterscheinen einzelner Zeugen hat der Vorsit-zende des Untersuchungsausschusses gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 UAG nach Rücksprache mit den Obleuten der Fraktionen jeweils eine vorläufige Beweisan-ordnung getroffen. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben diese Anordnungen bestätigt. Die Vernehmung dieser Zeugen fand in der Regel zu ei-nem späteren Zeitpunkt statt. In einem Fall wurde auf die Vernehmung des Zeu-gen verzichtet. Eine besondere Rolle hinsichtlich der Klärung von Verfahrensfragen spielte die Frage nach einem Auskunftsverweigerungsrecht von Zeugen, da bei vielen Zeu-gen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen waren. Das Untersuchungsausschussverfahren kennt das umfassende Zeugnis-verweigerungsrecht nicht. Dennoch hat ein Zeuge ein unter Umständen auch

17 Niederschrift über die 1. nichtöffentliche Sitzung vom 30. November 2012, S. 7ff. 18 Niederschrift über die 1. nichtöffentliche Sitzung vom 30. November 2012, S. 7ff. 19 Niederschrift über die 1. nichtöffentliche Sitzung vom 30. November 2012, S. 7ff.

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umfängliches Auskunftsverweigerungsrecht, da dieser sich im Verfahren vor ei-nem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ebenfalls nicht selbst belasten muss. Es galt in jedem Fall zu entscheiden, ob dem Zeugen ein Auskunftsver-weigerungsrecht zusteht.

3. Sitzungen/Beweiserhebung durch Zeugenvernehmungen Der Untersuchungsausschuss führte insgesamt 23 Sitzungen durch. Die konstituierende Sitzung und die beiden folgenden Sitzungen dienten der Vorbereitung der Zeugenvernehmungen, die ab der 4. Sitzung stattfanden.20 Die Zeugenvernehmungen wurden in öffentlicher Sitzung durchgeführt. Zur Klärung von Verfahrensfragen wurden öffentliche Sitzungen durch nichtöffentliche Sit-zungen unterbrochen. Bei einer Zeugenvernehmung wurde die Öffentlichkeit gemäß Artikel 54 Abs. 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und § 11 UAG ausgeschlossen, weil zu befürchten war, dass durch das Bekanntwerden von Tatsachen schutzwürdige Interessen Dritter verletzt würden.21 In den jeweils am selben Tag neben den Zeugenvernehmungen durchgeführten nichtöffentlichen Sitzungen erfolgten insbesondere Abstimmungen über weitere Beweisanträge und Aktenvorlageverlangen. In der 5. nichtöffentlichen Sitzung am 3. Mai 2013 sowie in der 12. nichtöffentli-chen Sitzung am 4. April 2014 berichtete auf Beschluss des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses22 der leitende Oberstaatsanwalt über den Verlauf und den Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Ein Vertreter der Lan-desregierung gab in der 5. nichtöffentlichen Sitzung am 3. Mai 2013 Auskunft über eine dem Ausschuss übergebene Liste, in der 48 bzw. der 123 Bildungs-maßnahmen aufgeführt waren, bei denen Unregelmäßigkeiten vermutet wur-den.23 In der 8. nichtöffentlichen Sitzung am 25. Oktober 2013 berichtete ein Vertreter der Landesregierung auf der Grundlage eines Auskunftsverlangens24, ob die Steuerfahndung im Rahmen des Untersuchungsauftrages zu den Ziffern I und II des Einsetzungsbeschlusses25 tätig ist. Er gab Auskunft bezüglich der Verfahren, insbesondere des Verfahrensstandes und der Vorgehensweise. Der Untersu-chungsausschuss beschloss in dieser Sitzung, die Berichterstattung der Landes-regierung wegen der Wahrung des Steuergeheimnisses für vertraulich zu erklä-ren.26 Insgesamt wurden in 19 Beweisanträgen (Anlage 1) Vernehmungen von 58 Zeu-gen beantragt und beschlossen. In 13 Fällen wurden Zeugen zu mehreren Be-weisbeschlüssen benannt; fünf Zeugen wurden zur wiederholten Vernehmung

20 Niederschriften über die 1. nichtöffentliche Sitzung vom 30. November 2012, über die 2. nichtöffent-liche Sitzung vom 23. Januar 2013 und über die 3. nichtöffentliche Sitzung vom 21. Februar 2013 21 Niederschrift über die 13. nichtöffentliche Sitzung vom 23. Mai 2014, S. 15ff. 22 Niederschrift über die 4. nichtöffentliche Sitzung vom 19. April 2013, S. 11ff. 23 Niederschriften über die 5. nichtöffentliche Sitzung vom 3. Mai 2013, S 11ff. und 12. nichtöffentliche Sitzung vom 4. April 2014, S. 5ff. 24 Fünftes Auskunftsverlangen U 13/5 25 Drucksache 6/1540 26 Niederschrift über die 8. nichtöffentliche Sitzung vom 25. Oktober 2013, S. 5ff.

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geladen. Teilweise bedienten die Zeugen sich gemäß § 23 UAG eines Zeugen-beistandes. Soweit für die als Zeugen vernommenen Mitglieder der Landesregie-rung oder Beamten bzw. Angestellten Aussagegenehmigungen erforderlich wa-ren, lagen diese vor.

a) Beweisthema ADrs. 6/U13/3 - Erster Beweisbeschluss Es wurde beschlossen, im Rahmen des Untersuchungsauftrages zu den Ziffern I und II des Einsetzungsbeschlusses Beweis zu erheben über die Behauptungen, a) dass Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen von Beschäftigten, ins-besondere in der Baustoff-Service Grundbesitz GmbH Dessau und der Baustoff-Service GmbH Dessau, an denen auch die IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH beteiligt war, mittels einer rechtswidrigen Fördermittelvergabe, Fördermit-telgewährung und letztendlich Fördermittelverwendung begünstigt bzw. erst er-möglicht wurden, b) dass die tatsächliche Durchführung der Projekte im Rahmen von durchgeführ-ten Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, insbesondere in der Bau-stoff-Service Grundbesitz GmbH Dessau und der Baustoff-Service GmbH Des-sau, nicht oder nicht vollständig erfolgte, c) dass bei der Vergabe und Gewährung von beantragten Fördermitteln, insbe-sondere an die Baustoff-Service Grundbesitz GmbH und die Baustoff-Service GmbH Dessau und deren Verwendungskontrolle gegen gesetzliche Bestimmun-gen verstoßen wurde sowie Fördermittelvergaben einschließlich des Bewer-tungsverfahrens als nicht rechtmäßig oder willkürlich einzuordnen sind bzw. auf-grund unzulässiger mittelbarer oder unmittelbarer Beeinflussung des Verfahrens erfolgten, d) dass Dozentenverträge mit der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH zu marktunüblichen Konditionen oder als Scheinverträge abgeschlossen wurden oder im Zusammenhang mit Informationsveranstaltungen der IHK Bildungszent-rum Halle-Dessau GmbH Spenden oder sonstige Zuwendungen in einem ur-sächlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den Dozentenverträgen oder För-dermittelvergaben geleistet wurden. Die Beweiserhebung sollte durch die Vernehmung der Geschäftsführerin des IHK-Bildungszentrums erfolgen. Die Benennung weiterer Zeugen zu diesem Be-weisthema erfolgte im 2. bis 10. sowie im 13., 15., 17., 18. und 19. Beweisbe-schluss. Insgesamt wurden von den 32 benannten Zeugen 31 Zeugen vernom-men, fünf davon zweimal. Auf die Vernehmung eines Zeugen wurde mit Rück-sicht auf dessen Gesundheitsproblem verzichtet.

b) Beweisthema ADrs. 6/U13/17 - Elfter Beweisbeschluss Das Beweisthema des Elften Beweisbeschlusses erstreckte sich auf die Behaup-tungen, dass von der Landesregierung im Geschäftsbereich des ehemaligen Mi-nisteriums für Wirtschaft und Arbeit und des jetzigen Ministeriums für Arbeit und Soziales bei Bekanntwerden von Informationen, die den Verdacht korruptiven Verhaltens im Rahmen der Fördermittelvergabe im Bereich der Arbeitsmarktför-

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derung nahelegen, nicht adäquat in Ausübung der Fürsorgepflicht für Beschäftig-te und der Korruptionsvermeidung und -prävention reagiert wurde und insbeson-dere die Versetzung des betreffenden Beschäftigten, der bis 2004 im Landes-verwaltungsamt und von 2004 bis 2011 im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit tätig war und seit 2011 im Ministerium für Arbeit und Soziales tätig ist, verhindert wurde. Hierzu wurden insgesamt neun Zeugen vernommen, wobei vier Zeugen im Elften Beweisbeschluss und weitere Zeugen im 15., 17. und 18. Beweisbeschluss be-nannt wurden. Ein Zeuge wurde wiederholt befragt.

c) Beweisthema ADrs. 6/U13/18 - Zwölfter Beweisbeschluss Dieser Untersuchungsgegenstand, zu dem acht Zeugen vernommen wurden, bezieht sich auf die Behauptungen, a) dass Vorgänge von Fördermaßnahmen bezüglich des Sportvereines „SV Des-sau 05“, welche sich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Vermittlung von Qualifizierungsmaßnahmen bzw. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen durch die IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH befanden, mittels einer rechtswidrigen Fördermittelvergabe, Fördermittelgewährung und letztendlich Fördermittelverwendung begünstigt bzw. erst ermöglicht wurden; b) dass Fördergelder im Rahmen von öffentlich geförderten Ausbildungsmaß-nahmen mittels eines Sponsorenvertrages an den Sportverein „SV Dessau 05“ geflossen sind; c) dass die tatsächliche Durchführung von Aus- und Weiterbildungs- bzw. Quali-fizierungsmaßnahmen von Mitgliedern des Sportvereins „SV Dessau 05“ nicht oder nicht vollständig realisiert wurde; d) dass Vorgänge von Fördermaßnahmen bezüglich des Sportvereines „SV Des-sau 05“, welche sich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Vermittlung von Qualifizierungsmaßnahmen bzw. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen durch die IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH befanden, gegen gesetzli-che Bestimmungen verstoßen haben sowie Fördermittelvergaben einschließlich des Bewertungsverfahrens als damit nicht rechtmäßig oder willkürlich einzuord-nen sind bzw. aufgrund unzulässiger mittelbarer oder unmittelbarer Beeinflus-sung des Verfahrens erfolgten.

d) Beweisthema ADrs. 6/U13/21 - 14. Beweisbeschluss Dieser Beschluss beinhaltet die Beweisaufnahme über die Behauptungen, a) dass Spenden, Provisionen oder andere finanzielle Zuwendungen oder geld-werte Vorteile an Mitglieder der Landesregierung oder an ihr nahestehende Per-sonen, Parteien oder Organisationen im Vorfeld oder im Nachgang von Förder-mittelvergaben durch Fördermittelbegünstigte geleistet wurden; b) dass durch das Tätigen von Spenden, Provisionen oder von anderen finanziel-len Zuwendungen oder geldwerte Vorteilen an Mitglieder der Landesregierung

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oder an ihr nahestehende Personen, Parteien oder Organisationen durch För-dermittelbegünstigte ein ursächlicher und/ oder zeitlicher Zusammenhang zu ein-zelnen Fördermittelvergaben besteht bzw. bestand und diese Fördervergaben möglicherweise begünstigt und damit protegiert haben; c) dass letztendlich zwischen Handlungen der Landesregierung bzw. ihr nachge-ordneter Behörden, rechtswidriger Fördermittelvergaben, Fördermittelgewährun-gen und Fördermittelverwendungen und getätigten Spendenleistungen, Provisio-nen oder anderer finanzieller Vorteile durch Fördermittelbegünstigte ein enger Kontext zu konstatieren ist; d) dass im Zusammenhang mit Informationsveranstaltungen der IHK Bildungs-zentrum Halle-Dessau GmbH Spenden oder sonstige Zuwendungen geleistet wurden; e) dass ein Mitglied einer Partei, die der Landesregierung nahe steht, seine Auf-gaben bei der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH dazu missbräuchlich genutzt hat, um für Spenden an diese Partei zu werben; f) dass Dozentenverträge mit der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH zu marktunüblichen Konditionen oder als Scheinverträge abgeschlossen wurden. Es wurden hierzu insgesamt zehn Zeugen vernommen, wobei ein Zeuge wieder-holt befragt und ein Zeuge in nichtöffentlicher Sitzung vernommen wurde.

e) Beweisthema ADrs. 6/U13/23 - 15. Beweisbeschluss Mit dem 15. Beweisbeschluss sollte Beweis erhoben werden über die Behaup-tungen, a) dass durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordneten Behörden bei der Vergabe und Gewährung von beantragten Fördermitteln und deren Verwen-dungskontrolle gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wurde; b) dass durch das Agieren oder Nichtagieren der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordneten Behörden För-dermittelvergaben einschließlich des Bewertungsverfahrens rechtswidrig oder willkürlich erfolgten; c) dass durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordneten Behörden eine unzulässig mittelbare oder unmittelbare Beeinflussung des Verfahrens bezüglich von Fördermittelvergaben einschließlich der Bevorzugung von Fördermittelanträ-gen und deren Bewilligung stattfand;

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d) dass aufgrund eines ungenügenden Kontrollmechanismus oder der Nichtein-haltung vorgeschriebener Kontrollen seitens der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder ermöglicht wurde. Hierzu wurde ein Zeuge zweimal vernommen.

f) Beweisthema ADrs. 6/U13/24 - 16. Beweisbeschluss Das Thema dieses Beschlusses beinhaltet die Vernehmung von 16 Zeugen zu den Behauptungen, a) dass durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung sowie des Ministeriums für Inneres und Sport und der nachgeordneten Behörden durch ei-ne vermutlich mangelhafte bzw. unzureichende Ermittlung mögliche Straftaten wie Betrug und Vorteilsnahme nicht zügig und umfassend aufgeklärt werden konnten; b) dass die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstellung sowie das Ministerium für Inneres und Sport möglicherweise nicht alles getan hat, um zu einer schnellen, zeitnahen und folglich Erfolg verspre-chenden Aufdeckung rechtswidriger Fördermittelvergaben und Fördermittelver-wendungen beizutragen, infolgedessen zumindest der Eindruck entstanden ist, dass die Landesregierung kein vollumfängliches Interesse an einer unverzügli-chen und komplexen Aufklärung der Fördermittelbetrugsfälle hatte; c) dass durch das Agieren oder Nichtagieren der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung sowie des Ministeriums für Inneres und Sport und der nachgeordneten Behörden mittels ei-ner unzureichenden sowie nicht beständigen personellen Ausstattung der Ermitt-lungsgruppe (hier insbesondere Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt) Er-mittlungen möglicherweise zeitlich verzögert und folglich damit auch nicht voll umfänglich professionell durchgeführt werden konnten; d) dass aufgrund des Wechsels des seit 2008 in den möglichen Fördermittelbe-trugsfällen ermittelnden Staatsanwaltes von der Staatsanwaltschaft Halle zum Finanzgericht Sachsen-Anhalt mit Wirkung vom 1. Juli 2012 Ermittlungen an-scheinend verzögert wurden sowie das Ermittlerteam in seiner Ermittlungsarbeit damit eingeschränkt und geschwächt wurde. Die Vernehmung eines weiteren Zeugen erfolgte mit dem 18. Beweisbeschluss.

g) Beweisthema ADrs. 6/U13/28 - 19. Beweisbeschluss Diesem Beschluss lag die Ergänzung und Konkretisierung des 16. Beweisbe-schlusses in Bezug auf die im Anschluss an die Tätigkeit der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ gebildeten Ermittlungsgruppe „System“ zugrunde.

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4. Aktenvorlageverlangen Die Landesregierung wurde aufgefordert, die in den insgesamt neun Aktenvorla-geverlangen (Anlage 2) benannten Akten vorzulegen. Diesen Verlangen kam sie fristgemäß nach. Insgesamt wurden 227 Aktenordner und fünf DVDs mit einem umfangreichen Datenbestand vorgelegt.

5. Abschluss der Beweisaufnahme In der 22. Sitzung am 1. Juli 2015 beschloss der 13. Parlamentarische Untersu-chungsausschuss, die Vernehmungen der Zeugen mit einer Ausnahme zu been-den. Die Vernehmung des Zeugen, welcher in der 22. Sitzung angehört worden war, wurde in der 23. Sitzung am 15. Oktober 2015 beendet. In der 23. Sitzung beschloss der 13. Parlamentarische Untersuchungsausschuss den Abschluss der Beweisaufnahme.27

27 Niederschrift über die 22. nichtöffentliche Sitzung vom 1. Juli 2015, S. 3ff. und Niederschrift über die 23. nichtöffentliche Sitzung vom 15. Oktober 2015, S. 3ff.

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Teil B Sachverhalt

Inhaltsverzeichnis

I. Das IHK-Bildungszentrum Halle/Dessau .......................................................................... 23

1. Organisation ................................................................................................................ 23

2. Förderung von Bildungsmaßnahmen .......................................................................... 24

3. Umstrukturierung ......................................................................................................... 24

4. Die Tätigkeiten des Leiters und der Mitarbeiterinnen des Regionalbereichs Dessau .. 25

a) Die Rolle des Regionalbereichsleiters bei der Durchführung einer Bildungsmaßnahme durch die Firma MBM-Hygieneberatung ................................ 27

b) Die Rolle des Regionalbereichsleiters bei der Durchführung einer Bildungsmaßnahme durch die Firma P. Biskuit AG ................................................ 28

c) Die Rolle des Regionalbereichsleiters bei der Durchführung von Bildungsmaßnahmen durch den Honorardozenten Herrn B. sowie durch die Firmen K. & B. GbR und M&P Management K. ...................................................... 29

5. Entdeckung erster Unregelmäßigkeiten durch das IHK-Bildungszentrum ................... 33

6. Erste Unstimmigkeiten im Team des Regionalbereichs Dessau ................................. 34

7. Die Kündigung des Leiters des Regionalbereichs Dessau .......................................... 34

8. Die Beauftragung und Ermittlungen der Firma PEDOMAC ......................................... 36

9. Kontrolle innerhalb des IHK-Bildungszentrums ........................................................... 37

10. Aufsicht...................................................................................................................... 38

II. Das Landesverwaltungsamt ............................................................................................ 38

1. Bewilligung von Fördermitteln für die Qualifizierung von Beschäftigten ...................... 38

2. Bearbeitung der Fördermittelanträge und Prioritätensetzung ...................................... 40

3. Die Zusammenarbeit zwischen dem Landesverwaltungsamt und dem damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ...................................................................... 42

4. Die sogenannte Prioritäts-E-Mail ................................................................................. 43

5. Kontroll- und Reaktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Bewilligung und Verwendung von Fördermitteln .................................................................................................... 48

a) Vieraugenprinzip/Mitzeichnung ................................................................................ 48

b) Vor-Ort-Kontrollen zur Verwendung der Fördermittel ............................................... 49

c) Die unabhängig Prüfgruppe ESF .............................................................................. 53

d) Verwendungsnachweisprüfung ................................................................................ 55

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e) Rückforderung von Fördermitteln bei der Bildungsmaßnahme „East-Woman-Akademie“ (EWA) ................................................................................................... 57

6. Hinweise auf erste Unregelmäßigkeiten bei der Umsetzung der Förderrichtlinie ........ 59

7. Feststellung von Unregelmäßigkeiten und Reaktionen der zuständigen Behörden .... 61

II. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ........................................................................ 64

1. Organisation ................................................................................................................ 64

2. Sinn und Zweck der Förderrichtlinie ............................................................................ 65

3. Die Zusammenarbeit mit dem Landesverwaltungsamt ................................................ 66

4. Schriftliche Vorgaben oder Regelwerke ...................................................................... 67

5. Anzeigen wegen Subventionsbetrug ........................................................................... 68

6. Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ..... 69

7. Reaktionen im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit nach Bekanntwerden der Hausdurchsuchungen im Jahr 2010 und der Vorwürfe gegen den Referenten Herrn S. im Jahr 2011 ............................................................................................. 71

8. Die Teilakte „Staatsanwaltschaftliche Verfolgung von Fördermittelbetrug“ aus der Personalakte des Herrn S. ...................................................................................... 76

9. Personelle Probleme im Landesverwaltungsamt ......................................................... 76

10. Die Abgabe an die Investitionsbank .......................................................................... 82

11. Änderung der Förderrichtlinie .................................................................................... 83

III. Vorgänge im Zusammenhang mit Spenden an Parteien ................................................ 84

1. Die Spendenpraxis .................................................................................................. 84

2. Die Tätigkeiten des Herrn P. und Herrn B. in der Partei .............................................. 87

IV. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes ............................. 88

2. Die Personalausstattung und Arbeit in der Staatsanwaltschaft ................................... 92

3. Die Personalausstattung und Arbeit im Landeskriminalamt ........................................ 93

a) Die Ermittlungsgruppe „Sponsor“ ............................................................................. 93

b) Die Ermittlungsgruppe „System“ und die Ermittlungsgruppe „Bildung“ .................... 95

c) Die Personalausstattung der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ ...................................... 96

d) Das Verfahren in Bezug auf einen Abgeordneten .................................................... 98

e) Das Verfahren in Bezug auf den zuständigen Referenten des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit ............................................................................................. 100

f) Einflussnahme auf die Ermittlungstätigkeit .............................................................. 101

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Teil B Sachverhalt

I. Das IHK-Bildungszentrum Halle/Dessau

1. Organisation Nach dem Einsetzungsbeschluss1 sollte der Untersuchungsausschuss unter an-derem klären, ob und in welchem Umfang durch Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wis-senschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordneten Behörden bei der Vergabe und Gewährung von beantragten Fördermitteln und deren Verwendungskontrolle gegen gesetzliche Bestimmun-gen verstoßen wurde. In diesem Zusammenhang sollte geklärt werden, ob För-dermittelvergaben einschließlich des Bewertungsverfahrens als nicht rechtmäßig oder willkürlich einzuordnen sind oder aufgrund unzulässiger mittelbarer oder unmittelbarer Beeinflussung des Verfahrens erfolgten. Zu klären war auch, ob durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Ge-schäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Minis-terium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden unter be-sonderer Berücksichtigung einer hierarchisch strukturierten Behörde eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder erst ermöglicht wurde. Schließlich sollte untersucht werden, ob aufgrund eines ungenügenden Kontrollmechanismus oder der Nichteinhaltung vorgeschriebener Kontrollen seitens der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden eine rechtswidrige Fördermit-telvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder ermöglicht wurde. Der 13. Parlamentarische Untersuchungsausschuss untersuchte zunächst die Zusammenhänge zwischen der Fördermittelvergabe und dem Bildungszentrum der Industrie- und Handelskammer Halle/Dessau (im Folgenden IHK-Bildungszentrum genannt), da in den Medien vermutet worden war, dass der ehemalige Regionalbereichsleiter des IHK-Bildungszentrums, Herr B., die Bil-dungsmaßnahmen vermittelt und zusammen mit seinen Mitarbeitern bei der An-tragstellung Hilfe geleistet habe sowie das IHK-Bildungszentrum häufig als Bil-dungsträger aufgetreten sei. Das IHK-Bildungszentrum ist ein Unternehmen der Industrie- und Handelskam-mer Halle-Dessau, das 100 % der Anteile besitzt. Das IHK-Bildungszentrum wird als gemeinnützige GmbH geführt und bietet die Durchführung von Bildungsmaß-nahmen an.2 60% bis 70 % der Umsätze des IHK-Bildungszentrums waren an Fördermaßnahmen gekoppelt.3 Der Sitz befand sich zunächst in einem Gebäude der Baustoff-Service GmbH in der Ratsgasse 1 in Dessau-Roßlau, später hatte

1 Drucksache 6/1540 2 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 6 (S.) 3 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 29 (Prof. Dr. H.)

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das IHK-Bildungszentrum eigene Räumlichkeiten in der Langen Gasse 3 in Des-sau-Roßlau.4 Frau S. war im Untersuchungszeitraum seit 2004 Geschäftsführerin. Daneben war von 2005 bis Ende 2010 Herr Prof. Dr. H. (Mit-) Geschäftsführer.5

2. Förderung von Bildungsmaßnahmen Bei der Förderung von Bildungsmaßnahmen mit öffentlichen Mitteln sind im Un-tersuchungszeitraum zwei Möglichkeiten zu unterscheiden. Zum einen war eine Förderung durch die Agentur für Arbeit und zum anderen durch das Landesver-waltungsamt möglich. Sofern – im Rahmen des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses vorrangig untersuchten Fällen – das Landesverwaltungsamt eine Bildungsmaßnahme in einem Unternehmen, eine sog. KMU-Maßnahme („Kleine und Mittelständische Unternehmen“) förderte, war das Unternehmen An-tragsteller und Zuwendungsempfänger der Fördermittel und hat unter Einholung von in der Regel drei Angeboten einen Auftrag an ein Bildungsunternehmen er-teilt. Erhielt das IHK-Bildungszentrum den Zuschlag, war es Auftragnehmer.6 Beim IHK-Bildungszentrum selbst waren nur drei bis fünf Dozenten angestellt.7 Die meisten Dozenten waren externe Honorarkräfte.8 Wegen der erheblichen Anzahl an Bildungsmaßnahmen hat das IHK-Bildungszentrum bei einem Teil dieser Maßnahmen auch Unteraufträge an ande-re Bildungsfirmen vergeben.9 Häufig erhielten dieselben Bildungsfirmen, wie die Firmen K. & B. GbR sowie M&P Management K., einen Unterauftrag. Frau K. war Mit- bzw. Geschäftsführerin dieser Firmen. 10 Sie trat zudem als Honorar-Dozentin des IHK-Bildungszentrums auf.11

3. Umstrukturierung Seit der Gründung des IHK-Bildungszentrums im Jahr 1991 gab es zunächst Re-gionalbereiche mit Regionalbereichsleitern, die für ihren Bereich die Gesamtver-antwortung hinsichtlich der Kundenpflege, des Marketings, des Verkaufs, der Aushandlung der Verträge, Preisbestimmung, Organisation, Durchführung der Bildungsmaßnahmen sowie Vorbereitung der Rechnungslegung trugen. Lediglich das Rechnungswesen war zentral bei der Geschäftsführung des IHK-Bildungszentrums angesiedelt. Im Sommer 2006 begann die Umstrukturierung

4 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 40 (G.) 5 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 12f. und 15 (Prof. Dr. H.) 6 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 6 und 25 (S.) 7 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 14 (S.) und S. 80 (Dr. M.) 8 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 14 (S.) 9 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 101 (Dr. M.) und S. 116 (S.) 10 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 101 (Dr. M.) 11 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 29 (S.)

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innerhalb des IHK-Bildungszentrums. Ab April 2007 erfolgte die Aufstellung nach Funktionalbereichen und somit eine Trennung zwischen Verkauf und Organisati-on der Durchführung der Maßnahmen.12

4. Die Tätigkeiten des Leiters und der Mitarbeiterinnen des Regionalbe-reichs Dessau Die Zeugin S. teilte mit, dass einer der Regionalbereichsleiter Herr B. war. Er war bis zur Umstrukturierung des IHK-Bildungszentrums sowohl für den Verkauf als auch für die Durchführung der Bildungsmaßnahmen im Bereich Dessau, später auch im Bereich Wolfen und punktuell in Kemberg, Bernburg und Köthen, ver-antwortlich.13 Herr B. war auf der einen Seite Kontaktperson zur Agentur für Arbeit in Dessau sowie zum Landesverwaltungsamt14 und auf der anderen Seite zu den Unter-nehmen, welche die Fördermittel erhielten. So war er etwa auch in ständigem Kontakt mit der Baustoff-Service GmbH.15 Die Firma K. & B. GbR wurde von Herrn B. mehrfach in der Woche besucht.16 Herr B. besuchte zudem Unterneh-men, um neue Aufträge zu beschaffen.17 Nach Auskunft des Zeugen P., Sachbearbeiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, war es durchaus üblich, dass Bildungsträger, Geschäftsführer oder auch Regionalbereichsleiter, wie Herr B., zu Beratungen und Gesprächen ins Ministeri-um kamen.18 So gab es persönliche Kontakte zwischen Herrn B. und Herrn S.,19 der zu dem Zeitpunkt Referent im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und mit den Förderleistungen für Bildungsmaßnahmen in Unternehmen befasst war.20 Die beiden Mitarbeiterinnen des Herrn B., Frau Dr. M. und Frau S. waren für die Durchführung von Bildungsmaßnahmen verantwortlich.21 Frau Dr. M. war im Regionalbereich Dessau im Rahmen der Maßnahmen der Agentur für Arbeit für die Lehrgangsorganisation verantwortlich, etwa für die Raumplanung, die Beschaffung von Lehrmaterial, die Stundenplanung und Do-

12 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 7f. (S.) 13 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 8f. (S.) 14 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 14 (S.) 15 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 9 (S.) 16 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 91 (Dr. M.) 17 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 90f. (Dr. M.) 18 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 16 (P.) 19 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 68 (J.) 20 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 104f. (Dr. M.) 21 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 7 bis 10 (S.)

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zentenabsprachen.22 Die Zeugin Dr. M. sagte aus, dass die zweite Mitarbeiterin Frau S. für die Bearbeitung der Fördermittel im Bereich der KMU-Maßnahmen zuständig war und zusammen mit Herrn B. regelmäßig die Unternehmen besucht hatte.23 Die Zeugin S. widersprach dieser Darstellung und teilte mit, dass sie an den Informationsveranstaltungen des IHK-Bildungszentrums, welche in der Regel in den Unternehmen stattfanden und die der Akquise dienten, nicht teilgenommen hatte.24

Im Rahmen der Untersuchung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses stellte sich heraus, dass auf Anweisung von Herrn B. seine Mitarbeite-rin Frau S. für einige Unternehmen die Fördermittelanträge, welche die Unter-nehmen selbst zu erarbeiten und beim Landesverwaltungsamt einzureichen hat-ten, als sogenannte Serviceleistung des IHK-Bildungszentrums ausgefüllt hatte. Herr B. hat diese vorbereiteten Anträge dann den Unternehmen unterschriftsreif vorgelegt, so dass sie beim Landesverwaltungsamt ohne Beanstandungen einge-reicht werden konnten, so die Zeugin S..25 Für die Aushandlung der Honorarsätze mit den Dozenten war Herr B. zuständig.26 Bei den KMU-Maßnahmen wurden in der Regel externe Dozenten, die grundsätz-lich von Herrn B. benannt wurden, eingesetzt.27 Die Teilnehmer einer Bildungsmaßnahme mussten ihre Anwesenheit mit Unter-schrift auf einer Liste bestätigen. Nach der Durchführung einer Bildungsmaßnah-me ist Herr B. in die Unternehmen gefahren und hat diese unterschriebenen An-wesenheitslisten abgeholt.28 Die Zeugin S. teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass sie diese Anwesenheitslisten für den Bildungsträger, also für das IHK-Bildungszentrum, im Auftrag abgezeichnet hat.29 Nach Aussage der Zeugin S. hat sie die Anwesenheitslisten nur in Bezug auf die Richtigkeit der Rechnungen kon-trolliert, da eine teilnehmerbezogene Abrechnung erstellt werden musste.30 Mit den Unterschriften auf den Anwesenheitslisten sollte ihrer Ansicht nach nicht die tatsächliche Anwesenheit der Teilnehmer bei einer Bildungsmaßnahme bestätigt werden, sondern nur die Übereinstimmung von den im Fördermittelantrag gemel-deten Teilnehmern mit den Teilnehmern in der Anwesenheitsliste.31

22 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 77 und 103 (Dr. M.) 23 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 80 (Dr. M.) 24 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 122 (S.) 25 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 119f. und S. 127 (S.) 26 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 97 (Dr. M.) 27 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 80 (Dr. M.) und S. 111 (S.) 28 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 83 (Dr. M.) 29 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 129 (S.) 30 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 113 und 131 (S.) 31 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 133 (Bastam, Rechtsbeistand der Zeugin S.)

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Nach Aussage des Zeugen Prof. Dr. H. hatte Herr B. Hand in Hand mit den Un-ternehmen bestimmte Geschäftsbereiche im IHK-Bildungszentrum durch seine Tätigkeit nach vorne gebracht. Allerdings waren die vereinbarten Ausführungs-modalitäten seiner Meinung nach ungewöhnlich. So durften etwa die Bildungs-maßnahmen nicht nur in den Räumen des Bildungsträgers, sondern auch direkt in dem Unternehmen, welches die Bildungsmaßnahme beantragt hatte, stattfin-den. Da die Unternehmen einen Eigenanteil für die Bildungsmaßnahmen aufbrin-gen mussten, wurde die entsprechende „Miete“ für die Räume des Unternehmens als Eigenbeteiligung angerechnet. Zudem durften eigene Mitarbeiter des Unter-nehmens als Dozenten tätig werden. Erlaubt war auch, Unteraufträge an andere Bildungsfirmen zu erteilen.32

a) Die Rolle des Regionalbereichsleiters bei der Durchführung einer Bil-dungsmaßnahme durch die Firma MBM-Hygieneberatung Die Zeugin M., von 2005 bis 2010 Geschäftsführerin der MBM-Hygieneberatung, berichtete, dass sie für die Akkreditierung ihres Labors eine externe Bildungs-maßnahme brauchte. Da die selbständige Übernahme der Kosten für diese Bil-dungsmaßnahme für ihre zehn Mitarbeiter nicht möglich war, nahm sie bei Herrn B. ein Beratungsgespräch wahr. Zunächst sollten drei Angebote von Bildungs-trägern eingeholt und ein Schulungsplan ausgearbeitet werden.33 Als die Zeugin M. Herrn B. in einem weiteren Gespräch ein Angebot eines Bil-dungsträgers aus Berlin vorlegte, teilte er ihr mit, dass sich das IHK-Bildungszentrum selbst um die Organisation kümmern würde. Die Zeugin M. vermutete, dass das IHK-Bildungszentrum die Angebote einholen wollte, um letztendlich selbst das preiswerteste Angebot abgeben zu können. Sie führte des Weiteren aus, dass in den Schulungsplänen, welche von dem IHK-Bildungszentrum überarbeitet worden waren, alle zehn Mitarbeiter der Firma MBM-Hygieneberatung täglich für sechs bis acht Stunden für die Bildungsmaß-nahme verplant waren, so dass die eigentliche Arbeit des Labors nicht hätte durchgeführt werden können. Auf Nachfrage der Zeugin M., ob dies keiner kon-trolliert, antwortete Herr B., dass dies nicht der Fall sei. Im Vertrauen auf das IHK-Bildungszentrum wurde der Antrag beim Landesverwaltungsamt eingereicht und bewilligt.34 Auf Nachfrage antwortete die Zeugin, dass das Landesverwal-tungsamt zu keinem Zeitpunkt hinterfragt hatte, wie die Arbeit im Labor abgesi-chert wird, wenn alle Mitarbeiter zum gleichen Zeitpunkt an einer Bildungsmaß-nahme teilnehmen.35 Die Zeugin M. berichtete weiter, dass sie in einem dritten Gespräch mit Herrn B. erfuhr, dass die Bildungsmaßnahme nicht durchgeführt werden soll, ihr aber letztendlich ein Zertifikat durch das IHK-Bildungszentrum über die Durchführung der Bildungsmaßnahme ausgestellt werden würde. Zudem sollte sie für die fin-gierte Anmietung von Räumen in der Baustoff-Service GmbH für fünf Monate je-

32 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 22 (Prof. Dr. H.) 33 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 110 bis 112 (M.) 34 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 112f. (M.) 35 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 115 (M.)

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weils 7 500 Euro Miete an diese Firma überweisen. Das Geld sollte ihr aus un-terschiedlichen Geldflüssen zur Verfügung gestellt werden. Gezahlt wurde letzt-lich nur eine Rate.36 Nach Aussage der Zeugin M. wusste das Landesverwal-tungsamt von diesem Mietvertrag nichts.37 Als das Landesverwaltungsamt eine Vor-Ort-Kontrolle mit einer Frist von ca. ei-ner Woche ankündigte, wurde – so die Zeugin M. – durch Herrn B. organisiert, dass an diesem Tag alle Mitarbeiter der MBM-Hygieneberatung in den Räumen des IHK-Bildungszentrums an der Bildungsmaßnahme teilnahmen. Die zwei Mit-arbeiter des Landesverwaltungsamtes prüften in den Räumen des Labors die Ak-tenlage. Die Mitarbeiter des Labors wurden durch das Landesverwaltungsamt nicht befragt. 38 Die Zeugin sagte weiter aus, dass die Geschäftsführerin des IHK-Bildungszentrums, Frau S., zu diesem Zeitpunkt die Ungereimtheiten kannte und einen Weg suchte, um Herrn B. eine Kündigung aussprechen zu können. Dreimal hatte die Geschäftsführerin auch versucht, die Zeugin M. dazu zu bewe-gen, gegen Herrn B. auszusagen.39 Nach Ansicht der Zeugin M. mussten die Mitarbeiterinnen des Herrn B., Frau Dr. M. und Frau S., von der Tatsache Kenntnis gehabt haben, dass die Schulungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Zum einen standen die Türen im IHK-Bildungszentrum fast immer offen und zum anderen mussten die Schu-lungspläne geschrieben und der fingierte Schulungstag organisiert werden. Die Zeugin äußerte auf Nachfrage, dass die Mitarbeiter des Landesverwaltungsam-tes, des Ministeriums oder einer anderen öffentlichen Stelle von diesen Vorgän-gen nichts wussten. Vielmehr prüfte die Mitarbeiterin des Landesverwaltungsamt die Aktenlage am Tag der Vor-Ort-Kontrolle sehr gewissenhaft. Die Akten waren im Vorfeld durch Herrn B. vorbereitet worden.40

b) Die Rolle des Regionalbereichsleiters bei der Durchführung einer Bil-dungsmaßnahme durch die Firma P. Biskuit AG Der Zeuge P., bis Ende 2007 Vorstandsvorsitzender und einziger Aktionär der P. Biskuit AG, sagte aus, dass aufgrund der Neugründung einer Niederlassung in Dessau im Jahr 2005 fast sämtliche Mitarbeiter dieser Niederlassung neu einge-stellt und entsprechend geschult werden mussten. Im Jahr 2006 hatte Herr B. dem Unternehmen unaufgefordert das Förderprogramm und die Bildungsmaß-nahmen vorgestellt. Der Zeuge P. führte aus, dass er auf das Angebot des Herrn B., die Bildungsmaßnahmen tatsächlich nicht durchführen zu müssen und den-noch die Fördermittel zu erhalten, nicht einging. Er überließ Herrn B. jedoch im Vertrauen auf das IHK-Bildungszentrum die Erledigung der Formalitäten, insbe-

36 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 113 und 119 (M.) 37 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 117 (M.) 38 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 114 und 116 (M.) 39 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 114 und 117 (M.) 40 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 121f. (M.)

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sondere die Antragstellung und die Übernahme der Kontrolle.41 Auch die Aus-wahl des wirtschaftlichsten Angebotes einer Bildungsfirma wurde dem IHK-Bildungszentrum überlassen. Die neue Niederlassung – so der Zeuge P. – wurde regelmäßig durch Herrn B. besucht.42 Herr B. gab Hinweise, welche Vorausset-zungen erfüllt sein mussten, damit der Antrag auf Fördermittel bewilligt werden kann. So sollte beispielsweise die Mitarbeiterzahl per 31. Dezember 2006 von 300 auf 250 gesenkt werden.43 Der Zeuge P. teilte dem Untersuchungsaus-schuss mit, dass Herr B. zudem behauptet hatte, dass die Formalien von einer dritten Firma, der Baustoff-Service GmbH, überprüft werden müssten und ein Herr S., Referent des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit, dafür eine Rech-nung stellen wird. Insofern bezahlte der Zeuge P. eine Rechnung der Baustoff-Service GmbH in Höhe von 6 960 Euro.44 Die Firma P. Biskuit AG erhielt mit Bewilligungsbescheid vom 26. Januar 2007 Fördermittel. Am 1. Februar 2007 wurde ein Sponsoring-Vertrag über 25 000 Eu-ro zwischen der Firma P. Biskuit AG und dem Sportverein Dessau 05 abge-schlossen.45 Nach Aussage des Zeugen P. hatte das Sponsoring an den Sport-verein jedoch nichts mit den Fördermaßnahmen zu tun. Vielmehr hatte er schon immer als Unternehmer Fußballvereine unterstützt.46 Auf Nachfrage äußerte der Zeuge P., dass es in diesem Zusammenhang nicht selten vorgekommen war, dass er gefragt wurde, ob er Arbeitsplätze für Fußballspieler in seinem Unter-nehmen anbieten kann.47

c) Die Rolle des Regionalbereichsleiters bei der Durchführung von Bil-dungsmaßnahmen durch den Honorardozenten Herrn B. sowie durch die Firmen K. & B. GbR und M&P Management K. Der Zeuge B., zum damaligen Zeitpunkt Mitinhaber der K. & B. GbR, war Hono-rardozent für das IHK-Bildungszentrum. Als Inhaber der Firma CAD-Service war der Zeuge B. zudem Fördermittelempfänger. Da er sein Büro in der Außenstelle der IHK in Wittenberg hatte, kannte er Herrn B.. Eine Einflussnahme auf den In-halt einer Bildungsmaßnahme erfolgte nicht.48 Nach Aussage der Zeugin K., Mitinhaberin der K. & B. GbR, war sie für die Ak-quise von Bildungsaufträgen zuständig. Im Rahmen der Akquise wurden auch Angebote gegenüber dem IHK-Bildungszentrum abgegeben. Ansprechpartnerin

41 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 57f. (P.) 42 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S.62f. (P.) 43 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 66 (P.) 44 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 67f. (P.) 45 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 27 (J.) 46 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 67f. (P.) 47 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 73 (P.) 48 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 71 bis 73 sowie 76 bis 79 und 87 (B.)

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im Rahmen der KMU-Schulung war Frau S.. Die Honorarsätze gab ihrer Aussage nach Herr B. vor.49 Der Zeuge B. sagte aus, dass es während seiner Tätigkeit als Honorardozent vorkam, dass einige Unternehmen ihm die ausgefüllten Anwesenheitslisten erst nach Abschluss der Bildungsmaßnahme vorlegten, so dass diese ohne nähere Prüfung gegengezeichnet wurden. Am Maßnahmenende konnte nicht mehr kon-trolliert werden, ob die Teilnehmer an bestimmten Tagen tatsächlich anwesend waren oder nicht. Zum Teil kamen diese Anwesenheitslisten vorausgefüllt über den Postweg zur Gegenzeichnung. Auf Nachfrage gab der Zeuge B. an, dass über die Bedeutung der Gegenzeichnung nicht nachgedacht wurde. Dies war Routine.50 Die Zeugin K. berichtete beispielhaft von einer Bildungsmaßnahme der Baustoff-Service GmbH, welche einen Antrag auf Fördermittel gestellt hatte. Die Maßnah-me sollte im Jahr 2006 durchgeführt werden. Herr S., Mitgeschäftsführer der Baustoff-Service GmbH, hatte darum gebeten, dass die Bildungsmaßnahme in den Räumen der Baustoff-Service GmbH stattfindet.51 Herr B. befürwortete dies. Die Geschäftsführerin des IHK-Bildungszentrums, Frau S. sprach sich dagegen aus.52 In der weiteren Zusammenarbeit mit der Baustoff-Service GmbH stellte sich nach Aussage der Zeugin K. heraus, dass Herr S. seinen Sohn als Dozenten bevor-zugte. Sein Sohn sollte, obwohl er weder als Teilnehmer noch als Dozent ange-meldet war, die Bildungsmaßnahme durchführen. Herr B. meinte in diesem Zu-sammenhang gegenüber der Zeugin K., dass es plausibel sei, wenn Herr S. die Bildungsmaßnahme selbst organisiert.53 Die Zeugin K. gab bei ihrer Vernehmung an, dass bei den als Bildungsmaßnah-men durchgeführten Schulungen überwiegend über betriebswirtschaftliche Prob-leme der Unternehmen des Herrn S. diskutiert wurde. Weiter erklärte die Zeugin, dass sie, obwohl sie als Dozentin eingesetzt war, nur an wenigen Tagen anwe-send war. Dennoch zeichnete sie sämtliche Anwesenheitslisten ab und erhielt ihr Honorar. Die Listen waren ihr über das IHK-Bildungszentrum zugeleitet worden.54 Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass die Bildungsmaßnahmen nicht durch-geführt worden seien, resultierte nach Meinung des Zeugen B. aus der Tatsache, dass einige Unternehmen ihm zwar einen Bildungsauftrag erteilt hatten, ihm dann aber mitgeteilt hatten, dass sie die Bildungsmaßnahme in Eigenregie durchführen möchten. Nach Ansicht des Zeugen B. war es ein Fehler, gutgläubig die im An-

49 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 91 und 104 (K.) 50 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 74 bis 76 (B.) 51 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 91f. (K.) 52 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 19 (S.) 53 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 93f. (K.) 54 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 93f. (K.)

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schluss an eine Maßnahme von den Teilnehmern unterschriebenen Anwesen-heitslisten ohne weitere Prüfung gegenzuzeichnen.55 Dieser Meinung war auch die Zeugin K.. Sie hätte die Unternehmen, die versichert haben, dass sie die Bil-dungsmaßnahme mit eigenen Mitarbeitern organisieren, hinsichtlich der tatsächli-chen Durchführung dieser Maßnahme kontrollieren müssen. Ein weiterer Fehler war, dass sie dem IHK-Bildungszentrum vertraut und auch die Verträge nicht hin-terfragt hatte.56 Als weiteres Beispiel nannte die Zeugin K. eine Bildungsmaßnahme, die sie im Jahr 2006 von der Firma Otium Consult GmbH mit Sitz in Berlin übernommen hat-te. Es sollten 25 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.57 Nach Aussage des Zeugen G., Referent des für die Bewilligung der Fördermittel zuständigen Refera-tes 302 im Landesverwaltungsamt und Nachfolger des Herrn S., der zu diesem Zeitpunkt in das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit gewechselt war58, hatte die Firma Otium Consult GmbH seinerzeit ihren Antrag zurückgezogen, als er als Bewilligungsbehörde nachfragen ließ, wie es sein kann, dass ein Unternehmen mit Sitz in Berlin eine Bildungsmaßnahme in Dessau durchführt.59 Die Zeugen G. und der Sachbearbeiter im Landesverwaltungsamt W., meinten sich zu erinnern, dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bei der Antrag-stellung durch Frau K. um Fördermittel, die ursprünglich die Firma Otium Consult GmbH beantragt hatte, eine Rolle spielte.60 Der damalige Referatsleiter im Minis-terium, der Zeuge B., konnte sich an eine Einflussnahme nicht erinnern.61 Der Zeuge P., Mitgeschäftsführer der Baustoff-Service-Grundbesitz GmbH Des-sau und Baustoff-Service GmbH sowie von 2006 bis 2008 Präsident des Sport-vereins Dessau 05, sagte zum Grund der Übernahme durch die Firma K. B. GbR aus, dass der Sportverein Dessau 05 ständig Finanzprobleme hatte. Demzufolge wurden einerseits Sponsoren und andererseits Unternehmen, die den Sportlern einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, gesucht. In diesem Zusammenhang wurde in einer Vorstandssitzung der Vorschlag durch Herrn B., welcher im Verein für die wirtschaftlichen Vorgänge und die Sponsorenbetreuung zuständig war,62 unterbreitet, dass einige geeignete Spieler an einer Bildungsmaßnahme teilneh-

55 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 81f. und 84f. (B.) 56 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 105 (K.) 57 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 94f. (K.) 58 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 7 (G.) 59 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 38 (G.) 60 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 32 (G.) und Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 26 (W.) 61 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 86f. (B.) 62 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 103 (J.)

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men und für die Zeit dieser Maßnahme – von März bis August 2006 – bei der Firma K. & B. GbR als Arbeitnehmer eingestellt werden könnten.63 Die Zeugin K. erklärte vor dem Untersuchungsausschuss, dass sie Herr B. An-fang 2006 um die Übernahme der Bildungsmaßnahme gebeten hat. Sie sollte sich bei Herrn W. im Landesverwaltungsamt melden und klären, was für den För-dermittelantrag notwendig ist. Der Zeuge B. und die Zeugin K. sagten überein-stimmend aus, auf diese bereits bewilligte Maßnahme sei deshalb Wert gelegt worden, da über die Presse bereits öffentlich bekannt war, dass 25 neue Arbeits-plätze geschaffen werden sollten. Deshalb wurden in der Firma K. & B. GbR 25 Personen eingestellt. Das Landesverwaltungsamt wusste nach Aussage der Zeu-gin K., dass die Firma K. & B. GbR nicht dauerhaft 25 Mitarbeiter nach der Bil-dungsmaßnahme weiterbeschäftigen könne und dass unter diesen Teilnehmern fünf Spieler des Sportvereins Dessau 05 waren. In ihrer Funktion als Präsidi-umsmitglied dieses Sportvereins ahnte die Zeugin K., dass der Sportverein selbst kaum in der Lage war, den Fußballspielern ein Gehalt zu zahlen. Daher sollten diese in einem Unternehmen im Raum Dessau-Roßlau angestellt werden, um ihnen einerseits eine finanzielle Absicherung bieten zu können und ihnen ande-rerseits die Möglichkeit zu geben, zu trainieren. Auf Nachfrage äußerte die Zeugin K., dass es keine Kontakte zum Ministerium für Wirtschaft und Arbeit gab64 und sie Herrn S. nur vom Sehen kannte sowie auch im Zusammenhang mit dem Sportverein Dessau 05 Personen aus der Landesregierung nicht kennen gelernt hat.65 Der Zeuge G. war der Meinung, dass Frau K. zunächst bei der Antragstellung be-hauptet hatte, dass sie die Mitarbeiter der Firma Otium Consult GmbH überneh-men werde, jedoch erst einen Monat vor Abschluss des Projektes mitgeteilt hat, dass sie nur zwei oder drei übernehmen werde. Dies war seiner Meinung nach zwar ungünstig, dennoch waren die Fördermittel rechtmäßig für die Bildungs-maßnahme verwendet worden.66 Eine Pflicht zur Übernahme der Teilnehmer ei-ner Bildungsmaßnahme gab es nicht.67 Im Rahmen der Bildungsmaßnahme hatten die Teilnehmer, auch die fünf Fuß-ballspieler, Lösungen für mögliche Existenzgründungen zu erarbeiten. Nicht alle Teilnehmer beschäftigten sich mit dieser vorgegebenen Aufgabenstellung. Sie zogen es vor, während der Bildungsmaßnahme Computerspiele zu spielen. Dieses Problem bestand nach Ansicht der Zeugin K. stets bei der Durchführung von Bildungsmaßnahmen.68

63 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 33 bis 37 (P.) und S. 80 (H.) 64 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 86 (B.) und Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 94 bis 98 (K.) 65 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 102f.(K.) 66 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 32f. (G.) 67 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 66 (K.) 68 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 99 (K.)

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Auf die Frage aus dem Ausschuss, ob die Fußballspieler auch während der Zeit, in der die Bildungsmaßnahme stattfand, trainierten, antwortete der Zeuge P., von 2006 bis 2008 Präsident des Sportvereins Dessau 05, dass die Trainingszeiten der an der Bildungsmaßnahme teilnehmenden Fußballspieler regelmäßig am späten Nachmittag oder am frühen Abend stattfinden sollten.69 Dies bestätigte der Zeuge H., der Trainer des Sportvereins Dessau 05, für die erste Qualifikations-maßnahme, welche von März bis August 2006 stattfand. Seiner Aussage nach gab es eine Anschlussmaßnahme, welche von August 2006 bis Februar 2007 stattfand und die durch die Firma M&P Management K. durchgeführt wurde. Wäh-rend dieser Anschlussmaßnahme durften die Spieler und Trainer zweimal in der Woche auch vormittags am Training teilnehmen. Diese Zeiten wurden sporadisch nachgeholt. Der Bildungsaspekt spielte nach Ansicht des Zeugen H. bei dieser zweiten Maßnahme eine untergeordnete Rolle.70 So waren beispielsweise einige Fußballspieler in Absprache mit Herrn B. nur früh und nachmittags anwesend, um in der Zwischenzeit für den Verein tätig zu sein.71 Die Zeugin K., die auch als Dozentin in den Maßnahmen tätig war, meinte, dass die vormittags durch Training entstandenen Fehlzeiten abends oder am Wochen-ende nachgeholt worden seien.72 Zu der Anschlussmaßnahme sagte die Zeugin K. auf Nachfrage aus, dass sie die Firma M&P Management K. nicht gegründet habe, um die Fußballspieler weiter-beschäftigen zu können73. Auf nochmalige Nachfrage meinte die Zeugin K., sie habe diese Firma gegründet, um mit einigen Teilnehmern weiterhin zusammen-arbeiten und diese weiterqualifizieren zu können.74 Teilnehmer der Maßnahme, die Zeugen H. und S. sagten übereinstimmend aus, dass inhaltlich in den Qualifikationsmaßnahmen eher Bildung durch Selbstbildung stattfand. Es gab weder eine Ausbildung noch Zertifikate noch war die Dozentin ständig anwesend.75 Die Teilnehmer erhielten in der Regel verschiedene Projek-taufträge, die selbständig bearbeitet werden sollten. So sollten etwa Verkaufs- und Werbekonzepte für mehrere Villen der Baufirma Schieck + S. & Co GmbH sowie für einen Supermarkt eines Unternehmens des Herrn P. erstellt werden.76

5. Entdeckung erster Unregelmäßigkeiten durch das IHK-Bildungszentrum

69 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 39 (P.) 70 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 75f. sowie 78 und 81(H.) 71 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 88f. (S.) 72 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 59 (K.) 73 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 62 (K.) 74 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 63 und 65 (K.) 75 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 79f. (H.) und 91f. (S.) 76 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 76 (H.) und 93 (S.)

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Erste Unregelmäßigkeiten im IHK-Bildungszentrum im Zusammenhang mit der Abrechnung der Förderleistungen fielen nach deren Aussagen zunächst den Mit-arbeiterinnen des Regionalbereiches Dessau auf. So erklärte die Zeugin Dr. M., ihr ist bereits im Jahr 2002 aufgefallen, dass eine Dozentin die Anwesenheitslis-ten gegenzeichnen sollte, obwohl sie den Unterricht nicht selbst durchgeführt hat-te. Später stellte sich nach Aussage der Zeugin Dr. M. heraus, dass die Bil-dungsmaßnahme wohl nicht stattgefunden hatte.77 Die Zeugin Dr. M. sagte auch aus, dass Frau S. bereits im Jahr 2002 die Unre-gelmäßigkeiten in Zusammenhang mit unberechtigten Unterschriftsleistungen auf Anwesenheitslisten bei dem damaligen Geschäftsführer des IHK-Bildungszentrums, Herrn Diezmann, angezeigt hatte. Diese Anzeige hatte aber keine Konsequenzen.78 Seit dem Jahr 2004, so die Zeugin Dr. M., sollte sie mit ihrer Unterschrift den In-halt in Klassenbüchern im Bereich der Maßnahmen der Agentur für Arbeit bestä-tigen. Auch die Dozentin K. bestätigte – nach Aussage der Zeugin Dr. M. – die Durchführung eines Lehrgangs, der nicht stattgefunden hatte.79 Zudem war ihrer Ansicht nach auffällig, dass vor allem kleine Unternehmen keine Fördermittel vom Landesverwaltungsamt für eine Bildungsmaßnahme erhielten. Hintergrund war ih-rer Ansicht nach, dass beispielsweise die Firma Baustoff-Service GmbH bereits große Mengen an Fördermitteln erhalten hatte und keine Mittel mehr zur Ausrei-chung an die kleinen Unternehmen vorhanden waren. Ab diesem Zeitpunkt be-stand für die Zeugin Dr. M. die Gewissheit, dass betrogen wird.80

6. Erste Unstimmigkeiten im Team des Regionalbereichs Dessau Durch die Umstrukturierung des IHK-Bildungszentrums ab April 2007, insbeson-dere der Trennung von Verkauf und Organisation der Maßnahmen, war Herr B. nur noch für die Akquise und nicht mehr für die Umsetzung der Maßnahmen ver-antwortlich. Dadurch arbeiteten Herr B., Frau S. und Frau Dr. M. nicht mehr so eng wie bisher zusammen. Vielmehr hatten sich nach Meinung der Zeugin S. die Informationsflüsse und Vertrauensverhältnisse zwischen diesen Personen geän-dert. Das Klima in diesem Team hatte sich verschlechtert. Frau Dr. M. wollte auch eine räumliche Trennung und zog in ein anderes Büro.81 Die Zeugin S. sagte hin-gegen aus, dass es keine Auseinandersetzung mit Frau Dr. M. gegeben habe.82

7. Die Kündigung des Leiters des Regionalbereichs Dessau

77 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 84 und 87 (Dr. M.) 78 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 87 (Dr. M.) 79 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 84 bis 87 und 94 (Dr. M.) 80 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 87 bis 92 (Dr. M.) 81 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 21f. (S.) 82 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 125 (S.)

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Im August 2007 gab es zwischen Herrn B. und der Geschäftsführerin, der Zeugin S., Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Ortes, an welchem eine Bil-dungsmaßnahme der Baustoff-Service GmbH durchgeführt werden sollte. Herr B. vertrat die Auffassung, dass die Durchführung der Maßnahme in den neuen Räumen des IHK-Bildungszentrums vom Kunden nicht gewollt und die Anreise der Teilnehmer zu umständlich sei. Er wollte gegen den Willen der Geschäftsfüh-rerin die Durchführung in den Räumlichkeiten der Baustoff-Service GmbH durch-setzen.83 Zudem war durch den Regionalbereichsleiter Herrn B. versucht worden, eine Rechnung über Malerarbeiten in den Buchungskreislauf des IHK-Bildungszentrums zu geben. Der Ehemann von Frau Dr. M. hatte diese Malerar-beiten in der Wohnung der Mutter des zuständigen Referenten im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Herrn S., durchgeführt.84 Auch der (Mit)-Geschäftsführer des IHK-Bildungszentrums, der Zeuge Prof. Dr. H., sagte aus, dass sich Herr B. im Laufe der Zeit bis zum Jahr 2007 zu einem respektlosen, aufsässigen und illoyalen Mitarbeiter entwickelt hatte.85 Zum Zeitpunkt der Kündigung des Herrn B. Ende 2007 wurde auch seine engste Mitarbeiterin Frau S. suspendiert. Nach Aufhebung dieser Suspendierung, woll-ten, nach Aussage der Zeugin S., die anderen Mitarbeiter dennoch nicht mit Frau S. zusammenarbeiten, unter anderem auch deshalb, weil diese die Aussagen von Frau S. in dem Kündigungsschutzprozess des Herrn B. für nicht glaubhaft hielten. Frau S. wurde daraufhin am 4. März 2008 gekündigt. Dieser Kündigungsschutz-prozess endete in einem Vergleich.86 Da Frau S. aufgrund des Vertrauensverlustes auch nach Aufhebung der Suspen-dierung nicht mehr mit dem Verkauf und den Akten in ihrem bisherigen Tätigkeits-feld betraut werden sollte, wurde Frau K., welche auch für das IHK-Bildungszentrum als Dozentin tätig war, beauftragt, die Akten aus dem bisherigen Tätigkeitsfeld des Herrn B. zu sichten. Aufgabe von Frau K. war es, so die Zeugin S., angefangene Bildungsmaßnahmen zu Ende zu führen.87 Die Zeugin K. sagte aus, dass sie gebeten worden war, eine Liste über die laufenden Bildungsmaß-nahmen zu erstellen, um Frau S. einen Überblick zu verschaffen, welche weiteren Maßnahmen nach dem Weggang von Herrn B. und Frau S. zu treffen sind. 88 Der Zeuge Prof. Dr. H. äußerte auf Nachfrage, dass die geschäftlichen Kontakte nach der Kündigung des Herrn B. erst wieder neu aufgebaut werden mussten.89

83 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 19 (S.) 84 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 15f. (S.) 85 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 15f. und 23f. (Prof. Dr. H.) 86 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 24f. (S.) 87 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 28 bis 30 (S.) 88 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 106 (K.) 89 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 37 (Prof. Dr. H.)

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Die Fragen, ob das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit auf den Rückgang der Bildungsmaßnahmen durch das IHK-Bildungszentrum aufmerksam gemacht wor-den ist oder ob das Ministerium Rückfragen gestellt hat, weil ein großer Teil an Fördermitteln aufgrund des Rückgangs der Bildungsmaßnahmen nicht mehr ab-floss, verneinte der Zeuge Prof. Dr. H.. Er meinte in diesem Zusammenhang, dass Behörden zu keinem Zeitpunkt auf das Geschäftsfeld des IHK-Bildungszentrums hinsichtlich der Verwendung von Fördermitteln Einfluss ge-nommen haben.90

8. Die Beauftragung und Ermittlungen der Firma PEDOMAC Im Frühjahr 2008 fassten die Zeugin S. und der Zeuge Prof. Dr. H. den Ent-schluss, die Firma PEDOMAC, dessen Geschäftsführer Herr J. ist, mit Recher-chearbeiten im IHK-Bildungszentrum zu beauftragen.91 Anlass dieses Auftrages war für den Zeugen Prof. Dr. H. ein Telefonat mit Herrn J., der zu dem Zeitpunkt 1. Vorsitzender des Sportvereins Dessau 05 war. Herr J. hatte von erheblichen Schwierigkeiten berichtet, die Finanzen des Vereins transparent zu gestalten. Er sei immer wieder auf Zusammenhänge mit Förderleistungen für Bildungsmaß-nahmen innerhalb des Vereins gestoßen. Deshalb wurde vereinbart, zu recher-chieren, ob Zusammenhänge zwischen Bildungsmaßnahmen im Sportverein Dessau 05 und vom IHK-Bildungszentrum organisierter und durchgeführter Bil-dungsmaßnahmen bestehen.92 Mit dem Auftrag vom 28. Juli 2008 hat das IHK-Bildungszentrum Herrn J. Fördermittelakten zur Verfügung gestellt. Untersucht wurden Fälle, die sich auf die Firmen Baustoff-Service GmbH und Baustoff-Service Grundbesitz GmbH bezogen.93 Herr J. stellte fest, dass Anzeichen dafür vorlagen, dass Mitarbeiter einzelner Un-ternehmen zwei verschiedene Schulungen zeitgleich wahrgenommen haben sol-len. Nach seiner, J.s Auffassung, müssen die Klassenbücher und Lehrgangs-nachweise gefälscht worden sein. Frau Dr. M. und eine Dozentin hatten gegen-über Herrn J. eingeräumt, dass sie zum Teil Gefälligkeitsunterschriften geleistet hatten. Maßnahmen, die vertraglich in den Räumen des IHK-Bildungszentrums durchgeführt worden sein sollen, fanden jedoch in den Räumen der Baustoff-Service GmbH mit der Folge statt, dass das IHK-Bildungszentrum Miete für diese Räumlichkeiten bezahlt hatte. Zudem traten die Geschäftsführer einzelner Unter-nehmen selbst als Dozenten auf.94 Nach Feststellung des Herrn J. hatte etwa die Firma M&P Management K. als Fördermittelempfängerin am 7. August 2006 zunächst dem IHK-Bildungszentrum einen Bildungsauftrag über 960 Lehrgangsstunden zu 112 320 Euro erteilt. Das IHK-Bildungszentrum hatte sodann am gleichen Tag der Firma BWMK Betriebli-

90 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 39 (Prof. Dr. H.) 91 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 20f.(S.) 92 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 13f. (Prof. Dr. H.) 93 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 54ff. (J.) 94 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 54 bis 58 und 66 (J.) sowie der Abschlussbericht des Herrn J. vom 20. Oktober 2008, S. 2 f. und 6 als Anlage zur Niederschrift über die 4. Sitzung

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che Weiterbildung K. einen Auftrag für Dozententätigkeit über 960 Lehrgangs-stunden zu 76 800 Euro erteilt und bezahlt.95 Zudem hatte Herr J. festgestellt, dass von Frühjahr 2006 bis Frühjahr 2007 von der Firma K. & B. GbR und der M&P Management K. zwei Fördermaßnahmen durchgeführt worden sind, an welchen auch Trainer und Fußballspieler des Sportvereins Dessau 05 teilgenommen hatten. Die erste Maßnahme war von der Firma Otium Consult GmbH übernommen worden. Aus dem Abschlussbericht des Herrn J. ergibt sich, dass die Spieler nur zeitweise an den Maßnahmen teil-genommen und dennoch die Anwesenheitslisten abgezeichnet hatten.96

Der Privatdetektiv stellte weiterhin fest, dass Initiator der Fördermittelanträge und Ratgeber für die Unternehmen regelmäßig Herr B. war. Seine Mitarbeiterin Frau S. war für die gesamten Verwaltungsabläufe verantwortlich.97 Die Ermittlungen des Herrn J. ergaben, dass Herr B. am selben Tag, zur selben Zeit einerseits laut Fahrtenbuch einen Termin in Bitterfeld wahrgenommen hat und anderseits gleichzeitig als Dozent einer Weiterbildungsmaßnahme tätig ge-wesen ist.98 Der Sachverhalt, der sich aus dem Zwischenbericht des Herrn J. vom 29. Sep-tember 2008 und seinem Abschlussbericht vom 20. Oktober 2008 ergab, wurde mit Schreiben vom 4. November 2008 der Staatsanwaltschaft und mit Schreiben vom 17. November 2008 dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit mitgeteilt.99 Für eine weitere interne Auswertung der Vorgänge bestand nach Aussage des Zeugen Prof. Dr. H. kein Anlass, da das Landeskriminalamt und die Staatsan-waltschaft ab diesem Zeitpunkt den Vorgang bearbeiteten.100

9. Kontrolle innerhalb des IHK-Bildungszentrums Eine interne Revisionsabteilung besaß das IHK-Bildungszentrum nicht. Es exis-tierte jedoch eine interne Kontrolle in Form von Unterschriftsregelungen in Bezug auf die sachliche und rechnerische Richtigkeit und in Bezug auf die Mitzeichnung von leitenden Mitarbeitern oder der Geschäftsführung je nach Größenordnung der Maßnahme. Hinzu kamen die jährlichen Wirtschafts-, Steuer- und Sozialkassen-prüfungen sowie Prüfungen durch die Europäische Union, den Bund, das Land und die Arbeitsverwaltung. Im Rahmen dieser Prüfungen wurden in Bezug auf den Geschäftsbereich des Herrn B. keine Verstöße gegen Vorschriften festge-stellt.101

95 Abschlussbericht des Herrn J. vom 20. Oktober 2008, S. 17 als Anlage zur Niederschrift über die 4. Sitzung 96 Abschlussbericht des Herrn J. vom 20. Oktober 2008, S. 16 als Anlage zur Niederschrift über die 4. Sitzung 97 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 63 (J.) 98 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 23 (Prof. Dr. H.) 99 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. April 2013, S. 20f. und 37 (S.) 100 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 31 und 38 (Prof. Dr. H.) 101 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 30 (Prof. Dr. H.)

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10. Aufsicht Die Rechtsaufsicht über das IHK-Bildungszentrum oblag dem damaligen Ministe-rium für Wirtschaft und Arbeit. Der Zeuge Prof. Dr. H. erklärte auf Nachfrage, dass er keine Erinnerung in Bezug auf eine Aufsichtstätigkeit des Referenten Herrn S. hat. Er kannte Herrn S. nur aus den Akten als Ansprechpartner im Be-reich berufliche Weiterbildung. 102 Der Zeuge K., im Zeitraum, auf den sich die Un-tersuchungen des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses konzentrie-ren als Vizepräsident des Landesverwaltungsamtes für die in Rede stehenden Förderprogramme zuständig, sagte aus, dass er Herrn S. kennt, jedoch bezüglich seiner Tätigkeit als Referent im Ministerium keine Unregelmäßigkeiten festgestellt hat.103

II. Das Landesverwaltungsamt

1. Bewilligung von Fördermitteln für die Qualifizierung von Beschäftigten Für die Bewilligung der Fördermittel für Beschäftigung und Arbeitsmarktförderung war im Landesverwaltungsamt das Referat 302 zuständig. Für die Qualifizierung von Beschäftigten wurden in den Jahren 2000 bis 2006 auf der Grundlage der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Qualifizierung von Be-schäftigten aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Sachsen-Anhalt (RdErl. des MS vom 12. Februar 2001 - 43.2.1, MBl. LSA 2001 S. 141ff.) ca. 2000 Bewilligungsbescheide erstellt. Im Zeitraum von 2007 bis 2013 waren es auf der Grundlage der Richtlinie zur Förderung der Qualifizierung von Beschäftigten mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (RdErl. des MW vom 10. Dezember 2007 – 53-32323, MBl. LSA 2007 S. 937ff.) ca. 1000 Bewilli-gungsbescheide, wobei das Referat 302 nur bis zum 31. Dezember 2008 hierfür zuständig war. Danach wechselte die Zuständigkeit zum Förderservice der Inves-titionsbank.104 Hauptziel der Förderrichtlinie war die Qualifizierung von Beschäf-tigten zur Verbesserung ihrer Chancen am Arbeitsmarkt. Zu den Voraussetzungen der Förderung erklärte die Zeugin B., Sachbearbeiterin im Referat 302 des Landesverwaltungsamtes, anhand von Arbeitsverträgen musste nachgewiesen werden, dass die zu schulenden Mitarbeiter Beschäftigte des Unternehmens waren.105 Nach Aussage des Zeugen W., Sachbearbeiter im Landesverwaltungsamt, war nach der Förderrichtlinie jedoch keine Vorausset-zung, dass die Mitarbeiter nach der Bildungsmaßnahme weiter beschäftigt wer-den. Ziel war es, dem Arbeitsmarkt besser qualifizierte Personen zur Verfügung zu stellen. Zudem mussten die Unternehmen mindestens 30 % Eigenmittel auf-

102 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 77 (Prof. Dr. H.) 103 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 26f. (K.) 104 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 6 bis 8 (G.) 105 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 56 (B.)

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bringen, so dass sie ein Interesse daran gehabt haben dürften, die geschulten Mitarbeiter zu behalten.106 Der Zeuge G., Referent im Referat 302 des Landesverwaltungsamtes, bestätigte, dass es nach der Förderrichtlinie im Zeitraum 2000 bis 2006 für die Feststellung der rechtmäßigen Verwendung der Fördermittel nicht erforderlich war, dass die Mitarbeiter nach der Schulung im Unternehmen weiter beschäftigt wurden, da die Erhöhung der Marktchancen der Mitarbeiter durch eine höhere Qualifizierung ent-scheidend war.107 Der Zeuge P., von 2006 bis 2011 Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, bestätigte, dass Sinn und Zweck der Förderrichtlinie gewesen sei, Arbeits-losen die Möglichkeit zu geben, über entsprechende Qualifizierungen eine beruf-liche Tätigkeit zu erhalten und zum anderen sollten den Unternehmen qualifizierte Beschäftigte zur Verfügung stehen.108 Auf die Frage, ob es im Sinne der Förder-richtlinien war, Arbeitslose nur für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme anzu-stellen und danach wieder zu entlassen, antwortete der Zeuge, dass es pro-grammspezifisch war, inwieweit sogenannte Haltefristen, also eine Fördermittel-bindung über einen bestimmten Zeitraum, gegeben waren. Durch die Qualifizie-rung sind die Beschäftigten wettbewerbsfähiger geworden und hatten damit auch eine bessere Chance, auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu finden. Im Be-reich der Qualifizierung von Beschäftigten war die Frage, ob ein Rückforderungs-bescheid zu erlassen war, daher allein davon abhängig, ob die Qualifizierung im Einzelnen durchgeführt worden war oder nicht.109 Nach der Förderrichtlinie war es wohl auch möglich – so der Zeuge W. –, dass fast alle Mitarbeiter einer Firma gleichzeitig geschult wurden.110 Die Aufnahme der Möglichkeit von sogenannten In-House-Schulungen in diese Richtlinie erfolgte nach Aussage des Zeugen B., zum damaligen Zeitpunkt Refe-ratsleiter für berufliche Bildung im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, auf Bitten der Wirtschaft.111 Für den Zeugen P., Sachbearbeiter im damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, ist eine In-House-Schulung gerade bei Qualifizierungs-maßnahmen in speziellen Fragen nichts Besonderes. Da er in die einzelnen Pro-jekte jedoch keinen Einblick hatte, konnte er sich auf Nachfrage zur Sinnhaftigkeit einer Mietzahlung an die Unternehmen in diesem Zusammenhang nicht äußern. Zudem war nach der Förderrichtlinie – so der Zeuge P. – das Einkommen der Teilnehmer für die Zeit der Bildungsmaßnahme förderfähig, sofern die Teilnehmer für diese Zeit freigestellt waren und der Arbeitgeber diese Ausgaben auch tat-

106 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 28 (W.) 107 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 32f. (G.) 108 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 43f. (P.) 109 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 45f. (P.) 110 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 48 (W.) 111 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 11 (B.)

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sächlich hatte. Im Ergebnis konnte der Zeuge P. nicht feststellen, dass gerade diese Förderrichtlinie besonders anfällig für Missbrauch gewesen ist.112 Eine Missbrauchsanfälligkeit der Richtlinie konnte auch der Zeuge P. nicht bestä-tigen. Nur 1,2 % der Förderfälle wiesen Unregelmäßigkeiten auf. Zudem hielt er die Finanzierung des Lohnausfalls und die Zahlung von Miete an die Unterneh-men für die Nutzung von Räumlichkeiten für eine sachgerechte Ausgestaltung der Förderrichtlinie, welche auch dazu führte, dass diese Förderung in starkem Maße von den Unternehmen in Anspruch genommen wurde.113 Der damalige Vizepräsident des Landesverwaltungsamtes, der Zeuge K., sagte aus, dass die europäischen Vorgaben vorsahen, dass die Lohnausfallkosten för-derfähig sind. Insofern war das Land Sachsen-Anhalt seiner Ansicht nach nicht befugt, diesen Grundsatz abzuändern.114 Der Zeuge L., bis 2011 Präsident des Landesverwaltungsamtes, meinte, dass im Bereich der Arbeitsmarktförderung aufgrund der hohen Zahl an Einzelfällen und der relativ geringen Fördersumme im Einzelfall keine besondere Missbrauchsan-fälligkeit bestand.115

2. Bearbeitung der Fördermittelanträge und Prioritätensetzung Die Fördermittelanträge der Unternehmen wurden im Landesverwaltungsamt be-arbeitet. Zunächst wurden die von den Geschäftsführern unterschriebenen För-dermittelanträge in einer Bearbeitungsliste auch hinsichtlich der beantragten Hö-he der Fördermittel erfasst und nach Prioritäten sortiert. In die erste Priorität wur-den Unternehmen eingeordnet, die neu eingestellte Personen qualifizieren und damit neue Arbeitsplätze schaffen wollten. Die zweite Priorität hatten Anträge, bei denen ein Personal- und Entwicklungskonzept in den Unternehmen vorhanden war. In die dritte Priorität wurden sonstige Anträge eingeordnet, etwa für die Qua-lifizierung bereits vorhandener Mitarbeiter.116 Da nicht immer ausreichend Fördermittel vorhanden waren, wurden die Anträge gesammelt und auf Vollständigkeit überprüft. Zum Teil wurden Unterlagen nach-gefordert. Vervollständigte Anträge rückten innerhalb einer Priorität auf.117 Anträ-ge, die von Unternehmen angefertigt worden waren, die seit vielen Jahren in sol-chen Bildungsmaßnahmen beteiligt waren, waren nach Aussage des Zeugen W., Sachbearbeiter im Landesverwaltungsamt, immer sehr gut vorbereitet.118

112 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 13f. (P.) 113 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 49f. (P.) 114 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 27 (K.) 115 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 20f. (L.) 116 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 6, 7 und 10 (W.) und S. 55 und 57 (B.) sowie Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Par-lamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 15 (G.) und S. 73 (C.) 117 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 7 (W.) 118 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 12 (W.)

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Auf die Frage, ob die Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes bereits im Vorfeld hinsichtlich der Bewertung der Sinnhaftigkeit einzelner Bildungsmaßnahmen ge-schult worden waren, antwortete der damalige Vizepräsident des Landesverwal-tungsamtes, der Zeuge K., dass es dem Landesverwaltungsamt als Vollzugsbe-hörde nicht zustand, die Sinnhaftigkeit der Förderrichtlinie zu bewerten. Seiner Meinung nach haben nicht alle Förderprojekte zum Ziel geführt. Das Landesver-waltungsamt war insbesondere für die Überprüfung zuständig, ob die Stundenan-zahl, die im Antrag angegeben war, für eine bestimmte Bildungsmaßnahme not-wendig war oder nicht. Hintergrund war, dass es für einige Unternehmen verlo-ckend war, die Zeit der Bildungsmaßnahme auszudehnen, da die Richtlinie vor-sah, dass nicht nur die Kosten für die Bildungsmaßnahme, sondern auch die Lohnkosten für die entfallende Arbeitszeit übernommen werden.119 Der Zeuge W. meinte, dass das Landesverwaltungsamt auch überprüft hat, ob die beantragte Bildungsmaßnahme für das Unternehmen fachlich sinnvoll war bzw. diesem thematisch zugeordnet werden konnte.120 Die Vorqualifikationen der Teilnehmer mussten mit dem Thema der Bildungsmaßnahme übereinstimmen. 121 In der Regel durften nur in Sachsen-Anhalt wohnende Mitarbeiter geschult wer-den. Sollte ein Mitarbeiter in verschiedenen Lehrgängen geschult werden, so wurde den Unternehmen geraten, Einzelanträge zu stellen.122 Auch die Firma Baustoff-Service GmbH hat ihre Mitarbeiter in verschiedenen Lehrgängen schu-len lassen.123 Die Unternehmen mussten dem Fördermittelantrag drei Angebote von Bildungs-trägern beifügen. Die Zeugin B. war der Ansicht, dass es keine Auffälligkeit be-deutete, wenn die drei Angebote in Bezug auf die Höhe nahe beieinander lagen. Entscheidend war, dass drei Angebote vorgelegt wurden.124 Die Angemessenheit des Preisniveaus der Bildungsangebote wurde anhand von Vergleichsangeboten im Internet überprüft.125 So konnte es zu Kürzungen kommen, wenn das bean-tragte Honorar im Vergleich zu ähnlichen Bildungsmaßnahmen zu hoch angesetzt war. Dies galt auch hinsichtlich der Stundenanzahl für eine Bildungsmaßnahme. So wurde beispielsweise bei einem Excel- oder Word-Lehrgang, den die Firma Baustoff-Service GmbH mit ca. 240 Stunden angesetzt hatte, der aber im Lan-desverwaltungsamt mit 72 Stunden angeboten wurde, eine Kürzung vorgenom-

119 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 18f. und 27f. (K.) 120 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 18 (W.) 121 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 19 (W.) 122 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 19 (W.) 123 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 20 (W.) 124 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 97f. (B.) 125 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 18 (W.) und S. 97 (B.)

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men.126 Für die Akte wurden Prüfvermerke, welche schematisiert waren, er-stellt.127 Die zurückgestellten gesammelten Anträge wurden beschieden, wenn erneut Fördermittel zur Verfügung standen, so dass es vorkam, dass einige Unterneh-men erst nach Monaten, andere bereits nach Tagen einen Bewilligungsbescheid erhielten.128 Dass bestimmte Anträge größerer Unternehmen kurzfristig beschie-den wurden, kann nach Aussagen der Zeugen G. und B. daran gelegen haben, dass die Unterlagen professionell erstellt worden waren. Entscheidend war die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Antrages.129 Eine besondere Priorität – so die Zeugen W. und B. – hatten auch sogenannte Leuchtturmprojekte, mit welchen viele neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Hier hat auch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit auf eine schnelle Bewilligung der Fördermittel geachtet.130 Eine prioritäre Bearbeitung ergab sich für den Zeugen G. beispielsweise aus ei-nem Schreiben des zuständigen Referenten des Ministeriums, Herrn S., an ihn vom 27. November 2006 zum Fördervorgang QU/03432/06, in welchem ihm mit-geteilt wurde, dass eine Unternehmenserweiterung der Firma P. Biskuit AG für das Land eine hohe wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Bedeutung hat.131 Dass Herr S. dem Projekt eine sehr hohe Priorität beigemessen hatte, wusste der Geschäftsführer dieser Firma, Herr P., seiner Aussage nach nicht.132

3. Die Zusammenarbeit zwischen dem Landesverwaltungsamt und dem damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Nach Aussage des Zeugen L., dem damaligen Präsidenten des Landesverwal-tungsamtes unterhielt das Referat 302 des Landesverwaltungsamtes ständig Kontakt zum damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. 133 Eine intensive Kommunikation mit dem Ministerium erfolgte nach Aussage der Referatsleiterin 302 des Landesverwaltungsamtes, der Zeugin C., immer dann, wenn es Beson-derheiten in der Bewilligung oder Abrechnung von Fördermitteln gab. In alltägli-chen Angelegenheiten konnten die Mitarbeiter des Referates 302 sich auch direkt an die zuständigen Mitarbeiter des Ministeriums wenden. Im Regelfall vollzogen sich diese Kontakte auf elektronischem Wege per E-Mail. Diese E-Mails sollten

126 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 97f. (B.) 127 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 49 (W.) und S. 55 (B.) 128 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 7 und 9 (W.) 129 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 56 (B.) und Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses am 14. Juni 2013, S. 12 (G.) 130 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 13f. (W.) und S. 96 (B.) 131 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 17 bis 19 (G.) 132 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 59 und 65f. (P.) 133 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 6f. (L.)

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ihr jedoch zur Kenntnis gegeben werden.134 Der Dienstweg wurde – so die Zeugin C. – immer eingehalten.135 Der Zeuge L. teilte mit, dass jede Art von Kontaktweg genutzt wurde, um mit dem Ministerium unmittelbar zu kommunizieren. Bei der Klärung fachlicher Fragen wurde im Regelfall direkt Kontakt in der Arbeitsebene aufgenommen, ohne den Dienstweg einzuhalten. Die Einhaltung des Dienstweges hätte bedeutet, dass sich auch der Präsident des Landesverwaltungsamtes mit den vielen Detailfragen hätte beschäftigen müssen. Dies wäre angesichts der Vielzahl an Referaten nicht möglich gewesen.136 Es existierten sogenannte Pendellisten zwischen dem Ministerium und dem Lan-desverwaltungsamt, in welchen die Anträge erfasst sowie die Antragsvolumina und die Rangfolgen festgelegt worden sind, so dass das Ministerium über die be-absichtigte Aufgabenerledigung ständig informiert war.137 Die Zeugin B. meinte, dass die Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes im ope-rativen Handeln unter Beachtung der vorgegebenen Rahmenbedingungen unab-hängig waren.138 Nach Aussage des Zeugen W. konnten im Rahmen einer Haus-haltssperre Bewilligungsbescheide erlassen werden, wenn das Ministerium der Finanzen diesen Ausnahmen zugestimmt hatte.139 Es stellte keine Besonderheit dar, dass einige, vor allem große Firmen immer wieder über mehrere Jahre von den Fördermöglichkeiten Gebrauch machten.140 Eine Ablehnung eines Fördermit-telantrages kam selten vor. Wenn zeitweilig keine Fördermittel vorhanden waren, wurden die Antragsteller angeschrieben, ob sie ihren Antrag aufrechterhalten wol-len bis wieder Fördermittel zur Verfügung stehen.141

4. Die sogenannte Prioritäts-E-Mail Bei der sogenannten Prioritäts-E-Mail handelt es sich um eine E-Mail des Refe-ratsleiters im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Herrn B., an den Referenten im Landesverwaltungsamt, Herrn G., vom 19. Juni 2006142. Darin bat dieser das Landesverwaltungsamt, auf Wunsch des Ministers die Projektanträge QU 03246/06 (Fördermaßnahme „Beschäftigungsinitiative M&P Management K.“) und

134 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 69f. und 72 (C.) 135 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 103 (C.) 136 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 7f. und 15f. (L.) 137 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 7f. (L.) 138 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 86 (B.) 139 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 25 (W.) 140 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 9 (W.) 141 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 50 (W.) 142 Ordner LVwA 302, Rechtsgrundlagen, Richtlinien und Erlasse, S. 138

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QU 03249/06 (Fördermaßnahme) im Rahmen der verfügbaren Mittel vorrangig zu bewilligen.143 Bei der Maßnahme „Beschäftigungsinitiative M&P Management K.“ handelte es sich um die Anschlussmaßnahme an die Bildungsmaßnahme, die Frau K. von der Firma Otium Consult übernommen hatte, an welcher auch Fußballspieler des Sportvereins Dessau 05 teilgenommen hatten.144 Die Maßnahme „Beschäfti-gungsinitiative CAD Service B.“ betraf nach Auskunft des Zeugen B. die Firma CAD Service. Diese bot Dienstleistungen für andere Unternehmen an, wie etwa die elektronische Verwaltung von Unterlagen. Für den Ausbau dieses Angebots wurden sieben Mitarbeiter eingestellt und qualifiziert. Nach Beendigung der Bil-dungsmaßnahme wurde ein Mitarbeiter übernommen.145 Die Zeugin C., Referatsleiterin im Landesverwaltungsamt, meinte auf die Frage, wie die E-Mail zu verstehen ist, dass das Ministerium grundsätzlich insbesondere innerhalb der ersten Priorität in Bezug auf Neuinvestitionen, die Arbeitsplätze schafften, Hinweise an das Landesverwaltungsamt gegeben hat. Insofern muss-ten bestimmte Projekte vorrangig bearbeitet werden. 146 Die Zeugin C. äußerte, dass jede Priorisierung eines Projekts durch das Ministerium – auch ohne nähere Begründung der Prioritätensetzung – als Erlass aufzufassen war.147 Auch die Zeugin B., Sachbearbeiterin im Landesverwaltungsamt, sagte aus, dass es üblich war, Anweisungen durch Erlasse des Ministeriums zu erhalten.148 So ergibt sich aus der Maßnahmenakte, dass sich Herr S., Referent im Ministeri-um für Wirtschaft und Arbeit, per E-Mail an das Landesverwaltungsamt wendete und darum bat, bestimmte Projekte schnellstmöglich zu bewilligen. Hierzu zählte auch eine Maßnahme der Firma Eckert & Wiethake, in welcher die Mitarbeiter der Firma acht Stunden am Tag über sieben Monate geschult werden sollten.149 Die Erlasse des Ministeriums wurden im Vorzimmer der Referatsleiterin archiviert. Wenn ein Erlass einen konkreten Fall betraf, wurde er in der entsprechenden Ak-te abgeheftet.150 Sie stellten Regelwerke zur Korruptionsbekämpfung dar. Hin-sichtlich einer Regelung in Bezug auf die Besorgnis der Befangenheit galten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.151

143 Ordner LVwA 302, Rechtsgrundlagen, Richtlinien und Erlasse, S. 138 144 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 62f. (K.) 145 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 77f. (B.) 146 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 75f. (C.) 147 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 90f. (C.) 148 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 58 (B.) 149 vgl. Maßnahmenakte QU 03303/06, S. 43. 150 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 69 und 72 (C.) 151 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 88 (C.)

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Die Zeugin C. meinte, dass auch die Prioritäts-E-Mail des Herrn B. an Herrn G. vom 19. Juni 2006152 als Erlass aufzufassen war. Dennoch wurden die Voraus-setzungen der Anträge vor der Bewilligung geprüft.153 Für Frau C. war diese E-Mail nicht ungewöhnlich. Solche Vorgänge wurden in der Prüfung anderen ein-fach vorgezogen.154 Der Zeuge K., damaliger Vizepräsident des Landesverwaltungsamtes, bestätigte, dass es eine Festlegung gab, dass jede schriftliche Äußerung eines Ministeriums einen Erlass darstellt, der umzusetzen ist. Der Zeuge K. erklärte, er habe Herrn G. auf dessen Nachfrage bestätigt, dass dies auch für die oben genannte E-Mail des Herrn B. gelte. Ein solcher Erlass entbinde die Mitarbeiter jedoch nicht von ih-rer Prüfpflicht.155 Der damalige Präsident des Landesverwaltungsamtes, der Zeuge L. äußerte, dass derartige E-Mails an ihn nicht weitergeleitet worden sind. Der Zeuge erklär-te, er hält die Aussage, dass im Rahmen der verfügbaren Mittel Bildungsmaß-nahmen vorrangig bewilligt werden sollen, weder für ungewöhnlich noch für sel-ten. Manchmal habe er auch das Gefühl gehabt, dass sich Sachbearbeiter aus dem Ministerium, um ihrem eigenen Wunsch Gewicht zu verleihen, gelegentlich auf hochpolitische Stellen im eigenen Hause berufen haben, obwohl das mög-licherweise gar nicht vorgelegen hatte. Der Zeuge L. hatte Zweifel daran, ob der-artige E-Mails immer die Qualität von Erlassen erreichen. Einige Mitarbeiter ha-ben diese E-Mail womöglich als verbindlichen Erlass, andere nur als Hinweis verstanden.156 Seiner Erinnerung nach gab es keine gesonderten Regelungen für den Umgang mit elektronischer Post. Diese kann es auch nicht geben. Ist ei-ne solche E-Mail als Erlass aufzufassen, so gibt es die Möglichkeit zur Remonst-ration.157 Nach Aussage des Zeugen B. stellte seine E-Mail an Herrn G. zwar einen Erlass dar. Dennoch erhob diese E-Mail das Landesverwaltungsamt nicht davon, seinen Prüfpflichten nachzukommen. Vermutlich hatten sich die Antragsteller beim Minis-ter beschwert, dass die Bearbeitung der Anträge noch nicht erfolgt sei, so dass der Minister sich an Herrn B. mit der Bitte um Klärung gewandt hatte. Mit der E-Mail wurde der Ermessensspielraum des Landesverwaltungsamtes sodann da-hingehend eingeschränkt, dass diese beiden Vorgänge nun vorrangig bearbeitet werden sollten. In Bezug auf die fachliche Bewertung gab es keine Einschrän-kungen.158 Der Zeuge B. bestätigte auf Nachfrage, dass er die E-Mail nicht in die-ser Form formuliert hätte, wenn es einen Wunsch des Ministers nicht gegeben hätte. Der Zeuge sagte aus, dass der hier interessierende Vorgang mit Sicherheit

152 Akte LVwA 302, Rechtsgrundlagen, Richtlinien und Erlasse, S. 138 153 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 90f. (C.) 154 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 68f. (C.) 155 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 17f. (K.) 156 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 32 bis 34 (L.) 157 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 35f. (L.) 158 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 81 bis 85 und 88 bis 90 sowie Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parla-mentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 27f. (B.)

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im Rahmen des Normalen war. Er konnte sich nicht erinnern, dass er jemals von Ministern unter Druck gesetzt worden wäre.159 Es war kein besonderer Vorgang, so dass auch kein Aktenvermerk angefertigt worden war.160 Nach Ansicht des Zeugen Dr. H., zum damaligen Zeitpunkt Minister für Wirtschaft und Arbeit, war entscheidend, ob die Maßnahmen genehmigungsfähig waren o-der nicht, auch wenn die Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes derartige E-Mails als Weisung verstanden haben sollten.161 Der Zeuge Dr. H. meinte, dass dieser Vorgang übliche Praxis war. Mit der Abga-be an die Arbeitsebene war der Fall für ihn erledigt. 162 Er sagte aus, dass die Schwerpunktsetzungen auf der politischen Ebene erfolgen. Eine unmittelbare Ein-flussnahme der politischen Spitze auf Verwaltungsakte und Verwaltungsabläufe kann es aufgrund der rechtlichen Unzulässigkeit nicht geben.163 Nach Aussage des Zeugen Dr. H. war aufgrund der Darstellungen in den Medien zu der hier in Rede stehenden E-Mail Staatsminister Herr Robra beauftragt worden, die Rekon-struktion vorzunehmen. Diese hatte ergeben, dass vermutlich eine Beschwerde an die Hausspitze gerichtet worden ist. Daraufhin wurde die zuständige Füh-rungskraft informiert, damit sie die notwendigen Schritte in Gang setzen konnte. Das Landesverwaltungsamt musste in die Lage versetzt werden, mit Fördermit-teln Bewilligungen aussprechen zu können. Der Haushaltsabfluss musste ge-währleistet werden.164 Da es sich um einen haushaltstechnischen Vorgang han-delte, befand sich die E-Mail nicht in der Projekt-, sondern in der Haushaltsak-te.165 Der Zeuge B. meinte ebenfalls, dass die E-Mail einen haushaltsrechtlichen Hintergrund hatte. Er vermutet, dass das Landesverwaltungsamt zum damaligen Zeitpunkt nicht ausreichend Mittel hatte, um Vorgänge zu bewilligen und dass die in der E-Mail genannten Vorgänge bereits seit gut zwei Monaten im Landesver-waltungsamt zur Bearbeitung lagen. Da der Maßnahmebeginn nahte, hielt der Zeuge B. es nicht für unwahrscheinlich, dass die Antragsteller den Minister ge-fragt hatten, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist. 166 In der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 15. September 2014 konnte sich der Zeuge Dr. H. auf Nachfrage nicht erinnern, wer ihn in Bezug die noch nicht vorliegende Bewilligung der in der E-Mail genannten Projekte angespro-chen hatte. In diesem Zusammenhang konnte er auch nicht bestimmte Personen

159 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 101 und Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 32 (B.) 160 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 29 (B.) 161 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 53 (Dr. H.) 162 Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 17 bis 19 (Dr. H.) 163 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 35 (Dr. H.) 164 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 50 bis 52 (Dr. H.) 165 Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 25f. (Dr. H.) 166 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 82 (B.)

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ausschließen.167 In der Sitzung am 1. Juli 2015 sagte er auf erneute Nachfrage aus, dass auch bei der Aufarbeitung des Gesamtkomplexes kein Hinweis be-kannt geworden ist, wer damals an ihn herangetreten war. Es handelte sich um einen routinemäßigen Vorgang. 168 Nach dem Bekanntwerden dieses Vorgangs in der Öffentlichkeit, wurde die Justiz eingeschaltet.169 Zu diesem Sachverhalt wurden auch die Zeugen B. und K. befragt. Auf Nachfrage, aus welchem Grund in der E-Mail die Bildungsmaßnahme „Be-schäftigungsinitiative CAD Service B.“ erwähnt worden war, erklärte der Zeuge B., dass er niemandem um die vorrangige Bearbeitung dieser Bildungsmaßnah-me gebeten hatte, auch nicht einen Kommunalpolitiker.170 Die Zeugin K. äußerte in Bezug auf die in der E-Mail genannte Bildungsmaßnah-me „Beschäftigungsinitiative M&P Management K.“, dass sie sich erinnern kann, sich einmal schriftlich mit der Bitte an Herrn B. gewandt zu haben, zu klären, ob die Verfahrensweisen im Landesverwaltungsamt ordnungsgemäß sind oder nicht. Diese schriftliche Bitte hätte jedoch nicht den Zweck gehabt, Druck zu machen, damit die Bildungsmaßnahme schnellstmöglich bewilligt wird. Eventuell hatte ihrer Auffassung nach auch Herr B., damaliger Regionalbereichsleiter des IHK-Bildungszentrums, jemanden auf diese Bildungsmaßnahme angesprochen.171 Zum allgemeinen Verwaltungsablauf sagte der Zeuge Dr. H. aus, dass zunächst eine Plausibilitätsprüfung erfolgte, wenn Probleme an ihn herangetragen wurden. Gab es einen sachlichen Grund für eine Beschwerde, so wurde dies in der Ver-waltung geprüft und falls erforderlich der kritisierte Zustand beseitigt. Eine Rück-meldung erhielt die Hausspitze in der Regel nicht. Ein neuer Vorgang wurde nur angelegt, wenn es sich um einen neuen Sachverhalt gehandelt hat.172 Er ging da-von aus, dass die Verwaltung in eigener Verantwortung eine rechtskonforme Ent-scheidung traf. Auf diese Prozesse gab es keine politische Einflussnahme. 173 Auf Nachfrage erklärte der damals zuständige Staatssekretär, der Zeuge P., dass ihm der Vorgang um die sogenannte Prioritäts-E-Mail nicht bekannt war.174 Der Sachbearbeiter des Ministeriums, der Zeuge P., hatte die E-Mail zur Kenntnis erhalten. Seiner Ansicht nach stand diese E-Mail in Zusammenhang mit dem Haushalt. Das Landesverwaltungsamt hatte zuvor dem Ministerium mitgeteilt,

167 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 52 und 66 (Dr. H.) 168 Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 12f. (Dr. H.) 169 Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 14 (Dr. H.) 170 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 73 (B.) 171 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 100f. (K.) 172 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 47 bis 49 und 61 (Dr. H.) 173 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 53 (Dr. H.) 174 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 62 (P.)

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dass der Bewilligungsrahmen mit den verfügbaren Haushaltsmitteln ausgeschöpft ist und insofern keine weiteren Projekte bewilligt werden könnten. Daher wurden aus anderen Programmen, in denen es nicht so viele Anträge gab wie prognosti-ziert, Mittel umgeschichtet. Auf Nachfrage aus dem Ausschuss zum Inhalt des Gesprächs zwischen Herrn B. und dem Minister in Bezug auf die in der E-Mail genannten Projekte, konnte der Zeuge P. keine Auskunft geben. Er erklärte, es sei jedoch des Öfteren vorgekommen, dass der Minister bei Vor-Ort-Terminen auf Probleme angesprochen wurde und die Verwaltung um Prüfung bat. Diese E-Mail ist nach Ansicht des Zeugen P. als Hinweis auf eine vorrangige Bearbeitung, je-doch nicht auf eine positive Entscheidung zu werten.175 Der Zeuge G. meinte, dass es mehrfach Anweisungen gab, bestimmte Vorgänge vorzuziehen. Diese hier in Rede stehenden Fälle betrafen zwar kein Großprojekt, aber die Schaffung neuer Arbeitsplätze. 176 Er hatte hinsichtlich dieser E-Mail kei-ne Bedenken.177

5. Kontroll- und Reaktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Bewilligung und Verwendung von Fördermitteln

a) Vieraugenprinzip/Mitzeichnung

Auf Fragen aus dem Ausschuss nach Kontrollmechanismen bei der Bearbeitung von Anträgen auf Fördermittel erklärten die Mitarbeiter des Referats 302 des Landesverwaltungsamtes, die Zeugen G., W. und B., dass Bescheide durch min-destens zwei Personen nach dem Vieraugenprinzip erteilt worden sind. Beschei-de ab einer Fördermittelsumme von 125 000 Euro hatte ein Referent, ab einer Fördermittelsumme von 250 000 Euro die Referatsleiterin zu unterschreiben. Die Auszahlung nahmen wiederum andere Personen vor.178 Ein Mitzeichnungsrecht des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit gab es nicht, ebenso wenig standardisierte Berichtspflichten an das Ministerium ab einem be-stimmten Antragsvolumen oder einer bestimmten Beschäftigtenzahl.179 Das Mi-nisterium erhielt die Bearbeitungsliste und die Quartalsstatistiken zur Kenntnis, um einen Überblick über die Anträge und die Höhe der Fördermittel zu erhal-ten.180 Eine zweckwidrige Verwendung von ESF-Mitteln in Höhe von über 10 000 Euro musste der Europäischen Union in Form einer Unregelmäßigkeitsmeldung mitge-

175 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 19f. und 26 (P.) 176 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 51 (G.) 177 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 51f. (G.) 178 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 15 (W.) und S. 58 (B.) sowie zur Zeichnungsberechtigung: Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 22 (G.) 179 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 41f. (W.) 180 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 12f. (W.)

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teilt werden.181 Der Zeuge B. teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass in der Förderperiode 2000 bis 2006 der Europäischen Union 25 Unregelmäßigkeiten gemeldet wurden. Dies entsprach etwa 1 % der Förderfälle.182

b) Vor-Ort-Kontrollen zur Verwendung der Fördermittel Die Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes, die Zeugen C. und W., sagten aus, dass in der Förderperiode 2000 bis 2006 verfahrensbegleitend vor allem bei Un-ternehmen, welche über 100 000 Euro Fördermittel für Bildungsmaßnahmen er-halten hatten, Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt wurden.183 In der Förderperiode, die im Jahr 2007 begann, erfolgten die Vor-Ort-Kontrollen nach Aussage der Zeugin C. nach einem Zufallsprinzip.184 Zum allgemeinen Verfahren teilte die Zeugin B., Sachbearbeiterin im Landesver-waltungsamt, mit, dass die Vor-Ort-Kontrollen, welche aufgrund der Vorgaben der Europäischen Union zu einem bestimmten Prozentsatz verpflichtend waren, meist nach einem festen Plan durchgeführt worden sind.185 Dieser Prüfplan, aus wel-chem hervorging, wie viele Prüfungen in welchen Quartalen stattfinden sollen, wurde – so der Zeuge W. – jeweils am Jahresanfang aufgestellt. Sowohl der Plan als auch fortlaufend die Namen der Unternehmen wurden an das Ministerium übermittelt.186 Um den Mindestanforderungen hinsichtlich der Anzahl der durchzu-führenden Vor-Ort-Kontrollen der Europäischen Union zu genügen, mussten nach Aussage des Zeugen G. im Jahr 2010 54 Vor-Ort-Kontrollen zu Projekten, die be-reits in den Jahren 2006 und 2007 stattgefunden hatten, nachgeholt werden.187 In der Regel wurden die Vor-Ort-Kontrollen des Landesverwaltungsamtes ca. ei-ne Woche vorher angekündigt.188 Hintergrund war, dass die Unternehmen ihre Unterlagen, die sich teilweise an einem anderen Standort als dem Ort der Schu-lung der Mitarbeiter befanden, im Vorfeld beschaffen konnten oder dass der Ge-schäftsführer bei der Überprüfung anwesend sein sollte.189 Es wurden sowohl die Buchführung im Unternehmen überprüft als auch die Teilnahme der Mitarbeiter

181 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 36 (G.) 182 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 77 (B.) 183 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 8 (W.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungs-ausschusses vom 20. April 2015, S. 61 (C.) 184 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 61 (C.) 185 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 67 (B.) 186 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 15 (W.) 187 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 30 (G.) 188 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 22 (W.) und Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses am 14. Juni 2013, S. 26 (G.) 189 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 30 (G.)

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an den Bildungsmaßnahmen in den Räumlichkeiten der Bildungsträger kontrol-liert.190 Dabei handelte es sich um Stichprobenprüfungen.191 Der Zeuge G. erklärte, dass wegen der angespannten personellen Situation im Referat 302 des Landesverwaltungsamtes in der Förderperiode 2000 bis 2006 in der Regel keine unangekündigten Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt wurden. In der Förderperiode von 2007 bis 2013 war es üblich, dass unangekündigte Kontrollen durchgeführt wurden, wenn es Verdachtsmomente gab.192 Unangemeldete Vor-Ort-Kontrollen fanden nach Angaben der Sachbearbeiterin des Landesverwal-tungsamtes, der Zeugin B., selten statt. Diese erfolgten im Regelfall nur bei Ver-dachtsmomenten über mögliche Verstöße bei der Durchführung der geförderten Maßnahmen, wenn die Verwaltung etwa anonyme Hinweise erhielt.193 Wurden bei einer Vor-Ort-Kontrolle eines Unternehmens schwerwiegende Ver-stöße festgestellt, so der Zeuge W., wurde dies in der Referentendienstberatung besprochen oder die Referenten und Sachbearbeiter per E-Mail über die Vor-kommnisse in dem Unternehmen informiert, damit die Bearbeiter ein besonderes Augenmerk auf dieses Unternehmen richten konnten. Ein Programm, in welchem solche Unternehmen gespeichert worden sind, existierte nicht.194 Auf Nachfrage sagte die Zeugin B. aus, dass das Ministerium zu keiner Zeit dem Landesverwaltungsamt Hinweise gegeben hat, bestimmte Kontrollen nicht so stark durchzuführen oder von diesen abzusehen.195 Im Jahr 2008 wurden die Vor-Ort-Kontrollen bezogen auf die Förderperiode 2000 bis 2006 vorläufig ausgesetzt. Hintergrund war laut Aussage des Zeugen P., dass in den Jahren 2007 und 2008 auf der einen Seite ein erheblicher Stau hinsichtlich der Verwendungsnachweisprüfung für die Förderperiode 2000 bis 2006 zu ver-zeichnen war, während auf der andere Seite parallel die Förderperiode ab 2007 auf der Grundlage einer neuen Förderrichtlinie angelaufen war. Vordringlich war, dass die Anträge der Förderperiode ab 2007 geprüft und bewilligt werden muss-ten. Um zu verhindern, dass Antragsbewilligungen in der Förderperiode ab 2007 nicht erfolgen können, mussten bezogen auf die Förderperiode 2000 bis 2006 Einsparungen in der Weise vorgenommen werden, dass Vor-Ort-Kontrollen vor-läufig ausgesetzt wurden.196 Der Zeuge G. erklärte, dass im Sommer 2006 aufgrund eines anonymen Anrufs eine unangekündigte Vor-Ort-Kontrolle in den Räumlichkeiten des IHK-

190 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 20 (W.) und S. 84 (B., welche aussagte, dass in den meisten Fällen Unternehmensbesuche stattfanden.) 191 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 29 (W.) 192 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 40f. (G.) 193 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 67 (B.) 194 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 43 (W.) 195 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 86 und 92 (B.) 196 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 17 bis 19 (P.)

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Bildungszentrums durch Frau B. und Frau Aßmann, Sachbearbeiterinnen des Landesverwaltungsamtes, durchgeführt wurde.197 Die Kontrolle betraf nach den Ausführungen von Frau B. die Bildungsmaßnahme der Firma K. & B. GbR, in der unter anderem Fußballspieler des Sportvereins Dessau 05 geschult werden soll-ten. Dieses Projekt hatte die Firma K. & B. GbR, deren Geschäftsführerin Frau K. war, von der Firma Otium Consult GmbH übernommen, die den Fördermittelan-trag zurückgenommen hatte. Bei dieser Vor-Ort-Kontrolle wurde festgestellt, dass eine größere Zahl der Teilnehmer fehlte. Bei einer zwei Tage später erfolgten Nachkontrolle, an der auch der zuständige Referent Herr G. teilnahm, fehlten er-neut einige Teilnehmer.198 Die Zeugin C., Referatsleiterin im Landesverwaltungs-amt, ergänzte, von den 25 angemeldeten Teilnehmern waren am 18. Juni 2006 zunächst nur 10 anwesend. Vier kamen mit Verspätung.199 Der Zeuge H., der an der Qualifikationsmaßnahme teilgenommen hatte und zu dem Zeitpunkt als Trainer des Sportvereins Dessau 05 arbeitete, sagte aus, dass bei der ersten Vor-Ort-Kontrolle die Gruppe aufgeteilt war und ein bis drei Teil-nehmer eine Etage tiefer gearbeitet hatten. Zum Zeitpunkt der zweiten Vor-Ort-Kontrolle war er krankgeschrieben.200 Der Zeuge S., ein an der Maßnahme teil-nehmender Fußballspieler, teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass den Teilnehmern durch Herrn B. jeweils am Morgen der Vor-Ort-Kontrolle mitgeteilt worden war, dass eine solche am Vormittag stattfinden wird.201 Die Zeugin B. teilte mit, dass die Geschäftsführerin des Unternehmens, das die Fördermittel beantragt hatte, Frau K., bei ihrer Anhörung durch das Landesver-waltungsamt die Nichtteilnahme mit Urlaub, Krankheit und Arztbesuchen begrün-det hat.202 Die Zeugin C. konnte sich nicht erinnern, ob konkrete Belege, etwa Kranken- oder Urlaubsscheine vorgelegt worden waren.203 Der Zeuge G., sagte aus, dass diese Vorgänge dem Referenten im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Herrn S.204, gemeldet wurden.205 Ihm wurde das Anhörungsschreiben mit den Aussagen der Geschäftsführerin Frau K. übermittelt, da bei den bisherigen Bildungsmaßnahmen noch nie eine derart große Anzahl an Teilnehmern gefehlt hatte. 206 Aus der Ge-schäftsordnung des Landesverwaltungsamtes ergibt sich, dass die übergeordnete

197 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 39 (G.) 198 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 64f. (B.) 199 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 86 (C.) 200 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 81 (H.) 201 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 89f. (S.) 202 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 64f. (B.) 203 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 86 (C.) 204 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 42 (G.) 205 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 66 (B.) 206 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 39 (G.)

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Behörde bei besonderen Vorkommnissen unterrichtet werden muss.207 Nach ei-ner Unterrichtung kam es oft vor, dass das Ministerium dem Landesverwaltungs-amt eine Handlungsempfehlung gab.208 Ob und wie das Ministerium in diesem Fall reagiert hatte, daran konnte sich die Zeugin C. nicht mehr erinnern.209 Der Zeuge B., damaliger Referatsleiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob er schon zum Zeitpunkt der Durchführung der Vor-Ort-Kontrolle von dieser Kenntnis gehabt hatte. Er meinte, dass die Durchführung und Ergebnisbearbeitung von Vor-Ort-Kontrollen zunächst in den Zuständigkeitsbereich der Bewilligungsbehörde fiel.210 Nach Aussage des Zeugen G. und der Zeugin B. wurden von der Firma K. & B. GbR im Nachgang Bescheinigungen vorgelegt, dass die fehlenden Teilnehmer Nachschulungen durch das IHK-Bildungszentrum bzw. Frau K. als Honorardozen-tin erhalten hatten. Die fehlenden Teilnehmer hatten sich während des Schu-lungszeitraums im Trainingslager des Sportvereins Dessau 05 befunden.211 Die Bescheinigungen über Nachschulungen wurden jedoch vom Landesverwaltungs-amt nicht anerkannt, weshalb diese Firma einen Rückforderungsbescheid er-hielt.212 Die Zeugin C. war hingegen der Ansicht, dass einige dieser Teilnehmer die Schulungen nachgeholt hätten und der Sachverhalt nach der Papierlage in Ordnung war. Eine Meldung hinsichtlich einer zweckwidrigen Verwendung von ESF-Mitteln erfolgte nicht, da nicht von einer Unregelmäßigkeit ausgegangen worden war.213Der Zeuge G. gab an, dass es aus damaliger Sicht auch keine An-haltspunkte für eine Straftat gab, so dass die Staatsanwaltschaft nicht informiert worden ist. Jedoch sollten die Sachbearbeiter des Landesverwaltungsamtes der-artige Unternehmen künftig kritischer prüfen. Diese Festlegung wurde dem Minis-terium nicht mitgeteilt.214 Trotz dieses Vorfalls wurden keine weiteren Vor-Ort-Kontrollen in größerem Um-fang als bisher durchgeführt, da das Landesverwaltungsamt nach Aussage des Zeugen G. nicht die personellen Kapazitäten hatte. Er entwickelte daher den Vor-schlag, den Bildungsträgern an den Ort der Schulungsmaßnahme eine Teilneh-merliste zu faxen, die innerhalb einer Stunde von den anwesenden Teilnehmern zu unterschreiben war und zurückgefaxt werden musste.215

207 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 91 (B.) 208 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 92 (B.) 209 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 77 f. (C.) 210 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 96 bis 98 (B.) 211 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 67 (B.) und Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses am 14. Juni 2013, S. 25 (G.) 212 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 25 (G.) 213 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 79 (C.) 214 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 37 (G.) 215 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 31 (G.)

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c) Die unabhängig Prüfgruppe ESF Nach Aussage des Zeugen P., seit Ende 2007 Mitglied der Prüfgruppe ESF, prüf-te die unabhängige Prüfgruppe ESF die Verwaltungs- und Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten für das Operationelle Programm ESF. Sie hat im Rahmen von Vor-Ort-Kontrollen die Ordnungs- und Rechtmäßigkeit der Verwendung der be-reitgestellten ESF-Mittel zu prüfen.216 Zeitpunkt und Ort der Vor-Ort-Kontrollen wurden jeweils der Bewilligungsbehörde vorab mitgeteilt.217 Die Prüfgruppe ESF wurde im Jahr 2001 gegründet und war zunächst mit zwei Mitarbeitern besetzt. Nachdem die EU-Kommission die Arbeit der Prüfgruppe überprüft hatte, wurde sie im Jahr 2004 um zwei Mitarbeiter verstärkt. Ab dem Jahr 2008 bestand sie aus sechs Mitarbeitern, erläuterte die Zeugin F., von 2001 bis 2013 Mitarbeiterin in der Prüfgruppe ESF.218 Die Zeugin F. bestätigte auf Nachfrage, dass die Prüfgruppe ESF ein eigenstän-diges Referat war und trotz der räumlichen Unterbringung in der Abteilung Arbeit im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit unabhängig war.219 Der Zeuge P. sagte aus, dass es nur ein personalrechtliches Weisungsrecht gab.220 Der damalige Staatssekretär, der Zeuge P., bestätigte ebenfalls die sachliche Unabhängigkeit. Er sagte aus, dass die Prüfgruppe ESF die zu prüfenden Vorgänge selbständig auswählte.221 Die Zeugin F. teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass hinsichtlich der Aus-wahl der zu prüfenden Vorgänge eine mathematisch-statistische Stichproben-auswahl erfolgte, die letztlich so funktionierte, dass Projekte mit einem großen fi-nanziellen Mittelvolumen auch eine höhere Chance hatten, in eine Stichprobe zu kommen. Anlassbezogene Vor-Ort-Kontrollen erfolgten nicht. Dafür war primär die Bewilligungsstelle zuständig.222 Auf Nachfrage, ob der Referent des Ministeri-ums, Herr S., Einfluss auf die Stichprobenauswahl genommen hat, sagte der Zeuge P., dass Herr S. ihm in seiner Funktion als Mitglied der Prüfgruppe ESF zu keiner Zeit mitgeteilt hat, wann, wo oder was zu prüfen war.223 Der Zeuge G. schilderte, im Gegensatz zum Landesverwaltungsamt, welches aufgrund der Personalkapazitäten die Ausgaben im Rahmen einer Verwendungs-nachweisprüfung nur stichprobenhaft prüfen konnte, prüfte die Prüfgruppe ESF

216 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 46 (P.) 217 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 54 (P.) 218 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 60f. (F.) 219 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 58f. (F.) 220 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 51f. (P.) 221 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 51 (P.) 222 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 57f. (F.) 223 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 48 (P.)

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für die Förderperiode 2000 bis 2006, ausgewählte Fälle vollständig, das heißt sie prüfte jede Ausgabeposition.224 Befragt nach den grundsätzlichen Ergebnissen der Prüfungen der Prüfgruppe ESF sagte die Zeugin F., dass es in den Jahren 2001 bis 2007 bei einigen Maß-nahmen kleinere Beanstandungen gab. Hierbei handelte es sich vor allem um formale Unregelmäßigkeiten, jedoch keine, bei denen eine Meldepflicht an die EU-Behörde bestanden hätte.225 Den Prüfbericht, in welchem die Beanstandun-gen aufgezählt waren, erhielten zum damaligen Zeitpunkt das Landesverwal-tungsamt als Bewilligungsbehörde, das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, die Zahlstelle sowie die unabhängige Stelle für das gesamte Operationelle Programm 2000 bis 2006, die PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Bewilligungsbehörde musste sodann innerhalb einer bestimmten Frist abschließend prüfen, ob die Fördermittel ordnungsgemäß verwendet worden waren oder ob eine meldepflich-tige Unregelmäßigkeit vorlag. Lag eine solche vor, hatte die Bewilligungsbehörde diese Meldung vorzunehmen. Seit Beginn der Förderperiode ab 2007 erhielt die Prüfgruppe ESF zunächst eine Stellungnahme der Bewilligungsbehörde zu den im Prüfbericht angesprochenen Punkten und fertigte dann einen Endbericht. Die Prüfgruppe kann aufgrund eingeräumter Leserechte aus dem Datenbanksystem erfahren, ob und wie auf festgestellte Unregelmäßigkeiten reagiert wurde, etwa ob ein Rücknahme- oder Erstattungsbescheid erstellt worden ist.226 Der Zeuge P. führte aus, hinsichtlich einer Bildungsmaßnahme der Baustoff-Service GmbH fiel der Prüfgruppe ESF im Jahr 2008 im Rahmen einer Prüfung auf, dass die Anwesenheitslisten vom IHK-Bildungszentrum abgestempelt worden waren, obwohl laut Aktenlage ein anderer Bildungsträger für diese Qualifizie-rungsmaßnahme zuständig war. Zudem fehlten Rechnungsangaben. Es konnte keine Verbindung zwischen einer Leistung und einer Zahlung hergestellt wer-den.227 Als die Prüfgruppe ESF daraufhin den Mitgeschäftsführer des Zuwen-dungsempfängers, der Baustoff-Service GmbH, Herrn P., befragte, in welchen Räumen die Schulungen stattgefunden hatten und dieser keine Antwort wusste, stellte sich schließlich durch eine Nachfrage beim Bildungsträger, dem IHK Bil-dungszentrum, heraus, dass die Schulungen nicht wie beantragt in den Räumen des Bildungszentrums stattgefunden hatten, sondern in den Räumen des Unter-nehmens. Zudem war vertraglich zwischen dem Unternehmen und dem IHK-Bildungszentrum vereinbart worden, dass die Baustoff-Service GmbH ein oder zwei Module selbst schulen durfte, erklärte der Zeuge G..228 Die Zeugin F. teilte dem Untersuchungsausschuss in diesem Zusammenhang mit, dass der Referatsleiter der Prüfgruppe nach Beginn dieser Prüfung von Herrn J., dem privaten Ermittler des IHK-Bildungszentrums, angerufen worden war. Die Prüfgruppe hatte daraufhin mit Zustimmung der IHK eine Kontrolle im IHK-

224 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 38 (G.) 225 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 62f. (F.) 226 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 65 bis 67 (F.) 227 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 49 (P.) 228 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 38 bis 41 (G.)

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Bildungszentrum durchgeführt. Rechtlich wäre die Prüfgruppe nur zur Kontrolle der Unterlagen des Zuwendungsempfängers, nicht des beauftragten Bildungsträ-gers, berechtigt gewesen. Von der IHK-Ermittlungstätigkeit selbst hatte die Prüf-gruppe keine Kenntnis.229 Der Zeuge P. bestätigte, dass die Prüfgruppe von der Ermittlungstätigkeit der IHK keine Kenntnis hatte.230 Die Prüfprotokolle der Prüfgruppe ESF zu den Vorgängen, in denen Unregelmä-ßigkeiten aufgefallen waren, erhielt das Referat 302 des Landesverwaltungsamts am 29. Oktober und 13. November 2008, so die Zeugin C., Referatsleiterin im Landesverwaltungsamt. 231 Auf die Frage, weshalb die Unregelmäßigkeiten zunächst nur der Prüfgruppe ESF und nicht dem Landesverwaltungsamt aufgefallen waren, antwortete die Zeugin F., dass das Landesverwaltungsamt eine Vor-Ort-Kontrolle eher unter dem Blick-winkel durchführte, ob der Kurs tatsächlich stattfand und die Teilnehmer anwe-send waren, während die Prüfgruppe ESF das gesamte Verfahren betrachtete.232 Der Zeuge P. sah den Grund eher im Massengeschäft des Landesverwaltungs-amtes, in welchem Fehler nicht ausgeschlossen werden konnten.233

d) Verwendungsnachweisprüfung Zu den weiteren Kontrollmechanismen bei der Fördermittelbearbeitung zählte nach Aussage des Zeugen W., Sachbearbeiter im Landesverwaltungsamt, die Verwendungsnachweisprüfung durch das Landesverwaltungsamt. Die Verwen-dungsnachweise mussten nach Ablauf einer Bildungsmaßnahme von dem Unter-nehmen, das den Fördermittelantrag gestellt hatte, geführt werden.234 Diese ent-hielten zum einen einen Sachbericht, der über die Durchführung des Verfahrens und die Verwendung der Zuwendungen Aufschluss gab. Zum anderen musste ein zahlenmäßiger Nachweis hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung der Fördermittel mit entsprechenden Belegen und Vertragsunterlagen erfolgen. Wa-ren die erforderlichen Nachweise nicht vorhanden, so erfolgte eine Rückforde-rung.235 Der Zeuge R., zunächst von Juli 2001 bis Dezember 2004 im Referat 302 des Landesverwaltungsamtes tätig und von September bis November 2008 zur Ver-wendungsnachweisprüfung eingesetzt, sagte aus, dass es bei der Verwendungs-nachweisprüfung unterschiedliche Methoden gab, um etwa Manipulationen zu entdecken. So sollte von den Mitarbeitern des Landesverwaltungsamtes darauf

229 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 63 bis 65 (F.) 230 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 52 (P.) 231 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 96f. (C.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 20. April 2015, S. 57 (C.) 232 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 59 (F.) 233 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 48 (P.) 234 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 8 (W.) 235 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 57 (R.)

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geachtet werden, ob Teilnehmerlisten für Veranstaltungen an unterschiedlichen Tagen mit demselben Kugelschreiber ausgefüllt worden waren.236 Zudem wurden die Anwesenheitslisten mit den Teilnehmerlisten, welche dem Fördermittelantrag zugrunde lagen und aus welchen die voraussichtlichen Teilnehmer ersichtlich wa-ren, verglichen. Zu prüfen war, ob es Differenzen zwischen dem für die Bil-dungsmaßnahme im Fördermittelantrag genannten Personenkreis und dem, der tatsächlich an der Bildungsmaßnahme teilnahm gab. Wurden Personen, die im Fördermittelantrag genannt wurden, abgerechnet, obwohl sie in den Teilnehmer-listen der Bildungsmaßnahme nicht enthalten waren, führte dies zu Rückforde-rungen. Ab 10 000 Euro Rückforderungssumme musste die Clearingstelle des Ministeriums der Finanzen informiert werden, so die Zeugin B., Sachbearbeiterin im Landesverwaltungsamt.237 Der Zeuge R. teilte mit, dass er im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfun-gen, eine Aktenprüfung etwa anhand der zahlenmäßigen Nachweise und Anwe-senheitslisten durchführte. Kontakt zu den Zuwendungsempfängern hatte er nur insoweit, als eine eventuelle Aufforderung zur Nachlieferung von Unterlagen not-wendig war. Er war zu diesem Zeitpunkt insbesondere dafür zuständig, zu prüfen, ob Teilnehmer doppelt gefördert worden waren. Insofern hatte er auch Querprü-fungen zwischen den verschiedenen Projekten eines Fördermittelempfängers vorgenommen.238 Nach Aussage des Zeugen G. gab es in der Förderperiode von 2007 bis 2013 ei-ne Muster-Anwesenheitsliste, auf welcher das Thema der Bildungsmaßnahme und die tägliche Stundenzahl einzutragen waren. Der Dozent hatte auf dieser Lis-te zu bestätigen, dass er die Bildungsmaßnahme durchgeführt hatte. Dennoch wurde durch die Unterschrift der Teilnehmer nach Ansicht des Zeugen G. nicht dokumentiert, dass die Maßnahme durchgeführt wurde, sondern nur, dass derje-nige, der auf der Liste unterschrieben hat, auch derjenige ist, dessen Name auf der Liste stand.239 Nach Auffassung des ehemaligen Präsidenten des Landes-verwaltungsamtes, des Zeugen L., und des ehemaligen Vizepräsidenten, des Zeugen K., hatte sich der Wert und die Qualität der Anwesenheitslisten zwischen 2003 und 2011 nicht verändert. Die Unterschrift der Teilnehmer hatte weiterhin einen hohen Aussagewert, barg aber andererseits das Risiko, dass eine Fäl-schung der Unterschrift für die Bewilligungsbehörde nicht augenscheinlich zu er-kennen war. Eine zusätzliche Bestätigung durch eine Institution wie das IHK-Bildungszentrum hatte insofern einen hohen Glaubwürdigkeitsgehalt.240 Um die vom EU-Recht vorgeschriebenen Verwendungsnachweisprüfungen schneller erledigen zu können, so erklärte die Zeugin B., sah seit 2008 ein Erlass vor, dass der einzelne Förderfall nicht vollständig, sondern stichprobenhaft zu

236 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 60 (so R. in Bezug auf die Schulung der Mitarbeiter im März 2005) 237 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 108 und 110 (B.) 238 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 56 und 66 (R.) 239 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 10f. (G.) 240 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 29 bis 31 (L.) sowie Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 25f. (K.)

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prüfen war, mindestens jedoch 25 % der Angaben. Nur bei Auffälligkeiten war ei-ne tiefere Prüfung vorzunehmen.241 Der sog. Stichprobenerlass, der zu einer Ver-einfachung der Verwendungsnachweisprüfung führen sollte, konnte nicht allein durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit erlassen werden. Er bedurfte der Mitzeichnung des Landesrechnungshofs und des Finanzministeriums, so der Zeuge B..242 Zu den Einzelheiten der Prüfung befragt, erklärte die Zeugin C., dass ein einzelner Vorgang stichprobenartig, bezogen auf bestimmte Module oder an-dere Faktoren, wie Teilnehmereinkommen oder Reisekosten, geprüft wurde. Es existierten Prüfschemata. Die Mitarbeiter wurden geschult. Regelmäßig fanden Dienstberatungen statt.243

e) Rückforderung von Fördermitteln bei der Bildungsmaßnahme „East-Woman-Akademie“ (EWA) Der Zeuge Dr. C., damaliger Abteilungsleiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, erläuterte, dass in der Bildungsmaßnahme „East-Woman-Akademie“ (E-WA), welche von der Firma Dessauer Qualifizierungs- und Ausbildungszentrum (DQAS) und dem IHK-Bildungszentrum beantragt worden war, Frauen mit dem Ziel geschult werden sollten, Führungspositionen in Tochterunternehmen in Ost-europa zu übernehmen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die im Antrag für diese Bildungsmaßnahme angegebenen Teilnehmer Verwandte der Geschäfts-führer von Unternehmen waren, die dem Landesverwaltungsamt bereits aufgrund der Durchführung anderer Bildungsmaßnahmen bekannt waren sowie Verwandte von Mitarbeitern des IHK-Bildungszentrums. Auf Nachfrage nach der Sinnhaf-tigkeit dieser Maßnahme äußerte der Zeuge Dr. C., dass bei derartigen Bil-dungsmaßnahmen eine Prüfung im Rahmen der Antragsbearbeitung, ob die im Antrag dargestellten Ziele überhaupt erreichbar sind, angemessen gewesen wä-re.244 Man könnte jedoch auf die Sinnhaftigkeit schon deshalb schließen, weil die Unternehmen sich an den nicht geringen Kosten der Gesamtmaßnahme mit ei-nem Eigenanteil beteiligen mussten. Ein Unternehmen würde keinen Eigenanteil aufbringen, wenn die Bildungsmaßnahme für das Unternehmen keinen Sinn er-geben würde.245 Nach Ansicht des Zeugen Dr. C. hätte jedoch bereits bei der An-tragsprüfung auffallen müssen, dass die im Antrag angegebenen Teilnehmer Verwandte bekannter Unternehmen sowie von Mitarbeitern des IHK-Bildungszentrums waren.246 Die Fördersumme betrug ca. 450 000 Euro.247 Im Rahmen der Verwendungs-nachweisprüfung fiel auf, dass Herr Nicklisch gleichzeitig als Geschäftsführer der

241 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 110f. (B.) 242 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 80 (B.) 243 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 60 (C.) 244 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 36 (Dr. C.) 245 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 39 (Dr. C.) 246 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 43 (Dr. C.) 247 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 49 (G.)

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DQAS und als Projektleiter in dieser Bildungsmaßnahme vollzeitbeschäftigt ge-wesen sein soll. Auf die Frage, warum diese Unregelmäßigkeit nicht bereits bei der Antragsbewilligung aufgefallen war, antwortete die Zeugin B., welche die Verwendungsnachweise geprüft hatte, dass es die Festlegung im Landesverwal-tungsamt, dass ein Geschäftsführer eines Unternehmens nicht gleichzeitig in Vollzeit in einer Bildungsmaßnahme tätig sein kann, eventuell erst zu einem spä-teren Zeitpunkt gab.248 Der Zeuge G., Referent im Landesverwaltungsamt, erläu-terte, dass weiterhin im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung auffiel, dass auf den Anwesenheitslisten Unterschriften der Teilnehmer fehlten. Im Jahr 2010 wurden rund 150 000 Euro von der Fördersumme zurückgefordert.249 Der Zeuge Dr. C. hatte auf die Frage aus dem Ausschuss, aus welchen Gründen trotz Rückforderung in Höhe von einem Viertel der Fördersumme keine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet worden ist, keine Erklärung.250 Die Referats-leiterin im Landesverwaltungsamt, die Zeugin C., war der Ansicht, dass keine Strafanzeige gestellt worden war, da keine Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten vorhanden waren.251 Ihr ist kein Regelwerk bekannt, nach welchem ab einem bestimmten Förderbetrag und Rückforderung eines Teils der Fördersum-me die Staatsanwaltschaft einzuschalten ist. Die Fachreferate können jedoch dem Justiziariat (Referat 503 des Landesverwaltungsamtes) bei Verdacht eines Subventionsbetruges Vorgänge zuleiten. Das Justiziariat leitet diese Vorgänge bei hinreichendem Tatverdacht an die Staatsanwaltschaft weiter. Das Nichtvorle-gen von Unterlagen erfüllt jedoch noch nicht den Tatbestand des Subventionsbe-truges. Es erfolgt stets eine Einzelfallprüfung unabhängig von der Höhe der För-dersumme. So wurden beispielsweise auch Fälle an die Staatsanwaltschaft ab-gegeben, in denen es um kleine Fördersummen ging.252 Der Zeuge W., Sachbe-arbeiter im Landesverwaltungsamt, sagte aus, dass im Laufe eines Jahres meh-rere Strafanzeigen in Bezug auf den Verdacht eines Subventionsbetruges durch das Referat erstattet worden waren. 253 Die Zeugin C. konnte sich auf Nachfrage an die Zahl der Strafanzeigen nicht mehr erinnern.254 Der Zeuge G. meinte, dass nicht von einem Betrug ausgegangen worden war, da das Unternehmen die entsprechenden Unterlagen zum Nachweis der Zwecker-reichung im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung von sich aus nicht vorge-legt hatte. Kenntnisse, dass der Projektleiter Herr Nicklisch und Projektkoordina-tor Herr B., angeblich mit 100 % ihrer Arbeitszeit in diesem Projekt tätig gewesen sein sollen, hatte der Zeuge G. nicht. Er teilte jedoch mit, dass diese Bildungs-maßnahme schon im Bewilligungszeitraum Schwierigkeiten bereitet hatte. Es soll-te ursprünglich ein sogenanntes Modellprojekt sein. Da die Durchführung in die-

248 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 115 bis 118 (B.) 249 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 49 bis 52 (G.) 250 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 47f. (Dr. C.) 251 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 100 (C.) 252 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 104 bis 108 (C.) 253 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 30 (W.) 254 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 96 (C.)

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ser Form aber aus Zeitgründen nicht mehr möglich war, wurde es hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung an die Richtlinie über die Gewährung von Zu-wendungen zur Qualifizierung von Beschäftigten aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Sachsen-Anhalt angepasst. Der Zeuge glaubt sich auch zu erinnern, dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit per Erlass ent-schieden hatte, dass diese Bildungsmaßnahme über diese Förderrichtlinie geför-dert werden sollte.255 So hatte Herr S., zuständiger Referent im Ministerium, mit E-Mail vom 19. September 2005 Herrn G. und Herrn W. mitgeteilt, dass der Be-ginn der Bildungsmaßnahme für den 1. Oktober 2005 vorgesehen ist und das Vorhaben inhaltlich durch das Ministerium befürwortet wird. Der Zeuge Dr. C., zu-ständiger Abteilungsleiter, meinte, dass es sich um einen vorzeitigen Maßnah-menbeginn gehandelt haben könnte und dass er davon ausgeht, dass Herr S. die Entscheidung im Ministerium abgestimmt hatte, ansonsten hätte er gegen das üb-liche Verfahren im Haus verstoßen. Die Bildungsmaßnahme könnte auch aus dem Grunde gefördert worden sein, weil ausreichend finanzielle Mittel vorhanden waren und es in bestimmten Bereichen Probleme mit dem Mittelabfluss gab. In solchen Situationen wurde überlegt, wie weitere Projekte initiiert werden konn-ten.256 Der Referatsleiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, der Zeuge B., hinge-gen äußerte auf die Frage, ob Herr S. diese Entscheidung allein getroffen hat, dass er Herrn S. aufgrund seiner langjährigen Erfahrung durchaus zutraut, eine derartige Entscheidung, dass diese Bildungsmaßnahme mit den politischen Zie-len übereinstimmt, zu treffen. Seiner Meinung nach beinhaltete die E-Mail nur die Befürwortung durch das Ministerium hinsichtlich seiner Zielsetzung. Ein Ziel der Qualifizierungsförderung war auch, Unternehmen zu unterstützen, bestehende oder neue Wirtschaftskontakte nach Osteuropa aufzubauen und zu unterhalten. Es war die Aufgabe des Ministeriums insofern zu prüfen, ob die Bildungsmaß-nahme mit den politischen Zielen übereinstimmt. Die Umsetzung der Bildungs-maßnahme und die Prüfung im Detail oblag dem Landesverwaltungsamt.257

6. Hinweise auf erste Unregelmäßigkeiten bei der Umsetzung der Förder-richtlinie

Die Zeugin C. war seit dem 15. Januar 2005 Referatsleiterin des Referates 302 im Landesverwaltungsamt. Zu diesem Zeitpunkt waren nach ihrer Einschätzung vermutlich noch rund 6000 Verwendungsnachweisprüfungen offen, die aus der Zeit stammten, als noch das Landesamt für Arbeitsschutz für diese Förderung zuständig war. Zudem gab es noch 13 weitere Förderrichtlinien, deren Projekte im Referat 302 des Landesverwaltungsamtes bearbeitet werden mussten.258 Auf Nachfrage, ob dem Zeugen W., der von 2004 bis 2007 als Sachbearbeiter im Landesverwaltungsamt mit der Antragsbearbeitung befasst war, bei der Bearbei-tung der Vorgänge nicht aufgefallen sei, dass beispielsweise die Firma Baustoff-

255 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 49 bis 52 (G.) 256 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 38 bis 42 (Dr. C.) 257 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 105 bis 107 (B.) 258 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 71 (C.)

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Service GmbH immer mit den gleichen Bildungsträgern, namentlich mit dem IHK-Bildungszentrum und der K. & B. GbR zusammengearbeitet hatte, erklärte er, dass eine häufige Zusammenarbeit zwischen einem Unternehmen und einem Bil-dungsträger nicht unüblich war, insbesondere dann, wenn gute Erfahrungen ge-sammelt worden waren.259 Der Zeuge W. äußerte im Zusammenhang mit der Baustoff-Service GmbH, dass er an einem Freitagnachmittag von Herrn P., dem Mitgeschäftsführer dieser Fir-ma, vor seinem Privathaus aufgesucht worden war und zu einer wohlwollenden Bearbeitung von fünf Fördermittelanträgen von Unternehmen, welche auch Fuß-ballspieler des Sportvereins Dessau 05 beschäftigten, bewegt werden sollte. Da Herr P. die Worte: „Es soll auch Ihr Schaden nicht sein.“ nannte, ging der Zeuge W. am darauf folgenden Montag zu seiner Referatsleiterin, Frau C., und hat sich von der Entscheidung über diese Anträge entbinden lassen.260 Der Antrag wurde dann durch eine andere Sachbearbeiterin beschieden, so die Zeugin B..261 Die Zeugin C. hatte die Entbindung des Herrn W. von der Entscheidung als ausrei-chend angesehen und diesen Vorgang daher nicht aktenkundig gemacht.262 Sie hat diesem Sachverhalt auch keine besondere Brisanz zugeordnet, da sie sich nicht daran erinnern konnte, ob Herr W. ihr mitgeteilt hat, dass der Unternehmer ihm Vorteile angeboten haben soll. Zumindest konnte sie sich an die Aussage: „Es soll auch Ihr Schaden nicht sein.“ nicht erinnern.263 Dieser Vorgang hatte sich Ende 2005 ereignet. Nach Aussage des Zeugen G. müsste es sich um die Fördermittelanträge der Firmen des Herrn F., der Firma O-tium Consult GmbH – später übernommen von der Firma K. & B. GbR, Baustoff-Service GmbH, Autohaus Geissel, Best Job, „Stadtteil- und Erlebniszentrum Walssiedliung Kochstedt“ GmbH (STEWAK GmbH) und der Firma Schieck + S. & Co GmbH gehandelt haben.264 Es war zwar ungewöhnlich, dass ein Unternehmer einen Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes vor seinem Privathaus aufsuchte. Da Herr W. und Herr P. seines Wissens nach jedoch in freundschaftlichem Kon-takt zueinander standen und die Antragsunterlagen formell bewilligungsreif wa-ren, wurde kein weiterer Verdacht geschöpft, der zu tieferen Prüfungen geführt hätte. 265 Die Zeugen G. und W. sagten aus, dass sich im Jahr 2006 ein weiterer Fall er-eignete. Ein Unternehmer hatte sich telefonisch mit Herrn W. in Kontakt gesetzt,

259 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 24 (W.) 260 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 45f. (W.) 261 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 77 (B.) 262 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 81 (C.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 20. April 2015, S. 55 (C.) 263 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 89 und 91 (C.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Un-tersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 54 (C.) 264 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 43 bis 48 (G.) 265 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 36f. (G.)

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da sein Bescheid von der Höhe her geringer als in früheren Jahren ausgefallen war. Herr W. hatte dem Unternehmer daraufhin geraten, einen formlosen Rechts-behelf mit ausreichender Begründung einzulegen. 266 Die Zeugin C. bewertete dieses Verhalten als Verletzung seiner Treuepflichten, weil sie der Meinung war, dass Herr W. dem Unternehmer interne Dinge aus dem Landesverwaltungsamt mitgeteilt hatte.267 Zudem hatte er als vom Verfahren ausgeschlossene Person gehandelt. 268 Daraufhin hat Herr W. die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt, um sich von dem Verdacht eines Dienstvergehens zu entlasten, so die Zeugen G. und W..269 Die Zeugin C. konnte im Rahmen die-ses Verfahrens ihre Sichtweise schriftlich äußern. 270 Ob dieses Verfahren dem Ministerium zur Kenntnis gelangt ist, wusste der Zeuge G. nicht.271 Der Zeuge L. erklärte, ihm sei dieser Vorgang erst nach der Erklärung des Herrn W. bekannt geworden. Dieser Vorgang war für ihn ein ungewöhnlicher Ausnahmefall, den er zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht mit Missbrauch von Fördermitteln in Ver-bindung gebracht hatte. Als Behördenleiter hatte er sich die Akte nicht vorlegen lassen und die Aufklärung der Details den unmittelbaren Vorgesetzten überlas-sen.272

7. Feststellung von Unregelmäßigkeiten und Reaktionen der zuständigen Behörden Die zuständige Referatsleiterin des Landesverwaltungsamtes, die Zeugin C., wurde im Juni 2008 durch die Geschäftsführerin des IHK-Bildungszentrums, Frau S., informiert, dass im IHK-Bildungszentrum interne Untersuchungen durch den Privatdetektiv Herrn J. durchgeführt werden. Aufgrund dieser Information wurde zunächst nichts veranlasst.273 Erste Anhaltspunkte für den Verdacht möglicher Straftaten erhielt die Zeugin C. im Oktober 2008, als Frau S. dem Referat 302 ei-ne Kopie des Berichts des Privatdetektivs J. übergab. Die Zeugin C. erklärte, nach ihrer Erinnerung habe sie daraufhin den Referenten, Herrn G., den Vizeprä-sidenten des Landesverwaltungsamtes, Herrn K., sowie bei einer Veranstaltung, den Referatsleiter im Ministerium, Herrn B., informiert.274 Den o.g. Bericht ver-

266 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 45f. (W.) sowie Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungs-ausschusses am 14. Juni 2013, S. 43 bis 48 (G.) 267 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 82 bis 84 (C.) 268 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 55 (C.) 269 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 46 (W.) sowie Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungs-ausschusses am 14. Juni 2013, S. 43 bis 48 (G.) 270 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 56 (C.) 271 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 43 bis 48 (G.) 272 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 37f. (L.) 273 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 57 und 62 (C.) 274 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 96f. (C.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 20. April 2015, S. 62f. (C.)

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schloss sie in ihrem Schreibtisch. Ob das Ministerium auch in den Besitz dieses Berichts gekommen war, konnte die Zeugin C. nicht sagen.275 Der Zeuge G. sagte aus, dass Frau S. ihm und Frau C. Auszüge aus dem Bericht zur Kenntnis gegeben hatte. Konkrete Kenntnisse, wie mit dem Bericht weiterver-fahren wurde, hatte der Zeuge G. nicht. Er teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass der Bericht dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit übergeben wer-den sollte, dieses aber mitteilte, dass der Bericht bereits bekannt ist. 276 Der Zeuge Dr. H. sagte aus, dass er den Bericht in der Zeit als er Minister für Wirtschaft und Arbeit war, selbst nicht erhalten hatte. Wenn er im Ministerium vorgelegen habe, dann ist er dem Ministerium auf der Arbeitsebene zugegan-gen.277 Dass der Abschlussbericht des Privatdetektivs Herrn J. bereits im Jahr 2008 auch an das Ministerium gegangen sei, war dem damaligen Staatssekretär, dem Zeu-gen P., nicht bekannt. 278 Der Zeuge B. konnte sich ebenfalls nicht erinnern, dass er den Abschlussbericht bereits im Jahr 2008 gesehen hat. Er erinnerte sich jedoch, dass Frau C. diesen Bericht in einem Gespräch erwähnt hatte. Der Zeuge B. meinte, ein Grund dafür, dass der Bericht nicht in die Breite gestreut wurde, war die Gefahr der Behinde-rung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. 279 Nach Ansicht des Zeugen K. tauchten die ersten Unregelmäßigkeiten im Zusam-menhang mit der Umsetzung der Förderrichtlinie auf, als Herrn W. vorgeworfen wurde, er habe einige Antragsteller über das normale Maß hinaus über die Bewil-ligungspraxis des Landesverwaltungsamtes informiert. Nach seiner Erinnerung hatte Herr G. ihn in diesem Zusammenhang informiert, dass die Unterlagen von diesen fünf Unternehmen, auf deren Anträge Herr P. Herrn W. angesprochen hat-te, in einer ausgesprochen pünktlichen und perfekten Form vorlagen. Zudem war auffällig, dass laut den Teilnehmerlisten nie jemand fehlte oder krank gewesen war. Dies war auch der Grund, warum Herr G. eine Vor-Ort-Kontrolle durchführt hatte. Schließlich fand wenig später – im Zeitraum September bis November 2008 – die Prüfung durch die Prüfgruppe ESF statt. So wurden immer mehr Un-zulänglichkeiten aufgedeckt. Der Zeuge K. erklärte, dass das Landesverwal-tungsamt zu dem Zeitpunkt, als der Privatdetektiv Herr J. Kontakt zur Staatsan-waltschaft hatte, unabhängig davon ebenfalls eine Strafanzeige erstatten wollte. Die Staatsanwaltschaft teilte jedoch mit, dass dies nicht mehr notwendig ist.280

275 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 64f. (C.) 276 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 42f. (G.) 277 Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 16 (Dr. H.) 278 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 91(P.) 279 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 21 (B.) 280 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 20 bis 22 (K.)

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Der Zeuge G. meinte, dass erst nach dem Bekanntwerden der Betrugsverdachts-fälle bewusst wahrgenommen wurde, dass bestimmte Anträge stets bewilligungs-reif vorgelegt worden waren.281 Die Zeugin C. konnte sich daran, dass über auf-fällig gut vorbereitete Unterlagen im Landesverwaltungsamt diskutiert worden sei, nicht erinnern. 282 Es war auch nicht aufgefallen, dass die Fördermittelvorgänge ausschließlich über Herrn B. liefen und die anderen Regionalbereiche des IHK-Bildungszentrums nicht betroffen waren. Nach Ansicht des Zeugen B. musste ei-ne derartige Verdichtung von Anträgen aus einer bestimmten Region nicht unbe-dingt verdächtig sein. Sie konnte auch mit der Präsenz bestimmter Branchen in einer Region zusammenhängen.283 Der Zeuge L. erinnerte sich, dass ihn sein Vizepräsident, Herr K., über einen Vor-gang in seinem Geschäftsbereich informiert hatte. Zeitgleich hatte die Prüfgruppe ESF Anhaltspunkte dafür gefunden, dass möglicherweise ein Missbrauch von Fördermitteln vorlag. Er ist dem Vorschlag gefolgt, Anzeige zu erstatten. Es wur-de auch entschieden, den Schaden insofern zu begrenzen, als die Fördermittel zurückgefordert werden sollten. Schließlich wurde nach Möglichkeiten der Ver-meidbarkeit solcher Missbrauchsfälle gesucht. So wurde beispielsweise überlegt, wie die Beweiskraft der Teilnehmerlisten verbessert werden konnte. Auf Nachfra-ge erklärte der Zeuge L., über elektronisch unterstützte Auswertungen zur Fest-stellung von statistischen Auffälligkeiten verfügte das Landesverwaltungsamt nicht. Es wurde organisiert, die Mitarbeiter zu schulen und sie zu sensibilisieren. Da das hinter den Missbrauchsfällen stehende Beziehungsgeflecht zum damali-gen Zeitpunkt noch nicht bekannt war, konnte diese Tatsache auch nicht in die Überlegungen zur Vermeidbarkeit solcher Missbrauchsfälle einbezogen wer-den.284 Ein Kontakt mit der Leiterin des IHK-Bildungszentrums zum Zeitpunkt der Entdeckung der Unregelmäßigkeiten war dem Zeugen L. nicht erinnerlich.285 Auf Nachfrage meinte der Zeuge P., dass der Bericht der Prüfgruppe ESF über die Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit der Baustoff-Service GmbH am 29. Oktober 2008 beim Ministerium für Wirtschaft und Arbeit eingegangen ist.286 Dem Zeugen G. war in Erinnerung, dass sich die Staatsanwaltschaft nach der Strafanzeige durch die Geschäftsführerin des IHK-Bildungszentrums, Frau S., auch mit dem Landesverwaltungsamt in Verbindung gesetzt hat.287 Staatsanwalt L. sagte aus, dass eine Berichterstattung in der Zeitung über Unre-gelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Präsidentenwechsel im Sportverein Dessau 05 Anlass für erste Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war. Der Leiten-

281 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 35 (G.) 282 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 68 (C.) 283 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 9f. (B.) 284 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 22 bis 24 (L.) 285 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 25 (L.) 286 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 58 (P.) 287 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 38 bis 41 (G.)

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de Oberstaatsanwalt in Dessau-Roßlau, Herr Bittmann, befragte den neuen Prä-sidenten Herrn J., der sich, wie bereits dargestellt, im Zusammenhang mit Unre-gelmäßigkeiten beim Sportverein Dessau 05 an die Geschäftsführerin des IHK-Bildungszentrums, Frau S., gewandt hatte und wegen seiner Tätigkeit als Privat-detektiv mit den erwähnten Untersuchungen beauftragt worden war. Der Zeuge L. erklärte weiter, dass nach seiner Erinnerung das Verfahren nach der Befragung des Herrn J. von Amts wegen eingeleitet wurde. Es mag sein, dass es dann auch Strafanzeigen gegeben hat. 288 Der Zeuge L. konnte sich nicht erinnern, ob das IHK-Bildungszentrum Strafanzeige gestellt hatte. 289 Sowohl der Zeuge P. als auch die Zeugin C. führten aus, dass das Referat 302 des Landesverwaltungsamtes seit November 2008 in ständigem Kontakt mit der Staatsanwaltschaft Halle stand, um die Sachverhaltsermittlung zu befördern.290 Die Zeugin C. übersandte nach ihrer Aussage dem zuständigen Abteilungsleiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Herrn Dr. C., mit E-Mail vom 28. Novem-ber 2008 den Vermerk vom 21. November 2008 über das Gespräch zwischen dem Landesverwaltungsamt und dem zuständigen Staatsanwalt, Herrn L..291 Mit im Durchschnitt drei Mitarbeitern wurde im Landesverwaltungsamt sodann eine Liste erstellt von Unternehmen, die mit dem IHK-Bildungszentrum als Bildungs-träger in den letzten fünf Jahren zusammengearbeitet hatten. Von den insgesamt 39 Fällen sah auch das Landeskriminalamt in sechs Fällen keinen Tatverdacht. Von den 28 Fällen, in denen bis April 2015 Rücknahme- und Erstattungsbeschei-de erstellt worden waren, befinden sich 14 Unternehmen im Insolvenzverfahren. Rückforderungen vonseiten der Europäischen Union gab es bis April 2015 nicht.292

II. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit

1. Organisation Nach Aussage des damaligen Abteilungsleiters, des Zeugen Dr. C. ging mit dem Beginn der 5. Wahlperiode die Arbeitsmarktabteilung im Jahr 2002 auf das Minis-terium für Wirtschaft und Arbeit über. Zielstellung war, dass Unternehmen in Sachsen Anhalt aus einer Hand gefördert werden sollten. So wurden beispiels-weise einem Investor nicht nur investive Fördermittel, sondern auch die Förde-rung von Qualifizierungsmaßnahmen seiner Mitarbeiter angeboten. Dies war eine

288 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 22f. (L.) 289 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 24f. (L.) 290 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 41f. (P.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Un-tersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 65 bis 67 (C.) 291 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 102 sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 20. April 2015, S. 57 (C.) 292 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 41 (P.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Unter-suchungsausschusses am 20. April 2015, S. 65 bis 67 (C.)

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der politischen Vorgabe der Leitung des Ministeriums, an der sich alle Mitarbeiter zu orientieren hatten.293 Das Programm zur Qualifizierung von Beschäftigten gehörte zur EU-Strukturfondförderung. Das Verfahren war verbindlich festgeschrieben. Neben Operationellen Programmen, Aktionsbögen und Prüfpfaden mussten nach Aus-sage des Zeugen B. die Landeshaushaltsordnung und die Förderrichtlinie beach-tet werden.294

2. Sinn und Zweck der Förderrichtlinie Der damalige Referatsleiter, der Zeuge B. teilte mit, dass Sinn und Zweck der Förderrichtlinie eine Qualifikation der Mitarbeiter entsprechend der sich ändern-den Anforderungen am jeweiligen Arbeitsplatz war als Ergänzung zur rein investi-tionsbezogenen Wirtschaftsförderung. Übergreifendes Ziel war die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen.295 Durch die EU-Kommission, etwa durch den ständig tagenden Begleitausschuss, erfolgte eine kontinuierliche Begleitung in Bezug auf dieses Programm. Seit dem Jahr 2000 existierte zudem die Prüfgruppe ESF. Diese hatte die Pflicht, etwaige Schwächen im Verwaltungs- und Kontroll-system aufzudecken.296 Nach Aussage des damaligen Ministers, des Zeugen Dr. H., war Ziel des Förder-programms, die zur Verfügung gestellten Mittel zielgenau einzusetzen, um die Arbeitslosenquote zu verringern. 297 Zudem musste darauf geachtet werden, dass das Potenzial der offenen Stellen ausgeschöpft wurde. 298 Bei der Erstellung der Förderrichtlinie wurden auch die Investitionen, die offenen Stellen sowie die von den Unternehmen gewünschten Qualifikationen berücksichtigt. Im Hinblick auf Anzahl der Personen in den geförderten Bildungsmaßnahmen und der anschlie-ßenden Übernahme in feste Arbeitsverhältnisse erklärte der Zeuge, dass es letzt-lich Sache des Arbeitgebers war, die Arbeitsverträge abzuschließen. Die Landes-regierung konnte nicht beeinflussen, welche Personen übernommen werden. Dennoch hatten die Personen, die letztlich keinen Arbeitsvertrag erhielten, auf-grund der Qualifikation eine erhöhte Chance am Arbeitsmarkt. 299 Der Zeuge Dr. C. erklärte auf Nachfrage, dass die Förderrichtlinie so gut mit Mit-teln ausgestattet war, dass es bis auf die kurze Phase am Ende der Förderperio-de 2000 bis 2006 keine Engpässe gab. Jedes Unternehmen mit einem förderfä-

293 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 12f. (Dr. C.) 294 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 66 (B.) 295 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 63f. (B.) 296 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 66f. (B.) 297 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 15 (Dr. H.) 298 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 30 (Dr. H.) 299 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 31 bis 33 (Dr. H.)

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higen Antrag erhielt einen Bewilligungsbescheid. Einer Einflussnahme durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bedurfte es daher nicht.300

3. Die Zusammenarbeit mit dem Landesverwaltungsamt Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Landesverwaltungsamt und dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit fanden nach Aussage des Zeugen Dr. C. re-gelmäßige Besprechungen, Telefonate und E-Mailverkehr statt.301 Das fachaufsichtliche Handeln der Abteilung Arbeit des Ministeriums, so der Zeu-ge B., war immer geprägt von dem Selbstverständnis, dass das Ministerium und umsetzende Behörden eine gemeinsame Verantwortung für die erfolgreiche Um-setzung der Förderprogramme hatten. In diesem Sinn hat die Abteilung Arbeit immer engen Kontakt mit der Bewilligungsbehörde gehalten.302 Themen, die alle Programme umfassten, liefen über die Referatsleiterin des Landesverwaltungs-amtes, Frau C.. Probleme in Zusammenhang mit einem Einzelfall wurden telefo-nisch mit dem zuständigen Referenten des Landesverwaltungsamtes, Herrn G., oder den zuständigen Sachbearbeitern geklärt. In der Regel haben der zuständi-ge Referent des Ministeriums und der des Landesverwaltungsamtes zunächst Fachfragen miteinander geklärt, während wichtige Angelegenheiten auf Referats-leiterebene besprochen wurden.303 Der Zeuge P., Sachbearbeiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit sagte aus, dass das Referat 302 des Landesverwal-tungsamtes durch das Ministerium in der Regel konsultiert wurde, wenn es um Fragen ging, die zwar aus einem konkreten Förderfall entstanden waren, jedoch grundsätzliche Bedeutung für künftige Förderverfahren hatten.304 Das Ministerium war insbesondere für die Steuerung der finanziellen Rahmenbe-dingungen, bei Bedarf für die Prioritätensetzung sowie für die Unterstützung der Bewilligungsbehörde bei der Klärung von schwierigen zuwendungsrechtlichen Problemen verantwortlich, so der Zeuge B..305 Der ehemalige Präsident des Landesverwaltungsamtes, der Zeuge L., sagte aus, dass es eine zwischen dem Ministerium und dem Landesverwaltungsamt abge-stimmte fachlich begründete Rang- und Reihenfolge der Fördermaßnahmen gab. Seiner Erinnerung nach, hat das Ministerium wegen der sozialpolitischen Ziele sehr engagiert auch auf die zügige Bewilligung von Anträgen Einfluss genommen und darauf gedrungen, dass das Landesverwaltungsamt die sozialpolitischen

300 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 8 (Dr. C.) 301 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 14ff. (Dr. C.) 302 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 69 (B.) 303 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 91 (B.) 304 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 6f. (P.) 305 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 69f. (B.)

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Ziele erreicht. Eine Einflussnahme auf den Behördenleiter in Bezug auf einzelne Bewilligungsverfahren hat es nicht gegeben.306 Der Zeuge B. legte dar, dass das Ministerium unter arbeitsmarkt- und wirtschafts-politischen Gesichtspunkten gegenüber dem Landesverwaltungsamt Priorisierun-gen und Charakterisierungen vorgenommen hat. So waren an erster Stelle Anträ-ge zu bearbeiten und zu bescheiden in Zusammenhang mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und an zweiter Stelle solche Anträge, die in Zusammenhang mit längerfristigen Konzepten der Unternehmen zur Personal- und Organisationsent-wicklung standen.307 Der Zeuge Dr. H. bestätigte, dass es eine Prioritätensetzung in Bezug auf die po-litischen Schwerpunkte gab. Ein Projekt, bei dem beispielsweise 200 Einstellun-gen erfolgen sollten, hatte Vorrang. Die einzelnen Projekte wurden jedoch von unabhängigen Beamten bearbeitet und konnten nur dann bewilligt werden, wenn sie rechtlich im Rahmen der Förderrichtlinie möglich waren. 308 Eine vorrangige Prüfung und schnellere Bearbeitung bestimmter Vorgänge war, so brachte der Zeuge Dr. C. zum Ausdruck, durch das Ministerium auch er-wünscht, wenn beispielsweise der Minister durch einen Unternehmer von der Dringlichkeit einer Maßnahme erfahren hatte. Dies wurde dann dem Landesver-waltungsamt übermittelt.309

4. Schriftliche Vorgaben oder Regelwerke Auf Nachfrage aus dem Untersuchungsausschuss erklärte der Zeuge Dr. C., schriftliche Vorgaben oder Regelwerke über bestimmte Berichtspflichten des Landesverwaltungsamtes an das Ministerium oder des Abteilungsleiters an die Hausspitze beim Auftreten von Unregelmäßigkeiten gab es nach seiner Erinne-rung nicht.310 Über außergewöhnliche Fälle wurde jedoch regelmäßig in den Ab-teilungsleitersitzungen berichtet.311 Die Zeugin B., Sachbearbeiterin im Landes-verwaltungsamt, meinte, dass es sich aus der Geschäftsordnung ergab, dass die übergeordnete Behörde bei besonderen Vorkommnissen unterrichtet werden muss.312

306 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 31 (L.) 307 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 84f. (B.) 308 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 36 bis 38 (Dr. H.) 309 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 19 und 23 (Dr. C.) 310 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 52 (Dr. C.) 311 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 33f. (Dr. C.) 312 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 3. Mai 2013, S. 91 (B.)

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In den regelmäßig stattfindenden Dienstbesprechungen zwischen dem Ministeri-um und dem Landesverwaltungsamt wurde nach Aussage des Zeugen B. unter anderem die Wirkung bestimmter Erlasse diskutiert.313 Auf die Frage, welche Schlussfolgerungen aus der Fördermittelaffäre in personal-rechtlicher Hinsicht getroffen wurden, erklärte die Zeugin H., seit dem 1. Juli 2008 Abteilungsleiterin 1 im Ministerium für Arbeit und Soziales, dass verschiedene Verwaltungsvorschriften zur Bekämpfung von Korruption existieren. Dem Rotati-onsverfahren, das heißt, dass Mitarbeiter nur für einen bestimmten Zeitraum für dieselben Fördermaßnahmen verantwortlich sind und dem Mehraugenprinzip bei der Bearbeitung und Kontrolle von Fördervorgängen wird nach ihrer Auffassung Rechnung getragen. Die Mitarbeiter nehmen an Fortbildungen teil und werden regelmäßig belehrt. Innerhalb der Belehrungen spielt die Verfolgung von Strafta-ten eine wichtige Rolle. 314

5. Anzeigen wegen Subventionsbetrug Den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses stellte sich die Frage, inwieweit den Mitarbeitern § 6 Subventionsgesetz, die amtliche Meldepflicht bei Subventi-onsbetrug, bekannt war und davon Gebrauch gemacht wurde. Der Zeuge B. meinte, dass ihm der Inhalt des § 6 Subventionsgesetz bekannt war. Er sah für die Belehrung der Mitarbeiter, die Förderanträge bearbeiten, zu-nächst jedoch das Landesverwaltungsamt in der Verantwortung.315 Er bestätigte, dass das Landesverwaltungsamt Anzeigen wegen Subventionsbetrug erstattet hatte, konnte allerdings zur Anzahl keine Auskunft geben, da hierüber keine Sta-tistik geführt wurde. Zudem ist die Erstattung von Anzeigen nicht berichtspflichtig gegenüber dem Ministerium. Zuständige Behörde ist das Landesverwaltungs-amt.316 Auch dem ehemaligen Staatssekretär P. war die Regelung zum Subventionsbe-trug bekannt. Er sah es als selbstverständlich an, dass bei einem solchen Tatver-dacht die Staatsanwaltschaft zu informieren ist.317 Aus Sicht des Zeugen Dr. C. gab es in den Besprechungen zwischen dem Minis-terium und dem Landesverwaltungsamt keine Überlegungen, ob Anzeigen wegen Subventionsbetrug gestellt werden sollten. Er selbst hat nie eine solche Anzeige vorgenommen. Die Anzeigepflicht nach § 6 des Subventionsgesetzes in Bezug auf Subventionsbetrug war dem Zeugen Dr. C., der kein Jurist ist, nicht so prä-sent.318

313 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 80 (B.) 314 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 53f. (H.) 315 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 96 bis 98 (B.) 316 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 101f. (B.) 317 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 54 (P.) 318 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 31 und 56 (Dr. C.)

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Der Zeuge L. hielt es für überwiegend wahrscheinlich, dass die Mitarbeiter alle notwendigen Belehrungen - auch in Bezug auf § 6 Subventionsgesetz - erhalten haben. Es galt der Grundsatz, dass Straftaten angezeigt werden. Dies ist seiner Erinnerung nach auch mehrmals passiert.319 Der Zeuge P. sagte aus, dass das Landesverwaltungsamt mehrfach Subventi-onsbetrugsverdachtsfälle zur Anzeige gebracht hatte. Ihm selbst war die Anzei-gepflicht bei Subventionsbetrug bekannt. Letzten Endes konnte seiner Ansicht nach jedoch nur das Landesverwaltungsamt als Bewilligungsbehörde einschät-zen, ob Verdachtsmomente für eine Anzeige vorlagen.320

6. Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Der ehemalige Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, P., erfuhr mit Schreiben der Geschäftsleitung des IHK-Bildungszentrums vom 17. Novem-ber 2008 von den Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit Bildungsmaßnah-men. Aufgrund dieses Schreibens, aus welchem sich ergab, dass das IHK-Bildungszentrum selbst festgestellt hatte, dass es zu Unregelmäßigkeiten ge-kommen war, sprach er mit Mitarbeitern der zuständigen Abteilung. Im Ergebnis dieser Gespräche wurde festgelegt, dass die Rückforderung der Fördermittel, die nicht ordnungsgemäß verwendet worden waren und die strafrechtliche Verfol-gung stattzufinden hatte. Die Rückforderung ist letztlich durch das Landesverwal-tungsamt erfolgt. Seiner Erinnerung nach liefen die Ermittlungen der Staatsan-waltschaft zu diesem Zeitpunkt bereits. 321 Das Ministerium hatte das Landesverwaltungsamt, so der Zeuge B., ausdrücklich ermuntert, die Rückforderungsbescheide zu erlassen, auch wenn die Beweislage nicht sehr gut war. Die Entscheidung des Einzelfalls oblag letztlich immer der Bewilligungsbehörde.322 Dies bestätigte auch der Zeuge P..323 Auf Nachfrage konnte sich der Zeuge P. an eine weitere Kontaktaufnahme mit dem IHK-Bildungszentrum zu den in dem Schreiben benannten Unregelmäßigkei-ten in diesem Zeitraum nicht erinnern. Ob der zuständige Minister ebenfalls an-geschrieben worden war, wusste er nicht.324 Dem Zeugen P. war nicht erinnerlich, ob er mit dem damaligen Minister Dr. H. aufgrund des oben genannten Schrei-bens über die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten gesprochen hatte. Im Laufe der Zeit habe er jedoch Gespräche mit dem Minister dazu geführt.325

319 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 21f. (L.) 320 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 21 (P.) 321 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 47f. (P.) 322 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 69f. (B.) 323 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 8f. (P.) 324 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 47 bis 49 (P.) 325 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 59 (P.)

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Der Zeuge Prof. H., (Mit-)Geschäftsführer des IHK-Bildungszentrums, sagte vor dem Untersuchungsausschuss am 25. Oktober 2013 zunächst aus, dass sowohl der damalige Minister für Wirtschaft und Arbeit als auch der Staatssekretär infor-miert worden waren.326 In der Vernehmung am 4. April 2015 konnte er nicht mehr sagen, ob seine Aussage im Jahr 2013 auf eigener Erinnerung beruhte oder ob er dies damals vom Hörensagen erfahren hatte und keinen Grund hatte, daran zu zweifeln. Er geht davon aus, dass es zwei Briefe waren, kann sich jedoch nicht mehr daran erinnern. 327 Der Zeuge B. meinte, dass es zwei gleichlautende Brie-fe, einen an den Minister und einen an den Staatssekretär gab. 328 An eine Reak-tion oder Antwort des Ministeriums konnte sich der Zeuge Prof. H. nicht erinnern. 329 Der Zeuge Dr. H. konnte sich bei seinen Vernehmungen am 15. September 2014 und am 1. Juli 2015 daran erinnern, dass Herr Dr. C. ihm von den Unregelmäßig-keiten berichtet hatte.330 In der Sitzung am 1. Juli 2015 bestätigte der Zeuge Dr. H., dass der Inhalt des Schreibens des IHK-Bildungszentrums der Hausspitze be-kannt war. Er konnte während dieser Vernehmung nicht rekonstruieren, in wel-cher Form und Anzahl diese Information an die Hausspitze gekommen war. Einen Grund, warum der möglicherweise an ihn gerichtete Brief nicht in den Akten war, konnte der Zeuge Dr. H. nicht nennen. 331 Der Zeuge Dr. C. erfuhr von den Unregelmäßigkeiten zum ersten Mal als die Prüfgruppe ESF und der Privatdetektiv Herr J. ihre Prüfergebnisse vorgelegt hat-ten. Auf Nachfrage räumte er ein, es könnte sein, dass ihm diese Unregelmäßig-keiten schon wenige Tage vor der offiziellen schriftlichen Information des IHK-Bildungszentrums an das Ministerium bekannt waren.332 Der Zeuge K. konnte sich nicht erinnern, das Schreiben der Geschäftsführung des IHK-Bildungszentrums persönlich gesehen zu haben. Er schloss jedoch nicht aus, dass das Landesverwaltungsamt bereits zu diesem Zeitpunkt erste Ver-dachtsmomente auf Unregelmäßigkeiten hatte.333 Der Zeuge L. sagte auf Nachfrage vor dem Untersuchungsausschuss aus, dass er sich erinnern würde, wenn der Brief der Geschäftsführung des IHK-

326 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 14 (Prof. Dr. H.) 327 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 72 und 81 (Prof. Dr. H.) 328 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 17 (B.) 329 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 33 und 38 (Prof. Dr. H.) 330 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 39f. und 61 sowie Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 20 (Dr. H.) 331 Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 9f. (Dr. H.) 332 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 26 bis 28 (Dr. C.) 333 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 29 (K.)

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Bildungszentrums dem Landesverwaltungsamt zur weiteren Bearbeitung und Aufklärung auf dem Postweg übermittelt worden wäre.334 Der Zeugin C. war ebenfalls nicht in Erinnerung, ob das Ministerium dem Landes-verwaltungsamt das Schreiben des IHK-Bildungszentrums zur Kenntnis gegeben oder aufgrund des Schreibens um einen Bericht gebeten hatte, äußerte aber, dass das Landesverwaltungsamt sowieso in der Bearbeitung dieser Vorgänge war.335 Der Zeuge P. meinte, dass das Landesverwaltungsamt als Bewilligungsbehörde bereits im Oktober 2008 Kenntnis vom Abschlussbericht des Herrn J. hatte. Die-ses hatte sodann Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufgenommen und erfahren, dass eine Strafanzeige nicht erforderlich war. Insofern hatte er das Schreiben des IHK-Bildungszentrums nicht zum Anlass genommen, erneut vom Landesverwal-tungsamt einen Bericht anzufordern. Vielmehr hatte er mit dem zuständigen Ab-teilungsleiter, Herrn Dr.C., regelmäßig Rücksprachen geführt und erfahren, dass das Landesverwaltungsamt bereits alle notwendigen Schritte, auch in Vorberei-tung auf Rückforderungsbescheide, unternommen hatte.336 Die Thematik, so führte der Zeuge P. weiter aus, war dem Ministerium bereits be-kannt, als das Schreiben des IHK-Bildungszentrums eingegangen ist. Das Minis-terium und das Landesverwaltungsamt befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Abstimmung, so dass wohl aus diesem Grund kein separater Bericht vom Lan-desverwaltungsamt abgefordert wurde und dieses das Schreiben des IHK-Bildungszentrums nicht erhielt. Die Berichte der Prüfgruppe ESF lagen ebenfalls bereits am 29. Oktober beziehungsweise am 12. November 2008 vor. Entscheidend war für ihn, P., dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen worden waren.337

7. Reaktionen im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit nach Bekanntwer-den der Hausdurchsuchungen im Jahr 2010 und der Vorwürfe gegen den Referenten Herrn S. im Jahr 2011 Aufgrund der Berichterstattungen in den Medien im Februar 2010 über Haus-durchsuchungen bei Unternehmen und Privatwohnungen in Dessau-Roßlau, Wit-tenberg, Kemberg und Eisleben im Zusammenhang mit Fördermittelbetrug, bat nach Aussage des Zeugen P. das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in einer E-Mail das Landesverwaltungsamt um die umfängliche Übermittlung von Material, um die Vorfälle klären zu können. Nach Auffassung des Zeugen P. war das zu-ständige Fachreferat des Ministeriums gehalten, die Berichte in den Medien zu überprüfen und die Ergebnisse der Hausleitung mitzuteilen. Auf Nachfrage erklär-

334 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 40f. (L.) 335 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 58 (C.) 336 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 86f. (P.) 337 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 99f. und 102 (P.)

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te der Zeuge P., dass nach seiner Erinnerung die Hausleitung keinen Einfluss auf den Fortgang der Ermittlungsverfahren genommen hat.338 Am 25. Februar 2011 war in der Mitteldeutschen Zeitung ein Artikel erschienen, aus dem sich Vorwürfe gegen den damals zuständigen Referenten im Ministeri-um, Herrn S., ergaben. Hintergrund war, dass der Ehemann von Frau Dr. M., der Mitarbeiterin im IHK-Bildungszentrum, Malerarbeiten in der Wohnung der Mutter des Herrn S. durchgeführt hatte. Der Vorwurf bestand darin, dass die Rechnung über diese Malerarbeiten durch den Regionalbereichsleiter Herrn B. in den Bu-chungskreislauf des IHK-Bildungszentrums gegeben worden war. In der Presse wurden Beziehungen zwischen Herrn B. und Herrn S. dargestellt. Die Zeugin L., zum damaligen Zeitpunkt Referatsleiterin Personal im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, sagte bei ihrer Vernehmung im Untersuchungsausschuss aus, dass daraufhin zunächst der damalige Abteilungsleiter 1 – Personal, Herr S., der Refe-ratsleiter Herr B. sowie Herr S. zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurden. Die Staatsanwaltschaft gab trotz Nachfrage keine Auskunft. Nach Aus-sage der Zeugin L. wurde die Angelegenheit in der Staatssekretärsrunde behan-delt. Dem schriftlichen Vorschlag der Zeugin L., Herrn S. sodann zumindest unter Fürsorgegesichtspunkten in ein anderes Referat umzusetzen, wurde nicht ge-folgt.339 An eine Begründung, weshalb ihrem Vorschlag nicht gefolgt wurde, konn-te sie sich nicht erinnern. Zum damaligen Zeitpunkt, so führte die Zeugin auf Nachfrage weiter aus, gab es noch keinen strafrechtlichen Vorwurf gegen Herrn S..340 Aus der Stellungnahme, die Herr S. gegenüber dem Ministerium abgegeben hat-te, hatte sich ergeben, dass seine Mutter die Rechnung für die Malerarbeiten be-zahlen wollte, jedoch letztlich mangels einer Rechnungstellung eine Spende an krebskranke Kinder in entsprechender Höhe getätigt hatte, so die Zeugin L..341 Auf Nachfrage sagte der Zeuge B. aus, dass er die Korruptionsvorwürfe gegen Herrn S. erstmalig durch die Veröffentlichung in der Presse zur Kenntnis genom-men hat. Frau C. hatte seiner Erinnerung nach in dem Gespräch über den Ab-schlussbericht des Privatdetektivs J. korrupte Verflechtungen eines Ministeri-umsmitarbeiters nicht erwähnt.342 Der Zeuge B. bestätigte, dass er nach Erschei-nen der Presseberichte einen Vermerk angefertigt hatte, in welchem er ausführte, dass ihm nicht bekannt ist, dass Herr S. Manipulationen vornimmt und dass er aufgrund der Zuständigkeitsverteilungen eine direkte Einflussnahme des Herrn S. auf Entscheidungen in den Förderfällen ausschließt.343 Nach Aussage von Herrn B. gab es bereits im Jahr 2011 klare Regeln, an welcher Stelle das Ministerium Einfluss nehmen durfte. Auf Nachfrage erklärte der Zeuge B., dass er an die enge

338 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 11 (P.) 339 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 5f. (L.) 340 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 8f. (L.) 341 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 10 (L.) 342 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 22 (B.) 343 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 104 (B.)

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Verbindung zum Referat 302 des Landesverwaltungsamtes aufgrund der vorma-ligen Tätigkeit des Herrn S. in diesem Referat zum damaligen Zeitpunkt nicht ge-dacht hatte und ihm die Erklärung des Herrn S. in Bezug auf die Malerarbeiten plausibel erschien. Der Zeuge B. sagte aus, dass ihm nicht bekannt war, weshalb Herr S. nicht versetzt worden war. Für ihn war der Fall mit der Abgabe seiner Stellungnahme erledigt.344 Der Zeuge S. bestätigte die Einholung der unterschiedlichen Stellungnahmen. Er war sich sicher, dass es ein Gespräch zwischen ihm und dem damaligen Staats-sekretär Herrn P. zu dieser Angelegenheit gegeben hatte. Der Zeuge S. sagte aus, dass es unterschiedliche Lösungswege für die weitere dienstliche Verwen-dung des Herrn S. gegeben hatte.345 Er meinte, dass es nach seiner Erinnerung keine schriftliche Äußerung des Staatssekretärs auf den Vorschlag der Umset-zung gegeben hatte. 346 Unter den Gesichtspunkten der Unschuldsvermutung und der Fürsorge konnte man in beide Richtungen argumentieren.347 Auf Nachfrage erklärte der Zeuge S., dass ihm eine Reaktion des Ministers zu diesem Vorgang nicht bekannt geworden war. 348 Auf Nachfrage erklärte der Zeuge P., dass er sich an den genauen Zeitpunkt, wann das Ministerium Kenntnis erhielt, dass Herr S. in den Verfahren eine Rolle spielen könnte, nicht erinnern kann. Deutlich wurde das Problem jedoch als in der Presse im Jahr 2011 über die Malerrechnung für die Mutter des Herrn S. berichtet worden war.349 Der Zeuge P. hielt nach seinen Angaben eine Umsetzung des Herrn S. für sinnvoll und hatte nach seiner Erinnerung auch einen entsprechen-den Vorschlag der Abteilung 1 abgezeichnet. Herr S. sollte aufgrund des Über-gangs der Arbeitsabteilung vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zum Minis-terium für Soziales und der damit in Zusammenhang stehenden Umstrukturierung eine andere Aufgabe erhalten.350 Der Zeuge Dr. C. erklärte, dass er im Februar 2011 erfuhr, dass ein Mitarbeiter seiner Abteilung, Herr S., an den Betrugsfällen beteiligt gewesen sein soll. Zu diesem Zeitpunkt, so der Zeuge Dr. C., konnte er sich nicht vorstellen, welche Funktion dieser Mitarbeiter bei den Betrugsfällen gehabt haben soll, wenn die Entscheidungen in den Förderfällen vom Landesverwaltungsamt getroffen wor-den sind. Er, so Dr. C., schätzte die Qualität und die Quantität der Arbeit des Herrn S..351

344 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 24 bis 26 (B.) 345 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 15 bis 17 und 24 (S.) 346 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 18 (S.) 347 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 24 (S.) 348 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 29 (S.) 349 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 90 (P.) 350 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 53 und 60 (P.) 351 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 7 (Dr. C.)

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Der Zeuge Dr. H. konnte sich erinnern, dass er durch Herrn Dr. C. über den Vor-gang S. informiert worden war. Auf die Frage, ob sich jemand in der damaligen Zeit für Herrn S. eingesetzt hatte, antwortete er, dass die Personalzuständigkeit beim Personalreferat lag und er davon ausgeht, dass das Personalreferat immer nach geltender Informationslage ordnungsgemäß entschieden hat.352 Aus wel-chem Grund letztlich eine Versetzung nicht stattgefunden hatte, konnte der Zeuge Dr. H. zum Zeitpunkt seiner Vernehmung nicht mehr nachvollziehen. Bevor ab-schließende personalwirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden konnten, musste das Ermittlungsverfahren abgewartet werden.353 Nähere Kontakte zu Herrn S. oder Herrn B. hatte der Zeuge Dr. H. nach seiner Aussage nicht. 354 Die Zeugin L. fertigte, so führte sie während ihrer Aussage aus, einen handschrift-lichen Vermerk, wonach zumindest das Ministerium für Soziales mit dem Über-gang der Abteilung Arbeit vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit an das Minis-terium für Soziales zu Beginn der 6. Wahlperiode über den Vorgang S. unterrich-tet werden sollte. Dann sind alle Vorgänge, die nicht in den Personalakten waren, an das Ministerium für Soziales gegangen. 355 Der Zeuge S. sagte aus, dass er selbst in den Gesprächen mit dem Ministerium für Soziales in Bezug auf den Übergang der Abteilung Arbeit den Vorgang S. nicht gesondert erwähnt hatte. Vielmehr ging es um die Organisation des Über-gangs des Querschnittspersonals. 356 Erkenntnisse, die zu einer Erstattung einer Anzeige nach dem Subventionsgesetz geführt hätten, lagen zum damaligen Zeit-punkt in Bezug auf Herrn S. nicht vor. 357 Die Zeugin H., Abteilungsleiterin 1 im Ministerium für Arbeit und Soziales, sagte aus, dass das Ministerium für Arbeit und Soziales zum Zeitpunkt des Wechsels der Abteilung 5 nicht über den Vorgang S. durch Mitarbeiter des Ministeriums für Wissenschaft und Arbeit informiert worden war.358 Der Zeuge P. hatte keine Erklärung dafür, warum das Ministerium für Arbeit und Soziales über den Sachverhalt nicht informiert worden war, da er zu diesem Zeit-punkt bereits als Leiter des Landesverwaltungsamtes tätig war.359 Am 23. Juni 2012 erschien erneut ein Pressebericht, in welchem Herrn S. vorge-worfen wurde, 6 000 Euro in Zusammenhang mit Korruptionsvorgängen erhalten

352 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 54f. (Dr. H.) 353 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 56 (Dr. H.) 354 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 57f. und Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 1. Juli 2015, S. 28 (Dr. H.) 355 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 11f. (L.) 356 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 22 (S.) 357 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 23 (S.) 358 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 38 (H.) 359 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 60f. (P.)

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zu haben. Die Zeugin H. sagte aus, dass sowohl die Abteilung 1 als auch die fachlich zuständige Abteilung 5 des Ministeriums für Arbeit und Soziales eine Stellungnahme abgegeben haben mit der Folge, dass Herr S. aus dem Referat Berufliche Bildung herausgenommen und dem Abteilungsleiter Herrn B. unter-stellt wurde. Seit diesem Zeitpunkt nimmt Herr S. Sonderaufgaben auf Weisung des Abteilungsleiters wahr. Hierzu zählen Aufgaben der ESF-Koordinierung. Herr S. beschäftigt sich mit Evaluierungen und Bewertungen, die auf die ESF-Programmierung bezogen sind, mit Berichterstattungen und Controlling-Aufgaben. Seit dem Zeitpunkt seiner Umsetzung nimmt Herr S. keine Aufgaben wahr, die ihm einen direkten Kontakt mit Fördermittelempfängern oder einen di-rekten Einfluss auf Förderentscheidungen ermöglichen. 360 Der Zeuge B. bestätig-te bei seiner Vernehmung, dass Herr S. gegenwärtig für allgemeine Steuerungs-aufgaben im Bereich der ESF-Förderung, jedoch nicht für konkrete Förderfälle zuständig ist.361 Er meinte, dass Herr S. in diesem Bereich sehr viele unverzicht-bare Spezialkenntnisse besitzt. Zum Zeitpunkt der Vernehmung des Zeugen B. war Herr S. zudem im Referat 52 - Zielgruppenförderung - beschäftigt. Aber auch in diesem Bereich war und ist er nicht mit direkten Förderfragen befasst.362 Auf Nachfrage, weshalb dem Vorschlag von Frau K., Referatsleiterin Personal, und Herrn Willmer, Referatsleiter Inneres und Organisation, Herrn S. vorüberge-hend in einem anderen Referat oder außerhalb der Abteilung 5 einzusetzen nicht gefolgt wurde, erklärte die Zeugin H., dass die Hausspitze dies entschieden habe und Herrn S. zur besonderen Verwendung dem Abteilungsleiter 5, Herrn B., un-terstellt hat. Sie kannte die Erwägungen des Ministers im Detail nicht.363 Auf Nachfrage erklärte die Zeugin, mit Fürsprechern, die der Meinung waren, dass Herr S. zur besonderen Verwendung tätig werden soll, hatte sie nicht gespro-chen. Es war ihr nicht erinnerlich, ob Herr B. einen entsprechenden Vorschlag un-terbreitet hatte.364 Die Zeugin K. sagte aus, dass ihr gegenüber eine Erläuterung der Gründe der Entscheidung der Hausspitze nicht erfolgt war. Sie fand diese Entscheidung jedoch nachvollziehbar, da Herr S. nicht mehr in der Fachaufsicht tätig war.365 Im April 2013 zeigte Herr S. dem Ministerium für Arbeit und Soziales an, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt. Die Zeugin H. erklärte, dass sie die bisher erfolgte Umsetzung als ausreichend empfand. Weitere Schritte wurden zu diesem Zeitpunkt nicht unternommen.366

360 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 31 bis 33 (H.) 361 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 102f. (B.) 362 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 8 (B.) 363 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 33f. (H.) 364 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 35f. (H.) 365 Niederschrift über die 12. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 4. April 2014, S. 5f. (K.) 366 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 39f. (H.)

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Vor dem 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss machte der Zeuge S. von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch.367

8. Die Teilakte „Staatsanwaltschaftliche Verfolgung von Fördermittelbe-trug“ aus der Personalakte des Herrn S.

Mit dem dritten Aktenvorlageverlangen vom 19. April 2013 bat der Untersu-chungsausschuss die Landesregierung unter anderem um Übersendung der Personalakte des Herrn S.. Die Teilakte mit dem Titel „Staatsanwaltschaftliche Verfolgung von Fördermittelbetrug“ wurde dem Untersuchungsausschuss zu-nächst nicht übermittelt. Hierzu sagte die Zeugin H. aus, wenn sie sich recht er-innere, hatte das Personalreferat erst bei der Aktenanforderung durch den Un-tersuchungsausschuss gemerkt, dass die Personalakte des Herrn S. eine nach den Regeln der Aktenordnung nicht ordnungsgemäß beigeheftete Teilakte bein-haltete. Deshalb wurde diese Teilakte vor der Übermittlung an den Untersu-chungsausschuss entfernt. 368 Eine Anweisung zur Herausnahme gab es nicht.369 Das Aktenvorlageverlangen bezog sich allein auf die Personalakte. Diese wurde herausgegeben. Nur die beigeheftete Teilakte, die nicht in die Personalakte ge-hörte, wurde herausgenommen. In der Personalakte befand sich eine hand-schriftliche Verfügung mit einem Verweis auf die Existenz dieser Sachakte.370 Auf die Frage, ob bei der Veröffentlichung des Presseartikels vom 23. Juni 2012 die Personalakte des Herrn S. bereits gesichtet worden war, antwortete die Zeu-gin H., dass Personalakten anlassbezogen gesichtet werden. Insofern wurde die Personalakte des Herrn S. einschließlich der Teilakte anlässlich des Pressearti-kels gesichtet. Die Teilakte ist sodann Grundlage für die Stellungnahme an die Hausspitze gewesen.371

9. Personelle Probleme im Landesverwaltungsamt Auf der Suche nach möglichen Ursachen, wie es zu den Vorfällen gekommen sein könnte, wurde auch nach der Personalausstattung im Landesverwaltungs-amt gefragt. Nach übereinstimmender Auffassung einer Reihe von Zeugen stellte die geringe Personalausstattung im Landesverwaltungsamt stets ein großes Problem dar. Damit verbunden war, nach Aussage des damaligen Abteilungslei-ters im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, des Zeugen Dr. C., ein Stau in der Antragsbearbeitung und Verwendungsnachweisprüfung.372

367 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 35 bis 38 (S.) 368 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 40 (H.) 369 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 42 (H.) 370 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 47f. (H.) 371 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 49 bis 52 (H.) 372 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 14 (Dr. C.)

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Nach Auffassung des damaligen Präsidenten des Landesverwaltungsamtes, dem Zeugen L., war die Personalausstattung im Landesverwaltungsamt bereits im Jahr 2003 an der unteren Grenze dessen, was man für die an diesen Bereich übertragenen Aufgaben benötigt hätte. Mit zunehmender Zahl von Einzelprojek-ten, sogenannter Modellprojekte, zeigte sich auch eine zunehmende Überlas-tungssituation, die bis hin zu Überlastungsanzeigen von Mitarbeitern geführt hat-te.373 Die personellen Ressourcen reichten für eine optimale Erledigung der Auf-gaben nicht aus. Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorschriften wären nur zu vermeiden gewesen, wenn die personelle Ausstattung verbessert worden wäre. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit hatte die Berichte über die Konsequen-zen unzureichender personeller Ressourcen zur Kenntnis genommen und diese zur Grundlage ihrer Ressourcenzuteilung unter Beachtung der Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers gemacht.374 Der Zeuge K., damaliger Vizepräsident des Landesverwaltungsamtes, sagte ebenfalls aus, dass der Personalbestand bereits im Jahr 2003 kaum auskömmlich war.375 Die Probleme wurden mit den Jahren immer größer. Das Personalproblem wurde durch Modellprojekte verstärkt. Gegenüber dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit wurde berichtet, dass die Vielzahl der Fälle mit dem vorhandenen Per-sonal kaum noch zu beherrschen war. Durch das Personalentwicklungskonzept wurde weiteres Personal reduziert. Es fehlte insbesondere für den Abschluss der Förderperiode 2000 bis 2006 im Jahr 2007 als die Verwendungsnachweisprüfun-gen fertig gestellt werden mussten, um eine Rückzahlung an die Europäische Union zu verhindern. 376 Als ungünstig sah es der Zeuge K. an, dass die Planstel-len der Beschäftigten des Landesverwaltungsamtes dem Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern zugeordnet waren. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit als Fachministerium hatte ein hohes Interesse an der Abarbeitung der Auf-gaben, aber selbst keinen Einfluss auf die Personalstärke. 377 Die Mitarbeiter ge-rieten zum Teil in Grenzsituationen. Es wurden Überstunden geleistet. Später gab es auch stressbedingte Ausfälle. 378 Die Referatsleiterin im Landesverwaltungsamt, die Zeugin C., bestätigte die Aus-sage des Zeugen K., indem sie mitteilte, dass die Personalsituation insbesondere zu dem Zeitpunkt, als eine Überschneidung der Prüfung von Verwendungsnach-weisen aus der Förderperiode 2000 bis 2006 und der Antragsbewilligung der neuen Förderperiode stattfand, sehr eng war.379

373 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 6 und 9 (L.) 374 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 14f. (L.) 375 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 7f. (K.) 376 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 8f. (K.) 377 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 10 (K.) 378 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 14 (K.) 379 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 95f. (C.)

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Der Zeuge Dr. H. stimmte zu, dass der Personaleinsatz immer in der Diskussion stand.380 Das ESF-Verfahren bindet seiner Ansicht nach eine Vielzahl an Verwal-tungskräften, da für jedes förderfähige Projekt ein eigener Verwaltungsvorgang angelegt werden muss. 381 Weiter sagte der Zeuge Dr. H. aus, dass ihm Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorgaben nicht bekannt geworden sind. Das Landes-verwaltungsamt war verpflichtet, alle Vorgänge ordnungsgemäß zu bearbeiten, auch wenn dadurch ein Rückstau entstand.382 Das Ministerium hatte ein Interesse daran, die Arbeitsfähigkeit im Landesverwaltungsamt zu erhalten, um die Ziele des Förderungsprogramms zu erreichen.383 Das Thema Personalausstattung wurde diskutiert und in regelmäßigen Abständen wurde reagiert. An konkrete Re-aktionen des Ministeriums, wie etwa die Reaktion auf die Weigerung des Refera-tes 302 des Landesverwaltungsamtes, mangels Personal modellhafte Einzelpro-jekte zu machen, konnte sich der Zeuge Dr. H. aufgrund der Vielzahl an Vorgän-gen in der vergangenen Zeit nicht erinnern.384 Er sagte jedoch aus, dass im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten entsprechend reagiert wur-de. Der Stau im Bereich der Verwendungsnachweisprüfung war immer ein The-ma, weil diese Prüfung gerade im Bereich ESF einen unwahrscheinlich großen Aufwand erfordert. Dieses Problem besteht in allen Mitgliedstaaten der Europäi-schen Union. Deshalb gibt es zurzeit Diskussionen mit der Europäischen Union, die Mittel besser im investiven Bereich, zum Beispiel im Bereich Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), einzusetzen. 385 Der Zeuge Dr. H. sah keinen Zusammenhang zwischen der unzureichenden Personalausstattung und den Betrugsfällen.386 Letztlich war, so der Zeuge Dr. H., das Förderprogramm er-folgreich. Über 2 Milliarden Euro ESF-Mittel sind in das Land Sachsen-Anhalt ge-flossen. Durch Bildungsmaßnahmen und im Anschluss erfolgte Einstellungen wurde die Arbeitslosenquote gesenkt. Zudem wurden längerfristige Ziele erreicht. So erhöhten sich durch solche Maßnahmen die Chancen der geschulten Arbeit-nehmer am Arbeitsmarkt, auch wenn die Einstellung nicht direkt im Anschluss an eine Bildungsmaßnahme erfolgte. 387 Der damalige Staatssekretär, der Zeuge P., sagte ebenfalls, dass die Personalsi-tuation insbesondere in dem Jahr angespannt war, als sich die Strukturfondperio-den überschnitten. 388

380 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 9 (Dr. H.) 381 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 12 (Dr. H.) 382 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 19 (Dr. H.) 383 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 21 (Dr. H.) 384 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 22 (Dr. H.) 385 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 23 (Dr. H.) 386 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 25 (Dr. H.) 387 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 28f. (Dr. H.) 388 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 84 (P.)

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Der Zeuge Dr. C. teilte mit, dass aus dem Personalproblem große Diskrepanzen zwischen den bewilligten und abgeflossenen Mitteln resultierten. Da das Landes-verwaltungsamt überlastet war, wurde bei den Unternehmen nicht nachgefragt, aus welchen Gründen sie die bereits bewilligten Fördergelder nicht abriefen.389 Es war teilweise schwierig, die Mittel der Europäischen Union in der zur Verfü-gung stehenden Zeit auszugeben.390 Auch der Vizepräsident des Landesverwal-tungsamtes, der Zeuge K. bestätigte, dass einerseits die Fördermittel ein unge-wohnt großes Finanzvolumen umfassten, andererseits diese hohen Fördermittel auf eine Vielzahl von Fördervorgängen aufgeteilt werden mussten.391 Nach Auffassung des Zeugen Dr. C. war zudem Folge der geringen Personalaus-stattung, dass es hinsichtlich der Kontrolltätigkeiten des Landesverwaltungsamtes Einschränkungen gab. So haben die Vor-Ort-Kontrollen nicht in dem erforderli-chen Umfang stattgefunden. Demgegenüber legte die Europäische Kommission großen Wert auf eine Erhöhung der Vor-Ort-Kontrollen, da sie diese gegenüber der Durchführung von Verwendungsnachweisprüfungen für zielführender hielt.392 Einfach und kurzfristig konnten nach Ansicht des Zeugen Dr. C., im Laufe der Jahre die Personalkapazitäten im Landesverwaltungsamt nicht aufgestockt wer-den.393 Herr K. hatte den Abteilungsleiter im Ministerium, Herrn Dr. C. informiert, dass es aufgrund der nicht zu gewährleistenden zeitgerechten Verwendungs-nachweisprüfungen einen dauerhaften Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vor-schriften gegeben hatte, der nicht länger hingenommen werden konnte.394 Es be-stand die Besorgnis, dass Rückforderungsansprüche verjähren. Die Probleme wurden in einer Reihe von Gesprächen zwischen Herrn K. und Herrn Dr. C. erör-tert. Es gab auch Gespräche mit dem damaligen Staatssekretär Herrn P.. Dem Vorschlag des Landesverwaltungsamtes, die Bewilligungen für die neue Struk-turfondperiode für zwei Monate auszusetzen, um sich den Verwendungsnachwei-sprüfungen der alten Periode widmen zu können, wollte das Ministerium nicht fol-gen. Die Forderungen durch das Ministerium wurden, so der Zeuge K., noch ver-stärkt und gipfelten in der Forderung, dass das Landesverwaltungsamt eine Ziel-vereinbarung unterzeichnen sollte, in der es sich zu bestimmten Leistungen in-nerhalb eines Zeitrahmens verpflichten sollte. 395 In dieser Zielvereinbarung sollten die maximalen Antragsbearbeitungszeiten und Fristen für die Prüfung der Verwendungsnachweise geregelt werden. Der Zeuge Dr. C. teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass der damalige Präsident des Landesverwaltungsamtes, Herr L., jedoch offensichtlich befürchtete, die mit der

389 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 15 (Dr. C.) 390 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 21 (Dr. C.) 391 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 8 und 15 (K.) 392 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 14f. (K.) 393 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 48f. (Dr. C.) 394 Akte 2.15 A II, LVwA, Fachaufsicht, Erlasse und Statistik, S. 112ff. 395 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 11f. (K.)

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Zielvereinbarung verbundenen anspruchsvollen Ziele mit den vorhandenen Per-sonalkapazitäten nicht erreichen zu können und deshalb diese Zielvereinbarung nicht unterzeichnete.396 Der Zeuge L. bestätigte, dass zwar in der Vereinbarung auf der einen Seite viele Pflichten des Landesverwaltungsamtes festgeschrieben, auf der anderen Seite aber die notwendigen, insbesondere personellen Ressour-cen nicht garantiert worden waren. Seiner Ansicht nach wäre es zudem notwen-dig gewesen, zu vereinbaren, dass das Ministerium die Zahl der arbeitsintensiven Modellprojekte verringert. Da die Vereinbarung nach seiner Auffassung nicht ausgewogen war, hat er sie nicht unterschrieben.397 Das Landesverwaltungsamt versuchte, so der Zeuge L., das Personalproblem durch hausinterne Umsetzungen oder den Versuch der externen Besetzung von Stellen zu lösen. In der Spitzenzeit im Jahr 2007 wurde eine Reihe von weiteren Fachreferaten des Landesverwaltungsamtes zur Aufgabenerledigung für den Be-reich der Arbeitsmarktförderung hinzugezogen. Der reguläre Personalbestand des Fachreferates ist von 28 auf bis zu 38 Mitarbeiter angestiegen. Zu Spitzenzei-ten waren es bis zu 90 Mitarbeiter. 398 Der Zeuge K. teilte dem Untersuchungs-ausschuss mit, dass ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen der Refe-ratsleiterin Frau C. und ihm stattgefunden hat. Hinsichtlich des Personalproblems gab es eine Vielzahl an Berichten und Statistiken. Zu den Referatsleitern des Mi-nisteriums für Wirtschaft und Arbeit wurde ebenfalls ständiger Kontakt gehalten. Die Unzufriedenheit mit der personellen Situation resultierte daraus, dass weder das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit noch das Landesverwaltungsamt von sich aus in der Lage war, das Personalproblem zu lösen.399 Der Zeuge Dr. C. meinte sich zu erinnern, dass er zur Absicherung des Landes-verwaltungsamtes und um Zeit zu sparen, festgelegt hatte, dass die Verwen-dungsnachweisprüfungen nicht vollständig, sondern stichprobenartig durchgeführt werden durften.400 Der Zeuge L. erklärte, dass die Prüfungen zuvor oft zurückge-stellt worden waren, weil vorrangig Bewilligungsbescheide erstellt werden sollten, um den Menschen eine Arbeitsaufnahme und damit ein Erwerbseinkommen zu ermöglichen.401 Auch in anderen Aufgabengebieten stockten die Verwendungs-nachweisprüfungen. Insgesamt dauerte es ca. vier Jahre, von 2006 bis 2010, um den Großteil der unerledigten Prüfungen nachzuholen. Auf Nachfrage äußerte der Zeuge L., dass die mit der späteren Durchführung der Verwendungsnachweisprü-fung zusammenhängende eventuelle spätere Aufdeckung von Missbrauchsfällen zumindest in Bezug auf die Verjährung keine Rolle spielte. Beachtlicher war sei-ner Ansicht nach das Risiko für das Land Sachsen-Anhalt, dass es zur Rückfor-

396 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 9 (Dr. C.) 397 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 17f. (L.) 398 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 9 und 26 (L.) 399 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 16f. (K.) 400 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 48f. (Dr. C.) und Akte LVwA 302, Rechtsgrundlagen, Richtlinien und Erlasse, S. 63 401 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 11 (L.)

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derung von europäischen Mitteln hätte kommen können, wenn die Prüfvorgaben der europäischen Strukturfonds nicht erfüllt worden wären.402 Der Zeuge Dr. H. sagte aus, dass in allen Bereichen Personalbedarf bestand. Es mussten Schwerpunkte gesetzt werden. Zudem wurde Überhangpersonal einge-setzt und es gab Organisationsveränderungen. Das Problem des Staus bei den Verwendungsnachweisprüfungen besteht in vielen Ländern und Regionen. 403 Die Vergabe der vorhandenen Fördermittel sollte angesichts des hohen Grades an Arbeitslosigkeit nicht ungenutzt bleiben, deshalb wurde der Schwerpunkt auf die Erstellung von Fördermittelbescheiden gelegt. 404 Sachsen-Anhalt musste als Binnenland selbst für Investoren sorgen und diesen qualifiziertes Personal anbie-ten.405 Nach Aussage des Zeugen P. hatte das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit be-reits Anfang des Jahres 2007, in dem die Überschneidung der Strukturfondperio-den stattfand, Personalmaßnahmen auf den Weg gebracht. Insgesamt wurden vier Sachbearbeiter zusätzlich zur Verfügung gestellt. In einer Dienstberatung wurden Verfahrenserleichterungen vereinbart. Zudem wurde eine Projektgruppe im Ministerium eingerichtet, die die Vorprüfung einiger Verwendungsnachweise übernahm. 406 Sodann hat das Landesverwaltungsamt die abschließende Ent-scheidung in Form einer Abschlussmitteilung oder eines Rücknahme- bezie-hungsweise Widerrufsbescheides erteilt. Die Schlussprüfung und Schlussrech-nung übernahm entsprechend den Vorgaben der Europäischen Union das Lan-desverwaltungsamt. Seitens des Landesverwaltungsamtes gab es keine Vorga-ben, welcher Mitarbeiter im Ministerium welchen Vorgang prüfen sollte.407 Die Fälle wurden vom Landesverwaltungsamt ausgewählt. Der Zeuge P. informierte als Leiter der Projektgruppe im Ministerium den Abteilungsleiter regelmäßig über den Stand der Verwendungsnachweisprüfungen.408 Der Zeuge L. bestätigte, dass die abschließende Entscheidung beim Landesverwaltungsamt lag.409 Zusätzlich ist die Investitionsbank in die Prüfaktivitäten eingebunden worden.410 Der Zeuge P. konnte nicht ausschließen, dass zu diesem Zeitpunkt Vor-Ort-Kontrollen kurz-zeitig nicht stattfanden. Diese wurden jedoch nachgeholt.411

402 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 12 (L.) 403 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 42 (Dr. H.) 404 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 43 (Dr. H.) 405 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 46f. (Dr. H.) 406 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 84 (P.) 407 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 95 bis 97 (P.) 408 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 22 bis 25 (P.) 409 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 28 (L.) 410 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 57 (P.) 411 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 52 (P.)

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In der zweiten Hälfte des Jahres 2008 hatte diese Projektgruppe des Ministeriums im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung bei einigen Fällen, die den Unter-suchungsausschuss beschäftigt haben, Unregelmäßigkeiten festgestellt, so der Zeuge P..412

10. Die Abgabe an die Investitionsbank Im November 2008 wurde dem Landesverwaltungsamt bekannt gegeben, dass für die Unternehmensförderung im Bereich Bildungsmaßnahmen ab 1. Januar 2009 die Investitionsbank zuständig sein wird, um unter anderem eine personelle Entlastung des Landesverwaltungsamtes zu erreichen, erklärte die Zeugin C..413 Der Zeuge K. sagte aus, dass die Abgabe an die Investitionsbank keine kurzfristi-ge Entscheidung war. Sie hatte einen zeitlichen Vorlauf. Zum einen bestand die Absicht des Finanzministeriums, möglichst viele Förderprogramme in der Investi-tionsbank zu bündeln. Da die Unternehmen bei dieser Bank Kunde sind, würde es einen Sinn machen, unternehmensrelevante Förderprogramme dort anzusie-deln. Zum anderen war es für die Investitionsbank leichter als für die Vollzugsbe-hörde, neues Personal einzustellen. Die Art und Weise der Vergabe der Förder-mittel durch das Landesverwaltungsamt war nach seiner Erinnerung nicht der Grund der Abgabe an die Investitionsbank, zumal die Zahl der Missbrauchsfälle verglichen mit der Zahl der Fördervorgänge gering war. 414 Weitere Zeugen sagten ebenfalls aus, dass die Zuständigkeitsänderung nur zufäl-lig mit der Aufarbeitung der Unregelmäßigkeiten in Dessau-Roßlau zusammen-fiel.415 Der Zeuge B. bestätigte, dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit mit der qualitativen Aufgabenerfüllung durch das Landesverwaltungsamt nicht unzu-frieden war, sondern dass das Personal im Landesverwaltungsamt nicht aus-reichte, um die Umsetzung aller Förderprogramme sicherzustellen. Eine Verringe-rung der Anforderungen an die Qualität der Prüfung konnte sich das Ministerium nicht leisten, da die Kontrollbedingungen feststanden. Insofern konnte das perso-nelle Problem nur durch eine Übertragung des Förderprogramms auf die Investi-tionsbank gelöst werden. Dadurch konnte zusätzliches Personal für die erforderli-chen und vorgeschriebenen Kontrollen gewonnen werden.416 Ein weiterer Effekt der Übertragung auf die Investitionsbank bestand, nach Aussage des Zeugen Dr. H., in der Konzentration der Bundesfördermöglichkeiten im Rahmen der Investiti-onsförderung in Kombination mit EFRE und ESF.417 Der Zeuge L. vermutete,

412 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 58 (P.) 413 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 97 (C.) 414 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 23f. (K.) 415 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 9 (Dr. C.) sowie S. 65 (B.) sowie Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parla-mentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 32 (P.) sowie Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 41 (P.) 416 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 75f. (B.) 417 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 20 (Dr. H.)

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dass die Übertragung an die Investitionsbank einfacher war, als dem Landesver-waltungsamt zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen.418 Um zukünftig Betrugsfälle zu verhindern, wurde das Antrags- und Prüfverfahren bei der Investitionsbank aufwendiger gestaltet, erläuterte der Zeuge B.. 419 Die Erhöhung der Anforderungen hatte nach Auffassung der Zeugen B. und G. aber auch zur Folge, dass das Interesse der Unternehmen an einer derartigen Förde-rung geringer wurde.420

11. Änderung der Förderrichtlinie Die Richtlinie zur Förderung der Qualifizierung von Beschäftigten mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds wurde in Auswertung der Vorkommnisse geändert. So wurden insbesondere, so die Zeugen B. und Dr. C., die allgemeinen Verfahrens-regelungen verbessert. Nach ihren Aussagen bestätigte die Prüfgruppe ESF in ih-rem abschließenden Bericht, dass das Verwaltungs- und Kontrollsystem bezogen auf diese Richtlinie derzeitig alle Anforderungen der EU-Kommission erfüllt und keiner weiteren Verbesserung bedarf.421 Als Konsequenz aus den Betrugsfällen müssen die Angebote der Bildungsträger detaillierter beschrieben werden, um sie besser vergleichen zu können. Gleichzei-tig soll verhindert werden, dass ein Bildungsträger, der den Zuschlag für die Bil-dungsmaßnahme erhalten hat, einen Unterauftragnehmer zu einem günstigeren Preis beauftragt. Zudem muss konkret beschrieben werden, wann und wo welche Maßnahme stattfindet, um unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen durchführen zu können. Zu beachten ist allerdings, dass hingegen eine angekündigte Vor-Ort-Kontrolle nach Ansicht des Zeugen B. immer noch den Vorteil hat, dass die Mit-arbeiter des Fördermittelempfängers vor Ort sind, weil nur sie wissen, wo die Buchhaltungsunterlagen zu finden sind. Nach Aussage des Zeugen B. sind unan-gekündigte Vor-Ort-Kontrollen daher nach wie vor eher die Ausnahme. Sie finden insbesondere statt, wenn es Hinweise gibt, dass eine Maßnahme nicht wie bean-tragt durchgeführt wird. Auf Nachfrage konnte der Zeuge B. keine konkrete unan-gekündigte Vor-Ort-Kontrolle benennen.422 Der Zeuge P. bestätigte ebenfalls, dass die Richtlinie angepasst wurde. Er sagte aus, dass für die Förderung durch die Investitionsbank das vereinfachte Verfah-ren der Stichprobenprüfung bei der Verwendungsnachweisprüfung nicht gilt. Das Vorauszahlungsverfahren wurde auf eine nachrangige Auszahlung umgestellt. Der Zuwendungsempfänger muss nun zunächst nachweisen, dass die Zuwen-

418 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 34 (L.) 419 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 65 (B.) 420 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 65 (B.) und Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Unter-suchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 47 (G.) 421 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 67f. (B.) und Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Unter-suchungsausschusses am 20. September 2013, S. 26 bis 28 (Dr. C.) 422 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 94f. sowie Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses vom 8. Mai 2015, S. 12 bis 15 (B.)

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dung zweckentsprechend verwendet wurde, so dass ein Teil der Verwendungs-nachweisprüfung durchgeführt wird, wenn eine Mittelanforderung kommt. Mit der letzten Mittelanforderung ist die Verwendungsnachweisprüfung demnach erle-digt.423 Die Zeugin C. führte aus, dass seit Ende 2009 zudem grundsätzlich nur Originalbelege anerkannt werden.424 In der neuen Förderperiode seit 2015, gibt es das Instrument der Lohnkostener-stattung nicht mehr. Die Vorgänge, die Gegenstand der strafrechtlichen Ermitt-lungen und dieses Untersuchungsausschusses sind, zeigten nach Auffassung des Zeugen B., dass die kriminelle Energie Einzelner zu Schäden geführt hatte. 425

III. Vorgänge im Zusammenhang mit Spenden an Parteien

1. Die Spendenpraxis Nach dem Einsetzungsbeschluss426 sollte der Untersuchungsausschuss auch klä-ren, ob durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung oder ihr nach-geordneten Behörden Spendenleistungen, Provisionen oder andere finanzielle Zuwendungen oder Vorteile durch Fördermittelbegünstigte an Mitglieder der Lan-desregierung oder ihr nahe stehende Personen oder Organisationen geleistet wurden. Hintergrund bildete die Berichterstattung in den Medien, dass zwischen den bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Fördermitteln an Unternehmen im Raum Dessau und möglichen Spenden an den CDU-Kreisverband ein Zusammenhang bestünde. Dies wurde vor allem daraus abge-leitet, dass einige Inhaber und Geschäftsführer von Unternehmen Mitglied der CDU sind oder waren und in Ehrenämtern entweder im Stadtrat oder beim Sport-verein Dessau 05 waren. Zur Spendenpraxis an den CDU-Kreisverband Dessau-Roßlau konnte der Zeuge W., Sachbearbeiter im Landesverwaltungsamt und von 2007 bis 2010 Fraktions-geschäftsführer der CDU-Stadtratsfraktion Dessau-Roßlau, berichten, dass stets ausreichend Spenden vorhanden waren, um die Wahlkämpfe führen zu können. Die Unternehmer, die Mitglied der CDU waren, wurden von der Schatzmeisterei angesprochen. Andere wurden, so der Zeuge W. und der stellvertretende Kreis-vorsitzende, der Zeuge Dr. E., von den Mitgliedern der Fraktion im Stadtrat von Dessau-Roßlau um Spenden gebeten. Im Kreisverband der CDU, so der Zeuge W., war es nicht bekannt, dass Herr B., ehemaliger Regionalbereichsleiter des IHK-Bildungszentrums, in Zusammenhang mit dem Abschluss von Fördermittel-verträgen um Spenden geworben haben soll.427 Dies bestätigten die Zeugin M., im Kreisverband Dessau-Roßlau in den Jahren von 2008 bis 2010 für die Finan-zen zuständig, und der Zeuge K., seit 2000 Mitglied des Kreisvorstandes der

423 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 25 (P.) 424 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 98 (C.) 425 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 26 (B.) 426 Drucksache 6/1540 427 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 57f. (W.) und S. 74 (Dr. E.)

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CDU, später stellvertretender und seit 2007 Kreisvorsitzender.428 An eine Spende durch Herrn B. konnte sich weder die Zeugin M. noch der Zeuge Dr. E. erinnern. 429 Nach Aussage des Zeugen B., Vorsitzender eines Ortsverbandes der CDU Dessau-Roßlau, gab es keine Hinweise auf Zusammenhänge zwischen der Ein-werbung von Spenden und der Fördermittelvergabe.430 Auf Nachfrage erklärte der Zeuge B., ihm war der Referent des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit, Herr S. nicht bekannt.431 Auch der Zeuge Dr. E. und der Zeuge K. erklärten, Herrn S. nicht zu kennen.432 Der Zeuge B. berichtete bei seiner Vernehmung, dass ihm Herr P., Mitgeschäfts-führer der Baustoff-Service GmbH sowie Geschäftsführer der STEWAK GmbH, und Herr B. angeboten haben, seine Wahlkampfkosten in Höhe von 7 000 bis 15 000 Euro zu übernehmen, wenn er das eine oder andere in Zukunft für die bei-den Herren tun würde. Eine konkrete Gegenleistung wurde nicht genannt.433 Der Zeuge P. bestritt diese Darstellung.434 Der Zeuge B. machte von seinem Aus-kunftsverweigerungsrecht Gebrauch.435 Auf Vorhalt äußerten der Zeuge Dr. H., als Nachfolger in dem Wahlkreis des Herrn B., der Zeuge W. und die Zeugin M., dass ihnen solche Aktivitäten, wie sie der Herr B. geschildert habe, nicht bekannt waren.436 Befragt nach seiner Spendentätigkeit, teilte der Zeuge P., bis Ende 2007 Vor-standsvorsitzender und alleiniger Aktionär der P. Biskuit AG, dem Untersu-chungsausschuss mit, dass Spenden an politische Parteien nicht erfolgt sind und er hierzu auch nicht aufgefordert wurde.437 Der Zeuge P., Mitgeschäftsführer der Baustoff-Service GmbH und der Baustoff-Service-Grundbesitz GmbH Dessau sowie Geschäftsführer der „Stadtteil- und Er-lebniszentrum Waldsiedlung Kochstedt“ GmbH (STEWAK GmbH) sowie kurzzei-tig Fraktionsvorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion Dessau-Roßlau, erklärte auf Nachfrage, ihm sei nicht bekannt, dass Spenden, Zuwendungen oder geldwerte Vorteile an Mitglieder der Landesregierung oder ihr nahe stehende Personen, Parteien oder Organisationen im Vorfeld oder im Nachgang von Fördermittel-

428 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 90 (M.) und S. 108f. (K.) 429 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 91 (M.) und S. 75 (Dr. E.) 430 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 45 (B.) 431 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 46 (B.) 432 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 83 (Dr. E.) und S. 109f. (K.) 433 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 40 bis 42 (B.) 434 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 69 (P.) 435 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 33 bis 38 (B.) 436 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 59 (W.) und S. 92 (M.) sowie Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentari-schen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 66 (Dr. H.) 437 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 70 (P.)

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vergaben durch Fördermittelbegünstigte geleistet worden sind.438 Auch hat er oder ein Unternehmen, in dem er Geschäftsführer war, keine Spenden an die CDU geleistet. Dies trifft auch auf die Firma STEWAK zu.439 Der Zeuge Dr. E. bestätigte die Aussage des Herrn P.. Gleichzeitig erklärte der Zeuge, dass es jedoch Spenden an den CDU-Kreisverband von Geschäftsführern der Unternehmen gab, die auch Fördermittel erhalten hatten.440 Von der Firma Dessauer Qualifizierungs- und Ausbildungszentrum (DQAS) GmbH kam laut Aussage des Zeugen K. im Jahr 2006 eine Spende in Höhe von 250 Euro.441 Die Firma K. & B. GbR hat, so die Zeugen Dr. E. und K., im Jahr 2007 insgesamt 1 500 Euro gespendet. Von der Firma Schieck + S. & Co GmbH wurden im glei-chen Jahr 1 000 Euro gespendet. Die Firmen des Herrn F. spendeten im Jahr 2005 1 500 Euro und im Jahr 2006 1 000 Euro.442 Der Zeuge S., Geschäftsführer der Firma Schieck + S. & Co GmbH, berief sich in der 11. Sitzung des parlamen-tarischen Untersuchungsausschusses auf sein Auskunftsverweigerungsrecht.443 Der Zeuge F. sagte aus, dass er an unterschiedliche Kreisverbände Summen zwischen 2 500 und 5 000 Euro pro Legislaturperiode gespendet hatte.444 Die Zeugin M., bis 2010 Schatzmeisterin des CDU-Kreisverbandes sagte aus, dass es hinsichtlich der Spendenhöhen keine Auffälligkeiten gegeben hatte. Eine Größenordnung in Höhe von insgesamt 6 000 Euro pro Jahr war normal.445 Die meisten Spenden wurden im Jahr 2008 geleistet. In den Jahren danach gab es nach Aussage der Zeugin M. keine hohen Spendensummen von Unternehmen. 446 Der Zeuge K., seit 2010 Schatzmeister, konnte hingegen nicht bestätigen, dass das Spendenvolumen in den anschließenden Jahren in Größenordnungen weniger war. Zu den einzelnen Relationen konnte er sich jedoch nicht äußern.447 Nach Aussage des Zeugen Dr. E. wurden 2010 alle Spendenbeträge offengelegt, um Transparenz zu gewährleisten. Durch die Rechnungsprüfer gab es keine Be-anstandungen. Alles sei ordnungsgemäß verbucht worden. 448

438 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 68 (P.) 439 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 8 und Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungs-ausschusses am 23. Mai 2014, S. 69f. (P.) 440 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 74 (Dr. E.) 441 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 102 (K.) 442 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 74f. (Dr. E.) und S. 102 (K.) 443 Niederschrift über die 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 7. März 2014, S. 87 bis 90 (S.) 444 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 8f. und 12 (F.) 445 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 86 (M.) 446 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 92 (M.) 447 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 96f. (K.) 448 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 78 (Dr. E.)

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Die Zeugin M. äußerte, dass sie zu dem Zeitpunkt der Presseveröffentlichung über mögliche Spenden von Unternehmen, die auch Fördermittel erhalten hatten, geprüft hatte, welche Unternehmen in Betracht kamen.449 Anfragen durch CDU-Kreisvorstandsmitglieder oder des Vorsitzenden des CDU-Kreisvorstandes zur Einsichtnahme in die Spenderlisten gab es nicht. 450 Der Zeuge K. meinte, dass die Bücher des CDU-Kreisverbandes in Bezug auf die Spendeneingänge auf-grund einer Anfrage einer Nachrichtenagentur eingesehen worden sind. 451 Der Zeuge K. sagte aus, dass es durch den Landesverband weder Bedenken noch Nachfragen zu Buchungen oder Spenden gegeben hat.452

2. Die Tätigkeiten des Herrn P. und Herrn B. in der Partei Der Zeuge W. berichtete, für ihn war überraschend gewesen, dass Herr P. be-reits kurz nach seinem Eintritt in die CDU für den Fraktionsvorsitz normiert wor-den war, obwohl er vorher in der Fraktion keine große Rolle gespielt hatte. Auch Herr B. ist in dem Ortsverband sehr schnell aufgestiegen. Obwohl er neu in der Kommunalpolitik war, wurde Herr B. durch den Kreisvorsitzenden Herrn K. für den Verwaltungsrat der Sparkasse vorgeschlagen. 453 Nach Auffassung der Zeu-gen W., Dr. E. und der Zeugin M. standen sich Herr K. und Herr B. politisch und persönlich nahe. 454 Der Zeuge K. erklärte auf Nachfrage, dass der Vorschlag für den Verwaltungsrat der Sparkasse nicht nur durch ihn allein, sondern durch die Fraktion unterbreitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, dass Herr B. in einen Fördermittelskandal verwickelt sein könnte. 455

Zum Zeitpunkt der Entdeckung der Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit dem IHK-Bildungszentrum wollte Herr K., nach Aussage des Zeugen B., Herrn B. nicht aus der politischen Verantwortung nehmen, da für ihn die Unschuldsvermu-tung galt.456 Der Zeuge K. und der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende, der Zeuge Dr. E., sagten übereinstimmend aus, dass diese Thematik innerhalb des Kreisvorstandes der CDU Dessau-Roßlau diskutiert worden war und beschlossen wurde, dass die Unschuldsvermutung gelten soll.457

449 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 86 bis 88 (M.) 450 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 89 (M.) 451 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 103 (K.) 452 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 95f. (K.) 453 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 58f. (W.) 454 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 60 (W.) und S. 81 (Dr. E.) und S. 89 (M.) 455 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 105f. (K.) 456 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 47 bis 50 (B.) 457 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 103f. (K.) und S. 79f. (Dr. E.)

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IV. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes

1. Der Wechsel des Staatsanwaltes L. zum Finanzgericht Sachsen-Anhalt Der Untersuchungsausschuss hatte den Auftrag zu untersuchen, ob die Landes-regierung, insbesondere die Ministerien für Justiz und Gleichstellung sowie für Inneres und Sport, alles getan haben, um zu einer zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfällen beizutragen. In diesem Zu-sammenhang sollte auch untersucht werden, ob die genannten Ministerien mit einer ausreichenden personellen Ausstattung bei der Staatsanwaltschaft und dem Landeskriminalamt dazu beigetragen haben, dass die Ermittlungen Erfolg versprechend durchgeführt und zeitnah abgeschlossen werden können.458 Der Zeuge L. war der seit 2008 in den möglichen Fördermittelbetrugsfällen ermit-telnde Staatsanwalt und wechselte mit Wirkung vom 1. Juli 2012 zum Finanzge-richt Sachsen-Anhalt. Er erklärte bei seiner Zeugenvernehmung auf Nachfrage, dass er sich keine mangelhafte oder unzureichende Ermittlung vorwerfen kann.459 Generalstaatsanwalt K. teilte mit, dass in den Jahren 2011 und 2012 die Sozial-gerichte mehr Personal benötigten, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Au-ßerdem waren zwei Richterstellen in der Finanzgerichtsbarkeit zu besetzen. Bei den Staatsanwaltschaften wurde ein Personalüberhang festgestellt. Insofern wurde bei den Staatsanwaltschaften nachgefragt, ob Interesse an einem Wech-sel in die Sozialgerichtsbarkeit bestünde. 460 Nach dem angewendeten System zur Personalbedarfsberechnung waren die Staatsanwaltschaften nur zu 91 % ausgelastet.461 Aus der Staatsanwaltschaft Halle wechselten vier Staatsanwälte zur Sozialge-richtsbarkeit und Herr L. zum Finanzgericht Sachsen-Anhalt. Ein Ausgleich er-folgte bei der Staatsanwaltschaft Halle in den Jahren 2011 und 2012 wegen des ermittelten Personalüberhangs nicht. Selbst nach dem Weggang der fünf Staats-anwälte lag die errechnete Belastung nach Aussage von Generalstaatsanwalt K. bei ca. 95 %.462 Der zuständigen Ministerin für Justiz und Gleichstellung, der Zeugin Prof. Dr. K., war nicht bekannt, dass insgesamt fünf Staatsanwälte aus derselben Abteilung der Staatsanwaltschaft Halle, aus der Abteilung Große Wirtschaft, weggingen. Das Personalreferat des Ministeriums sah hierin offensichtlich kein Problem, da die Staatsanwaltschaft Halle nach dem Personalbedarfsberechnungssystem

458 Drucksache 6/1540 459 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 5f. (L.) 460 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 19 (L.) und S. 64f. (K.) sowie Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamen-tarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 6 (Prof. Dr. K.) 461 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 65 (K.) 462 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 65 und 75f. (K.)

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nicht überlastet war.463 Die ermittelten Belastungen der einzelnen Behörden stell-ten eine Entscheidungsgrundlage für die Personalausstattung dar, so die Zeugin Dr. S., zum damaligen Zeitpunkt Referatsleiterin für Personalangelegenheiten im Ministerium für Justiz und Gleichstellung.464 Nach Aussage der Zeugin Prof. Dr. K. lag der Schwerpunkt des Weggangs vermutlich aus dem Grund bei der Staatsanwaltschaft Halle, da der Bedarf bei der Sozialgerichtsbarkeit ebenfalls schwerpunktmäßig in Halle lag und die Kollegen die Nähe von Wohnort und Ar-beitsort berücksichtigt hatten. Die Konzentration des Wegganges von fünf Staatsanwälten aus einer Abteilung war vom Ministerium der Justiz weder beab-sichtigt noch konnte man dies beeinflussen. Auf Nachfrage erklärte die Zeugin Prof. K., ihr ist nicht bekannt, dass die Arbeitsbedingungen in Halle von denen anderer Staatsanwaltschaften verschieden waren. Sie hatte den Eindruck, dass dort ein gutes Arbeitsklima herrschte. 465 Bezüglich seines Wechsels zum Finanzgericht sagte der Zeuge L. aus, dass sich im Jahr 2011 bei der Staatsanwaltschaft in absehbarer Zeit keine Beförderungs-stelle abzeichnete. Insofern wollte er durch eine Abordnung an das Sozialgericht sein Profil erweitern. 466 Der Leitende Oberstaatsanwalt, der Zeuge W., konnte zwar die Entscheidungen der Staatsanwälte, zum Sozialgericht wechseln zu wol-len, nicht nachvollziehen, hatte aber auch gemerkt, dass er seine Mitarbeiter nicht umstimmen konnte. 467 In einem Gespräch verständigten sich Herr L. und Herr W., dass es sinnvoller wäre, sich – für den Fall einer Stellenausschreibung – beim Finanzgericht zu bewerben.468 Die Stellen beim Finanzgericht sind nach Aussagen der Zeugen Dr. K. und L. als R2-Stellen, demnach als Beförderungs-stellen, eingerichtet. 469Als Herr L. von Herrn W. erfuhr, dass zu gegebener Zeit Stellen am Finanzgericht ausgeschrieben werden, verzichtete er auf eine Abord-nung zum Sozialgericht. Im Januar 2012 erfolgte sodann die Ausschreibung von zwei Stellen am Finanzgericht. 470 Die Einstellung von Richtern am Finanzgericht war aufgrund der hohen Belas-tung des Gerichts erforderlich, so der Zeuge Herr K., Präsident des Finanzge-richts. 471 Nach Aussage der Zeugin Dr. S. betrug die Belastung in der Finanzge-richtsbarkeit 132 %. Es wurden Personen mit Kenntnissen im Wirtschafts- und

463 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 18f. (Prof. Dr. K.) 464 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 32 (Dr. S.) 465 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 7f. (Prof. Dr. K.) 466 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 6 (L.) 467 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 13 (L.) 468 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 6f. (L.) und S. 37 (G.) sowie S. 49 und 60 (W.) 469 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 11 (L.) sowie Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Unter-suchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 6 (Prof. Dr. K.) 470 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 7 (L.) 471 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 37 (K.)

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Steuerrecht gesucht. 472 Nach Ansicht des Zeugen K. ist es nicht ungewöhnlich, dass Staatsanwälte, insbesondere aus der Wirtschaftsabteilung, zur Finanzge-richtsbarkeit wechseln. Der Ausschreibungstext war seines Erachtens nicht spe-ziell an Staatsanwälte gerichtet. 473 Auf die zwei Stellen bei der Finanzgerichtsbarkeit bewarben sich, neben Herrn L., zwei weitere Personen. Herr L. aus der Staatsanwaltschaft Halle hat sich er-folgreich auf eine der beiden Stellen beworben und wurde zum Richter am Fi-nanzgericht ernannt. Die Zeugen Professor Dr. K. und Dr. S. sagten aus, dass einzig Eignung, Leistung und Befähigung für die Auswahl entscheidend waren. Eine Rolle spielten also sowohl der Erfahrungsschatz, die Berufserfahrung als auch die Beurteilungen. Berufsanfänger wurden damals nicht eingestellt. Die Präsidialräte waren eingebunden in die Entscheidung zur Besetzung der beiden Stellen beim Finanzgericht.474 Von diesen Personalentscheidungen, so die Zeu-gin Prof. K. auf Nachfrage, wurden andere Kabinettsmitglieder nicht in Kenntnis gesetzt. Die Entscheidungskompetenz lag allein beim Ministerium für Justiz und Gleichstellung.475 Der Zeuge K. berichtete, dass ihn Herr L. darauf hinwies, dass er seinem Nach-folger einen großen Ermittlungskomplex zu übergeben hat. Herr L. nahm seine Tätigkeit als Richter kraft Auftrags aus diesem Grund einen Monat später als ur-sprünglich vorgesehen auf.476 Mehrere Zeugen sagten aus, dass Herr W. seinerzeit Herrn L. gebeten hatte, seine Stelle am Finanzgericht erst einen Monat später anzutreten, um eine bes-sere Übergabe des Ermittlungskomplexes zur sogenannten Dessauer Fördermit-telaffäre an seinen Nachfolger in den Ermittlungen, Staatsanwalt W., zu ermögli-chen. 477 Herr W. hat sodann – im Gegensatz zu Herrn L., der mehrere Ermitt-lungsverfahren betreute – ein eigenes Dezernat für diesen Komplex erhalten. Herr L. übergab ihm Akten und Übersichten. Sie sprachen über die Beschuldig-ten und die verschiedenen Beziehungen untereinander. 478 Nach Ansicht des Zeugen L. war das Jahr 2012 besonders geeignet für einen Wechsel des zuständigen Staatsanwaltes, da zu diesem Zeitpunkt einige Ermitt-lungskomplexe schon nahezu abschlussreif waren. Der neue Staatsanwalt war in der Lage, anhand der Ermittlungen des Landeskriminalamtes Verfahrenskomple-xe abzuschließen, Anklagen vorzubereiten, Strafbefehle zu entwerfen oder auch

472 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 25 (Dr. S.) 473 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 39f. (K.) 474 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 28f. und S. 34 (Dr. S.) sowie Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamen-tarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 15 (Prof. Dr. K.) 475 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 18f. (Prof. Dr. K.) 476 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 37 bis 40 (K.) 477 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 31 (L.) und S. 49 und 61 (W.) und S. 67 (K.) sowie Niederschrift über die 16. Sit-zung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 6 (Prof. Dr. K.) sowie S. 26 und 32 (Dr. S.) 478 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 17f. (L.) und S. 39f. (G.) sowie S. 50 (W.)

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Verfahren einzustellen. 479 Es bedurfte nach Ansicht des Zeugen L. einer gewis-sen Einarbeitung, so dass es nicht real war, noch im Laufe des Jahres 2012 An-klagen in zwei oder drei Teilkomplexen zu erheben. Die Ermittlungsverfahren gegen die Hauptbeschuldigten waren seinerzeit noch nicht abschlussreif. 480 Die Schwierigkeit in diesem Ermittlungskomplex war, dass die Hauptbeschuldigten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machten und insofern zeitin-tensiv alle Teilnehmer der Bildungsmaßnahmen vernommen werden mussten. Demzufolge war die Länge des Ermittlungsverfahrens nicht verwunderlich. 481 Der Zeuge W. meinte, dass aus seiner Sicht bei Übernahme des Verfahrens im Juli 2012 keine abschlussreifen Verfahren vorlagen. Zwar hatte sich eine Ange-schuldigte bereits im Februar 2010 geständig eingelassen. Zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit mussten jedoch zunächst weitere Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden, so dass der Strafbefehl erst im November 2012 ergehen konnte. Die wesentlichen Vernehmungen in den Verfahren K., S. und S. fanden im Jahr 2013 statt. 482 Seiner Meinung nach wurde durch den Wechsel des Staatsanwalts keine einzige ermittlungsleitende Verfügung später getroffen als sie ohne den Wechsel erfolgt wäre, da zum Zeitpunkt der Übernahme der Ermitt-lungen die Auswertung durch das Landeskriminalamt im Vordergrund stand. 483 Aus Sicht der Oberstaatsanwältin, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Hal-le sowie seit 2005 Leiterin der Abteilung Große Wirtschaft, der Zeugin G., traten durch den Wechsel des Herrn L. zum Finanzgericht nur marginale Verzögerun-gen in der Bearbeitung des Ermittlungskomplexes ein, da bis zu diesem Zeit-punkt das Landeskriminalamt die Ermittlungen führte und sich auch Herr L. noch einmal hätte einlesen müssen.484 Auf Vorhalt bezeichnete sie ihre Erklärung, die sie als Pressesprecherin herausgegeben hatte, dass erste Anklagen im Sommer 2012 vorliegen werden, als Fehler, da niemand konkret vorhersagen könne, wann ein Verfahren abgeschlossen ist. 485 Die Zeugin G. meinte sich zu erinnern, dass erste Anklagen Ende 2012 erhoben worden sind. 486 Der Zeuge W. sprach von nicht messbaren Verzögerungen durch den Dezernen-tenwechsel. Herr W. hatte sich seiner Ansicht nach zügig eingearbeitet. Erst im Herbst 2012 waren die Ermittlungen durch das Landeskriminalamt soweit abge-schlossen, dass der Gesamtumfang des Komplexes abgeschätzt werden konnte.

479 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 8 (L.) 480 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 13, 21 und 30 (L.) 481 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 22 (L.) 482 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 67f. (W.) 483 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 59f. (W.) 484 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 38f. (G.) 485 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 39 (G.) 486 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 44 (G.)

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487 Insofern konnte im Sommer 2012 noch nicht realistisch eingeschätzt werden, wann erste Anklagen vorliegen werden.488 Die Zeugin Prof. Dr. K. sprach ebenfalls von einem nahtlosen Übergang, so dass die Ermittlungen zu keiner Zeit liegen gelassen wurden. 489 Auch den regelmäßi-gen Berichten an das Ministerium für Justiz und Gleichstellung über den Stand der Ermittlungen konnte sie keine Hinweise entnehmen, dass die zur Verfügung stehenden Bearbeiter das Verfahren nicht bewältigen könnten. 490 Der Zeuge L. sagte aus, dass die Staatsanwaltschaft ständigen Kontakt zu der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ des Dezernates 42 des Landeskriminalamtes hat-te.491 Diese Ermittlungsgruppe war für die Ermittlungen zur sogenannten Des-sauer Fördermittelaffäre zuständig. Da zum Zeitpunkt der Bildung dieser Ermitt-lungsgruppe vermutet worden war, dass einzelne Fördermittelempfänger den Sportverein Dessau 05 „gesponsert“ hatten, erhielt diese Ermittlungsgruppe den Titel „Sponsor“. Der Zeuge W., Leiter des Dezernates 42 des Landeskriminalamtes, zuständig für die Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität, und der Zeuge S., der frühere Leiter der Ermittlungsgruppe „Sponsor“, bestätigten, dass sich Staatsan-walt W. in schnellstmöglicher Zeit in den Ermittlungskomplex eingearbeitet hatte. 492 Dies bestätigte auch der Zeuge A.. Als neuer Leiter der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ war für ihn der Wechsel der Staatsanwälte unproblematisch, da zu diesem Zeitpunkt die Vernehmungen der Zeugen durch das Landeskriminalamt stattfanden und insofern keine großen Absprachen erforderlich waren.493 Der Zeuge S., Direktor des Landeskriminalamtes, sagte aus, dass die Ermittlungen trotz der Einarbeitungszeit, die ein neuer Staatsanwalt benötigt, gleichwohl wei-tergeführt werden konnten. 494 Auch der Zeuge H., ein Mitglied der Ermittlungs-gruppe „Sponsor“, meinte, dass kein Bruch stattgefunden hatte. 495 Mit dem Wechsel war zudem ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit verbunden. Daher wurde versucht, die Ermittlungsergebnisse schneller präsentieren zu können. 496

2. Die Personalausstattung und Arbeit in der Staatsanwaltschaft 487 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 50 (W.) 488 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 58 (W.) 489 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 12 (Prof. Dr. K.) 490 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 16 (Prof. Dr. K.) 491 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 5f. (L.) 492 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 15 (W.) und S. 56 (S.) 493 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 35 (A.) 494 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 81 (S.) 495 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 26 (H.) 496 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 36 (H.)

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Nach Ansicht des Zeugen L. waren die Wirtschaftsstrafabteilungen der Staats-anwaltschaft Halle ausreichend personell untersetzt. 497 Zudem war es üblich, dass sich nur ein Dezernent mit einem Ermittlungskomplex beschäftigt, auch wenn er derart umfangreich ist, wie dem hier untersuchten. 498 Die Leiterin der Abteilung Große Wirtschaft, die Zeugin G., meinte hingegen, dass sie für die Erfüllung der Aufgaben ihrer Abteilung mehr Personal gebrau-chen könnte. Insofern bestehe eine Diskrepanz zwischen den theoretisch ermit-telten Zahlen und dem tatsächlichen Arbeitsaufwand. Nach dem Personalbe-darfsberechnungssystem würden die beiden Wirtschaftsabteilungen der Staats-anwaltschaft Halle mit jeweils zwei bis vier Dezernenten auskommen. Tatsäch-lich gibt es in beiden Bereichen acht Vollzeitstellen. Verjährungsprobleme gab es aus Gründen der Personalknappheit jedoch nicht. 499 Die Zeugen W. und Dr. S. sagten aus, dass sowohl Herr L. als auch Herr W. fast ausschließlich mit dem betreffenden Ermittlungskomplex beschäftigt waren, dies aber in der Personalbedarfsberechnung nicht abgebildet wurde. Aus diesem Grund habe sich Herr W. mit Schreiben vom 5. Juli 2012 an die Generalstaats-anwaltschaft gewandt und darum gebeten den Verfahrenskomplex als sog. Großverfahren mit Berücksichtigung eines besonderen personellen Einsatzes abzubilden.500 Dieser Antrag wurde zurückgestellt, da die Voraussetzung, dass zur Bewältigung des Verfahrens eine externe Einstellung erforderlich ist, nicht vorlag, so die Zeugin Prof. Dr. K.. 501 Der Zeuge W. war der Meinung, dass der Einsatz eines Dezernenten für einen derart großen Verfahrenskomplex ausreichend war, da nur eine Person allein den Überblick behalten konnte. 502 Nach Aussage der Zeugin Prof. Dr. K. konnte sich Herr W. im Gegensatz zu Herrn L. ausschließlich mit diesem Ermittlungs-komplex befassen, so dass ab dem Wechsel der Staatsanwälte tatsächlich mehr Ressourcen für die Ermittlungen zur Verfügung standen.503

3. Die Personalausstattung und Arbeit im Landeskriminalamt

a) Die Ermittlungsgruppe „Sponsor“ Der Leiter des Dezernates 42 des Landeskriminalamtes, der Zeuge W., und der Leiter der innerhalb dieses Dezernates tätigen Ermittlungsgruppe „Sponsor“, der

497 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 20 (L.) 498 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 9 (L.) 499 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 44f. (G.) 500 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 51 bis 53 (W.) und Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 33 (Dr. S.) 501 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 10 (Prof. Dr. K.) 502 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 50 (W.) 503 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S. 11 (Prof. Dr. K.)

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Zeuge A., erläuterten, dass sich das Dezernat 42 grundsätzlich mit sogenannten Umfangsverfahren, die eine Bearbeitungszeit von mehr als sechs Monaten ha-ben, befasst. Auch der betreffende Ermittlungskomplex, mit dem sich die Ermitt-lungsgruppe „Sponsor“ befasste, war ein Umfangsverfahren mit ca. 600 Akten-ordnern und drei Terabyte elektronischen Daten als Beweismittel. 504 Die Staatsanwaltschaft in Dessau hatte in diesem Verfahren nach Aussage meh-rerer Zeugen einen Anfangsverdacht aufgrund der Ermittlungen des Privatdetek-tivs J. im IHK-Bildungszentrum. Da sich einer der beiden Zentralstellen für Wirt-schaftskriminalität in Halle befindet, wurde der Vorgang zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Halle abgegeben. Nachdem die Vorermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Halle abgeschlossen waren, wurde auf Anforderung der Staatsanwaltschaft im Juli 2009 die Ermittlungsgruppe „Sponsor“ gebildet. 505 Der Zeuge A. berichtete, dass das Landesverwaltungsamt dem Landeskriminal-amt die betreffenden Fördermittelakten übergeben hatte.506 Der Bericht der Prüf-gruppe ESF von November 2008 war in diesen Akten enthalten. 507 Der Zeuge S. meinte sich zu erinnern, dass es keine Absprachen mit der Prüfgruppe ESF gab, sondern die Einarbeitung der Mitarbeiter der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ in den Ermittlungskomplex anhand der Akten erfolgte.508 Die Ermittlungen innerhalb der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ begrenzten sich nach Aussage der Zeugen W. und A. ursprünglich auf eine Person des IHK-Bildungszentrums und einen relativ kleinen Unternehmerkreis, so dass zu Beginn von einem Schaden in Höhe von 150 000 Euro ausgegangen wurde. Bei der Durchsuchung der Räume der unter Verdacht stehenden Unternehmen, die im Februar 2010 durchgeführt wurde, wurde allerdings eine CD gefunden, aus wel-cher sich ergab, dass der Kreis der Unternehmen, die in die Fördermittelaffäre verstrickt sein könnten, erheblich größer war. 509 Hinzu kamen etwa Unterneh-men der F.-Gruppe, berichtete der Zeuge G..510 Die Zeugen W. und A. teilten weiterhin mit, dass der Ermittlungsgruppenleiter sodann festgelegt hat, welcher Sachbearbeiter für die Ermittlungen in welchem Unternehmen zuständig ist. Im Zuge der Ermittlungen wurden etwa 300 Personen vernommen. 511 Da es immer wieder neue Erkenntnisse gab, konnte zu Beginn der Ermittlungen noch nicht de-ren zeitlicher Abschluss festgelegt werden. Hinsichtlich der Ermittlungskonzepti-on erfolgte eine ständige Absprache zwischen den Mitgliedern der Ermittlungs-

504 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 5 bis 7 (W.) und S. 27 (A.) 505 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 8 (W.), S. 29 (A.) und S. 78 (S.) 506 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 32 bis 34 (A.) 507 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 33 (A.) 508 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 54 (S.) 509 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 9 bis 11 (W.) sowie S. 28 und 32 (A.) 510 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 49 (G.) 511 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 9 bis 11 (W.) sowie S. 28 und 32 (A.)

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gruppe, so der Zeuge S. 512 Der Zeuge H. sagte aus, dass im Laufe des Jahres 2010 zunächst versucht wurde, grundsätzlich ein System in die Problematik zu bekommen. Die elektronischen Daten konnten zunächst nur mit Hilfe von Exper-ten, später im Jahr 2011 mit Hilfe von eigens entwickelten Programmen durch die Ermittler selbst ausgewertet werden. Es wurde festgestellt, dass bestimmte Taten eventuell bereits verjährt waren.513 Die jeweiligen Leiter der Ermittlungsgruppe, Herr S. und später Herr A., standen in ständigem Kontakt zur Staatsanwaltschaft.514 Das Landeskriminalamt unter-richtete die vorgesetzte Behörde nur, wenn es personelle, sachliche oder finan-zielle Unterstützung benötigte, so der Zeuge S..515 Auf Nachfrage äußerte Herr S., das vermehrte Nachfragen beim Landeskriminalamt durch die vorgesetzte Behörde auch nach den Hausdurchsuchungen im Jahr 2010, welche das öffentli-che Interesse weckten, nicht zu verzeichnen waren.516 Die Zeugen W. und A. teilten mit, dass in den Jahren 2011 und 2012 Teilberichte erstellt wurden. Mit dem Abschlussbericht waren die Arbeiten der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ im März 2014 erledigt. 517 In diesem Bericht wurden nach Aussage des Zeugen S. 40 Fördermaßnahmen mit einer Zuwendungshöhe von 8,3 Millionen Euro darge-stellt.518

b) Die Ermittlungsgruppe „System“ und die Ermittlungsgruppe „Bildung“ Der Zeuge H. sagte aus, dass im Rahmen der Ermittlungen durch die Ermitt-lungsgruppe „Sponsor“ festgestellt wurde, dass andere Bildungsträger, also nicht das IHK-Bildungszentrum, ebenfalls Betrugshandlungen durchgeführt haben könnten. Deshalb wurde nach Einstellung der Tätigkeit der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ im März 2014 die Ermittlungsgruppe „System“ gegründet.519 Nach Be-kanntwerden dieser Tatsache im Untersuchungsausschuss, wurde beschlossen, insbesondere den bereits mit dem 18. Beweisbeschluss benannten Zeugen Staatsanwalt W. auch zur Ermittlungsgruppe „System“ zu vernehmen.520 Der Zeuge Staatsanwalt W. widersprach den Aussagen des Zeugen H. insofern, als seiner Ansicht nach die Ermittlungsgruppe „Sponsor“ ihre Arbeit nicht im März 2014 eingestellt hat. Vielmehr wertet sie weiterhin etwa Einlassungen von Ver-

512 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 82f. (S.) 513 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 18f. (H.) 514 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 14f. (W.) und S. 53 (S.) 515 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 80 (S.) 516 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 53 (S.) 517 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 16f. (W.) und S. 28 (A.) 518 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 76 (S.) 519 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 20 bis 22 (H.) 520 19. Beweisbeschluss U13/19

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teidigern aus. 521 Zudem sagte der Zeuge W. aus, dass die Ermittlungsgruppe „System“ Ende 2012/Anfang 2013 gegründet worden ist, als sich bei der Auswer-tung der im Rahmen der Durchsuchung von Februar 2010 sichergestellten elekt-ronischen Daten bei der Beschuldigten S. und der Beschuldigten K. Anhaltspunk-te für weitere Subventionsbetrugstaten ergaben, die mit den bisher bekannten Unternehmen nichts zu tun hatten. Der zeitnahe Abschluss des Hauptverfah-rens, bei welchem das IHK-Bildungszentrum Bildungsträger war, sollte nicht ge-fährdet werden.522 Nach Aussage des Zeugen G. befasst sich die Ermittlungsgruppe „System“ mit 21 Fällen. 523 Derzeit sind 43 Beschuldigte erfasst, so der Zeuge W..524 Die Zeugen W. und G. teilten dem Untersuchungsausschuss auf Nachfrage mit, dass seit September 2013 zudem die Ermittlungsgruppe „Bildung“ existiert, wel-che in sieben Fällen ermittelt.525 Diese befasst sich mit Vorgängen, die ebenfalls einen anderen Bildungsträger, aber auch ein anderes Förderverfahren, die För-derung durch die Agentur für Arbeit, betreffen. 526 Das einzige Bindeglied zwi-schen den Ermittlungsgruppen sind die Beschuldigten S. und K..527 Die Ermittlungsgruppe „Sponsor“ untersuchte nach Aussage des Zeugen W. den Anfangsverdacht im Hinblick auf Subventionsbetrugshandlungen aus den Jahren 2004 bis 2007. Die Ermittlungsgruppen „System“ und „Bildung“ beziehen sich auf den Zeitraum 2008 und 2009. 528 Vorgänge zum Nachteil der Investitionsbank werden in diesen Ermittlungsgruppen nicht geprüft. 529

c) Die Personalausstattung der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ Im Zusammenhang mit der Klärung der Frage, ob die beteiligten Ministerien alles getan haben, um zu einer zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfällen beizutragen, befasste sich der Untersuchungsaus-schuss mit der personellen Ausstattung der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ beim Landeskriminalamt. Nach Angaben des Zeugen L. bestand die Ermittlungsgruppe „Sponsor“ zu Be-ginn aus zwei Personen. Als die Akten des Landesverwaltungsamtes im Landes-

521 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 73f. (W.) 522 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 60f. und 64 (W.) 523 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 45 (G.) 524 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 64 (W.) 525 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 52 (G.) und S. 64 (W.) 526 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 61 (W.) 527 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 62f. (W.) 528 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 63 (W.) 529 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 67 (W.)

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kriminalamt eintrafen, wurde die Ermittlungsgruppe personell aufgestockt.530 Sie bestand zeitweise aus fünf oder sechs Mitarbeitern, so die Zeugen L. und G.. 531 Der Zeuge A. und der Zeuge S., die Ermittlungsgruppenleiter, sowie die Zeugin K., welche vier Monate Mitglied der Ermittlungsgruppe war, sagten hingegen aus, dass die Ermittlungsgruppe gleich zu Beginn aus fünf Personen bestand. 532 Der Zeuge H., welcher seit 2009 in diese Ermittlungsgruppe abgeordnet war, war der Ansicht, dass zu Beginn zwar vier oder fünf Beamte im Einsatz waren, sich effek-tiv jedoch nur drei Beamte mit dem Ermittlungskomplex um das IHK-Bildungszentrum befassen konnten. 533 Der Zeuge W. meinte sich zu erinnern, dass die Ermittlungsgruppe durchschnittlich mit sieben Personen besetzt war.534 Der Zeuge S. bestätigte, dass er im Laufe der Jahre als Ermittlungsgruppenleiter mehr Personal erhielt. 535 Der Direktor des Landeskriminalamtes, der Zeuge S., sagte aus, dass die Ermittlungsgruppe von Juli 2009 bis März 2011 mit fünf bis sieben Personen besetzt war, von Mai 2011 bis November 2011 hat sie mit sechs bis sieben Personen gearbeitet, von Dezember 2011 bis März 2012 waren es sieben und danach acht Mitarbeiter. 536 Die Leiterin der Abteilung Große Wirtschaft der Staatsanwaltschaft Halle, die Zeugin G., schätzte auf der einen Seite eine derartige Größe einer Ermittlungs-gruppe als durchaus gut ein, auf der anderen Seite meinte sie jedoch, dass eine weitere Erhöhung um zwei Mitarbeiter für einen derartigen Ermittlungskomplex wünschenswert gewesen wäre. Die Möglichkeiten des Einsatzes von Mitarbei-tern im Landeskriminalamt waren allerdings begrenzt. Wären zwei weitere Beam-te für diesen Ermittlungskomplex eingesetzt worden, hätten sie an anderer Stelle gefehlt. 537 Zudem gibt es nur wenige Mitarbeiter, die für Ermittlungstätigkeiten im Bereich Wirtschaftskriminalität geeignet sind, so der Zeuge S.538 Der Zeuge S. bestätigte diese Einschätzung. Aufgrund der knappen personellen Kapazitäten seit dem Jahr 2008 müssen die Mitarbeiter einer Ermittlungsgruppe immer mehr vernetzt, das heißt auch in anderen Bereichen, arbeiten. Auf Nach-frage teilte der Zeuge S. dem Untersuchungsausschuss mit, dass von den vor-handenen personellen Ressourcen auch die Ermittlungstiefe abhängig ist. Letzt-endlich legt die Staatsanwaltschaft den Umfang, die Ermittlungstiefe und -richtung fest.539

530 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 9 (L.) 531 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 10 (L.) und S. 40 (G.) 532 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 28 (A.), S. 44 (K.) und S. 51 (S.) 533 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 18 (H.) 534 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 19 (W.) 535 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 55 (S.) 536 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 77 (S.) 537 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 40 (G.) 538 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 55 (S.) 539 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 79f. (S.)

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Der Zeuge W. bestätigte, dass die Mitarbeiter einer Ermittlungsgruppe grund-sätzlich nur mit Aufgaben dieser betraut sind, jedoch bei Bedarf auch andere Aufgaben, wie etwa eine Anzeigenaufnahme, erledigen. 540 Der Zeuge H. teilte mit, dass einzelne Sachbearbeiter der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ zusätzlich mit Nachermittlungen anderer Verfahren beschäftigt waren.541 Der Zeuge A. und der Zeuge W. meinten, dass ein ständiger Personalengpass vorhanden war. Es wurde versucht, die begrenzten Ressourcen so gut wie mög-lich einzusetzen.542 Die Forderung nach mehr Personal erfolgte ständig, schon vor dem Hintergrund, keine Mitarbeiter abgeben zu müssen, so die Zeugen A. und S. 543 Der Zeuge S. sagte aus, dass sich gewöhnlich ein Abteilungsleiter öf-ter um personelle Unterstützung bemüht, Anfragen des leitenden Oberstaatsan-waltes in dieser Hinsicht jedoch nur in Einzelfällen erfolgen. Bezogen auf die Er-mittlungsgruppe „Sponsor“ hat sich der leitende Oberstaatsanwalt W. allerdings im Juni 2011 mit der Bitte um den Einsatz von zusätzlichem Personal an das Landeskriminalamt gewandt. Dies hatte der Zeuge S. zum Anlass genommen, in den Behörden um Ermittlungskräfte zu werben. Das führte dann im Verlauf – von November 2011 bis zum Abschluss der Ermittlungen – dazu, dass ein Mitarbeiter aus der Polizeidirektion Ost dauerhaft abgeordnet worden ist, dass die Polizeidi-rektion Nord mehr oder weniger dauerhaft zwei Kräfte abordnete und dass aus der Abteilung 5 des Landeskriminalamtes auch eine Kraft in die Ermittlungsgrup-pe gegeben werden konnte.544 Zukünftig soll nach Aussage des Zeugen W. der Bereich der Wirtschaftskriminalität mehr zentralisiert werden, um Ressourcen zu bündeln. 545 Der Zeuge L. äußerte, dass Personalknappheit in jedem Ermittlungsverfahren besteht. Lösen konnte man dieses Problem in dem zu untersuchenden Ermitt-lungskomplex nur, indem man bei den Ermittlungen Schwerpunkte setzte und nicht jedem Tatvorwurf bis ins Detail nachging.546

d) Das Verfahren in Bezug auf einen Abgeordneten Bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit den Unregelmäßigkeiten im IHK-Bildungszentrum wurde auch bekannt, dass ein Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt als Dozent in Existenzgründerlehrgängen tätig war. Zudem hat-ten Geldflüsse zwischen ihm und einem Beschuldigten stattgefunden. Die Ermitt-lungen zu diesem Sachverhalt sind nicht weiterverfolgt worden.

540 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 19f. (W.) 541 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 25 (H.) 542 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 13f. (W.) und S. 36f. (A.) 543 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 37 (A.) und S. 54f. (S.) 544 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 76 und 81 (S.) 545 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 24 (W.) 546 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 14 (L.)

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Der Zeuge K. bestätigte, dass er in den Jahren 2006 und 2007 sechs Lehraufträ-ge für Existenzgründer im Fach Arbeits- und Tarifrecht durch das IHK-Bildungszentrum erhalten hatte. Er hatte das Konzept zusammen mit dem Zeu-gen Dr. E., Fachanwalt für Arbeit-und Tarifrecht, erarbeitet. Pro Lehrauftrag wa-ren es ca. 16 Stunden. Für jede Stunde erhielt er 17,50 Euro.547 Der Zeuge W. sagte aus, dass Herr B. Herrn K. die Dozententätigkeiten ermög-licht hatte. 548 Der Zeuge K. war der Ansicht, dass er es für nicht unwahrschein-lich hält, dass die Vertragsanbahnung über Herrn B. lief. 549 Aufgrund des gerin-gen Stundenverdienstes kann, so der Zeuge K., jedoch davon ausgegangen werden, dass es keine Gefälligkeit des Herrn B. gewesen ist, ihm die Dozenten-tätigkeiten zu ermöglichen.550 Der Zeuge H. bestätigte, dass es sich in dem Ermittlungsfall um eine Dozenten-tätigkeit in einem Existenzgründerlehrgang gehandelt hatte. Seiner Ansicht nach wurde dieser Ermittlungsansatz nicht weiter verfolgt, weil es sich um einen Exis-tenzgründerlehrgang und nicht wie bei den anderen Fällen um Mitarbeiterschu-lungen gehandelt hatte und es hinsichtlich der Fördersumme wesentlich größere Verfahren gab, die bearbeitet werden mussten. 551 Objektiv gesehen ist ein derar-tiges Vorgehen seiner Meinung nach ermittlungstaktisch nachvollziehbar.552 Der Zeuge S. sagte aus, dass es in diesem Fall keinen Ansatzpunkt für weitere kriminalistische Ermittlungen gab. Zum einen deuteten die Geldflüsse zwischen dem Abgeordneten und einem Beschuldigten nur auf die Rückzahlung eines Dar-lehens hin. Zum anderen dürfte das aus den anderen Vorgängen bekannte Motiv der Lehrgangsteilnehmer, aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes trotz Nichtdurchführung eines Lehrganges auf der Anwesenheitsliste eine Unterschrift zu leisten, bei Existenzgründern nicht greifen. Ein Gespräch mit dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zu diesem Sachverhalt gab es nicht. 553 Der Zeuge W. sagte aus, dass in derartigen Fällen letztendlich die Staatsanwalt-schaft als Herrin des Verfahrens entscheidet, welche konkreten Ermittlungsan-sätze weiterverfolgt werden und welche nicht. 554 Im konkreten Fall musste dem-nach die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob ein derart starker Anfangsverdacht gegeben ist, der zur Aufhebung der Immunität führen könnte. Der Zeuge W. meinte sich zu erinnern, dass im Ergebnis einer Diskussion kein Anfangsver-

547 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 100f. (K.) 548 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 64 (W.) 549 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 114 (K.) 550 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 106f. (K.) 551 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 35 (H.) 552 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 41 bis 43 (H.) 553 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 87 bis 89 (S.) 554 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 9 und 22 (W.)

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dacht gesehen wurde.555 Dies bestätigte auch der Zeuge A., welcher meinte, dass auch das Landeskriminalamt wohl keinen Straftatbestand sah.556 Nach Aussage des Staatsanwalts, des Zeugen W., gab es aus Sicht des Staats-anwalts L. und seiner Sicht keinen Anfangsverdacht. Allein die Abrechnung von Dozentenleistungen sowie finanzielle Beziehungen zu einem Beschuldigten reichten nicht, einen solchen zu begründen. 557

e) Das Verfahren in Bezug auf den zuständigen Referenten des Ministeri-ums für Wirtschaft und Arbeit Nach übereinstimmender Aussage der Zeugen S. und S. wird das Verfahren in Bezug auf den Mitarbeiter des Ministeriums Herrn S. getrennt geführt und war zum Zeitpunkt der Zeugenvernehmungen nicht abgeschlossen. Besondere Be-richtspflichten gab es in diesem Verfahren nicht. 558 Der Zeuge H. sagte aus, dass der Ermittlungskomplex gegen Herrn S. von der Staatsanwaltschaft abge-fordert wurde und ca. zwei Jahre lang beim Wirtschaftsprüfdienst der Staatsan-waltschaft, der betriebswirtschaftliche Unterlagen aufarbeitet, lag. Da die Akte somit im Landeskriminalamt nicht vorhanden war, konnten einzelne Ermittlungs-ergebnisse nicht in dieses Verfahren eingefügt werden. Hierbei handelte es sich um Zahlungsflüsse mit den Firmen P. Biskuit AG, Dessauer Qualifizierungs- und Ausbildungszentrum (DQAS) GmbH, Baustoff-Service GmbH und Baustoff-Grundbesitz GmbH. Entsprechende Zahlungen haben der Verjährung unterle-gen. Die Anfangsermittlungen wurden sodann im Jahr 2013 durchgeführt und der Komplex an ein anderes Dezernat, welches sich mit Korruption und Betrug be-schäftigt, abgegeben. 559 Der Zeuge Staatsanwalt W. sagte in diesem Zusammenhang aus, dass die Wirt-schaftsprüfgruppe Kontobewegungen überprüft hatte. Ein zur Anklage berechtig-ter Tatverdacht hatte sich nicht ergeben, aber es bestanden weitere Ermitt-lungsmöglichkeiten. In den nächsten Wochen, so der Zeuge, soll ein Rechner ausgewertet werden. Auf Nachfrage erklärte der Zeuge, nach seiner Kenntnis war der Vorgang S. nicht in der Bearbeitung des Herrn H.. Auf Vorhalt der Aus-sage des Zeugen H., keinen Zugang zu der Akte gehabt zu haben, verwies er darauf, dass das Landeskriminalamt jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, die Akte anzufordern. An eine derartige Anforderung konnte sich der Zeuge W. je-doch nicht erinnern. Es ist nicht zu befürchten, dass das Verfahren aufgrund von Verjährung nicht mehr zum Abschluss geführt werden kann.560 Bis zum Zeitpunkt der Zeugenvernehmung gab es nach Aussage des Zeugen W. einen Vorgang,

555 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 22 bis 24 (W.) 556 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 37 bis 39 (A.) 557 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 80 bis 82 (W.) 558 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 60 (S.) und S. 93 (S.) 559 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 19f., 27f., 31f. und 41 (H.) 560 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 69 bis 71 (W.)

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der verjährt ist, da der Beweismittelordner nicht entsprechend gekennzeichnet war. 561

f) Einflussnahme auf die Ermittlungstätigkeit Auf Nachfrage erklärte der Zeuge L., dass weder die Generalstaatsanwaltschaft noch das Ministerium für Justiz und Gleichstellung Einfluss auf Inhalt oder Füh-rung der Ermittlungsverfahren nahmen.562 Der Zeuge H. erklärte, dass es zu kei-ner Zeit ungewöhnliche Anfragen von Abgeordneten, Bürgermeistern oder dem Stadtrat der Stadt Dessau-Roßlau zu dem zu untersuchenden Komplex gab und dass eine Einflussnahme, in eine bestimmte Richtung zu ermitteln, nicht erfolgt ist. Im Rahmen seiner Ermittlungstätigkeit gab es keine Ansatzpunkte, dass das Landesverwaltungsamt oder Teile der Landesregierung versuchten, Einfluss zu nehmen.563

561 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 8. Mai 2015, S. 79 (W.) 562 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 21 (L.) 563 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 40 (H.)

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TEIL C

Inhaltsverzeichnis

Ergebnisse der Untersuchung und Bewertung der Ergebnisse durch den Untersuchungsausschuss.................................................................................................. 104

Sondervotum der Mitglieder des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Fraktion DIE LINKE ........................................................................................................... 110

Grundlegende Bewertung der Feststellungen des Untersuchungsausschusses einschließlich der Ergebnisse der Untersuchungen .............................................. 110

1. Zur Notwendigkeit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses ..................... 110

2. Kernaussagen mit Blick auf vorliegende Ergebnisse des Untersuchungsausschusses ................................................................................. 111

2.1 Das IHK-Bildungszentrum Halle-Dessau ....................................................... 113

2.1.1 Unregelmäßigkeiten bei der Realisierung von Bildungsmaßnahmen; ..... 113 Veruntreuung von EU-Fördermitteln .................................................................... 113

2.2 Das Landesverwaltungsamt ........................................................................... 117

2.2.1 Bearbeitung der Fördermittelanträge im Landesverwaltungsamt und Prioritätensetzung ............................................................................................... 117 2.2.2 Personalsituation und deren Folgen auf notwendige Kontrollen .............. 121

2.3 Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) ............................................................................................. 124

2.3.1 Beurteilung der sogenannten Prioritäts-E-Mail ........................................ 125 2.3.2 Rolle und Verantwortung des ehemaligen Ministers für Wirtschaft und Arbeit im Prozess der Fördermittelvergabe ......................................................... 128

2.4. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes ............. 130

2.4.1 Personalausstattung in der Staatsanwaltschaft und der Wechsel des Staatsanwaltes L. zum Finanzgericht Sachsen-Anhalt ........................................ 130 2.4.2 Personalausstattung im Landeskriminalamt ............................................ 133 2.4.3 Schlussfolgerungen zum Komplex „Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes“............................................. 135

3. Generelles Fazit: ................................................................................................... 137

Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus den vorliegenden Ergebnissen der Tätigkeit des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ....................... 137

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Sondervotum des Mitglieds des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses / des Abgeordneten Herrn Olaf Meister, Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen ........................... 140

Vorbemerkung ............................................................................................................... 140

A. Rechtswidrige Fördermittelvergabe .......................................................................... 140

B. Ursachen: Rechtswidriges Handeln des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit ....... 143

1. Missbrauchsanfällige Richtlinie .............................................................................. 143

a) Mangelhafte arbeitsmarktpolitische Zielsetzung ................................................. 144

b) Keine regionale Auswertung ............................................................................... 145

c) Problematik der Unterauftragsvergabe ............................................................... 145

d) Inhouse-Schulungen und Lohnkostenerstattungen ............................................ 146

e) Mangelhafte Zweck-Mittelrelation ....................................................................... 146

2. Dauerhafte Personalengpässe ............................................................................... 147

3. Unzureichende Kontrolle ........................................................................................ 148

4. Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz, Transparenzgebot und Schriftlichkeitsgebot 151

a) Otium .................................................................................................................. 151

b) Sogenannte Prioritätsemail ................................................................................. 152

c) Eckert und Wiethake, Timework ......................................................................... 153

d) Vor-Ort-Kontrolle bei F. ....................................................................................... 153

e) P.-Biskuit ............................................................................................................ 154

f) EWA-Projekt ........................................................................................................ 154

5. Druck, Fördermittel abfließen zu lassen ................................................................. 156

6. Mangelhafte Kenntnisse zur Anzeigepflicht des Subventionsbetrugs .................... 156

C. Subventionierte Verquickung von Sport, Unternehmen und CDU ............................ 157

D. Zeitnahe Aufklärung? ................................................................................................ 159

1. Folgen .................................................................................................................... 159

2. Ursachen ................................................................................................................ 160

3. Politisch bedeutsame Verfahren ............................................................................. 160

E. Mangelhafter Umgang mit Korruptionsverdacht ........................................................ 162

F. Zusammenfassung und Empfehlungen ..................................................................... 165

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Ergebnisse der Untersuchung und Bewertung der Ergebnisse durch den Un-tersuchungsausschuss Dem 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wurde mit dem Einsetzungs-beschluss vom 18. Oktober 2012 die Aufgabe übertragen für den Zeitraum von 2004 bis Juli 2012 zu klären,

1. ob und in welchem Umfang durch Handeln oder Unterlassen der Landesregie-rung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordne-ten Behörden bei der Vergabe und Gewährung von beantragten Fördermitteln und deren Verwendungskontrolle gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wurde sowie Fördermittelvergaben einschließlich des Bewertungsverfahrens als nicht rechtmäßig oder willkürlich einzuordnen sind oder aufgrund unzulässiger mittelbarer oder unmittelbarer Beeinflussung des Verfahrens erfolgten; 2. ob durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden unter besonderer Berücksichtigung einer hierarchisch strukturierten Behörde eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder erst ermöglicht wurde; 3. ob aufgrund eines ungenügenden Kontrollmechanismus oder der Nichteinhal-tung vorgeschriebener Kontrollen seitens der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder ermöglicht wurde; 4. ob und in welchem Umfang Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirt-schaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden im Rahmen der Fördermittelvergabe dazu geführt haben, dass Spen-denleistungen, Provisionen oder andere finanzielle Zuwendungen oder Vorteile durch Fördermittelbegünstigte vor oder nach den Fördermittelvergaben an Mit-glieder der Landesregierung Sachsen-Anhalt oder ihr nahe stehende Personen oder Organisationen getätigt wurden und somit ein ursächlicher oder ein zeitli-cher Zusammenhang zwischen der Fördermittelvergabe und einer Geldspende oder einer anderen finanziellen oder geldwerten Zuwendung hergestellt werden kann, sowie dass Dozentenverträge mit der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH zu marktunüblichen Konditionen oder als Scheinverträge abgeschlossen wurden oder im Zusammenhang mit Informationsveranstaltungen der IHK Bil-dungszentrum Halle-Dessau GmbH Spenden oder sonstige Zuwendungen ge-leistet wurden; 5. ob die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleich-stellung sowie das Ministerium für Inneres und Sport, alles getan hat, um zu ei-ner zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfäl-len beizutragen und insbesondere mittels einer ausreichenden personellen Aus-

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stattung der Ermittler (hier insbesondere Staatsanwaltschaft und Landeskrimi-nalamt) die Ermittlungen Erfolg versprechend durchzuführen und zeitnah ab-schließen zu können.

Der Untersuchungsausschuss hat sich dabei in insgesamt 23 öffentlichen und nicht-öffentlichen Sitzungen sowohl durch 9 Aktenvorlagenverfahren als auch umfängliche Zeugenvernehmungen auf der Grundlage von 16. Beweisbeschlüssen, ein umfas-sendes Bild von den zu untersuchenden Sachverhalten machen können. Gemäß dem Einsetzungsbeschluss vom 18. Oktober 2012 sollte der Untersu-chungsausschuss für den Zeitraum von 2004 bis Juli 2012 klären,

ob und in welchem Umfang durch Handeln oder Unterlassen der Landesregie-rung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordne-ten Behörden bei der Vergabe und Gewährung von beantragten Fördermitteln und deren Verwendungskontrolle gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wurde sowie Fördermittelvergaben einschließlich des Bewertungsverfahrens als nicht rechtmäßig oder willkürlich einzuordnen sind oder aufgrund unzulässiger mittelbarer oder unmittelbarer Beeinflussung des Verfahrens erfolgten; ob durch das Handeln oder Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden unter besonderer Berücksichtigung einer hierarchisch strukturierten Behörde eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder erst ermöglicht wurde; ob aufgrund eines ungenügenden Kontrollmechanismus oder der Nichteinhaltung vorgeschriebener Kontrollen seitens der Landesregierung insbesondere im Ge-schäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Minis-terium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden eine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder ermöglicht wurde.

Weder durch die vorgelegten Akten noch durch die vernommenen Zeugen konnte eine Einflussnahme der Landesregierung auf die zu untersuchenden Sachverhalte belegt werden. Offensichtlich hat es eine solche Einflussnahme nicht gegeben. Auch die hierfür immer wieder als Beleg ins Feld geführte sogenannte Prioritäts-E-Mail führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Aussagen der hierzu als Zeugen ver-nommenen Beteiligten haben übereinstimmend ergeben, dass diese zwar einen Er-lass darstellte, jedoch das Landesverwaltungsamt nicht davon entband, seinen Prüf-pflichten nachzukommen. Das Landesverwaltungsamt hat, was Ziel der Email war, die beiden in Rede stehenden Vorgänge lediglich unter Beachtung seiner Prüfpflich-ten vorrangig bearbeitet. Die fachliche Bewertung des Landesverwaltungsamtes wurde dadurch nicht eingeschränkt.

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Der Untersuchungsgang hat gezeigt, dass die vorhandenen Kontrollmechanismen der Landesverwaltung im Fördergeschäft greifen und wirken, zumal nicht vergessen werden darf, dass die in Rede stehenden Förderungen im Bereich des Arbeitsmarkts ein „Massengeschäft“ waren mit hunderten von Förderungen landesweit. Hätte man diese Förderanträge so bearbeitet, wie dies teilweise in den Ausschussberatungen gefordert wurde, hätten viele Antragssteller wesentlich länger auf die Bewilligung ihre Förderung warten müssen, was mit Sicherheit öffentlich gerügt worden wäre. Ob durch vermehrte unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen zur Verwendung der För-dermittel der Missbrauch von Fördermitteln hätte vermieden werden können, mag dahinstehen. Diese würden nur Sinn machen, wenn sie flächendeckend erfolgen würden. Dafür reicht das im Landesdienst zur Verfügung stehende Personal ange-sichts des „Massengeschäfts“ bei weitem nicht aus. Stichproben nach einem Zufalls-prinzip sind durch das Landesverwaltungsamt erfolgt. Eine Einflussnahme der Mini-sterien auf diese Kontrollen hat es nicht gegeben. Unabhängig davon wird man bei entsprechender krimineller Energie der Antragsstel-ler nie in Gänze verhindern können, dass es zu rechtswidrigen Förderungen kommt. Aber auch hierzu ist anzumerken, dass im Rahmen der verschiedenen Prüfungsstu-fen auch diese Missbrauchsfälle aufgedeckt wurden und entsprechend verfolgt wur-den und werden. Die zu untersuchenden Sachverhalte sind auf die hohe kriminelle Energie einzelner handelnder Personen zurückzuführen. Diese sind und werden da-für strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Die Vernehmung der Zeugen aus dem Bereich der Landesverwaltung hat gezeigt, dass aufgrund der zu untersuchenden Sachverhalte die Landesregierung noch ge-nauer als in der Vergangenheit auf die Verwendung von Fördergeldern aus dem Eu-ropäischen Sozialfonds achtet. Die Arbeit des Dreizehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses hat mit dazu beigetragen, diese Sachverhalte aufzuklären und die Förderpolitik des Landes weiter zu verbessern. Gemäß dem Einsetzungsbeschluss vom 18. Oktober 2012 sollte der Untersu-chungsausschuss für den Zeitraum von 2004 bis Juli 2012 auch klären,

ob und in welchem Umfang Handeln oder Unterlassen der Landesregierung ins-besondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirt-schaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden im Rahmen der Fördermittelvergabe dazu geführt haben, dass Spen-denleistungen, Provisionen oder andere finanzielle Zuwendungen oder Vorteile durch Fördermittelbegünstigte vor oder nach den Fördermittelvergaben an Mit-glieder der Landesregierung Sachsen-Anhalt oder ihr nahe stehende Personen oder Organisationen getätigt wurden und somit ein ursächlicher oder ein zeitli-cher Zusammenhang zwischen der Fördermittelvergabe und einer Geldspende oder einer anderen finanziellen oder geldwerten Zuwendung hergestellt werden kann, sowie dass Dozentenverträge mit der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH zu marktunüblichen Konditionen oder als Scheinverträge abgeschlossen wurden oder im Zusammenhang mit Informationsveranstaltungen der IHK Bil-dungszentrum Halle-Dessau GmbH Spenden oder sonstige Zuwendungen ge-leistet wurden.

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Weder durch die vorgelegten Akten noch durch die vernommenen Zeugen konnte diese Vermutung belegt werden. Hinweise über einen Zusammenhang zwischen dem Einwerben von Spenden und Fördermittelvergaben wurden nicht festgestellt. Auch wies das Spendenaufkommen des CDU Kreisverbandes Dessau in dem in Re-de stehenden Zeitraum keine Auffälligkeiten auf. Auch gab es hinsichtlich der Spen-den keine Beanstandungen der Rechnungsprüfer des CDU Kreisverbandes und auch nicht des CDU Landesverbandes. Alle Spenden wurden ordnungsgemäß ver-bucht. Gemäß dem Einsetzungsbeschluss vom 18. Oktober 2012 sollte der Untersu-chungsausschuss für den Zeitraum von 2004 bis Juli 2012 zu klären,

ob die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstel-lung sowie das Ministerium für Inneres und Sport, alles getan hat, um zu einer zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfällen beizutragen und insbesondere mittels einer ausreichenden personellen Ausstat-tung der Ermittler (hier insbesondere Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt) die Ermittlungen Erfolg versprechend durchzuführen und zeitnah abschließen zu können.

Weder durch die vorgelegten Akten noch durch die vernommenen Zeugen konnte eine Einflussnahme der Landesregierung auf die zu untersuchenden Sachverhalte belegt werden. Die Zeugenvernehmungen haben gezeigt, dass die Ermittlungen sorgfältig durchgeführt wurden. Übereinstimmend erklärten die Zeugen, dass es kei-ne Einflussnahme auf die Ermittlungen durch andere Behörden des Landes oder durch Dritte gegeben habe. Fazit Im Ergebnis des Untersuchungsausschusses ist eindeutig festzustellen, dass im Zeit-raum von 2004 bis Juli 2012,

1. die Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und den nachgeordneten Behörden bei der Vergabe und Gewährung von beantrag-ten Fördermitteln und deren Verwendungskontrolle nicht gegen gesetzliche Best-immungen verstoßen hat sowie Fördermittelvergaben einschließlich des Bewer-tungsverfahrens als rechtmäßig und nicht willkürlich einzuordnen sind und ohne mittelbare oder unmittelbare Beeinflussung des Verfahrens erfolgten; 2. die Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) so-wie den nachgeordneten Behörden unter besonderer Berücksichtigung einer hie-rarchisch strukturierten Behörde keine rechtswidrige Fördermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder erst ermöglicht hat; 3. die Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) so-wie den nachgeordneten Behörden aufgrund der vorhandenen Kontrollmecha-

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nismen und der Einhaltung vorgeschriebener Kontrollen keine rechtswidrige För-dermittelvergabe oder Fördermittelverwendung begünstigt oder ermöglicht hat; 4. weder ein Handeln noch ein Unterlassen der Landesregierung insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) sowie der nachgeordneten Behörden im Rahmen der Fördermittelvergabe dazu geführt hat, dass Spendenleistungen, Provisionen oder andere finanzielle Zuwendungen oder Vorteile durch Fördermit-telbegünstigte vor oder nach den Fördermittelvergaben an Mitglieder der Landes-regierung Sachsen-Anhalt oder ihr nahe stehende Personen oder Organisatio-nen getätigt wurden und somit kein ursächlicher oder zeitlicher Zusammenhang zwischen der Fördermittelvergabe und einer Geldspende oder einer anderen fi-nanziellen oder geldwerten Zuwendung hergestellt werden kann, sowie dass Do-zentenverträge mit der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH zu marktübli-chen Konditionen und nicht als Scheinverträge abgeschlossen wurden und nicht im Zusammenhang mit Informationsveranstaltungen der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH Spenden oder sonstige Zuwendungen geleistet wurden; 5. die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstel-lung sowie das Ministerium für Inneres und Sport, alles getan hat, um zu einer zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfällen beizutragen und insbesondere mittels einer ausreichenden personellen Ausstat-tung der Ermittler (hier insbesondere Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt) die Ermittlungen Erfolg versprechend durchzuführen und zeitnah abschließen zu können.

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Sondervotum der Mitglieder des 13. Parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses der Fraktion DIE LINKE Unter Bezugnahme auf den Untersuchungsauftrag, das Verfahren sowie die Darle-gung des Sachverhaltes und der Feststellungen des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt einschließlich dessen Un-tersuchungsergebnisse und Bewertungen im vorliegenden Abschlussbericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses nehmen die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE des Ausschusses zu den Ergebnissen nachfolgend abweichend Stellung und bewerten die Untersuchungsergebnisse zum vorgelegten Bericht wie folgt:

Grundlegende Bewertung der Feststellungen des Untersuchungsausschusses einschließlich der Ergebnisse der Untersuchungen

1. Zur Notwendigkeit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Die erforderliche Notwendigkeit der Einsetzung und der damit verbundene Untersu-chungsauftrag des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurden seit der Konstituierung des Ausschusses am 30. November 2012 durch eine intensive dreijährige Arbeit des Untersuchungsausschusses im Rahmen von 23 Sitzungen und den daraus resultierenden, jetzt vorliegenden Ergebnissen belegt und umfänglich bestätigt. Dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an der vollständigen Aufklärung von Sachverhalten, die im ursächlichen Zusammenhang mit öffentlich bekanntgeworde-nen Vorgängen hinsichtlich eines möglichen Fördermittelbetruges in Sachsen-Anhalt standen, wurde damit im Wesentlichen Rechnung getragen. Dabei ist festzustellen, dass die Mehrzahl der bekannt gewordenen Fakten eines möglichen Fördermittelskandals vor Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu-nächst ausschließlich über die Medien bzw. deren Recherchen öffentlich bekannt geworden ist. In diesem Zusammenhang ist ebenso zu konstatieren, dass die Landesregierung, ihre Ministerien und die ihnen nachgeordneten Behörden zu diesem Zeitpunkt nur ein unterschwelliges Maß an Offenheit bezüglich einer voll umfänglichen Aufklärung der Sachverhalte erkennen ließen. Dieser Zustand war mehr als unbefriedigend und als nicht hinreichend und hinnehmbar anzusehen. Auch die durch die Fraktion DIE LINKE am 5. Juli 2012 beantragte Aktuelle Debatte zur „Bewertung des Dessauer Fördermittel- und CDU-Spendenskandals“ in der Drs. 6/1267 sowie die Behandlung des Themas im Ausschuss für Wissenschaft und Wirt-schaft mittels Selbstbefassungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in seiner 13. Sitzung am 19. Juli 2012 konnten seitens der Landesregierung zu einer vollständigen Aufklärung der Sachverhalte nur ungenügend beitragen.

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Aus diesen Gründen war eine umfassende Aufklärung ausschließlich im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses möglich und erforderlich, des-sen nun vorliegende Ergebnisse die Notwendigkeit der Einsetzung und der darauf basierenden Untersuchungsarbeit in Gänze belegen. Umfangreiche staatsanwaltliche Ermittlungen, zahlreiche Anklageerhebungen, eine bisher äußerst geringe Anzahl von Urteilen sowie ein seit dem 07. Oktober 2015 lau-fender Prozess wegen Subventionsbetruges gegen zwei ehemalige Geschäftsführer von Unternehmen, die fast zwei Millionen € Fördermittel zu Unrecht erhalten haben sollen, erbringen auch im Nachhinein den nochmaligen Nachweis der Richtigkeit und insbesondere der Dringlichkeit der Einsetzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses im Jahr 2012.

2. Kernaussagen mit Blick auf vorliegende Ergebnisse des Untersuchungsaus-schusses Grundlegendes Fazit der Untersuchungen des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses nach Abschluss der durchgeführten Beweiserhebungen durch die Vorlage von Akten und sonstigen Unterlagen sowie durch die Vernehmung von zahlreichen Zeugen auf der Grundlage vielfältiger Beweisbeschlüsse im Rahmen des Untersuchungsauftrages besteht darin, dass sich die im Einsetzungsbeschluss zum Ausdruck kommenden Vorwürfe und Behauptungen partiell als begründet erwiesen haben. Sie wurden durch die getätigten Beweisaufnahmen nicht unerheblich bekräf-tigt. Durch entsprechend ungenügendes oder nur zögerliches Handeln oder Unterlassen der Landesregierung, insbesondere im Geschäftsbereich des Ministeriums für Wis-senschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und der nachgeordneten Behörden, wurde - zu mindest fahrlässig - ein über viele Jahre lau-fender Fördermittelmissbrauch begünstigt. Ein entsprechendes Gegensteuern, das sofortige Reagieren auf personelle Engpäs-se sowie die Unterstützung und Realisierung notwendiger Kontrollmechanismen sei-tens der Landesregierung und ihr nachgeordneter Behörden hätte erheblich dazu beitragen können, Fördermittelvergaben einschließlich deren Bewertungsverfahren sowie Fördermittelverwendungen im Bereich der Arbeitsmarktförderung rechtmäßig und damit gesetzeskonform zu realisieren und einem Missbrauch langfristig vorzu-beugen. Die Landesregierung hat es versäumt, in einem ausreichenden Maß für adäquate und unterstützende Vorkehrungen im Interesse einer rechtmäßigen und korrekten Fördermittelvergabe und Fördermittelverwendung zu sorgen. Mechanismen sowie auch Fehlstellen, die zu diesem Fördermittelmissbrauch und einem damit einhergehenden Schaden für das Land geführt haben, wurden nicht o-der nur ungenügend erkannt und demzufolge auch nicht oder nur in einem geringen Ausmaß verändert bzw. beseitigt. Die Landesregierung war aufgrund ihres Handelns bzw. ihres Unterlassens nicht in der Lage, aber auch nicht gewillt, alle personellen, sächlichen sowie organisatori-

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schen Voraussetzungen zu schaffen, um dem Missbrauch von Fördermitteln vorzu-beugen, einzugrenzen oder künftig sogar zu vermeiden. Vorhandene Kontroll- und Reaktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Bewilligung und Verwendung von Fördermitteln sind somit als nicht hinreichend einzuschätzen. Ein Mitzeichnungsrecht des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit existierte nicht, ebenso wenig standardisierte Berichtspflichten an das Ministerium ab einem be-stimmten Auftragsvolumen oder einer bestimmten Beschäftigungszahl.1 Das Ministerium erhielt lediglich die Bearbeitungsliste und die Quartalsstatistiken zur Kenntnis, um einen Überblick über die Anträge und die Höhe der Fördermittel zu er-halten.2 Die Landesregierung war und ist in der Pflicht, zu prüfen und festzustellen, welche Faktoren und Umstände diesen Fördermittelbetrug und den daraus entstandenen finanziellen Schaden einschließlich des eingetretenen Imageschadens für das Land Sachsen-Anhalt begünstigt haben. Es ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass im Rahmen der der Landesre-gierung obliegenden Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten die Vermeidbarkeit, Wie-derholbarkeit bzw. zumindest eine erhebliche Reduzierbarkeit der Fördermittelbe-trugsfälle möglich gewesen wären. Mittels vor allem rechtzeitiger organisatorischer wie auch personeller Vorkehrungen hätte man entsprechend reagieren und gegen-steuern können und müssen. Mangelnde Sensibilität bezüglich der Korruptionsanfälligkeit, ungenügende Präven-tions- und Aufklärungsmaßnahmen sowie ein fehlendes Berichtswesen haben die kriminellen Machenschaften in einzelnen Unternehmen und Firmen bei der Förder-mittelbeantragung und -verwendung unwissentlich befördert. Dem Grunde nach ist weiterhin festzustellen, dass eine zumindest mittelbare Beein-flussung auf die durch das Landesverwaltungsamt zu realisierenden Fördermittelver-fahren seitens der Landesregierung dahingehend gesehen wird, dass sogenannte Bitten, Hinweise und Empfehlungen von Mitgliedern der Landesregierung allein schon aufgrund ihrer Stellung, ihres Status bzw. angesichts bestehender Hierarchien nicht als solche von den Betroffenen eingeordnet wurden. Nach deren Wahrneh-mung trugen sie den Charakter verbindlicher Vollzugshandlungen, von Weisungen bzw. sogar Erlassen und wurden dementsprechend nicht in Frage gestellt, sondern nahezu bedingungslos unterstützt und umgesetzt. Von diesem Umstand, einschließ-lich der sich darauf aufbauenden Konstellation, hätte die Landesregierung Kenntnis haben und dies in ihrem Handeln berücksichtigen müssen. Das unterstützt die Aussage des Zeugen L.: „Aber, wenn politische Ziele aus den Ministerien vorgegeben wurden, dann, glaube ich, kann man menschlich und auch fachlich intern darüber diskutieren, aber man würde es, glaube ich, nicht ablehnen, derartige politische Ziele zu erreichen.“3

1 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 03. Mai 2013, S. 41f. (W.) 2 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 03. Mai 2013, S. 12f. (W.) 3 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 19 (L.)

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Das Wirtschaftsministerium, so nach Wissen des Zeugen L., hatte gerade wegen der sozialpolitischen Ziele der Arbeitsmarktförderung sehr engagiert auf die Erledigung der Bewilligungen Einfluss genommen. Es hat sehr darauf gedrungen, diese sozial-politischen Ziele zu erreichen.4

2.1 Das IHK-Bildungszentrum Halle-Dessau 2.1.1 Unregelmäßigkeiten bei der Realisierung von Bildungsmaßnahmen; Veruntreuung von EU-Fördermitteln Im Jahr 2008 flog das System von Fördermittelbetrugsfällen auf, indem u. a. Unre-gelmäßigkeiten bei Weiterbildungsmaßnahmen von Fußballspielern des Fußballver-eines „Dessau 05“ festgestellt worden waren. Seit diesem Jahr ermitteln die Staats-anwaltschaft Halle und das Landeskriminalamt gegen ein Netzwerk von zahlreichen Beschuldigten. Der unter Ziffer 1 des Sondervotums bereits erwähnte Strafprozess gegen zwei ehemalige Geschäftsführer von Unternehmen aufgrund der seit 2008 als „Dessauer Fördermittelaffäre“ bekannt gewordenen Veruntreuungen von EU-Geldern ist nun-mehr der erste Prozess nach 7 Jahren seit den ersten Ermittlungen und 5 ½ Jahre nach einer landesweiten Durchsuchung von Unternehmen und Privatwohnungen in Dessau-Roßlau, Wittenberg, Kemberg und Eisleben. Dabei ist festzustellen, dass es über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg Firmen und Unternehmen gelang, den Behörden und letztendlich damit auch dem verant-wortlichen Ministerium vorzutäuschen, dass sie Bildungs- bzw. Qualifizierungsmaß-nahmen für Erwachsene anbieten und angeblich auch voll umfänglich realisieren. Dazu waren dem Landesverwaltungsamt als Nachweis u. a. falsche Dozentenrech-nungen, gefälschte Anwesenheitslisten sowie gefälschte Verwendungsnachweise vorgelegt worden, um Fördermittel des Europäischen Sozialfonds ESF zu erhalten. Den Fakt zahlreicher Fördermittelbetrugsfälle im Land Sachsen-Anhalt bekräftigen ebenfalls die Forderungen des Landesverwaltungsamtes, welches Ende August 2015 nochmals öffentlich erklärt hatte, dass es von 25 Firmen insgesamt 7,2 Millio-nen € zurückverlange. Bei einigen Unternehmen sind jedoch aufgrund von beste-henden Insolvenzanmeldungen kaum noch Rückforderungen möglich, der finanzielle Verlust ist als nicht unerheblich einzuschätzen. Der Missbrauch von Fördermitteln und eine damit verbundene kriminelle Energie in einer Größenordnung in Millionenhöhe können somit nicht als Einzelfälle bezeichnet und eingeordnet werden. Es handelte sich hierbei eindeutig um Betrugsfälle auf Kosten von immensen EU-Fördermitteln mittels eines ausgeklügelten „Systems“, begünstigt durch eine Reihe von Faktoren, auf die im Detail insbesondere in den nachfolgenden Punkten des vor-liegenden Sondervotums eingegangen werden soll.

4 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 31 (L.)

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Es ist letztendlich einzuschätzen, dass ein Betrugsgeflecht mit ausgeprägter Metho-de unmittelbaren Einfluss auf Fördermittelvergaben und deren Erhalt genommen hat. Unternehmen, Firmen und das IHK-Bildungszentrum Halle-Dessau verfuhren nach einem analogen Muster, denn das Prozedere war prinzipiell ähnlich. Mit Hilfe von finanziellen Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds wurden Weiter-bildungsmaßnahmen für klein- und mittelständische Unternehmen angeboten, die Kurse wurden jedoch gar nicht bzw. nicht in dem angegebenen Umfang durchge-führt. Weiterbildungsmaßnahmen wurden teilweise zum Bestandteil des kontinuierli-chen Arbeitsablaufes der Unternehmen bzw. Firmen. Verschärfend kam hinzu, dass für die Mehrzahl der Fördermaßnahmen Scheinange-bote eingereicht wurden, obwohl der günstigste Anbieter bereits im Vorfeld feststand. Es existierte ein Geflecht gegenseitiger Beauftragungen, es wurden Unterverträge zur Durchführung von Bildungsmaßnahmen abgeschlossen. Zum Teil schoben sich Unternehmen und das IHK-BIZ Halle-Dessau Schulungsaufträge gegenseitig zu un-terschiedlichen Leistungspreisen zu und kassierten den Differenzbetrag. Die Unternehmen mussten dem Fördermittelantrag drei Angebote von Bildungsträ-gern beifügen. Die Zeugin B. war der Ansicht, dass es keine Auffälligkeit bedeutete, wenn die drei Angebote in Bezug auf die Höhe nahe beieinander lagen. Entschei-dend war, dass drei Angebote vorgelegt wurden. Die Angemessenheit des Preisniveaus der Bildungsangebote wurde anhand von Vergleichsangeboten im Internet überprüft. So konnte es zu Kürzungen kommen, wenn das beantragte Honorar im Vergleich zu ähnlichen Bildungsmaßnahmen zu hoch angesetzt war.5 Die vorhandenen Missstände mit Blick auf den betrügerischen Fluss von Fördermit-teln lassen sich mittels Darstellung der Durchführung einer Bildungsmaßnahme durch die Firma MBM-Hygieneberatung eindeutig darstellen. In diesem Zusammenhang werden ebenfalls die Rolle und das Wirken des Regional-bereichsleiters Dessau, Herrn B., deutlich. Die Zeugin M. war in den Jahren 2005 bis 2010 Geschäftsführerin der MBM-Hygieneberatung. Nach einer Akkreditierungsüberprüfung des Labors erhielt sie die Auflage, externe Schulungsmaßnahmen für die zehn MitarbeiterInnen ihres Labors durchzuführen, um dann mittels Zertifikat auch künftig die Akkreditierung erhalten zu können. Infolgedessen nahm die Zeugin ein Beratungsgespräch beim Regionalbereichsleiter des IHK-Bildungszentrums für den Bereich Dessau Herrn B. wahr, da die selbständi-ge Kostenübernahme für diese Bildungsmaßnahme nicht getätigt werden konnte. Resultat dieses ersten Gespräches war, dass so schnell wie möglich ein Schulungs-plan erarbeitet und drei Angebote von Bildungsträgern eingeholt werden sollten. Im weiteren Verlauf der Zeugenvernehmung äußerte sich Frau M. zur Person und zum Auftreten von B. mit folgenden Worten: „Na ja, das Mädel können wir über den Tisch ziehen. Es fing dann eine Scheibchentechnik an, die ich eigentlich erst am Ende wirklich verstanden habe. Ich kam dann voller EnthusiA. zum nächsten Termin und habe

5 Bericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 38

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gesagt - - Ich hatte mich erkundigt: Fachgerechte Schulungen gibt es von der AZR für uns, für das Labor. Das wäre in Berlin gewesen. Das sind Dozenten, die Qualitätsmanagementberatung für akkreditierte Labore machen. Das wäre genau das gewesen, was ich eigentlich gebraucht hätte. Ich hatte ein Angebot und alles und habe das vorgelegt. Da sagte er aber: Das brauchen Sie alles nicht. Ich sagte: Wieso nicht? - Na, das machen alles wir. Das ist alles überhaupt gar kein Problem. Wir ho-len die Angebote ein, weil die IHK muss ja das preiswerteste Angebot machen, weil wir wollen ja auch etwas verdienen.“6 Letztendlich wurde der Zeugin die gesamte Organisation der Schulungsmaßnahme einschließlich des Einholens von Angeboten aus der Hand genommen. Frau M. stellte deshalb fest: „Es waren dann alle Mitarbeiter von mir letztendlich in der Schulung geplant, so dass eigentlich gar keiner mehr hätte arbeiten gehen kön-nen... Alle waren acht bzw. sechs Stunden in irgendwelchen Schulungen geplant, und das über die ganze Zeit. Das habe ich mir angeguckt und habe Herrn B. auch gefragt: Herr B., und das kontrolliert keiner? Wenn da jetzt mal jemand kommt? - Nein, das kontrolliert keiner.“7 Der entsprechende Antrag wurde beim Landesverwaltungsamt eingereicht und bewil-ligt. Es ist dabei ausdrücklich festzustellen, dass es Nachfragen - auch mit Blick auf die genannten Auffälligkeiten - seitens des Landesverwaltungsamtes zu keinem Zeit-punkt gegeben hat. In einem darauffolgenden Gespräch zwischen Frau M. und Herrn B. wurde die Zeu-gin aufgefordert, für die fingierte Anmietung von Schulungsräumen für die Dauer von 5 Monaten jeweils 7.500 € an die Baustoff-Service GmbH zu zahlen: „... Da habe ich auf das Blatt Papier geguckt und habe gesagt: Das ist jetzt nicht Ihr Ernst. 7 500 € Miete pro Monat? Wofür? - Ja, das sind die Schulungsräume. - Aha, okay. - Du musst das da unterschreiben, sonst können wir das alles vergessen. Das geht so nicht. Du musst das jetzt hier unterschreiben, dann werden die Rechnungen hin- und hergeschoben, und dann schickst du das Geld dann der Baustoff-Service..... Ja, hast du gedacht, die Schulungen laufen? Das sind alles bloß Potemkinsche Dörfer... Was du hier an Schulungen machen willst, macht ihr selber. Ich mache dir zum Schluss ein Zertifikat.“8 Als das Landesverwaltungsamt eine Vor-Ort-Kontrolle ankündigte, passierte nach Aussagen der Zeugin M. folgendes: „Dann wurde organisiert, dass an diesem Tag alle meine Mitarbeiter in der IHK zu einer Schulung waren. Damit ich das Potem-kin’sche Dorf auch ja nicht fallen lasse, damit ich ja nicht aufmucke, wurde das alles so geregelt von der IHK, von Herrn B.. Dann wurde das geregelt, und es war alles, wie gesagt, buchhalterisch picobello geplant, gemacht, getan, abgerechnet. Da

6 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 112 (M.) 7 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 113 (M.) 8 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 113 (M.)

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brauchte man sich überhaupt gar keine Sorgen zu machen, dass das irgendwie mal irgendwo aufstößt.“9 Auf Nachfrage des Abgeordneten Meister bestätigte die Zeugin M. nochmals: „Die Vor-Ort-Kontrolle war bei uns im Haus, und alle Mitarbeiter waren zur Schulung im IHK-Gebäude. Aber einen Mietvertrag hatte ich eigentlich für die Baustoff irgendwas, wo ich bis heute nicht weiß, wo denn eigentlich diese Räume waren. Keine Ah-nung.“10 An dieser Stelle ist zusammenfassend festzustellen, dass es über Jahre hinweg möglich war, in betrügerischer Weise Fördermittel für die Qualifizierung von Beschäf-tigten aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds an ein Konglomerat von Firmen und Unternehmen und dem Bildungszentrum der IHK Halle-Dessau fließen zu lassen. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse belegen eindeutig, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle gehandelt hat, vielmehr um ein weit verzweigtes Netzwerk mit politischen Dimensionen. Nach IHK-Gesetz oblag die Rechtsaufsicht über die IHK dem damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Bezüglich vorhandener Kontrollmechanismen innerhalb des IHK-Bildungszentrums berichtete der Zeuge Prof. Dr. H., (Mit)-Geschäftsführer des IHK-Bildungszentrums, dass „es zunächst einmal eine interne Kontrolle gegeben hat - eine förmliche Revisi-on war nicht vorhanden gewesen im Bildungszentrum - in Form von Unterschriftsre-gelungen, sachliche Richtigkeit, rechnerische Richtigkeit und dann Unterschriften von leitenden Mitarbeitern und gegebenenfalls - je nach Größenordnung - eines Ge-schäftsführers. Das ist das nach innen. Darüber hinaus ist diese Firma, obwohl es von der Größenordnung her nicht unbedingt notwendig gewesen ist - aber im Inte-resse der IHK ist das so gemacht worden; jetzt wirklich im Interesse der IHK, also der Mutter -, von einem Wirtschaftsprüfer jährlich geprüft worden. Und wo immer öffentli-che Gelder hineinfließen, ist auch die öffentliche Prüfung natürlich mit von der Partie, also natürlich Steuerprüfung, Sozialkassenprüfungen, Prüfungen durch das Land, durch den Bund, durch die EU, durch die Arbeitsverwaltung. Die sind alle durchge-führt worden... Es gab nicht eine einzige Prüfung mit auch nur einer einzigen relevan-ten Anmerkung, bis hin zu der Spezialprüfung: Gucken Sie sich mal an, was im Ge-schäftsbereich B. passiert ist.“11 Im Rahmen dieser Prüfungen wurden in Bezug auf den Geschäftsbereich des Herrn B. keine Verstöße gegen Vorschriften festgestellt.12 Das lässt zumindest die hinreichende Vermutung zu, dass das gesamte Kontrollsys-tem im Bereich der Fördermittelvergaben, dass der interne Kontrollmechanismus in-nerhalb der IHK unzureichend waren und nur als mangelhaft einzuschätzen sind. 9 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 114 (M.) 10 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 116 (M.) 11 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 25. Oktober 2013, S. 30 (Prof. Dr. H.) 12 Bericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 34

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Es ist in diesem Zusammenhang mit Nachdruck hervorzuheben, dass es sich bei den genannten Fördermittelvergaben um Fördermittel, um staatliche Gelder für Qualifizie-rungsmaßnahmen und Weiterbildungskurse gehandelt hat, die letztendlich im Ver-antwortungsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Mi-nisterium für Wirtschaft und Arbeit) sowie deren Bearbeitung und Bewilligung sowie die Prüfung von Fördermittelbescheiden in den Händen des Landesverwaltungsam-tes lagen. Tatsache war und ist, dass das Wirtschaftsministerium die Funktion der obersten Fachaufsicht für Fördergeldentscheide inne und dementsprechend Verantwortung zu tragen hatte. Ebenso oblag - wie bereits schon erwähnt - dem damaligen Ministerium für Wirt-schaft und Arbeit die Rechtsaufsicht über das IHK-Bildungszentrum. Das Wirtschaftsministerium mit seinem damaligen Wirtschaftsminister als politischer Verantwortungsträger für die Vergabe von Millionen von Fördermitteln war somit in der Pflicht, für eine rechtmäßige und korrekte Fördermittelvergabe und Fördermittel-verwendung zu sorgen und in diesem Zusammenhang alle personellen und sächli-chen Voraussetzungen zu schaffen, um jeglichen Fördermittelmissbrauch zu verhin-dern. Die Möglichkeit des Fördermittelmissbrauchs über einen solchen langen Zeitraum hinweg - einschließlich in der bezifferten Dimension - kann nur den Schluss zulas-sen, dass es bei der Vergabe und Gewährung von beantragten Fördermitteln und deren Verwendungskontrolle nicht unerhebliche Defizite in der Tätigkeit und im Han-deln der Landesregierung (Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) und den ihr nach-geordneten Behörden (Landesverwaltungsamt) gegeben hat. Hier sind Fehler und Versäumnisse der Landesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden wie unzureichende Kontrollmechanismen festzustellen, welche eine un-rechtmäßige Vergabe und den Missbrauch von Fördermitteln zumindest begünstigt haben. Diese werden in den nachfolgenden Punkten des Sondervotums näher beziffert und untersetzt.

2.2 Das Landesverwaltungsamt 2.2.1 Bearbeitung der Fördermittelanträge im Landesverwaltungsamt und Pri-oritätensetzung Für die Bewilligung der Fördermittel für Beschäftigung und Arbeitsmarktförderung war im Landesverwaltungsamt das Referat 302 zuständig. Für die Qualifizierung von Beschäftigten wurden in den Jahren 2000 bis 2006 auf der Grundlage der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Qualifizierung von Beschäftig-ten aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Sachsen-Anhalt (RdErl. des MS vom 12.Februar 2001 - 43.2.1, MBl. LSA 2001 S. 141ff.) ca. 2000 Bewilligungsbescheide erstellt. Im Zeitraum von 2007 bis 2013 waren es auf der Grundlage der Richtlinie zur Förderung der Qualifizierung von Beschäftigten mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (RdErl. des MW vom 10. Dezember 2007 – 53-32323, MBl. LSA 2007 S. 937ff.) ca. 1000

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Bewilligungsbescheide, wobei das Referat 302 nur bis zum 31. Dezember 2008 hier-für zuständig war. Danach wechselte die Zuständigkeit zum Förderservice der Inves-titionsbank. Hauptziel der Förderrichtlinie war die Qualifizierung von Beschäftigten zur Verbesse-rung ihrer Chancen am Arbeitsmarkt.13 Nach Einreichung der Fördermittelanträge beim Landesverwaltungsamt einschließ-lich ihrer Postregistrierung gelangten diese in das entsprechende Fachreferat, wo sie mittels einer Excel-Tabelle in einer Bearbeitungsliste durch eine Registriernummer erfasst wurden. Diese Liste wurde dann nach vorgegebenen Prioritäten sortiert. Erste Priorität galt den Anträgen von Unternehmen, die Neueinstellungen getätigt hatten mit dem Ziel, dass neue Arbeitsplätze in die Qualifizierung einbezogen wer-den sollten. Es ging in erster Linie um die Schaffung von Arbeitsplätzen. Zweite Priorität hatten Anträge, bei denen ein Personal- und Entwicklungskonzept in den Vorjahren bereits erstellt worden war. Und dritte Priorität hatten die sonstigen Anträge, bei denen bereits die in den Unter-nehmen beschäftigten Mitarbeiter weiter qualifiziert werden sollten, um am Arbeits-markt besser bestehen zu können.14 Aus den dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung stehenden Unterlagen wurde ersichtlich, dass es durch einzelne Firmen innerhalb kürzester Zeiträume zu einer gehäuften Antragsstellung gekommen war; die eingereichten Unterlagen wurden dann auch zügig bewilligt. Vom Antragsdatum bis hin zum Zuwendungsbescheid vergingen oftmals nur wenige Tage. Das lässt den Schluss zu, zumindest liegt der begründete Verdacht nahe, dass es im Zuge der Bearbeitung und Bewilligung von Fördermittelanträgen Bestrebungen gab, bestimmte Prioritäten zugunsten bestimmter Antragsteller zu verschieben. Der Zeuge W. äußerte sich in seiner Zeugenvernehmung folgendermaßen: „Es ist durchaus üblich gewesen, dass in großen Leuchtturmprojekten, die parallel gelaufen sind, durch GA-Förderung zum Beispiel, das Ministerium gesagt hat: Leute, da ist ein Betrieb zu begleiten, der jetzt hier neu entsteht, der auch neue Arbeitsplätze schafft. Die müssen jetzt erst einmal gleich mit bedacht werden, damit die Produktion anlau-fen kann. - Dazu kamen dann entsprechende Hinweise aus dem Ministerium, dass wir darauf besonders Augenmerk zu legen haben. Es ist ja auch eine ganz legitime Sache, im Rahmen der Landespolitik so zu handeln.“15 In seiner Zeugenvernehmung äußerte sich der Zeuge G. zum Sachverhalt einer möglichen Prioritätensetzung u.a. wie folgt: „... wenn das Ministerium bestimmte An-tragssteller hatte, also, wenn sich andere Antragsteller im Ministerium beschwert hatten. Dann ist es nicht unüblich, dass dann gesagt wurde: Hier, was ist mit dem? Warum wird der nicht bewilligt? Wie lange liegt der schon? Es wurde nach-

13 Bericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 34 14 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 03. Mai 2013, S. 6f. (W.) 15 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 03. Mai 2013, S. 14 (W.)

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gefragt und dann wurde halt entschieden: Können wir den vorziehen, passt das? Passt das in die Bearbeitung oder nicht? Also es wurde immer erforscht, warum ein Antrag länger liegt.“16 Eine prioritäre Bearbeitung von Fördermittelanträgen ergab sich für den Zeugen G. auch aus einem Schreiben des zuständigen Referenten des Ministeriums, Herrn S., an ihn vom 27. November 2006 zum Fördervorgang QU/03432/06, in welchem ihm mitgeteilt wurde, dass eine Unternehmenserweiterung der Firma P. Biskuit AG für das Land eine hohe wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Bedeu-tung hat, mit folgendem Wortlaut: „Zuständigkeitshalber sende ich Ihnen den Antrag der P. Biskuit AG an das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Eine Abgabenachricht wurde nicht erteilt. Aufgrund der Übernahme der Marke Schnee-koppe und der geplanten Unternehmenserweiterung hat das Vorhaben der P. Biskuit AG für das Land eine hohe wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Bedeu-tung. Das Projekt wird daher durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit befür-wortet. Ich bitte Sie, den Antrag der P. Biskuit AG zu prüfen und unter Beachtung der oben genannten Priorität schnellstmöglich eine Entscheidung zu treffen. Eine Kopie Ihrer Entscheidung senden Sie mit bitte bis zum 15.12.2006 zu.“ 17 Der Zeuge G. charakterisierte dieses Schreiben des Ministeriums auf entsprechende Nachfrage nicht als freundliche Aufforderung bzw. freundlichen Hinweis, sondern als Weisung. Jede Äußerung einer fachvorgesetzten Stelle war als Erlass zu betrachten. „Es ging im Wesentlichen um die Schaffung von Arbeitsplätzen. Mit diesem Erweite-rungsbau bei P. sollte, wenn ich mich richtig erinnere - - war sozusagen eine Masse von Arbeitsplätzen, die Schaffung, möglich. Das war der Grund dafür, dass dem sozusagen vom Ministerium, ich sage mal, die Priorität gegeben wurde, dass es bevorzugt zu bearbeiten ist“, bemerkte der Zeuge G..18 Verfahrensbegleitend wurden bei allen Fördermaßnahmen durch das Landesverwal-tungsamt Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt. Grundlegendes Prinzip - vor allem der personellen Situation geschuldet - war, bei Maßnahmen, die über 100.000 € Förder-mittel erhalten hatten, generell deren Umsetzung zu kontrollieren. In Fällen, in denen irgendeine Unregelmäßigkeit festgestellt wurde oder, wo entsprechende Hinweise vorlagen, wurden auch Maßnahmen unterhalb der 100.000 € Vor-Ort kontrolliert.19 In der Regel wurden diese Vor-Ort-Kontrollen angekündigt, unangekündigte Kontrol-len bildeten eher die Ausnahme. In der im Jahr 2007 beginnenden Förderperiode erfolgten die Vor-Ort-Kontrollen nach Aussage der Zeugin C. nach einem Zufallsprinzip.20 16 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 15 (G.) 17 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 17 (G.) 18 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 19 (G.) 19 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 03. Mai 2013, S. 8 (W.) 20 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 61 (C.)

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Im Jahr 2008 wurden die Vor-Ort-Kontrollen bezogen auf die Förderperiode 2000 bis 2006 vorläufig ausgesetzt. Hintergrund war laut Aussage des Zeugen P., dass in den Jahren 2007 und 2008 auf der einen Seite ein erheblicher Stau hinsicht-lich der Verwendungsnachweisprüfung für die Förderperiode 2000 bis 2006 zu verzeichnen war, während auf der andere Seite parallel die Förderperiode ab 2007 auf der Grundlage einer neuen Förderrichtlinie angelaufen war. Vordringlich war, dass die Anträge der Förderperiode ab 2007 geprüft und bewilligt werden mussten. Um zu verhindern, dass Antragsbewilligungen in der Förderperiode ab 2007 nicht erfolgen können, mussten bezogen auf die Förderperiode 2000 bis 2006 Einsparungen in der Weise vorgenommen werden, dass Vor-Ort-Kontrollen vorläufig ausgesetzt wurden.21 Auch bei der Realisierung der Vor-Ort-Kontrollen muss konstatiert werden, dass ent-sprechende Kontrollen insbesondere aufgrund der angespannten personellen Situa-tion in einem nur unzureichenden Maß, in einer viel zu geringen Zahl und in der Re-gel nur angekündigt durchgeführt wurden. Trotz bekanntgewordener Fälle, trotz getätigter Rückforderungsbescheide wurden keine weiteren Vor-Ort-Kontrollen in einem größeren Umfang als bisher realisiert. Mangelnde Sensibilität bezüglich der Korruptionsanfälligkeit und ein fehlendes Be-richtswesen hierzu belegen die inhaltlichen Darlegungen des Abschlussberichtes im Teil B, Ziffer II, in den Punkten 6. „Hinweise auf erste Unregelmäßigkeiten bei der Umsetzung der Förderrichtlinie“ sowie 7. „Feststellung von Unregelmäßigkeiten und Reaktionen der zuständigen Behörden“.22 Der Zeuge W. berichtete seiner unmittelbaren Vorgesetzten, Frau C., von der Aufsu-chung eines Antragsstellers in seiner unmittelbaren Privatsphäre. Dabei wurde ver-sucht, ihn unter Zusage unbestimmter persönlicher Vorteile zu begünstigenden Amtshandlungen zu bewegen. Zwar berichtete er pflichtgemäß und wurde wegen der Besorgnis der Befangenheit von der Bearbeitung der entsprechenden Anträge ausgeschlossen, weitere Konse-quenzen für die Bearbeitung des Vorgangs folgten jedoch nicht. Die Zeugin C. hatte die Entbindung des Herrn W. von der Entscheidung als ausrei-chend angesehen und diesen Vorgang daher nicht aktenkundig gemacht.23 Ein vorgeschriebenes Berichtswesen, welches insbesondere den Sachverhalt der Korruptionsprävention zum Gegenstand hat, existierte nicht. Auch dass der Bericht des Privatdetektivs J. keinerlei formelle Berichtspflichten aus-löste, belegt, dass seitens des fachaufsichtsführenden Ministeriums keinerlei Vorkeh-rungen zum Umgang mit derartigen Sachverhalten getroffen wurden.

21 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2013, S. 17 bis 19 (P.); Bericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 47 22 Bericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 56 ff. 23 Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 14. Juni 2013, S. 81 (C.) sowie Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschusses am 20. April 2015, S. 55 (C.)

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(Die Behandlung der sogenannten Prioritäts-E-Mail und eine daraus resultierende mögliche Einflussnahme auf Fördermittelentscheidungen wird detailliert unter Ziffer 2.3.1 abgehandelt.) 2.2.2 Personalsituation und deren Folgen auf notwendige Kontrollen Eine der Hauptursachen dafür, dass es zu erheblichen zeitlichen Verschiebungen von Verwendungsnachweisprüfungen bzw. sogar zur Nichtrealisierung von Förder-mittelprüfungen und -kontrollen kam, war das quantitativ nur begrenzt vorhandene Personal im Landesverwaltungsamt im Bereich der Umsetzung der Arbeitsmarktför-derung, folglich eine für die zu bewältigenden Aufgaben mangelhafte Personalaus-stattung sowie eine zunehmende Überlastung der vorhandenen MitarbeiterInnen. Aber auch zahllose Richtlinien und zu viele arbeitsintensive Modellprojekte haben in diesem Bereich zu fehlenden bzw. ungenügenden Kontrollen geführt. Es muss deshalb festgestellt werden, dass aufgrund fehlender personeller Kapazitä-ten nicht in jedem erforderlichen Fall geprüft werden konnte bzw. wurde, ob die be-antragten Mittel auch ihrem Zweck entsprechend eingesetzt worden waren. Das führte gleichzeitig auch dazu, dass die Fördermittelbetrugsfälle erst zu einem sehr späten Zeitpunkt festgestellt wurden. Das lässt wiederum den Schluss zu, dass ein rechtzeitiges, zumindest jedoch ein früheres Erkennen von Defiziten und Fehlstellen durch die Landesregierung auch zu einer zügigeren Bewältigung der Missstände mittels entsprechender Gegenmaß-nahmen hätte führen können. Damit hätte es die Chance gegeben, Fälle von För-dermittelmissbrauch zu einem weitaus früheren Zeitpunkt zu verhindern oder wenigs-tens zu begrenzen. Der Zeuge G. erklärte, dass infolge der angespannten personellen Situation im Refe-rat 302 des Landesverwaltungsamtes in der Förderperiode 2000 bis 2006 in der Regel keine unangekündigten Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt wurden. In der Förderperiode von 2007 bis 2013 war es üblich, dass unangekündigte Kontrollen durchgeführt wurden, wenn es Verdachtsmomente gab.24 Der Zeuge L. äußerte sich dahingehend, dass es „bereits zum Zeitpunkt der Einglie-derung der sogenannten Arbeitsmarktförderung in das Regierungspräsidium Dessau die Personalausstattung an der unteren Grenze dessen war, was man für die an die-sen Bereich übertragenen Aufgaben benötigt hätte. Mit einer zunehmenden Zahl von Modellprojekten zeigte sich auch eine zunehmende Überlastungssituation, die auch bis hin zu Überlastungsanzeigen von Mitarbeitern geführt hat.“25 Nach seiner Erinne-rung gab es wesentliche Belastungsspitzen in den zwei Jahren nach Auslaufen der Förderperiode und mit gleichzeitigem Anlaufen der nächsten Förderperiode.26

24 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 08. Mai 2015, S. 40 f. (G.) 25 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 9 (L.) 26 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 9 (L.)

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Diese vorhandene personelle Belastungssituation wird vehement durch ein Schrei-ben des Vizepräsidenten des damaligen Landesverwaltungsamtes K. an Dr. C., da-mals Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium, vom 24. November 2009 unterstri-chen. Dort heißt es: „Der sich in den letzten Jahren verfestigte dauerhafte Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften könne nicht länger hingenommen werden. So ist bereits im Runderlass des Ministeriums für Finanzen vom 11.03.1996 zur Erstellung von Förderrichtlinien und zur Abwicklung von Fördermaßnahmen festgeschrieben, dass Zuwendungen durch die Landesverwaltung nur in dem Umfang gewährt werden dürfen, wie sie in der Lage ist, die Verwendungsnachweise der Zuwendungsempfän-ger zeitgerecht zu kontrollieren. Auch der Landesrechnungshof hat gegenüber mei-nem Haus mehrfach deutlich darauf hingewiesen, dass dauerhaft derartige Verstöße nicht mehr länger toleriert werden können. Ebenso hat die EU-Prüfstelle ESF in den Prüfberichten gegenüber dem Referat 302 ständig die verspätete Verwendungs-nachweisprüfung aufgezeigt.“27 Hier wurde somit deutlich, dass regulär vorgeschriebene Verwendungsnachweisprü-fungen für Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds in keiner Weise prioritär behan-delt wurden, sie waren teilweise Nebensache und folglich von zweitrangiger Natur. So bestand das vorrangige Ziel vor allem darin, Menschen für den Arbeitsmarkt „oh-ne Wenn und Aber“ zu qualifizieren. Arbeitslosen sollte gemäß einer Aussage des Zeugen P. die Möglichkeit gegeben werden, über entsprechende Qualifizierungen eine berufliche Tätigkeit zu erhalten, und zum anderen sollten den Unternehmen qualifizierte Beschäftigte zur Verfügung gestellt werden.28 Die Genehmigung von Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung hatte folglich sozial-politische Priorität gegenüber nachfolgenden erforderlichen Prüfungen und Kontrol-len, die vielmals nachrangig behandelt wurden. Der Zeuge L. führte diesbezüglich folgendes aus: „Weil es immer Priorität hatte, die Mittel zu bewilligen, sind die Verwendungsnachweisprüfungen oft geschoben wor-den, weil man sagte, Vorrang hat tatsächlich das Ziel, Menschen die Arbeitsaufnah-me und damit Erwerbseinkommen zu ermöglichen. Das steht im Vordergrund, poli-tisch auch im Vordergrund, und die Verwendungsnachweisprüfung als Obliegenheit, als Verpflichtung, auch als haushaltsrechtliche Verpflichtung, muss im Verhältnis je-denfalls zu dieser Zielerreichung zunächst zurückstehen.“29 Der Zeuge L. bezeichne-te diese Situationsbeschreibung letztendlich als „Standardproblem“ im Bereich der Arbeitsmarktförderung. Infolge der oft unzureichenden zeitlichen Nähe der Verwendungsnachweisprüfungen aufgrund personeller Engpässe kam es unweigerlich zu Verstößen gegen das beste-hende Haushaltsrecht. Mitarbeitern wurde gesagt, dass sie alle Kraft einsetzen sollten, um tatsächlich die wirtschaftliche und sozialpolitische Entwicklung des Landes Sachsen-Anhalt zu be-fördern, auch in Kenntnis und auch im Angesicht der Tatsache, dass die personellen

27 Ordner 2.15, A II, Landesverwaltungsamt, Fachaufsicht, Erlasse, Statistik, S. 112; Niederschrift über die 6. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 10 28 Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22. November 2015, S. 43 f. (P.) 29 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 11 (L.)

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Ressourcen zu einer optimalen, quasi wünschenswerten Erledigung von Aufgaben nicht ausreichten. Man hat versucht, mit den vorhandenen Ressourcen eine maxima-le Zielerreichung zu organisieren, dies mit der Absicht, dabei möglichst wenig Fehler zu machen.30 Der Zeuge L. erklärte, dass er als Behördenleiter die Verantwortung dafür trage, dass solche Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorschriften unter seiner Führung nicht zu vermeiden waren. Sie wären nur zu vermeiden gewesen, wenn die personel-le Ausstattung verbessert worden wäre.31 Dabei zog er das Resümee, „dass die politische Adressierung und die politische De-finition von notwendigen und zu erledigenden Aufgaben manchmal nicht mit der Ein-sicht einherging, welche personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen sind, um diese Adressierung oder diese politischen Ziele auch tatsächlich erreichen zu kön-nen.“32 Aufgrund der zunehmenden Überlastung der MitarbeiterInnen des Landesverwal-tungsamtes wäre die Landesregierung in der Pflicht gewesen, unverzüglich dafür Sorge zu tragen, dass ausreichend Personal für eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Fördermittelanträge sowie insbesondere für die Kontrollen der Fördermittelver-wendung zur Verfügung gestanden hätte. Denn die Behörde (das Landesverwal-tungsamt) hatte dem Wirtschaftsministerium gegenüber mehrfach die prekäre Perso-nalsituation angezeigt. Das unterstützt die Aussage des Zeugen L., der sich dahingehend äußerte, dass „versucht wurde zu sagen, es braucht dann ganz sicher in Zukunft mehr Personal, wenn wir in dieser hohen Frequenz Bewilligungen solcher Weiterbildungen ermögli-chen wollen, um tatsächlich auch die Verwendungsnachweisprüfung zeitnäher und möglicherweise auch mit Vor-Ort-Kontrollen zu versehen.“33 Im Jahr 2007 gab es seitens des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit Bemühun-gen, mittels einer Zielvereinbarung den Abfluss von Fördermitteln als „Instrument“ zu etablieren. Es gab u. a. Festlegungen zu Bearbeitungsfristen, Durchlaufzeiten sowie zur Verwendungsnachweisprüfung. Diese Zielvereinbarung für das Referat Arbeitsmarktförderung wurde jedoch gegen-über dem Wirtschaftsministerium abgelehnt und vom damaligen Präsidenten des Landesverwaltungsamtes L. nicht unterzeichnet, da Verletzungen von haushalts-rechtlichen Vorgaben infolge der Personalsituation unvermeidbar gewesen wären. In seiner Vernehmung äußert sich der Zeuge hierzu folgendermaßen: „Als ich die Zielvereinbarung vorgelegt bekam, habe ich es für vollkommen unverständlich gehal-ten, dass darin ganz viele Pflichten des Landesverwaltungsamtes und des Fachrefe-rates beschrieben werden, dass ich aber nicht das Gefühl hatte, dass die zur Erfüllung dieser Pflichten notwendigen Voraussetzungen auch von denen garantiert werden konnten, die bereit waren, diese Zielvereinbarung abzuschließen. 30 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 13 f. (L.) 31 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 15 (L.) 32 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 15 (L.) 33 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 24 (L.)

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Da ich nun keineswegs bereit war, die politische Verantwortung für das Verfehlen von Zielen zu übernehmen, wenn man mir nicht die notwendigen Ressourcen garan-tiert, habe ich keinen Sinn darin gesehen, diese Vereinbarung abzuschließen.“34 Es ist somit festzustellen, dass durch die Landesregierung Verstöße gegen beste-hende Förderrichtlinien über viele Jahre hinweg fahrlässig in Kauf genommen wur-den, da nur in ungenügender Weise versucht wurde, dem Personalmangel Abhilfe zu schaffen. Verstöße gegen haushaltsrechtliche Vorschriften wären vermeidbar gewesen, wenn die personelle Ausstattung seitens der Landesregierung verbessert worden wäre. Jedoch das Personalentwicklungskonzept der Landesregierung, allein von Spar-zwängen diktiert, verhinderte von vornherein ein ausreichend personelles Aufstocken auch in diesem Bereich des Landesverwaltungsamtes. Die Landesregierung war nicht bereit, entsprechende Personalbestände zu stabilisieren und auszubauen. So-mit trägt sie nicht unerheblich Verantwortung an den nicht rechtmäßig einzuordnen-den Fördermittelvergaben, sie trägt Verantwortung an einem Fördermittelbetrug in einem nicht unerheblichen Ausmaß, begünstigt durch damit einhergehende ungenü-gende Kontrollmechanismen. Ferner wird somit geschlussfolgert, dass die nicht ordnungs- und fristgemäß bearbei-teten Verwendungsnachweise und der damit einhergehende Fördermittelmissbrauch in dem vorhandenen Ausmaß bei mehr Kontrollen mittels ausreichenden, gut ge-schulten und vor allem sensibilisierten Personals hätte verhindert oder zumindest erheblich eingeschränkt werden können. Das hatte unweigerlich zur Folge, dass etwaige Betrugsfälle oder Missbrauchsfälle nicht zeitnah aufgedeckt werden konnten und wurden und infolgedessen ein unver-zügliches bzw. zumindest schnelles Reagieren fast unmöglich waren. Die nachfolgende Positionierung des Zeugen L. zu möglichen Beweggründen wird in diesem Fall uneingeschränkt geteilt, der sich dahingehend äußerte, dass das größe-re Risiko für das Land Sachsen-Anhalt darin bestand, dass die Vorgaben der europä-ischen Strukturfonds nicht erfüllt werden können. Das hätte sogenannte Anlastungs-risiken für das Land bedeutet, also real Rückforderung von europäischen Mitteln, die aus dem Landeshaushalt hätten beglichen werden müssen.35

2.3 Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft (ehemals Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) 34 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 17 (L.) 35 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 12 (L.)

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2.3.1 Beurteilung der sogenannten Prioritäts-E-Mail Bei der sogenannten Prioritäts-E-Mail handelt es sich um eine E-Mail des Referats-leiters im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, Herrn B., an den Referenten im Lan-desverwaltungsamt, Herrn G., vom 19. Juni 2006. Darin bat dieser das Landesver-waltungsamt, auf Wunsch des Ministers die Projektanträge QU 03246/06 (Förder-maßnahme „Beschäftigungsinitiative M&P Management K.“) und QU 03249/06 (För-dermaßnahme) im Rahmen der verfügbaren Mittel vorrangig zu bewilligen.36 Zu klären war hauptsächlich der Umstand, ob es seitens des ehemaligen Ministeri-ums für Wirtschaft und Arbeit Einfluss auf die Bewilligung von Fördermittelanträgen gegeben hat. Aufgrund von nachfolgend angeführten Zeugenaussagen wird folgendes Resümee gezogen: Wie bereits unter Ziffer 2 des vorliegenden Sondervotums herausgearbeitet, wurden Bitten, Hinweise und Empfehlungen - auch in Form von E-Mails - von einem Mitglied der Landesregierung in einem nicht unerheblichen Umfang allein schon aufgrund der vorhandenen Stellung des Absenders, seines Status bzw. angesichts bestehender Hierarchien als verbindliche Vollzugshandlungen, als Weisungen bzw. sogar Erlasse betrachtet. Die damit verbundenen Forderungen und Zielsetzungen wurden in der Regel von den verantwortlichen MitarbeiterInnen loyal und treu und damit voll um-fänglich mittels entsprechender Handlungsoptionen unterstützt und realisiert. Nur in wenigen Fällen wurden derartige Vorgänge als nur „freundliche“ Hinweise wahrge-nommen. Von diesem Umstand, einschließlich der sich darauf aufbauenden Konstellation und Folgen, hätte die Landesregierung Kenntnis haben und dies in ihren Anweisungen sowie in ihrem Handeln berücksichtigen müssen. Man hätte davon ausgehen müs-sen, dass eine solche Kommunikationsform zu Erlassqualitäten in der Wahrnehmung der Betroffenen führen kann und geführt hat und damit aus Sicht des Betrachters letztendlich die Voraussetzungen einer leitenden Verfügung erfüllt hat. Aus den genannten Gründen wird zumindest eine mittelbare Beeinflussung auf die durch das Landesverwaltungsamt zu realisierenden Fördermittelverfahren seitens der Landesregierung gesehen. Nach Aussage des Zeugen B. selber, stellte seine E-Mail an Herrn G. zwar einen Erlass dar. Dennoch erhob diese E-Mail das Landesverwaltungsamt nicht davon, seinen Prüfpflichten nachzukommen. Mit der E-Mail wurde der Ermessens-spielraum des Landesverwaltungsamtes sodann dahingehend eingeschränkt, dass diese beiden Vorgänge nun vorrangig bearbeitet werden sollten.37 Auf die Nachfrage des Abgeordneten Dr. Thiel: „Also, in dem Kontext würden Sie es auch so sehen, dass Sie es durchaus als Ministerium als richtig ansehen, dass Sie auf bestimmte Entscheidungen im Landesverwaltungsamt Einfluss genommen ha-

36 Bericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 40 37 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 81 bis 85 und 88 bis 90 (B.) sowie Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Par-lamentarischen Untersuchungsausschusses am 08. Mai 2015, S. 27 f. (B.); Abschlussbericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 42

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ben, indem Sie gesagt haben, dieses Projekt ist bevorzugt oder zeitnah sozusagen zu entscheiden, weil nichts anderes steckte dahinter. Wir haben in der Zeugenbefragung am 14. Juni sowohl Frau C. als auch Herrn G. mit dieser Mail konfrontiert und gefragt, wie sie das bewerten, und da gab es von beiden die klare Ansage: Ja, das ist für uns wie eine Art Erlass. Wenn so eine Mail, ein Telefonat, ein solcher Hinweis kommt, dann ist das sozusagen zu realisieren. Punkt! Ist das auch die Intention, die Sie teilen würden? antwortete der Zeuge B.: Natürlich ist diese E-Mail letztlich ein Erlass, und eine Weisung, wobei sie das Lan-desverwaltungsamt aber nicht davon enthebt, seinen Aufgaben nachzukommen.“38 Der Zeuge B. bestätigte ebenfalls auf Nachfrage, dass er die E-Mail nicht in dieser Form formuliert hätte, wenn es einen Wunsch des Ministers nicht gegeben hätte. Der Zeuge sagte aus, dass der hier interessierende Vorgang mit Sicherheit im Rahmen des Normalen war. Er konnte sich nicht erinnern, dass er jemals von Ministern unter Druck gesetzt worden wäre.39 Die bereits getätigten Aussagen wurden ebenso eindeutig belegt durch die prägnan-te und knappe Antwort der Zeugin C., Referatsleiterin im Landesverwaltungsamt, auf die Frage des Abgeordneten Erdmenger in der Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 14. Juni 2013, „ob es denn auch ganz normale Tä-tigkeit ist, wenn das Ministerium ohne nähere Begründung eine Priorisierung von Projekten vornimmt? Muss das Ministerium Ihnen gegenüber begründen, warum es ein Projekt priorisiert oder nehmen Sie quasi jede Priorisierung als Erlass in Ihre Ar-beit auf?“ mit folgendem Wortlaut: „Ja, das ist für mich ein Erlass.“.40 Bei dem dargestellten Sachverhalt handelte es sich also für die Zeugin C. um einen ganz normalen Erlass, den es umzusetzen galt. Für sie war diese E-Mail nicht unge-wöhnlich. Solche Vorgänge wurden in der Prüfung anderen einfach vorgezogen.41 Auf die Frage des Abgeordneten Dr. Thiel an den Zeugen W., ob es sich bei der be-zeichneten E-Mail um eine Ausnahme oder ein übliches Verfahren gehandelt hat, antwortete dieser: „Es ist nicht häufig gewesen, aber es ist immer wieder vorgekom-men, dass wir entsprechend angewiesen waren. - Ich weiß nicht, wie ich das noch ausdrücken soll, weil ich es schon ein paar Mal gesagt habe. Das Ministerium hat uns durchaus immer wieder animiert, wenn wieder Gelder sichtbar wurden: Jetzt handelt! Arbeitet die Prioritätenliste jetzt zügig ab!“42 Der Zeuge K., damaliger Vizepräsident des Landesverwaltungsamtes, bestätigte, dass es eine Festlegung gab, dass jede schriftliche Äußerung eines Ministeriums

38 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 83 f. (B.) 39 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. September 2013, S. 101 (B.) sowie Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Un-tersuchungsausschusses am 08. Mai 2015, S. 32 (B.); Abschlussbericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt, S. 42 40 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 90 (C.) 41 Niederschrift über die 6. Sitzung des 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015, S. 69 (C.) 42 Niederschrift über die 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 03. Mai 2013, S. 26 (W.)

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einen Erlass darstellt, der umzusetzen ist. Der Zeuge K. erklärte, er habe Herrn G. auf dessen Nachfrage bestätigt, dass dies auch für die oben genannte E-Mail des Herrn B. gelte. Ein solcher Erlass entbinde die Mitarbeiter jedoch nicht von ihrer Prüfpflicht.43 Auf entsprechende Nachfrage antwortete der Zeuge L., dass die E-Mail „Ausdruck der zu Beginn meiner Aussage diskutierten Intensität der Beziehung zwischen der Bewilligungsbehörde und dem Aufsicht führenden Ministerium gewesen, dass solche unmittelbaren Kontakte zwischen Ministeriumsmitarbeitern und Landesverwaltungs-amtsmitarbeitern existierten. Die habe ich auch nicht für so ungewöhnlich gehalten. Auch der Text, den Sie gerade vorgetragen haben, dass im Rahmen der verfügbaren Mittel Projekte vorrangig zu bewilligen sind, ist weder ungewöhnlich noch selten ge-wesen.“44 Bezüglich der Einschätzung des Charakters einer solchen E-Mail bemerkte der Zeu-ge L., dass er sich vorstellen kann, „dass beispielsweise Herr G., den ich als Referenten im Referat 302 in Erinnerung habe, das befolgt hat, weil er glaubt, das sei für ihn ein verbindlicher Erlass, mit dem quasi die Verantwortung auch für die Rang- und Reihenfolge und Ähnliches vom Ministerium übernommen wird, und das ihm loyal abverlangt wird, dass derartige Erlasse auch in die Tat umgesetzt werden. Es kann aber auch sein, dass das als Hinweis verstanden wird - keineswegs mit der verbindlichen Qualität eines Erlasses - und dass Mitarbei-ter selbstbewusst und souverän, wie sie oft sind, sagen: Ja, das habe ich jetzt zur Kenntnis genommen. Wenn ich das nicht schriftlich kriege, mache ich es gleichwohl so, wie ich es für richtig halte. - Also, beide Reaktionsmuster sind denkbar und mir auch in meiner Erfahrung schon mehrfach untergekommen.“45 Der Zeuge G. meinte diesbezüglich, dass es mehrfach Anweisungen gab, bestimmte Vorgänge vorzuziehen. Diese hier in Rede stehenden Fälle betrafen zwar kein Groß-projekt, aber die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Er hatte hinsichtlich dieser E-Mail keine Bedenken.46 Nach Ansicht des Zeugen Dr. H., zum damaligen Zeitpunkt Minister für Wirtschaft und Arbeit, war entscheidend, ob die Maßnahmen genehmigungsfähig waren oder nicht, auch wenn die Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes derartige E-Mails als Weisung verstanden haben sollten.47 Er meinte weiterhin, dass dieser Vorgang übliche Praxis war. Mit der Abgabe an die Arbeitsebene war der Fall für ihn erledigt.48

43 Niederschrift über die 13. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 23. Mai 2014, S. 17 f. (K.) 44 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 32 (L.) 45 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 24. Januar 2014, S. 34 (L.) 46 Abschlussbericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sach-sen-Anhalt, S. 44 47 Abschlussbericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sach-sen-Anhalt, S. 42 48 Abschlussbericht des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtages von Sach-sen-Anhalt, S. 42

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2.3.2 Rolle und Verantwortung des ehemaligen Ministers für Wirtschaft und Ar-beit im Prozess der Fördermittelvergabe Der ehemalige Minister für Wirtschaft und Arbeit wurde zweimal zu den Sitzungen des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (15.09.2014 und 01.07.2015) als Zeuge vernommen. Da der Untersuchungszeitraum auch die Zeit vor seiner Berufung als Minister betraf, wurde er auch in seiner Eigenschaft als ehemali-ger Staatssekretär im damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit befragt. Der Zeuge Dr. H. ging davon aus, dass in seiner Zeit als Staatsekretär und Minister „in der Größenordnung von 400.000 bis 500.000 Menschen gefördert worden sind bzw. entsprechende Verwaltungsvorgänge zu realisieren gewesen sind.“ 49 Das verdeutlicht auch die Schwierigkeiten, auf die andere Zeugen bei der Bearbei-tung der Vorgänge verwiesen. Zugleich stellte der Zeuge Dr. H. fest: „Gegen kriminelle Energie - das habe ich auch in anderen Fällen erlebt - ist bis zu einem bestimmten Punkt, wo man diese identifi-ziert oder mitbekommen hat, erst mal kein Kraut gewachsen. Da können Sie das Personal verstärken, wie Sie wollen“.50 Laut dieser Aussage ist also immer mit Betrugsversuchen im Fördermittelgeschäft zu rechnen. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie diese Versuche wirksam unter-bunden werden können, dass offenbar sowohl Geschäftsführer und Angestellte von Unternehmen als auch Lehrbeauftragte nur gemeinsam agieren konnten. Begünstigt wurden diese kriminellen Machenschaften vor allem durch die Fülle der Anträge und die Bearbeitungsmechanismen, auch durch einen „Rückstau“ in der Ab-arbeitung. Zugleich wies der Zeuge Dr. H. darauf hin, dass dies kein einmaliger Vorgang in der Umsetzung Operationeller Programme war: „Wir haben diese Situation gerade jetzt. Gerade jetzt zeigt sich, dass wir es ebenfalls nur sehr, sehr annähernd, um es mal vorsichtig auszudrücken, schaffen, das, was uns von der Europäischen Union zur Verfügung gestellt wird, zum Einsatz zu bringen, was eben zeigt, dass bestimmte Punktlandungen, die immer wieder im verwaltungsmäßigen Geschäft im Blick sind - das heißt, wann ist die Förderperiode zu Ende, wann ist n+2 zu Ende, bis wann muss etwas realisiert und umgesetzt sein -, dass das nicht zum Problem wird.“51 Dieser Kontext von Verwaltungsaufwand hinsichtlich zielgerichteter Qualifizierung von Beschäftigten und der Fördermittelkontrolle und Verwendungsprüfung wird durch den Zeugen Dr. H. dahingehend als überprüfenswert angesehen, die Zielstellungen der Operationellen Programme gerade im ESF-Bereich zu verändern: „Das ist übri-gens auch ein Grund, warum wir uns intensiv aktuell mit der Europäischen Union bemühen, möglichst den uns avisierten Anteil an ESF bis 2020 von dem jetzt ange-botenen Niveau herunterzukriegen, weil es in allen Nationalstaaten der Europäischen Union, wo dieser Fonds zum Einsatz kommt, genau die gleichen Probleme gibt, dass man immer sozusagen an der Ressourcengrenze entlang arbeitet. Deswegen wollen

49 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 8 (Dr. H.) 50 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 17 (Dr. H.) 51 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 18 (Dr. H.)

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wir es lieber für die investiven Bereiche haben, im Bereich EFRE zum Beispiel, als hier.“52 Damit werden die ursprünglichen Zielstellungen des ESF, nämlich Menschen für ihre Entwicklung am Arbeitsmarkt zu qualifizieren, konterkariert, nur weil der Verwal-tungsaufwand zu hoch sei. In der Vernehmung machte der Zeuge Dr. H. in seiner Eigenschaft als zuständiger Staatssekretär und später als Minister für Wirtschaft und Arbeit deutlich, mit der Be-willigung, Umsetzung und Kontrolle konkreter Projekte nicht befasst gewesen zu sein. Er war nur für die politischen Schwerpunktsetzungen zuständig, die Erarbeitung konkreter Richtlinien zu deren Umsetzung gehörte zwar zu seinem politischen Ver-antwortungsbereich, die sachlichen und fachlich richtigen Entscheidungen hatten die zuständigen Fachabteilungen eigenständig vorzunehmen. Ebenso führte der Zeuge aus, dass an ihn herangetragene Probleme bei der Umset-zung von Projekten von ihm lediglich zur Prüfung an die zuständigen Mitarbeiter ent-sprechend der hierarchischen Struktur im Ministerium weitergegeben wurden. Nach-fragen über erledigte Aufgaben ergaben sich kaum, wie der Zeuge Dr. H. ausführte: „Wenn es keine Rückmeldung gibt, bin ich sozusagen automatisch informiert, dass die Verwaltung das abarbeitet und dass es weiter keine Probleme gibt. Es sei denn, es gibt etwas so Gravierendes, dass die Führungskraft eine automatische Rückmel-dung macht.“53 Dieser Vorgang berührt in markanter Weise die Entscheidungskraft und politische Verantwortung des ehemaligen Wirtschaftsministers als oberster Dienstherr. Sie kann wesentlich geprägt sein durch die Regelung zu den internen Abläufen in der Organisationsstruktur des Ministeriums. Im vorliegenden Fall zeichnet sich ab, dass entweder bestimmte Informationen nicht an den obersten Dienstherren weitergegeben wurden oder auch Prüf- und Kontroll-berichte in der Abteilungsleiterbesprechung bzw. in Besprechungen mit den Staats-sekretären nicht ausgewertet worden sind. Dazu merkte der Zeuge Dr. H. an: „Alle Erkenntnisse, die in irgendeiner Weise zu einem Zeitpunkt auflaufen, werden analysiert und werden auch entsprechend mit Reaktionen versehen bzw. es gibt Nachführungen auch im Sinne dessen, dass man versucht, all das, was identifiziert wurde, zukünftig auszuschließen. Da gibt es ein ganz klares Reaktionsschema. Das läuft auch standardmäßig. Aber gehen Sie davon aus, das macht nicht ein Minister im technischen Detail, bis hin zum Personalansatz, zumal es sich ja um Personalzuständigkeiten auch ganz besonderer Art gehandelt hat, wenn ich mich richtig erinnere. Also, das ist ein hochkomplexes System. Da bitte ich wirklich, die Fachbeamten noch einmal zu befragen, weil so etwas ein Minister nicht alles machen kann. Ich muss manchmal auch um Verständnis bitten, dass bei der Komplexität und Vielfalt der Aufgaben, die in einem Ministerium, auch gerade in einem Doppelministerium, Wirtschaft und Arbeit, zu verantworten waren, auch klare Hierarchien, Verantwortlichkeiten, Delegationen laufen und die politische Steuerung durch einen Minister erfolgt, aber diese ganzen fachspezifischen Dinge, die Sie teil-weise auch zu recht aufklären müssen, aber nicht über einen ehemaligen Minister

52 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 23 (Dr. H.) 53 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15. September 2014, S. 48 (Dr. H.)

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sozusagen aufklärbar sind. Da bitte ich einfach um Verständnis.“54 In diesem Sinne erscheint fragwürdig, inwieweit fachpolitische Entscheidungen über-haupt vom obersten Dienstherren gefällt werden konnten oder ob diese vielfach in der Leitungshierarchie „nach unten delegiert“ worden sind.

2.4. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes Im Rahmen des Untersuchungsauftrages des Landtages war zu klären, ob die Lan-desregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstellung sowie das Ministerium für Inneres und Sport, alles getan haben, um zu einer zügigen und um-fassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfällen beizutragen und ins-besondere mittels einer ausreichenden personellen Ausstattung der Ermittler (hier insbesondere Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt) die Ermittlungen Erfolg versprechend durchzuführen und zeitnah abschließen zu können. 2.4.1 Personalausstattung in der Staatsanwaltschaft und der Wechsel des Staatsanwaltes L. zum Finanzgericht Sachsen-Anhalt Zur Bewertung dieses Themenkomplexes wurden folgende Zeugen geladen, deren Zeugenaussagen mit Blick auf die zu untersuchenden Vorgänge hier zur Bewertung stehen. Ministerin für Justiz und Gleichstellung, Prof. Dr. Angela K.55 Im Rahmen ihrer Zeugenaussage stellte Frau Ministerin dar, dass sie in den zu un-tersuchenden Sachverhalten zu keinem Zeitpunkt persönlich involviert war. Sie ken-ne die Fakten lediglich aus den Akten. Dabei bestätigte sie, dass die Belastung der Staatsanwaltschaft Halle im Jahr 2011 bei 88% gelegen habe; damit weit unter der Belastung anderer Staatsanwaltschaf-ten. Sie stellte weiterhin folgendes fest: Das sich auf die ausgeschriebenen Stellen gera-de Kollegen der Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft Halle beworben haben, sei ihres Wissens nach Zufall gewesen. Ihrem Wissen nach änderten auch die Ab-gänge der Staatsanwälte zum Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt nichts an dieser Situation. Es habe auch weiterhin eine Belastung unterhalb der 100% bestan-den. Im Übrigen sei der Weggang des Staatsanwaltes L. mit dem Generalstaatsanwalt abgestimmt gewesen. Ihrer Ansicht nach sei die Situation vielmehr genutzt worden, um zusätzliches Personal zu bekommen. Vizepräsidentin des Landgerichts Magdeburg, Dr. Melanie S.56

54 Niederschrift über die 22. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 01. Juli 2015, S.23 (Dr. H.) 55 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S.3 ff. (Prof. Dr. K.)

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Die Zeugin war als Referatsleiterin für Personalangelegenheiten im Ministerium für Justiz und Gleichstellung mit dem Sachverhalt betraut. Grund der Ausschreibung für die Finanzgerichtsbarkeit war nach ihrer Darstellung, dass deren Personalbelastung bei 132% lag. Dabei sei die Gewinnung von Personal für die Finanzgerichtsbarkeit immer etwas Besonderes gewesen, da dort alle Richter mit der Besoldungsgruppe R2 besoldet werden und daher nur bei den berufserfahre-nen Kollegen gesucht und eine entsprechende Auswahl getroffen werden konnte. Es habe nur drei Bewerbungen gegeben. Man habe gemäß Artikel 33 Grundgesetz nach Eignung, Leistung und Befähigung ausgesucht. Schließlich bestätigte auch sie den Personalüberhang an der Staatsanwaltschaft Halle. Präsident des Finanzgerichtes LSA i.R., Gunther K.57 Da sich der Zeuge K. seit einiger Zeit bereits im Ruhestand befand, konnte er sich nicht mehr an alle Vorgänge erinnern, bzw. es bestand für ihn nicht die Möglichkeit, seine Erinnerung an Hand der im Finanzgericht befindlichen Akten aufzufrischen. Nach seiner Erinnerung war das Finanzgericht im Jahr 2012 das am meisten überbe-lastete Gericht in Sachsen-Anhalt. Ihm sei auch aus Berlin - seinem früheren Einsatzort - bekannt, dass Staatsanwälte im Finanzgericht eingesetzt worden seien. Schließlich sei der Ausschreibungstext für die Stellen beim Finanzgericht nicht von früheren Ausschreibungen abgewichen. Richter am Finanzgericht LSA, Ralf L.58 Beim Zeugen L. handelte es sich um den ursprünglich im Rahmen des Beweisauf-trages benannten Verfahrens zuständigen Staatsanwalt der Wirtschaftsabteilung in der Staatsanwaltschaft Halle. Er bewarb sich im Ermittlungszeitraum beim Finanzge-richt Sachsen-Anhalt und erhielt seine Ernennung zum Finanzrichter. Zunächst stellte der Zeuge L. dar, dass er als Staatsanwalt neben dem in Rede ste-henden Verfahren auch weitere bearbeitet habe. Im Zuge der Ermittlungen hatte er dem Landeskriminalamt mitgeteilt, welchen Personalbedarf er sehe. Nach seiner Einschätzung hatte es diesbezüglich keine Probleme gegeben. Er wusste ebenfalls nicht, ob das Team nach seinem Weggang geschwächt worden sei, da er zu dieser Zeit keine Informationen mehr über die Ermittlungen erhalten hat-te.

56 Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S.24 ff. (Dr. S.) 57Niederschrift über die 16. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19. Dezember 2014, S.36 ff. (K.) 58 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S.3 ff. (L.)

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Im Übrigen stellte er fest, dass bei jedem Wechsel „mehr oder minder ein Scherben-haufen“ hinterlassen wird; also Verfahren, die noch unbearbeitet seien. Die dadurch auftretenden Verzögerungen entstünden notwendigerweise. Schließlich stellte er dar, dass - wenn es überhaupt einen günstigen Zeitpunkt zum Wechsel in einem solchen Verfahren gäbe - es der von ihm gewählte war. Auf entsprechende Nachfrage sagte der Zeuge, dass zwar einzelne Teilkomplexe seinerzeit abtrennungsreife gewesen seien. Das beträfe jedoch das Ermittlungsver-fahren gegen die Hauptbeschuldigten ausdrücklich nicht. Generalstaatsanwalt Jürgen K.59 Der Zeuge K. stellte dar, dass im Rahmen eines Gespräches mit dem für das Perso-nal zuständigen Abteilungsleiter des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung ver-deutlicht wurde, dass die Staatsanwaltschaften einen Personalüberhang und einige Gerichte zu wenig Personal hätten. In der Folge kam es zu Abordnungen von vier Staatsanwälten aus der Staatsanwalt-schaft Halle an die Sozialgerichtsbarkeit, was zu einer Auslastung von 95% führte. Die Besonderheit bei der Ausschreibung der Stellen für die Finanzgerichtsbarkeit war, dass es sich hier um Beförderungsstellen handelt. Es gab infolgedessen keine Möglichkeit, den Zeugen L. an seinem Wunsch zu hindern bzw. ihn nicht wechseln zu lassen. Aus seiner Sicht sei es jedoch einmalig, dass mit der Ausschreibung im Justizminis-terialblatt auch Staatsanwälte angesprochen wurden. Allerdings bedurfte es vertiefter steuerrechtlicher Kenntnisse, über die regelmäßig nur Staatsanwälte verfügen, die in der Wirtschaftsabteilung tätig sind. Der Zeuge K. wandte sich ferner mit einem Schreiben vom 09.07.2012 an das Minis-terium für Justiz und Gleichstellung. In diesem Schriftstück beanstandete er insbe-sondere, dass drei Richter aus der Staatsanwaltschaft an das Sozialgericht wechseln und ein Kollege verstorben ist und es infolgedessen zu personellen Problemen kommt. Dann wörtlich: „ (…) das insoweit verloren gegangene Spezialwissen in den vergangenen sechs Monaten noch nicht wieder vollständig aufgebaut werden konn-te. Das eine derartige Schwächung der Wirtschaftsabteilung mit einer weiteren Schwächung durch die Abordnung des Staatsanwalts L. zwangsläufig in der An-fangsphase zu Ermittlungsverzögerungen in der Wirtschafstabteilung führen muss, war sowohl im Ministerium als auch der hiesigen Behörde bekannt. ..... Vor diesem Aufwand erscheint es nach wie vor nicht recht nachvollziehbar, warum dieses Ver-fahren entgegen unserer Antragstellung nicht mit einem besonderen eigenem Pen-sum in der Personalbedarfsberechnung abgebildet worden ist.“60 Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Halle, Jörg W.61

59 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S.63 ff. (K.) 60 Akte des Ministeriums der Justiz, 2000/01 E-101.2312/2012, S. 22 f. 61 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S.47 ff. (W.)

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Der Zeuge W. stellte dar, dass im Jahr 2011 die Pensen der Staatsanwälte einge-brochen seien und ein höherer Personalbedarf in der Gerichtsbarkeit, insbesondere an den Sozialgerichten, bestünde. Daher habe er in seinem Haus hinterfragt, ob es ein Interesse an einer Tätigkeit in der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Sachsen-Anhalt gebe. In diesem Zusammen-hang hatte auch ein Gespräch mit dem Zeugen L. stattgefunden. Von diesem sei jedoch gesagt worden, dass er zwar an einem Wechsel interessiert sei, jedoch nicht an die Sozialgerichtsbarkeit sondern an das Finanzgericht des Landes. Daraufhin habe er eine entsprechende Anfrage an das Ministerium für Justiz und Gleichstellung gestellt. Auf entsprechende Nachfrage erklärte der Zeuge, dass er eine Verzögerung des Verfahrens durch den Weggang des Zeugen L. an das Finanzgericht nicht einschät-zen könne. Nach seiner Einschätzung habe sich sein Nachfolger jedoch zügig einge-arbeitet. Zudem habe er gegenüber dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung erfolgreich daraufhin gewirkt, die Ernennung des Zeugen L. um einen Monat zu ver-schieben, damit der Übergang zu seinem Nachfolger geordnet erfolgen könne. Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Halle, Heike G.62 Die Zeugin G. stellte dar, dass eine Stelle als Finanzrichter durchaus attraktiv auf-grund der Besoldungsgruppe R2 sei. Der Zeuge W. hatte ihr mitgeteilt, dass er dem Zeugen L. davon abgebracht hatte, sich beim Sozialgericht zu bewerben. Überrascht hatte sie, dass für ihn eine Verset-zung zum Finanzgericht in Frage gekommen sei. Ihrer Ansicht nach kämen aller-dings gerade Staatsanwälte aus der Wirtschaftsabteilung hierfür in Betracht. Auf Nachfrage stellte sie klar, dass es sich bei ihrer Einschätzung im Jahr 2012, dass es im Sommer des Jahres die ersten Anklagen geben wird, um einen „klassischen Fauxpas eines Pressesprechers“ handelte. So etwas dürfe man nie machen. Sie bestätigte darüber hinaus, dass es bei einem Dezernatswechsel zu zeitlichen Verzögerungen komme. 2.4.2 Personalausstattung im Landeskriminalamt Die Ermittlungsgruppe „Sponsor“, die sich mit dem vom Untersuchungsausschuss zu untersuchendenden Ermittlungskomplex beschäftigte, befasste sich letztendlich mit einem Umgangsverfahren, welches ca. 600 Aktenordner und drei Terabyte elektroni-sche Daten als Beweismittel umfasste. Umgangsverfahren haben in der Regel eine Bearbeitungszeit von mehr als 6 Monaten und benötigen einen erheblichen Sach- und Personalansatz. 62 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S.33 ff. (G.)

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Entscheidend für die Klärung des Sachverhaltes, ob die Landesregierung, insbeson-dere in diesem Fall das Ministerium für Inneres und Sport, alles getan hat, um zu ei-ner zügigen und umfassenden Aufklärung von möglichen Fördermittelbetrugsfällen beizutragen, war die Untersuchung der vorhandenen personellen Ausstattung der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ beim Landeskriminalamt. Diese Aussage wird durch den Zeugen L. folgendermaßen bekräftigt: „Ich habe be-richtet, was für Ermittlungsansätze wir nachgehen, wie sich die Komplexe darstellen und habe natürlich auch darauf hingewiesen, dass, um das zeitnah und Erfolg ver-sprechend ermitteln zu können, wir auch einen gewissen Personalbestand brauchen, und daneben nicht nur einen Personalbestand, sondern auch sonstige Ausrüstung, wie auch immer.“63 Der Zeuge L. bemerkte in seiner Zeugenvernehmung weiter: „Wir haben dann diese Ermittlungsgruppe letztendlich erst mal mit den zwei Personen, Herrn S. und Herrn A., gegründet oder aufgemacht. Es mussten dann ja auch erst einmal die Akten an-gefordert werden beim Landesverwaltungsamt. Die Ermittlungsgruppe ist dann, als die ersten Akten da waren und gesichtet werden mussten, entsprechend personell aufgestockt worden. Je nach entsprechendem Bedarf haben dann da auch mehr Leute an der Bearbeitung oder Durcharbeitung der durch das Landesverwaltungsamt zur Verfügung gestellten Akten gearbeitet.“64 Er setzte in seinen Ausführungen fort: „Die Ermittlungsgruppe hatte zeitweise, ich meine, fünf oder sechs Mitarbeiter. Das war auch durchaus ausreichend. ... Ich musste mit dem Personalbestand, der mir vom LKA zur Verfügung gestellt wurde und werden konnte, zufrieden sein und war es auch.“65 Der Zeuge S. führte bezüglich des Personalbestandes im Detail aus: „Zum Personal-bestand selbst kann ich Ihnen noch einen kurzen Überblick geben. Ich sagte, im Juli 2009 ist die Ermittlungsgruppe eingerichtet worden. Die Ermittlungsgruppe hat dann bis März 2011 mit fünf bis sieben Personen besetzt gearbeitet, ab Mai 2011 dann bis November 2011 mit sieben bzw. sechs Personen, ab Dezember 2011 bis März 2012 mit sieben und von dem Zeitpunkt an, März 2012, bis ins Frühjahr 2013 hinein - oder nein; ich glaube, 2012 ist ja eigentlich der entscheidende Zeitraum - mit acht Perso-nen.“66 Auf die Frage des Abgeordneten Meister bezüglich möglicher personeller Engpässe antwortete die Zeugin G. wie folgt: „Meines Wissens ist diese Ermittlungsgruppe mit höchstens sechs Personen besetzt gewesen, sofern ich es in Erinnerung habe. Das waren drei oder vier Polizeibeamte und zwei Herrschaften, die betriebswirtschaftliche Auswertungen gemacht haben, oder Auswertungen nicht betriebswirtschaftlich, son-dern quasi dargestellt haben, was wir an Papier haben, und das irgendwie verexcelt haben, um auf die Daten auch auswertungstechnisch Zugriff zu haben. Das ist schon relativ viel, aber in einem Komplex, der immer, immer größer wird, immer mehr 63 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 6 (L.) 64 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 9 (L.) 65 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 9 (L.) 66 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 77 (S.)

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wächst - jede Datei, die ich auswerte, jeder Ordner, den ich anfasse, zeigt wieder, oh, da muss ich jetzt noch mal einer anderen Spur nachgehen -, ist das natürlich nicht viel. ... Wir haben uns im Juni 2011 auf Wunsch von Herrn L. nach einem Ge-spräch an den Direktor des Landeskriminalamtes gewandt, um darum zu bitten, zwei Leute mehr wenigstens zu finden, die er mit in diese Ermittlungsgruppe integrieren kann. Eine förmliche Antwort gab es darauf nicht, aber mein Behördenleiter hat mir gesagt, dass Herr S. ihm zugesichert habe, nach seinen Möglichkeiten da etwas zu machen. Die Möglichkeiten sind aber - das ist einfach so - beschränkt; denn jeden Beamten, den ich zusätzlich da mit hineinsetze, den muss ich wieder woanders ent-behren. Die Aufgaben sind doch sehr vielschichtig, die wir alle zu erfüllen haben. Es ist sicherlich eine Variante, auf solch einen Komplex alle zu setzen, die ich irgendwie finden kann. Aber ich möchte mal ganz deutlich darauf hinweisen: Wenn Sie das machen, bleiben andere Dinge, die vielleicht genauso wichtig oder wichtiger sind, schlicht liegen. Ich bin der Auffassung, wir machen das. Wir machen das gründlich. Wir machen es möglichst schnell. Aber wir können einfach nicht alle Manpower nur auf diesen Komplex setzen.“67 Die Bemerkung des Abgeordneten Dr. Thiel: „ Das heißt also, wenn ich Sie richtig verstanden habe, der Personalengpass bei Ihnen war auch immer permanent da. Es gibt Schreiben von Ihnen, wo Sie gebeten haben, die Gruppe zu vergrößern, aber man kann ja nur mit einem bestimmten Personalbestand agieren, der auch da ist an der Stelle.“ wurde durch den Zeugen W. eindeutig bestätigt.68 Der Zeuge S. schätzte diese Situationsbeschreibung mit seinen Worten folgender-maßen ein: „Ja. Die Personalsituation ist eng. Jeder Bereich guckt, dass er seine Sachen voreinander kriegt, und in allen Bereichen ist im Grunde genommen zu we-nig Ermittlungskapazität vorhanden, sodass natürlich versucht wird mit äußerst viel Nachdruck - auch mit dramatischen Schilderungen -, Personalunterstützung zu ge-winnen.“69 Er setzte im Rahmen seiner Zeugenvernehmung wie folgt fort: „Ich kann Ermittlun-gen sehr umfangreich führen, und ich kann sie in alle Richtungen führen, wenn ich tatsächlich auch das Personal dafür habe. Wenn ich ein großes Umfangsverfahren habe, dann setzt die Ermittlungsgruppe in Absprache mit dem Staatsanwalt die Er-mittlungsrichtung fest, und dann werden auch Ermittlungsschritte vereinbart. Gerade das Verfahren „Sponsor“ war sehr aufwändig. Es sind da unwahrscheinlich viele - ich sagte, über 300 - Zeugen vernommen worden. Es mussten unendlich viele Unterla-gen ausgewertet werden, und es sind auch Tausende von Mannstunden damit ver-bracht worden, Berichte zu schreiben.“70 2.4.3 Schlussfolgerungen zum Komplex „Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes“ 67 Niederschrift über die 15. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 21. November 2014, S. 40 (G.) 68 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 13 (W.) 69 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 86 (S.) 70 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16. Januar 2015, S. 87 (S.)

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Abschließend muss festgestellt werden, dass es durch die Versetzung des Staats-anwaltes L. an das Finanzgericht Sachsen-Anhalt zu einer - wenn auch nicht erhebli-chen - zeitlichen Verzögerung in den Ermittlungen des gegenständlichen Verfahrens gekommen ist. Dies haben Zeugen innerhalb dieses Komplexes nicht völlig ausräu-men können bzw. teilweise sogar bestätigt. Jedoch liegen keine direkten Anhaltspunkte bzw. Beweise dafür vor, dass es sich um unübliche Verfahrensabläufe im Ministerium für Justiz und Gleichstellung und den ihm nachgeordneten Behörden gehandelt hat, die im Rahmen der gängigen Praxis bzw. innerhalb der üblich zu realisierenden Veränderungen beim Personal zu erheb-lichen Verzögerungen im Verfahren bzw. der Ermittlungen geführt oder gar die Er-mittlungen in einem nicht unerheblichen Maße erschwert haben. Auch das bereits unter Ziffer 2.4.1 erwähnte Schreiben des Generalstaatsanwaltes K. vom 09.07.2012, welches als Remonstration gegen die Personalentscheidung bzw. die Besetzung beim Finanzgericht zu werten ist, belegt nicht eindeutig, dass dessen Nichtentsprechung eine qualitative Verzögerung im Verfahren nach sich ge-zogen hätte. Dem Generalstaatsanwalt ging es vielmehr um eine Entlastung des vorhandenen eigenen Personals durch eine Neuberechnung der Personalbedarfe, was er nach eigenem Bekunden regelmäßig gegenüber dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung vorgetragen hatte. Folglich ist festzustellen, dass die Landesregierung, insbesondere das Ministerium für Justiz und Gleichstellung, - keinen zielgerichteten Einfluss darauf genommen hat, um eine zügige und umfassende Aufklärung möglicher Fördermittelbetrugsfälle mit-tels einer unzureichenden personellen Ausstattung zu verhindern. Dennoch bleibt anzuzweifeln, dass die Landesregierung, insbesondere das Ministe-rium für Justiz und Gleichstellung, alles getan hat, um mittels ausreichender perso-neller Ausstattung die Ermittlungen zügig und vor allem zeitnah abschließen zu kön-nen. Ähnliches lässt sich für den Verantwortungsbereich des Ministeriums für Inneres und Sport - einschließlich des Landeskriminalamtes und der Ermittlungsgruppe „Sponsor“ - konstatieren. Personalknappheit bestand seit jeher in jedem Ermittlungsverfahren. Jedoch auf-grund des durch die Landesregierung in den zurückliegenden Jahren praktizierten ersatzlosen Personalabbaus hatte sich die Personalsituation auch in den genannten Bereichen des Ministeriums für Inneres und Sport noch erheblich zugespitzt. Dieser Zustand führte unweigerlich auch zu Abstrichen in der zu realisierenden Er-mittlungsarbeit. Es wurden infolgedessen in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Schwerpunkte und Ermittlungsrichtungen festgelegt, nicht jedem Tatvorwurf bis ins Detail nachgegangen, Ressourcen gebündelt und an Hand dessen die notwendige Ermittlungsarbeit durchgeführt. Es fehlte im Endeffekt eine Ausstattung mit ausreichendem, gut qualifiziertem und spezialisiertem Personal, welches eine entsprechende Fachausbildung sowie berufli-che Erfahrungen mit sich bringt. Ein Mehr an geeignetem Fachpersonal hätte unwei-

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gerlich eine zügigere, umfänglichere, detailliertere und effektivere Ermittlungsarbeit - auch im Bereich der Fördermittelbetrugsfälle - nach sich gezogen. Es wird ferner festgestellt, dass die Landesregierung zwar keinen unmittelbaren, be-wussten Einfluss auf den Inhalt und die unmittelbare Führung der Ermittlungsverfah-ren genommen hat, dennoch haben sich Unterlassungen sowie ein fehlendes Entge-gensteuern nicht förderlich, sondern vielmehr nachteilig auf die zeitlichen Abläufe und teilweise auf den Umfang der Ermittlungstätigkeit ausgewirkt.

3. Generelles Fazit:

Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus den vorliegenden Ergebnissen der Tätigkeit des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Auch die Ergebnisse des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses bele-gen die Notwendigkeit, dass die Förderpolitik des Landes grundlegend neu und auf Ziele auszurichten ist, die den Interessen des Landes dienen. Es darf nicht länger darum gehen, nach formalen Kriterien möglichst viele Mittel mög-lichst schnell zu verteilen, es bedarf vielmehr einer verbindlichen Strategie für den Einsatz öffentlicher Fördermittel. Das betrifft im Einzelnen: 3.1. Hinsichtlich des Einsatzes von öffentlichen Fördermitteln ist ein radikales Um-steuern erforderlich, Nachhaltigkeit und Messbarkeit der Ergebnisse sind dabei ins Zentrum des Handelns zu rücken. Es zeigt sich, dass gerade bei schleppendem Abfluss von Mitteln quantitative Ent-scheidungsfaktoren eine größere Rolle spielen als qualitative. Dieses Herangehen ist umzukehren. So sind in der Analyse der aktuellen Förderpolitik anhand der periodi-schen Berichte konsequent Wirkungsfaktoren wie kurz- oder mittelfristiges BIP-Wachstum bzw. Erhöhung der Erwerbstätigkeit zugrunde zu legen. Für eine künftige Förderpolitik müssen die qualitativen Faktoren ins Zentrum der Be-wertung der Ergebnisse rücken. 3.2. Die Förderung der Wirtschaft ist auf die Kriterien Transparenz, Innovation und Nachhaltigkeit auszurichten. Der schnelle Aufbau einer Fördermitteldatenbank zur Herstellung von Transparenz bei der Fördermittelvergabe ist voranzutreiben. 3.3. Unumgänglich ist eine vorurteilsfreie Evaluierung der Förderpolitik, verbunden mit der Ausrichtung auf verbindliche Ziele: Schaffung und Sicherung „Guter Arbeit“, Gewährleistung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen sowie Erreichung eines sparsamen und ökonomischen Ressourcenverbrauchs als nachhaltiges Ziel. 3.4. Die InteressenvertreterInnen der Beschäftigten (Betriebs- und Personalräte, GewerkschaftsvertreterInnen als Tarifpartner) sind in den gesamten Prozess von Vergabe, Kontrolle und Zielanalyse durchgängig einzubeziehen. 3.5. Die bisherigen Kontrollmechanismen für Antragsüberprüfung, Zwischenauswer-

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tung oder Verwendungsnachweisprüfung sind nach verbindlichen Kriterien zu evalu-ieren. Die vorhandenen personellen Ressourcen in den jeweiligen Fachabteilungen und Vergabestellen wie Landesverwaltungsamt oder Investitionsbank sind in diese Eva-luation hinsichtlich der Quantität (notwendige Anzahl von Stellen) und der Qualität ihrer Arbeit einzubeziehen. Es bedarf konkreter Mechanismen, die eine schnelle und wirksame Reaktion auf sich offenbarende Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten ermöglichen. Notwendig sind klare und verbindliche Transparenzregeln, die den politisch und fach-lich Verantwortlichen ebenso wie der Öffentlichkeit den Umgang mit öffentlicher Mit-tel nachvollziehbar machen. 3.6. In allen Fachressorts sind jährlich Auswertungen hinsichtlich der Effektivität des Einsatzes von Fördermitteln bzw. der Auswertung von Antragsverfahren und Kon-trollmechanismen zu realisieren. gez. Dr. Frank Thiel, MdL gez. Swen Knöchel, MdL gez. André Lüderitz, MdL gez. Edeltraud Thiel-Rogée, MdL

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Sondervotum des Mitglieds Herrn Olaf Meister, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Vorbemerkung Gemäß Einsetzungsbeschluss vom 18.10.2012 (Drs. 6/1540),1 war dem Untersu-chungsausschuss aufgegeben worden, sechs Fragestellungen zu beantworten. Zu-nächst war zu klären, ob die Fördermittelvergabe insbesondere betreffend die Richt-linie zur Qualifizierung von Beschäftigten rechtswidrig erfolgt ist (A).2 Falls Fördermit-tel rechtswidrig vergeben wurden, waren die Ursachen wie z. B. unzulässige Beein-flussung des Verfahrens, mangelhafte Rechts- oder Fachaufsicht, mangelhafte Kon-trollen zu erforschen (B).3 Zudem hatte der Ausschuss zu untersuchen, inwieweit ein Zusammenhang zwischen einem möglichen Erhalt von Parteispenden oder Provisio-nen, einem möglichen Abschluss von nicht handelsüblichen oder sogar nichtigen Dozentenverträgen durch das IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH und der rechtswidrigen Fördermittelvergabe besteht (C).4 Der Ausschuss hatte sich sodann damit zu befassen, ob Ermittlungen verzögert wurden, d. h. insbesondere ob Polizei und Staatsanwaltschaft ausreichend personell besetzt waren, um Ermittlungen zeit-nah zu Ende zu führen und wieso der ermittelnde Staatsanwalt 2012 zur Finanzge-richtsbarkeit wechselte (D).5 Ein weiterer zu untersuchender Punkt war die Rolle des Fußballvereins SV Dessau 05, also ob eine subventionierte Verquickung von Sport, Unternehmen und CDU im fraglichen Zeitraum stattgefunden hat. Als letzter Punkt war die Frage zu behandeln, inwiefern korruptive Vorgänge im früheren Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bzw. im heutigen Ministerium für Arbeit und Soziales statt-fanden und inwiefern darauf durch Umsetzung des betreffenden Beschäftigten rea-giert wurde (E).6 Abschließend folgen eine kurze Zusammenfassung sowie Empfeh-lungen (F).

A. Rechtswidrige Fördermittelvergabe Anders als die Landesregierung behauptet hat, wurde ein erheblicher Anteil der För-dermittel der Richtlinie zur Qualifizierung von Beschäftigten veruntreut. Zu Beginn des Tätigwerdens des Ausschusses lag trotz einer vorherigen Behandlung im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft keine genaue Übersicht vor, welche Fördermittelmaßnahmen durch möglicherweise betrügerisches Vorgehen betroffen sind. Mit Übersendung einer Auflistung der durch die Staatsanwaltschaft Halle im Austausch mit dem Landesverwaltungsamt geführten Fälle erhielt der Ausschuss zum 10.6.2013 genauere Kenntnis, welche Qualifizierungsmaßnahmen vom Landes-

1 Vgl. S. 9 f des Untersuchungsberichtes. 2 Vgl. Einsetzungsbeschluss I.1. -3., II.1. 3 Vgl. Einsetzungsbeschluss I.1.-3. 4 Vgl. Einsetzungsbeschluss I.4. 5 Vgl. Einsetzungsbeschluss I.5, II.4. 6 Vgl. Einsetzungsbeschluss II.3.

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verwaltungsamt im Zuge der Aufarbeitung des Dessauer Fördermittelskandals über-prüft werden und welche verwaltungsrechtlichen Vorgänge dem Landeskriminalamt in der Sache vorliegen. 7 Diese Liste wurde mit Stand vom 2.12.2014 dem Ausschuss aktualisiert zur Kennt-nis gegeben, eine weitere Aktualisierung enthält eine Anlage zur Niederschrift vom 20.4.2015.8 Alle Fördermittelanträge wurden zwischen Anfang 2004 bis Ende 2007 eingereicht. In 33 von 40 vom Landeskriminalamt und Landesverwaltungsamt überprüften Fällen nahm das Landesverwaltungsamt den Bewilligungsbescheid gem. § 1 VwVfG LSA i. V. m. § 48 VwVfG zurück und meldete die Unregelmäßigkeiten an die Europäische Union.9 In zwei Fällen wurden die Rücknahmebescheide verwaltungsgerichtlich be-stätigt.10 In sechs Fällen konnte das Landeskriminalamt keine ausreichenden An-haltspunkte ermitteln. In einem Fall wurde der Vorgang einem anderen Ermittlungs-verfahren zugeordnet.11 Die mit Stand vom 20.4.2015 kumulierte Erstattungsforde-rung beträgt ca. 7,5 Mio Euro (7.529.813,43 Mio EURO). Von den 23 Unternehmen, gegen die Rücknahmebescheide ergangen sind, befinden sich zwölf Unternehmen im Insolvenzverfahren oder sind aufgelöst. Die Rückforderungssumme gegen diese Unternehmen beträgt knapp 4,5 Mio Euro (exakt 4.574.291,22 Euro), so dass fraglich ist, ob das Land und die Europäische Union diese Mittel zurückerhalten werden. Zudem wurden teils parallel zu den Fördermittelanträgen Anträge bei der Bunde-sagentur für Arbeit gestellt. Diese wurden mangels Zuständigkeit nicht vom Untersu-chungsausschuss untersucht, sind jedoch Teil der staatsanwaltschaftlichen Ermitt-lungen. Erste Hinweise darauf waren bereits dem Abschlussbericht des Privatermitt-lers, des Zeugen J., zu entnehmen.12 Die der Liste der Staatsanwaltschaft Halle in-soweit zu entnehmende Fördersumme beträgt 167.679 EURO.13

7 Schreiben des Ministeriums der Justiz an den Vorsitzenden des 13. Parlamentarischen Untersu-chungsausschuss vom 10. Juni 2013 (Adrs 6/U13/8). 8 Schreiben des Ministeriums für Arbeit und Soziales vom 17.12.2014 zum Neunten Aktenvorlage-/Auskunftsverlangen vom 19.11.2014 (Adrs. 6/U13/25), Anlage 1. 9 Vgl. Anlage 1 zur Niederschrift über den öffentlichen Teil der 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 20. April 2015. 10 Urteile des Verwaltungsgerichts Halle (Az 1 A 3/12 HAL und Az 1 A 4/12 HAL). 11 Schreiben des Ministeriums für Arbeit und Soziales vom 17.12.2014 zum Neunten Aktenvorlage-/Auskunftsverlangen vom 19.11.2014 (Adrs. 6/U13/25), Anlage 1. 12 Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19.4.2013, S. 56 (J.). 13 Schreiben des Ministeriums für Arbeit und Soziales vom 17.12.2014 zum Neunten Aktenvorlage-/Auskunftsverlangen vom 19.11.2014 (Adrs. 6/U13/25), Anlage 3b.

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Die Untersuchung durch das Landesverwaltungsamt und das Landeskriminalamt be-schränkten sich auf die Fördermittel, die im Rahmen der Richtlinie zur Qualifizierung von Beschäftigten14 vergeben wurden. Hinweisen, dass auch Bescheide, die im Rahmen der Existenzgründerrichtlinie ergingen, betroffen sein könnten, wurde nicht weiter nachgegangen. Begründet wurde dies damit, dass Existenzgründerinnen und -gründer ein eigenes Interesse an einer Förderung hätten.15 Aufgrund ähnlicher per-soneller Konstellationen, wie dem Umstand dass der zuständige Referent im damali-gen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit für beide Richtlinien zuständig war und dass nach dem Weggang des Regionalbereichsleiters B. aus der IHK Bildungszent-rum Halle-Dessau GmbH keine Fördermittel mehr an die IHK BIZ GmbH gingen,16 wäre eine – zumindest kursorische Prüfung z. B. durch Abgleich Teilnehmer bei bei-den Richtlinien – sinnvoll und notwendig gewesen. In den letzten Sitzungen vor Abschluss der Zeugenvernehmung ist dem Ausschuss bekannt geworden, dass neben der Ermittlungsgruppe Sponsor die Ermittlungsgrup-pen System (902 Js 37910713) und Bildung (902 Js 5525/13) tätig wurden bzw. sind. Dieser Ermittlungstätigkeit liegen 27 Fördermaßnahmen ab dem Jahr 2007 mit einem Gesamtvolumen von knapp 1,2 Mio Euro (genau 1.191735,62 Euro) zugrunde.17 In der Förderperiode 2000 bis 2006 wurden 63 Mio Euro ESF-Mittel zur Qualifizerung von Beschäftigten eingesetzt. In der Förderperiode 2007 bis 2013 wurden ca. 37 Mio Euro ausgegeben. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Verwendung von ca. 7,86 Mio Euro (9 Mio jährlich im OP III und 5,2 Mio Euro im OP IV). Bei ei-nem zu beziffernden Schaden von 7,5 Mio Mio Euro18, wurde allein in den untersuch-ten Fällen ein kompletter Jahresbetrag der zwischen 2000 und 2013 ausgegebenen Fördermittel der Richtlinie zur Qualifizierung von Beschäftigten veruntreut. Der tat-sächliche Wert der veruntreuten Mittel dürfte weitaus höher sein, da diese Zahl nur die speziell im Rahmen der Dessauer Fördermittelaffäre und erst ab dem Jahr 2004 untersuchten Fälle abbildet. Von Seiten der Landesregierung wurde in den Zeugenaussagen immer wieder dar-gelegt, dass es sich nur um einen kleinen Prozentsatz der Fördermittelfälle handelt, das Förderprogramm im Übrigen gut funktioniere, bzw. nicht missbrauchsanfällig war

14 Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Qualifizierung von Beschäftigten aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Sachsen-Anhalt (RdErl. des MS vom 12. Februar 2001 - 43.2.1, MBl. LSA 2001 S. 141ff.), geändert durch Runderlass des MW vom 1.1.2006 (MBl. LSA, S. 12) und vom 19.12.2006 (MBl. LSA S. 800); Richtlinie zur Förderung der Qualifizierung von Beschäftigten mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (RdErl. des MW vom 10. Dezember 2007 – 53-32323, MBl. LSA 2007 S. 937ff.); Richtlinie zur Förderung der Qualifizierung von Beschäftigten (RdErl des MW vom 18.12.2008 (MBl. LSA 2008 S. 888) geändert durch RdErl. des MW vom 1.Dezember 2009 – 53-32323-111). 15 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16.1.2015, S. 88 (S.). 16 Vgl. K.e Anfrage des Abgeordneten Christoph Erdmenger KA 6/7726 „Fördermittel für das IHK BIZ von 2002 bis 2008“ sowie Antwort Drs. 6/1831 vom 22.2.2013. 17 Anlage 1 und 2 zur Niederschrift über den öffentlichen Teil der 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 8.5.2015. 18 Hinzuweisen ist, neben dem dargestellten erheblichen Volumen, dass das Landesverwaltungsamt darauf verzichtet hat, Vorgänge vor 2004 zu untersuchen. Allein der Untersuchungsbericht des J. gibt Hinweise darauf, dass schon vor 2004 Fördermittel rechtswidrig erlangt wurden, vgl. auch Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19.4.2013, S. 57f (J.). Diese sind vom Untersuchungsausschuss nicht näher untersucht worden, da es sich um Vorgänge vor dem Untersuchungszeitraum handelt.

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oder sei.19 Die von der Europäischen Union festgesetzte Schwelle bezüglich des Funktionierens eines Förderprogramms liegt bei 2 % fehlerhafter Ausgaben. Dieser Wert wurde deutlich überschritten. In den untersuchten Jahren 2004 bis 2008 betrug der festgestellte jährliche Missbrauch durchschnittlich etwa 20 % der aufgrund der Förderrichtlinie ausgegebenen Fördermittel. Die Dunkelziffer ist dabei unberücksich-tigt. Die Aussage der Landesregierung ist als irreführend und falsch zu bewerten. Vielmehr muss festgestellt werden, dass hier bewusst ein spezifisches Förderpro-gramm 'ausgebeutet' wurde. Im Folgenden werden die strukturellen Bedingungen dargestellt, die dafür ursächlich waren, dass eine solche Betrugsserie unter Beteili-gung einer privaten Tochter einer unter der Rechtsaufsicht des Wirtschaftsministe-riums stehenden Körperschaft des öffentlichen Rechts, der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH, möglich war.

B. Ursachen: Rechtswidriges Handeln des Ministeriums für Wirtschaft und Ar-beit Als strukturelle Ursachen für die Ermöglichung der dem Ausschuss zugrundeliegen-den Betrugsserie wurden die mangelhafte arbeitsmarktpolitische Zielsetzung, welche mit der sehr weiten Formulierung der Richtlinie einhergeht (1), der verfestigte Mangel an Personal und die damit einhergehende dauerhafte Überlastung des bestehenden Personals im Referat 302 des Landesverwaltungsamts (2), die – bedingt durch den Personalmangel – unzureichende Prüf- und Kontrolltätigkeit (3), die rechtswidrige Führung der Fach- und Rechtsaufsicht durch das ehemalige Ministerium für Wirt-schaft und Arbeit und das jetzige Ministerium für Arbeit und Soziales (4), der Druck, Fördermittel abfließen zu lassen (5) sowie mangelhafte Kenntnisse zur Anzeigepflicht des Subventionsbetrugs (6) ausgemacht.

1. Missbrauchsanfällige Richtlinie Grundlegend für die Missbrauchsanfälligkeit der Richtlinie ist eine mangelhafte ar-beitsmarktpolitische Zielsetzung, die aus der weiten Formulierung der Richtlinie er-sichtlich ist und durch die Zeugenvernehmung bestätigt wurde (a). Auf ministerialer Ebene wurde die Inanspruchnahme der Fördermittel nicht regional ausgewertet (b). Mit dieser Richtlinie wurde eine Unterauftragsvergabe der Bildungsträger nicht ver-hindert (c) und Inhouse-Schulungen bei gleichzeitigem Lohnkostenersatz ermöglicht (d). Der Richtlinie wird selbst durch das Ministerium für Finanzen eine mangelhafte Zweck-Mittel-Relation bescheinigt (e).

19 Plenarprotokoll 6/29, Landtag von Sachsen-Anhalt, Plenarsitzung vom 13.7.2012, S. 2211 (Robra); Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 22.11.2013, S. 49 f (P.); Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15.9.2014, S. 17 (H.).

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a) Mangelhafte arbeitsmarktpolitische Zielsetzung Der unbestimmte Wortlaut der Richtlinie zur Qualifizierung von Beschäftigten bildet die Grundlage für die rechtswidrige Gewährung von Subventionen.20 Die vom Zeu-gen Dr. Reiner H., dem ehemaligen Minister für Wirtschaft und Arbeit, umschriebene sehr unkonkrete Zielsetzung der Richtlinie, nämlich die allgemeine Verringerung der Arbeitslosenquote, findet ihren Niederschlag in der sehr weiten Fassung der Richtli-nie, was u. a. durch die Verwendung vieler unbestimmter Rechtsbegriffe und damit einer weiten Auslegungsfähigkeit ersichtlich ist.21 Zuwendungen können nach Ziffer 2.11 gewährt werden, insoweit sie z. B. sich „allgemein auf die Erschließung von Humankapital richten“, der „Arbeitslosigkeit vorbeugen“ oder „die vorauszusehenden Auswirkungen der industriellen Veränderungen auf die Beschäftigungslage abfan-gen“.22 Dass die Zielsetzungen der Richtlinie unbestimmt sind, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass selbst die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden rechts-widrig erlangten Fördermittel für Weiterbildungsmaßnahmen „Humankapital“ er-schlossen und sich die Arbeitslosenquote – für die Zeit der Weiterbildung – verrin-gerte, da ein Anstellungsverhältnis zumindest für die Zeit der Qualifizierung nachge-wiesen werden musste. Zu kritisieren ist daher eine fehlende arbeitsmarktpolitische Steuerung. Es fehlt ein zielgenauer Einsatz der Mittel, der mit einer möglichst konkreten Fassung der Richt-linie einhergeht. Dies kann als ein Grund dafür gesehen werden, dass sich die Be-schäftigten des Landesverwaltungsamtes bei vielen Maßnahmen daran gehindert sahen, offensichtlich nicht notwendige Weiterbildungen abschlägig zu bescheiden, da die Rechtsgrundlage auch diese zumindest formal erlaubte bzw. keine Begrün-dung der Notwendigkeit einer Weiterbildung einforderte und damit zu Rechtsunsi-cherheiten führte. Eine dergestalt weite Fassung einer Richtlinie steht im starken Kontrast zu der von § 7 Haushaltsordnung des Landes Sachsen-Anhalt geforderten sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung und dem Subsidiaritätsprinzip bei der Verwendung öffentlicher Mittel. Dass es der Fördermittel, unabhängig von der missbräuchlichen Verwendung, häufig auch inhaltlich nicht bedurft hätte und in ungeklärtem Umfang Mitnahmeeffekte be-standen, zeigt die Aussage des ehemaligen Geschäftsführers und Alleinaktionärs der P. Biskuit AG, des einzigen großen Unternehmens, das im Rahmen des Dessauer Fördermittelskandals gefördert wurde. Er erklärte, dass er die Weiterbildung auch ohne Fördermittel längere Zeit in Anspruch genommen hatte. Es muss bezweifelt werden, dass der Bedeutung der Subsidiarität öffentlicher Mittelvergabe bei eigener Leistungsfähigkeit Rechnung getragen wird. Für die Förderung der P. AG wurde trotzdem, um die Fördervoraussetzungen einzu-halten, auf Anraten des Zeugen B. die Angabe der Mitarbeiterzahl von 300 auf 250 gesenkt und dem im Ministerium für Arbeit und Soziales tätigen Zeugen S. anschei-nend, über eine Rechnung der Baustoffservice GmbH vermittelt, 6000 Euro zur Be- 20 Vgl. Teil B III.2. (S. 62 f) des Abschlussberichtes. 21 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 8.5.2015, S. 9 (B.); Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 20.9.2013, S. 107f (B.). 22 Vgl. Richtlinie zur Qualifzierung von Beschäftigten in der jeweiligen Fassung, aaO.

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arbeitung des Fördermittelantrags übergeben. Der Fall weist exemplarisch darauf hin, wie der einfache Erhalt verlorener Zuschüsse unter bestimmten Bedingungen kriminelle Handlungen begünstigt.

b) Keine regionale Auswertung Auf die mangelnde Steuerung bzw. Auswertung im aufsichtführenden Ministerium deutet auch der Umstand, dass dem damaligen Referatsleiter B. nicht aufgefallen sein will, dass sehr viele Fördermaßnahmen nur im Raum Dessau (sowie Witten-berg, Kemberg) durchgeführt wurden.23 Legt man alleine die bekannten betrügeri-schen Fälle zugrunde, betragen diese mindestens 7 % der Gesamtfördersumme auf die Jahre 2000 bis 2013 gerechnet. Nur auf die Jahre 2004 bis 2008 gerechnet, er-geben sich Werte von durchschnittlich 20 % der Gesamtfördersumme. Auch in der IHK-Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH war aufgefallen, dass einzig der Regio-nalbereichsleiter B. diese Fördermaßnahmen dem IHK BIZ 'vermittelte' und dies aus-schließlich für seinen Regionalbereich. Vorgesetzten im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit will nicht aufgefallen sein, dass mit dem Wegfallen des IHK Bil-dungszentrums für diesen Förderbereich die Mittelausgaben in diesem regionalen Bereich drastisch gesunken sein müssen.24 Entweder sind die Aussagen nicht glaubwürdig oder das Arbeitsministerium hat seine Steuerungs- und Kontrollaufgabe nicht wahrgenommen.

c) Problematik der Unterauftragsvergabe Als weiteres Problem muss die in den vorliegenden Fällen praktizierte Unterauftrags-vergabe gesehen werden. Die Richtlinie zur Qualifizierung von Beschäftigten verbie-tet zwar keine Unterauftragsvergabe, eine solche widerspricht jedoch des in § 7 Haushaltsordnung des Landes Sachsen-Anhalt festgelegten Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebots, da eine direkte Auftragsvergabe aller Voraussicht nach günsti-ger gewesen wäre. Dem Beschäftigten S. muss eine etwaige Unterauftragsvergabe durch die IHK Bil-dungszentrum Halle-Dessau GmbH bekannt gewesen sein. Seine Aufgaben im Refe-rat 53 des damaligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit und des jetzigen Ministe-riums für Arbeit und Soziales lauteten Förderung der Beruflichen Aus- und Weiterbil-dung, Qualifizierung, Koordinierung Fördermittelbearbeitungssystem für den ESF. Er hatte laut seiner Aufgabenbeschreibung die Fachaufsicht über umsetzende Stellen, wie die IHK, inne. Da die IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH eine selbständi-ge Tochter der IHK Halle-Dessau ist, musste ihm die Situation vor Ort und die Unter-auftragsvergabe bekannt sein. Die IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH konnte nicht alle Qualifizierungen anbieten, sondern vergab, vermutlich auch

23 Niederschrift über die 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 8.5.2015, S. 9 (B.). 24 Niederschrift über die 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 20.9.2013, S. 30 (C.); Niederschrift über die 9. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 22.11.2013, S. 49 (P.).

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aufgrund des deutlichen Personalrückgangs von ca. 80-100 auf 40 Beschäftigte,25 Lehraufträge an externe Bildungsdienstleister mit Hilfe von Honorarverträgen. Eine Unterauftragsvergabe erschwert die Kontrolle der Schulungen, trägt zur In-transparenz bei und ist aller Wahrscheinlichkeit nach teurer als eine direkte Auftrags-vergabe.

d) Inhouse-Schulungen und Lohnkostenerstattungen Die Richtlinie verbietet keine Inhouse-Schulungen, d. h. Schulungen, die in den Räumlichkeiten des Unternehmens stattfinden. Der Zeuge Dr. H. erläuterte dem Ausschuss, er habe zwei Personen damit beauftragt, zu überprüfen, ob dies tatsäch-lich rechtlich möglich sei, da damit gegen ein Prinzip bei Weiterbildungen verstoßen werde.26 Eine Inhouse-Schulung kann zwar kostengünstiger sein, sollte jedoch da-raufhin überdacht werden, dass Betrugsfälle leichter möglich sind. Dadurch ist schwer bis gar nicht überprüfbar, ob Beschäftigte sich tatsächlich weiterbilden lassen oder weiter ihrer Beschäftigung im Unternehmen nachgehen. Eine starke Motivation für kriminelle Vorgänge entstand durch die Übernahme von Lohn- und Gehaltskosten der Beschäftigten in den Unternehmen. In Kombination mit den Schulungen in den Unternehmen bestand so die Möglichkeit, über erhebliche Zeiträume Lohnkosten für im Unternehmen tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten. Dies bestätigt auch ein Schreiben der Zeugin C., Referatsleiterin im Lan-desverwaltungsamtes an den Zeugen P., ehemaliger Staatssekretär und jetziger Präsident des Landesverwaltungsamtes vom 5. Juli 2012: „Besonders aufwendig gestaltet sich die Antragsprüfung hinsichtlich der Notwendigkeit der einzelnen Quali-fizierungsmodule und die Prüfung der Angemessenheit des Stundenumfangs, um auszuschließen, dass Unternehmen die Förderung nicht prioritär zur Refinanzierung der Lohnkosten beantragen. Darin ist der mögliche Anreiz für Unternehmen zu ver-muten, nicht nur die absolut notwendigen Lehrgänge bzw. den Qualifizierungsum-fang unangemessen hoch zu kalkulieren, weil auch die Lohnkosten anteilig gefördert werden.“27 Hinzu kommt die Gefahr, dass Einkommen der Beschäftigten ausschließ-lich für die Zeit der Schulungen erhöht werden. Missbrauchsanfälligkeit und schlechte Kontrollmöglichkeiten liegen auf der Hand.

e) Mangelhafte Zweck-Mittelrelation Die Auswertung des Ministeriums der Finanzen des betreffenden Förderprogramms bestärkt den Eindruck mangelnder arbeitsmarktpolitischer Steuerung. Darin wird be-mängelt, dass keine „regelmäßige Evaluierung der Wirksamkeit des Programms auf

25 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 25.10.2013, S. 20 (H.); Niederschrift über die 4. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 19.4.2013, S. 9 (S.). 26 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, S. 79 f (H.). 27 Ordner, LVwA 302, Rechtsgrundlagen, Richtlinien und Erlasse, S. 135 ff; sowie Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 24.1.2014, S. 20 (L.).

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wissenschaftlicher Grundlage“28 stattfindet. Zugleich wird die Wirksamkeit dieser Richtlinie mit „mittel“ beurteilt.29 Dem stehen unverhältnismäßig hohe Kosten gegen-über. Im Durchschnitt wendet das Land für die Ausreichung von 1.000 Euro Förder-mitteln durchschnittlich an jährlichen Verwaltungskosten 63,21 Euro auf. Bei der in Frage stehenden Richtlinie waren es im Operationellen Programm 2007 bis 2013 knapp 500 Euro (genau: 495,63 Euro) pro 1000 Euro ausgereichter Fördermittel.30 Zu einer mangelnden arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung kommen demnach hohe Personalausgaben hinzu. Zu kritisieren ist, dass die rechtliche Grundlage für die Vergabe der Fördermittel völ-lig unzureichend und dadurch missbrauchsanfällig ist.

2. Dauerhafte Personalengpässe Zur rechtmäßigen Bescheidung der Anträge, der zeitnahen Verwendungsnachweis-prüfung und einer Kontrolle durch das Landesverwaltungsamt war nicht ausreichend Personal vorhanden. Das Landesverwaltungsamt hat dies mehrfach dem Fach- und Rechtsaufsicht führenden Ministerium für Wirtschaft und Arbeit angezeigt (Staatssek-retär und Minister). Das Referat 302 des Landesverwaltungsamts war seit seiner Eingliederung aus dem Regierungspräsidium Dessau im Jahr 2003 nicht mit ausreichend Personal ausge-stattet. Dies führte zu Überlastungsanzeigen und zu einer Androhung gegenüber der aufsichtführenden Behörde, modellhafte Einzelprojekte nicht mehr zu bearbeiten. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bzw. des Dienstherrn, hier des Landes Sachsen-Anhalt, umfasst auch, Beschäftigte nicht dauerhaft zu überlasten. Ein nicht ausrei-chender Personalzuschnitt bei gleichzeitigem Arbeitsdruck durch die Aufsicht führen-de Behörde, erleichtert es, Fördermittel rechtswidrig zu erlangen. Die Landesregie-rung hat sicherzustellen, dass bei der Vergabe von Subventionen eine sachgemäße Prüfung und Kontrolltätigkeit möglich ist. Besonders vorzuwerfen ist der Landesregierung, dass sie auf Überlastungsanzeigen und auf die Anmahnung eines „dauerhaften Verstoßes gegen haushaltsrechtliche Vorschriften“ nicht reagiert hat. Der Zeuge L., damaliger Präsident des Landesver-waltungsamtes, sagte aus, dass er sich nicht daran erinnere, ob auf sein Schreiben, in dem dauerhafte haushaltsrechtliche Verstöße moniert wurden, von Seiten des Mi-nisteriums für Wirtschaft und Arbeit reagiert worden sei.31 Auch findet sich in den Ak-ten kein Antwortschreiben auf die Schreiben des Zeugen K., dem damaligen Stellver-treter des Präsidenten des Landesverwaltungsamtes und des Zeugen L.. Der Zeuge Dr. H., als damals zuständiger Minister der fach- und rechtsaufsichtsführenden Be-

28 Bericht des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt zur Evaluierung aller Förderprogramme und Subventionen des Landes hinsichtlich ihrer Kosten und Wirksamkeit vom 27. Juni 2013, Drs 6/2254, S. 265. 29 Bericht des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt zur Evaluierung aller Förderprogramme und Subventionen des Landes hinsichtlich ihrer Kosten und Wirksamkeit vom 27. Juni 2013, Drs 6/2254, S. 265. 30 Bericht des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt zur Evaluierung aller Förderprogramme und Subventionen des Landes hinsichtlich ihrer Kosten und Wirksamkeit vom 27. Juni 2013, Drs 6/2254, S. 9, 265. 31 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 24.1.2014, S. 10f (L.).

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hörde, vermochte sich nicht an die Schreiben des Landesverwaltungsamtes zu erin-nern, mit der Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung angezeigt wurden.32 Auch vermochte er sich nicht daran zu erinnern, dass ihm berichtet wurde, dass sich das Referat 302 des Landesverwaltungsamts aufgrund fehlenden Personals weiger-te, arbeitsaufwändige Modellprojekte zu bearbeiten, obgleich dies ein äußerst unge-wöhnlicher Vorfall sein dürfte.33 Es ist davon auszugehen, dass die ohnehin hohen Verwaltungskosten in der Umset-zung dieser Richtlinie dazu geführt haben, nicht mehr Personal einzusetzen. Wer Fördermittel ausreicht, muss jedoch ihre ordnungsgemäße Bewilligung, Verwen-dungsnachweisprüfung und Kontrollen gewährleisten. Statt jedoch zu überprüfen, inwiefern der Einsatz der Fördermittel zielführend ist, wurde das Landesverwaltungs-amt hingehalten und Ende 2008 die Umsetzung der Richtlinie an die Investitionsbank gegeben. Statt sich der Sachkompetenz eines kenntnisreichen Akteurs zu bedienen, nämlich der Beschäftigten des Landesverwaltungsamtes, die mit der Umsetzung der Richtlinie befasst waren, wurde die Richtlinie mit Verweis auf den flexibleren Perso-naleinsatz an die Investitionsbank übertragen. Der Landesregierung sind mangelhafte Personalführung und mangelhafter Förder-mittelgebrauch vorzuwerfen.

3. Unzureichende Kontrolle Die vom Landesverwaltungsamt durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen waren und sind unzureichend. Bei allen Vor-Ort-Kontrollen sind vor Ort neben der Geschäftsführung auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu befragen. Unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen sind dem Ausschuss nur in einer Maßnahme vorgetragen worden. Auch nach Aufdecken des Dessauer Fördermittelfalls hat sich diese Vorgehensweise nicht verändert.34 Beschäftigte des Landesverwaltungsamtes gaben an, sie hätten kein besonderes Missbrauchsrisiko bei der Richtlinie angenommen, da die Unternehmer ca. ein Drittel der Kosten selbst aufbringen mussten und damit ein erhebliches Eigeninteresse an der Weiterbildung gehabt haben müssen. Die tatsächlichen Risiken wurden verkannt. Es entstand der Eindruck, dass es Ziel war, vor allem die europarechtlich vorge-schriebenen Kontrollen durchzuführen, statt zusätzlich bei entsprechenden Ver-dachtsmomenten mit entsprechenden Vor-Ort-Kontrollen zu reagieren. Am Ende des Operationellen Programms 2000-2006 im Jahre 2008 waren nach Aussage der Zeugin B., Sachbearbeiterin im Referat 302 des Landesverwaltungsam-tes, 50 angekündigte Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen. 2008 wurden die vorge-schriebenen Vor-Ort-Kontrollen ausgesetzt, was die Überprüfung im Tatsächlichen z. B. die Befragung der Teilnehmer erschwerte. Daraus ist erkennbar, dass das dama-

32 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15.9.2014, S. 21. 33 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15.9.2014, S. 21ff (H.). 34 Niederschrift über die 21. Sitzung des Vernehmung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 8.5.2015, S. 13 ff, 15 (B.); S. 39 ff (G.).

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lige Ministerium für Wirtschaft und Arbeit die Kontrolltätigkeit als weniger wichtig ge-genüber der Bewilligung und der Verwendungsnachweisprüfung betrachtete. Auch die Verwendungsnachweisprüfung wurde immer weiter nach hinten geschoben. Zu einer rechtmäßigen Fördermittelvergabe gehören indes drei Komponenten, die Prüfung des Antrags und im Falle der Bewilligung, die Verwendungsnachweisprüfung und die durchzuführenden Kontrollen. Von Seiten der Landesregierung wurde immer wieder vorgebracht, dass die Bewilligung oberste Priorität habe, damit Mittel zum Ende des Operationellen Programms verbraucht würden und nicht zurückgegeben werden müssten. Diese Haltung ist auch angesichts der eigenen Haushaltsgrundsät-ze zu kritisieren. Öffentliche Gelder müssen sparsam und wirtschaftlich und dem Gemeinwohl dienend eingesetzt werden. Das ist hier gerade nicht passiert. Die Zeugin B. berichtete auf Nachfrage, dass sie 2010 den Geschäftsführer und ei-nen Teilnehmer zu einer Weiterbildung, die 2007 stattgefunden haben soll, im Rah-men einer Vor-Ort-Kontrolle des Vorgangs Eckert & Wiethake befragte, wobei der Teilnehmer nur noch vage bestätigen konnte, dass eine Fortbildung stattgefunden hat.35 Dies verdeutlicht, dass Vor-Ort-Kontrollen zeitnah durchgeführt werden müs-sen, will man tatsächlich überprüfen, ob Maßnahmen in der beantragten Form statt-gefunden haben. Im Fall der unangekündigten Vor-Ort-Kontrolle bei M & P (Marlies K.), als Teilnehmer aus- und eingingen und auf ihren Handys spielten, wurde deutlich, dass der Kurs nicht in der beantragten Form stattgefunden hat.36 Bei den Beschäftigten des Lan-desverwaltungsamts schien eine erhebliche Unsicherheit darin zu bestehen, wie auf ungewöhnliche Vorfälle zu reagieren war. Obgleich deutlich war, dass kein ord-nungsgemäßer Lehrgang in der Maßnahme durchgeführt worden war, wurde die Sa-che nicht zur Staatsanwaltschaft gegeben. Zugleich wurde das vom Zeugen G. ge-fertigte Anhörungsschreiben vom Referenten im Ministerium für Wirtschaft und Ar-beit, S. abgemildert. Die Staatsanwaltschaft wurde nicht informiert. Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit trifft hier eine erhebliche Mitverantwortung. Denjenigen, die Fördermittel bewilligen, Verwendungsnachweise prüfen oder Vor-Ort-Kontrollen durchführen oder die Rechts- und Fachaufsicht inne haben, sind klare Handhabungen für den Fall des Verdachts eines Subventionsbetruges zu reichen. Deutlich wurde auch, dass das Betrugssystem so ausgefeilt war, dass angekündigte Vor-Ort-Kontrollen ohne Teilnehmerbefragung das betrügerische Vorgehen nicht aufdecken konnten. Der Zeuge A., ermittelnder Beamter der EG Sponsor, erläuterte dem Ausschuss, dass vor allem eine Befragung der Teilnehmerinnen und Teilneh-mer zielführend sei.37 Der Umstand, dass dem Ausschuss nur eine unangekündigte Vor-Ort-Kontrolle be-kannt wurde, die aufgrund eines anonymen Hinweises vom Landesverwaltungsamt vorgenommen wurde, wurde im Ausschuss kritisch hinterfragt. Deutlich wurde, dass

35 Niederschrift der 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 3.5.2013, S. 77 ff (B.). 36 Bericht Teil B, II. 5 b, S. 47; Niederschrift über die 21. Sitzung des Vernehmung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 8.5.2015, S. 39 ff (G.). 37 Niederschrift über die 17. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 16.1.2015, S. 33 (A.).

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das Landesverwaltungsamt keine personellen Kapazitäten hatte, unangemeldete Kontrollen durchzuführen. Als äußerst bedenklich muss gewertet werden, dass die Betrugsfälle nicht aufgrund der durchgeführten Kontrollen aufgedeckt wurden. Das Kontrollsystem ist gründlich zu überarbeiten. Die Aufdeckung der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Fälle ist einer Verkettung von Ereignissen geschuldet. Die Prüfsysteme haben, an-ders als vom Ministerpräsidenten Dr. Reiner H. in seiner Zeugenvernehmung be-hauptet, nicht ausreichend funktioniert.38 Damit das Landesverwaltungsamt die Fälle aufdeckt, hätte dieses mehr unangemeldete Vor-Ort-Kontrollen mit Teilnehmerbefra-gungen durchführen müssen. Dazu hatte es jedoch keine personellen Kapazitäten. Die ESF-Prüfgruppe, die die Baustoff-Service-GmbH nach eigenen Angaben auf-grund einer mathematisch-statistischen Stichprobe prüfte, wurde nur aufmerksam, da das zu prüfende Unternehmen ein Scheckverfahren nutzte, das sich im Nachhinein als unproblematisch erwies und der Ort der Weiterbildung nicht eindeutig identifiziert werden konnte, da das IHK BIZ Teilnehmerlisten abgestempelt hatte, für das es nicht zuständig war.39 Die IHK-Bildungszentrum GmbH weigerte sich gegenüber der Bau-stoffservice GmbH zu bestätigen, dass die Weiterbildung in ihren Räumen stattge-funden hat. Zudem hatte die unabhängige Prüfgruppe ESF keine Prüfrechte beim Bildungsträger. Hätte die IHK Bildungszentrum GmbH der unabhängigen Prüfgruppe ESF keinen Zutritt und keine Akteneinsicht gewährt, hätte die Prüfung abgebrochen werden müssen und die Prüfgruppe ESF hätte das umfangreiche Betrugssystem nicht aufklären können. Wäre der Zeuge B. noch bei der IHK Bildungszentrum GmbH beschäftigt gewesen, ist schwer vorstellbar, dass eine Aufklärung möglich gewesen wäre. Auch hat keine staatliche Stelle die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Diese wurde selbst durch einen Zeitungsartikel zum Sportverein SV Dessau 07 und der dortigen Tätigkeit des Zeugen J. aufmerksam. Letzterer wandte sich an den Zeugen H. als IHK-Präsidenten in Folge einer Spende an den SV Dessau 07 und wurde im Nach-gang von ihm und der Zeugin S. mit der Untersuchung im IHK Bildungszentrum Hal-le-Dessau GmbH engagiert.40 Auch das IHK Bildungszentrum Halle Dessau GmbH hat aufgrund der 160 EURO Rechnung für Malerarbeiten der Mutter des Zeugen S. zwar einen Arbeitsgerichtsprozess gegen den Zeugen B. gewonnen, aber nicht selbst die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, der dieser Vorgang erst durch die Vorla-dung des Zeugen J. bekannt wurde. Des Weiteren wurde vom Untersuchungsausschuss festgestellt, dass die Beschäftig-ten der unabhängigen Prüfgruppe ESF in der Abteilung 5 des ehemaligen Ministeri-ums für Wirtschaft und Arbeit saßen, d. h. in der Abteilung, die für die Vergabe der ESF-Fördermittel in diesem Bereich die Rechts- und Fachaufsicht inne hatten. Der zuständige Abteilungsleiter, der Zeuge Dr. C., hatte die Dienstaufsicht über die Be-schäftigten der Prüfgruppe inne. Angesichts der Fragestellung des Ausschusses, inwieweit das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in die Dessauer Fördermittelaffäre 38 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15.9.2014, S. 9 (H.): „In diesem Zusammenhang sei mir schon an dieser Stelle die Bemerkung gestattet, dass das ja auch funktioniert hat; denn das, was unter anderem Bestandteil des Untersuchungsausschusses ist, ist ja auch Ausfluss genau dieses Prüfagierens gewesen.“ 39 Niederschrift über die 10. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 24.1.2014, S. 49 (P.). 40 Niederschrift über die 8. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 25.10.2013, S. 13 (H.).

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involviert war und die vorgestellten Fälle eine direkte Einflussnahme zeigen, stellt eine solche Nähe die Unabhängigkeit der Prüfgruppe in Frage. Mit dem Wechsel des Förderbereichs zur Investitionsbank wechselte auch die unabhängige Prüfgruppe direkt zur Bewilligungsstelle. Der Sitz der Prüfgruppe sollte dringend überprüft wer-den. Die Kontrolltätigkeiten haben mitnichten funktioniert und sind deshalb als dringend korrekturbedürftig anzusehen. Die tatsächliche Unabhängigkeit von Prüfgruppen ist sicherzustellen.

4. Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz, Transparenzgebot und Schriftlich-keitsgebot Die Verwaltung ist zur Gleichmäßigkeit des Verwaltungshandelns gem. Artikel 3 Abs. 1, Artikel 7 Verf St verpflichtet, sie darf konkurrierende Antragssteller nicht unzulässig bevorzugen. Zudem ist sie verpflichtet, Verwaltungshandeln nachvollziehbar zu do-kumentieren. Dies dient der Transparenz des Verwaltungshandelns und ermöglicht die gerichtliche Überprüfung. Transparenz- und Schriftlichkeitsgebot sind Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Der im damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit tätige Zeuge S. hat sich nachweisbar dokumentiert in acht der 33 nachgewiesenen Fördermittelbetrugsfälle eingeschaltet. In einem Fall hat der Zeuge B., als ehemaliger Referatsleiter, eine Weisung an das Landesverwaltungsamt gesandt. Die dem Referat 53 im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zugeordnete Rechts- und Fachaufsicht umfasst die Aufsicht über die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns der nachgeordneten Behörde. Die zugewiesene Tätigkeit der Rechtsaufsicht umfasst die Aufsicht der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der nachgeordneten Behörde, also in bei-den Fällen des Referates 302 des Landesverwaltungsamtes. Die folgenden Fälle illustrieren die unzulässige Beeinflussung durch das ehemalige Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Bei allen Fällen handelt es sich um Bewilligun-gen für Fördermittel, die nicht wie beantragt oder gar nicht stattgefunden haben und vom Landesverwaltungsamt zurückgenommen wurden.

a) Otium Bei der Übernahme des Weiterbildungsauftrages der Fa. Otium Consult GmbH mit Sitz in Berlin durch die Firma K. und B. wurden Fußballspieler des SV Dessau 05 durch eine Weiterbildungsmaßnahme finanziert.41 Der Zeuge S. wies das Landes-verwaltungsamt, nachdem sich die Otium Consult GmbH aus dem Projekt zurückge-zogen hatte, an: „Unter Beachtung der Sicherung neuer Apl. für die Region erfolgt Zuwendung an neues Unternehmen. LVwA wird um entsprechende Veranlassung gebeten.“.42 Daraufhin meldete sich die Zeugin K. bei dem Zeugen W.. Es ist davon auszugehen, dass der Zeuge B. dieses Projekt vermittelt hat. Der Zeuge S. hat ak-

41 Vgl. Teil B des Berichtes I. 4. c., S. 27 ff. 42 Maßnahmenakte Qu 118004/05 (alt) bzw. Qu 03084/06 (neu)

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tenkundig das Projekt aufgrund der angeblichen Schaffung von Arbeitsplätzen in die höchste Priorität gewiesen. Warum eine als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführ-tes Unternehmen „K. & B. GbR“, die im Rahmen des Antrags der Otium GmbH eins von drei erforderlichen Vergleichsangeboten zur Ermittlung des günstigsten Weiter-bildungsträgers abgegeben hatte, sachlich und finanziell in der Lage sein sollte, 25 Beschäftigte einzustellen und finanzieren, wird nicht erläutert und entspricht nicht der Lebenswirklichkeit. Es handelt sich um eine rechtswidrige Weisung, an die sich eine rechtswidrig geförderte Bildungsmaßnahme anschließt. Es ist zu vermuten, dass die-se Weisung zwischen dem Referat 53 und dem Zeugen B. abgesprochen war und die Einstellung von Fußballspielern gefördert werden sollte. Sowohl der Zeuge B., als auch die Zeugin K. befanden sich im Vorstand des SV Dessau 05. Der Zeuge W. gab an, dass dem Ministerium bekannt gewesen sei, dass es sich um die Einstellung von Fußballspielern gehandelt habe. Der Zeuge B. habe, so der Zeu-ge W., eine solche Maßnahme befürwortet, der Zeuge B. konnte sich daran nicht er-innern.43

b) Sogenannte Prioritätsemail Die von dem Zeugen B. an den Zeugen G. am 19.6.2006 gesandte sog. Prioritätse-mail „Auf Wunsch des Ministers bitte ich Sie weiterhin, die bei Ihnen bereits vorlie-genden Projektanträge Qu 03246/06 und Qu 03249/06 im Rahmen der verfügbaren Mittel vorrangig zu bewilligen.“44 verengt den Ermessensspielraum der bewilligenden Behörde dahingehend, dass sie beide Maßnahmen vorrangig zu prüfen hat. Diese Auslegung bestätigte der Zeuge B.. Wenngleich damit nicht der inhaltlichen Prüfung vorgegriffen wurde, verstieß dieser Erlass gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Für eine vorrangige Behandlung und damit bestehende Be-nachteiligung anderer Antragstellerinnen und Antragsteller bestand kein Grund. Ein-ziger Grund war der Wunsch des Ministers. Keiner der Zeugen, weder der Zeuge B. noch der Zeuge Reiner H. vermochten sich zu erinnern, wieso diese Weisung erteilt wurde. Eine Dokumentation der Entstehung des unstreitigen Wunsches des Minis-ters nach Priorisierung der dann letztlich strafrechtlich relevanten Projekte erfolgte nicht oder wurde dem Ausschuss verhalten. Dass Bürger an Minister herantreten oder Landtagsabgeordnete ihren Wahlkreis mit Fördermitteln ausstatten wollen, ist kein hinreichender Grund. Das Handeln des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit ist rechtswidrig – unabhängig davon, dass die Maßnahmen dann tatsächlich nicht so erfolgten wie sie beantragt wurden. Deutlich ist, dass der Zeuge B. mit der Formulierung „auf Wunsch des Ministers“ sei-ner Weisung Nachdruck verleihen wollte. Aus dieser dem Landesverwaltungsamt nicht näher begründeten – sondern nur mit Verweis des Wunsch des Ministers – Weisung spricht auch die nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbare Vorge-hensweise. Das Landesverwaltungsamt wird nicht als kenntnisreicher Akteur, son-dern als Befehlsempfänger angeschrieben. Dieser Vorgehensweise bediente sich auch der Zeuge S., als er mit Email vom 18. Juli 2006 die Email des B. mit dem „Wunsch des Ministers“ nochmalig an die Beschäftigten W. und G. des Landesver-

43 Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 20.9.2013, S. 85 (B.). 44 Ordner LVwA 302 Rechtsgrundlagen – Richtlinien und Erlasse, S. 138.

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waltungsamts sandte45 und damit die vermeintliche Dringlichkeit der Maßnahme deutlich machte. Die fehlende Dokumentation der Gründe verletzt das Transparenzgebot und Schrift-lichkeitsgebot, die die Verwaltung einzuhalten hat. Da eine gerichtliche Überprüfung der Gründe, dieses Projekt zu priorisieren, nicht erkennbar ist, kann der Gleichheits-grundsatz nicht durchgesetzt werden. Die Landesregierung verkennt dies, wie die Vernehmung des Zeugen Dr. Reiner H. erkennen lässt.

c) Eckert und Wiethake, Timework In der von dem Zeugen S. versandten Version der Prioritätsemail tauchen weitere Namen auf, die mit gleichem Verweis versehen werden: „Ich möchte nochmals die Bitte der Hausleitung wiederholen, diese Projekte [Qu 03246/06 und Qu 03249/06] schnellstmöglich zu bewilligen. Im gleichen Zusammenhang stehen die Projekte von Timework sowie Eckart & Wiethake.“ Unabhängig von den späteren Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wird auch beim Vorgang Eckert und Wiethake deutlich, dass es sich um eine weder erforderliche noch sinnvolle Weiterbildungsmaßnahme handelt. Bei dieser Maßnahme sollen acht von neun Beschäftigten einschließlich des Geschäftsführers acht Stunden am Tag sieben Monate lang geschult werden. Eine faktisch vollständige Schulung aller Mitar-beiter eines Unternehmens über die komplette Arbeitszeit, über sieben Monate hin-weg, ist angesichts der damit theoretisch einhergehenden Einstellung des Unter-nehmensbetriebs erkennbar völlig unrealistisch – was die Bewilligung jedoch nicht verhinderte. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle gab Ingo Eckert, der zugleich CDU-Stadtrat in Bernburg ist, an, selbst geschult zu haben – trotz anderer Angaben und trotzdem er als Teilnehmer gemeldet war.46 In beiden Fällen wird gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit des Verwaltungs-handelns und gegen das Transparenzgebot verstoßen. Der Verweis auf die Hauslei-tung soll die nachgeordnete Behörde zur dringlichen Bearbeitung anweisen und ist für sich als Grund keinesfalls ausreichend. Ein Aktenvermerk müsste darüber infor-mieren, wieso hier Unternehmen bevorzugt werden.

d) Vor-Ort-Kontrolle bei F. Auffällig ist, dass der Zeuge S. die Weiterbildungsmaßnahme bei der Fa. F. Perso-nalservice begleiten wollte. Es ist nicht auszuschließen, dass er darauf positiv Ein-fluss nehmen wollte. Es kam dem Zeugen S. nach Aktenlage ersichtlich darauf an, an genau dieser Maßnahme teilzunehmen. Der Termin wurde zeitlich verschoben, damit er daran teilnehmen konnte.47 Die Zeugen F. und S. machten von ihrem Aus-kunftsverweigerungsrecht Gebraucht, so dass eine weitere Aufklärung nicht möglich war.

45 Maßnahmenakte Qu 033030/06 (Time Work), S. 43. 46 Niederschrift der 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 3.5.2013, S. 77 ff (B.). 47 Akte Qu 11806/05, F. Personalservice, S. 155.

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e) P.-Biskuit Auch im Falle der Fördermaßnahme der P. Biskuit AG48 vermerkte der Zeuge S. in einem Schreiben an das Landesverwaltungsamt vom 27.11.2006, dass das Vorha-ben „eine hohe wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Bedeutung“ habe und das Projekt daher „vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit befürwortet werde“. Daher bitte er, „den Antrag der P. Biscuit AG zu prüfen und unter Beachtung der o.g. Priori-tät schnellmöglichst eine Entscheidung zu treffen“ und eine Kopie der Entscheidung zu senden.49 Nach Aussage des Zeugen P. hätte er die Weiterbildung in jedem Fall vorgenommen, die Qualifizierungsmittel waren demnach für ihn nützlich, aber nicht notwendig.50 Zugleich wurde der Zeuge S. bei einem Termin mit dem Zeugen B. bei ihm vorstellig. Für die Tätigkeit des Zeugen S. wurden ihm 6000 Euro in Rechnung gestellt. Das belegen eine handschriftliche Notiz, die Aussage des Zeugen P. und eine fingierte Rechnung der Baustoff Service GmbH über 6960 Euro. Neben der Frage, ob in diesem Fall verwaltungsrechtlich das Subsidiaritätsprinzip öffentlicher Fördermittel eintritt, liegt hier ein Korruptionsverdacht vor. Der Zeuge H. hat ausgesagt, dass in diesem Fall Verjährung eingetreten ist, was der Zeuge W., als ermittelnder Staatsanwalt, bestritten hat.

f) EWA-Projekt Bei dem Projekt EWA, das sich dem Ausschuss als kriminelles Kreativprojekt dar-stellte, fällt schon bei der Projektbeschreibung die offensichtliche Sinnwidrigkeit der Maßnahme auf. Zielstellung sollte sein, Frauen – auch ohne berufliche Ausbildung, ein Grundstudium war ausreichend – die nicht in den Arbeitsmarkt vermitteln werden konnten, als Marketingfachfrauen für Ost- und Mitteleuropa weiterzubilden und diese fortzubilden, so dass sie ggfs. Tochterunternehmen mit Sitz in Ost- oder Mitteleuropa leiten.51 Kenntnisse ost- oder mitteleuropäischer Sprachen waren keine zwingende Voraussetzung.52 Dass dieses Projekt nicht dazu geeignet war, arbeitssuchenden Menschen einen Arbeitsplatz durch Weiterbildung zu verschaffen, musste sich dem verständigen Bearbeiter bei der Durchsicht der Projektbeschreibung erschließen. Noch bevor der Antrag beim Landesverwaltungsamt einging, wies der Zeuge S. den Zeugen G. und den Zeugen W. mit Email vom 19.9.2005 an, dass dieses Projekt in-haltlich vom Ministerium befürwortet werde und das Landesverwaltungsamt den An-trag beim Unternehmen abfordern solle, damit dieses zwölf Tage später, zum 1.10.2005 beginnen könne.53 Das Ministerium hatte laut Email einen 25 Seiten Pro-jektbericht erhalten. Der Ermessensspielraum des Landesverwaltungsamtes war da-hingehend eingeengt, dieses nicht als nicht sinnhaft und unzweckmäßig abzulehnen. Dies bestätigt auch eine Aussage des Zeugen W.. Wenn ein Projekt vom Ministerium

48 Vgl. Bericht Teil B I.4.b, S. 24 f. 49 Akte Qu 03432/06, P. Biscuit AG, S. 23. 50 Niederschrift der 11. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 7.3.2014, S. 61ff (P.). 51 Akte Qu 11684/05 (EWA) S. 55 52 Vgl. Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 20.9.2013, S. 35 ff (C.). 53 Akte Qu 11684/05 (EWA), S. 27 f; vgl. Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 20.9.2013, S. 38 (C.).

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gesetzt wurde, also inhaltlich befürwortet wurde, musste der zuständige Sachbear-beiter bei der Prüfung des Antrags nur noch schauen, ob die Fördervoraussetzungen z. B. hinsichtlich des Wohnorts der Beschäftigten eingehalten werden. Sich gegen die Fördermaßnahme als solches zu stellen, wäre nicht möglich54 oder vermutlich sehr schwer gewesen. Hinzu kommt bei diesem Projekt, dass der Zeuge B. als voll-zeitbeschäftigter Projektkoordinator 150.000 Euro für 21 Monate neben seiner Tätig-keit in der IHK Bildungszentrum GmbH erhalten sollte. Diese Summe entsprach ¼ der gesamten Fördersumme. Zudem sollen in diesem Projekt Zahlungen an den Sohn S.s erfolgt sein.55 Das Projekt EWA bezeugt eindrucksvoll, welche offensichtlich sinnlosen Maßnahmen vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit befürwortet wurden. Eine genauere Prü-fung über die inhaltliche Befürwortung über die Vergabe von 600.000 Euro Förder-mitteln scheint nicht statt gefunden zu haben. Anders als beim Landesverwaltungs-amt, bei dem klare Wertgrenzen bestimmten, welche Ebene welchen Bescheid zu zeichnen hatte, gab es die im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit nicht,56 so dass der als Referent angestellte Zeuge S. das Ermessen der Beschäftigten des Landes-verwaltungsamtes bei einer Bescheidhöhe, die im Landesvewaltungsamt auf der Ebene der Referatsleiterin angesiedelt war, empfindlich einschränken konnte. Hier ist eine entsprechende Zeichnungspflicht mit Wertgrenzen einzuführen. Die Fach- und Rechtsaufsicht des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurde in den vorgenannten Fällen missbräuchlich ausgeübt. Eine Untersuchung der Vorfälle innerhalb des Ministeriums und damit der Zeugen S. und B. hat nicht stattgefunden. Dafür tragen nicht nur die beiden handelnden Personen die Verantwortung, sondern deren damaliger oberster Dienstherr, der damalige Minister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Reiner H.. Dieser hat angegeben, dass er die Einmischung des Ministeriums oh-ne schriftliche Dokumentation billige. Zudem hat er sich nicht von der Priorisierung einzelner Fälle ausreichend distanziert.57 Zugleich hat er vorgetragen, es gäbe bei ihm keinen Rücklauf, wenn er Missstände bzw. Wünsche an Beschäftigte des Minis-teriums weitergäbe.58 Damit hat der Minister seine ihm zugewiesenen Pflichten des rechtmäßigen Verwaltungshandelns verletzt, so insbesondere die der ordnungsge-mäßen Führung der Geschäfte und die Bindung an Recht und Gesetz. Wenn auf Weisung eines Ministers Vorgänge ohne Begründungspflicht priorisiert werden, hat dies Auswirkungen auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze und auf das Ver-halten öffentlich Beschäftigter. Problematisch erscheint hier vor allem die mangelnde Sensibilität bezüglich etwaiger Korruptionshandlungen. Wenn in Verwaltungsvorgän- 54 Niederschrift der 5. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 3.5.2013, S. 51: „Das Gesamtprojekt war sowieso gesetzt.“ (W.). 55 Niederschrift der 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 8.5.2015, S. 69 (W.). 56 Während der damalige Abteilungsleiter C. nach mehrmaligen Nachfragen einräumte, der Zeuge S. als Referent hätte dies nicht allein entscheiden dürfen und hätte im damaligen Ministerium für Wirtschaft Rücksprache halten müssen, Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 20.9.2013, S. 42 (C.), wohingegen der direkte Vorgesetzte, ehemaliger Referatsleiter und heutiger Abteilungsleiter, der Zeuge B. aussagte, er könne sich vorstellen, dass der Zeuge S. dieses Vorhaben auch eigenständig beurteilen konnte, dass das damalige Ministerium für Wirtschaft und Arbeit dieses Vorhaben unterstützt, Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 20.9.2013, S. 107f (B.). 57 Niederschrift der 21. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 1.7.2015, S. 25ff (H.). 58 Niederschrift über die 14. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 15.9.2014, S. 48 (H.).

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ge durch Beziehungen eingegriffen werden kann, stellt dies neben des Missbrauchs der Amtswalterfunktion Korruption dar. Die Dimension wird von der Landesregierung verkannt.

5. Druck, Fördermittel abfließen zu lassen Von Seiten der Landesregierung wurde wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass bis zum Ende des Operationellen Programms III möglichst alle Fördermittel ausgegeben werden sollten, so dass keine Reste übrig bleiben. Dieser Druck wurde an die Landesverwaltung weitergegeben. In Anbetracht der Zeugenvernehmungen und vor dem Hintergrund der dem Aus-schuss vorgelegten Akten muss davon ausgegangen werden, dass Vorgänge wie EWA auch bewilligt wurden, um die in dieser Förderrichtlinie eingestellten Mittel ab-fließen zu lassen. Dies belegt die Aussage des Zeugen Dr. C., der als Abteilungslei-ter 5 das Referat 53 des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit beaufsichtigte. Dieser erklärte, konfrontiert mit dem Projekt EWA, dass er dieses nicht konkret kenne, dass er sich nur vorstellen könne, dass er allgemein darüber gesprochen habe, „dass wir in diesem Bereich, in dem wir Abflussprobleme hatten, eben überlegt hatten, wie wir noch weitere Projekte, die einigermaßen sinnvoll sind, initiieren können.“59 Der Zeuge Dr. H. als damals zuständiger Minister verwies wiederholt darauf, dass die Prioritätsemail in dem Zusammenhang des Endes des Operationellen Pro-gramms III gesehen werden muss. Umschichtungen seien von Nöten gewesen, um keine Gelder nach Brüssel zurückzuüberweisen und dass ein Stau bei der Antrags-bearbeitung entstanden sei. Falls damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass in dieser Phase die Mittelvergabe weniger ordnungsgemäß geprüft wird, wäre dies ein klarer Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Fördermittelvergabe. Zu kritisieren ist zudem die laissez-faire-Haltung im Umgang mit EU-Mitteln. Die Verga-be von EU-Mitteln unterliegt ebenso dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaft-lichkeit. Die Landeregierung verkennt, dass die öffentliche Mittelvergabe dem Ge-meinwohl zu dienen hat und nicht einzelne Antragsteller wegen des Verbrauchs von Fördermitteln (!) bevorzugt werden dürfen. Sinn und Zweck der Vergabe von Fördermitteln werden von der Landesregierung hier in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht mehr das Förderziel und damit das politische Ge-staltungsmittel, sondern der Verbrauch von Fördermitteln steht im Vordergrund.

6. Mangelhafte Kenntnisse zur Anzeigepflicht des Subventionsbetrugs Die Zeugenvernehmungen offenbarten mangelhafte Kenntnisse des § 6 Subventi-onsgesetz, wonach Behörden Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht des Subventionsbetrugs begründen, den Strafverfolgungsbehörden mitzu-teilen haben. Mitteilungspflichtig ist nicht jeder einzelne Amtsträger, sondern der für die Behörde Vertretungsbefugte,60 z. B. der Präsident des Landesverwaltungsamtes 59 Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vom 20.9.2013, S. 35ff (C.), S. 40. 60 Vgl. Krämer, Schmidt, Köhler: Zuwendungsrecht Zuwendungspraxis, Stand Oktober 2011, G IX, S.

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sowie Minister und Staatssekretäre. Der Zeuge Dr. C. als damalig zuständiger Abtei-lungsleiter im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit war der Auffassung, dass eine solche Anzeige Sache des Landesverwaltungsamtes sei.61 Spezielle Regelwerke zum Umgang mit dem Verdacht auf Subventionsbetrug seien ihm nicht bekannt.62 Auch der heutige Abteilungsleiter und damalige Referatsleiter, der Zeuge B., be-schrieb kein gesondertes Regelwerk, sondern äußerte allgemein, dass sich Ministe-rien und Behörden an die allgemeinen Regelwerke halten müssten. Bei den Beschäftigten des Landesverwaltungsamt war nicht klar, ab wann der Ver-dacht für einen Subventionsbetrug vorliegt und welche Tatsachen ausreichen, um einen solchen zu begründen. Auch lagen sowohl bei Ministerien als auch beim Lan-desverwaltungsamt keine Erkenntnisse darüber vor, wie häufig Anzeigen wegen Subventionsbetrugs gestellt werden. Der Zeuge Dr. C. konnte sich nur an die Des-sauer Fälle erinnern. Die Zeugin C. konnte keine Angabe über die Anzahl der Anzei-gen machen. In den Zuwendungsbescheiden wird grundsätzlich auf die Vorschrift des § 264 StGB (Subventionsbetrug) aufmerksam gemacht und dem Zuwendungsempfänger ver-deutlicht, jegliche Änderung subventionserheblicher Tatsachen zu melden. Diese als Warnung vorgesehene Nebenbestimmung im Subventionsbescheid findet in der Verwaltungspraxis keine Entsprechung. Obgleich die Vergabe von Fördermitteln im Allgemeinen sehr missbrauchsanfällig ist, konnten keine entsprechenden Handha-bungen oder eine entsprechende Praxis bei den gehörten Zeugen und Zeuginnen des Landesverwaltungsamts und des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit bzw. dem jetzigen Ministerium für Arbeit und Soziales festgestellt werden. Der quantitativ im Vergleich zum Bundesdurchschnitt hohen Rate an Subventions-vergaben in Sachsen-Anhalt konnte keine entsprechend hohe Vorsorge vor Subven-tionsbetrug wie konkrete Vorschriften zu Prävention, Prüfung und Anzeigeerstattung von Subventionsbetrug entgegengehalten werden. Es wird empfohlen, dies nachzu-bessern und auf die erhöhte Missbrauchsgefahr von Fördermitteln aufmerksam zu machen.

C. Subventionierte Verquickung von Sport, Unternehmen und CDU Ein weiterer zu untersuchender Punkt war die Rolle des Fußballvereins SV Dessau 05 und der CDU, also ob eine subventionierte Verquickung von Sport, Unternehmen und CDU im fraglichen Zeitraum stattgefunden hat. Es konnte festgestellt werden, dass eine Vielzahl der involvierten Personen Mitglie-der der CDU sind und dass beschuldigte Unternehmer nicht unerheblich an die CDU Dessau-Roßlau spendeten. Es konnten keine Beweise dafür gefunden werden, dass auf Informationsveranstaltungen der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH um Spenden für die CDU geworben wurde. Die Mitgliedschaft der beteiligten Unterneh-

29 Rn. 90. 61 Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 20.9.2013, S. 31 (C.). 62 Niederschrift der 7. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vom 20.9.2013, S. 31f (C.).

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mer P., F., des IHK-Regionalbereichsleiters B., des Beschäftigten S. in der CDU kor-relierte mit dem Engagement der Zeugen P., F., B., K. beim Fußballverein SV Des-sau 05. Dass mit der rechtswidrigen Vergabe von Fördermitteln Fußballspieler an den SV Dessau GmbH durch Arbeitsverträge gebunden werden sollten, ist aus den Zeugenvernehmungen ersichtlich. Aufgrund der Zeugenvernehmungen kann angenommen werden, dass Mitgliedschaf-ten in der CDU beantragt oder bereits bestehende genutzt wurden, um dadurch kommunale Schlüsselpositionen wie die angestrebte Oberbürgermeisterkandidatur des Zeugen P. oder die erfolgreiche Wahl in den Verwaltungsrat der Sparkasse Des-sau durch den Zeugen B., zu besetzen. Parteipolitisches Engagement sollte mit ver-mutlich eigenen wirtschaftlichen Interessen verknüpft werden. Dies zeigt ein dem Zeugen F. vorgehaltenes Interview, in welchem er Spenden an den designierten Oberbürgermeisterkandidaten Dessau-Roßlaus an ein kommunales Engagement beim SV Dessau 05 knüpft.63 Es konnte nicht eruiert werden, ob Spenden der beschuldigten Unternehmer zu einer Einflussnahme im Ministerium geführt haben. Dass der im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit dafür verantwortliche Referent, der Zeuge S., seit 2002 Mit-glied der CDU ist, ist dafür nicht ausreichend. Der Ausschuss hat hier nicht weiter ermitteln können, da offen geblieben ist, von wem die prioritäre Behandlung oder inhaltliche Befürwortung der jeweils mit hohen Summen einhergehenden Fördermittel ausgegangen ist. Zwar ist bekannt, dass der Zeuge Reiner H. die Priorisierung der letztlich rechtswidrigen Vorgänge veranlasste, offen blieb jedoch, ob und von wem er hierzu veranlasst wurde. Die Einlassung des Zeugen H., er könne sich nicht erinnern und solche Vorgänge würden nicht dokumentiert, ist nicht glaubwürdig. Da sich die Zeugen S., B., F. und P. insofern auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen ha-ben, der Zeuge H. angibt sich nicht erinnern zu können und dem Ausschuss keine Akten zu der prioritären Behandlung der Vorgänge K. und B., CAD B., Eckert und Wiethake, Timework und EWA aus dem ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit vorliegen, können hierzu keine Feststellungen getroffen werden. Dass die prio-ritäre Behandlung aus dem CDU geleiteten Ministerium für Wirtschaft und Arbeit an-gewiesen wurde, deutet auf Querverbindungen zu CDU-Politikern aus dem Raum Dessau und Wittenberg. Die Zeugen sind hier jedoch eine Antwort schuldig geblie-ben. Eine klare Distanzierung seitens des Zeugen Reiner H. als ehemaliger Minister für Wirtschaft und Arbeit zu diesen Vorgängen ist nicht erfolgt. Eine Aufarbeitung ist weder innerhalb des Ministeriums noch innerhalb der CDU erfolgt. Problematisch erscheint nach wie vor, dass sich die CDU, die sich in Regierungsver-antwortung befindet, die Umstände nicht selbst aufklärt. Dies geschah nicht, obgleich dem Ausschuss und der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass die Zeugen P. und B. versuchten, den Zeugen B., damals Mitglied des CDU-Kreisvorstandes und Land-tagsabgeordneter, zu bestechen. Der CDU Sachsen-Anhalts ist vorzuwerfen, eine solche Aufklärung unterlassen zu haben. „Das Verhalten der politischen Parteien bei der Aufklärung sie belastender Vorwürfe ist Maßstab ihrer Glaubwürdigkeit und prägt das öffentliche Bewusstsein für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit maßgeblich mit. Dieses gilt gerade auch dann, wenn eigene Aufklärungsbemühungen Nachteile gegen die betroffene Partei nach 63 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 20.4.2015, S. 9 (F.).

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sich ziehen.“64 Das Verhalten des Zeugen Dr. Reiner H. wiegt umso schwerer, als er derjenige ist, der die mangelhafte Fördermittelvergabe und diese mangelhafte Richt-linie zu verantworten hat und dass in seinem Namen Unternehmen im Raum Des-sau-Roßlau, Wittenberg (seinem Wahlkreis) und Kemberg vorrangig und rechtswidrig gefördert wurden. Dass es notwendig ist, sich von den betrügerisch erwirkten För-dermittel im eigenen oder im Wahlkreis des Zeugen K., eines Freundes des Hauptak-teurs B., durch Fördermittel zu distanzieren, dürfte unstrittig sein. Die mangelnde Aufklärung wiegt umso schwerer, als der Zeuge Dr. Reiner H. als Ministerpräsident eine Vorbildfunktion hat. Leider führte auch der Untersuchungsausschuss nicht dazu, dieses Geflecht aus parteipolitischer Einflussnahme, rechtswidrigen Zuwendungen und dem Ansinnen auf parteipolitische Ämter bzw. Besserstellung des eigenen Wahlkreises aufzulösen.

D. Zeitnahe Aufklärung? Der Ausschuss hatte sich damit zu befassen, ob Ermittlungen verzögert wurden, d. h. ob Polizei und Staatsanwaltschaft ausreichend personell besetzt waren, um Ermitt-lungen zeitnah zu Ende zu führen (D, vgl. Einsetzungsbeschluss I.5, II.4). Angesichts des Umstands, dass die Ermittlungen 2008 eingeleitet wurden und 2015 die Ge-richtsverhandlungen gegen einen Teil der Hauptbeschuldigten erst begonnen haben, muss die Frage, ob die Ermittlungen zeitnah geführt worden sind, deutlich verneint werden.

1. Folgen Die mindestens sieben Jahre andauernde Ermittlungstätigkeit, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Untersuchungsausschusses insbesondere hinsichtlich des Beschul-digten S. noch nicht abgeschlossen war, hat sowohl Auswirkungen auf das Verwal-tungsverfahren, als auch auf die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses. Das Landesverwaltungsamt machte seine Rücknahmebescheide von den Zeugenver-nehmungen des Landeskriminalamtes abhängig, um sicherzugehen, dass diese auch Erfolg haben. Voraussetzung für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes, mit der ein Begünstigter eine Geldleistung erhalten hat, ist gem. § 1 VwVfG St i. V. m. § 48 VwVfG, dass er diese Leistung z. B. durch arglistige Täuschung oder durch An-gaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren oder dass ihm die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bekannt war. Um das Prozessrisiko mög-lichst gering zu halten, wartete das Landesverwaltungsamt die Ermittlungen des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft ab. In der Zwischenzeit sind indes etliche der begünstigten Firmen insolvent. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit gesun-ken, dass das Land die rechtswidrig erhaltenen Fördermittel zurück erlangt. Die lan-ge Ermittlungstätigkeit vergrößert daher letztlich den finanziellen Schaden des Lan-des. Der Untersuchungsausschuss erhielt aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens keine Aussage des Hauptbeschuldigten B. als ehemaliger Regionalbereichsleiter aufgrund seines Auskunftsverweigerungsrechts. Eine wahrheitsgemäße Aussage

64 BT Drs. 14/9300, S. 365

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des Hauptakteurs hätte die Geschehnisse insbesondere hinsichtlich der Verknüpfung der Interessen zwischen den betreffenden Unternehmen, Mitgliedern der CDU Des-sau-Roßlau und dem SV Dessau 07 erhellen können. Auch eine Aussage des Zeu-gen S. wäre äußerst hilfreich gewesen.

2. Ursachen Die Ursachen für die lange Ermittlungsdauer sind, wie der Zeuge L. dem Ausschuss erläutert hat, nicht in der rechtlichen Beurteilung der ermittelten Tatsachen zu sehen, sondern in dem erheblichen Umfang der Vernehmung der Teilnehmerinnen und Teil-nehmer.65 Eine Aufstockung des Personals beim Landeskriminalamtes hätte daher dazu geführt, diese Vernehmungen deutlich früher beenden zu können. Es gab keine Anzeichen dafür, dass sich bewusst und gewollt zu wenige Beschäftigte des Landes-kriminalamtes in der Ermittlungsgruppe Sponsor mit den vorliegenden Fällen befasst haben, vielmehr scheint dies dem allgemeinen Stellenplan geschuldet zu sein. Es konnte vom Untersuchungsausschuss auch nicht ermittelt werden, wieso sich in kurzer Zeit von der Staatsanwaltschaft Halle so viele Staatsanwältinnen und Staats-anwälte zum Sozial- bzw. Finanzgericht wegbeworben haben. Problematisch er-scheint, dass dies der Zeugin Angela K. als zuständige Justizministerin nicht detail-liert mitgeteilt wurde. Problematisch erscheint auch, dass die Dessauer Fördermittel-affäre trotz des erheblichen Umfangs und eines entsprechenden Schreibens des Zeugen W. als leitenden Oberstaatsanwalt nicht als Umfangsverfahren eingeordnet wurde. Dass dem Zeugen W., als ermittelnder Staatsanwalt, nach dem Weggang des vormals ermittelnden Staatsanwalts L. ab Sommer 2012 mehr Zeit für die Ermittlun-gen eingeräumt wurde, kann als positives Zeichen gesehen werden. Im Tatsächli-chen hat sich die Länge der Ermittlungen dennoch weiter verzögert, so dass auch Ende 2015 erst wenige Verfahren abgeschlossen sind. Nicht geklärt werden konnte, wieso die Zeugin G. 2012 zweimalig den Abschluss von Verfahren und die Anklageerhebung ankündigte und diese ausblieb. Den Wider-spruch zwischen der Aussage des Staatsanwaltes L., das einzelne Verfahren ab-schlussreif waren und der Aussage des Zeugen W., dass kein Verfahren abschluss-reif war, konnte der Ausschuss nicht aufklären. Deutlich wurde exemplarisch, dass die Stellenbesetzung sowohl im Landeskriminal-amt als auch bei der Staatsanwaltschaft im Bereich der Wirtschaftskriminalität unzu-reichend erscheint und welche Folgen dies – auch in ökonomischer Hinsicht – hat.

3. Politisch bedeutsame Verfahren Bei dem Verfahren gegen den Zeugen S. führen mehrere Umstände zu der Frage-stellung, ob dieses Verfahren verzögert wurde. Die ersten Anzeichen wegen korrup-tiver Verstrickungen erhält die Staatsanwaltschaft bereits im Herbst 2008 durch den Abschlussbericht des Zeugen J.s infolge seiner Privatermittlungen bei der IHK Bil-dungszentrum Halle Dessau GmbH. Der Zeuge L., ermittelnder Staatsanwalt bis 2012, leitet 2009 die Ermittlungen ein. Die Ermittlungsakte (902 Js 4199/09) liegt,

65 Niederschrift der öffentlichen Zeugenvernehmung der 15. Sitzung am 21.11.2014, S. 22 (L.).

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nach Angaben des Zeugen H., ohne ersichtlichen Grund zwei Jahre beim Wirt-schaftsprüfdienst. Der Zeuge W. bestreitet dies. Ob Tathandlungen inzwischen ver-jährt sind, ist nicht bekannt. Der Zeuge W. als ermittelnder Staatsanwalt widersprach der entsprechenden Aussage des ehemals ermittelnden Polizeibeamten H.. Ange-sichts des Umstands, dass der Ausschuss erst kurz vor Abschluss eher zufällig Kenntnis von weiteren Ermittlungsgruppen und weiteren Betrugsfälle erhalten hat, kann nicht beurteilt werden, ob dem Ausschuss tatsächlich alle relevanten Umstände wahrheitsgemäß mitgeteilt wurden. Die nicht korrekt erfolgte Information über diese weiteren Ermittlungsgruppen und den dortigen Fällen dokumentiert die Verweigerung der Landesregierung die Aufklärung der Vorgänge zu betreiben. Dass insbesondere im Korruptionsbereich lange und möglicherweise sogar verzöger-te Ermittlungen besonders folgenreich sind, ergibt sich aus der Schädlichkeit von Korruption für rechtsstaatliche Strukturen und ordnungsgemäße Verwaltungstätigkeit. Zugleich können lange Ermittlungsverfahren, sofern dieses wie hier bei der entspre-chenden Dienststelle bekannt ist, das Ansehen der Person beschädigen. Ob sich ein Korruptionsverdacht bestätigt, ist daher zügig zu klären. Eine weitere Problematik besteht in der Beurteilung des nicht erfolgten Ermittlungs-verfahrens gegen den Zeugen K., CDU-Landtagsabgeordneter. Hier widersprechen mehrere Umstände der Lebenswirklichkeit. Nach Aktenlage wurde von den ermit-telnden Beamten angenommen, dass weitere Ermittlungen wünschenswert, aber aufgrund der angespannten Personallage nicht realistisch seien. In der Zeugenver-nehmung wird von den Beamten, die dieses aktenkundig vermerkt haben, eine an-gespannte Personallage bestritten. Dies lässt nur die Deutung zu, dass Ermittlungen aufgrund anderer Erwägungen nicht aufgenommen wurden. Auch dieses wird jedoch bestritten. Der Ausschuss erfährt, dass Teilnehmer, die an Existenzgründungsveran-staltungen des Zeugen K. teilgenommen haben, zugleich Teilnehmer an Weiterbil-dungsveranstaltungen waren, die im Rahmen der Dessauer Fördermittelaffäre über-prüft wurden. Auch hat der Zeuge K. unzureichend darüber ausgesagt, welcher Art die wirtschaftliche Beziehung zwischen ihm und dem Hauptbeschuldigten B. ist. Er-mittelt werden konnte eine zwischen den Zeugen K. und B. bestehende Darlehens-beziehung, aus der der Zeuge K. als Schuldner verpflichtet war. Dass der Zeuge K. für eine zeitlich darauf folgende Entsendung des Zeugen B. in den Verwaltungsrat der Sparkasse Dessau verantwortlich ist, spricht für eine enge persönliche Verflech-tung, die jedoch vom Ausschuss nicht aufgeklärt werden konnte. Es konnte nicht herausgefunden werden, inwiefern das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft in den letztgenannten Fällen unabhängig von parteipolitischer Einflussnahme agiert haben. Die dargelegten Widersprüche sind äußerst kritisch zu sehen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen dürfen nicht den Anschein eines partei-politischen Einflusses in einzelnen Ermittlungsverfahren haben, da ansonsten die allen Bürgerinnen und Bürgern gewährte Rechtsstaatlichkeit von Ermittlungsverfah-ren in Gefahr ist. Dass parteipolitische Einflussnahmen nicht abwegig erscheinen, liegt auch an dem Vorgang H.. Der spätere Zeuge und ehemaliges Mitglied der Er-mittlungsgruppe Sponsor, war bei der Vernehmung des Zeugen Dr. Reiner H., ehe-maliger Minister für Wirtschaft und Arbeit und heutiger Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt am 15.9.2014 als Zuhörer und zwar als Privatperson anwesend. Er erklärte dem Ausschuss, dass er, nachdem er von einem Mitglied des Ausschusses in der Mittagspause der damaligen Ausschusssitzung erfuhr, dass noch nicht na-mentlich bekannte Beschäftigte des Landeskriminialamtes Sachsen-Anhalt zu einem

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späteren Zeitpunkt vernommen werden sollen, seine Dienststelle darüber informiert hat. Daraufhin sei seine seit 2009/2010 bestehende Abordnung zum LKA ungefähr drei Wochen später aufgrund eines nicht näher benannten besonderen Vorkommnis-ses beendet worden.66 Informell habe er von seinem Dienststellenleiter erfahren, dass das besondere Vorkommnis in seiner Teilnahme an einer öffentlichen Zeugen-vernehmung bestanden habe. Als weitere Gründe wurden ihm inoffiziell das Ge-spräch mit dem Abgeordneten und einer angeblich – von ihm H. - veranlassten An-regung des Abgeordneten, Mitglieder der Ermittlungsgruppe vorzuladen und einer angeblichen Auskunft über Ermittlungsinterna, genannt.67 Die harte dienstrechtliche Reaktion gegenüber einem Zeugen der scheinbar in ‚Verdacht‘ geraten war, der Auf-klärung der Vorgänge positiv gegenüber zu stehen, ist gänzlich unverständlich. Vor dem Hintergrund dieses Vorgangs, an welchem der Ausschuss keinen Anlass hatte zu zweifeln, sind parteipolitische Einflussnahmen leider nicht auszuschließen. Die Landesregierung hat diesen Vorgang aufzuklären und auch nur dem Anschein einer Einflussnahme entgegenzuwirken.

E. Mangelhafter Umgang mit Korruptionsverdacht Als letzter Punkt war die Frage zu behandeln, inwiefern korruptive Vorgänge im früheren Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bzw. im heutigen Ministerium für Arbeit und Soziales stattfanden und inwieweit darauf durch Um- bzw. Versetzung des be-treffenden Beschäftigten reagiert wurde (E, vgl. Einsetzungsbeschluss II.). Die nicht erfolgte Versetzung des Beschäftigten S. in einen anderen Bereich im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bzw. im jetzigen Ministerium für Arbeit und Soziales verstößt gegen die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht und stellt kein adäquates Vorgehen bei Vorliegen eines Korruptionsverdachts gegen einen Be-schäftigten eines Ministeriums dar, der die Rechts- und Fachaufsicht über eine För-dermittelvergabe ausübte bzw. mit übergeordneten Aufgaben der Fördermittelverga-be betraut ist. Der Ausschuss hat keine schlüssige Erklärung dafür erhalten, warum der Referent S. sowohl im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit als im jetzigen Ministeri-um für Arbeit und Soziales nicht in eine andere Abteilung versetzt wurde. Aufgrund der im Folgenden dargestellten Ereignisse kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine unzulässige Fürsprache Dritter stattgefunden hat, deren Motivation vom Aus-schuss nicht aufgeklärt werden konnte und Gegenstand unterschiedlicher Vermutun-gen ist. Jedenfalls entspricht die Vorgehensweise des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit und des jetzigen Ministeriums für Arbeit und Soziales nicht gu-ter personalrechtlicher Praxis und trägt nicht dazu bei, Korruption zu verhindern, auf-zuklären oder dagegen vorzugehen. Dies wird wie folgt begründet. Das Landesverwaltungsamt erhält im Herbst 2008 durch den Abschlussbericht des Zeugen J., der beauftragt von der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH die Kündigungsgründe gegen den ehemaligen Regionalbereichsleiter B. untersetzen 66 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 20.4.2015 (H.), S. 17. 67 Niederschrift über die 19. Sitzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 20.4.2015 (H.), S. 45 f.

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sollte, Kenntnis von einem möglichen Korruptionsverdacht gegen den Beschäftigten S.. Nicht bekannt ist, ob und wer im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Kenntnis von diesem Abschlussbericht erhält. Es dürfte jedoch unwahrscheinlich sein, dass das Ministerium keine Kenntnis von diesem Abschlussbericht hat. Die Zeugin C., Referatsleiterin im Landesverwaltungsamt, berichtete dem Zeugen B. von dem Abschlussbericht. Die IHK Halle Dessau steht unter der Rechtsaufsicht des da-maligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Deren Tochter, die IHK Bildungszent-rum Halle-Dessau GmbH, zählt zu den größten Weiterbildungsanbieterinnen in Sachsen-Anhalt. Die Zeugin S. und der Zeuge Dr. H. wenden sich offensiv in einem Brief an den Zeugen P. als damaligen Staatssekretär und den Zeugen H. als damals zuständigen Minister. Der unabhängigen Prüfgruppe ESF, die im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit unter dortiger Dienstaufsicht angesiedelt ist, wird Akteneinsicht in der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH gewährt. Dass das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit keine Kenntnis des Abschlussberichtes des Zeugen J., welcher die Grundlage des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens bildet und Grund-lage für die Information der Zeugen S. und Dr. H. an die Zeugen P. und H. ist, ent-spricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Hinzu kommt, dass der Brief an den Zeugen Dr. H. dem Ausschuss nicht zur Kenntnis gereicht wird, der Vorgang in die-ser Sache nicht vorhanden ist. Der dem Ausschuss zugeleitete Vorgang beschränkt sich auf den Brief an den Zeugen P.. Der Abschlussbericht, der dem Landesverwal-tungsamt zur Kenntnis gereicht wird, wird angeblich in der abgeschlossenen Schub-lade der Zeugin C. verwahrt. Auch im Zuge des Aktenvorlageverlangens an das Lan-desverwaltungsamt wird er nicht dem Ausschuss übergeben. Vielmehr übergibt der Zeuge J. dem Ausschuss den Bericht im Anschluss an seine Zeugenvernehmung. Da eine positive Kenntnis des Abschlussberichtes im ehemaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit eine Pflicht zu handeln auslöst, die augenscheinlich, betrachtet man die folgenden Ereignisse, nicht gewollt war, ist zu vermuten, dass dem Aus-schuss nicht alle relevanten Informationen zur Kenntnis gereicht wurden. Die Presse berichtete im Februar 2011 darüber, dass der Ehemann einer Mitarbeite-rin der IHK Bildungszentrum Halle-Dessau GmbH, der Zeugin Dr. M., die Wohnung der Mutter des Zeugen S. gemalert hatte und die Rechnung von der IHK Bildungs-zentrum Halle Dessau GmbH bezahlt werden sollte. Der Artikel fächerte die Bezie-hungen zwischen dem Zeugen B. und dem Zeugen S. auf. Die 160 Euro Malerrech-nung bildete den Grund für die gerichtliche Bestätigung der außerordentlichen Kün-digung des Zeugen B.. Das ehemalige Ministerium für Wirtschaft und Arbeit reagierte gegenüber dem Zeugen S. weder mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen noch mit ei-ner internen Revision derjenigen Vorgänge, in welchen der Zeuge S. und das IHK Bildungszentrum involviert waren. Die Aufarbeitung beschränkte sich darauf, dass das Landesverwaltungsamt die Fördermittelmaßnahmen im Austausch mit der Staatsanwaltschaft überprüfte, obgleich, wie oben geschildert, der Zeuge S. erheb-lich an der Vorgangsbearbeitung beteiligt war. Der wiederholten Empfehlung der ehemaligen Polizeipräsidentin und damaligen Referatsleiterin Personal, der Zeugin L., den Zeugen S. zumindest aus Fürsorgegesichtspunkten umzusetzen, wurde vom damaligen Staatssekretär, dem Zeugen P., nicht gefolgt. Die Mutter des Zeugen S. hatte mit Einschreiben gegenüber dem Ehemann der Zeugin M. bekundet, dass sie den Betrag für die Malerarbeiten mangels Rechnung gespendet habe. Augenschein-lich sollte hier ein Beweis geschaffen werden, was der ehemaligen Polizeipräsidentin – so ist zu vermuten – aufgefallen war. Der Brief mittels Einschreiben lag dem dama-ligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit vor. Der Zeuge B. wurde zu einer Stel-lungnahme zu dem Vorgang gebeten. Er vergaß zu erwähnen bzw. erwähnte nicht,

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dass der der Korruption verdächtige S. vor seiner Tätigkeit im damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit im Landesverwaltungsamt im Referat 302 tätig war, engen Kontakt zu den Beschäftigten des Landesverwaltungsamts hatte und sich wiederholt in Vorgänge einschaltete. Vielmehr schloss der Zeuge B. eine direkte Einflussnahme auf Fördervorgänge aus. Der Zeuge P. hatte entgegen seiner Erinnerung auch keine Umsetzungsverfügung unterzeichnet, vielmehr findet sich in den Unterlagen nur ein Tausch der Referenten im selben Referat, ohne jedoch dass diese Verfügung abge-zeichnet worden ist. Obgleich die Zeugin L. einen handschriftlichen Vermerk ausfüllte, wonach das Minis-terium für Arbeit und Soziales, in welches das Referat 53 kurze Zeit später wechsel-te, über den Vorgang S. informiert werden sollte, erfuhr das Personalreferat des Mi-nisteriums für Arbeit und Soziales davon nichts. Der Zeuge S. wusste von dem Vor-gang S. und berichtete dem Ministerium für Arbeit und Soziales nichts. Der Zeuge S. verblieb in dem Referat 53. Die Teilakte, die für den Vorgang der Malerrechnung ge-fertigt wurde, wurde Bestandteil der Personalakte und verblieb dort ungesehen. Im Juni 2012 wiederholte sich der Vorgang. In der Presse wurde ein weiterer Korrup-tionsvorwurf gegen den Zeugen S. publik, wonach er 6000 Euro bei der Fördermit-telmaßnahme P. Biscuit erhalten habe. Wiederum schlug die Fachebene, die Refe-ratsleiterin Personal, die Zeugin K. und der Referatsleiter Inneres und Organisation, Herr Willmer, eindringlich vor, den Zeugen S. in eine andere Abteilung bzw. ein an-deres Referat zu versetzen. Statt dessen wurde der Zeuge S. zur besonderen Ver-wendung des Abteilungsleiters B., seines langjährigen Vorgesetzten, gesetzt und erhielt damit Aufgaben der ESF-Koordinierung. Wenngleich nicht mit der Bewilligung einzelner Fördermittelmaßnahmen befasst, verblieb er somit im ESF-Fördermittelbereich und in der nächsten Nähe seines langjährigen Vorgesetzten, was faktisch einer Beförderung gleichkommt, da er nun mit übergeordneten Aufgaben befasst war und ist. Das Personalreferat erfuhr keine Gründe für die Entscheidung der Hausspitze. Hinzu kommt, dass der Untersuchungsausschuss die Personalakte S. anforderte und eine Akte erhielt, in welcher das Personalreferat die Teilakte „Verfolgung von För-dermittelbetrug“ entfernte, ohne den Untersuchungsausschuss darüber zu informie-ren. Aufgrund einer handschriftlichen Erwähnung auf einem Blatt in der Personalakte S. war ersichtlich, dass eine Akte „Verfolgung von Fördermittelbetrug“ existierte. Der Ausschuss forderte diese an und erhielt sie. Im April 2013 zeigte der Zeuge S. an, dass gegen ihn ermittelt wird. Auch dies veran-lasste das Ministerium für Arbeit und Soziales nicht, seine personellen Maßnahmen zu überdenken und den Zeugen S. vorläufig bis zum Abschluss der Ermittlungen zu versetzen. Dem Ausschuss wurde keine schlüssige Erklärung dafür gegeben, wieso der Zeuge S. nicht versetzt wurde. In beiden Fällen haben sich die Hausspitzen entgegen der wiederholten und dringlichen Empfehlung der Fachebene gegen eine Versetzung ausgesprochen. Ohne dass sich von dritter Seite für den Zeugen S. jemand einge-setzt hat, ist es wenig wahrscheinlich, dass sich Hausspitzen zweier Ministerien in zwei parallelen Fällen für einen Referenten einsetzen, der, wie in Teil B gezeigt wur-de, die Rechts- und Fachaufsicht über die Richtlinie zur Qualifizierung von Beschäf-tigten rechtswidrig ausgeübt und unter dem Verdacht der Vorteilsannahme steht. Zu-

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dem haben beide Ministerien die Vorgänge nicht intern aufgearbeitet. Vielmehr wur-de bei Bekanntwerden der Dessauer Fördermittelfälle der Bereich an die Investiti-onsbank gegeben. Es wurde seitens der Landesregierung ein Vorgehen gewählt, dass sich von korrup-tivem Verhalten nicht klar distanziert. Deutlich dürfte das werden, wenn man sich die Situation der Beschäftigten des Landesverwaltungsamtes vor Augen hält, die im Wissen um die vermeintliche Beteiligung des Zeugen S., diesen bis 2012, also vier Jahr nach den ersten Informationen, als fachvorgesetzte Ansprechperson im Ar-beitsministerium behalten. Ob die mangelnde Revision der Vorgänge, mit denen der Zeuge S. befasst war, in einem Zusammenhang mit den Existenzgründerlehrgängen, die der Zeuge K. durchgeführt haben will, gesehen werden kann oder muss, kann hier nicht beurteilt werden. Dazu müssten die Maßnahmen überprüft werden, in wel-chen der Zeuge S. mit dem Zeugen B. den Existenzgründerbereich begleitet hat. Kri-tisch muss in diesem Zusammenhang auch die Vorgehensweise des Landesverwal-tungsamts gesehen werden, Beschäftigte des Landesverwaltungsamtes zu Zeugen-vernehmungen des Untersuchungsausschusses als Zuhörer zu senden. Zugleich wurde den Beschäftigten des Landesverwaltungsamtes ein Zeugenbeistand zur Sei-te gestellt, der diese begleitete. Der Ausschuss versuchte sich zu vergewissern, ob dies dem Wunsch der Zeugen entspricht, was zweifelhaft war. Eine unabhängige Zeugenvernehmung steht in Frage, wenn Behördenmitarbeiter die Vernehmung von Kollegen und Kolleginnen auf Weisung der Leitung des Landesverwaltungsamtes, des früheren Staatssekretärs im Ministerium im Wirtschaft und Arbeit und dem späte-ren Zeugen P. als Zuschauer begleiten. Das Verhalten der Landesregierung zeigt eine mangelnde Distanzierung zu den Kor-ruptionsvorgängen um den Zeugen S.. Nimmt man die Vorgänge zu den langwieri-gen und immer noch andauernden Ermittlungen gegen den Zeugen S., den Um-stand, dass die Ermittlungsakte zwei Jahre – ohne schlüssige Erklärung – bei der Staatsanwaltschaft lag, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Ermittlungen nicht sachgerecht geführt und personalrechtliche Konsequenzen beeinflusst getroffen wurden. Die Landesregierung ist gut beraten, diesem Eindruck entgegenzuwirken und den Vorgang S. aufzuarbeiten.

F. Zusammenfassung und Empfehlungen Die rechtswidrige Fördermittelvergabe im Bereich der Qualifizierung von Beschäftig-ten ist maßgeblich durch rechtswidriges Handeln des ehemaligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit verursacht worden. Grundlage bildete eine missbrauchsanfälli-ge Richtlinie, deren mangelnde Überprüfung und fehlende arbeitsmarktpolitische Zielsetzung. Begünstigt wurde die Möglichkeit betrügerischen Vorgehens durch dau-erhafte Personalengpässe beim Landesverwaltungsamt, die auch verantwortlich wa-ren, dass Kontrollen nicht ausreichend durchgeführt wurden. Beschäftigte des ehe-maligen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit wiesen – zum Teil auf Weisung des damaligen Ministers Dr. H. – rechtswidrig die vorrangige Bearbeitung von Fördermit-telanträgen an. Zum Teil wurde das Landesverwaltungsamt angewiesen, sinnfreie Fördermittelprojekte zu bewilligen, die sich im Nachhinein als betrügerisch heraus-stellten.

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Aufgabe des Landes muss es sein, Fördermittel zielgerichtet unter dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit auszugeben. Diese Aufgabe hat die Landes-regierung nicht sachgerecht ausgeübt. Ziel darf es nicht sein, kurzfristig – in Konkur-renz mit anderen Bundesländern – in der Arbeitslosenstatistik den letzten Platz ab-zugeben, sondern langfristig und nachhaltig gute Bedingungen für einen ökonomi-schen Wandel Sachsen-Anhalts zu schaffen. Insbesondere vor dem Hintergrund ab-nehmender Fördermittelsummen müssen diese genau dort ankommen, wo sie benö-tigt werden und einen volkswirtschaftlichen und gemeinwohlorientierten Nutzen er-bringen. Vor Ort in Dessau hat sich eine subventionierte Verquickung von Sport, Unterneh-men und CDU dargestellt, die bis in das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit reichte. Politische Parteien, insbesondere diejenigen mit Regierungsverantwortung, sind in der Pflicht, wenn es um die Aufklärung eigener Skandale geht. Die mangelnde Auf-klärung durch die CDU wirkt besonders schwer, als der verantwortliche ehemalige Minister für Wirtschaft und Arbeit heute als Ministerpräsident und als Mitglied im Landesvorstand der CDU eine besondere Vorbildfunktion hat. Dies wirkt sich auf die Glaubwürdigkeit politischer Parteien im allgemeinen aus und schadet dem Gemein-wohl. Die verzögerte strafrechtliche Aufklärung des Dessauer Fördermittelskandals hat exemplarisch die ungenügende personelle Ausstattung im Landeskriminalamt und bei der Staatsanwaltschaft im Bereich der Wirtschaftskriminalität aufgezeigt. Besonders zu verurteilen ist die völlig ungenügende Reaktion auf Korruptionsvorwür-fe im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bzw. Ministerium für Arbeit und Soziales. Dass ein Beschäftigter trotz des Vorwurfs der Annahme von Geldern weiter im För-dermittelbereich beschäftigt und sogar befördert wird, ist nur mit politischer Einfluss-nahme zu erklären. Der Vorgang zeigt, dass die Landesregierung hier offensichtlich einen Mitarbeiter schützt und nicht gegen Korruption vorgeht. Als wichtigste Empfehlungen werden folgende Punkte vorgeschlagen: 1. Das System der Fördermittelvergabe mit arbeitsmarktpolitischer Zielsetzung ist zu überprüfen. a) Zuwendungen sind ausschließlich dann auszureichen, wenn eine rechtmäßige Vergabe, Verwendungsnachweisprüfung und Kontrolle möglich ist. Es bedarf einer ausreichenden personellen und sächlichen Ausstattung. b) Fördermittelrichtlinien sind auf ihre Missbrauchsanfälligkeit zu überprüfen. c) Grundlage einer Förderung ist eine genaue Definition dessen, was übergeordne-tes Ziel der Fördermittelvergabe sein soll. d) Bei der Evaluierung sind die arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Folgen wis-senschaftlich untersetzt zu untersuchen. Die Befragung von Unternehmen zur An-nahme von Fördermitteln kann nur ein Bestandteil einer Auswertung sein. Die För-dermittelverwendung ist im laufenden Prozess immer wieder auf ihren Erfolg hin zu kontrollieren. Diejenigen, die tagtäglich Fördermittelanträge bearbeiten, sind als kenntnisreiche Akteure zu schätzen und ihre Kenntnisse zu nutzen.

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e) Wenn eine (fachaufsichtführende) Stelle Unternehmen oder Bürgerinnen und Bür-ger vorrangig fördern will, muss sie ihre Gründe zwingend schriftlich und nachvoll-ziehbar begründen. Wenn fachaufsichtführende Stellen Projekte inhaltlich befürwor-ten, ist dies ebenfalls zu begründen und zu dokumentieren. f) Bearbeiter und Bearbeiterinnen der Fördermittelvergabe sind hinsichtlich der Ge-fahr des Missbrauchs von Fördermitteln zu sensibilisieren, zu schulen und ihnen kla-re Handlungsanweisungen zu geben. g) Die Kontrolle der Vergabe von Fördermitteln ist dringend dahingehend zu überprü-fen, ob sie tatsächlich in der Lage ist, Fördermittelmissbrauch aufzudecken, die not-wendige Unabhängigkeit besitzt und eine ausreichende Ausstattung vorliegt. 2. Wirksames Agieren gegen Korruption, präventiv und bei Vorliegen eines Verdach-tes, ist gefordert. a) Wenn die untergeordnete Behörde einen Korruptionsverdacht gegen Beschäftigte der übergeordneten Behörde hegt, muss eine unabhängige Stelle eingeschaltet wer-den können. Es muss klare Regelungen u. a. im personalrechtlichen Bereich geben, was im Falle eines Korruptionsverdachts zu tun ist. b) Das Vorgehen gegen Wirtschaftskriminalität muss gestärkt werden. Erforderlich ist mehr Personal u. a. beim Landeskriminalamt, welches für den Bereich der Wirt-schaftskriminalität eingesetzt und dementsprechend geschult wird. Sinnvoll ist es, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft gegen Korruption einzurichten, wie dies in eini-gen anderen Bundesländern üblich ist. Auffällig ist, dass Sachsen-Anhalt, als Emp-fänger von Subventionen in erheblichem Maße, diese noch nicht hat und wenig Sen-sibilität gegenüber der Missbrauchsanfälligkeit von Subventionen festzustellen ist. c) Das von der Europäischen Union geforderte Begünstigtenverzeichnis für europäi-sche Fördermittel sollte auf Fördermittel des Landes ausgedehnt werden, um trans-parent die Vergabe von Fördermitteln zu dokumentieren. Eine Fördermitteldatenbank ist einzurichten.