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mit Hilfe verschiedener physikalischerMedien (Laser, Hochfrequenz-Strom,Ultraschall) teilweise oder vollständigunter Belassung der Tonsillenkapselabtragen.

Die »Mandelkappung« mit dem Tonsil-lotom, einer Art Guillotine, mit derhyperplastische Tonsillen blutig abge-schnürt werden, wurde in Deutschlandbis in die fünfziger Jahre des vorigen

Laser-Tonsillotomie versus Tonsillektomie –Versuch einer Standortbestimmung

Abb. 2: Zustand am ersten Tag postoperativ

L. Eger

ZusammenfassungDie Laser-Tonsillotomie (LTT) stellt beider kindlichen symptomatischen Ton-sillenhyperplasie eine sinnvolle, scho-nende und deutlich risikoreduzierteAlternative zur Tonsillektomie dar. Sieunterscheidet sich von letzterer insbe-sondere durch ihr deutlich verminder-tes Nachblutungsrisiko, den kürzerenHeilungsverlauf bei vermindertenSchmerzen sowie durch die ambulanteDurchführbarkeit. Der Verbleib mögli-cherweise noch immunkompetentenTonsillenparenchyms ist von weiteremVorteil. Die LTT ist nicht indiziert beichronischer Tonsillitis mit rezidivie-renden Angina-Schüben.

EinleitungZunehmend häufiger werden Pädiatervon den Eltern mit der Frage konfron-tiert, ob denn die Tonsillektomie (TE)bei ihrem Kind wirklich erforderlichsei, wenn sie die Überweisung zumHNO-Arzt erhalten. Insbesondere diein den Laien-Medien immer wiederstrapazierten Nachblutungen lassendieses Hinterfragen tatsächlich sinnvollerscheinen.

Während vor Jahren oft nur die Alter-native zwischen Beibehalten der patho-logischen Symptomatik oder Tonsillek-tomie bestand, kann heute je nach In-dikation tatsächlich zwischen verschie-denen operativen Optionen gewähltwerden. Neben der klassischen Tonsill-ektomie, die die vollständige Entfer-nung der Gaumentonsillen einschließ-lich ihrer Kapsel zum Inhalt hat, kom-men auch in Deutschland Methodenzum Einsatz, die das Tonsillengewebe

Abb. 1: Kontakttonsillen

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Jahrhunderts häufig praktiziert. Dierasche Durchführbarkeit während desnur kurzen Ätherrauschs war der ent-scheidende Vorteil. Wiederholte Ent-zündungsschübe und Abszedierungenin den verbliebenen Tonsillenstümpfenwaren die Hauptgründe, diese Methodedamals vollständig aus den deutschenHNO-OP-Lehren zu verbannen unddurch die Tonsillektomie zu ersetzen.Da trotz allen technischen und anäs-

thesiologischen Fortschritts auch beilege artis durchgeführter Tonsillekto-mie postoperative Blutungen teils ge-fährlichen Ausmaßes zwischen 0,5 und12% auftreten (2, 9, 15), muss die Indi-kation zur TE nach wie vor strenggestellt werden. Auch gegenwärtig ver-sterben in Deutschland bis zu 10 Pa-tienten pro Jahr bei und infolge einerTE (2, 9). Windfuhr gibt 2003 (15) eineMortalität der TE von 0,07‰ an.

Abb. 4: OP-Situs

Abb. 3: Zustand vier Wochen postoperativ

Seit Beginn der neunziger Jahre desvorigen Jahrhunderts erfährt die Tonsil-lotomie eine Art Renaissance durch denEinsatz des Lasers. Die Arbeitsgruppeum Scherer hat in einer großen Studiean über 800 mit dem Laser tonsilloto-mierten Kindern die hohe Wirksamkeitder Methode bei gleichzeitig fehlendenNachblutungen nachgewiesen (6).

Inzwischen hat die Laser-TonsillotomieEinzug in zahlreichen Kliniken undoperierenden Praxen gefunden.

Indikationsstellungzur Laser-TonsillotomieNeben der chronisch rezidivierendenTonsillitis stellt die obstruktive Tonsil-lenhyperplasie die wichtigste Indika-tion zur Tonsillektomie im Kindesalterdar. Unter den zahlreichen unstrittigenTE-Indikationen lässt sich lediglich imFalle der Tonsillenhyperplasie ohne dietypische »Angina-Anamnese« die klas-sische Tonsillektomie durch eine Laser-Tonsillotomie ersetzen.

Symptomatikder Tonsillenhyperplasie Nicht immer schildern die Eltern daslautstarke Schnarchen als das Leit-symptom einer Tonsillenhyperplasie.Teilweise gleicht das Atemgeräuscheher einem inspiratorischen Fauchen,welches nicht bis in das elterlicheSchlafzimmer vernommen wird. Beiden schon älteren Schnarchern könn-ten unerklärliche schulische Leistungs-schwächen (5) oder auch ADHS-Anzei-chen auffallen (11).

Die folgenden Symptome sind typisch:

– Nächtliches Schnarchen teils mitApnoe-Phasen,

– Schlafstörungen (Arousals), Schlafenmit überstrecktem Kopf und jugu-lären Einziehungen,

– Mundatmung im Wachzustand,– kloßige Sprache– erschwerte Nahrungsaufnahme mit

Inappetenz und Gedeihstörung,

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– rezidive Paukenergüsse trotz Adeno-tomie,

– gehäufte Infektionen des unterenRespirationstrakts.

Eine obligate Diagnostik im Schlafla-bor, gar als Voraussetzung für die OPbei eindeutiger klinischer Symptoma-tik, erscheint nicht angemessen. Diedurch das schlafgestörte Kind geweck-ten mütterlichen Schutzinstinkte, dieschließlich zur Vorstellung beim Arztführen, sind für den Autor ein wichti-ges, wenngleich nicht einziges Krite-rium. Bei gelegentlich erstaunlich indo-lenten Eltern können dem Pädiater beilangfristig bestehender inspiratorischerAtemwegsobstruktion sogar Thoraxde-formitäten (Trichterbrust) auffallen.Eine OP-Indikation ist dann nicht gege-ben, wenn eine Tonsillenhyperplasieohne Leidensdruck bei Eltern oderKind besteht oder die Symptomatikerst seit wenigen Tagen bis Wochen inErscheinung getreten ist.

OP-TechnikDie LTT geschieht durch den Mundähnlich wie bei der Adenotomie/Ton-sillektomie. Der Eingriff wird in Allge-meinnarkose ausgeführt (Abb. 4). Inunserer Praxis kommt ein Dioden-La-ser (30 Watt) zum Einsatz, dessen in-frarotes Licht (810 nm) über eine Licht-leitfaser in ein Handstück geleitet wird.Mit seiner Hilfe wird einem Skalpellgleichend das Mandelgewebe durch-trennt. Zahlreiche andere Laser-Artenkommen mit unterschiedlicher Tech-nik zum gleichen Ergebnis.

Durch die teilweise Entfernung derGaumenmandeln erreicht man einefreie Nasenatmung sowie eine unge-hinderte Atmung im Pharynxbereich.Das Ziel des Eingriffs, die mechanischeAtemwegsbehinderung zu beheben,kann so erreicht werden.

HeilungsverlaufGegen die mit Sicherheit auftretendenSchmerzen bekommen die Patienten

einen Ibuprofen-Saft. Ein Drittel derPatienten hat nennenswerte Schmer-zen nur bis zum ersten Tag postopera-tiv (Abb. 9). Gelegentlich erhalten diekleinen Patienten 100 mg Prednisolon-Supp., um ein postoperatives Uvula-Ödem rascher abklingen zu lassen. DieKinder können schon am OP-Tag al-les essen, worauf sie Appetit haben.Manchmal erhalten sie sogar von ihrenEltern als Belohnung für die erwieseneTapferkeit auf dem Weg nach Hauseein Mahl im nahe gelegenen Fast-Food-Restaurant.

Häufig treten in den ersten Tagen nachder Operation Temperaturerhöhungenauf. Der Körper reagiert damit auf diebeim Lasern entstehenden pyrogenenBrandprodukte. Das ist nicht besorgni-serregend.

Etwa zwei bis vier Tage nach der OPbeginnen die Kinder recht unange-nehm aus dem Mund zu riechen. (Abb.2). Der Geruch wird durch den Abbaudes vom Laser verbrannten und amTonsillenstumpf verbliebenen Mandel-gewebes durch Bakterien verursacht

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100

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präoperativpostoperativ

Abb. 5: Schnarchintensität prä-/postoperativ

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22

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und verschwindet nach ein paar Tagenvon selbst.

Auf Kindergarten oder Schulbesuchsollte für insgesamt etwa fünf bis sie-ben Tage verzichtet werden, auf Sport-unterricht für drei bis vier Wochen.

Mit welchen Komplikationenist zu rechnen?Nach schwedischen (8) und deutschenStatistiken (1, 6) ist der Heilungsver-

lauf nach Laser-Tonsillotomie im Ver-gleich zur klassischen Mandel-OP deut-lich kürzer und weniger schmerzhaft,da die Tonsille in ihrem Bett zum Teilverbleibt und damit keine offenenWunden entstehen, die Schmerzen ver-ursachen können. Im Durchschnittsind die Kinder nach drei Tagenschmerzfrei. Regelmäßig fallen tem-porär Veränderungen des Sprachklangsauf: aus dem präoperativ geschlosse-nen Näseln wird postoperativ ein offe-nes (nasaler Klang wie beim Gaumen-spalten-Kind). Meist schon nach weni-

gen Stunden haben weicher Gaumenund Uvula sich wieder an die neue, nunphysiologische Situation angepasst unddie Rhinolalia aperta ist wieder rückge-bildet. Viele Eltern insbesondere klei-ner Jungen wundern sich über diepostoperative Anhebung der Stimm-höhe (»Der hört sich jetzt an wie einMädchen!«).

Bei dem eigenen Patientengut trat ineinem Fall in Folge des intraoperativenSpateldrucks auf die Zunge eine einsei-tige Hypoglossusparese auf, die nachvier Wochen vollständig zurückgebil-det war.

Extrem selten und in aller Regel nurvorübergehend ist eine Beeinträchti-gung des Geschmacks. Werden die im-munologischen Abwehraufgaben derRest-Mandeln anschließend weiterstark stimuliert, kann es zu einer er-neuten Hyperplasie der Tonsillenrestekommen. Sie erreichen aber nur seltenerneut eine Größe, mit der sie dieAtmung behindern. Es kann nicht aus-geschlossen werden, dass im späterenVerlauf des Lebens die verbleibendenMandelreste aus anderer Indikationoperativ entfernt werden müssen.

Eigene AnalyseIn Jahren 2001–2004 wurden in unse-rer Gemeinschaftspraxis über 150 La-ser-Tonsillotomien ambulant mit einemDioden-Laser in Allgemein-Anästhesiedurchgeführt. Die OP-Indikation wargestellt worden, wenn eine klinischsichtbare Tonsillenhyperplasie übereinen Zeitraum von mindestens dreiMonaten bestand. Darüber hinaus warein hinreichender Leidensdruck beiEltern und Kind Bedingung. Alle biszum Zeitpunkt der retrospektiven Stu-die operierten 117 Kinder wurden perFragebogen interviewt. Die Antwortra-te betrug 77%. Die Zeitspanne zur OPbetrug im Mittel 11 (1–29) Monate.Die nachfolgenden Ergebnisse sindnatürlich stark subjektiv durch dieEltern geprägt und nicht durch objekti-ve Messmethoden überprüft. Sie lassenaber doch klare Trends erkennen.

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60

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0in der nach nach nach über

ersten Nacht 2 Tagen 5 Tagen 1 Wochenach OP

Abb. 7: Zeitpunkt der spürbaren Besserung der präoperativen Symptomatik

52

33

12 3

Abb. 8: Altersprofil bei TE und LTT (* OP-Daten der HNO-Klinik im Helios-KlinikumErfurt 2003

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18Alter in Jahren

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0

LTT n = 118TE* n = 138

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Ergebnisse– Schnarchintensität wurde zu 100%gebessert beziehungsweise zu 84% voll-ständig beseitigt (Abb. 5).

– Apnoe-Phasen wurden zu 100% deut-lich gebessert beziehungsweise zu 94%vollständig beseitigt (Abb. 6).

– Schluckbehinderung wurde zu 95%beseitigt.

– Appetitmangel wurde zu 77% besei-tigt.

– Gedeihstörung wurde zu 95% besei-tigt.

– Versorgungspflichtige postoperativeBlutungen traten nicht auf.

– 99% der Eltern bewerteten das OP-Ergebnis mit »gut« bis »sehr gut«.

– In 94% der Fälle waren die postopera-tiven Schmerzen wie erwartet oder ge-ringer (Abb. 9).

– Alle Eltern würden die Operation ingleicher Situation weiterempfehlen.

– Postoperativ gehäuft Anginen tratenim Beobachtungszeitraum nur bei 1%auf.

DiskussionEs kann an dieser Stelle nicht ver-schwiegen werden, dass organerhal-tende operative Alternativen zur Ton-sillektomie in der deutschen HNO-Ärz-teschaft noch immer hart umstrittensind. Das betrifft sowohl die Methodean sich als auch die Indikationen.

Gegenüber der unter anderem von Kli-mek (7) vorgestellte Methode der inter-stitiellen Radiofrequenz-Tonsillotomie(RF-TT) hat die Laser-Tonsillotomieden Vorteil des Sofort-Effekts (Abb. 7)des freien Atemweges sowie der besserkalkulierbaren Volumenreduktion derTonsillen. Gerade der Extremfall vonpräoperativen Kontakttonsillen kann

wegen einer reaktiven postoperativenVolumenzunahme bei der RF-TT »zuProblemen führen« (7). Von einer Tra-cheotomie aus diesem Grund hat derAutor persönlich Kenntnis.

Aussichtsreich erscheint auch die Me-thode der COBLATION-Tonsillotomiebeziehungsweise -Tonsillektomie. Da-bei wird Tonsillenparenchym elektro-chirurgisch und blutungsarm unter Be-lassung der Tonsillenkapsel abladiert.In Großbrittanien ist diese Methodeschon sehr verbreitet.

Welche Argumente werden am häufigs-ten gegen die Laser-Tonsillotomie vor-gebracht?

Abszessbildungin gekappter Tonsille?

Die Erfahrungen sowohl der Pioniereder LTT wie auch der zahlreichen hin-zugekommenen Operateure zeigen,dass im Gegensatz zu den historischenAngaben bei strenger Begrenzung desEingriffs auf die reine Tonsillenhyper-plasie ohne anamnestische chronischrezidivierende Tonsillitiden mit sol-chen Abszessen nicht zu rechnen ist.Das belegen zum Beispiel Angaben vonHelling (6) an über 800 Patienten odervon Elies (4) bei zirka 500 Patienten.Abrams (1) teilt dazu über eigene Er-

fahrungen mit, dass die Angina-Häu-figkeit bei tonsillotomierten Kindernnachlässt. Höchst erstaunlich, bedeutetdies doch, dass die Indikationen zurLTT hier etwas weiter gefasst wurdenund eine gewisse Anginafrequenz vorder OP sogar toleriert wurde. Trotzdemhat er keine Abszesse in den Rest-Ton-sillen bemerkt. Offenbar verkraften dieTonsillen die vertikale Resektion perLaser besser als die historisch blutigdurchgeführte horizontale Tonsilloto-mie am oberen Drittel. Man muss sichallerdings darüber klar sein, dass Ton-sillen, die rezidivierende eitrige Ent-zündungsschübe überstanden habennicht dadurch gesunden, dass man ih-nen eine Hälfte entfernt. Die im Körperverbleibende Hälfte hat die gleicheAnamnese und wird mit einer gewissenWahrscheinlichkeit ihren »Wirtsorga-nismus« mit weiteren Anginen traktie-ren.

Neu gebildete Oberfläche nach Laser-TT ist immunologisch nicht aktiv?

Sowohl Henning (6) als auch Unkel(14) haben in histologischen TE-Präpa-raten nach vorausgegangener LTT kei-ne nennenswerte Entzündung oderNarbenbildung sowie tiefe offene Kryp-ten bei zugleich bestehender follikulä-rer Hyperplasie gefunden. Damit beste-hen nach der Wundheilung die anato-

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50

40

30

20

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0Schmerzen Schmerzen Schmerzen

stärker wie erwartet geringerals erwartet als erwartet

6

46 48

Abb. 9: Schmerzerwartung

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mischen Strukturen der Immunfunk-tion der Tonsillen offensichtlich fort.

Die Beweisführung für die Aufrechter-haltung der immunologischen Reakti-onsfähigkeit wird schwierig zu führensein. Das liegt schon daran, dass sogardas völlige Fehlen der Tonsillen nachTE auch in größeren Langzeitstudienzu keiner defizitären Abwehrsituationdes Kindes führt (3).

Selbst wenn dieser Beweis also nichterbracht werden kann, so kann daskeine Kontraindikation für die LTTsein, wenn man in Betracht zieht, dassdie LTT die Alternativ-Option für dieTE ist. Und bisher wurde sogar der voll-ständige Verlust der Tonsillenfunktionnach diesem Eingriff billigend in Kaufgenommen.

Ist der Laser gefährlich?

Prinzipiell kann diesem Argumentnicht widersprochen werden. Die ther-mischen Wirkungen des Lasers amgewünschten Zielort können durchauszu kollateralen Begleitreaktionen derUmgebung führen. Sie sind in der Regelnur temporär und reversibel. Gelegent-lich erfordern sie eine supportive Me-dikation, zum Beispiel Prednisolon,um ein behinderndes Uvula-Ödem zuunterdrücken. Laserspezifische Schutz-vorkehrungen, wie zum Beispiel Ab-deckung des umgebenden Gewebes mitfeuchter Gaze müssen natürlich Beach-tung finden. Fasergebundene Laser-Technik (z.B. Dioden- oder Neo-dym:YAG-Laser) birgt weniger Gefah-ren des »Daneben-Schießens«, da diefür die Gewebezerstörung nötige Ener-giedichte einzig unmittelbar an derFaserspitze erreicht wird.

Sesterhenn hat 2003 (12) in einerdeutschlandweiten Umfrage unter20.000 endolaryngealen CO2-laserchi-rurgischen Eingriffen 15 Tubusbrändeerfasst. Bei 6 dieser 15 Fälle waren La-serschutz-Tubi zum Einsatz gekommen.Damit wird deutlich, dass der Tubus-brand eine wirklich reale Gefahr dar-stellt und zugleich spezielle Laserschutz-Tubi keinen absoluten Schutz vor die-sem gefürchteten Zwischenfall bieten.

Bedarf es nun bei der Laser-Tonsilloto-mie mit dem Diodenlaser unbedingtdes Laserschutz-Tubus?

Zunächst sollte klar sein, dass die Ge-fahr akzidenteller Kollateralschädendurch das fasergeführte (Dioden-)La-serlicht deutlich geringer ist, als beimfreien Strahl des CO2-Lasers. Zudemmuss bei der Bewertung die vom OP-Gebiet deutlich abgegrenzte Tubus-führung unter dem Mundsperrer/Zun-genspatel Berücksichtigung finden. Dietheoretische Kontaktmöglichkeit vonLaser-Faserspitze und Tubus ist alsosehr unwahrscheinlich.

Der Autor hat in Absprache mit demAnästhesisten daher bei über 140Laser-Tonsillotomien ohne Komplika-tionen auf die sehr teuren Spezialtubiverzichtet. Zurückhaltung wäre jedochmit dem Einsatz der Larynx-Maske an-geraten. Hier ist ein Prolaps des Cuffsins Zielgebiet des Lasers hinein denk-bar.

Insgesamt kann eingeschätzt werden,dass der Laser wie jedes andere denOrganismus invadierende Instrumentauch unerwünschte Wirkungen habenkann. Nutzen und Risiken stehen je-doch in einer sinnvollen Relation.

Wie soll ich denn dann meine Bettenfüllen, wenn die LTT ambulantdurchführbar ist?

Die Sorge der stationär tätigen Kollegenund Belegärzte, die Laser-Tonsillotomiekönnte die Ursache für ein Massenster-ben von Krankenhausbetten werden, istunbegründet. Zum einen steigt mit zu-nehmendem Alter der Anteil der chro-nisch rezidivierenden Anginen als unbe-strittene TE-Indikation (Abb. 8). Dasbedeutet, dass erfahrungsgemäß über10-Jährige selten wegen einer reinen Hy-perplasie zur OP erscheinen werden. Al-lerdings sieht der Autor keinen Grundeinem 15-Jährigen die Lasertonsilloto-mie aus Altersgründen zu verweigern.

Im eigenen Krankengut befanden sich62% der tonsillotomierten Kinder inden ersten fünf Lebensjahren, weitere32% in der Altersgruppe 6. bis 10.Lebensjahr. Postuliert man, dass zirkajedes zweite Kind in der ersten undjedes vierte Kind in der zweiten Alters-gruppe wegen einer alleinigen Tonsil-lenhyperplasie zur OP erscheint, sowürde sich die TE-Frequenz insgesamtnur um 6% vermindern. Bezieht mandie Kontraindikationen für eine ambu-lante OP mit ein, so wäre ein Rückgangder TE-assoziierten Bettenbelegung umlediglich zirka 4–5% zu erwarten.

FinanzierungNach wie vor ist die Übernahme derKosten für den Eingriff durch die Ge-setzlichen Krankenkassen unbefriedi-gend, da sie per Sozialgerichtsurteil vonihrer Zahlungsverpflichtung für dienicht mal im neuen EBM enthaltene,jedoch klar medizinisch indizierte Leis-tung entpflichtet wurden. Weil aberauch für die gesetzlichen Kassen ganzoffensichtlich ein großes Einsparpoten-zial durch diese Operation besteht, sindzahlreiche, insbesondere kleine Kran-kenkassen dazu übergegangen, im Rah-men von Einzelfallprüfungen die vonden Operateuren ausgestellten GOÄ-Rechnungen zu übernehmen. Die demPatient »privat« in Rechnung gestelltenKosten bewegen sich ein einem weiten

Abb. 10: Typisches negatives Votum des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen

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Rahmen zwischen 80 und weit über1.000 Euro. Da nach wie vor der Medi-zinische Dienst der Krankenkassen keinpositives Votum mit Empfehlung derKostenübernahme abgibt (Abb. 10),wird hier dem Wildwuchs geradezuVorschub geleistet.

FazitDie Laser-Tonsillotomie ist eine sinn-volle Alternative zur Tonsillektomie,wenn die OP-Indikation aufgrund einerklinisch relevanten Tonsillenhyperpla-sie ohne anamnestisch gehäufte Tonsil-litiden gestellt wird. Schätzungsweisejede sechste Tonsillektomie im Kindes-und Jugendalter könnte durch die La-ser-Tonsillotomie ersetzt werden.

LLiitteerraattuurr

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Anschrift des Verfassers:Dr. Lutz EgerHNO-GemeinschaftspraxisDres. Bormann/EgerBahnhofstraße 299092 ErfurtE-Mail [email protected]