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E4542 2/3 2010 Leben im Netz – die digitale Gesellschaft

Leben im Netz – die digitale Gesellschaft · 2010. 9. 17. · Netzwerke entstanden an Universitäten und wurden zusammengeschlossen. Zur Bedienung dieses Netzes war allerdings noch

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E4542

2/3 – 2010

Leben im Netz –die digitale Gesellschaft

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Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung

THEMA IM FOLGEHEFT

»Politik & Unterricht« wird von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB)herausgegeben.

HERAUSGEBERLothar Frick, Direktor

CHEFREDAKTEURDr. Reinhold [email protected]

REDAKTIONSASSISTENZSylvia Rösch, [email protected]

ANSCHRIFT DER REDAKTIONStaffl enbergstraße 38, 70184 StuttgartTelefon: 0711/164099-45; Fax: 0711/164099-77

REDAKTIONSimone Bub-Kalb, Studiendirektorin, Staatl. Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien), StuttgartJudith Ernst-Schmidt, Oberstudienrätin,Werner-Siemens-Schule (Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), Stuttgart Dipl.-Päd. Holger Meeh, Akademischer Rat,Pädagogische Hochschule HeidelbergWibke Renner-Kasper, Konrektorin der Grund-, Haupt- und Realschule IllingenAngelika Schober-Penz, Studienrätin,Erich-Bracher-Schule (Kaufmännische Schule), Kornwestheim

GESTALTUNG TITELBertron.Schwarz.Frey, Gruppe für Gestaltung, Ulmwww.bertron-schwarz.de

GESTALTUNG INNENTEILMedienstudio Christoph Lang, Rottenburg a.N., www.8421medien.de

VERLAGNeckar-Verlag GmbH, Klosterring 1, 78050 Villingen-SchwenningenAnzeigen: Neckar-Verlag GmbH, Uwe StockburgerTelefon: 07721/8987-71; Fax: [email protected] gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom 1.5.2005.

DRUCKPFITZER GmbH & Co. KG, Benzstraße 39, 71272 Renningen

Politik & Unterricht erscheint vierteljährlich.Preis dieser Nummer: 6,00 EURJahresbezugspreis: 12,00 EURUnregelmäßige Sonderhefte werden zusätzlich mit je 3,00 EUR in Rechnung gestellt.

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder. Für unaufgefordert eingesendete Manuskripte übernimmt die Redaktion keine Haftung.

Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

Titelfoto: picture-alliance/Picture PressAufl age dieses Heftes: 24.000 ExemplareRedaktionsschluss: 15. Juli 2010ISSN 0344-3531

Inhalt

Editorial 1Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport 2 Autor dieses Heftes 2

Unterrichtsvorschläge 3–18

Einleitung 3Baustein A: Die digitale Revolution 6Baustein B: Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre 8Baustein C: Wer hat Angst vor Google? 12Baustein D: Demokratie 2.0 – Politik im Netz 14Literaturhinweise 18

Texte und Materialien 19–63

Baustein A: Die digitale Revolution 20Baustein B: Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre 32Baustein C: Wer hat Angst vor Google? 46Baustein D: Demokratie 2.0 – Politik im Netz 54

Einleitung und alle Bausteine: Holger Meeh

Das komplette Heft fi nden Sie zum Downloaden als PDF-Datei unter www.politikundunterricht.de/2_3_10/internet.htm

Politik & Unterricht wird auf umweltfreundlichem Papier aus FSC-zertifi zierten Frischfasern und Recyclingfasern gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist ein weltweites Label zur Ausweisung von Produkten, die aus nachhaltiger und verantwortungsvoller Waldbewirt-schaftung stammen.

Indien – Tradition und Umbruch

HEFT 2/3 – 2010, 2. und 3. QUARTAL, 36. JAHRGANG

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EditorialDemokratie 2.0 und Twitterdemokratie – das Internet hat nicht nur unsere alltägliche Lebenswelt verändert. Zwei-fellos hat das World Wide Web auch Auswirkungen auf alle Ebenen der Politik. In erster Linie sind dabei neue Informa-tionskanäle und Partizipationsformen entstanden. Natürlich spielen Fernsehen, Radio und Printmedien weiterhin eine wichtige Rolle, aber das »Internet zum Mitmachen« bietet neue und ungeahnte Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden. Die Generation der Digital Natives, die mit den Technologien des digitalen Zeitalters aufgewachsen ist, hat ganz offen-sichtlich einen anderen »Zugang« zu politischen Themen. Darauf gilt es in der politischen Bildung zu reagieren. Im Kern geht es dabei um zwei Dinge: Zum einen bekommt Medienkompetenz einen ganz neuen Stellenwert in der politischen Bildung. Denn nur wer die Techniken der neuen Informationsbeschaffung und -vermittlung beherrscht, kannals aktiver Bürger an diesem Geschehen teilhaben. Zum andern geht es immer um die Gratwanderung zwischen freiem Zugang und freier Verbreitung von Informationen ei-nerseits sowie Datenschutz und Schutz der Privatsphäre an-dererseits. Damit jeder für sich diese Gratwanderung leisten kann, gilt es Medienkompetenz zu vermitteln. Denn sie ist eine Basisqualifi kation in der demokratischen Gesellschaft. Nur so können potenzielle Risiken minimiert und Chancen genutzt werden.

Mit dem vorliegenden Themenheft von »Politik & Unter-richt« greifen wir einen zentralen Bestandteil der Lebens-

welt von Jugendlichen auf: das Internet. Bei der Medien-nutzung von Jugendlichen steht es inzwischen gleichrangig mit dem Fernsehen an der Spitze. In vier Bausteinen bieten wir Ansatzpunkte für Lehrende, das umfangreiche Thema in die schulische oder außerschulische Bildung einzubringen und eine kritische Auseinandersetzung mit Google, Face-book, Twitter & Co zu initiieren. Aber auch die Diskussion der demokratischen Potenziale des Internets beim direkten Kontakt zwischen Politikern und Bürgern soll nicht zu kurz kommen. Ein Glossar für die »digital immigrants«, für die Generation also, die noch ohne Internet, Handy und iPod aufgewachsen ist, soll dabei genauso hilfreich sein wie zahlreiche Links, die zur Weiterarbeit animieren.

Lothar FrickDirektor der LpB

Dr. Reinhold WeberChefredakteur

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Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und SportBloggen, twittern, chatten, mailen, Podcasts hören und selbst produzieren, Webradio und Soziale Netzwerke – das Internet holt neue Welten in die Zimmer von Jugendlichen –und nicht zuletzt auch in die Klassenzimmer. Das Medien-verhalten von Jugendlichen hat sich in den letzten Jahren dramatisch gewandelt, nicht zuletzt, weil sich auch die Angebote massiv verändert haben. Neben dem Handy ist vor allem das Internet Teil des Alltags geworden. Die jüngste JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest, die im jährlichen Rhythmus den Medienumgang Ju-gendlicher zwischen zwölf und neunzehn Jahren untersucht, belegt dies eindrucksvoll.

Das Internet ist aber auch aus den Schulen nicht mehr wegzudenken. Medienkompetenz ist dabei ein wichtiges Stichwort. Es geht vor allem darum, dass Schülerinnen und Schüler die verschiedenen Techniken der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen im Internet beherrschen und das Internet sachgemäß nutzen können. Dazu gilt es, Recherchestrategien einzuüben und den Umgang mit Such-maschinen und Datenbanken zu üben. Gerade im Gemein-schaftskunde- und Politikunterricht, wo es um Aktualität und Kontroverse geht, wo aber auch der Seriosität einer Quelle zentrale Bedeutung zukommt, ist der kompetente Umgang mit Computer und Internet unerlässlich. Dass dazu auch das Thema Datenschutz und Schutz der Privatsphäre gehört, das Bewusstsein um die Chancen, aber auch um die Risiken des Internets, liegt auf der Hand.

Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport dankt der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, dass sie in der Zeitschrift »Politik & Unterricht« erneut ein Medienthema aufgreift, mit dem die Lehrerinnen und Lehrer des Landes praxisorientiert und am Medienverhalten der Jugendlichen orientiert Unterricht gestalten können. Denn wenn etwas Bestand hat, dann das Diktum, dass nur gut informierte Bürgerinnen und Bürger auch kritikbereite Demokraten sind.

Gernot Tauchmann Ministerium für Kultus, Jugend und SportBaden-Württemberg

AUTOR DIESES HEFTES

Holger Meeh ist Akademischer Rat an der Fakultät für Natur- und Gesellschaftswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Er ist seit 2006 Mitglied der Redak-tion von »Politik & Unterricht«. Seine Arbeitsschwerpunkte sind mediengestütztes Lehren und Lernen in der historisch-politischen Bildung, Mediendemokratie, Mediensozialisation sowie Globalisierung.

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●●● E INLEITUNG

Im Jahr 1990 wurde das Internet für die kommerzielle Nut-zung freigegeben. Was in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts als militärisches und universitäres Kommuni-kationsnetz begann, ist heute für Millionen Menschen ein alltägliches Instrument für Arbeit, Ausbildung und Freizeit geworden. Allein die Anzahl von neuen Begriffen, die uns das Internet gebracht hat, ist enorm. Wörter wie chatten, bloggen, twittern oder googeln gehören seit einiger Zeit zum allgemeinen Wortschatz.

In den ersten Jahren war das Internet in erster Linie eine gigantische Ansammlung von Dokumenten verschiedenster Art, in der ein Nutzer nach gewünschten Informationen recherchieren konnte. Eigene Inhalte konnten zwar schon damals veröffentlicht werden, jedoch waren die technischen Hürden noch so hoch, dass nur verhältnismäßig wenige Men-schen davon Gebrauch machten. Die große Masse hat eher konsumierend am Netz teilgehabt. Inzwischen ermöglicht

Leben im Netz – die digitale Gesellschaft

die aktuelle technische Netzstruktur völlig neue Nutzungs-formen, die sich vereinfacht unter den Begriffen Interaktion und Kollaboration zusammenfassen lassen. Dabei verlaufen die Kommunikationsströme nun stärker in beide Richtungen. Die neuen Möglichkeiten können potenziell die Chancen des einzelnen Bürgers erhöhen, sich nicht nur gezielt zu infor-mieren, sondern auch stärker auf den gesellschaftlichen und politischen Prozess einzuwirken. In diesem Zusammenhang ist seit 2003 häufi g vom Web 2.0 die Rede. Während das Web 1.0 nur von wenigen Akteuren »gestaltet« wurde und nur relativ wenige Menschen die Möglichkeit hatten, selbst Informationen »ins Internet zu stellen«, machen es neue Technologien nun für viele User möglich, sich mitzutei-len und auszutauschen. Darin wird allgemein ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung der Massenkommunikation gesehen. Im Web 2.0 kann jeder sein Wissen auf entspre-chenden Seiten zur Verfügung stellen und so einen Beitrag zur »kollektiven Intelligenz« leisten. Jeder ist gleichzeitig Experte für und Nutzer von Informationen. Wissensautori-täten werden auf diesem Weg zunehmend durch selbstkont-rolliertes Netzwerkwissen ersetzt. Das Web 2.0 ermöglicht durch die einfach zu bedienende »Social Software« eine unkomplizierte Zusammenarbeit an Themen und Projekten.

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Heute ist für viele Menschen ein Leben ohne E-Mails, Onlinebanking oder Einkaufen per Mausklick kaum noch denkbar. Gestartet wurde das Inter-net allerdings als Netz von Experten: Computerpioniere verbanden 1969 einzelne Rechner miteinander, kleine Netzwerke entstanden an Universitäten und wurden zusammengeschlossen. Zur Bedienung dieses Netzes war allerdings noch Programmierknowhow nötig. Für Laien wurde das Internet erst Anfang der 90er Jahre interessant, als es die ersten grafi kfähigen Browser gab. Denn jetzt wurde die Bedienung einfacher und die optische Oberfl äche hübscher.

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Einleitung

Der Begriff Web 2.0 ist mittlerweile als Schlagwort der neuen Kommunikations- und Informationstechnologie etwas überstrapaziert. Er bleibt aber nach wie vor in der Diskus-sion präsent. Unter Web 2.0 werden neue Technologien und Werkzeuge verstanden, die es jedem Internetnutzer erlauben, ohne Spezialwissen selbst im Internet mit einem homepageartigen Profi l präsent zu sein. Im Zentrum stehen Bemühungen, das Internet kommunikations- und benutzer-freundlicher zu gestalten.

Folgende Begriffe sind mit den Web-2.0-Technologien zen-tral verbunden:• Weblogs oder kurz Blogs sind eine Art Onlinetage-bücher. Blogger stellen selbstverfasste Texte, Bilder, Musik oder Videos auf ihre persönliche Homepage. Ebenso einfach können Nutzer die eingestellten Daten kommentieren bzw. Einträge untereinander vernetzen.• Social Bookmarks sind internetbasierte Lesezeichensamm-lungen und Linklisten, die für alle öffentlich gemacht werden können und so den Austausch von Informationen befördern sollen (z. B. http://delicio.us; www.mister-wong.de).• Podcasts und Videocasts bezeichnen das Produzieren und Anbieten eigener Audio- und Videoangebote über ent-sprechende Portale im Internet (z. B. www.podcast.de; www.myvideo.de; www.youtube.com oder http://vimeo.com). Die Attraktivität von Podcasts ist vor allem auch mit den ge-

stiegenen Speicherkapazitäten der mobilen Abspielgeräte (z. B. iPod) verbunden, aber auch die stark verbilligten und vereinfachten Produktionsmöglichkeiten, etwa durch preis-werte semiprofessionelle digitale Aufnahmegeräte, spielen hier eine wichtige Rolle.• Mashups (vermanschen) bezeichnen die Integration frem-der Inhalte in ein eigenes Webangebot. Beim sogenann-ten »Wildern« auf fremden Websites werden deren Inhal-te (Videos, Bilder, Texte usw.) vermischt und neu angeord-net.• Wikis sind eine Internettechnologie, die es ermöglicht, schnell gemeinsam Wissen zu erarbeiten. Prominentes Bei-spiel hierfür ist die Onlineenzyklopädie Wikipedia. Dem In-ternetnutzer ist es möglich, Webseiten zu erzeugen und zu editieren. Da jeder seinen Teil dazu beitragen kann, eignen sich Wikis zum kollaborativen Zusammenstellen von Textmaterial und Informationen aller Art. Städte, Betriebe, Wissenschaftler und Schulen verwenden Wikis ebenso wie Vereine, Interessengemeinschaften und Laien.• Soziale Netzwerke sind Freundesnetzwerke im Inter-net (z. B. www.myspace.de, www.studiVZ.de), in denen ein Nutzer ein eigenes Profi l mit möglichst vielen persönlichen Angaben, wie beispielsweise Hobbys und Interessen gestal-tet. Dieses Profi l kann dann mit anderen Nutzern verlinkt werden. Dadurch entsteht nach und nach ein Netzwerk von Personen, die miteinander in Kontakt stehen. Auf diese

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Einleitung

Weise kann man sich mit Menschen austauschen, die ähn-liche Interessen haben und nach neuen Kontakten suchen.• Social Software sind nutzerfreundliche Anwendungen, die eine aktive Nutzung und Gestaltung von Websites unterstüt-zen. Interaktion und Kommunikation werden web-basiert vorgenommen. Zum Beispiel kann sich der Nutzer bei Flickr eigene Fotoalben anlegen und einem festgelegten Perso-nenkreis zugänglich machen. Andere Nutzer können dann einzelne Fotos kommentieren. Dies ist natürlich auch mit anderen Arten von Inhalten möglich.

Die stark gewachsene Bedeutung von Web-2.0-Diensten lässt sich inzwischen anhand einiger Zahlen eindrucksvoll belegen. So waren bei Facebook, dem weltweit größten Sozialen Netzwerk, im Juli 2010 etwa 500 Millionen Nutzer registriert. Auch die deutschen VZ-Netzwerke (schülerVZ und studiVZ) erfreuen sich großer Beliebtheit. Wie stark Web-2.0-Dienste auf dem Vormarsch sind, zeigen auch die Erhe-bungen des Serverdienstes Alexa, der Daten über Websei-tenzugriffe durch Webbenutzer sammelt und auswertet. Hier befanden sich im Juli 2010 unter den zehn meistbesuchten Websites mit Facebook, YouTube, Wikipedia, Blogger und Twitter gleich fünf Anwendungen des Web 2.0. Interessant ist dabei, dass diese Anwendungen besonders häufi g von jungen Besuchern genutzt werden, den sogenannten Digital Natives.

Digital NativesDer Begriff Digital Natives wurde 2001 von dem amerika-nischen Autor Marc Prensky geprägt und wird seitdem in der Jugend- und Medienforschung stark diskutiert. Die Digital Natives sind Vertreter einer Jugendmedienkultur, die nicht mehr zwischen Online- und Offl ine-Identität unterscheiden, die sich Nachrichten über Facebook und studiVZ zusenden statt mit E-Mails, und für die Videoportale wie YouTube zum täglichen Leben gehören wie für die ältere Generation das Fernsehen. Die Digital Natives sind in einer Zeit aufgewach-sen, in der digitale Technologien wie multimediafähige Com-puter, Internet und Mobiltelefone bereits fl ächendeckend verfügbar waren. Dadurch verändern sich ihre Einstellungen zu Identität und Privatheit, ihr Lernverhalten und nicht zuletzt ihre Arbeitswelt – so lautet zumindest die These. Andere Autoren gehen sogar so weit zu behaupten, die klassischen Kulturtechniken stünden zur Disposition und die Gesellschaft stünde damit vor einem dramatischen Wandel ihrer Wissenskultur. Empirisch sind diese Thesen aber nur bedingt haltbar: Diverse Untersuchungen zu diesem Thema wie etwa die ARD-Online-Studie 2008 zeigen, dass es in der jungen Generation eine nicht geringe Anzahl von Vertretern gibt, die traditionellere Formen von Kommunikation und Zusammenarbeit bevorzugen. Dennoch lässt sich feststel-len, dass in der jüngeren Generation im Hinblick auf den Umgang mit digitalen Medien ein Wandel zu beobachten ist, der weitreichende gesellschaftliche Folgen haben und auch an der Politik nicht spurlos vorbeigehen wird. Die 2009 erfolgreich eingebrachte Onlinepetition »Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten«, die andauernde Diskus-sion über ein modernes Urheberrecht im digitalen Zeitalter, aber auch die Erfolge der Piratenpartei bei einer Reihe von

Wahlen zeigen, dass mit den »digitalen Eingeborenen« in Zukunft zu rechnen sein wird.

Zur Konzeption dieses HeftesBaustein A beleuchtet schlaglichtartig, wie stark das Inter-net innerhalb weniger Jahre unser tägliches Leben verändert hat. In dieser kurzen Zeit haben sich in weiten Teilen der Bevölkerung neue Formen der Informationsverbreitung und des Handels, aber auch gänzlich neue Formen der Zusammen-arbeit und der Kommunikation herausgebildet. Hier sollen die Schülerinnen und Schüler anhand exemplarischer Beispiele einen Überblick über diese digitale Revolution erhalten.

Baustein B greift mit den Themen Datenschutz und Pri-vatsphäre zentrale Veränderungen auf, die sich durch den Siegeszug des Internets ergeben haben. Gerade die Gene-ration der Digital Natives zeichnet sich in dieser Frage oft durch eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit persön-lichen Daten aus, weswegen Spötter bereits von den »Digital Naives« sprechen. Der Baustein soll hier bei Schülerinnen und Schülern für eine Problemsensibilisierung sorgen und politische Lösungsansätze thematisieren.

Baustein C schließt inhaltlich an das Thema Datenschutz an, indem hier am Beispiel Google die wachsende Macht großer Internetkonzerne zum Thema gemacht wird. Schülerinnen und Schüler können hier die Problematik unkontrollierter Medienmacht unter den spezifi schen Gegebenheiten des In-ternets erkennen.

Baustein D bietet abschließend Einblicke in die Potenziale des Internets im Hinblick auf politische Mitbestimmung und Demokratisierung. Am Beispiel kommunaler Bürgerbe-teiligungsprojekte und von Onlinewahlkämpfen kann hier erarbeitet werden, wie die etablierten Parteien einerseits zwar die Möglichkeiten des Netzes erkannt haben und diese zu nutzen versuchen, sie andererseits aber auch an Grenzen stoßen. Dass das Internet auch eine Chance zur Öffnung autoritärer politischer Systeme bietet, zeigen die Beispiele aus China und dem Iran.

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Baustein A

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

In Baustein A soll schlaglichtartig der mit der Ausbreitung des Internets verbundene revolutionäre Wandel beleuchtet werden. Dazu wurden folgende Aspekte ausgewählt:• Die Entwicklung des Internets von einem Netzwerk für Mi-litärs und Wissenschaftler hin zu einem weltumspannenden Medium,• die wirtschaftlichen Veränderungen am Beispiel des Online-handels,• der Wandel des Mediennutzungsverhaltens und der damit verbundene Wandel in der Medienlandschaft,• neue Formen kooperativer Wissensgenerierung und• neue Formen gesellschaftlicher Kommunikation über So-ziale Netzwerke.

Die Mindmap A 1 dient dazu, Schülerinnen und Schüler ihre eigene Internetnutzung zu dokumentieren und mit anderen aus der Klasse zu vergleichen. Hier sollte deutlich werden, dass das Internet inzwischen in den allermeisten Lebensbe-reichen der Jugendlichen eine wichtige Rolle spielt.

Ausgehend davon kann mit Hilfe der Materialien A 2 bis A 5 untersucht werden, wie sich das Internet innerhalb einer Dekade zu einem globalen Leitmedium entwickelt hat. Die Chronologie A 2 beleuchtet anhand wichtiger Meilensteine die historische Entwicklung des Internets von einem Projekt des Pentagons hin zu einem Informations- und Kommunika-tionsnetz, zu dem potenziell jeder Mensch weltweit Zugang hat. Hier soll verdeutlicht werden, dass das Internet deut-lich älter ist, als gemeinhin angenommen wird. Die Schau-bilder in A 3 zeigen die Entwicklung der Internetzugänge in deutschen Privathaushalten sowie das Nutzerverhalten in Deutschland. Das Schaubild A 4 beschreibt hingegen die Herausbildung verschiedener Nutzertypen. An beiden Mate-rialien wird deutlich, dass trotz der rasanten Ausbreitung des Internets immer noch größere Teile der deutschen Be-völkerung keinen oder nur eingeschränkten Zugang zum Netz haben. Vor diesem Hintergrund und den in A 1 zusam-mengetragenen Ergebnissen kann die drohende Gefahr einer digitalen Spaltung der Gesellschaft diskutiert werden.

Wie tiefgreifend das Internet die Welt verändert hat und weiterhin verändern wird, beschreibt der Text des Wissen-schaftspublizisten Nicholas Carr in A 5. Er eignet sich sowohl als inhaltliche Abrundung der Materialien A 2 bis A 4 als auch als Einstieg in die folgenden Themenfelder.

Die Materialien A 6 bis A 8 zeigen die wachsende Bedeu-tung des Onlinehandels und den damit verbundenen Struk-turwandel. Das Schaubild A 6 visualisiert aktuelle Trends beim Onlineshopping. Die weiterführenden Arbeitsaufträge behandeln dann die – gemessen an der Kundenzahl – größ-ten Onlinehändler. An dieser Liste zeigt sich schon ein Teil des Wandels im Handel, wird sie doch mit Ebay und Amazon von zwei Unternehmen angeführt, die erst Mitte der 1990er Jahre gegründet wurden. Das Schaubild zeigt auch die Umsatzentwicklung im Onlinehandel im Längsschnitt sowie nach Warengruppen. Hier können wieder Vergleiche

●●● Baustein A

DIE DIGITALE REVOLUTION

Die vielen Innovationen im Internet haben für Nutzer und Unternehmen neue Informations- und Unterhaltungsmög-lichkeiten, aber auch neue Geschäftsbereiche geschaffen. Wer hätte beispielsweise noch vor zehn Jahren an Angebote wie Wikipedia, YouTube oder Facebook gedacht? All dies ver-ändert das Verhalten der Nutzer zunehmend. Informationen werden in Sozialen Netzwerken ausgetauscht, Geschäfts-kontakte werden online geknüpft und Expertenwissen wird in Blogs und Wikis geteilt. In Onlineshops werden nicht mehr nur Bücher, DVDs oder Kleidung gekauft, sondern zu-nehmend auch hochpreisige Artikel. Ein neues Auto oder eine Immobilie sucht man nicht mehr in der Tageszeitung, sondern auf Onlinemarktplätzen. Aber auch eine neue Liebe wird auf Datingplattformen gesucht. Konsumenten tauschen sich öffentlich und für jedermann sichtbar über Marken und Produkte aus. Auch Bankgeschäfte sind für viele Menschen ohne das Internet heute schon undenkbar.

Das Internet verändert aber auch die sogenannte Vierte Gewalt dramatisch, die Medienwelt. Während die Aufl agen der gedruckten Tageszeitungen sinken, ziehen große Politik-blogs immer mehr Leser an. Nach dem 11. September 2001 und mit Beginn des Irakkrieges startete dieser Höhenfl ug in den USA. Aus Protest gegen die gleichförmige Bericht-erstattung der Massenmedien und Präsident Bushs Kriegs-politik gründeten sich unabhängige Nachrichtenblogs, die in dieses Vakuum stießen. Inzwischen setzen sie auch den klassischen Journalismus unter Druck. In Deutschland exis-tiert dagegen immer noch ein breit gefächertes Meinungs-spektrum bei Zeitungen und im Rundfunk. Hier konnte sich die »Blogosphäre« noch nicht in großem Umfang etablieren. Aber auch hier sind Transformationsprozesse in Gang gekom-men, auch wenn sich die traditionellen Medien noch recht schwer mit diesem Wandel tun.

Die Möglichkeiten der digitalen Revolution erleichtern und bereichern vielfach unser Leben, bringen aber auch weniger erfreuliche Begleiterscheinungen mit sich. So vollzieht sich beispielsweise durch die Sozialen Netzwerke ein radikaler Wandel unserer Einstellung zur Privatsphäre. Ähnlich sieht es mit dem Umgang mit geistigem Eigentum aus. Außerdem stellt uns die digitale Revolution vor die Frage, ob unserer Gesellschaft eine digitale Spaltung droht, das heißt, dass die Chancen auf den Zugang zum Internet und zu anderen digi-talen Informations- und Kommunikationstechniken ungleich verteilt und stark von sozialen Faktoren abhängig sind.

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Baustein A

mit den Ergebnissen der in A 1 erstellten Mindmap angestellt werden.

Dass in diesem sich stark wandelnden Markt alteingesessene Handelsunternehmen auf der Strecke bleiben können, zeigt der Text A 7. Die Insolvenz von Quelle hatte ihre Ursache unter anderem auch darin, dass es dem Management über Jahre nicht gelungen ist, das Geschäftsmodell vom Katalog-versandhandel hin zum Onlinehandel erfolgreich umzustel-len. Dass ein solcher Wandel durchaus gelingen kann, doku-mentiert der Text über den Versandhauskonzern OTTO A 8.

Dass nicht nur der klassische Handel durch die Ausbreitung des Internets unter Druck geraten ist, zeigt der Blick auf den Zeitungsmarkt in A 9 bis A 12. Das Schaubild A 9 do-kumentiert die Krise des Mediums Tageszeitung. Auch wenn man in Deutschland noch nicht Verhältnisse wie in den USA befürchten muss, wo es schon eine Reihe tageszeitungs-freier Regionen gibt, so lässt sich doch auch hierzulande schon eine drastische Veränderung ablesen. Die Gründe für diese Entwicklung, die Reaktionen der Verlage auf die Krise und die möglichen Folgen für die politische Öffentlichkeit lassen sich mit dem Text A 10 erarbeiten. Die Folgen für die Öffentlichkeit können anschließend über einen Vergleich einer aktuellen Tageszeitung mit ihrem Onlineableger weiter vertieft werden, sind die Onlineangebote doch zumeist aktu-eller, aber inhaltlich oft deutlich fl acher und boulevardesker. Hier kann auch nochmals das Mediennutzungsverhalten von Schülerinnen und Schülern thematisiert werden.

Allerdings bietet das Internet auch neue Möglichkeiten der Schaffung von Öffentlichkeit. Dies wird in den Materialien A 11 und A 12 am Beispiel von Weblogs beschrieben. A 11 beschreibt mit Bildblog das bekannteste deutsche Weblog. Dass Weblogs nicht nur in einer Nische wie dem Medien-journalismus funktionieren können, sondern auch im Lokal-journalismus, zeigt der Bericht über den Heddesheimblog

in A 12. Hier bietet sich die direkte Arbeit mit der Website (http://heddesheimblog.de) an.

Das Wiki-Prinzip steht im Mittelpunkt der Materialien A 13 und A 14. Hier lässt sich absolut zurecht von einer digitalen Revolution reden, denn während im Onlinehandel und auf dem Zeitungsmarkt der Wandel noch im Gang ist und die »alten« Strukturen weiterhin stark sind, hat es beispiels-weise das Onlinelexikon Wikipedia seit seiner Gründung im Jahr 2001 geschafft, das über Generationen etablierte Kul-turgut der Konversationslexika in Existenznöte zu stürzen. Innerhalb weniger Jahre ist es hier mit dem Engagement Tausender Freiwilliger gelungen, ein qualitativ hochwertiges Nachschlagewerk mit mehreren Millionen Artikeln zu schaf-fen. Dass das Wiki-Prinzip des online zugänglichen kollek-tiven Wissens auch auf lokaler Ebene funktioniert, zeigen erfolgreiche Stadtwikis wie das Karlsruher Stadtwiki (A 14). Hier lässt sich auch diskutieren, welche neuen Möglichkeiten dieses Prinzip für die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene bietet. Der Text A 15 schildert eine negative Begleit-erscheinung der Ausbreitung Wikipedias bzw. des Internets im Allgemeinen, das sogenannte Copy-Paste-Syndrom. Dass es sich bei dieser weit verbreiteten »Arbeitstechnik« um den Diebstahl geistigen Eigentums handelt, ist vielen Jugend-lichen überhaupt nicht bewusst. Mit Hilfe des Textes kann hier für das Problem sensibilisiert werden.

Die Materialien A 16 bis A 18 thematisieren die gerade bei Jugendlichen äußerst beliebten Sozialen Netzwerke. Das Schaubild A 16 zeigt die Nutzerzahlen der größten Sozialen Netzwerke in Deutschland. Dass schülerVZ, Facebook & Co. große Vorteile für die individuelle Lebensgestaltung haben können, wird in A 17 geschildert. Die sehr positive Sicht-weise, die in dem Artikel zum Ausdruck kommt, lädt zum kritischen Hinterfragen ein. Der Text in A 18 thematisiert diese kritischen Aspekte an den Sozialen Netzwerken und das Problem des Erhalts der Privatsphäre.

Der Staat und der gläserne Bürger: In den Augen von Datenschützern ist der neue Personalausweis ein Beispiel von vielen für das immer schwieriger werdende Ver-hältnis zwischen Sicherheitsbedürfnis und Privatsphäre.

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Baustein B

●●● Baustein B

NACKT IM NETZ – DATENSCHUTZ UND PRIVATSPHÄRE

Wie alt sind Sie? Wo wohnen Sie? Wie viel verdienen Sie? Welche Hobbys haben Sie? In der modernen Informations-gesellschaft verarbeiten Behörden und private Wirtschafts-unternehmen zunehmend personenbezogene Daten von Bürgerinnen und Bürgern zu den unterschiedlichsten Zwe-cken wie beispielsweise für den Versandhandel, die Sozial-versicherung oder eine Kreditfi nanzierung. Immer häufi ger werden wir in Kaufhäusern, bei Onlinegeschäften und Werbeumfragen ausgefragt. Das geschieht meist beiläufi g, ohne Zusammenhang und lückenhaft. Ein Problem entsteht dann, wenn diese Daten in Datenbanken zusammengefügt und ausgewertet werden. Dabei entsteht ein sehr genaues Bild mit Informationen über uns, die wir so nie preisgeben würden.

Um diese Verknüpfung einzelner Daten herzustellen, kommen in immer größerem Maße Technologien der automatisier-ten Informationsverarbeitung zum Einsatz. »Data-Mining«, das automatisierte Auswerten großer Datenbestände, ist zu einem boomenden Geschäft geworden. Mit »Data-Mining« lassen sich etwa Änderungen im Verhalten von Kunden aufspüren und Geschäftsstrategien darauf ausrichten. Mit diesem Verfahren kann aber auch abweichendes Verhalten einzelner Personen erkannt werden.

Diese Verfahren führen einerseits zu enormen Leistungsstei-gerungen, andererseits aber auch zu erheblichen Gefahren für den Einzelnen und die Gesellschaft. Zunehmend ruft dies Datenschützer auf den Plan, welche die Anwendung der Verfahren des »Data-Mining« kritisch begleiten und auf das zunehmende Schwinden der Privatsphäre hinweisen.

Unabhängig vom Problem der Datensicherheit, etwa durch einen illegalen Zugriff auf vorhandene Daten, besteht für den Einzelnen die Gefahr, dass über sein Verhalten Profi le erstellt und zu den unterschiedlichsten Zwecken – etwa unerwünschter Werbung – genutzt werden können. Die Spei-cherung unrichtiger oder veralteter Daten beispielsweise im Bereich der Geldwirtschaft kann für den Betroffenen unter Umständen sogar zu einer existenziellen Bedrohung führen, etwa durch die Nichtgewährung eines Kredits. Das Problem wird noch dadurch verstärkt, dass einmal erhobene Daten, von ihrem ursprünglichen Nutzungszweck losgelöst, für eine prinzipiell unbegrenzte Weiterverwendung zur Verfügung stehen. Durch die Vernetzung und Zusammenführung von Datensammlungen können einzelne Daten – unabhängig von ihrem oftmals sehr bedingten Aussagewert – eine neue, für den Betroffenen nachteilige Qualität erhalten. Diese Bei-spiele zeigen, welche Gefahren von einer unkontrollierten Datenverarbeitung ausgehen können.

Aber auch staatlicherseits besteht ein nur schwer zu brem-sender Hunger nach Daten. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wird von Datenschützern und Bürger-initiativen eine vermehrte Tendenz des Eindringens in die Privatsphäre beklagt. Verstärkte Videoüberwachung, Lausch-angriff, Gendatenbanken und Vorratsdatenspeicherung, wie sie etwa von Innenpolitikern vieler Parteien forciert werden, stellen für die Befürworter Garanten der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung dar, da sie Schutz gegen Ter-rorismus bieten würden, während die Gegner eher einen Orwell’schen Überwachungsstaat heraufziehen sehen. Auch wenn man diese Schreckensszenarien nicht teilt, so wird –nicht zuletzt auf Grund des BVG-Urteils zur Vorratsdaten-speicherung – dennoch deutlich, dass ein gesellschaftlicher Konsens über die Frage hergestellt werden muss, wie Staat und Unternehmen in Zukunft mit öffentlichen und privaten Daten umgehen dürfen.

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Twittern ist nicht nur harmloses Gezwitscher. Darauf weisen Daten-schützer immer wieder hin, denn Twitter sammelt personenbezogene Daten seiner Benutzer und teilt sie Dritten mit. Sollte das Unternehmen den Besitzer wechseln, behält sich Twitter auch vor, die Daten zu verkaufen.

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Checkliste Soziale Netzwerke

✔ Diese Liste soll dir helfen, einige wichtige Dinge im Umgang mit Sozialen Netzwerken richtig zu machen. Schritt für Schritt zum Ausfüllen. Prüfe dein Onlineverhalten!

Profi l- und Privatsphäreneinstellungen◗ Lasse möglichst nur Freunde und

Bekannte deine Angaben sehen.◗ Prüfe, ob dein Profi l für Suchmaschinen

auffi ndbar ist. Stelle dies gegebenen-falls aus. Bei den meisten Anbietern fi ndest du die Möglichkeit hierzu unter dem Punkt »Datenschutz«.

Freundschaften/Kontakte◗ Viel Freund, viel Ehr? Wenn du nicht

sicher bist, ob du mit dieser Person in Kontakt stehen willst, lehne sie im Zweifel ab. Bestätigte Kontakte sehen mehr von deinen Daten.

Mitschüler, Lehrer, Chef, Angestellter,oder Kollege liest mit◗ Wer sich öffentlich negativ zum Bei-

spiel über seine Arbeitgeber, Lehrer, Mitschüler oder Kollegen äußert, muss mit Konsequenzen rechnen. Auch Per-sonalchefs schauen bei Bewerbungen gerne mal in ein Soziales Netzwerk.

Vorsicht bei Drittanbieter-Anwendungen!◗ Einige Soziale Netzwerke erlauben das

Hinzufügen von Zusatzprogrammen (Applikationen) wie Spielen. Sei vor-sichtig: Du gibst der Anwendung Zugriff auf manche deiner Daten.

Veröffentlichen◗ Veröffentliche nur Dinge, an denen du

selbst auch das Urheberrecht besitzt. Frage andere Personen vor Veröffent-lichung von Bildern und Videos, ob sie einverstanden sind. Keine Bilder und Videos hochladen, die kompromittie-rend sind! Egal ob du selbst oder ob jemand anderes abgebildet ist.

Profi ldaten prüfen◗ Selbstdarstellung macht Spaß. Aber

lass dich nicht verführen. Trage nur ein, was notwendig ist und was du wirklich von dir preisgeben willst.

Überall ein Häkchen gesetzt? Gut so. Aber bleib kritisch!

Adaptiert nach: www.surfer-haben-rechte.de

Wie man seine Profi l- und Privatsphäreneinstellung in einigen der Sozialen Netzwerken sicherer macht, zeigt auch das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher geförderte Jugendangebot »Watch Your Web« (www.watchyourweb.de)

Checkliste Soziale Netzwerke

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UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

In Baustein B sollen verschiedene Aspekte des Themas Da-tenschutz und der damit verbundenen veränderten Sicht-weise auf Privatsphäre analysiert werden. Gerade die Frage des Schutzes personenbezogener Daten ist in den letzten Jahren wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit ge-langt. Die Schlagzeilensammlung in B 1 gibt dazu einen ersten sensibilisierenden Überblick.

Ein Problem im Zusammenhang mit persönlichen Daten ist oft ein mangelndes Bewusstsein dafür, wo ein Individuum tagtäglich Datenspuren hinterlassen kann. Die Schilderung eines Tages im Leben einer jungen Frau in B 2 soll zeigen, dass es in einer hochtechnisierten Gesellschaft theoretisch problemlos möglich ist, auf Basis alltäglichen Verhaltens ein umfangreiches Profi l eines Menschen hinsichtlich des sozi-alen Umfeldes, der Konsumgewohnheiten, privater Vorlieben und des Mobilitätsverhaltens zu erstellen.

Die Übersicht B 3 beschreibt einige dieser Überwachungs-möglichkeiten detailliert. Für sich genommen sind solche Datensammlungen vielleicht ein Ärgernis, beleuchten aber nur einen Teilauschnitt aus dem Leben eines Menschen. Po-tenziell bedrohlich wird es, wenn viele dieser Teilausschnitte aus verschiedenen Quellen miteinander verknüpft werden und gewissermaßen ein gläsernes Individuum entsteht. B 4 zeigt diese Gefahr am fi ktiven Beispiel eines jungen Mannes auf. Die Zitate in B 5 zeigen die unterschiedlichen Sichtwei-sen auf diese Problematik.

Die Materialien B 6 und B 7 dokumentieren, dass nicht erst seit der Erfi ndung des Internets über das Thema Datenschutz in der Öffentlichkeit gestritten wird. B 6 schildert die Ausei-nandersetzungen um die Volkszählung in den 1980er Jahren. B 7 betont demgegenüber die Vorteile des Mikrozensus, der im Jahr 2011 durchgeführt werden wird. B 8 erläutert das

Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1983 und das dort defi nierte Recht auf informati-onelle Selbstbestimmung. Die Karikatur B 9 bildet dann den Einstieg in eine Sequenz, in der die Interessen von Staat und Wirtschaft beim Sammeln von Daten thematisiert werden.

Anhand der Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspei-cherung (B 10 – B 13) wird gezeigt, dass die Diskussion »Sicherheitsbedürfnis versus Schutz der Privatsphäre« kei-neswegs theoretischer Natur ist, sondern bereits politischer Alltag. Das Schaubild B 10 zeigt die Gründe für die Einfüh-rung der Vorratsdatenspeicherung und die Daten, die ge-speichert werden sollten. Der Text B 11 erläutert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das das Gesetz zwar nicht vollständig für verfassungswidrig erklärt, jedoch strengere Bedingungen für notwendig erklärt hat. Das Interview B 12 beschreibt, wie sich das Karlsruher Urteil auf die Arbeit der Polizei auswirkt. Die Karikatur B 13 soll nochmals eine Diskussion über das Verhältnis von Sicherheit und Freiheits-rechten anstoßen.

In den Materialien B 14 bis B 17 werden der Datenhunger von Privatunternehmen und die damit verbundenen Prob-leme thematisiert. Die Karikatur B 14 problematisiert den Begriff »Second Life«, der immer wieder im Zusammenhang mit den Sozialen Netzwerken fällt. Der Bericht in B 15 zeigt, dass aber gerade die bei Jugendlichen sehr beliebten Sozi-alen Netzwerke größtenteils eklatante Mängel hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit haben. An dieser Stelle empfi ehlt es sich, die allgemeinen Geschäftsbedingungen zumindest eines Anbieters einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Hier kann z. B. bei Facebook relativ schnell deutlich gemacht werden, dass die kostenlose Nutzung des Dienstes vom Nutzer mit der weitgehenden Abtretung von Nutzungs- und Verwertungsrechten an allen von ihm erstell-ten Inhalten erkauft wird.

Baustein B

Der Bundesbeauftragte für Daten-schutz, Peter Schaar, stellte im April 2009 in Berlin den Datenschutzbericht für die Jahre 2007 und 2008 vor. Der oberste deutsche Datenschützer hat die Politik aufgefordert, rasch den Daten-schutz zu verbessern. »Ich mache mir ernsthafte Sorgen, dass wir zum Ende der Legislaturperiode kommen und wir immer noch kein besseres Instrumen-tarium für den Datenschutz haben«, sagte er bei der Vorlage seines Tätig-keitsberichts.

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MEDIENDATEN SÜDWEST – DAS ONLINEANGEBOT ZU MEDIENTHEMEN IM SÜDWESTEN

Als die Mediendaten Südwest im Jahre 1997 online gingen, war noch nicht abzusehen, wie sehr sich die Medienwelt in den kommenden Jahren wandeln würde. Heute hat die digi-tale Technik in fast allen Lebensbereichen Einzug gehalten: Zwei Drittel der Bevölkerung surfen regelmäßig im Inter-net, viele Arbeitsschritte und Verwaltungsvorgänge werden elektronisch erledigt, jedes Dorf hat eine Website. Das Angebot an Rundfunkprogrammen hat sich vervielfacht, das Internet hat sich zu einer interaktiven Plattform ge-wandelt. Andererseits haben die klassischen Medien Radio und Fernsehen sowie die Printmedien bislang nur wenig an Attraktivität eingebüßt. Die jüngsten Mediennutzer setzen ihre Prioritäten allerdings bei neuen Medienangeboten wie Facebook oder Twitter. Aktuell ist der Umstieg des Rund-funks in die digitale Welt eine der wichtigsten Fragen der Medienzukunft.

All diese Entwicklungen werden von Mediendaten Süd-west dokumentiert und dargestellt. Angesichts der sich in ständigem Wandel befi ndlichen Medienwelt ist es von be-sonderer Bedeutung, eine Plattform zu haben, die aktuell aufbereitetes Material bereithält und dem Nutzer mit dem Blick auf Daten und Fakten aus verschiedensten Quellen eine objektive Bewertung erlaubt. In einer zunehmenden Informationsfl ut ist es gut, einen verlässlichen Informa-tionsagenten zu haben, der den Blick auf das Wesentliche hat und nicht interessengesteuert ist. Das Internetangebot der Mediendaten Südwest hilft dabei, den Überblick zu bewahren.

Unter www.mediendaten.de liefern die Mediendaten Süd-west aktuelle Basisinformationen zu Medien in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie Vergleichsdaten für das Bundesgebiet. Das Onlineangebot hat sich bei interessierten Bürgern, Studierenden, Lehrern und Medien-schaffenden als verlässliche Informationsquelle etabliert. In Tabellen und Graphiken fi nden sich aufbereitete Daten aus den einschlägigen Medienbereichen wie Fernsehen, Hörfunk, Print, Film, Internet, Web 2.0, Digitaler Rundfunk, Mediennutzung, Medienwissenschaft oder Medienkompe-tenz. Themen wie Musikindustrie, DVD und Video, Compu-terspiele, Medien und Migration, Öffentliche Bibliotheken oder Medienökonomie sowie ein medienwissenschaftliches und -technisches Glossar runden das Angebot ab.

Speziell für Lehre und Studium wird unter anderem eine Linksammlung zu Medienthemen angeboten. Die Samm-lung bietet über 300 Einträge u. a. zu Radio- und TV-Sendungen mit Medienthemen, den Medienseiten der Ta-geszeitungen, Fachzeitschriften, Fachgesellschaften, me-dienwissenschaftlichen Studiengängen, den Rundfunkver-anstaltern sowie den Landesmedienanstalten. Für medien-

wissenschaftliche Recherchen steht zudem eine Literatur-datenbank mit über 36.000 bibliographischen Angaben zu einschlägigen deutsch- und englischsprachigen Monogra-phien, Buchbeiträgen und vor allem Zeitschriftenartikeln aus den Bereichen Kommunikations- und Medienforschung zur Verfügung.

Bereits zum siebten Mal liegt ergänzend zum Internetange-bot die Broschüre »Basisdaten Medien Baden-Württemberg« vor. Sie bietet eine kompakte Informationssammlung, die sowohl Daten zum Medienangebot als auch allgemeine Informationen zu Medien enthält. Dabei werden die baden-württembergischen Besonderheiten im bundesdeutschen Vergleich herausgestellt. Weitere Themen der Publikation sind die Medien- und Geräteausstattung in den baden-württembergischen Haushalten sowie Daten zur Medien-nutzung. Ein Überblick über ausgewählte Ansprechpartner für medienpädagogische Projekte und Kontaktadressen aus diesem Bereich erleichtert es den Lesern, selbst Verbindung zu Zentren der Medienkompetenz aufzunehmen. Unter dem Titel »Medienstandort Südwest – Der Sprung ins digitale Zeitalter« liegt auch ein Kompendium vor, das eine umfas-sende Standortbestimmung der Medienwelt im Südwesten bietet und hierbei auch die langfristigen Perspektiven und Hintergründe im Blick hat. Beide Publikationen können über www.mediendaten.de bestellt werden.

Mediendaten Südwest ist eine gemeinsame Initiative der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland Pfalz (LMK), der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG), des Südwestrundfunks (SWR) und der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würt-temberg (lpb). Die Partner sind darüber hinaus in verschie-denen Kooperationen und Projekten in den Bereichen Medi-enkompetenz, Medienwissenschaft und Medienpädagogik aktiv. Um über die einzelnen Institutionen und Koopera-tionen hinweg über die Aktivitäten zu informieren, wurde das Medienportal Südwest eingerichtet. Es vernetzt unter www.medienportal.de die Angebote des Medienpädago-gischen Forschungsverbundes Südwest, der Mediendaten Südwest, des MedienKompetenz Forums Südwest und des Infopools Medienkompetenz. Ein Newsletter wird regelmä-ßig an über 900 registrierte Interessenten verschickt.

Oliver Turecek (Mediendaten Südwest)

Mediendaten Südwest

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Dass aber auch kriminelle Hacker sich der Daten in einem Sozialen Netzwerk bemächtigen können, zeigt der in B 16 dokumentierte Fall des Datenklaus bei schülerVZ. Das Schau-bild B 17 zeigt, wie mit gestohlenen Daten Handel betrieben wird und warum dies für Abnehmer attraktiv sein kann.

Aber auch jenseits Sozialer Netzwerke ist die Frage nach dem Schutz persönlicher Daten und dem Erhalt von Privatsphäre zu stellen. Oft reicht schon eine Suchmaschine aus, um aus im Internet verstreut liegenden Daten ein detailliertes Profi l einer Person zu erstellen. Der Text B 18 beschreibt einen besonders aufsehenerregenden Fall. In B 19 wird der Fall des Google-Vorstandes Eric Schmidt dokumentiert, über den eine Journalistin mit Hilfe seines eigenen Produkts ein umfangreiches Dossier zusammenstellen konnte.

Mit beiden Beispielen lässt sich zeigen, dass im Internet Anonymität eine Illusion ist. Welche Konsequenzen diese Datenspuren für einen Menschen unter Umständen haben können, wird im Schaubild B 20 und in der Karikatur B 21 gezeigt. An dieser Stelle bietet sich auch nochmals ein Rückgriff auf B 4 an.

Der Text B 22 geht so weit, den Datenschutz, wie wir ihn kennen, zumindest im privaten Umfeld gänzlich in Frage zu stellen und das Konzept von Privatsphäre aufzugeben. Der Text B 23 vertritt in gewisser Weise eine moderate Gegen-position, indem er das Konzept der Datensparsamkeit propa-giert. Beide Texte laden zur kritischen Diskussion ein.

Abgeschlossen wird der Baustein mit dem Interview B 24, in dem der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar be-schreibt, vor welchen Herausforderungen der Einzelne bei der Wahrung seiner informationellen Selbstbestimmung steht.

●●● Baustein C

WER HAT ANGST VOR GOOGLE?

Bisher galten die traditionellen Medien wie Tages- und Wo-chenzeitungen sowie Rundfunk und Fernsehen als »Gate-keeper« öffentlicher Kommunikation. Sie waren die maß-geblichen Instanzen, die darüber entschieden, was publi-ziert wurde und was nicht. Diese Funktion erodiert seit geraumer Zeit in geradezu dramatischer Weise. Mehr und mehr wird sie von Internetsuchmaschinen übernommen. Suchmaschinen nehmen im Internet an der Schnittstelle zwischen öffentlicher und individueller Kommunikation eine entscheidende Rolle ein. Mit ihrer Selektions- und Vermitt-lungsfunktion ermöglichen sie den Nutzern in vielen Fällen erst den gezielten Zugang zu den Netzinhalten. Aufgrund des vereinfachten Zugangs zur Öffentlichkeit sind die Nutzer im Internet mit einer Fülle an Informationen konfrontiert. Zweifellos besteht dabei die Gefahr der Orientierungslosig-keit. Die entscheidende Aufgabe des Internetnutzers besteht heute darin, aus dieser Angebotsfülle die für ihn relevanten Informationen zu fi nden. Suchmaschinen bieten hier eine unverzichtbare Unterstützung.

Indem Suchmaschinen aus einer Vielzahl von Inhalten In-formationen auswählen und vermitteln, üben sie im Inter-net eine Funktion aus, die der klassischer »Gatekeeper« vergleichbar ist. Suchmaschinen nehmen als Hilfsmittel im Bereich der Zugangsvermittlung zu Inhalten im Internet also eine zentrale Stellung ein. Durch ihre Hoheit über Auswahl und Sortierung der Suchergebnisse und die damit verbundene Kanalisierung des Informationsfl usses erhalten sie publizistische und ökonomische Macht. Doch während im Print- und Rundfunkmarkt die »Gatekeeperfunktion« – allen Konzentrationsprozessen zum Trotz – auf viele unterschied-liche Anbieter verteilt war, ist im Suchmaschinenmarkt eine Entwicklung zu beobachten, die sich in einem Satz zusam-menfassen lässt: Der neue »Gatekeeper« heißt de facto Google.

Eine überwältigende Mehrheit von Internetnutzern verwen-det Google als alleiniges Werkzeug zur Recherche. Obwohl im Internet mehr als 250 Suchdienste konkurrieren – darunter auch Branchenriesen wie Yahoo und Microsoft –, werden mehr als 90 Prozent aller Suchanfragen in Deutschland über Google gestellt. Google hat also de facto ein Monopol bei der Internetrecherche erreicht, dem ein konkurrenzbedingtes Korrektiv weitgehend fehlt. Nicht umsonst hat das Verb »goo-geln« vor einigen Jahren Eingang in den Duden gefunden. Mit Google lassen sich nicht nur Webseiten recherchieren, sondern ebenso Nachrichten, Bilder, Videos und Produkte. Mit Google Earth kann der eigene Wohnort betrachtet und mit Google Maps nach einem Hotel in einer fremden Stadt gesucht werden, Google Scholar und Google Books helfen bei der Suche nach wissenschaftlichen und literarischen Texten. Auch als Maildienst, Kalender, Taschenrechner, Textverar-beitung oder Übersetzungshilfe können die Angebote von Google eingesetzt werden.

Baustein C

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Google ist also zum zentralen Zugangspunkt ins World Wide Web geworden. Dies ist umso erstaunlicher, als es sich bei dieser Entwicklung nicht um das Ergebnis eines harten Ver-drängungswettbewerbs handelt. Das »Googlepol« ist viel-mehr Ergebnis einer Kombination leistungsfähiger und leicht zu bedienender Technologie, kreativer neuer Angebote und Mund-zu-Mund-Propaganda. Diese Gründe führten zusammen mit dem bis vor Kurzem äußerst guten Firmenimage dazu, dass die Internetgemeinde nach und nach ein freiwilliges Monopol geschaffen hat, in der die zahlreich vorhandenen Alternativen weitgehend ignoriert werden.

Aufgrund dieses enormen Erfolges fürchten Kritiker inzwi-schen, Google könne eine problematische Rolle in der Infor-mationsgesellschaft spielen. Das Problem aller Suchmaschi-nen und somit auch bei Google ist, dass sie das Denken undHandeln der Nutzer mit der Information steuert, die sie ihnen vorgibt. Dabei ist für die Nutzer nur selten transparent, nach welchen Prinzipien die Informationsverarbeitung erfolgt.

Die Suchmaschine entscheidet zwar nicht, welche Informati-onen im Netz veröffentlicht werden, aber sehr wohl, welche davon letztlich gefunden werden können. Sollte Google also eines Tages die Verbreitung bestimmter Informationen ver-hindern wollen, dann hätte das Unternehmen gute Chancen, dies auch durchzusetzen. Schon heute macht das gefl ügelte Wort die Runde, dass die Informationen, die von Google nicht gefunden werden, auch nicht existieren.

Um diese potenziell gefährliche Monopolmacht einzugren-zen, hält es der Internetexperte Marcel Machill für notwen-dig, dass sich diese Macht nicht unbeobachtet entwickelt. Google habe auch eine »publizistische Verantwortung«, der der Konzern nur unvollkommen gerecht werde. So wird bei-spielsweise von Suchmaschinenbetreibern in der Regel nicht transparent gemacht, wie Suchergebnisse zustande kommen und ob Informationen im Vorfeld gefi ltert werden.

Filterung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Such-maschinenbetreiber Seiten sperren, die gegen nationales Recht verstoßen. Die Grenze zwischen Filterung und Zensur ist dabei oft nur schwer zu ziehen. Während Google bei-spielsweise in Deutschland verschiedene Webseiten neona-zistischer Organisationen sperrt, wurden von Google China etwa Treffer zum Massaker auf dem Tiananmenplatz oder zum Einmarsch in Tibet ausgefi ltert. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang von einem willfährigen Ausblenden regimekritischer Inhalte. Google hat zwar inzwischen seine Niederlassung in der Volksrepublik China aufgegeben, den-noch zeigt dieser Fall, dass Wachsamkeit gefragt ist.

Aber Google ist inzwischen mehr als nur ein Suchmaschi-nenbetreiber. Das Unternehmen hat sich zu einem riesigen Medienkonzern entwickelt, der in vielen Geschäftsfeldern aktiv ist. Und auch dort werden die Aktivitäten des Konzerns von der Öffentlichkeit zunehmend kritisch beobachtet. So sammelt Google über seine einzelnen Dienste große Mengen an Nutzerdaten und ist damit theoretisch in der Lage, detail-lierte Benutzerprofi le zu erstellen. Dies ist natürlich für kom-merzielle Zwecke hochinteressant, aber auch für staatliche Stellen ist dieser Datenbestand verlockend. Die Orwell'sche Vision des »Big Brother« könnte so durch die Hintertür Realität werden.

Aktuell erhitzt ein neues Angebot von Google die Gemüter: Street View. Dabei sollen weltweit ganze Städte abfoto-grafi ert werden. Der Dienst bietet faszinierende Möglich-keiten. Brisant ist aber die Strategie Googles, zunächst vollendete Tatsachen zu schaffen – also Straßenzüge abzu-fotografi eren –, und sich erst dann mit rechtlichen Frage-stellungen auseinanderzusetzen.

Für das Projekt »Street View« foto-grafi ert im Juni 2009 ein Wagen des Internetunternehmens Google mit einer Spezialkamera Straßenzüge.

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Baustein C

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Die Enquete-Kommission »Internet und digitale Gesellschaft« hat im Mai 2010 im Paul-Löbe-Haus in Berlin Platz genommen. Das Gremium, zusammengesetzt aus 17 Abgeordne-ten und 17 Sachverständigen, soll bis Sommer 2012 die Folgen der Online-revolution für Gesellschaft, Wirtschaft und Recht erörtern und Empfehlungen für den Bundestag erarbeiten.

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Baustein D

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

C 1 dient einer ersten Sensibilisierung der Schülerinnen und Schüler. Mittels des Fragebogens kann ein Bild der Suchge-wohnheiten in einer Klasse erstellt werden. Ein wahrschein-liches Ergebnis ist, dass fast alle Schülerinnen und Schüler primär Google zur Webrecherche nutzen und viele kaum eine zweite Suchmaschine kennen werden. Es ist weiterhin anzunehmen, dass das Gros der Lernenden nur die erste Trefferseite bei einer Suchanfrage bearbeitet und den Rest einfach ignoriert.

Der Text C 2 dokumentiert die fast unglaubliche Erfolgs-geschichte von Google. Suchmaschinen sind keinesfalls neu-trale Instrumente, sondern funktionieren nach Regeln, die von Menschen aufgestellt wurden. Wie unterschiedlich diese Regeln sein können, sollen sich die Lernenden über die wei-terführenden Arbeitsaufträge zu C 3 und C 4 erarbeiten. Der Text C 3 stellt dann in den Mittelpunkt, welche Probleme aus der monopolartigen Stellung Googles erwachsen können, zumal Google längst nicht mehr nur ein Suchmaschinenbe-treiber ist, sondern auch in anderen Geschäftsfeldern (z. B. YouTube, Picasa, Google Earth usw.) aktiv ist und überall Nutzerdaten sammelt. Wie weit verzweigt der Google-Kon-zern inzwischen ist, soll von den Schülern selbstständig recherchiert werden. Die Ergebnisse der Schülerrecherche können mit dem Text C 4 weiter vertieft werden.

Immer wieder wird die Befürchtung geäußert, ein Privat-konzern wie Google könne eine allzu zentrale und schwer kontrollierbare Rolle als »Gatekeeper« öffentlicher Kommu-nikation spielen. Die beiden Zitate in C 5 dokumentieren die Argumente von Google sowie die der Kritiker des Konzerns zu dieser Frage. An dieser Stelle ist zu empfehlen, einen der im Linkverzeichnis aufgeführten Filme zu Google zu zeigen, mit dem die Problematik hervorragend vertieft werden kann. Das Interview in C 6 verdeutlicht die Problematik, dass die

von Google gewonnenen Nutzerdaten nicht nur für das Un-ternehmen selbst interessant sein können, sondern auch für viele Regierungseinrichtungen von größtem Interesse sind. Das vermeintlich freie Medium Internet könnte sich so zu einem Instrument der politischen Repression wandeln. Der Wissenschaftler Hermann Maurer stellt in C 7 einen radikalen Lösungsansatz dar, der kontrovers diskutiert werden kann.

Die Materialien C 8 – C 10 dokumentieren anhand des ak-tuellen Beispiels von Google Street View, wie kritisch die Aktivitäten des Konzerns inzwischen von Öffentlichkeit und Politik gesehen werden. Das Schaubild C 8 beschreibt die technische Funktionsweise von Street View. Der Text C 9 schildert die Bedenken gegen diesen Dienst, während C 10 die Potenziale und positiven Funktionen hervorhebt.

●●● Baustein D

DEMOKRATIE 2.0 – POLITIK IM NETZ

Durch das Internet vollziehen sich tiefgreifende Verände-rungen in den Funktionszusammenhängen aller gesellschaft-lichen, wirtschaftlichen und politischen Sphären. Das Inter-net ist weltweit zu einem Instrument für soziale Teilhabe und Vernetzung, Kreativität, aber auch Demokratisierung geworden, indem Millionen von Menschen gemeinsam In-halte schaffen und verändern, Informationen miteinander teilen und sich zusammenschließen, um ihre Interessen zu vertreten. Nicht umsonst versuchen Diktaturen weltweit, den freien und ungefi lterten Zugang zum Internet zu un-terbinden.

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GLOSSAR ZUM THEMA INTERNET UND DATENSCHUTZ

Blog/WeblogEin Blog oder auch Weblog ist ein auf einer Website ge-führtes und damit – meist öffentlich – einsehbares Tage-buch oder Journal, in dem mindestens eine Person, der Blogger, Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert oder Gedanken niederschreibt. Andere Personen können diese Einträge kommentieren. Der Begriff ist eine Wort-kreuzung aus den Begriffen Web und Log (für Logbuch).

Cloud ComputingCloud Computing (deutsch etwa »Rechnen in der Wolke«) ist ein Konzept aus der Informationstechnik. Es beschreibt, dass Computeranwendungen und Datenhaltung nicht mehr lokal auf einem PC oder von einem Rechenzentrum bereit-gestellt werden, sondern in der Cloud. Zu den Anwendungs-beispielen zählen etwa Webmaildienste oder Google Docs. Der Zugriff auf diese entfernten Systeme erfolgt in der Regel über das Internet. Der Zugriff auf die Anwendungen erfolgt über einen Webbrowser.

CookiesEin kurzer Eintrag in einer Datenbank auf einem Computer, der zum Austausch von Informationen zwischen Computer-programmen oder der zeitlich beschränkten Archivierung von Informationen dient. Webserver einer besuchten Web-seite können z. B. Informationen in Form von HTTP-Cookies auf lokalen Computern hinterlegen und bei einem Wieder-besuch der jeweiligen Internetseite auslesen.

Data MiningAnalyse gespeicherter Daten, zum Beispiel aus dem Bereich Kundenverhalten. Durch das Herausarbeiten bestimmter Wechselbeziehungen oder Entwicklungen hofft man, prog-nostische Aussagen über Verhaltensweisen und Trends treffen zu können. Ziel ist beispielsweise eine stärkere Ansprache profi tabler Kundensegmente, eine verbesserte Preis- oder Distributionspolitik.

FirewallEine Firewall ist ein System aus Software- und Hardware-komponenten, das den Zugriff zwischen verschiedenen Rechnernetzen beschränkt, um ein Sicherheitskonzept umzusetzen.

PodcastPodcasting bezeichnet das Produzieren und Anbieten von abonnierbaren Audio- und Videodateien über das Internet. Der Begriff setzt sich aus den beiden englischen Wörtern »iPod« und »Broadcasting« zusammen. Podcasts können über ein entsprechendes Hilfsprogramm automatisiert aus dem Internet heruntergeladen und auf einen MP3-Player übertragen werden.

RFID»Radio-Frequency Identifi cation« (RFID) ermöglicht die automatische Identifi zierung und Lokalisierung von Ge-genständen und Lebewesen und erleichtert damit die Er-fassung und Speicherung von Daten. RFID-Chips fi nden beispielsweise im Handel starke Verwendung.

Soziales NetzwerkDer Begriff Soziale Netzwerke bezeichnet Webdienste, die Netzgemeinschaften beherbergen. Handelt es sich um Netzwerke, bei denen die Benutzer gemeinsam eigene In-halte erstellen (User Generated Content), bezeichnet man diese auch als Soziale Medien. Bekannte Beispiele sind Facebook, studiVZ, Flickr und YouTube.

TrojanerTrojaner sind Computerprogramme, die – als nützliche Anwendung getarnt – im Hintergrund, aber ohne Wissen des Anwenders eine andere Funktion erfüllen, z. B. das Ausspähen sensibler Daten. Ein Trojaner zählt damit zur Familie unerwünschter bzw. schädlicher Programme. Der Begriff wird umgangssprachlich häufi g mit Computerviren synonym verwendet, ist davon aber abzugrenzen.

TwitterInternetdienst zur schnellen Übermittlung von Informa-tionen in Form von Kurznachrichten. Dem Ausdruck liegt englisch »twitter« (»zwitschern«) zugrunde. Twitter ist das derzeit wohl am schnellsten wachsende Soziale Netzwerk.

Web 2.0Web 2.0 ist ein Schlagwort, das für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets, speziell des World Wide Webs verwendet wird. Der Begriff postuliert in Anlehnung an die Versionsnummern von Softwarepro-dukten eine neue Generation des Webs und grenzt diese von früheren Nutzungsarten ab.

WikiEin Wiki ist eine im World Wide Web oder auch in einem privaten Intranet verfügbare Sammlung von Webseiten, die aufgrund bestimmter Wiki-Software vom Betrachter geän-dert werden können und die sofort in veränderter Form für jeden abrufbar sind. Das bekannteste Wiki ist Wikipedia.

YouTubeYouTube ist ein 2005 gegründetes Videoportal im Inter-net, auf dem Benutzer kostenlos Videoclips ansehen und hochladen können. Es ist weltweit das marktführende Vi-deoportal. YouTube befi ndet sich seit 2006 im Besitz von Google.

Glossar zum Thema Internet und Datenschutz

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Baustein D

Die Dynamik dieser Entwicklung erfordert neue Antworten auf Probleme, denen etablierte gesellschaftliche Strukturen oftmals träge hinterherhinken. So ist die beliebig häufi ge Vervielfältigung und Verteilung digitaler Inhalte wie Filme, Musik usw. in weiten Kreisen der Bevölkerung bereits gesell-schaftliche Praxis, obwohl dies massiv gegen Urheber- und Verwertungsrechte verstößt. Die entsprechenden Gesetze stammen jedoch noch aus einer Zeit, in der die notwendigen Technologien noch nicht verfügbar waren. Dieser massive gesellschaftliche Wandel führt zwangsläufi g zu Interessen-konfl ikten, die einer politischen Lösung bedürfen.

Die Politik wird sich langsam der Bedeutung dieser Aufgabe bewusst. Das zeigt die Tatsache, dass der Bundestag im Früh-jahr 2010 die Enquete-Kommission »Internet und digitale Gesellschaft« eingesetzt hat. Sie soll bis 2012 die Auswir-kungen des Internets auf Politik und Gesellschaft untersu-chen und Handlungsempfehlungen entwickeln. Inwieweit dies angesichts der ungebremsten Dynamik der Entwicklung gelingen wird, bleibt abzuwarten.

Dass entsprechender Handlungsdruck besteht, zeigen die Erfolge der Piratenpartei bei den letzten Wahlen. Ursache für das überraschend gute Abschneiden dieser noch vor Kurzem unbedeutenden Splitterpartei war es, dass sich viele netzaffi ne Wählerinnen und Wähler vor allem nach der Aus-einandersetzung um die beabsichtigten Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie nicht mehr von den etab-lierten Parteien vertreten fühlten.

Aber das Internet ist nicht nur ein Gegenstand politischen Handelns. Auf der Basis neuer interaktiver Netztechnolo-gien sind auch innovative Möglichkeiten der politischen Kommunikation eröffnet worden, die sich politische Akteure selbst zunutze machen können. So sind inzwischen alle politischen Akteure von Bedeutung im Netz vertreten, da-runter Parlamente und Regierungen, Parteien, Verbände und auch NGOs. Auch Bundestagsabgeordnete und Kandidaten verfügen längst über eigene Websites und sind in Sozialen Netzwerken aktiv.

Welche Potenziale sich der Politik durch das Internet eröff-nen, zeigte Barack Obama, als er sich zur Kandidatur für die US-Präsidentschaft entschloss. Obama setzte von Anfang an weniger auf die klassischen Massenmedien, sondern auf Möglichkeiten des Web 2.0. So verfolgten mehr als 44.000 Menschen regelmäßig, wenn Obama über den Microblogging-Dienst Twitter seine Schlagzeilen aus dem Alltag sendete. Bei seiner Konkurrentin um die Kandidatur bei den Demokraten, Hillary Clinton, waren es nur knapp über 4.000. Obama und sein Team machten keinen klassischen Wahlkampf von oben. Sie banden vielmehr Sympathisanten in die Kampagne ein, vernetzten und mobilisierten sie. Obama und seine Wahl-kampfmanager hatten das Netz als einen großen Dialog be-griffen. Zudem gelang eine geradezu fantastische Vernetzung des politischen Apparats der Demokratischen Partei über das Internet. Obama konnte mit einem enormen Wahlkampftopf antreten, weil er schätzungsweise zwei bis drei Millionen Adressaten dazu gebracht hat, Kleinspenden über fünf Dollar

zu leisten. Dieses große fi nanzielle Polster leistete letzt-lich einen nicht unwesentlichen Beitrag für seinen Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen. Aber auch sonst hat sich in diesem Wahlkampf im Web eine ungezügelte Kreativität manifestiert. YouTube dokumentierte erbarmungslos Aus-rutscher des republikanischen Kontrahenten John McCain, Tausende Hobbykommentatoren debattierten in unzähligen Blogs erbittert über jede Meinungsäußerung, der politische Schlagabtausch wurde auch via Videoplattform geführt. Un-terstützer und Gegner lieferten sich regelrechte Videoclip-schlachten. So auch das sogenannte »Obama Girl« Amber Lee Ettinger. Fast neun Millionen Mal wurde ihr Musikvideo »I Got a Crush ... on Obama« auf YouTube angeklickt.

Deutsche Politiker haben diesen Wahlkampf aufmerksam beobachtet und im Bundestagswahlkampf 2009 versucht, selbst mit ähnlichen Strategien und Angeboten zu punkten. Der Erfolg ist hierzulande aber weitgehend ausgeblieben. Die Gründe sind vielfältig: So spielen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die traditionellen Medien immer noch eine wichtigere Rolle als das Internet. Nur ein Drittel der Wähle-rinnen und Wähler gab in einer Untersuchung der Universi-tät Hohenheim an, sich primär im Internet mit politischen Informationen zu versorgen. Weiterhin waren die Parteien noch zu sehr den althergebrachten Kommunikationskonzep-ten verhaftet, die im Internet nicht funktionieren. Vor allem die direkte und bidirektionale Kommunikation mit Bürge-rinnen und Bürgern fand in Deutschland kaum statt. Dies war aber der Schlüssel für den Erfolg der Obama-Kampagne. Und letztlich wurde auch von allen Wahlkampfmanagern verkannt, dass die Konzepte des stark personalisierten US-Präsidentschaftswahlkampfs sich nicht ohne Weiteres auf ein politisches System übertragen lassen, in dem die Par-teien eine ungleich größere Rolle spielen. Nichtsdestotrotz ist davon auszugehen, dass bei den kommenden Bundes-tagswahlen die Parteien wieder in verstärktem Maß auf das Internet als Wahlkampfplattform setzen werden, dann auch voraussichtlich mit verbesserten Konzepten.

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

Die Sammlung authentischer Schlagzeilen in D 1 soll einen ersten sensibilisierenden Überblick darüber geben, dass das Internet sich zunehmend zu einem Instrument politischer Beteiligung entwickelt. Das Interview mit dem Psychologen Peter Kruse in D 2 kennzeichnet einige Eckpunkte dieses Veränderungsprozesses, vor allem im Hinblick auf die Mobi-lisierung politisch interessierter Menschen.

Die Materialien D 3 bis D 5 thematisieren in kontroverser Form die Versuche verschiedener Kommunen, über das Inter-net Bürgerinnen und Bürger in kommunale Entscheidungen einzubinden. Der Text D 3 beschreibt dies an Beispielen aus Solingen und Hamburg. Er kommt dabei zu einem positiven Ergebnis. Die Karikatur D 4 und der Kommentar D 5 stellen diese Erwartungen vor dem Hintergrund einer digitalen Spal-tung der Gesellschaft in Frage.

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LINKS ZUM THEMA INTERNET UND DATENSCHUTZ

Baustein A

www.bundestag.de/internetenquete/ Die Website der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Bundestags gewährt viele Einblicke in ihre Arbeit.

www.netzpolitik.org Netzpolitik.org ist ein mehrfach preisgekröntes Weblog über Themen der digitalen Gesellschaft, unter anderem staatliche Überwachung, Telekommunikationsgesetze so-wie Urheberrecht und eine freie Wissensgesellschaft.

Baustein B

www.klicksafe.deKlicksafe.de ist ein unabhängiges Informationsportal zum Thema Sicherheit im Internet, das von der Europäischen Kommission fi nanziert und von der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz koordiniert wird. Das Portal bietet kurze Informationen über relevante und aktuelle Jugendschutzthemen und gibt mit Tipps und Broschüren Hilfestellungen an die Hand.Zudem bietet klicksafe unter der Adressewww.ecdl-moodle.de/course/view.php?id=59neun aufbereitete Unterrichtsbausteine zum Thema Sicher-heit und Jugendmedienschutz im Internet an.

www.panopti.com.onreact.comSehr anschaulich zeigt dieser interaktive Animationsfi lm des Designers Johannes Widmer die Rundum-Überwachung des Einzelnen im Alltag.

www.surfer-haben-rechte.de/Welche Rechte habe ich in Sozialen Netzwerken? Welche Fallen drohen beim Download von Programmen? Informa-tionen für Internetnutzer zu solchen und ähnlichen Fragen bietet diese Webseite, die ein umfassendes Beratungs- und Informationsangebot bereithält.

http://podfiles.zdf.de/podcast/3sat_neues/sen-dung_080608.mp4 ZDF-Mediathek-Fassung der 3Sat-Sendung »Spuren im Netz« vom 8. Juni 2008. Sehr anschauliche Einführung ins Thema.

www.otto-brenner-preis.de/dokumentation/2009/preistraeger/2-preis-ulrike-broedermann-und-mi-chael-strompen.html Die preisgekrönte ZDF-Dokumentation »Der gläserne Deut-sche – wie wir Bürger ausgespäht werden« zeigt, dass die Speicherung sensibler Daten von Bürgern fast zur gängigen

Praxis gehört. Anschaulich wird hier geschildert, was durch die Verknüpfung von Daten bereits möglich ist.

www.tagesschau.de/inland/alltagueberwachung2.htmlVideo-Dossier der ARD. Die beiden Journalisten Fiete Ste-gers und Roman Mischel zeigen in ihrer Dokumentation Trends, Diskussionen und Protagonisten zum Thema Über-wachung.

www.zeit.de/digital/datenschutz/indexUmfangreiches und facettenreiches ZEIT-Dossier zum Thema »Datenschutz und Datensicherheit«.

www.daten-speicherung.deInformationen zur Datenspeicherung mit vielen aktuellen Hinweisen und einer großen Menge an Hintergrundinfor-mationen.

Baustein C

http://video.google.de/videoplay?docid=-7704588734655107458# Die Reportage des NDR-Medienmagazins ZAPP schildert, wie aus dem kleinen »Start-up« mit dem bunten Schrift-zug ein milliardenschweres Unternehmen geworden ist und welche potenzielle Macht dieses inzwischen besitzt.

www.youtube.com/watch?v=hZEhtVoI16g Der Kurzfi lm »Google Epic 2015« beschäftigt sich mit der wachsenden Medienmacht Googles und entwickelt ein mögliches Zukunftsszenario.

www.googlewatchblog.de Dieses Weblog veröffentlicht regelmäßig Nachrichten, Hin-tergründe und Berichte über den Internetgiganten.

Baustein D

www.media-ocean.de/2007/08/02/videocast-demo-kratie-20/ Ein hoch informativer Vortrag des Medienberaters Steffen Büffel, der anschaulich die Auswirkungen des Web 2.0 auf die politische Kommunikation beschreibt.

www.politik-digital.de/ Politik-digital ist eine parteienunabhängige Informations- und Kommunikationsplattform zum Themenfeld Internet und Politik.

http://internetundpolitik.wordpress.com/ Weblog des Gießener Politikwissenschaftlers Christoph Bieber rund um die Themen politische Kommunikation und Neue Medien sowie Internet und Demokratie.

Links zum Thema Internet und Datenschutz

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Baustein D

Alby, Tom: Web 2.0: Konzepte, Anwendungen, Technologien, München 2007.

Albers, Hagen: Onlinewahlkampf 2009, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 51, Dezember 2009.

Bauer, Andreas: E-Demokratie – neue Bürgernähe oder vir-tuelle Luftblase?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 18, April 2004.

Becker, Konrad: Die Politik der Infosphäre, Bonn 2003.Carr, Nicholas G.: The Big Switch: Der große Wandel. Die

Vernetzung der Welt von Edison bis Google, Heidelberg 2009.

Carr, Nicholas: Wer bin ich, wenn ich online bin ... und was macht mein Hirn solange? Wie das Internet unser Denken verändert, München 2010.

Hofmann, Jeanette: Zukunft der digitalen Bibliothek, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 42/43, Oktober 2009.

Jeanneney, Jean-Noël: Googles Herausforderung. Für eine europäische Bibliothek, Berlin 2006.

Lehmann, Kai/Schetsche, Michael (Hrsg.): Die Google-Ge-sellschaft. Vom digitalen Wandel des Wissens, Bielefeld 2005.

Machill, Marcel/Beiler, Markus (Hrsg.): Die Macht der Such-maschinen, Köln 2007.

LITERATURHINWEISE

Möller, Erik: Die heimliche Medienrevolution: Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern, Hannover 2006.

Moorstedt, Tobias: Jeffersons Erben: Wie die digitalen Medien die Politik verändern, Franfurt/M. 2008.

Palfrey, John/Gasser, Urs: Generation Internet: Die Digital Natives: Wie sie leben – Was sie denken – Wie sie arbeiten, München 2008.

Reischl, Gerald: Die Google-Falle. Die unkontrollierte Welt-macht im Internet, Wien 2008.

Schaar, Peter: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft, München 2009.

Schulzki-Haddouti, Christiane: Bürgerrechte im Netz, Bonn 2003.

SPIEGEL SPEZIAL: 3/2007, Leben 2.0: Wir sind das Netz.Ström, Pär: Die Überwachungsmafi a: Das lukrative Geschäft

mit unseren Daten, München 2006.Vise, David: Die Google-Story, Hamburg 2007.Weber, Stefan: Das Google-Copy-Paste-Syndrom: Wie Netz-

plagiate Ausbildung und Wissen gefährden, Hannover 2009.

Zeger, Hans G.: Paralleluniversum Web 2.0: Wie Online-Netz-werke unsere Gesellschaft verändern, Wien 2009.

Welche Rolle das Internet inzwischen in Wahlkämpfen spielt, wird in den Materialien D 6 bis D 9 thematisiert. D 6 schildert, welche Rolle das Internet für Barack Obama im Wahlkampf spielte und nun während seiner Präsidentschaft spielt. Seinem Team ist es mustergültig gelungen, das eigene Netzwerk mybarackobama.com sowie die weiteren Möglich-keiten des »Mitmachwebs« (z. B. Facebook und Twitter) dazu zu nutzen, um einerseits Unterstützergruppen zu bilden und Wahlkampfaktionen zu organisieren, andererseits aber auch mit politischen Anhängern in einen politischen Dialog zu treten. Dieser direkte Dialog wirkte sich wiederum auf die Schwerpunkte der Wahlkampagne aus. Der durchschlagende Erfolg dieser Kampagne inspirierte auch die deutschen Parteien dazu, im Bundestagswahlkampf 2009 auf solche Konzepte zu setzen. Allerdings stellte sich in Deutschland aus verschiedenen Gründen nicht der große Erfolg ein. Die Materialien D 7 und D 9 dokumentieren diese Gründe. Die Ka-rikatur D 8 thematisiert die Vor- und Nachteile der durch das Internet nun direkter gewordenen Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern einerseits sowie Abgeordneten andererseits.

Dass sich wegen des Internets und dann auch über das In-ternet selbst neue politische Gruppierungen bilden können, zeigt das Beispiel der Piratenpartei in D 10. Diese Partei gründete sich u. a. in Folge der von der Bundesregierung geplanten Netzsperren im Kampf gegen Kinderpornographie und erzielte 2009 und 2010 bei einigen Wahlen überra-schende Erfolge. Ein Grund für diese Erfolge ist sicherlich

darin zu suchen, dass netzaffi ne Bürgerinnen und Bürger den Eindruck hatten, dass die Politik letztlich wenig vom Inter-net und seinen Gesetzmäßigkeiten versteht und deshalb mit politischen und rechtlichen Instrumentarien agiert, die dort nur eingeschränkt gültig und wirksam sind. Der Text D 10 beschreibt die Gründe dieses Erfolgs und die Motivationen der Parteimitglieder, aber auch die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten.

Die Materialien D 11 bis D 13 beschäftigen sich mit den Bestrebungen autoritärer Regierungen, den freien Zugang zum Internet zu unterbinden. Der Text D 11 dokumentiert das Ausmaß an Internetzensur weltweit. Hier wird zudem am Beispiel Australiens deutlich, dass Zensurbestrebungen auch in westlichen Demokratien ein Thema sind, wenngleich natürlich in einem anderen Ausmaß als in Diktaturen. Die Karikatur D 12 macht die Bestrebungen der chinesischen Regierung deutlich, Informationen nur gefi ltert durch die schon sprichwörtlich gewordene »Great Firewall« ins Land zu lassen. Der Text D 13 zeigt am Beispiel der Unruhen im Iran im Zuge der gefälschten Ergebnisse der Präsidentschafts-wahlen 2009, welche wichtige Rolle moderne Informations- und Kommunikationstechnologien bei der Demokratisierung einer Gesellschaft spielen können. Er zeigt weiterhin ein-drucksvoll, wie stark dieser demokratisierende Einfl uss des Internets von autoritären Machthabern gefürchtet wird.

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Leben im Netz – die digitale Gesellschaft

Baustein A Die digitale Revolution

A 1 – A 5 Der Siegeszug des Internets 20A 6 – A 8 Einkaufen per Mausklick 24A 9 – A 12 Blogs als Zeitungsersatz? 26A 13 – A 15 Wikipedia & Co. 28A 16 – A 18 Soziale Netzwerke 30

Baustein B Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 1 – B 5 Digitale Spuren 32B 6 – B 7 Volkszählung gestern und heute 36B 8 – B 9 Informationelle Selbstbestimmung 37B 10 – B 13 Das Beispiel Vorratsdatenspeicherung 38B 14 – B 17 Second Life? 40B 18 – B 21 Das Internet vergisst nichts 42B 22 – B 24 Moderner Datenschutz im digitalen Zeitalter 44

Baustein C Wer hat Angst vor Google?

C 1 – C 4 Die globale Medienmacht Google 46C 5 – C 7 Welche Verantwortung haben Suchmaschinen? 50C 8 – C 10 Beispiel: Google Street View 52

Baustein D Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 1 – D 5 Das Internet verändert Politik 54D 6 – D 9 Onlinewahlkampf – das neue Erfolgsgeheimnis? 58D 10 Die Piratenpartei – Chaoten oder Visionäre? 61D 11 – D 13 Das demokratische Potenzial des Internets 62

Texte und Materialien für Schülerinnen und Schüler

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Hinweis: Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg übernimmt keine Verantwortung für die Inhalte von Websites, auf die in diesem Heft verwiesen oder verlinkt wird.

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A • Die digitale Revolution

A • Die digitale RevolutionMaterialien A 1 – A 18

A 1 Mindmap: Wofür ich das Internet nutze

Einkaufen

Freizeit

Schule

Wofür ich das Internet

nutze ...

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A • Die digitale Revolution

A 2 Kleine Geschichte des Internets

1958 Das amerikanische Verteidigungsministerium gründet eine Forschungsbehörde mit dem Namen Advanced Re-search Projects Agency (ARPA). ARPA soll vor allem im Bereich der Vernetzung von Computersystemen neuartige Technologien entwickeln.

1962 Packet-Switching: Digitale Daten werden in kleinen Paketen über ein Netzwerk verschickt. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für den Datentransfer in Computernetzen geschaffen.

1965 Der Hypertext wird entwickelt, eine nichtlineare Organisation von Informationen. Dokumente werden dabei in einer netzartigen Struktur durch Querverweise miteinander verbunden, sogenannte Hyperlinks.

1969 Das ARPANET, das erste Computernetz der Welt, wird in den USA in Betrieb genommen.

1971 Das erste E-Mail-Programm wird geschrieben.

1977 Das erste Informationspaket wird mittels des Protokolls TCP über einen Radiosender, ein Kabelnetz und eine Satellitenverbindung verschickt. Sechs Jahre später wird das TCP/IP-Protokoll offi zieller Standard für das In-ternet.

1984 An der Universität Karlsruhe wird die erste deutsche E-Mail empfangen.

1985 Als erste Domain der Welt wird nordu.net registriert.

1988 Der erste Internetwurm richtet großen Schaden an: 6.000 Rechner sind betroffen.

1989 Die ersten Internetanschlüsse in Deutschland werden in Betrieb genommen.

1990 Das Internet wird für die kommerzielle Nutzung freigegeben. Der erste Verein zum Schutz der Rechte von Internetnutzern wird gegründet. Am Centre Européen pour la Recherche Nucléaire (CERN) in der Schweiz wird das World Wide Web präsentiert.

1992 Die erste Live-Radiosendung wird von der Internet Engineering Task Force testweise über das Internet ausge-strahlt.

1993 Das Programm Mosaic wird vorgestellt. Es kann Daten im Internet graphisch darstellen. Mosaic wird zum Vorbild für Programme wie Firefox oder Internet Explorer.

1994 Die ersten Banken und Geschäfte bieten ihre Dienstleistungen im Internet an. Amazon wird gegründet. Das Internetverzeichnis Yahoo geht an den Start. Damit steht eine wichtige Navigationshilfe für Internetnutzer zur Verfügung. Die Zahl der kommerziellen Nutzer des Internets übersteigt erstmals die der wissenschaftlichen Nutzer.

1996 Mit AltaVista geht die erste brauchbare Volltextsuchmaschine an den Start.

1998 Gründung der Icann. Sie ist ein Zusammenschluss von Interessenverbänden und koordiniert technische Frage-stellungen. Sie wird oft auch als Regierung des Internets bezeichnet. Die Suchmaschine Google geht online und wird innerhalb kürzester Zeit zum mit Abstand beliebtesten Suchdienst im Netz. Im Zuge dieses Erfolgs kommt es zu einem wahren Gründerrausch von Internetunternehmen.

2001 Die großen Erwartungen der Dotcom-Pioniere werden enttäuscht: Das Internet hat bewiesen, dass die Grund-regeln der Old Economy auch im virtuellen Raum gelten. Das Onlinelexikon Wikipedia wird gegründet. Bereits im ersten Jahr erscheinen Versionen in 18 Sprachen.

2003 Apple eröffnet den iTunes Store und verkauft Musik und Filme über das Internet. Im Magazin CIO wird erstmals der Begriff Web 2.0 erwähnt.

2004 Das Soziale Netzwerk MySpace geht an den Start. Es ist Vorbild für Dutzende ähnlicher Angebote, wie z. B. Facebook und schülerVZ.

2005 Das Videoportal YouTube wird gegründet. Das Schauen von Filmen im Internet wird immer beliebter.

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A • Die digitale Revolution

A 3 Deutschland im Netz

A 4 Die digitale Gesellschaft

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A • Die digitale Revolution

A 5 Der Siegeszug des Internets

◗ Im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Internets wird häufi g auch von der Gefahr einer digitalen Spaltung der Gesellschaft gesprochen. Erstellt mit Hilfe der Grafi ken in A 3 und A 4 eine Defi nition für diesen Begriff.◗ Gebt die zentralen Aussagen des Textes A 5 in eigenen Worten wieder. Diskutiert die vom Autor formulierten ge-sellschaftlichen Veränderungen und Gefahren durch das In-ternet.

◗ Wofür nutzt ihr das Internet? Refl ektiert eure Nutzung und tragt die wichtigsten Aspekte in die Mindmap (A 1) ein. Vergleicht eure Ergebnisse miteinander. Wo bestehen Übereinstimmungen, wo gibt es Unterschiede?◗ Vervollständigt den Satz: »Das Internet ist für mich ...«◗ Arbeitet aus der Tabelle A 2 die wichtigsten Stationen in der historischen Entwicklung des Internets heraus. Was könnt ihr als grundlegende Entwicklung erkennen?

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 1 – A 5

Was vor einem Jahrhundert auf dem Gebiet der Produktion von Energie geschah, das geschieht jetzt auf dem Gebiet der Produktion von Information. Die komplexen Software-anwendungen, die seit Langem auf privaten, aber jeweils isolierten Computersystemen in Privathaushalten oder Büros liefen, werden durch zentralisierte, vernetzte Dienste er-setzt: durch das Internet. (...) Manche Technologieexperten bezeichnen dieses Netzwerk daher inzwischen als the cloud (»die Wolke«).

Wenn man im Internet etwas sucht, verwendet man seinen Netzbrowser, um sich mit den gewaltigen Datenzentren ver-binden zu lassen, die Google an geheimen Orten rund um die Welt errichtet hat. Man tippt ein Suchwort ein, und schon durchkämmt das Google-Netzwerk aus Hunderttau-senden miteinander verbundenen Computern eine aus Milli-arden von Webseiten bestehende Datenmasse. Es sucht die Seiten heraus, die dem eingegebenen Begriff entsprechen, ordnet sie nach ihrer Wichtigkeit und sendet das Ergebnis der Recherche durch das Internet zurück auf den eigenen Bildschirm. Das alles dauert meist weniger als eine Se-kunde. Diese beeindruckende Rechenleistung fi ndet nicht im Computer des Nutzers statt, sondern viele Kilometer weit entfernt, womöglich am anderen Ende der Welt. Wo befi ndet sich der Computerchip, der Ihre jüngste Google-Suche bewerkstelligt hat? Sie wissen es nicht, und es ist

Ihnen auch gleichgültig – so wie es Ihnen egal ist, welches Elektrizitätswerk den Strom produziert hat, der Ihre Schreib-tischlampe versorgt.

Schon heute beherrschen und verbinden Softwareprogramme nicht nur Industrie und Handel, sondern auch Unterhal-tung, Journalismus und Bildung, Politik und Streitkräfte. Die durch eine Veränderung der Computertechnologie aus-gelösten Schockwellen werden daher intensiv und weit-reichend ausfallen. Die ersten Auswirkungen können wir bereits feststellen: Die Herrschaft über Medien verschiebt sich von Institutionen zu Individuen; Menschen fühlen sich zunehmend »virtuellen« statt physisch und real existie-renden Gemeinschaften zugehörig; und allerorten wird über Datensicherheit, den Umgang mit privaten Informationen und den Wert der Privatheit diskutiert. Alle diese Trends werden durch den Aufstieg des cloud computing, also des »Rechnens in der Wolke«, ausgelöst. Im selben Maße, wie die Informationskraftwerke an Größe gewinnen, werden die Veränderungen, denen Wirtschaft und Gesellschaft – und wir selbst – ausgesetzt sind, immer ausgeprägter. (...)

Das Internet hat für Millionen Menschen das Leben besser gemacht. Aber das Internet hat auch seine dunklen Seiten, und auch diese werden stärker hervortreten, wenn das Netz zum wichtigsten Austauschmedium für Handel, Kommuni-kation und Kultur wird. (…) Wem sollte diese elementar wichtige neue Infrastruktur gehören? Brauchen wir neue Regelwerke, um sicherzustellen, dass ein Unternehmen wie Google kein globales Informationsmonopol erlangt? Wie schützen wir lokales Wirtschaften und örtliche Kulturen vor den uniformierenden Wirkungen des weltweiten Informati-onssystems? Alle diese Fragen erfordern die Aufmerksamkeit von Politikern und Öffentlichkeit. Welche Form die »Wolke« annimmt und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirken wird, das hängt wahrscheinlich von Entscheidungen ab, die in den nächsten paar Jahren getroffen werden. (...)

DIE ZEIT vom 5. November 2009 (Nicholas Carr)

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A • Die digitale Revolution

A 6 Onlinehandel

A 7 Quelle ist am Ende

Das Ringen um Quelle war vergeblich: 82 Jahre nach der Gründung ist das traditionsreiche Versandhaus am Ende. Sämtliche Rettungsbemühungen für das insolvente Fürther Unternehmen sind gescheitert. Die meisten der insgesamt 10.500 Beschäftigten werden ihren Arbeitsplatz verlieren. (…)

»Das ist für die betroffenen Menschen und ihre Familien eine Riesen-Katastrophe«, sagte Quelle-Gesamtbetriebsratschef Ernst Sindel. Bis zuletzt habe sich das niemand vorstellen können. Der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) sieht in der Insolvenz von Quelle kein Signal für die gesamte Branche. »Dank steigender Umsätze im E-Commerce ist der Versandhandel ein zukunftssicherer Wachstums-

markt«, sagte der stellvertretende BVH-Hauptgeschäftsfüh-rer Christoph Wenk-Fischer in Frankfurt. (…)

Am 9. Juni 2009 hatte die Muttergesellschaft Arcandor AG in Essen die Insolvenz für sich und mehrere Töchter beantragt. Der Schritt traf das 1927 gegründete Traditionshaus Quelle mitten in einem tiefgreifenden Umbau, der bereits in den vergangenen Jahren zu scharfen Einschnitten geführt hatte. Das Unternehmen hatte die Bedeutung des Internets für den Handel erst spät erkannt. In den vergangenen Jahren erfolgte dann eilig eine strategische Neuausrichtung.

dpa-euro vom 20. Oktober 2009

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A • Die digitale Revolution

A 8 OTTO wächst dank Onlinehandel

Die Sängerin Nena hält im Januar 2010 den neuen OTTO-Katalog hoch, auf dem sie auf dem Cover abgebildet ist. Die Sängerin ist auch mit einer eigenen Kollektion vertreten, die sich an den Look der 80er Jahre mit Leder-kombinationen und Röhrenjeans anlehnt.

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dpa

Aus dem Feiern kommt Popsängerin Nena nicht mehr heraus. Erst wurde sie zum zweiten Mal Großmutter, dann Titelmodell des OTTO-Katalogs, dann 50 Jahre alt. Auch die Erfolgsmel-dungen des OTTO-Konzerns, dem Nena seit Januar 2010 ihr Gesicht leiht, dürften die Rahlstedterin erfreut haben: Nach vorläufi gen Berechnungen hat das Hamburger Unternehmen seine Umsätze im vergangenen Geschäftsjahr um 1,5 Prozent auf 10,1 Milliarden Euro gesteigert. »Vor dem Hintergrund des schwierigen Konsumklimas sind wir mit Umsatz und operativem Ergebnis zufrieden«, sagte Hans-Otto Schrader, Vorstandschef der OTTO-Gruppe. Der Gewinn werde klar über dem Vorjahr liegen.

Zu verdanken hat der Versandhauskonzern dieses Ergebnis vor allem dem stark wachsenden Inlands- sowie dem Online-geschäft. Der Umsatz über das Internet stieg um 22 Prozent

auf 3,6 Milliarden Euro – damit kaufen die Verbraucher im Schnitt jeden Tag Waren im Wert von fast zehn Millio-nen Euro über die rund 50 Verkaufsplattformen der OTTO-Gruppe. Bei einzelnen Unternehmen wie dem OTTO-Versand, der Keimzelle des Weltkonzerns, macht das digitale Geschäft bereits 62 Prozent aus. (…)

Tatsächlich ist das Potenzial gewaltig: Laut dem Marktfor-scher GfK haben in den vergangenen zwölf Monaten ins-gesamt mehr als 34 Millionen Bundesbürger im Netz einge-kauft – zwei Millionen Kunden mehr als ein Jahr zuvor. Seit Jahren wachsen die Umsätze im deutschen Internethan-del zweistellig, die beliebtesten Güter waren 2009 Reisen, Bücher und Kleidung.

Die Gründe für seinen Erfolg im Deutschland-Geschäft sieht Schrader in den erheblichen Investitionen in Marken und Onlineaktivitäten des Konzerns. Offenbar honoriert der deutsche Verbraucher OTTOs Multichannel-Strategie, also den Verkauf über stationären Handel, Internet und Kata-log: Während der deutsche Einzelhandel im Krisenjahr 2009 unter einem Umsatzminus von 2,5 Prozent litt, konnte der Hamburger Konzern sein Inlandsgeschäft um knapp sieben Prozent auf 5,8 Milliarden Euro steigern. Besonders stark wuchsen die Bonprix-Gruppe sowie die Versandtochter OTTO, die im vergangenen Jahr ihren 60. Geburtstag gefeiert hatte. Aber auch die Marken Schwab, Baur und SportScheck bauten ihre Geschäfte aus. Mit der Insolvenz des Konkurrenten Quelle habe das wenig zu tun, wie Vorstandschef Schrader betonte. »Diese Umsatzzuwächse wurden erreicht, bevor die OTTO Group die Marke Quelle nutzen konnte.«

Hamburger Abendblatt vom 31. März 2010 (Kathrin Fichtel)

◗ Vergleicht die Unternehmen Quelle und OTTO miteinander (A 7 und A 8). Arbeitet heraus, weshalb beide Unternehmen unterschiedlich erfolgreich waren.◗ Recherchiert, welche Auswirkungen der wachsende Inter-nethandel auf den Einzelhandel in eurer Heimatgemeinde haben könnte oder schon gehabt hat. Ihr könnt dazu auch Einzelhändler befragen (z. B. aus den Bereichen Buchhandel, Bekleidung, Musik, Haushalts- und Elektrogeräte, Apothe-ken).◗ Im Internet kann man so ziemlich alles kaufen. Organisiert in der Klasse eine Pro- und Contra-Debatte zu den Vor- und Nachteilen des Onlineshoppings.

◗ Wertet die Grafi k in A 6 aus und fasst eure Ergebnisse in drei Kernaussagen zusammen. ◗ Die fünf größten Onlinehändler in Deutschland sind Ebay, Amazon, OTTO, Weltbild und Tchibo. Bildet fünf Arbeits-gruppen und erarbeitet zu jedem dieser Onlinehändler ein Unternehmensprofi l. Recherchiert auch die Geschichte der Unternehmen: Wann wurden sie gegründet? Wie haben sie begonnen? Wie verlief ihre wirtschaftliche Entwicklung? Prä-sentiert eure Ergebnisse und vergleicht eure Porträts.◗ Führt in eurer Klasse eine anonyme Umfrage durch. Die Frage lautet: »Was und wie oft kaufe ich über das Internet ein?« Vergleicht eure Ergebnisse mit der Grafi k in A 6.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 6 – A 8

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A • Die digitale Revolution

A 9 Krise auf dem Zeitungsmarkt

A 10 Bedrohlich nah am freien Fall

Es ist ein Dokument des Grauens: Der jährliche Bericht zur Lage der Medien in den USA sieht die Branche »bedroh-lich nahe vor dem freien Fall«. Besonders gefährdet seien Wochenmagazine und Tageszeitungen. Der Grund: 2008 in-formierten sich erstmals mehr Amerikaner auf Nachrichten-webseiten als in gedruckten Blättern. Das Internet hat die gedruckten Medien endgültig überholt. (…) So sank die täg-liche Aufl age der amerikanischen Zeitungen im vergangenen Jahr um 4,6 Prozent, die Gewinne schrumpften gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent – im Vergleich zu 2006 sogar um 23 Prozent. Die Branche verlor schätzungsweise zehn Prozent ihrer Arbeitsplätze. (…)

Doch nicht nur Jobs sind in Gefahr, ganze Zeitungshäuser stehen vor dem Ruin; oder haben ihn schon hinter sich. Ende Februar lief bei den Rocky Mountain News die letzte Ausgabe über die Druckpressen. Die Tageszeitung aus Denver musste nach fast 150 Jahren ihren Betrieb einstellen. In San Francisco ist der Chronicle akut bedroht. Sollte sich nicht schnellstens ein Käufer fi nden, könnte die Metropole dem-nächst die erste große Stadt in den USA sein, in der es keine lokale Zeitung mehr gibt. Auch der Seattle Post-Intelligencer stand kurz vor dem Aus, doch der Verleger zog eine unge-wöhnliche Notbremse: Eingestellt wurde Anfang der Woche nur die Druckausgabe. Publiziert wird jetzt ausschließlich über das Internet. (…)

Nur zum Teil lässt sich die dramatische Situation der ame-rikanischen Zeitungen mit der Wirtschaftskrise begründen. Die meisten Probleme sind struktureller Natur. Und: Sie sind keineswegs neu. Seit Jahren kämpfen die Tageszeitungen mit sinkenden Aufl agen, seit fast einer Dekade ist abzuse-hen, dass sich mehr und mehr Menschen ausschließlich über das Internet mit Nachrichten versorgen.

Dies gilt für die USA genauso wie für Deutschland. Die Zahlen der Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA) sprechen eine deutliche Sprache: Für 20- bis 39-jäh-rige Deutsche ist das Internet inzwischen eine wichtigere Informationsquelle als die Tageszeitung. Nur wer älter als 40 ist, liest durchschnittlich häufi ger Zeitung als im Netz zu surfen. Alle Generationen, die den Aufstieg des Internets erlebten oder damit aufwuchsen, sind für die Tageszeitungen offenbar verloren. Nichts deutet darauf hin, dass sich diese Leser von ihrer Gewohnheit, News übers Netz zu konsumie-ren, irgendwann wieder verabschieden werden.

Problematisch an dieser Entwicklung ist, dass es den Verla-gen bis heute weder in den USA noch in Deutschland gelun-gen ist, die Einnahmeverluste des Printgeschäfts mit ihren Onlineaktivitäten zu kompensieren. Zwar wurden Nachrich-tenwebseiten 2008 so stark genutzt wie nie zuvor, doch die Erlöse stiegen nur marginal. (…)

Dieser Wandel hat massive Folgen für den Journalismus. Immer weniger Redakteure und freie Mitarbeiter müssen in immer kürzerer Zeit immer mehr Inhalte bereitstellen. Auf der Strecke bleiben Sorgfalt, Recherche, Nachfrage und letzt-lich auch eine kritische, informierte Öffentlichkeit, die den Mächtigen in Politik und Wirtschaft auf die Finger schaut.

Der Tagesspiegel vom 19. März 2009 (Markus Horeld)

In Deutschland erschienen im Jahr 2008 375 Tageszeitungen, die der Informations-gemeinschaft zur Feststellung der Verbrei-tung von Werbeträgern (IVW) angeschlos-sen sind. Das waren 23 weniger als vor zehn Jahren. Auch die verkaufte Gesamt-aufl age der Tageszeitungen ist in den letz-ten Jahren leicht zurückgegangen.

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A • Die digitale Revolution

A 11 Blogs als Zeitungsersatz? Das Beispiel »Bildblog«

»Muss/darf man eigentlich irgendwelche Angehörigen ein-fach am Grab fotografi eren?« Diese Frage vom 6. Juni 2004 ist der erste Eintrag im »Bildblog«. Mittlerweile sind die »Notizen über eine große deutsche Boulevardzeitung« zu einem der wichtigsten und erfolgreichsten deutschen Web-logs geworden. »Bildblog« hat es sich zum Ziel gemacht, die Arbeit der Springer-Zeitungen »Bild«, deren Ableger »Bild am Sonntag« und deren Onlineauftritt »Bild.de« kritisch zu begleiten. Die Seite will »die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme« in Deutschlands größter Boulevard-zeitung unter die Lupe nehmen. Seit April 2009 erweiterte das Watchblog sein Themenfeld unter dem Namen »Bildblog für alle« und mit dem Motto »Ein Watchblog für deutsche Medien« auch auf andere Publikationen. »Bildblog« weist häufi g Fehler in der Berichterstattung, ungenügend recher-

chierte Artikel und Schleichwerbung nach und macht auch auf Verstöße gegen den Pressekodex aufmerksam.

Eine der bekanntesten Aktionen der Bildblogbetreiber star-tete im Jahr 2006. Unter der Überschrift »Fotografi ert Kai Diekmann!« wurde dazu aufgerufen, in der Manier der »Bild«-Leserreporter Bilder vom Chefredakteur der Zeitung zu machen. »Bildblog« wolle so die Belastbarkeit des Chef-redakteurs für Aktionen testen, die dieser anderen Promi-nenten zumutet.

Text: Holger Meeh (basierend auf dem Artikel »Bildblog« von wikipedia.de)

A 12 Der Heddesheimblog macht der Lokalzeitung Konkurrenz

Einmal schrieb ein Leser an Hardy Prothmann, dass seine Mutter erzählt habe, jemand habe auf die Straßenbahn ge-schossen. Und seine Mutter habe eigentlich immer recht. Prothmann rief bei der Polizei an – und die Geschichte stimmte. Da hatte das Heddesheimblog eine Exklusivmel-dung, der »Mannheimer Morgen« schrieb nichts darüber. Ein anderes Mal war die Ampel in der Ringstraße tagelang kaputt. Dann berichtete das Heddesheimblog, und sie wurde endlich repariert.

Das sind die Momente, die Hardy Prothmann Freude bereiten: »Ich habe im Moment den Spaß meines Lebens.« Prothmann ist 43 Jahre alt und freier Journalist. Er begann beim »Mann-heimer Morgen«, der örtlichen Lokalzeitung, später schrieb er für alle möglichen Medien. Im April fand er in seinem Briefkasten ein Schreiben einer Bürgerinitiative, die gegen die Ansiedlung des Logistikunternehmens Pfenning protes-tierte. Prothmann fand auch, dass jetzt schon zu viele Lkw in Heddesheim fahren. Weil ihm der »Mannheimer Morgen« nicht kritisch genug über das Thema berichtete, startete er darüber ein Blog. Daraus hat sich inzwischen eine Art Internetlokalzeitung entwickelt für Heddesheim, ein 11.500 Einwohner zählendes Städtchen in Nordbaden. Prothmann schreibt weiter über den Streit um Pfenning. Er berichtet aber auch über Gemeinderatssitzungen, das Oktoberfest der TG Heddesheim oder den örtlichen Weihnachtsmarkt. In-zwischen hat er einige Mitarbeiter, die ihn gelegentlich

unterstützen. Technisch läuft auf der Webseite noch einiges durcheinander, Menschen außerhalb von Heddesheim werden wenig Interessantes fi nden. Aber im Ort, sagt Prothmann, stößt das Projekt auf großes Interesse. Inzwischen riefen täglich mehr als 2.000 Leser seine Seite auf.

Das kleine Heddesheimblog erregt auch in der Medienszene Aufsehen. Denn solche Angebote gelten im Moment als Baustein des künftigen Journalismus. (...) Sie sollen im Internet die Leser ansprechen, die keine Lokalzeitung mehr abonnieren. Denn alle Menschen wollen erfahren, was um die Ecke passiert. Außerdem könnten die kleinen Firmen im Ort, die heute noch nicht online werben, als Kunden gewonnen werden. (...)

Wenn sich der Aufl agenschwund der Lokalzeitungen fort-setzt, könnten Internetzeitungen sie vielleicht eines Tages ganz ersetzen. Aber guter Lokaljournalismus ist auch im Netz teuer. (...) Aber Prothmann ist zuversichtlich. Ein Blumenladen hat Werbung gekauft, auch eine Autowerk-statt. Und Prothmann arbeitet bereits an der Expansion. Das Hirschbergblog hat er kürzlich schon gestartet, das Ladenburgblog soll folgen.

Berliner Zeitung vom 31. Dezember 2009 (Arne Lieb)

◗ Erläutert mithilfe der Texte A 11 und A 12 die Vorteile, die ein Blog gegenüber den traditionellen Medien bieten kann.◗ Diskutiert in der Klasse die These, Weblogs seien in der Lage, regionale Tageszeitungen auf Dauer zu ersetzen.

◗ Analysiert und interpretiert die Grafi k A 9. Stellt die Krise des Mediums Zeitung in eigenen Worten dar.◗ Vergleicht an einem Tag die Printausgabe einer beliebigen Tageszeitung mit ihrem Onlineangebot hinsichtlich Informa-tionsangebot und Schwerpunktthemen. Stellt die Vor- und Nachteile der Angebote in einer Tabelle gegenüber.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 9 – A 12

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A • Die digitale Revolution

A 13 Wikipedia schlägt Brockhaus

Wikipedia gehört neben Google zu den größten Recherche-angeboten im Internet. Aber weil Wikipedia von ganz nor-malen Nutzern geschrieben wird, müssten sich, so Kritiker, in dem kostenlosen Onlinelexikon viele Fehler fi nden. Um dies zu überprüfen, ließ der »stern« Wikipedia von Experten des Rechercheinstituts »Wissenschaftlicher Informations-dienst Köln« untersuchen.

Für den Test wurden 50 zufällig ausgewählte Einträge aus den Fachgebieten Politik, Wirtschaft, Sport, Wissenschaft, Kultur, Unterhaltung, Erdkunde, Medizin, Geschichte und Religion überprüft. Die vier Kriterien Richtigkeit, Vollstän-digkeit, Aktualität und Verständlichkeit wurden mit Schul-noten bewertet. Wikipedia erzielte über alle Bereiche eine

Durchschnittsnote von 1,7. Die Einträge zu den gleichen Stichworten in der kostenpfl ichtigen Onlineausgabe des 15-bändigen Brockhaus, die nach Verlagsangaben »per-manent aktualisiert« wird, erreichten lediglich eine Durch-schnittsnote von 2,7.

Ob »Hartz IV«, »U2«, »Penicillin« oder »Moses«: Bei 43 Artikeln bekam Wikipedia bessere Noten als die Konkurrenz. Nur bei sechs Stichworten lag der Brockhaus vorn, in einem Fall erhielten beide Nachschlagewerke die gleiche Note. Be-sonders gut schnitt Wikipedia in der Kategorie Aktualität ab. Beispiel: Während im Wikipedia-Artikel zu Luciano Pavarotti dessen Ableben bereits am Todestag vermerkt worden war, erwähnte der Brockhaus-Eintrag den Tod des Tenors selbst am 2. Dezember noch nicht. Der Literaturnobelpreis für die Schriftstellerin Doris Lessing, in Wikipedia längst beschrie-ben, fehlte beim Brockhaus zu diesem Zeitpunkt ebenso.

Überraschend siegte Wikipedia beim Test auch in der Rubrik »Richtigkeit«. Angesichts der Tatsache, dass hier Freiwil-lige gratis gegen professionelle Redakteure antreten, war dies nicht zu erwarten. Einzig bei der Verständlichkeit liegt der Brockhaus vorn. Einige Wikipedia-Artikel sind für Laien schlicht zu kompliziert, viele zu weitschweifi g, urteilten die Tester.

Stern/Picture Press vom 5. Dezember 2007

A 14 Lokales Wissen nach dem Wiki-Prinzip

Fast alles Wissen ist weltweit zugänglich – dem Internet sei Dank. Meist ist die Wissensplattform Wikipedia eine der ersten Adressen für die Informationsrecherche. Doch wohin wenden wir uns im Web, wenn wir mehr über den eigenen Heimatort erfahren möchten? Diese Lücke schließen Stadt- und Regionalwikis. Sie haben sich in den letzten Jahren als Nachschlagewerke für regionales Wissen etabliert. (…) Originelle Straßennamen, schmucke Bauwerke und traditi-onelle Großveranstaltungen – nur selten wissen wir, was dahinter steckt. Darüber informieren die Autoren der Stadt- und Regionalwikis, von denen es inzwischen mehr als 20 in Baden-Württemberg gibt.

Das inzwischen bekannteste und am besten etablierte ist das Karlsruher Stadtwiki. Es ist auch das größte, sagt der Friedrichshafener Professor Jörn von Lucke, der sich als Verwaltungsinformatiker mit dem Thema befasst. Hinter dem Karlsruher Wiki steckt der Verein Stadtwiki – Gesellschaft zur Förderung regionalen Freien Wissens e. V. »Kein Wunder, dass es in Karlsruhe das erste gab«, weiß Friedel Völker, der dem Verein angehört. »Das ist fast von alleine in der Informatikerszene der Stadt entstanden«, sagt der Compu-terfachmann. (…) Nach gut fünf Jahren ist eine respektable Sammlung entstanden: rund 20.000 Artikel. Der Verein hat

sich nun ein neues, ehrgeiziges Ziel gesetzt: mehr fremd-sprachliche Artikel. Auf Französisch sind bereits mehr als 1.000 Einträge zu fi nden, die englischen Versionen sind in der frankophilen Stadt noch schwach vertreten. Bald soll es auch türkische Einträge für die Migranten in der Stadt geben. (…)

Als Verwaltungsinformatiker sieht Professor Jörn von Lucke Bürgerwikis als »großartiges Instrument zur Bürgerbeteili-gung und zur Zusammenarbeit«. Gerade bei Diskussionen um Bürgerhaushalte, also Sparvorschläge und Investitions-wünsche, könnten sich mit Stadt- und Regiowikis »höchst spannende« Prozesse ergeben. Die Kommunen zeigen sich bisher aber eher zurückhaltend, da sie Mehrkosten befürch-ten. Dabei liege in den Stadt- und Kreisarchiven viel heimat-geschichtliches Material, das man ohne urheberrechtliche Bedenken in offene Stadt- und Regiowikis stellen und weiter veredeln könne, so von Lucke. Wenn also Engagement, Ideen und Möglichkeiten zusammenkommen, kann das vernetzte regionale Wissen wahr werden.

MFG Medienentwicklung Baden-Württemberg (Christine Bilger)

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A • Die digitale Revolution

A 15 Schummelnde Schüler: Der Copy-Schock

Nur zu gut weiß Justus noch, wie jener Moment war. Er musste zu dem Lehrer an den Tisch kommen, der schob ihm ein Blatt Papier hin, das nun direkt neben der Facharbeit lag, die Justus geschrieben hatte. »Gräuliches Recyclingpapier, wie es in Schulen halt verwendet wird«, erinnert sich Justus. Auch an den fragenden Blick des Lehrers, die hochgezogene Braue. Daran, wie er, Justus, sich vorbeugt und im grellen Neonlicht des Klassenzimmers sofort erkennt, um was es sich handelt: Einen Ausdruck der Quelle, aus der er seine Fach-arbeit kopiert hatte. »Die Papierqualität war das Einzige, was die Seiten voneinander unterschied«, sagt Justus. »Ein Scheißgefühl war das. Mir war heiß und kalt zugleich.« Er war aufgefl ogen mit seinem Schummelversuch, dem anstren-gungslosen Abschreiben. Die Quelle war online verfügbar, sie zu kopieren bedurfte es nur dreier Computerbefehle. Markieren, kopieren, einfügen: Copy and Paste.

Nun ist das Schummeln so alt wie die Schule und noch älter. Neu aber ist, dass junge Menschen über das Internet Zugang zu Inhalten jeglicher Art haben. Das erleichtert Recherche und Quellenfi ndung, aber auch Betrug. Das Wis-sensportal Wikipedia ist meist nur der Anfang. »Deine fertige Hausaufgabe gibt es doch schon!«, wirbt zum Beispiel der Anbieter »hausaufgabe.de«, »Warum also selbst abmühen?« Gedichtinterpretationen, Referate und Aufsätze stehen zur Verfügung. Die Versuchung, sich zu bedienen, ist groß. (…) Doch immer mehr Lehrkräfte an Schulen und Universitäten wissen genau, wie sie die Schummelschüler mit deren Waffen schlagen können. Sie tauschen sich in Internetforen aus und helfen beim Aufspüren von Plagiatsfällen. Im Internet surfen, das können sie auch. (…)

Für Hans-Walter Hoge, den 63-jährigen Direktor des Gymna-siums Lerchenfeld in Hamburg, steht eins außer Frage: »Es gibt kaum noch Skrupel beim Klauen«, sagt er. Weil ihm in den vergangenen Jahren immer häufi ger Arbeiten vorgelegt wurden, die von A bis Z abgekupfert waren, lässt er seine Schüler inzwischen schriftlich erklären, dass sie nur die Quellen verwendet haben, die sie auch als Quelle nennen. Vielleicht hat er damit die Grundlage für einen neuen und angemessenen Umgang gelegt. »Natürlich hat es das Plagiat schon während meiner Schulzeit gegeben«, sagt Hoge und schiebt die randlose Brille den Nasenrücken hoch. »Der Unterschied ist, dass beim Abschreiben damals der Text über die Hand doch auch irgendwie ins Hirn des Plagiators gelangte. Das ist heute anders, wenn man mit wenigen Klicks ganze Seiten übernehmen kann.« Das Lerchenfeld ist eine übersichtliche Schule, Hoge kennt seine Schüler persön-lich. »Ich will nicht sagen, dass die Plagiatoren moralische Bedenken gegenüber Urheber und Aufgabensteller beiseite schieben«, sagt er, »sie haben gar keine.« Einen Grund dafür sieht Hoge im schier unendlichen Angebot des Internets. »Es liegt so viel rum, dass schon das Aufsammeln und Finden im Selbstverständnis der Plagiatoren als kreativer Akt gilt.« (…)

Laut Justus ist das Eins-zu-eins-Übernehmen ein typischer Anfängerfehler. Man müsse schon darauf achten, dass der Text nicht vor Fremdwörtern und Fachvokabular strotze. Er ist sich sicher, dass er heute raffi nierter schummeln würde: »Man muss halt wissen, mit welchem Dozenten man’s machen kann.« Die meisten wüssten das schon ganz gut, fügt er hinzu. Copy and Paste sei in seinem Semester wahrscheinlich die am meisten gebrauchte Tastenkombination. Tatsächlich ist die Bereitschaft groß, sich mit fremden Federn zu schmü-cken. 2005 gaben im Rahmen einer Studie neun von zehn Studenten an, das Abschreiben in Betracht zu ziehen. Dabei entlässt das große Plagiatspiel am Ende nur Verlierer. Der Ur-heber wird beklaut, der Lehrer getäuscht, und auch der Schü-ler, der Student bringt sich um den Lernerfolg, das Begreifen eines Sachverhalts, die Freude am Selbstgedachten.

Der Tagesspiegel vom 15. April 2010 (Maris Hubschmid)

Recherchiert, ob in eurer Stadt oder Region ein ähnliches Angebot existiert. ◗ Diskutiert die These von Jörn von Lucke in A 14, Bürger-wikis seien ein »großartiges Instrument zur Bürgerbeteili-gung und zur Zusammenarbeit«.◗ Erörtert das Verhalten von Justus in A 15. Wie sollte sein Lehrer auf dieses Verhalten reagieren? Erläutert die Posi-tionen von Direktor Hoge zum Umgang mit der Plagiatsprob-lematik.

◗ Erstellt in Gruppenarbeit ein Plakat, das Geschichte, Funkti-onsweise und Auswirkungen von Wikipedia darstellt.◗ Führt mit den Begriffen »Berliner Mauer«, »Deutscher Bundestag« und »Zweiter Weltkrieg« einen eigenen Ver-gleich zwischen Wikipedia und einem gedruckten Lexikon durch. Könnt ihr das Ergebnis aus dem Text A 13 bestätigen? Begründet eure Auswertung.◗ Verschafft euch im Internet einen Überblick über das Karlsruher Stadtwiki und verfasst einen Bericht darüber.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 13 – A 15

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A • Die digitale Revolution

A 16 Soziale Netzwerke

A 17 Die Internetgesellschaft

Ob Facebook, Twitter oder Xing: Immer weniger Menschen können sich dem Sog Sozialer Netzwerke entziehen. Zu Recht, denn trotz möglicher Gefahren überwiegen die Vor-teile solcher Dienste.

Wo haben Sie sich das letzte Mal verliebt? In einer Kneipe, im Supermarkt oder beim Sport? Oder gehören Sie zu der wachsenden Gruppe von Menschen, die ihren Partner über das Internet gefunden haben? Das Web wird menschlich, soziale Kontakte, egal ob romantischer, freundschaftlicher oder professioneller Natur, werden im Internet gepfl egt oder sogar gefunden. Man tauscht sich am Bildschirm aus, trifft sich online und nutzt unzählige Services für ein digitales Gemeinschaftserlebnis. (...)

Das Internet ist sozial und führt Menschen zusammen. Netz-werke schießen wie Pilze aus dem Boden, deren Nutzer sammeln Onlinefreunde wie andere Briefmarken. Sie tau-schen sich aus, kommunizieren miteinander per Tastatur. Ob Facebook, MySpace, Twitter, studiVZ oder Xing: Jeder fi ndet das passende Netzwerk für sich, oder gleich mehrere: eines für private Kontakte, eines für geschäftliche Beziehungen und eines fürs Hobby. (...)

Gerade in ländlichen Gegenden, wo selbst der Weg zum nächsten Supermarkt mit dem Bus genommen werden muss, hat die virtuelle Vernetzung eine große Bedeutung. Während in Großstädten meist für jeden Geschmack eine Gaststätte oder ein Club zur Verfügung steht, haben kleinere Dörfer und Gemeinden oft nicht mal eine Bücherei, geschweige denn einen Treffpunkt für junge Leute. Wo also Freunde oder gar Partner kennenlernen? Und was ist, wenn man seinen Freundeskreis und Klassenkameraden verlässt, um in der Großstadt zu studieren oder zu arbeiten? Wie hält man die

Kontakte aufrecht, wenn man nur sporadisch in die Heimat fährt? Das Internet ermöglicht es, sich in Echtzeit über Freunde zu informieren. Und dafür muss nicht einmal mit-einander gesprochen werden. Kurze Statusmeldungen über den Gemütszustand der Freunde helfen dabei, sich trotz Entfernung verbunden zu fühlen.

Der Mensch ist kein Einzelgänger, auch wenn es da sicher Ausnahmen gibt. Das Bild des pickeligen Nerds, der einsam vor seinem Monitor sitzt und keine sozialen Kontakte hat, gehört längst der Vergangenheit an. Das Internet macht alle gleich und überwindet Grenzen, und die Währung in dieser virtuellen Welt sind Kontakte. Das Motto »Wer kennt wen?« ist, so scheint es, derzeit das wichtigste Credo. (...)

Wir befi nden uns derzeit in der Internetpubertät und expe-rimentieren noch ein wenig mit den Möglichkeiten herum, probieren aus, was geht und wohin die neue Technik führt. Während die älteren Nutzer eher zögerlich neue Techno-logien ausprobieren, haben die Jüngeren Twitter und Co. bereits verinnerlicht. Langsam aber sicher ändert sich das Bild, das Web entwickelt sich vom Pausenhof der jungen Nutzer zum Kontakthof für alle. (...)

Stern/Picture Press vom 6. März 2009 (Gerd Blank)

In Deutschland bewegten sich im dritten Quartal des Jahres 2009 26,4 Millionen In-ternetnutzer in Sozialen Netzwerken. Dies waren 3,6 Millionen mehr als im Vorjahres-zeitraum. Waren anfänglich insbesondere Jüngere in sozialen Onlinenetzwerken aktiv, so erschließen sich diese Gemein-schaften mittlerweile allen Altersklassen. Vor allem im berufl ichen Kontext gewinnen sie immer mehr an Bedeutung.

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A • Die digitale Revolution

A 18 Meine Daten sind frei!?

Onlineangebote wie das von Facebook kündigen das Ende der Privatheit an, wie wir sie kennen, sie rühren an den Grundfesten bürgerlicher Freiheit. (...) Was die Nutzer dort fi nden? Vor allem sich selbst und ihre Freunde. Zunächst erstellt jeder einen persönlichen Steckbrief. Darin geben Nutzer mindestens preis, wer sie sind und welche Freunde sie haben. Darüber hinaus ist alles möglich. Und so entblößen sich viele regelrecht, schreiben auf, was sie essen, anziehen, lieben, hassen, was sie denken, wen sie mögen und welche Musik sie hören. Sie klagen ihr Leid, diskutieren in Gruppen über Skifahren, Vegetarismus, Magersucht – und manchmal über ihre politischen Einstellungen. (...)

Gründe dafür, dabei zu sein, gibt es viele. Für Jugendliche ist wohl am wichtigsten, sich nicht allein zu fühlen. Außerdem wollen sie wissen, wie sie auf andere wirken. Studenten verabreden sich mit ihren Freunden oder schwatzen schrei-bend. (...) Wieder andere halten den Kontakt zu Freunden im Ausland. Neu sind nicht die Bedürfnisse. Neu ist, dass jedes Wort gespeichert wird und praktisch kein Nutzer ein Problem damit hat. So sind die Sozialen Netzwerke zu rie-sigen Datenbanken des Geschmacks, der Gefühle und des gesellschaftlichen Status geworden. (...) Eine ganze Ge-neration offenbart jetzt ihr Privatleben bei einer Handvoll kommerzieller Anbieter, und indem sie das tut, sprengt sie bisherige Konventionen.

Was ist künftig noch privat und unantastbar? Was schreibt man niemals auf? Was verteidigt man mit allen Mitteln gegen den Staat? Es wird neu verhandelt werden, was den Kern persönlicher und damit bürgerlicher Freiheit ausmacht. Welche Kontrolle man über seinen Ruf hat. Und wenn sich solche Konventionen ändern, ändert sich früher oder später der Datenschutz. Ändern sich Persönlichkeitsrechte und Zu-griffsrechte des Staates.

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Was für ein Wandel! Als die Bundesregierung Anfang der achtziger Jahre das Volk zählen wollte, gab es einen Auf-stand. Die geforderte, recht allgemeine Auskunft über die persönlichen Lebensverhältnisse hielten Millionen Bürger für unrechtmäßig. Sie sahen darin einen Kontrollwahn, der ihre persönliche Freiheit einschränken würde, und bildeten Hunderte von Bürgerinitiativen. (...) Die »Generation Volks-zählung« ging auf die Straße, um dem Staat und der Indus-trie einen möglichst großen geschützten Raum abzutrotzen, während eine junge Generation jetzt ihre Tür weit aufmacht. Sie scheint zu rufen: »Ist uns doch egal. Kommt alle rein!« Und warum auch nicht? Es ist alltäglich geworden, sich zu exhibitionieren – zumindest ein bisschen. (...)

Langfristig kann diese Offenheit aber zum Problem werden, weil man eben doch Spuren hinterlässt. Jede Mail, jedes Foto, jeder Beitrag in einer Diskussionsgruppe wird auf Dauer ge-speichert. Personalchefs berichten, dass Einträge bei Google und anderswo schon Karrieren zerstört haben. Das Internet vergisst nicht. (...) An dieser Stelle muss man jedoch die Betreiber von Sozialen Netzwerken in Schutz nehmen. Sie halten sich streng an die Gesetze zum Datenschutz. Sie weisen Neulinge darauf hin, dass ihre persönlichen Daten gespeichert und vermarktet werden. Sie erwähnen immerhin, dass man sich Letzterem verweigern kann, und meistens gibt es eine sehr sichtbare Rubrik »Mehr Privatsphäre«. Aber die Mehrheit ignoriert diese Hinweise. Es stört sie nicht, dass ihre Daten von anderen genutzt werden können.

Niemand kann einen gesellschaftlichen Wandel verbieten. Aber man kann ihn beeinfl ussen. Firmen sollten Daten nach einer Frist von wenigen Jahren löschen müssen, damit keine langfristigen Persönlichkeitsprofi le entstehen, auf die der Staat oder ein Arbeitgeber zugreifen kann. Die Datenschutz-beauftragten müssen auf neue Weise für ihre Sache werben. Sie sollten versuchen, in den Sozialen Netzwerken einen Dialog mit den dortigen Nutzern zu beginnen. Eine Doku-mentation, wie Internetrecherchen eine Karriere beenden können, würde einiges bewegen.

Wer trotzdem seine Spuren im Internet hinterlässt, muss hoffen, dass die Toleranz gegenüber Skurrilitäten, Fehltrit-ten und Jugendsünden zunehmen wird. Dass die Gesellschaft insgesamt noch liberaler wird. Sie ist auf gutem Weg dort-hin.

ZEIT ONLINE vom 1. November 2007 (Götz Hamann)

◗ Erläutert anhand der Texte A 17 und A 18 die Vor- und Nachteile der Sozialen Netzwerke. ◗ Arbeitet aus dem Text A 18 heraus, welche sozialen und politischen Auswirkungen der Sozialen Netzwerke der Autor des Textes anführt. Diskutiert diese in der Klasse.

◗ Führt in eurer Klasse eine anonyme Umfrage durch, wer in welchen Sozialen Netzwerken angemeldet ist. Vergleicht das Ergebnis mit der Grafi k in A 16.◗ Erstellt Profi le für die in A 17 aufgeführten Sozialen Netz-werke und vergleicht die Angebote.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 16 – A 18

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B • Nackt im Netz –Datenschutz und PrivatsphäreMaterialien B 1 – B 24

B 1 Schlagzeilen aus deutschen Medien

Datenpanne bei schülerVZInformationsdiebstahl in großem Stil: Einem Blogger wurden offensichtlich Daten von über einer Million Nutzer der Teenager-Plattform schülerVZ zugespielt.Süddeutsche Zeitung 16.10.2009

Daten-Skandal: Bahn bespitzelte eigene MitarbeiterIm Kampf gegen Korruption hat die Deutsche Bahn von einer Detektei mehr als 1.000 Mitarbeiter ausfor-schen lassen. Ins Visier gerieten nach Informationen des »stern« selbst die Ehepartner. Die zuständigen Datenschützer sehen »erhebliche Verstöße«, vielleicht sogar Straftaten.STERN 21.1.2009

Internetsurfer geben gefährlich viel von ihrer Privatsphäre preisBrowser, Cookies und Spionageprogramme verraten persönliche Vorlieben – Informationelle Selbstbestim-mung erfordert viel Selbstdisziplin.Die Welt 11.5.2009

Spitzelaffäre: Telekom gesteht massenhafte RechtsbrücheDatenschutz? Bankgeheimnis? Privatsphäre? Bei der Deutschen Telekom galten diese Grundsätze über Jahre hinweg offenbar nur bedingt. Jetzt hat der Konzern eine erschreckende Bilanz gezogen und massenhaft Verstöße gegen geltendes Recht und ethische Stan-dards eingeräumt.Handelsblatt 10.2.2010

Schaar warnt vor Google Street ViewWer will garantieren, dass der Internetriese Google die Bilder seines Straßenfotodienstes Street View nicht mit anderen Daten verknüpft? Der Datenschutzbeauf-tragte Peter Schaar warnt vor schweren Folgen.Focus 1.3.2010

Bundesverfassungsgericht: Vorratsdaten-speicherung ist verfassungswidrigDie Verfassungsrichter sehen einen Verstoß gegen das Telekommunikationsgeheimnis. Eine Rekordzahl von 35.000 Bürgern hatte vor dem Bundesverfassungsge-richt gegen die Speicherung der Telefon- und Internet-daten geklagt.Die Welt 2. März 2010

Kreditkarten-Gau: 40 Millionen Kundendaten gestohlenNach dem größten Datenklau in der Geschichte der Kreditkarten fürchten Kunden um die Sicherheit ihrer Gelder.Focus 18.6.2005

Facebook, studiVZ und Co: Viele sorgen sich um PrivatsphäreJeder dritte User von »Social Media«-Plattformen wie Facebook, studiVZ oder Netlog hat Bedenken, Persön-liches auf der Plattform zu posten. Bei Jugendlichen sorgen sich nur 16 Prozent um ihre Daten.Kleine Zeitung 21.7.2009

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 2 Ein Tag im Leben von Julia

◗ Vergleicht euren Tagesablauf mit dem von Julia. Wo hin-terlasst ihr digitale Spuren?◗ Was ist mit den kleinen Chips gemeint, die Julia (B 2)beim Einkaufen im Supermarkt entdeckt?

◗ Erstellt in Gruppenarbeit kurze Präsentationen zu den ein-zelnen Schlagzeilen in B 1. Stellt diese in der Klasse vor.◗ Erstellt einen genauen Plan, wann Julia (B 2) im Lauf ihres Tages digitale Spuren hinterlässt. Beschreibt diese Spuren und ordnet sie nach Kategorien in einer Tabelle.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 1 – B 2

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 3 Überwachungsmöglichkeiten

VersichererKaum beachtet, aber dafür umso effektiver sammelt die Versicherungsbranche riesige Mengen an Daten über ihre Kunden. Ziel ist es, Betrüger zu erwischen. Um ihnen das Handwerk zu legen, werden die Kriterien, die zur Aufnahme in das Register führen, geheim gehalten. (…) Die Zahl der Meldungen ist unterschiedlich. Die Kfz-Versicherer melden im Jahr rund eine Million Auffälligkeiten, die Unfallversi-cherungen hingegen nur 500. (…)

Die Spur des TelefonsDie Telekom speichert nicht nur Namen, Adresse und gege-benenfalls die Bankverbindung ihrer Kunden, sondern auch detaillierte Verbindungsdaten: Von welchem Anschluss aus wurde welche Nummer gewählt? Wie lange dauerte das Ge-spräch? Handelte es sich um ein normales Telefonat oder um eine Konferenzschaltung? Die Verbindungsdaten sind deswegen so detailliert, weil die Telekom – wie jede andere Telefonfi rma auch – ihren Kunden eine Rechnung stellen muss. (…)

PersonenkontrolleWer bei einer Polizeikontrolle seinen Personalausweis vorzei-gen muss, dessen Identität wird über das System INPOLneu überprüft. Das geschieht zentral beim Bundeskriminalamt, aber auch in den Datenbanken des jeweiligen Bundeslandes. Gespeichert sind persönliche Daten und Merkmale wie Tat-toos sowie Hinweise etwa auf einen Hang zur Gewalt. In den Dateien ist jeder gespeichert, gegen den einmal ein Ermittlungsverfahren eröffnet oder der wegen eines Ver-dachts festgenommen wurde. Die Eintragungen werden je nach Schwere der Straftat mit der Zeit gelöscht. (…)

KundenkartenZu den fl eißigsten Datensammlern zählen Warenhäuser und Unternehmen wie Payback, die Kundenkarten herausgeben. Laut Stiftung Warentest hat jeder Bundesbürger im Schnitt vier Kundenkarten im Portemonnaie. Damit hinterlässt er eine breite Datenspur, wenn er auf der Jagd nach Rabatt In-formationen über sich preisgibt. Die Herausgeber der Karten sind wissbegierig. Sie fragen bei Antragstellung in der Regel nicht nur nach dem Namen, dem Geburtsjahr und nach der

Adresse, sondern auch nach Telefonnummern, E-Mail-Adres-sen, der Haushaltsgröße, nach dem Familienstand, Einkom-men, Beruf und selbst nach Hobbys. (…)

Kennzeichen-ScanMitunter fotografi ert die Polizei in großem Stil mit einer Digitalkamera die Front von vorbeifahrenden Fahrzeugen. Die gescannten Nummernschilder gleicht das System mit dem des Bundeskriminalamts ab. Auf diese Weise sucht die Polizei etwa gestohlene Autos – oder Straftäter, deren Auto-kennzeichen bekannt sind. Blitzschnell wissen die Polizisten dann, ob sie etwas gefunden haben. (…) Das Verfassungs-gericht hat die Scanmethode – sofern fl ächendeckend und ohne Anlass eingesetzt – untersagt, weil sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze.

AntiterrordateiDie Datensammlung wurde 2007 beim Bundeskriminalamt eingerichtet. Eingespeist werden 334 Datenbankdateien und 511 Protokolldateien. 38 Sicherheitsbehörden ist der Zu-griff auf Informationen über mutmaßliche Terroristen und deren Organisationen erlaubt. Der Zugang zu Grunddaten wie Namen, Geschlecht, Geburtsort oder körperliche Merkmale steht allen von ihnen offen. (…)

SteuernummerElf Ziffern für die Ewigkeit: Seit dem 1. August 2008 erhalten die Bundesbürger per Post eine persönliche Steueridenti-fi kationsnummer, jedes Baby und jeder Greis. Die Zahlen-kombination ersetzt die bisherige Steuernummer und bleibt immer gleich, selbst nach einem Umzug. Die Nummer darf offi ziell zwar nur von den Finanzämtern verwendet werden, Datenschützer befürchten aber, dass auch andere Behörden darauf zugreifen könnten. (…)

Soziale NetzwerkeMillionen Menschen haben im Internet von sich ein Profi l abgelegt. Viele von ihnen sind Mitglied in einem sogenann-ten Sozialen Netzwerk. (…) Es ist üblich, seinen Namen und ein Foto zu veröffentlichen und Angaben zu persönlichen Vorlieben, zum Studium oder zur Karriere zu machen. Meist versuchen die Anbieter, diese Daten für zielgerichtete Wer-bung zu nutzen.

Microsoft-ProgrammeKeine Kameras, keine Mikrofone, und doch wird man nirgends stärker überwacht als im Internet. Beispielsweise von Micro-soft: Wer zu den rund 280 Millionen Nutzern des kostenlosen E-Mail-Dienstes Hotmail zählt, hat Microsoft meist freiwillig Namen, Wohnort und Geburtsdatum verraten. Andere Spuren hinterlässt man unbewusst. Ob Werbe-E-Mails im Postein-gang tatsächlich geöffnet wurden, kann mittels sogenannter »Webwanzen« kontrolliert werden. Kombiniert mit den Nut-zerdaten lässt sich so ermitteln, wer für welche Werbebot-schaften empfänglich ist. (…)

DIE ZEIT vom 14. August 2008

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 4 Das gläserne Individuum

und privatwirtschaftlichen Einrichtungen Sven Datenspuren hinterlässt (B 4). Welche Spuren sind das?◗ Überlegt Alltagsfälle, in denen die in B 4 aufgeführten Beispiele zu einem Problem für Sven werden könnten.◗ Organisiert in der Klasse eine Pro- und Contra-Diskussion zu den beiden Aussagen in B 5.

◗ Sammelt weitere Beispiele für Überwachungsmöglich-keiten im Alltag, wie sie in B 3 beschrieben sind. Erstellt am Beispiel der Kundenkarte Payback einen Bericht über die Vorteile und Risiken solcher Bonussysteme. Recherchiert dazu im Internet.◗ Stellt in einer Tabelle zusammen, bei welchen staatlichen

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 3 – B 5

Sven ...

◗ hat in den letzten sechs Monaten viermal eine Fahrt von Stuttgart nach Berlin gebucht◗ interessiert sich für Bücher über Harley Davidson und bestellt regelmäßig Manga-Comics im Internet◗ hat ein Sparguthaben von 4.327 Euro◗ kauft regelmäßig bei zwei Kaufhausketten ein und sam-melt Rabattpunkte◗ verrät einem Sozialen Netzwerk, dass er am 27. März 1988 geboren ist, von Beruf Versicherungskaufmann, Single, im Winter gern Snowboard fährt und ansonsten Badminton spielt◗ ruft von seinem Handy mindestens zweimal am Tag eine bestimmte Handynummer an◗ steht musikalisch auf Jan Delay und Peter Fox, aber auch auf Reinhard Mey, deren Lieder er im Internet herunterlädt

◗ sucht im Internet nach einem Gebrauchtwagen, interes-siert sich für schottischen Whisky, trägt gerne Klamotten einer bestimmten Marke, sucht eine Freundin und plant eine Reise nach Japan◗ bestellt regelmäßig bei einer Onlineapotheke ein Haar-wuchsmittel, da er schon mit beginnendem Haarausfall zu kämpfen hat◗ wurde im letzten Sommerurlaub in Spanien gefi lmt, wie er alkoholisiert und laut grölend mit Freunden über die Strand-promenade wankte. Den Film haben seine Freunde ins Netz gestellt◗ hat schon zwei Operationen am linken Knie gehabt◗ hat im letzten Jahr 17 Arbeitstage krankheitsbedingt nicht arbeiten können◗ überzieht regelmäßig sein Konto.

B 5 Ich habe doch nichts zu verbergen!

»Ich habe eigentlich grundsätzlich als ordentlicher Staats-bürger keine Bedenken, wenn man mich überprüft. Das Problem, das ich sehe, ist, dass das Missbrauchspotenzial enorm steigt. Wenn meine Daten manipuliert werden in einem Computer oder beim Reisepass, habe ich kaum noch Chancen zu beweisen, dass ich es nicht war, dass ich unschuldig bin, weil man den Geräten und den ge-speicherten Informationen mehr vertraut.«

Gunnar Porada, IT-Sicherheitsexperte

»Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.«

Eric Schmidt, Vorstandsvorsitzender von Google

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 6 Zehn Minuten, die allen helfen

1987 schwärmte eine halbe Million Volkszähler aus, um die Menschen in Westdeutschland zu befragen. Mit dem Stich-tag 25. Mai 1987 wurde die letzte umfassende Volkszählung durchgeführt, bei der ein umfassender Fragebogen ausgefüllt werden musste. Zuvor hatte unter dem Slogan »10 Minuten, die allen helfen« eine der aufwändigsten Werbekampagnen der Bundesregierung in Funk, Fernsehen und Zeitschriften für die Akzeptanz der Volkszählung geworben. Denn vier Jahre vorher war eine Volkszählung am Widerstand der Bevölkerung gescheitert.

Die letzte deutsche Volkszählung hatte eine turbulente Vor-geschichte. Ursprünglich wäre die Volkszählung des gesam-ten deutschen Volkes im Jahre 1981 fällig gewesen. (…) Die Volkszählung wurde auf den 27. April 1983 verschoben, unter anderem mit dem Argument, eine besonders detaillierte Volkszählung wissenschaftlich vorzubereiten. Das Ergebnis war ein umfassender Fragebogen, der mit kleinen Änderungen

dann 1987 zum Einsatz kam. Dieser Fragebogen wurde heftig kritisiert und politisch wie juristisch bekämpft. »Zählt nicht uns – zählt eure Tage« rief man auf Demonstrationen gegen die Volkszählung. 1984 stand vor der Tür, das symbolische Jahr des Orwell‘schen Überwachungsstaates. (…) Geklagt wurde gegen die Weitergabe der Volkszählungsdaten an die Meldeämter und gegen den umfangreichen Fragenkatalog. Auch die zehnjährige Aufbewahrungsfrist der Fragebögen war Gegenstand der Kritik.

Eine Klage von zwei Hamburger Rechtsanwältinnen führte schließlich am 15. Dezember 1983 zum berühmten Volkszäh-lungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes, das den Gedan-ken der informationellen Selbstbestimmung als Grundrecht einführte: Wenn Bürger nicht mehr wissen, wer was wann über sie weiß, werden sie versuchen, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Das anbiedernde »Ich habe nichts zu verber-gen« widerspricht dem Grundrecht der eigenen Persönlichkeit: »Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus.« (…) Mit den Ermahnungen der Verfassungsrichter versehen, starteten die Statistiker darum vor der Volkszählung vom 25. Mai 1987 eine teure Werbekampagne in allen zeitgenössischen Massenme-dien mit dem immer gleichen Claim: »Wie Sie heißen, ist uns egal. Ihr Name hilft uns beim Zählen und wird später vernich-tet. Ihr Egon Hölder. Leiter des Statistischen Bundesamtes. Volkszählung. 10 Minuten, die allen helfen.«

Insgesamt kostete die Volkszählung 1987 über eine Milliarde DM. Über die Kosten und Nutzen dieser Volkszählung streiten sich die Statistiker bis heute. (…)

www.heise.de/newsticker/meldung/Vor-20-Jahren-10-Minu-ten-die-allen-helfen-Update-132575.html (Detlef Borchers)

B 7 Zensus 2011

Mit einem Plakat wird im Januar 1987 in Hannover gegen die geplante Volkszählung protestiert.

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Die Europäische Union plant für das Jahr 2011 einen gemein-schaftsweiten Zensus. Bei einem Zensus handelt es sich um eine Erhebung, die ermittelt, wie viele Menschen in einem Land, in einer Stadt leben, wie sie wohnen und arbeiten. (…) Im Unterschied zu einer traditionellen Volkszählung wird beim registergestützten Zensus nicht mehr jeder Haushalt befragt, sondern es werden vor allem Verwaltungsregister zur Gewinnung der Daten genutzt. (…)

Deutschland benötigt einen neuen Zensus, denn die aktuellen Bevölkerungs- und Wohnungszahlen basieren auf Fortschrei-bungen der letzten Volkszählungen. Diese fanden in Deutsch-land zuletzt im früheren Bundesgebiet im Jahre 1987 und in der ehemaligen DDR 1981 statt. Im Laufe der Jahre nehmen Ungenauigkeiten in der Fortschreibung und in den auf Volks-zählungsdaten basierenden Stichproben zu. Aber auch histo-rische Umbrüche, wie die Wiedervereinigung und die vielen

Umzüge insbesondere von Ost nach West machen einen neuen Zensus notwendig. Die gegenwärtig von der amtlichen Statis-tik durch die Fortschreibung ermittelten Bevölkerungszahlen sind vermutlich deutlich überhöht. Um wie viel genau, wissen wir erst nach dem neuen Zensus. Genaue Bevölkerungszahlen sind für eine Vielzahl von Bereichen von zentraler Bedeu-tung: Zum Beispiel werden der Finanzausgleich zwischen den Bundesländern und die Einteilung der Bundestagswahlkreise anhand der Einwohnerzahlen vorgenommen. Aber auch für die Planung neuer Schulen, Krankenhäuser und Einrichtungen für ältere Menschen muss man genau wissen, wie viele Menschen wo leben und wie alt sie sind. Fehlen verlässliche Bevölke-rungszahlen, kann es zu Fehlentscheidungen kommen. (…)

Statistische Ämter des Bundes und der Länder(www.statistikportal.de/Statistik-Portal/Zensus)

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 8 Informationelle Selbstbestimmung – was bedeutet das?

Kurz beantwortet bedeutet informationelle Selbstbestim-mung: Jeder hat das Recht zu wissen, wer was wann über ihn weiß. Das Bundesverfassungsgericht hat im Volkszählungs-urteil vom 15. Dezember 1983 erstmals anerkannt, dass es ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gibt. Das Gericht hat dazu ausgeführt: »Das Grundrecht gewähr-leistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persön-lichen Daten zu bestimmen. Einschränkungen dieses Rechts

auf informationelle Selbstbestimmung sind nur im über-wiegenden Allgemeininteresse zulässig (...).« Es besteht demnach ein »Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Er-hebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten«. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird als besondere Ausprägung des schon zuvor grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlich-keitsrechts angesehen. Wie dieses wird es verfassungsrecht-lich aus Art. 2 Abs. 1 (sog. allgemeine Handlungsfreiheit) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürdegarantie) hergeleitet.

Die Grundaussage des Volkszählungsurteils zur informati-onellen Selbstbestimmung lässt sich mit dem Satz zusam-menfassen: So viel Freiheit wie möglich und so viel Bindung wie nötig. Die Freiheit der Bürger wird dabei grundsätzlich vorangestellt; zugleich wird den Anforderungen der Gemein-schaft Rechnung getragen.

Virtuelles Datenschutzbüro (www.datenschutz.de)

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◗ Stellt die Argumente für und wider eine Volkszählung einander gegenüber (B 6 und B 7). Führt dann in der Klasse eine Abstimmung für oder gegen die Maßnahme durch.◗ Erklärt in eigenen Worten den Begriff »informationelle Selbstbestimmung« (B 8).◗ Warum könnte der Karikaturist in B 9 seine Zeichnung zugespitzt »Krokodilswarnungen« genannt haben? An wen appelliert er mit der Karikatur?

◗ Erarbeitet eine Präsentation über den Widerstand gegen die Volkszählung 1983 und 1987 (B 6). Fasst dabei die Be-fürchtungen der Volkszählungsgegner zusammen.◗ Was meint der Begriff »Orwell‘scher Überwachungsstaat«?◗ Analysiert den Fragebogen zur Volkszählung 1987 unter www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/zensus/VZ87_Erhebungsbogen.pdf. Vergleicht die dort gestellten Fragen mit den Daten, die ihr beim Einkaufen im Internet oder im Umgang mit Sozialen Netzwerken angebt.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 6 – B 9

B 9 Krokodilswarnungen

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 10 Vorratsdatenspeicherung

Telefon- und Internetdaten dürfen in Deutschland vorerst nicht mehr massenhaft gespeichert werden. Das Bundes-verfassungsgericht schob dieser Praxis nun einen Riegel vor. Die Karlsruher Richter erklärten das Gesetz zur Vorrats-datenspeicherung für verfassungswidrig und gaben damit der größten Massenklage in der Geschichte der Bundes-republik statt. (…)

Die Speicherung von Telefon- und Internetdaten für sechs Monate war Ende 2007 von der damaligen Großen Koalition beschlossen worden, um Ermittlungen gegen Terrorverdäch-tige und Schwerverbrecher zu erleichtern. Grundlage dafür war eine EU-Richtlinie. Fast 35.000 Bürger zogen gegen das Bundesgesetz nach Karlsruhe und bekamen nun weitgehend Recht.

Bei der Datenspeicherung handele es sich »um einen be-sonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt«, sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der Urteilsverkündung. Anhand der Daten seien »tiefe Einblicke in das soziale Umfeld« möglich. Die Speicherung der Daten ohne einen Verdacht sei geeig-net, ein »diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins« hervorzurufen.

Unternehmen müssen die gesammelten Daten nun vernich-ten. Die Karlsruher Richter erteilten einer Speicherung aber keine generelle Absage. Die EU-Richtlinie stellten sie nicht in Frage. Damit umschifften sie eine Vorlage beim Europä-ischen Gerichtshof. Um die Strafverfolgung effektiver zu machen, könne ein Eingriff in das Telekommunikations-

geheimnis grundsätzlich angebracht sein, erklärten die Richter. Für eine mögliche Neufassung des Gesetzes machten sie aber klare Vorgaben: So muss die Sicherheit der Daten durch eine entsprechende Aufsicht gewährleistet sein, und der Betroffene muss erfahren, dass seine Daten übermittelt wurden. Wichtigste Voraussetzung: Die Daten werden von den einzelnen Telekommunikationsunternehmen gesammelt, so dass der Staat niemals selbst in Besitz eines Datenpools kommt.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sprach von einem »herausragend guten Tag» für Grundrechte und Da-tenschutz«. »Diese Entscheidung wird auch auf Europa aus-strahlen.« Für weitere anlasslose Datensammlungen auf EU-Ebene sei der Spielraum geringer. (…)

Innenminister de Maizière will dagegen an der Vorrats-datenspeicherung festhalten. Er forderte Leutheusser-Schnarrenberger auf, die EU-Richtlinie zügig und verfas-sungskonform umzusetzen. »Ich hätte mir am heutigen Tag ein anderes Urteil gewünscht«, sagte der CDU-Politiker. Die Richter hätten jedoch auch Wege aufgezeigt, wie man die Speicherung von Vorratsdaten verfassungskonform umsetzen könne. (…)

dpa vom 2. März 2010 (Marion van der Kraats)

In Deutschland dürfen vorerst keine Telefon- und Internetdaten mehr ohne konkreten Verdacht massenhaft ge-speichert werden. Das Bundesverfas-sungsgericht in Karlsruhe kippte am 2. März 2010 die Vorratsdatenspeiche-rung. Die Grafi k zeigt, was wie gespei-chert werden soll. Sie zeigt auch die Eckpunkte des Urteils.

B 11 Karlsruhe kippt Vorratsdatenspeicherung

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 12 »Politik muss die Ängste nehmen?«

Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspei-cherung für nichtig erklärt. Konrad Freiberg, Chef der Ge-werkschaft der Polizei (GdP), äußert sich dazu in einem Interview.

Gefährdet das Urteil die Sicherheit in Deutschland?Auf jeden Fall beeinträchtigt es die innere Sicherheit. Wir werden Tausende von Straftaten im Bereich der Schwer-kriminalität nicht mehr aufklären können.

Warum war die Vorratsdatenspeicherung so wichtig für die Arbeit der Polizei?Wir konnten auf Daten zurückgreifen, die die Provider ge-speichert hatten. Bei Ermittlungen oder Festnahmen stellten wir dadurch Kontakte, Netzwerke oder Mittäter fest, weil wir überprüfen konnten, mit wem telefoniert wurde. Dafür gibt es viele Beispiele im Bereich des Terrorismus, etwa bei der Sauerland-Gruppe, aber auch in anderen schwerkriminellen Bereichen. Von daher ist es bedauerlich, dass wir das Mittel nicht mehr einsetzen können. (…)

Können Sie die Ängste vieler Bürger verstehen, grundlos durchleuchtet zu werden?Selbstverständlich kann ich das nachvollziehen. Wir kritisie-ren ja auch nicht in erster Linie das Urteil. Die Politik hat ein schlampiges Gesetz gemacht. Sie hat das Wichtigste dabei

(GdP) das Hauptproblem (B 12)? Könnt ihr seiner Argumen-tation folgen? Begründet eure Entscheidung.◗ Analysiert und interpretiert die Karikatur B 13. Nehmt Stellung zu der dort getroffenen Aussage.

◗ Stellt die Argumente der Befürworter und der Gegner der Vorratsdatenspeicherung gegenüber. Beurteilt dann die Ent-scheidung des Bundesverfassungsgerichts (B 10 und B 11).◗ Worin sieht der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 10 – B 13

versäumt, nämlich Willensbildung zu betreiben. Das heißt, die Menschen aufzuklären und dafür zu streiten, was man für erforderlich hält. Es nützt nichts, ein Gesetz zu machen, was von großen Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert wird. Die Ängste der Bürger angesichts der technischen Möglichkeiten und der Gefahr des Missbrauchs von Daten sind durchaus zu verstehen. Deswegen muss die Politik den Bürgern den Sinn und die Notwendigkeit des Gesetzes erklären und ihnen klarmachen, dass sie keine Angst haben müssen, wenn die Polizei auf die Daten zurückgreift. Denn es wird alles kon-trolliert und es gibt hier keinen Missbrauch.

Wie ist nach dem Urteil der Ist-Zustand: Unter welchen Voraussetzungen darf die Polizei weiter auf Daten zu-greifen?Das wird jetzt erstmal gar nicht mehr gehen. Ich gehe nach den aktuellen Ankündigungen davon aus, dass die Provider jetzt dicht machen und bildlich gesprochen die Leitungen kappen.

Hessische/Niedersächsische Allgemeine Zeitung vom 3. März 2010 (Interview: Jörg S. Carl)

B 13 »Auf die Verfassung ...«

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 14 Second Life?

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Kontaktnetzwerke im Internet wie Facebook oder MySpace haben nach Angaben der Stiftung Warentest häufi g gravie-rende Mängel beim Datenschutz und der Sicherheit der Daten von Nutzern.

Bei der Untersuchung hätten die großen US-amerikanischen Anbieter wie Facebook oder MySpace am schlechtesten ab-geschnitten. Diese schränkten zwar die Rechte ihrer Nutzer erheblich ein, räumten sich selbst aber umfassende Rechte bei der Verwertung der Daten der Anwender ein, vor allem bei der Weitergabe der privaten Angaben, etwa an Unter-nehmen. Auch beim Schutz vor Hackerangriffen fanden die Tester nach eigenen Angaben teilweise erschreckende Lücken. Bei einigen Portalen hätten sie sogar ganze Konten von Nutzern übernehmen können. (…)

Um die Sicherheit der Nutzerdaten auf den Onlineplatt-formen ist es mitunter schlecht bestellt, teilte die Stiftung Warentest mit. Um herauszubekommen, wie sicher die Daten sind, versuchten sie in die Computersysteme der Anbieter einzudringen. (…) Die Experten der Stiftung hätten bei den Netzwerken Jappy und Stayfriends »mit relativ einfachen Mitteln«, teils nur wenige Tage gebraucht, bis sie »jedes beliebige Nutzerkonto« mit einfachen Schritten hätten übernehmen können. Es habe Zugriff auf die Daten der Nutzer bestanden, teilte die Stiftung mit. Bei lokalisten und wer-kennt-wen.de wäre eine Übernahme der Konten mög-lich gewesen, deren Nutzer einfache Passworte ausgewählt hatten. In Sachen Mobilzugang über das Handy schnitten alle geprüften Netzwerke schlecht bei der Verschlüsselung des Zugangs ab. (…)

Beim Umgang mit Nutzerdaten entdeckten die Tester bei den meisten Netzwerken deutliche Mängel. Vor allem Facebook, MySpace und LinkedIn bieten den Nutzern wenig Rechte, ge-

nehmigen sich selbst aber in vielen Fällen das Recht, Daten an Dritte weiterzugeben, ohne den Zweck zu nennen. Bei Facebook geben die Nutzer zudem die Urheberechte an allen Inhalten, die sie auf der Seite posten, ab – also auch die von Profi lbildern oder Partyfotos. Die getesteten VZ-Seiten belassen die Verwertungsrechte beim Nutzer. (…)

Eine sichere Alterskontrolle bietet keines der getesteten Netzwerke: So können sich bei schülerVZ prinzipiell auch Erwachsene unter falscher Identität oder Kinder unter dem Mindestalter von zwölf Jahren anmelden – zumal eine Iden-tifi zierung per Personalausweis erst mit 16 Jahren möglich ist. (…)

Richtig gut schneidet keines der untersuchten Portale ab: Die Ergebnisliste reicht deshalb nur von »einige Mängel« über »deutliche Mängel« bis »erhebliche Mängel«. »Einige Mängel« haben schülerVZ und studiVZ, die bei den AGB und den Nutzerrechten gut abschneiden. Bei Jappy, lokalisten, wer-kennt-wen.de und Xing fanden die Autoren deutliche Mängel, positiv wurden hier die AGB vermerkt. Besonders schlecht kommen Stayfriends und die US-Netzwerke Face-book, LinkedIn und MySpace weg. Facebook und MySpace kassieren in allen Kategorien die Noten »ausreichend« bis »mangelhaft«.

www.sueddeutsche.de vom 25. März 2010

B 15 Katastrophaler Datenschutz

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 16 Datenklau bei schülerVZ

B 17 Illegaler Datenhandel

◗ Was bedeutet die in B 15 geschilderte Weitergabe von persönlichen Daten an Dritte? ◗ Was bedeutet die Abtretung von Urheber- und Verwer-tungsrechten? Recherchiert die Begriffe und erstellt eine Dokumentation.

◗ Diskutiert den Begriff »Second Life«, den der Karikaturist in B 14 thematisiert.◗ Lest den Text B 15 und wertet die Schaubilder B 16 und B 17 aus. Erstellt dann eine kurze Umfrage in der Klasse, wer die Nutzungsbedingungen und Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen (AGB) der genutzten Sozialen Netzwerke kennt. Wählt zwei Netzwerke aus (z. B. schülerVZ und Facebook) und vergleicht deren AGB. Listet Gemeinsamkeiten und Un-terschiede auf.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 14 – B 17

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 19 Die Angst vor der Macht der Suchmaschine

Die beliebteste Internetsuchmaschine der Welt ist gefähr-lich. Und jeder kann Googles nächstes Opfer werden. Diese Erfahrung musste der Amerikaner Eric Schmidt machen, als er auf einer Website intime Details aus seinem Privatleben entdeckte: Hobbys, Wohnort, Vorname seiner Frau, sein poli-tisches Engagement für die Demokraten, seine letzten – recht ertragreichen – Wertpapiergeschäfte. Binnen 30 Minuten sei das Material zusammengegoogelt worden, verkündete die Autorin stolz, eine Journalistin aus Kalifornien, die einen Artikel über die Gefahren von Google für die Privatsphäre recherchiert hatte.

Schmidt war entrüstet. Doch er konnte sich nicht wehren. Das Wissenswerte aus seinem Leben war dank Google längst für jedermann im Netz zu fi nden. Herr Schmidt ist kein Einzelfall. Doch Herr Schmidt ist ein aufsehenerregender

Fall: Denn er ist Chef von Google. Und in dieser Funktion beschwor er die sagenhafte Informationsmacht seiner Firma noch im Frühjahr mit den Worten: »Wenn wir über das Or-ganisieren aller Informationen dieser Welt sprechen, dann meinen wir alles, verfügbar für alle.« Nun hat Eric Schmidt die furchterregenden Folgen seines eigenen Erfolgs kennen-gelernt.

Financial Times Deutschland vom 28. August 2005 (Helene Laube und Martin Virtel)

B 18 AOL-Datenpanne: Suchanfragen verraten Surfer

Das Internet kann so einfach sein: Ein Account reicht bei Diensten wie Google, AOL, Yahoo oder Microsoft in der Regel aus, um komfortabel Mails zu verwalten, per Instant Messen-ger zu chatten, Termine im Überblick zu bewahren oder Bilder zu speichern. Doch Datenschützer warnen bereits seit längerer Zeit vor dem brisanten Datenmix, der sich so an den Schnittstellen der Useraccounts bei Google & Co. ansammelt. (…)

Wie schnell die Datensammlungen der Webdienste zu einem ernsthaften Problem für die Privatsphäre der Surfer werden kann, zeigt eine fahrlässige Datenpanne bei AOL. Die For-schungsabteilung des Onlinedienstes hatte über drei Monate lang die Suchanfragen von mehr als 500.000 Usern aus den USA protokolliert und dann als Datei auf einer frei zugäng-lichen Projekt-Webseite veröffentlicht. Als Datengrundlage für andere Internetforscher, wie auf der Webseite stand. In der über 440 Megabyte großen Datei seien zwar die AOL-Namen der Nutzer anonymisiert worden. Ansonsten enthielt die Datei jedoch alle Suchanfragen der beobachteten Surfer, den Zeitpunkt der jeweiligen Suche und ein paar weitere Daten. (…)

»Das war ein Fehler, und wir sind sehr wütend und be-stürzt«, teilte das Unternehmen der »Washington Post« in einem Statement mit. »Es war ein Fehler, und wir entschul-digen uns dafür.« Es seien jedoch keine Daten enthalten gewesen, die einen Rückschluss auf die jeweiligen Personen geben könnten. Tatsächlich konnten Reporter der »New York Times« bereits nachweisen, dass die Informationen aus den Suchprofi len in manchen Fällen durchaus ausreichen, um trotz Anonymisierung die Identität einzelner Personen zu enthüllen. Wie die Zeitung berichtet, folgten die Reporter dafür den Hinweisen, die sich in einzelnen Suchanfragen versteckten.

So etwa bei einem mit der Nummer »4417749« versehenem Websurfer, der im Laufe der drei Monate nicht nur nach »ge-fühllose Finger« oder »Hund, der auf alles uriniert« suchte, sondern auch immer wieder nach »Landschaftsgärtnern in Lilburn, Georgia« und Personen mit dem Nachnamen Arnold. Weitere Hinweise führten die Reporter schließlich zu einer 62-jährigen, in Lilburn lebenden Witwe. Die erkannte ihre eigenen Suchanfragen prompt wieder – und war entsetzt. »Ich hatte keine Ahnung, dass mir jemand über die Schulter sieht«, sagte sie der Zeitung.

Die Werbeindustrie dürfte angesichts der jetzt im Netz ver-fügbaren Datenberge jubeln. Denn eigentlich sind Suchpro-fi le in solchen Ausmaßen ein gut gehütetes Geheimnis der Suchmaschinenbetreiber. Dank der AOL-Datei jedoch lassen sich nun mit geringem Aufwand die Suchvorlieben der Nutzer analysieren und mit den gewonnenen Erkenntnissen Web-seiten für Suchmaschinen optimieren. Auch die Versender von Spammails dürften sich die Datenschätze sehr genau ansehen. (…)

FOCUS Online (www.focus.de) vom 9. August 2006 (Alexander von Streit)

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

Bei der Stellenbesetzung suchen Unternehmen immer öfter auch über das Internet nach Informationen über ihre Bewerber. Bei jedem vierten Unternehmen kommt es vor, dass ein Bewerber deshalb erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen oder eingestellt wird. Allerdings kann ein Bewerber auch mit seiner Darstellung im Netz bei Arbeitgebern punkten, wenn diese positive Merkmale beinhaltet wie z.B. ehrenamtliches Engagement.

B 20 Personalchefs googeln Bewerber

B 21 Neulich beim Vorstellungsgespräch ...

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werden?« Eine Gruppe sollte die Seite der Arbeitgeber, die andere Gruppe die Seite der Bewerber vertreten.◗ Beschreibt die Situation, die der Karikaturist in B 21 dar-stellt. Beurteilt und begründet, ob sie realistisch ist.

◗ Erläutert mithilfe des Textes B 18 die Datenschutzprob-leme, die sich bei Suchmaschinen ergeben können.◗ Diskutiert die in B 19 beschriebene Reaktion von Eric Schmidt.◗ Wertet die Grafi k B 20 aus und bereitet ein Streitgespräch vor zum Thema »Dürfen Bewerber im Internet durchleuchtet

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 18 – B 21

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 22 Datenschutz – eine Idee hat sich überlebt

Datenschutz wird gemeinhin als eines dieser Dinge verstan-den, gegen die man nicht sein kann. So wie Gerechtigkeit oder Liebe. Dabei hat sich die Lage in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten total geändert. Computer und Internet haben dazu geführt, dass die Menschen inzwischen alles freiwillig preisgeben – und das auch noch toll fi nden. (…) Die schrillsten Bilder, die beklopptesten Sprüche – alles wird fröhlich ins Profi l gestellt. Menschen sagen sich online Dinge, bei denen sie sich offl ine (also von Angesicht zu Angesicht) in Grund und Boden schämen würden. Die Idee Datenschutz hat sich überlebt. In Westdeutschland war 1983 das Jahr, in dem sie weite Teile der Bevölkerung erfasst hatte. Als die Fragebögen für die Volkszählung bekannt wurden, formierte sich Widerstand, der vor dem Bundes-verfassungsgericht Recht bekam und so eine abgespeckte Variante durchsetzte. Trotzdem folgten viele Bürger 1987 den Boykottaufrufen. Dass der Staat möglichst wenig von einem wissen solle, galt ihnen nicht zuletzt als eine Lehre aus der NS-Zeit. (…)

Im Computerzeitalter hat sich das radikal geändert. In-zwischen legen die Menschen alles offen. Wer im Büro mit seinem computerlesbaren Ausweis eine Tür öffnet, bedient gleichsam eine Stechuhr. Wer dann nach Feierabend ein-kauft, legt im Supermarkt mit der Kundenkarte Rechenschaft

ab, und als Gegenleistung gibt es ein paar läppische Punkte, die man im Zweifel doch nie einlöst. Aber das ist nur der Anfang. In jedem Portemonnaie stecken diese und andere Datenspeicher, von Payback bis Clubsmart, von Bahncard bis Miles & More plus EC, Mastercard und Visa. Die Freiheit gönn’ ich mir. Und das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang. Schon gibt es einen Trend zur Verarbeitung solcher Kundendaten in Echtzeit. (…)

Das Internet mit seinen Netzwerken, Suchmaschinen und Chatrooms saugt im Sekundentakt Millionen persönlicher Daten ab, ohne dass die Nutzer es merken. Der gläserne Mensch, das Schreckensbild der Volkszählungsgegner von einst, ist längst Realität, und der Staat spielt als Nutznießer dabei nur eine Nebenrolle. In dieser Welt ist Datenschutz sinnlos, und es ist am klügsten, so zu handeln, als ob es ihn nicht gäbe. Erstens kommt man damit der Wahrheit ziemlich nahe. Zweitens ist am Ende die unendliche Datenfl ut der beste Datenschutz. Das Sandkorn verschwindet im Meer, die technische Revolution frisst ihre Kinder. Und drittens kann man sich auf lohnende Dinge konzentrieren. Liebe und Gerechtigkeit zum Beispiel.

Der Tagesspiegel vom 25. März 2010 (Moritz Döbler)

B 23 Datensparsamkeit gegen Datenmissbrauch

Ob vor dem Onlineeinkauf oder zur Anmeldung bei Commu-nitys: Bei vielen Anwendungen kommen Netznutzer nicht umhin, persönliche Daten preiszugeben. Dabei machen sie möglichst immer nur diejenigen Angaben, die wirklich nötig sind. Das rät Wolfgang Holst, Mitarbeiter beim Landesbe-auftragten für den Datenschutz Niedersachsen in Hannover. (…) »Die Angabe der Telefonnummer zum Beispiel ist nor-malerweise nicht erforderlich«, sagt Holst. Das gilt ebenso für das Einkommen, den Familienstand oder Hobbys, wonach ebenfalls nicht selten gefragt wird. Als Pfl ichtangabe ge-kennzeichnet ist neben der Bankverbindung auf vielen For-mularen bei Onlineanbietern dagegen oft die Mailadresse – obwohl sie etwa zum Abwickeln einer Onlinebestellung nicht

unbedingt benötigt wird: »Wenn die Ware per Post kommt, braucht der Händler eigentlich keine E-Mail-Adresse von mir«, sagt Holst. »Und wenn er sie doch verlangt, kann ich immer noch eine Zweitadresse angeben, das ist grundsätzlich auch eine Datenschutzmaßnahme.« Hat ein Anbieter optionale Angaben überhaupt nicht gekennzeichnet, überlegt sich der Anwender nach Holsts Worten besser, ob er sich nicht lieber einen anderen sucht. Denn wer schon bei der Erhebung der Angaben datenschutztechnische Mängel erkennen lasse, der nehme es mit einiger Wahrscheinlichkeit auch beim weiteren Umgang mit den Daten nicht so genau.

Wer sich bei Chatrooms oder einem Sozialen Netzwerk re-gistrieren lässt, in dem der Spaß im Vordergrund steht, wird zwar nicht um die Angabe einer korrekten E-Mail-Adresse herumkommen. Aber beim Namen oder der Adresse darf Wolfgang Holst zufolge durchaus geschummelt werden. »Solange es nicht um Vertragsverhältnisse geht, kann man auch falsche Angaben machen.« Und an Preisausschreiben oder Gewinnspielen nehmen Internetnutzer, die ihre Daten ungern in fremden Händen wissen, besser erst gar nicht teil. »Da geht es ums Adressen sammeln«, sagt Holst. Und sofern nur nach dem Namen und der Anschrift gefragt werde, sei das auch zulässig, so dass sich der Nutzer hinterher nicht beschweren kann. (…)

dpa-tmn vom 13. August 2008

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B • Nackt im Netz – Datenschutz und Privatsphäre

B 24 An den Grenzen der Selbstbestimmung

Der elektronische Personalausweis, Google, Soziale Netz-werke sind nur einige Fronten, an denen der Bundesda-tenschutzbeauftragte Peter Schaar gegen den Ausverkauf persönlicher Rechte kämpft.

Herr Schaar, einige Menschen geben im Internet alles über sich preis. Hat sich die Vorstellung einer Privat-sphäre überlebt? Nein, nur unser Verständnis davon wandelt sich. Menschen geben in Sozialen Netzwerken auch nicht durchgängig in-timste Informationen preis. Häufi g sind die Nutzer unbe-dacht: Sie wissen zum Beispiel nicht, dass sie die Fotos, die sie eigentlich nur ihren Freunden zeigen möchten, einer anonymen Weltöffentlichkeit zur Verfügung stellen.

Muss man die Internetnutzer vor sich selbst schützen?Man sollte sie nicht bevormunden. Sie müssen aber ver-stehen, dass sie die Rechte Dritter verletzen, wenn sie etwa ein Foto mit den Namen der abgebildeten Personen versehen. Da appelliere ich an die Vernunft der Nutzer. Eine Ausnahme sind Kinder und Jugendliche, die besonders geschützt werden müssen. Ein Soziales Netzwerk für Kinder sollte zum Beispiel so eingestellt sein, dass die Fotos nicht für die Allgemeinheit einsehbar sind.

Ein anderes Beispiel: beim digitalen Personalausweis ist geplant, den Fingerabdruck nur nach Einwilligung des Inhabers zu speichern ...... das habe ich bei den Anhörungen im Bundestag durch-gesetzt.

Schiebt man damit die Verantwortung nicht auf den ein-zelnen Bürger ab? Die Lösung ist besser, als von der Einwilligung auszugehen, wenn der Ausweisinhaber nicht widerspricht.

Die technischen Möglichkeiten wachsen aber ständig. Ist der Einzelne nicht damit überfordert, laufend zu prüfen, wie seine Daten neuerdings verwendet werden können?Wir stoßen durchaus an die Grenzen der Selbstbestimmung. In diesen Fällen muss die Technik so gestaltet sein, dass ihre Grundeinstellungen datenschutzfreundlich sind. Heute werden die Geräte für WLAN-Funknetze zum Beispiel mit einer vorinstallierten Verschlüsselung ausgeliefert. Der

Kunde muss sie nicht mehr selbst einrichten. Vor drei, vier Jahren war das noch anders. Es kann doch nicht sein, dass man ein Fachhochschulstudium braucht, um seine Daten zu schützen! (...)

Sie haben gesagt, dass sich das Verständnis der Privat-sphäre wandle. Müsste es inzwischen nicht ein Recht auf digitale Intimität geben?Viele Daten, die man freigibt, lassen sich nicht mehr zu-rückholen. Im Internet bleiben sie für die Allgemeinheit dauerhaft verfügbar. Natürlich ist es wichtig, dass die Men-schen bewusst und vorsichtig mit ihren Daten umgehen. Ein Personalchef müsste sich aber heute eigentlich darüber wundern, wenn er über einen Bewerber nichts Kompromit-tierendes im Netz fi ndet. Der stromlinienförmige Kandidat ist womöglich nicht der Richtige für den Job. Sie könnten jetzt sagen: Ein solches Eingeständnis ist die Kapitulation des Datenschützers. Aber zu einem modernen Datenschutz-verständnis gehört auch der kulturelle Wandel.

Von wem geht die größere Gefahr für den Datenschutz aus: von staatlichen Einrichtungen oder von Unterneh-men?Trotz einzelner Konfl ikte hat sich das Bewusstsein für Daten-schutz in den Behörden deutlich verbessert. Im Management von Unternehmen sehe ich eher Nachholbedarf – zum Teil sogar in erheblichem Umfang. Es hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Datenskandalen gegeben, und sie stellen nur die Spitze des Eisbergs dar.

Liegt das daran, dass Sie einen Innenminister leichter zur Rede stellen können als etwa den Chef von Face-book?Dass einige der Firmen ihren Sitz nicht in Deutschland haben, erschwert die Arbeit natürlich. (...)

Sind Sie selbst in Sozialen Netzwerken unterwegs?Das haben Sie doch schon längst herausgefunden, Sie haben mich doch sicher gegoogelt.

Stuttgarter Zeitung vom 21. Juni 2010 (Interview: Stefan Kister)

◗ Lest das Interview in B 24. Sammelt und erörtert mögliche Maßnahmen, die darin genannt werden und die jeder Ein-zelne zum Schutz seiner Privatsphäre nutzen kann.

◗ Diskutiert die Thesen in B 22 und B 23. Beurteilt die Aus-sagen nach ihrer Stichhaltigkeit.◗ Sammelt Beispiele aus eurem Alltag, wie ihr die in B 23 geforderte Datensparsamkeit erreichen könntet.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 22 – B 24

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C • Wer hat Angst vor Google?

C • Wer hat Angst vor Google?Materialien C 1 – C 10

C 1 Welche Suchmaschine benutze ich?

1.

Welche Internetsuchmaschinen kennst und benutzt du?

Kenne ich Benutze ichGoogleYahooBing

Falls andere, welche?

2.

Welche Suchmaschine ist dein Favorit?

Warum?

3.

Wie oft benutzt du eine Suchmaschine?täglichmehrmals die Wocheeinmal die Wocheseltener

4.

Wofür nutzt du die Suchmaschine in erster Linie?für die Schulefür private Interessenfür beides etwa gleich häufi g

5.

Welche Informationen suchst du hauptsächlich? Nenne drei Beispiele.

6.

Bei einer Webrecherche... fi nde ich immer das, was ich suche... werde ich meistens fündig... fi nde ich oft nicht das Richtige... erlebe ich oft Frustration, weil ...

7.

Wie viele Seiten der Trefferliste einer Suchmaschine schaust du dir an? Begründe.nur die erste Seiteeine bis drei Seitenfünf bis zehn Seitenmehr Seiten

8.

Hast du bei der Recherche im Internet schon einmal Informationen gefunden, die sich später als völlig falsch herausgestellt haben? ja (Beispiel nennen)

nein

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C • Wer hat Angst vor Google?

C 2 Von der Studentenbude zum Weltkonzern

◗ Sammelt Gründe für den Erfolg von Google. Worin liegen nach Ansicht des Autors von C 2 die Gefahren für das Unter-nehmen?

◗ Füllt den Fragebogen C 1 aus. Erstellt anschließend eine Auswertung für die gesamte Klasse. Wählt zur Darstellung der Antworten ein Kreisdiagramm.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 1 – C 2

Alles begann in einer Studentenbude. Heute existiert Google in 116 Sprachen von Afrikaans bis Zulu. »Googeln« wurde zum feststehenden Begriff – sogar in den deutschen Duden wurde das Wort aufgenommen. (…) Google ist mit einer Marktkapitalisierung von 146 Milliarden Dollar 20 Mal mehr wert als General Motors oder so viel wie Coca-Cola und Google-Konkurrent Yahoo zusammen. Google wächst und wächst weiter. Doch in den vergangenen Monaten kam immer häufi ger die Frage auf: Scheitert der Internet-Riese an seiner eigenen Größe?

Es begann als amerikanischer Traum. Zwei Stanford-Stu-denten – Larry Page und Sergey Brin –, gerade mal Anfang 20, waren sich vor zehn Jahren nur in einem Punkt einig: Sie wollten eine Möglichkeit fi nden, relevante Informationen aus einem unendlichen Datenmeer zu fi ltern. 1997 meldeten sie ihre Domain google.com an. Ein Jahr später, am 7. Sep-tember 1998, wurde das Unternehmen gegründet und die Suchmaschine gestartet. Fünfeinhalb Jahren später folgte der Börsengang – mit einem Ausgabekurs von 85 US-Dollar. Die Spitze erreichte die Google-Aktie im November 2007 mit über 740 Dollar. Auch wenn der Kurs zuletzt unter Druck stand, die Euphorie bleibt nach wie vor groß. (…)

Was mit zwei Studenten begann, hat sich zu einem Weltkon-zern mit bald 20.000 Mitarbeitern entwickelt. Doch gerade die Größe weckt Neider, und Google könnte an die Wachs-

tumsgrenzen stoßen, sagt Scott Kessler, Internetanalyst der Ratingagentur Standard & Poor‘s: »Für Unternehmen in der Größenordnung von Google ist es eine riesige Herausforde-rung, die bisherigen Wachstumsraten beizubehalten.« Die Zeitschrift »Business Week« hatte eine Titelstory, die fragte: »Ist Google zu mächtig?« Und in der Tat: Behörden, Wett-bewerber oder andere Unternehmen hätten einige Pläne von Google blockiert, weiß der Internetanalyst. (...)

Der Schlüssel zum Erfolg: Google hat es immer wieder ver-standen, die größten Talente der Branche für sich zu gewin-nen. Yahoo oder Microsoft gelten als uncool. Google ist in. Die Mitarbeiter dürfen ihre Haustiere mit zur Arbeit bringen. Mit Rollerblades durch die Korridore fahren. Die Arbeitszeiten sind für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich fl exibel – solange die Performance stimmt. Und der Speiseplan der Kantine reicht von Sushi über wilden Reis mit Haselnüssen bis zu Tofu-Krautsalaten. Alles umsonst – versteht sich. Kein Wunder, dass Google seit Jahren die Wahl zum beliebtesten Arbeitgeber in den USA gewinnt. (…)

Deutsche Welle vom 7. September 2008 (Jens Korte)

Google-Mitbegründer Larry Page: Gemeinsam mit seinem Studienkolle-gen Sergey Brin schuf er 1998 den Pro-totyp einer Suchmaschine für das World Wide Web. Zusammen gründeten die beiden dann die Firma Google.

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C • Wer hat Angst vor Google?

C 3 Die mächtige Riesenkrake im Internet

80 Prozent aller Suchanfragen werden von Google beantwor-tet. Die Firma allein entscheidet, welche Seiten in welcher Reihenfolge angezeigt werden. »Was man bei Google nicht fi ndet, gibt es nicht.« Die meisten Surfer haben längst vergessen, dass diese Ergebnisse nicht das ganze Internet abbilden. Dabei durchsucht die Maschine nur den eigenen Index, in dem rund 12 Milliarden Webseiten erfasst sind. Viele, aber eben nicht alle. (...)

De facto hat Google nun das Monopol bei der Zuteilung des wichtigsten Rohstoffs unseres Zeitalters: der Information. Der Wissenschaftler Hendrik Speck vergleicht die Suchma-schine mit einer Bibliothekarin, die unkontrolliert und nach eigenem Gutdünken Bücher verleiht oder vorenthält. Hinzu-kommt, dass Google Informationen nicht nur wertet, son-dern auch zensiert. Verständnis fi ndet die Firma, wenn sie den gesetzlichen Jugendschutz beachtet. Schüler, die sich über die NSDAP informieren wollen, werden davor bewahrt, auf Seiten mit rechtsextremistischen Inhalten zu landen. Auch Pornoseiten sind geblockt.

In China kam es allerdings zum Sündenfall. Dort wird auch die politische Zensur der Regierung akzeptiert. Seine Macht hat Google auch BMW spüren lassen. Der Autohersteller wollte durch Manipulationen seine Positionierung bei den Suchergebnissen verbessern. Schließlich werden nur die ersten zwanzig Hinweise von den meisten Usern gelesen. Daraufhin fl ogen die Münchner Anfang des Jahres für einige Tage komplett aus dem Index heraus. Eine Suche nach BMW ergab null Treffer. Klar, dass die Autobauer schnellstens Abbitte leisteten.

Was kaum beachtet wird: Die Firma stellt nicht nur Infor-mationen zur Verfügung. Man sammelt auch Daten über den Nutzer, besonders durch kostenlose Zusatzdienste wie E-Mail oder die Einkaufsuchmaschine Froogle. »Jeder, der mit Hilfe

von Google etwas sucht oder eine E-Mail schreibt, muss wissen, dass sämtliche Daten gespeichert und zurückverfolgt werden können«, warnt David Vise, Autor des Buches »Die Google-Story«.

Noch heikler wird die Situation, wenn der Computeranwender die Desktopsuchmaschine installiert, die den eigenen Rech-ner durchforstet und schnell alle Dokumente fi nden kann. Kevin Bankston, Anwalt der US-Bürgerrechtsbewegung Elec-tronic Frontier Foundation ist besorgt: »Wenn man Google Desktop nicht vorsichtig konfi guriert, verfügt die Firma über Kopien der Steuererklärung, Liebesbriefe, Finanz- und Ge-sundheitsunterlagen.« Google häuft somit die weltgrößte Sammlung privater Daten an. Niemand weiß, wo die Server mit den Informationen überhaupt stehen. Vor allem sind sie eine Goldmine für Ermittler und Strafverfolger. Bislang hat sich Google gegenüber deren Neugier aber standhaft gezeigt. Doch bei einer privaten Firma kann niemand sicher sein, ob das auch in Zukunft so bleibt. (...)

Heilbronner Stimme vom 11. Oktober 2006 (Bernd-Rainer Intemann)

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Datenschützer warnen immer häufi ger vor Google wie vor einem Riesenkraken mit großen Augen und Saugnäpfen.

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C • Wer hat Angst vor Google?

C 4 Die globale Medienmacht

befeld ein und vergleicht die Ergebnisse. Notiert die Un-terschiede.◗ Führt eine Recherche zu den Terroranschlägen am 11. Sep-tember 2001 durch. Beantwortet dabei folgende Fragen: Was ist an diesem Tag genau passiert? Wer waren die Attentä-ter? Wie viele Opfer gab es? Was waren die vermeintlichen Ursachen für die Anschläge? Wie haben die USA reagiert? Beschafft euch die Informationen zu diesen Fragen im In-ternet. Benutzt dazu die beiden Suchmaschinen Google.de und Bing.de. Notiert die Ergebnisse und Auffälligkeiten.

◗ Benennt die Gefahren, die von Google ausgehen (C 3). Diskutiert den Begriff »Riesenkrake«.◗ Recherchiert die Marktanteile der fünf größten Suchma-schinen. Erstellt dann eine Zusamenstellung der verschie-denen Dienste der Firma Google (C 4). Defi niert in diesem Zusammenhang den Begriff »Googlepol«.◗ Suchmaschine ist nicht gleich Suchmaschine. Wie unter-schiedlich ihre Ergebnisse sein können, könnt ihr unter www.langreiter.com/exec/yahoo-vs-google.html ausprobie-ren. Gebt dort drei Suchbegriffe eurer Wahl in das Einga-

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 3 – C 4

Google betreibt mehr als 60 verschiedene Dienste. Sie heißen Google Earth, Google Maps, Google News, Google Book Search, auch Blogspot und YouTube gehören dazu, um nur einige zu nennen. In Deutschland benutzen 90 Prozent der Internetsurfer die Suchmaschine. Googles Erfolgsgeschichte ist märchenhaft, doch es mehren sich die kritischen Stim-men. Weil Google Daten seiner Nutzer speichert. Und weil das Unternehmen sich nationalen Bestimmungen unterordnet, zum Beispiel den Zensurbestimmungen Chinas.

Das tut allerdings jede Firma, die in einem anderen Staat eine Niederlassung eröffnet. Die »Great Chinese Firewall«, die moderne chinesische Mauer, ließ Inhalte nicht durch. Google wollte aber, wie zuvor schon Yahoo mit seiner Suchmaschine auch, in China auf den Markt. Was passierte vor Ort? Die gän-gige Praxis ist folgende: In vorauseilendem Gehorsam werden Inhalte herausgenommen, werden Begriffe wie »Platz des Himmlischen Friedens« oder »Menschenrechte« gar nicht erst gelistet, kritisiert die Organisation »Reporter ohne Grenzen«. Google war einst angetreten mit dem Motto: »Nichts Böses tun«. Was nun passiert, geht über die bloße Zensurunterord-nung hinaus, hier agiert Google wie auch andere Suchmaschi-nen in China, plötzlich selbst, selektiert Informationen.*

In Deutschland verfolgt Google eine ähnliche Praxis: Manche Seiten mit rechtsradikalem Inhalt werden für deutsche Nutzer gesperrt, ein US-Bürger kann sie hingegen öffnen. Google ist ins Gerede gekommen, denn seine Monopolstellung bietet Anlass zum Nachdenken. Um Google zu verstehen, muss man wissen, wie es funktioniert. Die meisten verbinden mit Google zunächst die Suchmaschine. Wer sein Suchwort eintippt, bekommt in null Komma nichts eine ganze Liste von Fundstellen. Eine komplexe Rechenoperation steckt da-hinter. Sie verursacht, dass die relevanteste Webseite zuerst genannt wird. Google hält seine Rechenschemata geheim, denn dieses System der Bewertung hat Google zum Markt-führer gemacht, weil nicht nur auf eine relevante Seite hingewiesen wird, sondern auch ihre Popularität bewertet wird. Wenn man das Suchwort VW eingibt, landet an Position eins der Hersteller selbst, und nicht die Homepage des VW Fanclubs in Ingolstadt, auf der vielleicht hundertmal öfter das Suchwort vorkommt.

Für die meisten Anfragen ist das Verfahren richtig, weil so maßgebliche Seiten zuerst genannt werden. Allerdings führt das auch zu einem Phänomen, das Experten »Main-streaming« nennen. Daraus ergibt sich, dass die alternativen Stimmen, die Kritik, die abweichenden Stimmen, und auch die Kreativität und die Innovation immer stärker an den Rand gedrängt werden. Die Suchmaschine trägt so durch ihre getroffene Vorauswahl dazu bei, dass populäre Seiten auch populär bleiben. Weil die Treffer oben stehen, die die meisten Menschen anklicken. Das ist ein Kreislauf, über den jeder Nutzer informiert sein sollte.

Wissenswert in hr2-Kultur vom 3. August 2007 (Claudia Fried)

* Google beugt sich inzwischen nicht mehr den chinesischen Zensurbestim-mungen. Seit März 2010 werden die Suchanfragen von der chinesischen Google-Website auf die unzensierte Hongkonger Adresse weitergeleitet. Dort sehen die chinesischen Nutzer immerhin die Überschriften aller Suchergeb-nisse, auch wenn die Behörden unliebsame Inhalte weiterhin blockieren.

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C • Wer hat Angst vor Google?

C 5 Welche Verantwortung haben Suchmaschinen?

»Letztendlich glauben wir, dass wir nur dafür zuständig sind, Leute auf bestimmte Inhalte zu lenken, wir wollen aber nicht redaktionelle Entscheidungen treffen, was Men-schen sehen und lesen dürfen und was nicht. Wir versu-chen, so unabhängig und neutral zu sein wie möglich. Das heißt nicht, dass Sie nicht via Google Dinge fi nden, die Sie ablehnen. Das werden Sie sicher, das ist nun mal die Reali-tät des Internets, dass Menschen dort Inhalte ablegen, die Sie mögen oder nicht, das ist Ansichtssache. Wir denken nicht, dass wir der Schiedsrichter sein sollten, sondern die jeweiligen Parlamente und gewählten Volksvertreter, denn die vertreten die Ansichten ihrer Wähler, und wir denken, so sollte es geregelt werden.«

Rachel Whetstone, Pressesprecherin von Google England

www.dradio.de vom 23. Februar 2007

»Die Suchmaschinen haben eine enorme Machtposition erlangt. Diese Machtposition haben sie erlangt, weil sie gute Technologie anbieten und für uns eine sehr wertvolle Hilfe sind, um sich im Internet zurechtzufi nden. Allerdings erwächst nun aus dieser Machtposition auch eine Ver-antwortung. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Bis vor drei Jahren hat Google, wenn man NSDAP als Suchbegriff eingab, verlinkt auf eine Naziseite eines Herrn Gerry Lauk, der sitzt in Nordamerika und kann dort ungestraft seinen Rassenhass verbreiten, Google hat darauf verlinkt. Und nun argumentiere ich: Das darf nicht sein, denn Google hat eine solche Machtposition, dass es auch darüber mit-entscheiden muss, was bekommen wir genau zu Gesicht, wenn wir solche Begriffe eingeben.«

Marcel Machill, Professor für Journalismus und Internatio-nale Mediensysteme an der Uni Leipzig

C 6 »Repressive Regierungen würden das sehr nützlich finden ...«

Daniel Brandt, 58, ist Chef der texanischen Non-Profi t-Organisation »Public Information Research«. Diese be-treibt die Webseiten Google Watch (www. google-watch.org) und Yahoo Watch (www.yahoo-watch.org). Außer-dem stellt die Organisation mit »Scroogle« einen Service zur Verfügung, der Google-Suchanfragen anonymisiert.

Sie beklagen, dass Google die Privatsphäre seiner Nutzer gefährdet. In welcher Weise geschieht das Ihrer Meinung nach?Nichts ist verräterischer als Suchanfragen. Wenn Sie Google in irgendeiner Form mehrmals am Tag nutzen, dann erfährt Google jedes Mal, was Ihnen im Kopf herum geht.

Aber kann es den Nutzern nicht egal sein, was ein Unter-nehmen in Kalifornien über seine Interessen denkt?Google nutzt die Informationen für das maßgeschneiderte Einblenden von Werbung. Sie können aber auch eine Zeit-bombe sein, wenn die Daten einmal ausgewertet werden. (...)

Google hat in den vergangenen Monaten viele neue Ange-bote gestartet: die Desktop-Suche, Google Mail, den Web Accelerator oder Google Earth. Welches davon erscheint Ihnen besonders problematisch?Ich halte alle auf ihre Weise für problematisch, weil sie jeweils enthüllen, was der User in diesem Moment denkt. Große Bedenken gibt es bei Googles Desktop-Suche, mit der User den eigenen Computer durchsuchen können – und Google auf diese Weise Zugriff auf die eigene Festplatte verschaffen. Weil das Programm, ähnlich wie ein weiteres Angebot von Google, der »Web Accelerator« zum schnelleren Surfen, Daten zum Surfverhalten an Google überträgt, haben Datenschützer ein mulmiges Gefühl. Und die Google-Toolbar

fi ndet stets einen Weg, sich zu aktualisieren, egal wie streng Ihre Firewall eingestellt ist.

Wer könnte diese Daten nutzen?Repressive Regierungen wie China würden das zum Beispiel sehr nützlich fi nden, um Prozesse gegen Dissidenten auf die Beine zu stellen.

Gibt es dafür konkrete Beispiele?Es ist schwer, konkrete Beispiele zu fi nden. Das liegt daran, dass Google in vielen Ländern gar nicht darüber reden darf, ob sie Daten an die nationalen Regierungen weitergegeben haben, so zum Beispiel in den USA. Aus China ist aber ein Fall bekannt, in dem Googles Konkurrent Yahoo im vergangenen Monat Daten an die lokalen Behörden weitergegeben hat.

Mit welchen Folgen?Ein Journalist wurde wegen vermeintlichem Geheimnisverrat verurteilt – zu zehn Jahren Gefängnis. Google hätte in einem ähnlichen Fall genauso gehandelt. In ihren Datenschutz-richtlinien erklärt die Firma, dass sie sich immer an die Gesetze des Gastlandes hält.

Süddeutsche Zeitung vom 6. Dezember 2005 (Interview: Christoph Seidler)

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C • Wer hat Angst vor Google?

C 7 »Google muss reguliert werden«

Hermann Maurer ist Informatikprofessor an der Tech-nischen Universität Graz. Er ist einer der Autoren einer umfassenden Studie über die Macht der großen Suchma-schinen und über die Probleme, die die »Googlisierung« der Gesellschaft mit sich bringt. Er fordert, dass der Staat Google baldmöglichst regulieren sollte.

Sie fordern die EU auf, Googles Monopol als Suchma-schine zu brechen. Wie soll das gehen? Bislang sind staatlich fi nanzierte Projekte, einen hiesigen Konkur-renten aufzubauen, kläglich gescheitert.Erstens: Man könnte ein Anti-Trust-Verfahren einleiten, was wegen des Kaufs des Onlinewerbers Doubleclick von der EU ja gerade geprüft wird. Es geht aber nicht um die Suchma-schine Google, sondern um das »Imperium«, das die Firma aufgebaut hat. Das heißt: Man könnte Suchmaschine und andere Aktivitäten bei Google trennen.

Zweitens: Man könnte viele Spezialsuchmaschinen einrich-ten, zum Beispiel vier pro EU-Land. Eine für Maschinenbau, eine für Gärtner, eine für Medizin, eine für Tourismus, und so weiter, und so fort. Und dann ein Portal, auf dem der Nutzer aussucht, wofür er sich heute interessiert. Von da aus wird er dann durchgeschaltet. Diese Suchmaschinen wären besser als Google (weil sie eine fachspezifi sche Terminologie verwenden könnten). Das habe ich der EU-Kommission und dem EU-Parlament vor einem Jahr empfohlen. (...)

Formt Google eine eigene Wirklichkeit der Welt?Ja. Beispielsweise, indem manche Sites künstlich tiefer, andere künstlich besser gerankt werden. Wieder eine große Versuchung für Google wäre es, gegen Geld Suchergebnisse »opportunistisch« zu reihen. Auch hier gilt: Wenn das Google je machen würde, dann mit Vorsicht, ein zu offensichtliches Fehlranking würde das Image beschädigen.

Der Autor und Internetunternehmer John Batelle hat Google einmal als »Database of Intentions« bezeich-net – eine Datenbank unserer Wünsche, weil wir wie selbstverständlich die intimsten Details in das Suchfeld eintippen. Meinen Sie, den Google-Gründern war beim Aufbau der Firma klar, dass man einen solchen Status erreichen würde?Nein. Ich glaube, der Erfolg kam auch für die Erfi nder un-erwartet.

Google hat ein klares Ziel: Die Informationen der Welt zu organisieren – und zwar alle. Das ist ein großes Projekt. Probleme für die Privatsphäre entstehen auch dadurch, dass es nun möglich wird, Dinge miteinander zu verknüp-fen, die zuvor einfach nicht verknüpfbar waren, weil sie nicht maschinenlesbar vorlagen. Brauchen wir ein ganz neues Datenschutzrecht?Im Prinzip ja, denn die Datenschutzgesetze zum Beispiel in Österreich oder in Deutschland sind ein Witz. Die Polizei muss sich daran halten, Google nicht. Nur: So ein internati-onales Recht wird genauso schwierig durchzusetzen sein wie etwa das Kyoto-Protokoll. Also muss man es anders lösen, etwa mit den erwähnten Kartellverfahren oder Spezialsuch-maschinen oder mit einer allgemeinen Internetgesetzge-bung, die wir in der Studie erwähnen. Aber es ist nicht nur die Verletzung der Privatsphäre, die gefährlich ist. Google weiß mehr über die Zukunft als je jemand seit dem Orakel von Delphi gewusst hat. Das könnte der Konzern ausnutzen, um beispielsweise gewaltig am Aktienmarkt zu profi tieren. Das ist wieder so eine Verlockung. (...)

Sie werfen Google eine Monopolstellung vor. Anderer-seits hindert das Unternehmen doch niemanden daran, konkurrierende Dienste aufzubauen. Der Nutzer ent-scheidet letztlich, was er verwendet.Das war bei Microsoft oder IBM auch so. Wenn man einmal so mächtig ist wie Google, ist es nicht mehr leicht, dagegen anzukämpfen.

Wo sehen Sie Google in den nächsten 10 Jahren, falls der Staat entscheidet, nicht zu regulieren?Als einen Machtfaktor, der stärker als jeder Staat ist. Und als einen Monopolisten, der nicht akzeptierbar ist.

Technology Review vom 25. Januar 2008 (Interview: Ben Schwan)

◗ Diskutiert in der Klasse die in C 7 aufgestellte These, Google müsse staatlich reguliert werden.

◗ Stellt die in C 5 formulierten Standpunkte einander gegen-über und diskutiert sie.◗ Stellt tabellarisch die Argumente zusammen, die in C 6 für eine von Google ausgehende potenzielle Gefahr genannt werden.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 5 – C 7

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C • Wer hat Angst vor Google?

C 8 So funktioniert Google Street View

C 9 Europäer und Japaner wollen sich nicht in ihre Gärten gucken lassen

Ein schwarzer Opel mit einem hohen Kameraaufsatz schafft Aufregung in Europa: Er nimmt Straßenverläufe mit einer Rundumkamera auf, so dass nicht nur das Straßenleben, sondern auch Häuserfronten und Vorgärten in Momentauf-nahmen festgehalten werden. In den USA gibt es bereits die Straßenansichten von mehr als 40 Städten online zu besich-tigen. In Frankreich lässt sich bereits der Streckenverlauf der Tour de France aus der Autofahrerperspektive bewundern. Wenig begeistert zeigten sich hingegen Dorfbewohner in Großbritannien. Sie verbarrikadierten die Dorfeinfahrten, um den Wagen an der Weiterfahrt zu behindern. Sie be-fürchteten, dass die Aufnahmen Dieben zur Vorbereitung von Haus- und Wohnungseinbrüchen dienen könnten. In Japan konnten sich Anwohner gegen Google bereits erfolg-reich durchsetzen: Google muss nun sämtliche Aufnahmen in zwölf Städten wiederholen. Dabei muss das Unternehmen die Kamera auf Kopfhöhe montieren, damit die Aufnahmen keinesfalls mehr verraten als ein normaler Spaziergänger erfahren würde. Ein Blick über den Gartenzaun soll so ver-wehrt werden. (…)

In Deutschland stellen sich seit Beginn der Aufnahmen im Herbst letzten Jahres immer wieder Landesdatenschützer quer. (…) Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar wies darauf hin, dass die Straßenansichten mühe-los mit Satellitenfotos, Adressdatenbanken und weiteren personenbezogenen Daten verknüpft werden könnten. Er befürchtet, dass »damit persönliche Lebensumstände noch

intensiver ausgeleuchtet werden« können: So könnten etwa Hausbesitzer Werbung für Renovierungen erhalten, weil Bau-unternehmen den Pfl egezustand per Google bereits inspi-ziert haben. Bonitätsbewertungen seien ebenfalls auf Basis der Bilddaten denkbar. Kriminelle könnten interessante Ob-jekte ausspähen. Aber auch Einrichtungen wie Frauenhäuser könnten gefährdet sein. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar stellte dem Suchkonzern ein Ultimatum und forderte eine schriftliche Garantie, dass personenbezogene Daten wie Gesichter von Passanten in den aufgenommenen Rohdaten unkenntlich gemacht werden und Häuseransichten nach Widerspruch gelöscht werden.

Google folgte weitgehend – bis auf einen Punkt: Die Roh-daten wurden bereits an die amerikanische Konzernzentrale übermittelt und sollen dort erst überarbeitet werden. Für Caspar ist das unbefriedigend: Google schaffe damit Fakten, die es den Datenschutzbehörden nicht mehr ermöglichen, das Verfahren begleitend zu kontrollieren. Er fordert daher weiterhin von Google, die Rohdaten zu löschen. (…) Der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer Thilo Wei-chert rät Betroffenen, ihr Datenschutzrecht direkt gegen-über Google einzufordern und ihren Widerspruch zu erklären. (…)

Stuttgarter Zeitung vom 3. Juni 2009 (Christiane Schulzki-Haddouti)

Der Internetkonzern Google hat die auch von Seiten der Bundesregierung geäußerte Datenschutzkritik an seinem Geodienst Street View zurückgewiesen. »Wir nehmen den Datenschutz sehr ernst«, sagte der Leiter der Google-Rechtsabteilung, Arnd Haller, im Februar 2010. Google habe in Deutschland zahlreiche Zuge-ständnisse gemacht, die es so in anderen europäischen Ländern nicht gebe. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatte Google »millionenfache Verletzung der Privatsphäre« vorgeworfen. Sie forderte engere gesetzliche Grenzen für das fl ächendeckende Abfoto-grafi eren von Straßen und Häusern zur Darstellung im Internet.

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C • Wer hat Angst vor Google?

C 10 Warum ein Verbot von Google Street View töricht wäre

Suchen Sie eine Caféterrasse mit Ausblick? Ein Hotelzimmer oder eine Wohnung in angenehmer Umgebung? Sie möchten eine Veranstaltung, ein Geschäft oder Freunde besuchen und fragen sich: Wie sieht die Bushaltestelle aus? Könnte ich mich verlaufen? Gibt es unheimliche Ecken? Einen sicheren Radweg? Einen anständigen Blumenladen? Siehe da: Ein gelbes Männchen steht bereit, Ihnen zu helfen. Falls Sie in Frankreich suchen (oder in den Vereinigten Staaten und einigen anderen Ländern der Erde).

Das Männchen erscheint bei dem Internetdienst Google Maps. Seit mehr als einem Jahr macht es den Franzosen ihr Land zugänglicher: Wenn sie über Google Maps einen Ort aufrufen, und sei er auch nur ein etwas größeres Dorf, dann können sie die gelbe Figur beliebig auf der Karte platzieren, drehen und wenden – und der Bildschirm zeigt, was der Netzbesucher sehen würde, wäre er selbst das Männchen. Nicht als Video, wohlgemerkt, sondern als Rundumfoto, das er vergrößern und dessen Rahmen er verschieben kann. Die Fotos hat die Firma Google vor vielen Monaten selbst aufge-nommen, mit Kamerawagen, die durchs Land fuhren.

Diese Funktion heißt Street View und ist ein Glücksfall für den Verbraucherschutz. Niemand ist mehr auf das angewie-sen, was die Verfasser von Reiseprospekten und Annoncen behaupten. (…)

Auch der Böse, der Terrorist, Einbrecher, Kidnapper kann nun per Internet das Terrain sondieren. Nicht, dass er vorher keine Mittel dazu gehabt hätte. Aber man soll Verbrechern das Leben ja nicht noch erleichtern, weshalb, zum Beispiel,

und die Bundesverbraucherministerin in Sachen Datenschutz und Street View geeinigt haben. Diskutiert, ob ihr den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre hinlänglich gesichert seht oder nicht. Wo liegen weiterhin Probleme?◗ Habt ihr Street View in eurer Familie auch diskutiert? Wie geht ihr damit um? Bietet eure Gemeinde Hilfestellung an, wenn es darum geht, bei Google Widerspruch einzulegen?

◗ Informiert euch mit Hilfe von C 8 über die Funktions-weise von Street View. Probiert den Dienst selbst aus. Eine Übersicht über bereits fotografi erte Gebiete fi ndet ihr unter www.google.de/help/maps/streetview/.◗ Sammelt die Argumente der Gegner und der Befürworter von Street View und stellt diese einander gegenüber (C 9 und C 10). Recherchiert dann, wie sich der Google-Konzern

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 8 – C 10

vor Kindergärten die Aufnahmewagen von Google nichts zu suchen haben. Drehte sich die deutsche Debatte bloß um derart praktische Fragen, wäre sie freilich schnell wieder zu Ende. Indes, es geht ums Eingemachte: Fotografi erte Ge-meinden wollen Geld, die Ministerin Ilse Aigner (CSU) will mehr Datenschutz. (…)

Dennoch bleibt die Frage, was Google darf und was nicht. Seine Kameras speichern, juristisch gesprochen, »personenbe-zogene Daten«, die zur automatischen Verarbeitung bestimmt sind, also gilt das Datenschutzrecht. Vor ihm sind nicht alle Daten gleich. Das Bild einer Hausfassade beispielsweise ist personenbezogen, sie gehört aber zum öffentlichen Raum. Hausnummern wiederum dienen dazu, dass Gebäude gefun-den werden. Kein Problem. Was sich indes hinter Hecken und Zäunen abspielt, ist privat, weshalb Google von Rechts wegen seine Kamerastative auf Passantenhöhe einfahren müsste. Es gibt außerdem Daten, die der individuellen Begegnung zuge-hören, aber nur ihr: das Gesicht vor allem, aber auch das Kfz-Kennzeichen. (…) Google macht daher beide unkenntlich, und zwar automatisch. Das Verfahren ist dermaßen effektiv, dass schon das Haupt mancher Statue verwischt wurde. (…)

Nein, das gelbe Männchen riecht nicht nach Schwefel. Etwas anderes stinkt: Google ist ein mächtiger und intransparenter Medienkonzern, ein Graus für jeden Marktwirtschaftler. Kein Fall für den Verbraucherschutz, jedoch einer für die Ord-nungspolitik. Muss Google global entfl ochten werden? Das wäre einmal eine gute Debatte.

Die ZEIT vom 11. Februar 2010 (Gero von Randow)

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D • Demokratie 2.0 – Politik im NetzMaterialien D 1 – D 13

D 1 Schlagzeilen aus deutschen Medien

Onlinewahlkampf – Die Parteien werfen ihre Netze ausBarack Obama hat es vorgemacht, nun setzen auch die deutschen Parteien verstärkt auf Online-netzwerke. Doch die Zahl der Unterstützer selbst der Volksparteien bewegt sich Wochen vor der Wahl noch immer im unteren fünfstelligen Bereich.Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.8.2009

Das Rückgrat von Obamas Erfolg war eine E-Mail-BeziehungUS-Präsident Barack Obama gewann seinen Wahl-kampf auch durch seine perfekt orchestrierten Inter-netaktivitäten.Wirtschaftwoche, 1.5.2009

Merkel spricht per Podcast zum VolkZum ersten Mal hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Videobotschaft über das Internet an die Deutschen gewandt. Ab sofort veröffentlicht das Bundeskanzleramt regelmäßig sogenannte Podcasts mit der Kanzlerin.Rheinische Post, 8.6.2006

Gesetze via Internet: Pilotprojekt in KarlsruheMitbestimmen per Internet: Das Karlsruher Fraunhofer-Institut testet in einem Pilotprojekt, wie man junge Internetnutzer künftig bei Gesetzen mitberaten lassen könnte. Als Diskussionsplattform sollen unter anderem Soziale Netzwerke wie Face-book und schülerVZ dienen.ka-news, 21.6.2010

Internet wird zum Katalysator für mehr DemokratieDas Internet wird auch den bisherigen Politikbetrieb nachhaltig verändern. Süddeutsche Zeitung, 5.7.2010

Piraten knapsen Großparteien zwei Prozent abAngriff der Piraten: 13 Prozent bei männlichen Erstwählern, insgesamt zwei Prozent bei der Bun-destagswahl – die Internetaktivisten machen anderen Parteien schmerzhaft Konkurrenz. Manche träumen schon davon, den Weg der Grünen zu gehen.Spiegel online, 27.9.2009

E-Petition – Netzaktivisten mobilisieren gegen ElenaZwei Petitionen sind beim Bundestag gegen das elektronische Entgeltnachweisverfahren eingereicht worden. Sie fordern harte Schritte gegen Elena.Die ZEIT, 21.1.2010

Das Internet ist die wichtigste Waffe der Demokratiebewegung im IranTrotz Repressalien und Strafen: Die iranische Blogo-sphäre hält durch im Kampf für Demokratie.Weserkurier, 25.9.2009

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 2 Wie das Internet die Politik verändert

Internetspezialist und Psychologieprofessor Peter Kruse über die Veränderungen, die das weltweite Netz in der Gesellschaft verursacht hat:

Was ist das Internet für Sie?Ein Kulturraum.

Ein großes Wort.Früher dachte man, die Sozialen Netzwerke sind so etwas wie ein virtuelles Jugendzentrum, also höchstens Subkultur. Aber das stimmt nicht. Denn die Altersverteilung ist breit und in manchen Netzwerken höher als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Das Netz ist erwachsen geworden?Ja. Viele Jahre lang wollten die Leute im Netz nur Infor-mationen fi nden. Das war die Faszination des ersten Booms im Internet: Zugang zu etwas zu haben. Nach einiger Zeit ging es den Menschen um das Hinterlassen von Spuren. Sie wollten sich darstellen und wahrgenommen werden.

Und heute?Wir haben jetzt eine Tendenz zur Aktion im Netz. Die Men-schen stellen fest, dass sie sich im Netz organisieren und schnell zu Bewegungen verbinden können. Dadurch kommt dem Internet eine Handlungsperspektive zu, die ihren Weg in die Realität sucht. Das Internet ist ein Kulturraum mit ernst zu nehmender Wirkung geworden.

Eine Macht.Lassen Sie uns lieber von Massenbewegung reden: 100 Mil-lionen Nutzer bei Twitter, mehr als 400 Millionen bei Face-book.

Können Menschen im Sozialen Netzwerk Einfl uss auf die Politik nehmen?Ja, und sie tun es immer stärker. Wenn jemand eine Idee hat, steht ihm ein Netz zur Verfügung, das eine mächtige Welle verursachen kann. Nehmen Sie Franziska Heine und

ihre Petition gegen Internetsperren im April 2009. Durch Aufrufe in Sozialen Netzwerken mobilisierte sie 134.000 Unterzeichner.

Das sind Ausnahmen.Es sind Höhepunkte. Immer mehr Menschen interessieren sich über das Internet für gesellschaftliche Dynamik und damit für Politik. Es fi ndet im Moment eine Re-Politisierung unabhängig von den Parteien statt. Man muss heute nicht mehr auf die Straße gehen, um Massen zu mobilisieren. Schauen Sie auf Greenpeace. Die haben früher im Bötchen vor der Brent Spar demonstriert. Heute geschieht das sehr effektvoll übers Internet.

Das heißt, die Leute kann man nicht mehr über Pro-gramme motivieren?Sie werden über Themen motiviert. Und themenspezifi sche Politik zu machen, ist viel schwieriger. Die Parteien sind zuletzt mit ihren Programmen stärker in die Mitte gegangen. Aber die Gesellschaft hat sich weiter ausdifferenziert mit ihren Wertemustern. Also müsste ich themenspezifi scher re-agieren. Genau das macht das Internet. Es besetzt Themen, nicht Programme. (...)

Wie hat das Internet die gesellschaftliche Entwicklung beeinfl usst?Die Macht hat sich vom Anbieter zum Nachfrager verschoben. Das sind etwa die sogenannten Carrot-Mobs. Da beeinfl ussen Kunden gezielt die Strategie von Unternehmen, indem sie ihre Einkaufsmacht organisieren. Sie fragen in einer Stadt alle Getränkeanbieter: Wer würde wie viel Prozent seines Tagesumsatzes für eine gute Sache stiften, wenn man ihm Kunden verschafft? Wer das höchste Angebot macht, wird gewählt. Danach organisieren die Leute einen Flashmob, eine Versammlung auf Zuruf also. Sie verabreden sich über das Internet, treffen sich massenhaft im jeweiligen Ge-schäft, kaufen den Laden leer ...

... und unterstützen so die jeweilige gute Sache ...

... und verändern die Strategie des Unternehmens über die Organisation ihrer Einkaufsmacht.

Macht das Internet die Menschen selbstbewusster?Ja. Die Leute spüren, dass sie nicht nur Abnehmer von Produkten sind. Sie können über ihre Konsumentenmacht in Strategieprozesse der Unternehmen eingreifen. Und die Wertemuster der Menschen werden noch stärkeren Einfl uss gewinnen auf das Geschäftsgebaren der Firmen.

Politikverdrossenheit war einmal?Es gibt ein schönes Motto des Twitterers Max Winde: Ihr werdet Euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen. (...)

Rheinische Post Düsseldorf vom 21. April 2010 (Philipp Holstein)

Bei einem Flashmob gegen den Erweiterungsbau der Stadtautobahn A 100 besetzten viele Personen im Juni 2010 eine Straße im Berliner Stadtteil Friedrichshain.

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 3 Wenn User mitregieren

Wer braucht schon ein Fußballstadion? Solingen jedenfalls nicht mehr. Die Stadt steht kurz vor der Pleite, weshalb Oberbürgermeister Norbert Feith das jährliche Defi zit um 45 Millionen Euro senken will. Seine Kürzungsliste ist eine einzige Provokation: Schwimmbäder sollen geschlossen, Schulen aufgegeben, überzählige Feuerwehrautos stillgelegt werden.

Dennoch hat der Volkszorn den Bürgermeister bislang nicht hinweggefegt. Ganz im Gegenteil, die Bürger stützen Feiths Pläne und haben beraten, auf was sie am ehesten verzichten können. Die Stadt in höchster Not ist unversehens zu einem Symbol dafür geworden, wie moderne Politik gemacht wird: konstruktiv und nahe am Bürgerwillen. Ihr wichtigstes Mittel ist das Internet.

Im Februar legte Feith den Solingern seine Kürzungsliste vor. Auf der Internetseite Solingen-spart.de konnten die Bürger alle Vorschläge einen Monat lang diskutieren und einzeln bewerten. 3.600 Menschen beteiligten sich und segneten auf diese Weise ein Sparvolumen von mehr als 31 Millionen Euro ab. Nun kann, wenn der Stadtrat zustimmt, das marode Stadion abgerissen und die Fläche meistbietend verkauft werden. Das Theater allerdings, vom möglichen Sparvolumen annähernd ähnlich hoch einzuschätzen, muss bleiben. (…)

Bislang wurde das Internet vor allem als Ort wahrgenom-men, über den sich schnell und effektiv politischer Protest organisieren lässt. (…) Für viele Bürger ist das Internet aber inzwischen zu einem Ort konstruktiver politischer Teilhabe geworden. (…)

Zum Beispiel in Hamburg. Dort löste eine netzbasierte Bür-gerberatung einen Streit aus, der mehr als 60 Jahre geführt worden war. Mitten im Zentrum der Hansestadt liegt der Dom-platz, seit 1943 eine staubige Weltkriegswunde. Was sollte hier nicht alles entstehen: (…) Eine Markthalle, ein viel-geschossiger »Jahrhundertturm«, ein hanseatisches Centre Pompidou. 120 Architekten, zwei städtebauliche Wettbe-

werbe und 50 Jahre später war die Fläche immer noch ein gekiester Notparkplatz. (…)

Heute ist der Domplatz ein grüner Raum im Häusermeer, be-liebt bei Städtern und Touristen, die hier gern Pause machen. Die Bürger selbst haben diese Gestaltung durchgesetzt. Nach dem Scheitern des letzten Bebauungsversuchs hatte die Stadtregierung eine Onlinekonsultation organisiert; ein zu-nächst reichlich hilfl os wirkender Versuch, das Problem doch noch zu lösen. In drei Phasen wurde diskutiert. Zunächst ging es darum, zu erfahren, was den Bürgern eigentlich wich-tig war. (…) Dann wurden konkrete Vorschläge gesammelt, zusammengefasst und abermals diskutiert. (…) Schließlich entstand durch Bewertungen und Abstimmungen ein gemein-sames Bild davon, wie der Platz aussehen könnte. Der Vor-schlag fand in der Bürgerschaft, leicht modifi ziert, Gefallen. Und siehe da: Die städtebauliche Lücke ist geschlossen.

Die Beispiele in Solingen und Hamburg zeigen, welchen Schatz der Staat heben kann, wenn er sich auf das Internet und seine Regeln einlässt. Denn richtig angesprochen, liefern die Bürger ihm neue Ideen (siehe Domplatz). Und sie wägen alle denkbaren Argumente für kritische Entscheidungen ab. Da wird dann plötzlich klar, dass die Bürger eher auf Fußball-spiele im eigenen Stadion verzichten, als dass sie Kulturan-gebote wegfallen lassen (siehe Solingen). (…)

Könnte man auf diese Weise auch eine Gesundheitsreform untersuchen? Es käme auf einen Versuch an. Dass die genann-ten Beispiele kommunale sind und nah am Alltag der Bürger, ist jedenfalls kein Gegenargument. (…) Natürlich darf man Teilhabeverfahren im Netz nicht mit Demokratie verwechseln. Sie erreichen immer nur eine relativ kleine Gruppe von Bür-gern. Ob deren Vorschläge später Realität werden, darüber müssen ohnehin gewählte Repräsentanten entscheiden. Aber sie können dazu dienen, einen allseits akzeptierten Interes-senausgleich vorzubereiten. (…)

Die ZEIT vom 10. Juni 2010 (Karsten Polke-Majewski)

Domplatz Hamburg – der neu gestaltete Hamburger Platz am Speersort ist das Ergebnis einer online durchgeführten Bürgerbeteiligung.

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

bracht haben, auf Bürgerbeteiligung mit Hilfe des Internets zu setzen. Arbeitet die Position des Autors in dieser Frage heraus. ◗ Analysiert und interpretiert die Karikatur in D 4. Worauf möchte der Zeichner hinweisen?◗ Stellt die Argumente der Autoren in D 3 und D 5 einander gegenüber und diskutiert diese in der Klasse.

◗ Erstellt in Gruppenarbeit kurze Präsentationen zu den ein-zelnen Schlagzeilen in D 1. Stellt diese in der Klasse vor.◗ Erläutert die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich laut Peter Kruse in D 2 durch die vermehrte Nutzung des Internets ergeben.◗ Beschreibt mit Hilfe von D 3 die besondere Situation und die Motive, die die Städte Solingen und Hamburg dazu ge-

ARBEITSAUFTRÄGE ZU D 1 – D 5

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D 4 Basisarbeit

Karsten Polke-Majewski stellt in seinem Artikel (ZEIT Nr. 24/10) positiv verlaufene Projekte zur Bürgerbeteiligung im Internet vor und leitet daraus die These ab, das Internet könne politische Teilhabe ermöglichen. Er fordert sogar, eine digitale Bürgerbeteiligung auf Bundesebene zur Ge-sundheitsreform zu erproben.

Sind die genannten Projekte aber wirklich demokratisch? Oder siegen bei tatsächlich offenen Diskussionen lediglich die besser vernetzten Interessengruppen und diejenigen, die die Kulturtechniken besser beherrschen (oder die über höhere Bildung verfügen)? Ist der Sieg des Theaters über das Fußballstadion in Solingen so gesehen wirklich über-raschend? Möglicherweise konnte die Gruppe der Theater-freunde die Diskussionen nur geschickter für sich nutzen. Ferner darf man aus einigen wenigen Beispielen wohl nicht folgern, dass die Politik den Ergebnissen von Onlineforen stets willig folgt.

Erfolgreich ist eine Beteiligung natürlich immer dann, wenn die Politik das Ergebnis selbst gutheißt und das Onlineforum ihnen den Mut zur Umsetzung gibt (Beispiel: Domplatz in

Hamburg). Ein schöner Erfolg für dieses Projekt, aber kein Indiz für die generelle Wirksamkeit der Onlinebürgerbetei-ligung.

Weniger erfolgreiche Beteiligungsprojekte wurden schnell abgewickelt und haben sogar im Internet keine Spuren hin-terlassen. So hat das Bundesverkehrsministerium vor sieben oder acht Jahren (auf Bundesebene!) ein Onlineforum zum Thema »Radverkehr« eingerichtet, bei dem verschiedene Aspekte der Radverkehrsförderung diskutiert werden konn-ten. Damals traf sich die Internetgemeinde der Gegner der Radwegbenutzungspfl icht und lud ihre Argumente in alle Diskussionsrunden. Obwohl diese Argumente überwiegend auf wissenschaftlichen Untersuchungen beruhten, ging das Ministerium darauf nicht ein, löschte das Forum und ver-schob die beabsichtigte Fahrradnovelle der Straßenverkehrs-ordnung um mehrere Jahre.

Die ZEIT vom 17. Juni 2010 (Frank Bokelmann)

D 5 Vernetzte Bürger

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 6 »Präsident 2.0«

Wenn Barack Obama an diesem Dienstag ins Weiße Haus einzieht, hat der neue Präsident auch mehrere Millionen Datensätze im Gepäck: Namen, Handynummern und E-Mail-Adressen von Unterstützern aus dem ganzen Land. Es ist wahrscheinlich, dass er diese Daten nutzen wird, um seine Botschaften auch in Zukunft direkt an den Wähler zu bringen. Die zentrale Rolle, die das Internet in Obamas Wahlkampf spielte, soll es in seiner Amtszeit behalten. Manche sehen in Obama schon Amerikas ersten »Internetpräsidenten«.

Auf alle Fälle wird er der erste Präsident sein, der einen Blog schreibt und seinen Wählern in »Internetkamingesprächen« seine Politik erläutert. Gleich mit mehreren Initiativen für mehr Transparenz will er sich von der Regierung Bush ab-heben: Alle Ausgaben der Regierung sollen im Netz doku-mentiert werden, Gesetzentwürfe mehrere Tage online sein, bevor der Präsident sie unterschreibt. Alle Amerikaner sind aufgerufen, über das Internet Vorschläge für die Präsident-schaft einzureichen. Vor allem aber könnte Obama mit Hilfe seiner Datenbank ohne Weiteres Millionen Unterstützer mo-bilisieren. Die Daten dafür stammen noch aus der Plattform www.mybarackobama.com, einem mächtigen Werkzeug, das ihm schon im Vorwahlkampf half, gegen Hillary Clinton zu bestehen, die alle klassischen Machtressourcen der Demo-kratischen Partei hinter sich hatte.

Auf »MyBO«, wie Obamas Helfer die Plattform liebevoll nennen, tauschten Unterstützer Fotos und Filme aus und or-ganisierten Aktionen zur Wählermobilisierung. Adressdaten konnten jederzeit nach kleinsten geografi schen Einheiten oder auch nach Berufen gefi ltert werden. So konnte das Heer von Freiwilligen in jene Wahlkreise dirigiert werden, in denen es am dringendsten gebraucht wurde. In Texas soll Hillary Clinton 20.000 Helfer gehabt haben. Obamas Mann-schaft lief mit 104.000 Freiwilligen auf.

Genau dieses »Web 2.0«, das Internet zum Mitmachen, hatte sich erst in den vergangenen Jahren entwickelt. Viele In-ternetseiten, die im Wahlkampf eine große Rolle spielten,

existierten vor vier Jahren noch gar nicht – wie das Video-portal YouTube – oder erreichten nur wenige Nutzer – wie die Internetgemeinschaft Facebook. Allein dort scharte Obama fast vier Millionen Unterstützer um sich. Aus dem Datenpool kann der neue Präsident nach Belieben schöpfen. Zielgenau und kostengünstig lassen sich über das Internet etwa allein-erziehende Mütter oder Feuerwehrleute ansprechen. Selbst wenn nur ein Bruchteil der Unterstützer aktiv wird – mit ihren E-Mails und Anrufen ließen sich gewiss die Büros vieler Senatoren oder Abgeordneten lahmlegen.

Neue Mittel der Kommunikation hat Obama nicht erfunden, aber die bekannten kombiniert er so geschickt wie kein Kandidat vor ihm. Den weitaus größten Teil seiner Spenden –mehr als eine halbe Milliarde Dollar – sammelte Obama im Netz. Mit dem Geld fi nanzierte er ein Trommelfeuer klassischer Fernsehspots in den entscheidenden Schlacht-feldstaaten. Viele Filmchen wurden gar nicht erst für das Fernsehen, sondern gleich fürs Internet gedreht. (...) Doch hat Obama auch die Nachteile des Internets zu spüren be-kommen. Jeder Fehltritt, jede Äußerung bleibt für immer abrufbar. Gerüchte, Obama sei als Senator auf den Koran vereidigt worden, hielten sich im Netz hartnäckig. Seine Bemerkung gegenüber »Joe, dem Klempner«, er wolle »den Wohlstand verteilen«, kursiert als Film. Im Netz sind auch Reden seines damaligen Pastors Jeremiah Wright abrufbar, die Obamas Wahlkampf fast vorzeitig beendet hätten. Das Netz vergisst nichts.

Skeptiker sehen in Obamas Internetinitiative auch Gefahren. Wer Millionen Amerikanern suggeriere, sie könnten gera-dezu mitregieren, wecke Erwartungen. Unklar ist, wer all die Eingaben sichten und bearbeiten soll. Kann Obama die Hoffnungen auf Teilhabe nicht erfüllen, könnten dieselben Netzwerke von Unterstützern, die ihn ins Amt getragen haben, sich gegen ihn wenden.

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Januar 2009 (Stefan Tomik)

US-Präsident Barack Obama beantwor-tet Bürgerfragen auf »CitizenTube«.

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 7 Deutsche Politiker entdecken das Netz

Die Präsenz von deutschen Politikern und Parteien in So-zialen Netzwerken wie zum Beispiel Facebook nahm in den vergangenen Monaten zu, liegt aber immer noch auf einem eher niedrigen Niveau. Das ist das Ergebnis einer Untersu-chung der Onlineagentur »newthinking communications«.

»Über allem weht ein Hauch von Obamania«, heißt es in der Studie mit Blick auf den Internetwahlkampf des US-Präsidenten Barack Obama. Noch sei aber nicht abzusehen, ob deutsche Parteien und Politiker im Superwahljahr 2009 dessen erfolgreiche Strategie nachahmen können.

Ein kräftiges Wachstum bei den Mitgliederzahlen verzeichne-ten die Parteien in den vergangenen Wochen auf Facebook. In dem aus den USA stammenden Netzwerk können Mit-glieder online Freunde werben, Organisationen unterstützen und sich dabei gegenseitig über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden halten. Im Wahlkampf kann dies ein effi zientes Mittel sein, um Unterstützer zu mobilisieren.

Spitzenreiter ist laut der Studie die SPD vor den Grünen und der Linkspartei. Etliche Politiker sind auch individuell mit Profi len in den Netzwerken vertreten – SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier etwa kommt zurzeit auf 752 Unter-stützer bei Facebook. Zum Vergleich: Die Seite des künftigen US-Präsidenten Barack Obama hat fast 3,7 Millionen Fans in dem Onlinenetzwerk. Trotz der nach wie vor überschaubaren deutschen Nutzerzahlen, so das Fazit, wird Facebook wohl die zentrale Plattform für den Onlinewahlkampf werden.

Doch auch die Videoplattform YouTube ist der Studie zufolge beliebtes Mittel der digitalen Wählerwerbung. Sie ist weni-ger interaktiv, mit ihr können sich Politiker aber über das Internet direkt an die Wähler wenden. »Terra incognita« sei dagegen das Onlinenetzwerk MySpace – Vorbild für Facebook

und vor allem bei Jugendlichen und Musikern beliebt. Hier, so zumindest die Erkenntnisse der Studienautoren, sei kei-nerlei Bewegung zu beobachten. Der Grund: Der Service sei kein attraktives Umfeld für Parteien.

Noch eher ein Geheimtipp für deutsche Kandidaten ist dage-gen Twitter – ein zunehmend populärer werdendes Angebot, mit dem kurze Nachrichten zum Beispiel als SMS per Handy verschickt und von allen Interessierten im Internet gelesen werden können. Vor allem die Grünen nutzen zurzeit den innovativen Dienst.

Einer der frühen Twitterer ist etwa der SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, vor wenigen Tagen hat auch der hessische SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel Twitter für sich entdeckt. Am Mittwochmorgen begrüßte er seine An-hänger mit der Nachricht »Minus 21 Grad und ein langer Tag im Blick. Hoffentlich halten wir den Zeitplan.«

»Eine eigene Facebook-Seite, ab und an bei YouTube ins Internet sprechen und vielleicht ein eigenes Blog oder ein Twitter-Account werden zur Standardausstattung aller halb-wegs motivierten Kandidatinnen und Kandidaten für po-litische Mandate gehören«, prophezeit Markus Beckedahl, einer der Autoren der Studie. Beckedahl zählt mit seiner Webpräsenz netzpolitik.org zu den bekanntesten Bloggern in Deutschland. Er rechnet damit, dass das Internet erst in der heißen Phase vor der Bundestagswahl intensiv als Wahlkampfi nstrument genutzt wird – zu spät, um sich eine kritische Masse an Anhängern aufzubauen. »Das ist ein lang-fristiger Prozess«, erläutert Beckedahl. In den USA hätten die Kandidaten zwei Jahre vor der Wahl damit begonnen.

dpa vom 7. Januar 2009

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D 8 Bürger und Politiker im Dialog

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 9 Was vom Hype übrigbleibt ...

warum der Internetwahlkampf in Deutschland bislang noch eine Nebenrolle spielt.◗ Analysiert und interpretiert die Karikatur in D 8. Nehmt Stellung zu der dort getroffenen Aussage.◗ Erarbeitet mit Hilfe von D 10 Ursachen für den plötzlichen Erfolg der Piratenpartei. Welche Probleme sieht der Autor auf die Partei zukommen? Diskutiert in der Klasse die Zukunfts-chancen der Piratenpartei.

◗ Erläutert mit Hilfe von D 6 das »Erfolgsgeheimnis« von Obamas Internetaktivitäten. Verwendet zusätzlich die Webseiten www.barackobama.com und www.facebook.com/barackobama.◗ Vergleicht die Ergebnisse eurer Arbeit mit den in D 7 be-schriebenen Aktivitäten in der deutschen Politik. Bezieht für eure Arbeit die Angebote von Parteien und einzelnen Politikern auf Facebook, YouTube usw. mit ein. Sammelt auf der Basis eurer Ergebnisse und des Textes D 9 Gründe,

ARBEITSAUFTRÄGE ZU D 6 – D 10

Die Online-Obamania ist Geschichte und die »Bedeutung des Internets für politische Meinungsbildung im Wahlkampf ist überraschend gering«. Zu diesem Ergebnis kommt eine ak-tuelle Studie der Hochschule Hohenheim. Die Allgegenwart von Politikerblogs, YouTube-Kanälen der Parteien und Face-bookprofi len von Kandidaten hat der Kommunikationswis-senschaftler Thorsten Quandt zum Anlass genommen, einmal zu »analysieren, was vom Internetwahlkampf wirklich übrig bleibt, wenn sich der Hype einmal gelegt hat«. (...)

Die Ergebnisse der Studie in sieben Punkten:◗ Trotz hoher Internetabdeckung informiert sich nur ein Drittel der Bevölkerung online über den Wahlkampf.◗ Als Hauptinformationsquelle nennen die Wähler das Fern-sehen (52 Prozent) und die Zeitung (22 Prozent). Das In-ternet folgt erst an dritter Stelle mit 13 Prozent, jedoch vor dem Radio (11 Prozent).◗ Wichtigste Informationsquelle im Netz sind Nachrichten auf Portalseiten, gefolgt vom Internetangebot der Massen-medien. Foren, Blogs und Soziale Netzwerke folgen erst an letzter Stelle.◗ Anders als in den USA: Dort nutzen zwei Drittel das Netz, um sich im Wahlkampf auf dem Laufenden zu halten. Soziale

Netzwerke werden dreimal so intensiv zur Meinungsbildung vor der Wahl genutzt, wie hierzulande.◗ Foren, Blogs und Soziale Netzwerke sind zwar Schlusslicht, wahlkampfstrategisch jedoch noch der beste Weg, politisch desinteressierte Internetnutzer zu erreichen.◗ Aber: Da sich die meisten User in Foren, Blogs und Sozi-alen Netzwerken passiv verhalten, kann eine vergleichsweise kleine Gruppe hier sehr leicht die Meinungsführerschaft an sich ziehen.◗ Die vergleichsweise hohe Zahl junger Internetnutzer lässt jedoch vermuten, dass die Bedeutungssteigerung des Inter-nets noch bevorsteht.

Die Hohenheimer Studie lässt sich schwerlich auf einen Satz bringen. Quandt hat es trotzdem versucht. Sein Fazit: Wahlkampf im Internet sei sicherlich nicht falsch, dürfe aber auch nicht überschätzt werden. (...)

freitag.de vom 19. April 2010 (Tom Strohschneider)

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Bundestagswahlkampf 2009: Die Spit-zenkandidaten aller Parteien haben eine eigene Homepage und ein Profi l bei den großen Sozialen Netzwerken. Der Wahlkampf über das Internet ist zur Selbstverständlichkeit geworden.

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 10 Klar zum Kentern

Es war ein Sommermärchen. Und obwohl es vor einem halben Jahr war, wirkt es lange her. Bei einem Kennenlernabend der Piratenpartei in einer Kneipe in Kreuzberg saß eine junge Frau an einem Tischchen und kam nicht mehr damit nach, die Eintrittsformulare an die Schlange stehenden Interessenten zu verteilen. Was für junge Leute: Ein Informatiker, der schwärmte, dass es jetzt endlich eine Partei gebe, mit der er sich identifi zieren könne. Eine Studentin, die erzählte, dass sie Onlinefantasyspiele möge und nicht verstehe, dass das nun »Killerspiele« sein sollten, die auf den Index gehörten. Junge Menschen waren hier versammelt, von denen man sagte, sie seien unpolitisch. Jene, zu denen die klassische Politik den Draht verloren hatte, für die sie aber so gern attraktiv wäre.

Die Piratenpartei erschien nicht als Partei, sondern als eine Bewegung einer Generation. Die Partei derer, die mit dem und im Internet lebten und von denen, die das Land regierten, nicht verstanden wurden. Und die aufgebrochen waren, ihre Welt zu verteidigen. Der Gegner war die Mutter der Nation selbst. Ursula von der Leyen, die damalige Familienminis-terin, hatte die Kinderpornodebatte als Wahlkampfthema ausgerufen. Um Kinderpornoangebote im Netz unzugänglich zu machen, so behaupteten die Piraten, wollte sie eine Art Zensurbehörde einführen. Das Bundeskriminalamt sollte Seiten, die auf einem Index gelandet waren, umgehend sperren. Der Staat hätte, so der Vorwurf, in die Informati-onsfreiheit eingegriffen. Die Konfrontation war perfekt: Die Mutter der Nation, die mit ihren sieben Kindern Hausmusik machte, die Supernanny der CDU, dämonisierte ein Medium, das für viele junge Menschen zur Heimat geworden war. Das wollte sich die »Generation Facebook« nicht gefallen lassen. Eine Onlinepetition gegen das Sperrgesetz bekam über 134.000 Unterstützer. Fast aus dem Nichts wuchs die Partei mit bislang 12.000 Mitgliedern zur stärksten Kraft hinter den Grünen.

Wo sind die alle jetzt? Die neue Koalition schickte die Idee der Internetsperren kurzerhand ins Nirwana. »Zensursula«

ist von der Kinderpornofront abgetreten, ins Arbeitsminis-terium. Ihre Nachfolgerin Kristina Schröder wirkt selbst wie eine Vertreterin der Internetgeneration. Sie ist 32 – und kommuniziert ständig über Facebook, was sie so gerade macht.

Der politische Gegner hat sich verjüngt. Die Piraten aber, die bei der Bundestagswahl am Ende ernüchternde zwei Prozent holten, sind innerhalb von sieben Monaten um gefühlte 20 Jahre gealtert. (...) In gerade mal sieben Monaten hat die beeindruckendste politische Bewegung seit den Grünen jeden Wums verloren. Und sie ist selbst schuld daran.

Bei den anstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen hoffen die Piraten auf zwei Prozent »plus x«. Keine Überfl ie-gerträume mehr. Im Wahlkampf ist von der Partei kaum etwas zu hören. Und die Themen, die sie in ihrem Werbespot auf-greift, könnten wahlweise aus den Programmen der Grünen, der SPD und der FDP abgeschrieben sein: Bildung für alle, mehr erneuerbare Energien, keine Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer für Handwerksbetriebe, Verbraucherschutz als Grundrecht.

Es gibt kein Gesicht, das für die Politik der Piraten steht. Diese Partei ist wie das Internet selbst: chaotisch und un-gesteuert. Sogar der Bundesvorsitzende Jens Seipenbusch sieht sich eher als Verwalter denn als Inspirator. Aufsehen, wenn auch nicht besonders positives, erregt dagegen eines der Mitglieder des Bundesvorstands, Aaron König. In seinem Politikblog vertritt er die Meinung, der Westen solle mit einem »Präventivschlag gegen die iranischen Atomanlagen« zeigen, »dass wir uns (...) nicht länger auf der Nase herum-tanzen lassen«. In der Partei treffen diese Äußerungen auf blankes Entsetzen, der Vorsitzende distanziert sich davon, sagt aber gleichzeitig, König vertrete eine »Privatmeinung«. Und Privatmeinungen müsse jeder äußern dürfen.

(...) Es ist sicher zu früh, die Piraten abzuschreiben. Im-merhin sind sie eine Partei, die viele Mitglieder hat und weiter wächst. Und natürlich gibt es auch in anderen Par-teien erbitterte Kämpfe. Tatsächlich erinnert vieles an die Anfänge der Grünen. Aber wir sind nicht mehr in den acht-ziger Jahren, und die etablierten Parteien haben aus ihren Fehlern gelernt. Sie reagieren viel schneller. So könnte den Piraten, während sie sich noch zanken, passieren, was den Grünen erst später widerfahren ist: Dass ihre Themen von den anderen Parteien geentert werden.

Während sich die Piraten streiten, wer eigentlich für wen sprechen darf, haben sich alle etablierten Parteien längst mit netzpolitischen Sprechern ausgerüstet. Und wenn sich die Konkurrenz hemmungslos beim Knowhow der Piraten be-dient, dürfen diese sich nicht einmal beklagen. Schließlich soll Kopieren im Netz legal sein. (...)

Die ZEIT vom 6. Mai 2010 (Tillmann Prüfer)

Bundesparteitag der PIRATEN im Mai 2010. Seit Mitte 2009 hat die Partei in allen 16 deutschen Ländern einen Verband.

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 11 Nicht nur China fi ltert: Zensur im Internet nimmt zu

China ist ein Vorbild – zumindest für Diktatoren und autori-täre Herrscher. Denn das kommunistische Regime in Peking fi ltert und überwacht das Internet mit einem ausgeklügelten System, das seinesgleichen sucht. Es nimmt auch Techno-logieunternehmen wie Google in die Pfl icht. Doch China ist längst nicht der einzige Staat, der den Zugang zum globalen Netz beschränkt: Da sich immer mehr Menschen online in-formieren und austauschen, wollen auch immer mehr Macht-haber im Cyberspace die Kontrolle behalten.

Die Organisation »Reporter ohne Grenzen« zählte 2009 rund 60 Länder, die das Internet zensieren – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Auf knapp 40 Staaten kommt die »Open Net Initiative« (ONI), die von den renommierten Universitäten in Harvard, Oxford, Cambridge und Toronto ge-tragen wird. Zum Vergleich: 2002 beschränkten laut ONI erst zwei Länder die Freiheit im Netz. Die Zahlen unterscheiden sich, der Trend ist aber der gleiche: Die Zensoren nehmen das Internet ins Visier. »Der Anstieg hängt damit zusammen,

dass das Netz im Alltag und auch in der Politik immer wich-tiger wird«, sagt Harvard-Professor John Palfrey. Handy oder PC reichen, um sich online zu informieren oder Fotos und Videos zu veröffentlichen – vorbei an Presse und Fernsehen. »Die totale Offenheit kann für Diktaturen einen destabilisie-renden Effekt haben«, betont der Internet-Experte. (...)

Bei der Überwachung des Internets setzt China mit der »Great Firewall« den Maßstab. Dieses Zensursystem bezeich-net »Reporter ohne Grenzen« als »technologisch am wei-testen entwickelt«. Neben dem kommunistischen Regime macht die Organisation elf weitere »Feinde des Internets« aus. »In diesen Staaten werden unliebsame Internetnutzer systematisch verfolgt und unerwünschte Online-Informati-onen oft mit großem technischen Aufwand zensiert«, klagt die Organisation. Neben China und dem Iran sind das etwa Saudi-Arabien, Syrien, Tunesien, Ägypten und Vietnam. (...) Bei der Internetzensur verlassen sich die Regierungen nicht allein auf ihre eigenen technischen Systeme. Wie der ak-tuelle Streit zwischen Google und China zeigt, nehmen sie vermehrt Internetanbieter in die Pfl icht. Gerade Suchma-schinen – Ausgangspunkt der meisten Recherchen – sind im Fokus. »Der Druck auf Unternehmen wie Google wird daher weiter zunehmen«, sagt Palfrey.

Doch nicht nur Diktatoren kontrollieren das Netz. Australien ist beispielsweise wegen seiner Filterregeln in der Kritik. Die Zensur sei im Vergleich zu westlichen Staaten auffallend strikt, auch wenn sie nicht das Ausmaß repressiver Regime erreiche, schreibt die »Open Net Initiative«. Auch Deutsch-land kommt etwa wegen der mittlerweile ausgesetzten Pläne zu Websperren ins Visier von Bürgerrechtlern. (...)

dpa vom 24. März 2010 (Christof Kerkmann)

Der Internetkonzern Google befi ndet sich im Dauerstreit mit der chinesischen Regierung. Es geht um das unzen-sierte Angebot der Suchmaschine.

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D 12 Great Firewall

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D • Demokratie 2.0 – Politik im Netz

D 13 Iran: Aufstand via Twitter, YouTube & Co.

»Der Marsch hat schon begonnen und befi ndet sich gerade an der Teheraner Uni.« – »Wir gehen zur Kundgebung, betet für uns.« – »Sie haben Pistolen dabei und sehen aus, als würden sie auch schießen.« Solche Einträge kann man in Echtzeit beim Mikrobloggingdienst Twitter lesen. Unter dem Stichwort »#IranElection« (Iran-Wahl) versammeln sich Op-positionelle und Unterstützer aus aller Welt virtuell. Inner-halb von Sekunden tauchen Dutzende neue Einträge auf. Die einen tauschen Informationen aus – zum Beispiel darüber, wo die nächste Demo stattfi ndet. Die anderen, meist aus-ländische Twitternutzer, wünschen den Menschen im Iran über die Plattform Glück und geben weiter, was die Presse international über die Situation im Land berichtet. Andere beklagen sich, dass große US-Medien wie CNN am Wochen-ende wenig über die Situation im Iran berichtet hätten.

Über Twitter erreichen die Regimegegner die ganze Welt. Und sie können sich vernetzen, obwohl die Regierung alles daransetzt, dies zu unterbinden. Gleichzeitig warnen Nutzer

sich gegenseitig davor, dass möglicherweise Regierungsspit-zel mitlesen oder Hacker falsche Nachrichten oder Bilder einstellen – das gilt für alle entsprechenden Plattformen.

Am Wochenende waren Twitter, YouTube und Facebook zeit-weise nicht erreichbar, auch das Mobilfunknetz funktionierte am Samstag nicht. Am Sonntag war es unmöglich, SMS zu versenden. Teheran versuchte zudem, die Geschwindigkeit von Internetzugängen zu drosseln – das erschwert das Hoch-laden und Ansehen von Videos, hat aber kaum Auswirkungen auf Twitter. Auch auf anderen Plattformen versuchen Opposi-tionelle, Informationen an der Zensur vorbei bereitzustellen. In dem Blog »Teheran Live« veröffentlichte ein Augenzeuge Videos und Bilder aus der iranischen Hauptstadt – zum Bei-spiel von Protesten und dem brutalen Vorgehen der Polizei. Fotos zeigen verletzte Demonstranten, brennende Autos und Menschen, die sich auf der Straße versammeln. Hunderte von Kommentaren sind dazu zu lesen: »Du bist unglaublich tapfer, dass du dich gegen diese Ungerechtigkeit stellst«, schreibt ein Leser. Zwischenzeitlich war das Blog auch der Zensur zum Opfer gefallen, ist aber noch online.

Unzählige Bilder aus Teheran sind auch bei Fotocommuni-tys wie Flickr oder Picasa zu sehen – fast live, direkt nach den Ereignissen in der Stadt: Demonstranten mit Fahnen, weinende oder verletzte Menschen und Polizeikolonnen. Offenbar mit Handykameras gefi lmte Videos der Aufstände haben Augenzeugen bei YouTube eingestellt. Es sind vor allem junge Leute, die protestieren. Andere Clips zeigen die Polizei bei Patrouillen in den Straßen. Exil-Iraner bloggen über Facebook, was sie von Freunden und Bekannten aus dem Land hören. (...)

FOCUS Online (www.focus.de) vom 15. Juni 2009 (Claudia Frickel)

Bei den Protesten nach der Präsidentenwahl im Iran im Juni 2009 spielten Onlinedienste aus dem »Social Web« wie Twitter, Facebook und YouTube eine bedeutende Rolle. Oppositionsgruppen nutzten die Plattformen bei-spielsweise, um Demonstrationen gegen das Wahlergeb-nis zu organisieren oder um die Medienzensur mit über das Internet verbreiteten Fotos und Videoaufnahmen zu umgehen.

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dpa

◗ »Freier Zugriff auf alle Informationen im Internet?« Dis-kutiert, inwieweit die Zensurbestrebungen in Diktaturen mit entsprechenden Überwachungsmaßnahmen in Demokratien vergleichbar sind.◗ »Das Internet hat revolutionäre Kraft.« Bewertet diese Aussage vor dem Hintergrund der Ereignisse im Iran im Jahr 2009 (D 13).

◗ Recherchiert, in welchen Staaten der Erde das Internet einer Zensur unterliegt (D 11). ◗ Informiert euch über den Konfl ikt zwischen dem Internet-konzern Google und der chinesischen Regierung. Erstellt dazu eine Präsentation.◗ Wie stellt der Karikaturist in D 12 das Verhältnis von Zensur und Internet in China dar?

ARBEITSAUFTRÄGE ZU D 11 – D 13

Politik & Unterricht • 2/3-2010

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Staffl enbergstraße 38, 70184 Stuttgart Telefon 0711/164099-0, Service -66, Fax [email protected], www.lpb-bw.de

Direktor: Lothar Frick -60Büro des Direktors: Sabina Wilhelm/Thomas Schinkel -62Stellvertretender Direktor: Karl-Ulrich Templ -40

Stabsstelle Kommunikation und MarketingLeiter: Werner Fichter -63Susanne Krieg -64

Abteilung Zentraler ServiceAbteilungsleiter: Günter Georgi -10Haushalt und Organisation: Gudrun Gebauer -12Personal: Sabrina Gogel -13Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich -14Siegfried Kloske, Haus auf der Alb, Tel.: 07125/152-137

Abteilung Demokratisches EngagementAbteilungsleiter/Gedenkstättenarbeit: Konrad Pfl ug* -30Politische Landeskunde: Dr. Iris Häuser* -20Schülerwettbewerb des Landtags: Monika Greiner* -25Thomas Schinkel* -26Frauen und Politik: Beate Dörr -29Jugend und Politik: Angelika Barth -22Freiwilliges Ökologisches Jahr: Steffen Vogel* -35Alexander Werwein*/Charlotte Becher* -36/-34Stefan Paller* -37

Abteilung Medien und MethodenAbteilungsleiter/Neue Medien: Karl-Ulrich Templ -40Politik & Unterricht/Schriften zur politischen Landes-kunde Baden-Württembergs: Dr. Reinhold Weber -42Deutschland & Europa: Jürgen Kalb -43Der Bürger im Staat/Didaktische Reihe: Siegfried Frech -44Politische Bildung Online/E-Learning: Susanne Meir -46Politische Bildung Online: Jeanette Reusch-Mlynárik,Haus auf der Alb, Tel.: 07125/152--136Internet-Redaktion: Klaudia Saupe -49

Abteilung Haus auf der Alb Tagungszentrum Haus auf der Alb,Hanner Steige 1, 72574 Bad UrachTelefon 07125/152-0, Fax -100www.hausaufderalb.de

Abteilungsleiter/Gesellschaft und Politik: Dr. Markus Hug -146Schule und Bildung/Integration und Migration: Robert Feil -139Internationale Politik und Friedenssicherung/Integration und Migration: Wolfgang Hesse -140Europa – Einheit und Vielfalt: Dr. Karlheinz Dürr -147 Bibliothek/Mediothek: Gordana Schumann -121Hausmanagement: Nina Deiß -109

AußenstellenRegionale ArbeitPolitische Tage für Schülerinnen und SchülerVeranstaltungen für den Schulbereich

Außenstelle FreiburgBertoldstraße 55, 79098 FreiburgTelefon: 0761/20773-0, Fax -99Leiter: Dr. Michael Wehner -77Felix Steinbrenner -33

Außenstelle Heidelberg Plöck 22, 69117 HeidelbergTelefon: 06221/6078-0, Fax -22Leiter: Wolfgang Berger -14Alexander Ruser -13

Außenstelle TübingenHaus auf der Alb, Hanner Steige 1, 72574 Bad UrachTelefon: 07125/152-133, -148; Fax -145 Leiter: Rolf Müller -135Klaus Deyle -134

Projekt ExtremismuspräventionStuttgart, Staffl enbergstr. 38Leiterin: Regina Bossert -81Assistentin: Lydia Kissel -82

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