Upload
matthias-lorentz
View
216
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Lebensrisiko Schwangerschaft - ethische Probleme
KTM SchneiderAbteilung für Perinatalmedizin der TUM
Gyn Allround, Mauritius, Do. 2.3.05 900-10.00
“In der prädiktiven Medizin geht es um die Vorhersage der Krankheitsgeschichte eines Menschen. Im engeren Sinn intendiert sie die Erstellung einer Risikodiagnose vor dem Auftreten erkennbarer Krankheitszeichen. Das ethische Grundproblem der prädiktiven Medizin besteht im Auseinanderklaffen zwischen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.” Univ.-Prof. Dr. phil. Günther Pöltner,Institut für Ethik und Rechtin der Medizin, Universität Wien 2002
Ethisches Dilemma der prädiktiven Medizin
Ethische Fragen
1. Indikation einer prädiktiven Diagnose (Ziele und Rechtfertigung des Wissensgewinns) ?
1. Umgang mit dem diagnostischen Wissen ("informationelle Selbstbestimmung") ?
2. Praktische Konsequenzen der Diagnose ?
Univ.-Prof. Dr. phil. Günther Pöltner,Institut für Ethik und Rechtin der Medizin, Universität Wien 2002
Beratung vor Pränataldiagnostik*
Spektrum möglicher pränataldiagnostischer Methoden
Diagnostische Aussagekraft
Spezifische Risiken
Therapeutische Optionen?
Entscheidungsalternativen
bei auffälligem Befund
*Stellungnahme DGGG 2003
Beratung vor pränataler Diagnostik
Pränataldiagnostische Methoden (US, ACHE)
Diagnostische Aussagekraft
Therapeutische Optionen?
Entscheidungsalternativen?
Darstellung der kindlichen Seite
Zurückhaltung mit eigener Empfehlung
Prädiktionsrate für Trisomie 21 und Strategie
Strategie SSW Marker Erkennung (%)
1 15-19 Free ß-HCG, AFP 63,22 15-19 Free ß-hCG, AFP, uE3 66,83 15-19 Free ß-hCG, AFP, uE3, 72,1
Inhibin A4 10 Free ß-hCG, AFP, uE3, 77,4
PAPP-A5 11-13 NT 72,96 10-11 Free ß-hCG, AFP, uE3, 91,6
PAPP-A, NT7 11-13 NT, NB 92,48 10-11 Free ß-hCG, AFP, uE3, 97,5
PAPP-A, NT and NBWhen 5% are referred for prenatale diagnosis (from published model or remodelledwith nasalbone findings from Cicero et al). NT = nuchal translucency; NB = nasal bone
(Lancet; 2001, 358, 1658-1659) Commentary: Time for total shift to first-trimester screening for Down‘s syndrome.
Für und Wider der invasiven Diagnostik
Abortrate
bei AC / CVS
0,5 - 1%
Trisomie 21 Rate bei
35 jähriger 0,3%
45 jähriger 3 %
Mutter-Alter
(Jahre)
Gestationsalter, Mutteralter und Trisomie 21 Risiko
10 SSW 12 SSW 14 SSW 16 SSW 20 SSW 40 SSW
20 25 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 4344
1/1993 1/1765 1/1168 1/1014 1/860 1/715 1/582 1/465 1/366 1/284 1/218 1/167 1/126 1/95 1/71 1/53 1/40
1/2484 1/2200 1/1456 1/1263 1/1072 1/891 1/725 1/580 1/456 1/354 1/272 1/208 1/157 1/118 1/89 1/66 1/50
1/3015 1/2670 1/1766 1/1533 1/1301 1/1081 1/880 1/703 1/553 1/430 1/330 1/252 1/191 1/144 1/108 1/81 1/60
1/590 1/3179 1/2103 1/1825 1/1549 1/1287 1/1047 1/837 1/659 1/512 1/393 1/300 1/227 1/171 1/128 1/96 1/72
1/4897 1/4336 1/2869 1/2490 1/2490 1/1755 1/1429 1/1142 1/899 1/698 1/537 1/409 1/310 1/233 1/175 1/131 1/98
1/18013 1/15951 1/10554 1/9160 1/7775 1/6458 1/5256 1/4202 1/3307 1/2569 1/1974 1/1505 1/1139 1/858 1/644 1/481 1/359
Ersttrimester Screening
Snijders et al. Fetal Diag Ther 1995;10:356–67
Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik
Nur ca. 4% aller invasiven pränataldiagnostischen
Eingriffe zur Bestimmung des Karyotyps führen
zum SS-Abbruch !!
Kind als Schaden (wrongful live)
Ärzte haften für unerwünschte Kinder !!
Schwangerschaftsabbruch*
• Wegfall der embryopathischen Indikation
• Wegfall der Frist von 22 SSW p.c.
• Wegfall einer Beratungspflicht und der 3-tägigen Frist
bis zur Durchführung des Abbruchs
• Wegfall einer spezifischen statistischen Erfassung
indizierter Schwangerschaftsabbrüche
*Neufassung § 218a StGB vom 21.08.95
0 12 24 36 SSW
ohne Indikation
kriminologisch
embryopathisch
medizinisch
Gestationsaltersgrenzen für SS-Abbruch
Mit der Subsummierung der embryopathischen in die medizinische Indikation hat diese jetzt zwei Dimensionen erhalten (Wuermeling 1997):
• eine unmittelbar „mütterlich - medizinische“ Indikation
(klassisch- medizinische Indikation) und
• eine mittelbar „mütterlich - medizinische“ Indikation
(bisher bis zur 22. SSW p.c. befristete embryopath. Ind.)
Schwangerschaftsabbruch - ethische Überlegungen
Bei zu erwartender Lebensfähigkeit jenseits der 24. SSW
ergibt sich das Problem der iatrogen ausgelösten Frühgeburt
anstelle der geplanten Totgeburt. Kann die Problemlösung in
einem intrauterinen Fetocid vor geplantem SS-Abbruch
bestehen?
(Ratzel 1996)
Schwangerschaftsabbruch - ethische Überlegungen
• die unmittelbar „mütterlich - medizinische“ Indikation
hat nicht die Tötung des Kindes zum Ziel
• die mittelbar „mütterlich - medizinische“ Indikation
(frühere embryopath. Ind.) hat grundsätzlich die
Tötung des Kindes zum Ziel
Schwangerschaftsabbruch - ethische Überlegungen
Der billigend in Kauf genommene Tod des Kindes setzt eine Verneinung des Lebensrechts voraus und kann sittlich keine Billigung finden, allenfalls aber tolerabel sein (Wuermeling 1997)
Bei postnataler Lebensunfähigkeit dagegen ist eine vorzeitige Entbindung sittlich vertretbar (Gründel 1997)
Schwangerschaftsabbruch - ethische Überlegungen
• In der Bundesrepublik finden jährlich ca. 130.000 Schwangerschaftsabbrüche statt.
Bei einer Geburtenzahl von ca. 720.000 bedeutet dies, dass ca.
jede 6. Schwangerschaft abgebrochen wird.
Schwangerschaftsabbruch
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
MedizinischEmbryopathisch
Schwangerschaftsabbrüche und Indikationsstellungen
in Deutschland 1993 - 2005*
* Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2006
ab1996 neue Regelung
Schwangerschaftsabbrüche und Gestationsalter
in Deutschland 1993 - 2005*
* Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2006
0
500
1000
1500
2000
2500
SSW 13 - 23
ab1996 neue Regelung
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Schwangerschaftsabbrüche und Gestationsalter
in Deutschland 1993 - 2005*
* Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2006
0
50
100
150
200
250
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
SSW > 23
ab1996 neue Regelung
n=200
Empfehlungen (Schwarzenfelder Manifest)
• Eine Indikation zum Abbruch soll, bei fetaler Erkrankung, Entwicklungsstörung oder Anlageträgerschaft, die die Unzumutbarkeit einer anderen Konfliktlösung begründet, durch mind. 2 beratende Ärzte einvernehmlich gestellt werden.
• Der Zeitpunkt der extrauterinen Lebensfähigkeit soll als zeitliche Begrenzung für den Abbruch nach pränataldiagnostisch auffälligem Befund angesehen werden.
• Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für statistische Erfassung aus Gründen der Qualitätssicherung mit Angabe von Indikation, Methode, postnataler Befund-sicherung.
• Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Weigerungs-recht der Mitwirkung an einem Schwangerschaftsab-bruch, ausgenommen Fälle der unmittelbaren Lebens-gefahr der Schwangeren
Empfehlungen (Schwarzenfelder Manifest)
• Information über medizinische, psychosoziale und finanzielle Hilfen zur
Versorgung des Kindes
• Vorbereitung auf ein Leben mit krankem/behindertem Kind (soziales Umfeld)
• Vermittlung von Kontaktpersonen, Selbsthilfegruppen und unterstützenden
Stellen
Beratung nach gesicherter fetaler Erkrankung und Wunsch nach Fortführung der Schwangerschaft
*Stellungnahme DGGG zum Schwangerschaftsabbruch 2003
…„unsere Kinder können vielleicht nicht laufen oder so schnell
lernen wie andere. Sie brauchen oft mehr Hilfe, Pflege und
Zeit. Aber sie haben ihre eigenen Talente und das schönste
Lachen der Welt. Sie sind etwas ganz besonderes, wir
können viel von ihnen lernen. Ich habe ein solch besonderes
Kind“…
Mutter eines behinderten Kindes:
Historische Entwicklung- Perinatale Mortalität -
1910 1950 1990 2000
0
10
20
30
40
50
60
Wechsel von Haus- zu KlinikgeburtUS, CTG, MBU
Perinat.erhebungDoppler
‰
SO2
Weitere häufige Risiken in der Schwangerschaft
Kind:
• Frühgeburt (ca. 8%)
• Mangelentwicklung (ca. 5%)
Mutter:
• Gestationsdiabetes (ca. 5%)
• Präeklampsie, Eklampsie (ca. 3%-5%)
Gestationsalter n Überlebensrate Cerebralschäden 6 Mo. alt
22 SSW 29 0% Ø Ø
23 SSW 40 15% 98% 83%
24 SSW 34 56% 79% 64%
25 SSW 39 79% 31% 13%
Allen MC et al. (1993)
Frühgeburten < 1500 g: perinat. Mortalität und Morbidität
Überlebensrate Frühgeborener in Abhängigkeit vom Gestationsalter*
0102030405060708090
100
23 24 25 26 27 28 28-32 32-36
SSW
* Bayerische Neonatalerhebung 2003
%
Risikogruppe <32 SSW und < 1500 grund 1% der Geburten
Hochrisikogruppe < 28 SSW < 1000 grund 0,4% der Geburten
Risiken bei zu früher GeburtLunge: Atemnotsyndrom, Beatmung, Lungenschäden,
ZNS: Hirnblutung, Hirnläsionen, Apnoen/ Bradykardien, geistige und/oder körperliche Beeinträchtigung,
Auge+Ohr: Retinopathie mit Sehstörung; Hörstörung,
Immunsystem: Infektionen (amniogen oder erworben)
Herz: arterielle Hypotonie, offener ductus Botalli,
Darm: Enterokolitis, Resorptionsstörungen,
Wachstum: Ess- und Gedeihstörung,
Psyche: Verhaltensauffälligkeiten, Schulprobleme,
Risiko für das Auftreten einer Behinderung bei extrem niedrigem Geburtsgewicht im Alter von
18 Monaten Schmidt, JAMA 2003
Risiko basal: 18%
Risikosteigerung durch• Retinopathie Grad 4 und 5 • cerebrale Läsionen,
schwere Hirnblutung,• Bronchopulmonale Dysplasie
35% der Frühgeborene unter 1000 g weisen mit 18 Monaten eine Behinderung aufSchmidt JAMA 2003
13% Cerebralparese (CP)26% Mentale Retardierung (MR) 2% Blindheit oder schwere Sehstörung 2% Hörstörung
Risikofaktor cerebrale Läsion
• Intracerebrale Blutung (ICH) Grad I - III, Parenchymeinblutung
• Häufigkeit rund 20%,• Letalität > Grad III:
rund 50%
Risikofaktor cerebrale Läsion
• Posthämorrhagische Ventrikelerweiterung mit oder ohne Shuntnotwendigkeit
Wie gesund wird es eingeschult?
Bedeutung des sozialen Umfelds für die Entwicklung *
IQ- Zunahme von 88 mit 3 Jahren auf 99 mit 8 Jahren.
Voraussetzung: 2-Eltern Haushalt, mütterliche Ausbildung, keine ICH mit weniger als 11 Lebensstunden
* Ment JAMA Vohr Pediatrics 2003
Wie beurteilen Frühgeborene selbst ihre
Lebensqualität ?
Frühgeborene < 1000 g
• 27% neurosensorische Beeinträchtigung
• durchschnittlich niedrigerer QL-Score (0,87), größere Abweichung (SD 0,26)
• aber: 71% hoher QL-score.
Kontrollgruppe • 2% neurosensorische
Beeinträchtigung• durchschnittlich höherer QL-
Score (0,93), weniger Abweichungen (SD 0,11)
• 73% hoher QL- Score
* Saigal Clin in Perinat 2000
Aufnahme in den Kreissaal
• Anamnese• Terminberechnung• Risikotriage• CTG• US
Vorstellung OA• FG• IUGR• Makrosomie• Poleinstellungsanomalie• Blutung• Mütterliche schwerw. Erkrankung• Mehrlinge
Info Kinderärzte:• Frühgeburt < 37 SSW• IUGR < 5. Perz.• Diabetes• Ductusabh. Vitien• Fehlbildungen• Drogenabusus• Mehrlinge
Mutter: Fetus:Geburtsverletzung VerletzungBlutung Blutung Infektion Infektion
Thrombose / Embolie FrühgeburtVerlust der Gebärmutter HypoxieTod Tod
Lebensrisiko Geburt
Amtliche Müttersterblichkeit Deutschland*
0
100
200
300
400
500
1900 1920 1940 1960 1980 2000
pro 100.000Lebendgeborene
Jahr
* Welsch H, Müttersterblichkeit in: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM (Hrsg): Die Geburtshilfe Springer Verlag 2003
Mütterliches Mortalitäts- /Letalitätsrisko & Entbindungsmodus*
* Welsch H, Müttersterblichkeit in: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM (Hrsg): Die Geburtshilfe Springer Verlag 2003
1995-2000 Mortalität LetalitätBayern n=670.059
Sectio 0,29 ‰ (n=30) 0,04 ‰ (n=5) 1 : 3.500 1 : 25.903
Vaginale Geburt 0.04 ‰ (n=20) 0,02 ‰ (n=9) 1 : 27.028 1 : 60.062
Vag.Geb. / Sectio 1 : 7.7 1 : 2.3
Vag.Geb. / pr. Sectio ~1 : 2.5 ~1 : 1 (1:60.000)
Haiti 2% 8333 jede 12. † 160Madagaskar 7% 1250 65Niederlande 17% 31 8BRD (2002) 24% 28 5.5USA (2002) 26% 40 6Malaysia 27% 94 20Thailand 29% 94 20Italien (2000) 33% 17 5Brasilien (2000) 35% 1000 45Chile 40% 71 10
Land Sectiorate Mort. Mort. % pro 100.000 pro 1000
jede 3225. † jedes 125. †
jede 3500. † jedes 180.†
jede 5800. † jedes 200. †
geplant dringlich Notfall
< 30 Min. < 20 Min < 10 Min
Normale Aufklärung Zügige Aufklärung kaum Aufklärung
+ Vorbereitung + Vorbereitung kein Katheterkeine AT-Strümpfe kein Waschen
Problem: keine klaren Absprachen mit Kooperationspartner
Sectio
Zeitliche Zuordnung der CP-Rate
AntepartualIntrapartualPostpartual
• Beratung über Chancen und Risiken
• Aufklärung bei sich ändernder Situation
• Fachgerechte Behandlung
• Hinzuziehung von Kooperationspartnern
Aufgaben der Geburtsmedizin
• Vermeidungsmöglichkeit jeglichen Risikos
• Garantie auf Gesundheit
Überzogene Erwartungen: