Lehrerpersönlichkeit in Mathematik und Naturwissenschaften ...€¦ · • die eine Seite nicht dem Diktat der anderen zu unterwerfen. • Widersprüche zwischen den beiden Sichtweisen

Lehrerpersönlichkeit in Mathematik und

Naturwissenschaften.

Bei uns zählen nur die Fakten! – Oder?

1. Adventistischer Bildungskongress I 15.05.2015, Stefan Wilhelm

Workshop Ablauf

Einstiegsreferat

• Lehrerrolle in Mathematik und NaWi – Welche Fallen lauern?

Blick in ein paar Texte zum Thema und Diskussion

• Glaube und Naturwissenschaft – Harmonie oder Widerspruch?

• Chancen gegenseitiger Bereicherung

Gedankenanstoß aus der Bibel und Austausch

• Ideen zu einem persönlichem Leitbild

Schulzentrum Marienhöhe e.V. 2 Stefan Wilhelm, 15.05.2015

Mathematiklehrer(innen)

Schulzentrum Marienhöhe e.V.

Die Erwartungen an unsere Fähigkeiten sind hoch…

3

Schwache fördern

Zentrale Prüfungen vorbereiten

Person?

Stefan Wilhelm, 15.05.2015



Natürlich erwartet man auch eine Lehrerpersönlichkeit…

4

Person? Allgemeine pädagogische Kompetenzen

• Gerechtigkeit

• Durchsetzungsvermögen

• Empathie

• Humor

• …




aber…

5

Person?

Wen interessieren

• meine Werte?

• mein Weltbild?

• meine Glaubensüberzeugungen?

• meine Interessen?

Geht das überhaupt jemanden etwas an?

In welchen lebensrelevanten

Fragen erwartest Du von ihm

wirklich eine Antwort?


In der Naturwissenschaft wird ethische Verantwortung gefordert.

Schulzentrum Marienhöhe e.V. 6

Ich kann mich als Naturwissenschaftler ethischen Fragen nicht mehr komplett

entziehen, z.B. bei

• Genetik

• Kernphysik

• Ökologie

• Sexualkunde

• …

Moralvorstellungen

religiöse Überzeugungen


Naturwissenschaft und Glaube Darf ein Naturwissenschaftler „glauben“?


• Große Skepsis gegenüber Religion

• Insbesondere gegenüber institutionalisierter Religion

• Fundamentalismus schürt Ängste

• „Opium des Volkes“ erhält neue Bedeutung

• Auseinandersetzung zwischen Naturwissenschaft und Glaube wird von

beiden Seiten stark ideologisiert geführt


Naturwissenschaft und Glaube Zwei Sichtweisen auf die Welt – Inwieweit die beiden zusammenpassen,

werden die SuS auch an unserer Person festmachen!


? Stefan Wilhelm, 15.05.2015

Naturwissenschaft und Glaube Kann ich beide Seiten in meinem Unterricht vertreten?


• Lassen sich beide Sichtweisen überhaupt harmonisieren?

• Wie stark lassen sie sich harmonisieren?

• Führen die zwei Sichtweisen zu einer Spaltung meiner Person?

• Ist eine Seite der anderen überlegen oder übergeordnet?

• Beeinflussen sich die beiden Sichtweisen?

?


Harmonisierung um jeden Preis Welche Fallen lauern, wenn ich beide Sichtweisen unbedingt zur Deckung

bringen möchte?


?

Gebe ich einer Sichtweise Vorrang über die andere, wird von der

unterlegenen nicht viel übrig bleiben.


Harmonisierung um jeden Preis Der rationale Besserwisser


>

Evolutionärer Naturalismus – die Wirklichkeit als Natur wahrnehmen

• Religiöse Phänomene werden ganz im Rahmen moderner

Naturwissenschaft erklärt.

• Schöpfungsvorstellungen werden zu Mythen

• Oft wird „die Natur“ personifiziert.

• Selbstorganisation, parallele Universen und rückwärtsgerichtete Kausalität

werden zur Erklärung von Phänomenen herangezogen.


Harmonisierung um jeden Preis Der rationale Besserwisser


>

Glaube ich nur an das, was in mein wissenschaftliches Weltbild passt, …

• … verlieren wesentliche Aussagen der Bibel an Kraft.

• … gibt es keinen Raum für Wunder.

• ... kann ich auch schlecht auf zukünftiges Eingreifen Gottes hoffen

• … leugne ich Gottes Wirksamkeit in dieser Welt.

• … setze ich meinen Verstand höher als Gott.

• … wird meine Vorstellungskraft zum Maß aller Dinge.


Harmonisierung um jeden Preis Der fromme Besserwisser


<

Antievolutionärer Kreationismus – die Wirklichkeit als

Schöpfung wahrnehmen

„Das erkenntnisleitende Vorverständnis des Kreationismus

ist die Überzeugung, dass Gottes Wort in Gestalt der

Heiligen Schrift zuverlässig ist und als Quelle des Wissens

eine privilegierte Stellung hat. Die Ehrfurcht vor Gott und

seinem Wort sei der Beginn aller echten Weisheit und

Wissenschaft.“

(Noack, Chr. „Glaube als Bildungserfahrung“ 2012, S. 307)


Harmonisierung um jeden Preis Der fromme Besserwisser


<

Beurteile ich wissenschaftliche Erkenntnisse danach, ob sie

in mein religiöses Weltbild passen …

• … verlasse ich die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens.

• … selektiere ich Quellen, um scheinbare Widerspruchsfreiheit zu erreichen.

• ... werde ich unglaubhaft.

• … bin ich als Wissenschaftler nicht ernst zu nehmen.

• … ist meine Interpretation göttlicher Offenbarung das Maß aller Dinge.


Harmonisierung um jeden Preis Beide Besserwisser haben ein Problem


• Beide machen ihr eigenes Gedankengebäude zum Maßstab.

• Beide haben Angst davor, dass ihr Fundament ins Wanken gerät.

• Beide fühlen sich von der Meinung des anderen bedroht

(Die Mehrheit bietet dem rationalen Sicherheit, der fromme ist Außenseiter).

• Beide selektieren ihre Quellen und forschen einseitig.

• Beide neigen dazu, den anderen zu bekämpfen.

• Jesus würde sagen: Beide bauen ihr Haus auf Sand.


Harmonisierung um jeden Preis Theistische Evolution als Versuch der Harmonisierung


=

Die Wirklichkeit als sich natürlich entwickelnde Schöpfung Gottes

wahrnehmen

• Evolution als fortwirkende Schöpfung Gottes

• Scheinbar einfache Synthese beider Seiten mit päpstlichem Segen.

• Erbt hauptsächlich die Probleme beider Seiten.

• Tod vor dem Sündenfall

• Gott als Lückenbüßer für Unerklärtes bzw. „Motor“ nicht nachweisbar


Harmonisierung um jeden Preis Muss ich die Hoffnung auf die Vereinbarkeit beider Sichtweisen aufgeben?


?


Vollständige Trennung als Lösung? Zwei unabhängige Sichtweisen mit verschiedenen Zielen und Ergebnissen


Komplementäre Differenz – die Wirklichkeit als Naturprozess und als

Schöpfung Gottes wahrnehmen

• Schöpfung und Evolution sind Wahrheiten auf verschiedenen

Wirklichkeitsebenen

• „Das Modell der komplementären Differenz plädiert dafür, diese

unterschiedlichen Ebenen in ihrer Eigenständigkeit noch stärker zu

profilieren und damit auch ihre Eigenart möglichst zu bewahren – bis hin

zum Verzicht auf eine einheitliche Weltanschauung. Es handelt sich um

ein Differenzierungsmodell, das die begrenzten Wahrheitsansprüche

unterschiedlicher Wirklichkeitszugänge in ihrer Eigenständigkeit und

‚Eigensinnigkeit‘ wahren möchte.“ (Noack, Chr. „Glaube als Bildungserfahrung“ 2012, S. 307)

=


Vollständige Trennung als Lösung? Eine vielversprechende Herangehensweise mit eigener Falle


=

nicht zuständig


Vollständige Trennung als Lösung? Eine vielversprechende Herangehensweise mit eigener Falle


Um Glauben und Wissen jeweils eine Chance zu geben, ist es wichtig

• sie als verschiedene Zugänge zur Wahrheit ernst zu nehmen.

• die eine Seite nicht dem Diktat der anderen zu unterwerfen.

• Widersprüche zwischen den beiden Sichtweisen auszuhalten.

Aber es ist schade, wenn dieser Ansatz dazu führt, dass

• beide Bereiche sich gegenseitig für „nicht zuständig“ erklären

• eine gegenseitige Bereicherung ausgeschlossen wird.

= nicht zuständig


Gibt es gegenseitige Bereicherung? Wie kann ich als Christ und Naturwissenschaftler vor SuS authentisch bleiben?


nicht zuständig

Frommer Besserwisser

Rationaler Besserwisser


Gibt es gegenseitige Bereicherung? Können die beiden Sichtweisen synergetisch zusammenwirken, ohne sich

gegenseitig zu korrumpieren?

Wenn ja, dann haben wir als Lehrerpersönlichkeiten dabei eine Schlüsselrolle!


?

Einige Texte zum Anstoß einer Diskussion:

• Wissen und Glaube aus Sicht der Wissenschaftsgeschichte

• Wissenschaft und Theologie bei E.G. White

• Folgerungen aus dem physikalischen Zeitbegriff


Gibt es gegenseitige Bereicherung? Einige Texte zum Anstoß einer Diskussion:


Ernst Peter Fischer:

Vorlesungsauszug „Wissen und Glaube“ Aus: uni-auditorium „Der Mensch, das Wissen und der Glaube“,

München 2011 (eBook)

• Geb. 1947

• Professor für Wissenschaftsgeschichte

• u.a. Autor von „Die andere Bildung“

Aufgaben:

• Inwieweit stimmt Ihr der Aussage zu, dass der wissenschaftliche

Mensch am Ende zu Gott findet?

• Welches sind für Euch die wichtigsten Gedanken aus dem Text?

Bereitet Euch vor, sie den anderen kurz vorzustellen.

• Welche Chancen seht Ihr für eine gegenseitige Bereicherung

zwischen Naturwissenschaft und Glaube?

• Welche Aufgaben entstehen daraus für eine christliche Lehrkraft

bzw. eine Lehrkraft an einer christlichen Schule?




Martin F. Hanna in

The Ellen G. White Encyclopedia (Denis Fortin / Jerry Moon, Ellen G. White Estate Inc. 2014)

• Science and Theology, Relationship between

• Ellen G. White (1827 – 1915)

• Zentrale Rolle bei Entstehung der Freikirche

und insbesondere bei der Entwicklung des

adventistischen Bildungswesens

• „Ihre Schriften sprechen mit prophetischer

Autorität und geben Trost, Führung,

Unterweisung und Zurechtweisung für die

Gemeinde.“




Martin F. Hanna in

The Ellen G. White Encyclopedia (Denis Fortin / Jerry Moon, Ellen G. White Estate Inc. 2014)

• Science and Theology, Relationship between

• Ellen G. White (1827 – 1915)

Aufgaben:

• Ellen G. White geht von einer völligen Harmonie zwischen dem

Buch der Natur und der Bibel aus. Tappt sie damit bereits in die

„Besserwisser-Falle“? Versucht ihre zentralen Aussagen und

Prinzipien auf den heutigen Stand der Auseinandersetzung zu

aktualisieren. Welche Aussagen und Anregungen bleiben Euch

wichtig?










Paul Davis: Die Zeit Aus: „Gott und die moderne Physik“, München 1986

• Geb. 1946

• Britischer Physiker und Autor

„Gott als Pauschalerklärung für Unerklärtes

heranzuziehen heißt, Gefahr zu laufen, daß man

letztlich seine Nicht-Existenz nachweist – ganz davon

abgesehen, daß man Gott damit zum Freund der

Unwissenheit stempelt. Finden müssen wir ihn,

sofern er auffindbar ist, durch das, was wir über die

Welt entdecken, und nicht durch das, was zu

entdecken wir nicht imstande sind.“




Aufgaben:

• Der Zeitbegriff in der Physik unterscheidet sich erheblich von

unserer Alltagsvorstellung über die Zeit. Welche Auswirkungen

hat das für Euch auf religiöse Aussagen?








Paul Davis: Die Zeit Aus: „Gott und die moderne Physik“, München 1986

• Geb. 1946

• Britischer Physiker und Autor

Gibt es gegenseitige Bereicherung? Wie kann ich als Christ und Naturwissenschaftler vor SuS authentisch bleiben?


nicht zuständig

Frommer Besserwisser

Rationaler Besserwisser


Joh. 8, 1-11 (GNB)

1 Jesus aber ging zum Ölberg.

2 Am nächsten Morgen kehrte er sehr früh zum Tempel zurück. Alle Leute dort versammelten sich um

ihn. Er setzte sich und sprach zu ihnen über den Willen Gottes.

3 Da führten die Gesetzeslehrer und Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden

war. Sie stellten sie in die Mitte

4 und sagten zu Jesus: »Lehrer, diese Frau wurde ertappt, als sie gerade Ehebruch beging.

5 Im Gesetz schreibt Mose uns vor, dass eine solche Frau gesteinigt werden muss. Was sagst du

dazu?«

6 Mit dieser Frage wollten sie ihm eine Falle stellen, um ihn anklagen zu können. Aber Jesus bückte

sich nur und schrieb mit dem Finger auf die Erde.

7 Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: »Wer von euch noch nie

eine Sünde begangen hat, soll den ersten Stein auf sie werfen!«

8 Dann bückte er sich wieder und schrieb auf die Erde.

9 Als sie das hörten, zog sich einer nach dem andern zurück; die Älteren gingen zuerst. Zuletzt war

Jesus allein mit der Frau, die immer noch dort stand.

10 Er richtete sich wieder auf und fragte sie: »Frau, wo sind sie geblieben? Ist keiner mehr da, um dich

zu verurteilen?«

11 »Keiner, Herr«, antwortete sie. Da sagte Jesus: »Ich verurteile dich auch nicht. Du kannst gehen;

aber tu diese Sünde nicht mehr!«

Lernen vom besten Lehrer aller Zeiten Wie heute in der Auseinandersetzung zwischen Glaube und Wissenschaft

prallten schon damals Weltanschauungen und Wertesysteme aufeinander


© Matthias Müller, churchphoto.de

Lernen vom besten Lehrer aller Zeiten Aus dieser Schlinge kann er nicht entkommen.


Die Fallen für Jesus sind klar aufgestellt:

• Wird Jesus die Frau verurteilen und die Steinigung befürworten, so

können sie ihn vor den Römern verklagen, weil er die jüdischen

Kompetenzen mit einem Todesurteil überschreitet.

• Ist er aber gegen die Steinigung, haben sie endlich den Nachweis, dass

Jesus nicht hinter dem durch Mose offenbarten Gesetz Gottes steht.


Lernen vom besten Lehrer aller Zeiten Aber Jesus reagiert völlig unerwartet


Wozu schreibt Jesus in den Sand?

• Er geht nicht in den Gegenangriff über.

• Er ist kreativ.

• Er ist unberechenbar.

• Er bringt die aufgebrachte Menge nach und nach zur Ruhe.

• Sein Kunstwerk im Sand lässt die Zeit still stehen.

• Es öffnet einen Raum für gründliche Reflexion.


Mein Auftrag als Lehrer Die Kunst in den Sand zu schreiben


In den Sand schreiben heißt:

• Zeit zum Nachdenken, Reflektieren und Durchatmen schaffen

• Voreingenommenheit und Schnellschlüsse vermeiden

• Spannungen zwischen Weltsichten akzeptieren

• Widersprüche und offene Fragen aushalten

• Scheu vor Andersdenkenden abbauen


Mein Auftrag als Lehrer Für mich persönlich



• Ich vertraue Gott und seinen Offenbarungen in der Bibel

• Mein Glaube besteht nicht in der richtigen Vorstellung über die

Schöpfung oder das Universum

• Es geht nicht um Wissen oder Rechthaben, nicht um eine Ideologie

• Mein Glaube basiert auf einer Vertrauensbeziehung zu Christus

• Ich bleibe Lernender


Mein Auftrag als Lehrer Für mich persönlich



• Als Wissenschaftler möchte ich so offen und gewissenhaft forschen und

lehren wie möglich.

• Ich möchte nicht aufhören, Beziehungen zwischen den beiden

Weltsichten herzustellen, aber ohne eine Sicht gewaltsam in die andere

einzupassen.

• Widersprüche und ehrliche Fragen sind mir lieber als falsche

Sicherheiten

• Ich Frage kritisch nach, zeige Schwachpunkte auf, aber es ist nicht mein

Ziel, eine Theorie zu bekämpfen.


Mein Auftrag als Lehrer In der Naturwissenschaft



• Zu gründlichem und unvoreingenommenen Forschen ermutigen

• Staunen fördern

• Die Welt ist viel bunter als der „gesunde Menschenverstand“ meint

• Die unterschiedliche Qualität von Theorien deutlich machen


Mein Auftrag als Lehrer In der Mathematik


Argumentieren

• Von welcher Argumentationsbasis wird ausgegangen?

• Bedeutung von Grundannahmen/Axiomen in der deduktiven Welt

Modellieren

• Modellcharakter mathematischer Aussagen

• Annahmen und Grenzen mathematischer Modelle transparent machen

• Exponentiellen Wachstum, C14-Methode, Wahrscheinlichkeitsaussagen


Mein Auftrag als Lehrer Nur die Fakten?


Unsere persönlichen Überzeugungen, Wertvorstellungen und Weltbilder

sind wesentliche Teile unserer Person, die die SuS kennen lernen sollen.

• Ohne Besserwisserei

• Im Wissen, dass wir nicht das Maß der Dinge sind

• Im Wissen, selbst Staunender und Lernender zu bleiben

• Im Vertrauen darauf, dass wir an vielen Fragen in der Ewigkeit weiter

forschen können


Mein Auftrag als Lehrer Nur die Fakten?


Vielen Dank für die

Aufmerksamkeit und den

Gedankenaustausch!

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Lehrerpersönlichkeit in Mathematik und Naturwissenschaften ...€¦ · • die eine Seite nicht dem Diktat der anderen zu unterwerfen. • Widersprüche zwischen den beiden Sichtweisen