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|1 D ieser Aufsatz soll einen kurzen Überblick darüber verschaffen, wie Fallstricken bei internationalen Geschäften durch gutes Vertragsma- nagement vermieden werden können. Verträge und somit Geschäfte sind bekanntlich für die Nachhaltigkeit eines Unternehmens mit Ertragszielen essenziell. Dies trifft umso mehr im internationalen Geschäft zu, weil neben Geschäftsinteressen ggf. auch unterschiedliche Sprachen, Kulturen und Rechtssysteme erfolgreich zusammengeführt oder überbrückt werden müssen. Dieser Aufsatz geht konkret auf das US-amerikanisches Recht ein. Die hier angesprochenen Prinzipien gelten auch, mit Ausnahmen, analog für andere "Common Law" Länder. Ebenfalls wird auf das in den USA bundeseinheitliche Kauf- und Handelsrecht (sog. "Uniform Commercial Code" oder "UCC") hingewiesen, dessen Regelungen ggf. vom Common Law abweichen können. R ücknahme des Angebots: Falls eine konkrete Geschäftsmöglichkeit keinesfalls verloren gehen soll, sollte ein diesbezügliches Angebot, nach einer zügigen Prüfung, sofort angenommen werden. Denn anders als in Deutschland (§145 BGB), kann ein Angebot bis zum Zeitpunkt der Annahme zurückgezogen werden. Um die Risiken für den Annehmenden zu minimieren, ist die Annahme gültig, sobald sie abgegeben wurde ("mailbox rule"). S chriftformerfordernis: Alle Verträge sollten auf jeden Fall schriftlich abgefasst werden. Im Gegensatz zur deutschen Regelung, unterliegen die meisten Vertragsarten nämlich einem Schriftformerfordernis (sog. "statute of frauds"). §2-201 UCC schreibt z.B. das Schriftformerfordernis bei allen Warengeschäften vor. Dies hat zur Folge, dass sich ein Kaufmann nie alleine auf eine mündliche Vereinbarung verlassen darf. Schweigen kann nicht als Zustimmung gelten, sodass im Zweifelsfall, soweit keine gegensei- tige Erfüllung vorliegt, auch ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben nicht weiterhilft. V ertragsänderungen: Verträge sind in den USA immer nur dann wirksam, wenn sich beide Vertragsparteien gegenseitig verpflichten und diese Verpflichtungen in gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis - einem Synallagma - zueinander stehen. Diese gegenseitige Verpflichtung nennt man "Consideration". Bei Vertragsänderungen muss dieser Umstand unbe- dingt beachtet werden. Es reicht nämlich nicht aus, dass eine Partei ihre Verpflichtung verändert und die andere Partei ihre versprochene Gegenleis- tung aufrecht erhält. In diesem Fall mangelt es an der "Consideration", weil eine versprochene alte Verpflichtung keine "Consideration" darstellt (soge- nannte "pre-existing duty rule"). Wird dieser Umstand außer Acht gelassen, so besteht die Gefahr, dass der Vertrag unwirksam wird. Nach englischem Vertragsrecht entfällt allerdings das Erfordernis der "Consideration", soweit der Vertrag als "Deed" unterzeichnet wird. Ein "Deed" stellt ein besonderes Formerfordernis dar. Ein ähnliches Rechtsinstitut, bzw. eine ähnliche Formvorschrift gibt es in den USA, mit wenigen Ausnahmen bei Verfügungs- geschäften, nicht. E inbeziehungskontrolle der AGB's: In den USA werden zwar Allge- meine Geschäftsbedingungen verwendet, jedoch gibt es kein spezielles AGB-Recht wie hierzulande. In den USA wird kein Unterschied zwischen Individualvereinbarungen und AGB's gemacht, sondern es wird hinsichtlich der Wirksamkeit auf den Vertrag als Ganzes abgestellt. Bei AGB's muss daher sichergestellt werden, dass diese zusammen mit dem Hauptvertrag unterzeichnet werden, denn anders als in Deutschland, muss Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Kaufleuten in den USA ausdrücklich zugestimmt werden. In der Regel werden diese explizit mit unterzeichnet. Eine Regelung, die auch stillschweigend vereinbarte Übereinkünfte zum Vertragsgegenstand macht, gibt es nicht (anders in Deutschland, vgl. §310 Abs. 1 i.V.m. §305 Abs. 2 BGB). Bei konkurrierenden AGB's, also wenn zwei sich widersprechenden Regelungen vorliegen, kommt nach dem "Common Law", aufgrund eines Einigungsdissenz, kein Vertrag zustande ("mirror image rule"). Werden die gegenseitigen Leistungen jedoch dennoch erbracht, so wird dieser Mangel geheilt und der Vertrag gilt als abgeschlossen. Geltung haben dann die letzten AGB's denen nicht von der anderen Partei widersprochen wurde. Die Vorschriften des § 2-207 UCC sind bei Warengeschäften etwas komplizierter. Hiernach gelten Änderungen, oder zusätzliche AGB's, als bindend, soweit diese nicht ausdrücklich und rechtzeitig abgelehnt werden ("battle of the forms") und solange die Änderungen keine wesentliche Änderung des Vertrages darstellt. Um die dabei entstehenden Rechtsunsi- cherheiten zu vermeiden, können Sie Willenserklärungen (z.B. Angebot oder Annahme) ausdrücklich von der Geltung der eigenen AGB's abhängig machen. Dann sind Sie immer auf der sicheren Seite. I nhaltskontrolle: In den USA sind, genauso wie in Deutschland, soge- nannte "Unconscionable" (sittenwidrige) Verträge oder Klauseln unwirk- sam. Um eine solche Sittenwidrigkeit zu bejahen, kommt es darauf an, ob der Vertrag oder die Klausel, unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, so einseitig ausgestaltet ist, dass diese eine Vertragspartei unangemessen benachteiligen oder überraschen würde. Ähnliches wurde auch im UCC aufgenommen (§2-302 UCC). Insofern sind Vergleiche zu Sittenwidrigkeit (§138 BGB), Treu und Glauben (§242 sowie auch §307 BGB) und Überra- schungsklauseln (§305c BGB) naheliegend. Sittenwidrigkeit liegt hingegen nicht vor, wenn wirtschaftliche Risiken aufgrund einer schwächeren Ver- handlungsposition übernommen werden. Daher spielt die Sittenwidrigkeit in der Praxis eher bei Verträgen mit Verbrauchern eine Rolle, als bei solchen zwischen Kaufleuten. 1. Zustandekommen eines Vertrages nach Common Law >> Wir zeigen Ihnen, wie Sie Rechtsunsicherheiten beim Vertragsabschluss in den USA, sowie bei der Einbeziehung von AGB's, minimieren. 2. Vertragshauptpflichten und Leistungsstörungen >> Wir erklären Ihnen was Sie tun müssen, um Leistungsstörungen ähnlich wie in Deutschland handhaben zu können. 3. Vertragsnebenpflichten >> Wir helfen Ihnen Risiken bei der Erfüllung von Vertragsnebenpflichten zu minimieren. 4. US-amerikanische Vertragspraxis im Allgemeinen >> Wir klären Sie darüber auf, warum US-amerikanische Verträge vergleichsweise länger sind als deutsche Verträge. 5. Rechtsberatung >> Wir geben Auskunft darüber, was einen guten Common-Law- Vertragsjuristen auszeichnet. 1. Zustandekommen eines Vertrages nach den Common Law-Regelungen I NHALT : L EITFADEN : V ERTRAGSPRAXIS IN DEN USA

Leitfaden Vertragspraxis in USA v2 - ihk- · PDF file"statute of frauds"). §2-201 UCC schreibt z.B. das Schriftformerfordernis bei allen Warengeschäften vor. Dies hat zur Folge,

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Dieser Aufsatz soll einen kurzen Überblick darüber verschaffen, wieFallstricken bei internationalen Geschäften durch gutes Vertragsma-

nagement vermieden werden können. Verträge und somit Geschäfte sindbekanntlich für die Nachhaltigkeit eines Unternehmens mit Ertragszielenessenziell. Dies trifft umso mehr im internationalen Geschäft zu, weil nebenGeschäftsinteressen ggf. auch unterschiedliche Sprachen, Kulturen undRechtssysteme erfolgreich zusammengeführt oder überbrückt werdenmüssen.

Dieser Aufsatz geht konkret auf das US-amerikanisches Recht ein. Diehier angesprochenen Prinzipien gelten auch, mit Ausnahmen, analog fürandere "Common Law" Länder. Ebenfalls wird auf das in den USAbundeseinheitliche Kauf- und Handelsrecht (sog. "Uniform CommercialCode" oder "UCC") hingewiesen, dessen Regelungen ggf. vom CommonLaw abweichen können.

Rücknahme des Angebots: Falls eine konkrete Geschäftsmöglichkeitkeinesfalls verloren gehen soll, sollte ein diesbezügliches Angebot,

nach einer zügigen Prüfung, sofort angenommen werden. Denn anders alsin Deutschland (§145 BGB), kann ein Angebot bis zum Zeitpunkt derAnnahme zurückgezogen werden. Um die Risiken für den Annehmendenzu minimieren, ist die Annahme gültig, sobald sie abgegeben wurde("mailbox rule").

Schriftformerfordernis: Alle Verträge sollten auf jeden Fall schriftlichabgefasst werden. Im Gegensatz zur deutschen Regelung, unterliegen

die meisten Vertragsarten nämlich einem Schriftformerfordernis (sog."statute of frauds"). §2-201 UCC schreibt z.B. das Schriftformerfordernisbei allen Warengeschäften vor. Dies hat zur Folge, dass sich ein Kaufmannnie alleine auf eine mündliche Vereinbarung verlassen darf. Schweigen kannnicht als Zustimmung gelten, sodass im Zweifelsfall, soweit keine gegensei-tige Erfüllung vorliegt, auch ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben nichtweiterhilft.

Vertragsänderungen: Verträge sind in den USA immer nur dannwirksam, wenn sich beide Vertragsparteien gegenseitig verpflichten

und diese Verpflichtungen in gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis - einemSynallagma - zueinander stehen. Diese gegenseitige Verpflichtung nenntman "Consideration". Bei Vertragsänderungen muss dieser Umstand unbe-dingt beachtet werden. Es reicht nämlich nicht aus, dass eine Partei ihreVerpflichtung verändert und die andere Partei ihre versprochene Gegenleis-tung aufrecht erhält. In diesem Fall mangelt es an der "Consideration", weileine versprochene alte Verpflichtung keine "Consideration" darstellt (soge-nannte "pre-existing duty rule"). Wird dieser Umstand außer Acht gelassen,so besteht die Gefahr, dass der Vertrag unwirksam wird. Nach englischemVertragsrecht entfällt allerdings das Erfordernis der "Consideration", soweitder Vertrag als "Deed" unterzeichnet wird. Ein "Deed" stellt ein besonderesFormerfordernis dar. Ein ähnliches Rechtsinstitut, bzw. eine ähnlicheFormvorschrift gibt es in den USA, mit wenigen Ausnahmen bei Verfügungs-geschäften, nicht.

Einbeziehungskontrolle der AGB's: In den USA werden zwar Allge-meine Geschäftsbedingungen verwendet, jedoch gibt es kein spezielles

AGB-Recht wie hierzulande. In den USA wird kein Unterschied zwischenIndividualvereinbarungen und AGB's gemacht, sondern es wird hinsichtlichder Wirksamkeit auf den Vertrag als Ganzes abgestellt. Bei AGB's mussdaher sichergestellt werden, dass diese zusammen mit dem Hauptvertragunterzeichnet werden, denn anders als in Deutschland, muss AllgemeinenGeschäftsbedingungen zwischen Kaufleuten in den USA ausdrücklichzugestimmt werden. In der Regel werden diese explizit mit unterzeichnet.Eine Regelung, die auch stillschweigend vereinbarte Übereinkünfte zumVertragsgegenstand macht, gibt es nicht (anders in Deutschland, vgl. §310Abs. 1 i.V.m. §305 Abs. 2 BGB).

Bei konkurrierenden AGB's, also wenn zwei sich widersprechendenRegelungen vorliegen, kommt nach dem "Common Law", aufgrund einesEinigungsdissenz, kein Vertrag zustande ("mirror image rule"). Werden diegegenseitigen Leistungen jedoch dennoch erbracht, so wird dieser Mangelgeheilt und der Vertrag gilt als abgeschlossen. Geltung haben dann die letztenAGB's denen nicht von der anderen Partei widersprochen wurde.

Die Vorschriften des § 2-207 UCC sind bei Warengeschäften etwaskomplizierter. Hiernach gelten Änderungen, oder zusätzliche AGB's, alsbindend, soweit diese nicht ausdrücklich und rechtzeitig abgelehnt werden("battle of the forms") und solange die Änderungen keine wesentlicheÄnderung des Vertrages darstellt. Um die dabei entstehenden Rechtsunsi-cherheiten zu vermeiden, können Sie Willenserklärungen (z.B. Angebot oderAnnahme) ausdrücklich von der Geltung der eigenen AGB's abhängigmachen. Dann sind Sie immer auf der sicheren Seite.

Inhaltskontrolle: In den USA sind, genauso wie in Deutschland, soge-nannte "Unconscionable" (sittenwidrige) Verträge oder Klauseln unwirk-

sam. Um eine solche Sittenwidrigkeit zu bejahen, kommt es darauf an, obder Vertrag oder die Klausel, unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, soeinseitig ausgestaltet ist, dass diese eine Vertragspartei unangemessenbenachteiligen oder überraschen würde. Ähnliches wurde auch im UCCaufgenommen (§2-302 UCC). Insofern sind Vergleiche zu Sittenwidrigkeit(§138 BGB), Treu und Glauben (§242 sowie auch §307 BGB) und Überra-schungsklauseln (§305c BGB) naheliegend. Sittenwidrigkeit liegt hingegennicht vor, wenn wirtschaftliche Risiken aufgrund einer schwächeren Ver-handlungsposition übernommen werden. Daher spielt die Sittenwidrigkeitin der Praxis eher bei Verträgen mit Verbrauchern eine Rolle, als bei solchenzwischen Kaufleuten.

1. Zustandekommen eines Vertrages nach Common Law>> Wir zeigen Ihnen, wie Sie Rechtsunsicherheiten beim Vertragsabschlussin den USA, sowie bei der Einbeziehung von AGB's, minimieren.

2. Vertragshauptpflichten und Leistungsstörungen>> Wir erklären Ihnen was Sie tun müssen, um Leistungsstörungen ähnlichwie in Deutschland handhaben zu können.

3. Vertragsnebenpflichten>> Wir helfen Ihnen Risiken bei der Erfüllung von Vertragsnebenpflichtenzu minimieren.

4. US-amerikanische Vertragspraxis im Allgemeinen>> Wir klären Sie darüber auf, warum US-amerikanische Verträgevergleichsweise länger sind als deutsche Verträge.

5. Rechtsberatung>> Wir geben Auskunft darüber, was einen guten Common-Law-Vertragsjuristen auszeichnet.

1. Zustandekommen eines Vertrages nach denCommon Law-Regelungen

I N H A L T :

LEITFADEN: VERTRAGSPRAXIS IN DEN USA

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| 2In England ist die Rechtslage hinsichtlich des AGB-Rechts etwasanders als in den USA. Dort findet nämlich das "Unfair Contract Terms Act1977" auch zwischen Kaufleuten Anwendung. Für den Fall, dass Haftungs-ausschlüsse, oder Haftungsbeschränkungen, durch vorformulierte AGB's imVertrag einbezogen worden sind, findet gemäß dem UCTA eine Angemes-senheitsprüfung (reasonableness) statt.

Gewährleistungsansprüche: Der Ausschluss der Haftung für alle oderbestimmte Mängel muss ausdrücklich erklärt werden. Grundsätzlich

ist es daher üblich eine Beschaffenheit mit dem Vertragspartner zuvereinbaren und diese zu gewährleisten, im Umkehrschluss dafür dannjedoch die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche ("implied warranties"),z.B. "merchantibility" und "fit for purpose", auszuschließen. Gemäß derUCC wird hierfür in formeller Sicht zudem verlangt, dass dies nicht nurexplizit im Vertrag zur Geltung gebracht wird, sondern es wird darüberhinaus gefordert, dass dieser Ausschluss auch in auffallender Weisegegenüber dem übrigen Vertragstext hervortritt. Daher erscheinenHaftungsausschlussklauseln immer vollständig in Großschrift.

Eigenschaften oder die Beschaffenheit des Vertragsgegenstandeswerden gewöhnlich im Vertrag festgehalten und somit gewährleistet. Häufigwerden die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche ("implied warranties"),z.B. "merchantibility" und "fit for intended purpose", ausgeschlossen. Zudemwird hierfür gemäß der UCC formell verlangt, dass dies nicht nur explizitim Vertrag zur Geltung gebracht wird, sondern dieser Ausschluss darüberhinaus auch gegenüber dem übrigen Vertragstext hervorgehoben wird. Dahererscheinen Haftungsausschlussklauseln immer vollständig in Großschrift.

Innerhalb der Distributionskette streben die Teilnehmer dieAngleichung der Gewährleistungen für jeden Teil der Vertriebskette an.Beispielsweise wird ein Händler ungern gegenüber seinem Lieferanten aufdie "implied warranties" verzichten, wenn er selbst dem nächsten Händler,vielleicht sogar dem Endverbraucher, für Gewährleistungsansprücheeinstehen muss, aber dagegen keinen Regress gegenüber seinem Lieferantgeltend machen kann. An dieses Thema knüpft die Frage an, welche Parteienkonkret von den Gewährleistungsrechten und Pflichten betroffen sind. DasRecht der US-Bundesländer regelt diese Frage nach einschlägigen "privity"Normen (d.h. unmittelbare Vertragsverhältnisse) unterschiedlich. DieNotwendigkeit des "privity" wird jedoch in gewissen Fällen durch §§ 2 -318UCC (Achtung: unterschiedliche Versionen) aufgehoben. Eine durchdachteVertragsgestaltung kann diesbezügliche Rechtsunsicherheiten entschärfen.

Auch in den USA werden die Begriffe "warranty" (Gewährleistung)und "guarantee" (Garantie) im Warengeschäft verwendet. Vergleichbar mitder Praxis in Deutschland beim Verbrauchsgütergeschäft ist die Ausgabeeiner "manufacturer guarantee" (Herstellergarantie). Dadurch erübrigt sichdie Frage des "privity". Anders als in Deutschland, wo das Garantierechtgetrennt und neben dem Gewährleistungsrecht geregelt wird (vgl. §§ 437und 443 BGB), werden in den USA die Rechte weitestgehend einheitlichdurch die UCC Normen hinsichtlich Mängel und Mängelhaftung geregelt.Die praktische Bedeutung dieser Unterschiede der beiden Rechtssystemehält sich jedoch in Grenzen.

Im Rahmen der Rechtssicherheit braucht man als Lieferant Klarheitüber die Dauer der Gewährleistungen. In Deutschland gilt die allgemeineVerjährungsfrist von 2 Jahren (§ 438 BGB). Hiervon kann abbedungenwerden soweit es nicht um Vorsatzhaftung geht (§ 202 BGB). In den USAgilt im Kaufrecht gemäß der §§ 2-725 eine gewöhnliche Verjährungsfristvon 4 Jahren. Die Parteien können von dieser First unter bestimmtenEinschränkungen abweichende Vereinbarungen treffen. Die Frist darf jedochnicht kürzer als 1 Jahr und nicht länger als 4 Jahren sein.

Beim Verkauf von Konsumgütern an den Endverbraucher wird dieGestaltungsfreiheit der Gewährleistungen stark durchVerbraucherschutzregeln des US-Bundesrechts (z.B. "Magnuson-MossWarranty Act") und des Bundeslandesrechts verdrängt. Soweit denEndverbrauchern Gewährleistungen durch einen sogenannten "writtenconsumer warranty" schriftlich zugesichert werden, ist es nach US-

Bundesrecht z.B. nicht möglich von den gesetzlichenGewährleistungsrechten abzuweichen. Abgesehen von einigenBundesländern, die keinen Ausschluss zulassen, ist es zwar theoretischmöglich gesetzliche Gewährleistungen für Endverbraucher auszuschließen,in der Praxis wird jedoch ein Ausschluss mit dem Marketing, vor allem beiWaren mit dem Qualitätssiegel "Made in Germany" oder "GermanTechnology", schwer zu vereinbaren sein. Denn sobald Produkteigenschaftenin der Werbung oder auf der Verpackung geäußert werden gelten diese imZweifelsfall als zugesicherte Eigenschaften, also als gewährleistet.

Rechtsbehelfe: Falls dem Schuldner ein Nacherfüllungsrecht, bzw. demGläubiger ein Nacherfüllungsanspruch zustehen soll, muss dies im

Vertrag ausdrücklich aufgenommen werden. Anders als in Deutschland istder primäre Anspruch im US-amerikanischen Vertragsrecht nicht einErfüllungsanspruch, sondern der Schadensersatz. Erfüllungsansprüche sindnur dann zulässig, wenn ein nicht wiedergutzumachender Schaden("irreparable harm") eintreten würde. Abweichend vom Common Law,gesteht § 2-716 UCC dem Käufer jedoch das Recht auf Erfüllung zu, wennes sich um eine Stückschuld (unique) handelt. Im Übrigen wird dieverkäuferfreundliche Regelung, gemäß der einer Mahnung bzw. das Setzeneiner Nachfrist erforderlich ist, um Schadensersatz statt der Leistungverlangen zu können, weder nach dem Common Law, noch nach der UCCgefordert. Daher sollte ein Verkäufer darauf achten, dass dies ggf. im Vertragaufgenommen wird.

Anwaltskosten und Gebühren: Möglich ist, dass eine Regelungaufgenommen wird, wonach der Verlierer eines Prozesses die

Anwaltskosten der überlegenen Partei bezahlen muss, denn ohne eine solcheVereinbarung trägt in den USA im Falle eines Rechtsstreits jede Partei seineeigenen Anwaltskosten.

Verzugszinsen: Aus Gläubigersicht ist die Aufnahme einerausdrücklichen Regelung zu Verzugszinsen im Vertrag zu empfehlen.

In den USA können Verzugszinsen erst ab dem Zeitpunkt derKlageerhebung, in Deutschland bereits ab Fälligkeit einer Geldschuld,beansprucht werden (§288 BGB). Das englische Recht (The Late Paymentof Commercial Debts (Interest) Act 1998) sieht dagegen gesetzlicheVerzugszinsen, ähnlich wie hierzulande, mit Eintritt der Fälligkeit vor.

Vertragsstrafen: Die Vereinbarung einer aus dem deutschen Rechtbekannten Vertragsstrafe (vgl. §339 ff. BGB) ist in den USA nicht

wirksam, da Vertragsstrafen als Druckmittel für die Vertragserfüllungausgelegt werden. Wie bereits erwähnt, steht die Vertragserfüllung in USAnormalerweise nicht als Rechtsbehelf zur Verfügung. Demgegenüber ist dieSchadenspauschalierung ("liquidated damages") zulässig. Hier muss abergenau auf die Formulierung der Vertragsregelung geachtet werden, um zuvermeiden, dass die Regelung als Vertragsstrafe verstanden und damit alsunwirksam erklärt wird.

Dingliche Rechte bzw. im Vertrag vorgesehene Verfügungsgeschäfte:

Eigentumsvorbehalt, Gefahrübergang: Ein Verkäufer kann sichnicht auf den in Deutschland üblichen Eigentumsvorbehalt verlassen, da esin den USA kein Rechtsinstitut gibt, das mit dem Eigentumsvorbehaltvergleichbar ist. Die Gläubigerinteressen des Verkäufers können stattdessendurch das in UCC Art. 9 kodifizierten Kreditsicherheitsrecht, das "SecurityInterest" genannt wird, geschützt werden. Ein "Security Interest" muss u.a.vertraglich vereinbart und im entsprechenden Register ordnungsgemäßgemeldet werden. Im Übrigen müssen Lieferbedingungen undGefahrübergangsregelungen (z.B. eines der gewöhnlichen Incoterms)ausdrücklich vereinbart werden.

Abtretung einer Geldforderung: Falls ein Factoring oderForderungsverkauf vorgesehen ist, oder sogar für eine Finanzierung

2. Vertragshauptpflichten und Leistungsstörungen

3. Vertragsnebenpflichten

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erforderlich ist, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Abtretungnicht laut Vertrag ausgeschlossen ist, denn in den USA sindAbtretungsverbote im Hinblick auf eine Geldforderung wirksam(ausgenommen: Abtretungen zwecks Kreditsicherheit, § 9-408 UCC). ImGegensatz dazu sind in Deutschland Abtretungsverbote bzgl. einerGeldforderung zwischen Kaufleuten unwirksam (§354a HGB).

Parol Evidence Rule: Lange Verträge sind in den USA üblich, weilimmer versucht wird Verträge zu entwerfen, die weder Ergänzungs-

noch Auslegungsbedürftig sind. In Deutschland ist die Auslegung vonVerträgen eher unproblematisch, da schlicht darauf abgestellt wird, was dieParteien wirklich wollten. In den Common Law-Staaten ist dies ungleichkomplizierter. Hier wird die Vorgehensweise bei der Vertragsauslegung undder Schließung von Regelungslücken durch das "Parol Evidence Rule"vorgeschrieben. Neben dem Umstand, dass die Regelung bereits höchstkomplex ist, tritt erschwerend hinzu, dass diese Regelung von Gericht zuGericht unterschiedlich angewandt wird. Der Common Law-Vertragsjuristversucht daher, die dadurch entstehenden Probleme bereits bei derVertragsausgestaltung zu umgehen, indem er Vereinbarungen so detailliertbeschreibt, dass für Auslegung und Ergänzungen kein Raum mehr bleibt.

Fallrecht: Das Bestreben größtmögliche Rechtssicherheit aus demVertrag herleiten zu können, führt ebenfalls zu vergleichsweise langen

Verträgen. Vor allem ist es üblich die Merkmale der Leistungsstörungen("breach of contract"), sowie die damit zusammenhängenden Rechtsbehelfe("remedies"), abschließend im Vertrag zu regeln, denn das US-amerikanisches Recht hat kein mit dem BGB vergleichbares kodifiziertesund überschaubares System, das als primäres Recht bei vertraglichenSchuldverhältnissen Anwendung findet. In den USA gilt das Prinzip desFallrechts, wonach konkrete Fallentscheidungen als Präzedenz und Quelledes Rechts dienen. Die im konkreten Fall einschlägigen Rechtsinstituteliegen daher nicht so wie im BGB systematisch vor. Die Parteien verlassensich daher lieber auf gesetzesähnliche Vorgaben aus dem Vertrag selbst,anstatt sich auf ein möglicherweise schwer überschaubares Fallrechtverlassen zu müssen. Eine Ausnahme stellt das UCC bei Warenkäufen da.Hier liegt ein kodifiziertes System für Leistungsstörungen und Rechtsbehelfeim Kaufrecht vor. Jedoch wird hiervon in der Praxis oft durchEinzelvereinbarungen abgewichen.

Wie Sie sehen, gibt es einige Besonderheiten, die beiVertragsabschlüssen in den USA beachtet werden müssen. Um dabei

kein böses Erwachen zu erleben, ist eine gute Rechtsberatung unerlässlich.Welche Kriterien einen guten Vertragsjuristen auszeichnen, möchten wirIhnen in den folgenden Zeilen aufzeigen:

Englisch als Muttersprache: Ein wichtiger Aspekt sollte sein, dass derAnwalt Englisch als Muttersprache spricht und mit dem US-

amerikanischen und deutschen Rechtssystem vertraut ist, denn die meistenVerträge im internationalen Bereich werden in englischer Sprache verfasst.

Obwohl die Herausforderungen bei Geschäften in einer fremdenSprache allgemein bekannt sind, bleibt diese Tatsache in der Praxis allzu oftunberücksichtigt. Vor allem sollte man sich jedoch keinesfalls aufVertragsübersetzungen verlassen. Hierbei werden zum einen allzu oft diejuristischen Begrifflichkeiten unzureichend gewürdigt, zum anderen sindAnpassungen aufgrund der Unterschiede im materiellen Recht oftmalsunumgänglich.

Ausbildung und Zulassung: Es gibt zwar viele gute Rechtsanwälte miteiner Zusatzqualifikation aus einer Common Law-Jurisdiktion, jedoch

ist es im Zweifelsfall sinnvoller einen Rechtsanwalt, der ursprünglich auseiner Common Law-Jurisdiktion kommt und über eine korrespondierenderGrundausbildung und Zulassung verfügt, hinzuzuziehen. Fraglich ist, ob einAnwalt aus dem Common Law Rechtsraum in Vertragsangelegenheiten eineranderen Common Law Jurisdiktion hinzugezogen werden kann. MitAusnahmen ist dies wohl möglich, denn obwohl in den USA beispielsweisejeder Bundesstaat seinem eigenem Recht unterliegt, finden allgemeineRechtsgrundsätze für die Vertragspraxis mit wenigen Ausnahmennormalerweise in allen 50 Bundesstaaten (sowie die "CommonwealthCountries") Anwendung. Ein gebürtiger Amerikaner wird in diesem Fall inder Lage sein, diese Dynamik kohärent und zuverlässig zu durchblicken.

Bei Rechtsstreitigkeiten ist es ab einem bestimmten Zeitpunkt sinnvoll,teilweise sogar notwendig, einen lokalen Anwalt in dem betroffenenBundesstaat zu beauftragen, da dieser hier möglicherweisesachverhaltsbezogenes Fallrecht recherchieren muss, dieses aufarbeitet undin Form eines Memorandums (Memorandum of Law) für eine gerichtlicheAuseinandersetzung und deren Vorbereitung erstellt.

Grundkompetenzen: Grundsätzlich sind diverse Kompetenzen, die weitüber das übliche Juristenprofil hinausgehen, erforderlich.

Nachfolgender Profilmerkmale sorgen für gute Qualitätskontrolle beiinternationalen Vertragsangelegenheiten:

>> Kaufmännische Kompetenzen (Verstand für wirtschaftlicheZusammenhänge, Fähigkeit Bilanzen lesen zu können),

>> Kompetenzen bei Prozessoptimierung (Sinn für ordentliche, belastbareStrukturen und sauberen, verständlichen Vertragsaufbau),

>> Fähigkeit Szenarien und Lösungen zu visualisieren (kreatives,vorausschauendes Denken hinsichtlich Eventualitäten und Risiken, geprägtdurch fundierte Berufs- und Lebenserfahrung), und

>> Juristische Kompetenzen (hilft sicherzustellen, dass der Vertragtatsächlich wirksam ist).

Ein guter Wirtschaftsanwalt kann diese Kompetenzen bündeln undvereinigen. ■

Carlos H. Galaniuk, LL.M.Rechtsanwalt | GermanyAttorney at Law | Florida, USASolicitor | England

German office:Karl-Grillenberger-Str. 190402 NurembergFlorida (satellite) office:100 S.E. 2nd Str., Suite 3400Miami, Florida 33131, USA

T (de): +49 (0)911 274 37733T (m): +49 (0)170 5432-069T (us): +1 [email protected]

**Hinweis: Dieser Leitfaden ist lediglich informationeller Art und stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. JEGLICHEGEWÄHRLEISTUNG UND HAFTUNG IST AUSGESCHLOSSEN.

5. Rechtsberatung

4. US-amerikanische Vertragspraxis imAllgemeinen

© 2013, 2015 Carlos Galaniuk