Lesen Eine Kulturtechnik, ihre Geschichte und ihr gegenwärtiger Standort

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  • Lesen

    Eine Kulturtechnik, ihre Geschichte und ihr gegenwrtiger Standort

  • Lesekompetenz (reading literacy) ist im Rahmen von PISA definiert als die Fhigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und ber sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Diese Definition geht ber die Vorstellung hinaus, wonach Lesekompetenz in dem Entschlsseln und wrtlichen Verstndnis von Texten besteht. Zum Lesen gehrt auch das Verstehen von Texten und das Nachdenken darber. Lesekompetenz beinhaltet die Fhigkeit des Einzelnen, schriftliche Informationen so zu nutzen, dass diese seinen jeweiligen Zielen dienen, sowie die entsprechende Fhigkeit komplexer moderner Gesellschaften, schriftliche Informationen so zu nutzen, dass ihre gute Funktionsweise gewhrleistet ist.

    (OECD: PISA 2000, S. 23)

  • Lesen nach Definition des PISA-Konsortiums:

    ein hchst komplexer Vorgang der Bedeutungsentnahme, der aus mehreren Teilprozessen besteht. Lesen ist eine aktive Konstruktion der Textbedeutung. Die im Text enthaltenen Aussagen werden aktiv mit dem Vorwissen, Weltwissen und Sprachwissen des Lesers verbunden.

    (OECD: PISA 2000, S. 71)

  • Eckhard Klieme-Expertise 2007: Festlegung von nationalen Bildungsstandards, welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe mindestens erworben haben sollen. Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden knnen. Die Darstellung von Kompetenzen, die innerhalb eines Lernbereichs oder Faches aufgebaut werden, ihrer Teildimensionen und Niveaustufen, kommt in diesem Konzept ein entscheidender Platz zu. Kompetenzmodelle konkretisieren Inhalte und Stufen der allgemeinen Bildung. Sie formulieren damit eine pragmatische Antwort auf die Konstruktions- und Legitimationsprobleme traditioneller Bildungs- und Lehrplandebatten.

  • Baumert u.a. (2001, 82):

    textimmanenter Informationsgewinn, Arbeiten mit internen Daten wissensbasierte, also von auen untersttzte Interpretation drei Kompetenzstufen: Informationen ermittelntextbezogen interpretierenReflektieren und Bewerten.

    hierarchieniedrige Verarbeitungsprozesse: automatisiertes Auffassen von Buchstaben, Lexemen, Stzen und deren Verknpfung durch semantische und syntaktische Bezugsbildungpassend zu Informations- oder expositorischen Texten, Sachtexten

  • Kompetenzen/Bildungsstandards:

    Stufenmodell von Bildung

    Vorstellung eines Spiralcurriculums wird aufgegeben

    Informationsentnahme als Ziel: kognitive Leistungen

    ebenso eine Didaktik, die sich auch Zeit fr Irrtmer nimmt oder wenigstens: fr spielerische Freirume

    Kritik: Dynastie von Schnell- und Richtigdenkern?

    Problem: geschichtsloses Lesekonzept?

  • Lesettigkeit der Mnche lectio divina

    Krpereinsatz: Textmurmeln, lautes Sprechen oder wiederholend Aufsagen (ruminatio)

    Andachtshaltung

    Lesen (legere) als hren (audire), Text zu Gehr bringen

    Oralitt insgesamt strker als Visualitt

    Mnchszellen, Pulte

  • Buchdruck und Lesen:

    heies Medium (McLuhan):

    Konzentration auf einen Sinn

    entheiligte Schrift

    massenhaft verbreitete Lektre

    Privatisierung des Lesens und des Interpretierens

  • legere: Sammeln von Dingen und Buchstaben zu Wrtern

    Lesen bedeutete Auflesen oder Zusammenstellen von kleinen, mit Runen eingekerbten Stbchen beim Werfen eines Loses

    danach: Zusammenstellen der Buchstaben zu Wrtern

    Gotisch lisan: Sammeln von Dingen oder von Herumliegendem

  • Lesen im Zeitalter der Aufklrung

    Anleitung zum Selberdenken

    Vorschule und Schule: Institutionalisierung des Lesens

    Aufmerksamkeitsforderung (Karl Philipp Moritz)

    Entkrperlichung (E. Schn)

    Solisierung (E. Schn)

    Flucht in fiktive Welten: poetische Imagination

  • Lesen im Netz: switching, navigieren, browsing, surfen

    interaktive Lektre (Leser/Autor; Schler/Lehrer)

    nonlineare Lektre: Leserichtungen verndern sich

    strikte semantische Hierarchien geraten ins Rutschen

    prozessorientiertes, offenes Lesen

    intermediale Anschlsse des Lesens

    Interpretationen als synthetische Wege

  • In den Sportarten und Gewohnheiten ndern sich die Bewegungen. Lange haben wir mit der energetischen Konzeption der Bewegung gelebt: Es gibt einen Ansatz, oder man ist Quelle einer Bewegung: Laufen, Kugelstoen etc.; das ist Anstrengung, Widerstand, mit einem Ausgangspunkt, einem Hebel. Heute sieht man jedoch, wie die Bewegung sich immer weniger durch das Einschalten eines Angelpunktes definiert. Alle neuen Sportarten Surfen, Windsurfen, Drachenfliegen (hinzufgen knnte man Snowboarding, Bungee-Springen, Inline-Skating) sind vom Typus: Einfgen in eine Welle, die schon da ist. Hier wird nicht mehr vom Ursprung ausgegangen, sondern von einer Bahn, auf die man gelangt. Man kann sich von der Bewegung einer groen Woge annehmen lassen, von einer aufsteigenden Luftstrmung wie kann man dazwischen gelangen, statt Ursprung einer Anstrengung zu sein, das ist fundamental. (Gilles Deleuze: Unterhandlungen 1993, S. 175)

  • Wir alle sind lngst auf der Reise und gehen, wie das vor langem schon Thomas Pynchon beschrieb, zwischen den Matrizen eines riesigen Digitalrechners spazieren [...] Im dunklen Licht des Bildschirms, abgekoppelt von der eigenen Herkunft und vom eigenen Krper, umsummt von den gesichtlosen Stimmen im Netz und vom Maskenspiel der Chatter [...] Als htte es alle Beruhigungen der Vernunft nicht gegeben, haben wir uns im Netz wieder auf die Suche gemacht: Neuland.

    (Null, S. 58)

  • Lesen als Schreiben

    Der neue Dichter, der vor seinem Terminal sitzt und gespannt darauf wartet, welch unerwartete Wort- und Satzformationen auf dem Bildschirm aufleuchten werden, ist von einem schpferischen Taumel ergriffen, der in nichts der Hitze des Kampfes des schreibenden Dichters gegen die Sprache nachsteht.

    (Flusser: Die Schrift 1991, S. 69)

  • Online schreiben, schnell, schnell. War nicht von Anfang an allen klar, als die Zeit im Netz noch teuer war. [...] Emails sind Gestndnisse an die Maschinen, in ihren neuen Raum. Von vielen, denen ich maile, kenne ich noch nicht einmal die Stimme. Aber eine eigene Stimme denke ich mir, lese ich ihre Antworten. [...] Ich erfinde neue Geheimnisse. Das Blinken des Cursors am Ende eines Satzes beruhigt mich. Beim Schreiben hat man nichts zu verlieren. Beim Wieder-Lesen schon. Es ist so, als gingen die ausgesprochenen Geheimnisse der Antwortenden auf mich ber. Speichern.

    (The buch, S. 113)

  • PC, geheimnisvolle Instanz (Rainald Goetz)

    Optik der digitalen SchriftNASA MS-DOSWindows: Ridley Scott

    Immer geht es darum, den naturellmig zu verhakten, verbohrten, auch zu konzentrierten Blick zu DEZENTRIEREN, zu ffnen, den in ihm angelegten Krampf zu lsen, Panik und Druck rauszunehmen, alle ueren Pflichten, Zusagen und Plne abzusagen, um dann endlich, von allem befreit, im Freien die Zeit ihre Arbeit in einem tun lassen zu knnen (S. 353 f).

  • Was leisten die telematischen Augen?

    Augenbewegungen: Messung durch gaze-tracker (in oder vor dem Monitor platzierte Infrarottechnik zeichnet Sakkaden und Fixationen auf)Studien zur Ttigkeit des Auges am Bildschirm: maximale Verweildauer auf InternetseitenMouseclicks messbar

    relativ langsame Bildschirmlektre (ca. 30% langsamer als Papierlektre(Kontrastwirkung schwarz/wei auf Papier gnstiger)

    Gedchtnis, Mnemotechnik des Arbeitens am Bildschirm ist ungeklrt

  • Lesen ist Geschlechtersache

    Mdchen/Frauen lesen quantitativ mehr als Jungen/Mnner (Garbe 2008, 66) Geschlechter bevorzugen unterschiedliche Texte: Mdchen/Frauen fiktionale Genres, BiografienJungen Abenteuergenres, spannungs- und aktionsgeladene Bcher, uere Ereignisse, Fantasy. Mnner eher Sachbcher (Garbe 2008, 67) Lesemodi unterschiedlich: Mdchen/Frauen empathisch, emotional beteiligt, Jungen eher Abtauchen in die Fiktion, Mnner distanziert (Garbe 2008, 67) nach PISA lesen Mdchen besser als Jungen und sind sie in den anspruchsvolleren Verstehensbereichen wie Werten oder Kommentieren besser zu Hause (Garbe 2008, 67)

  • These:

    Die sozialen Kontexte und Institutionen sowie die medialen Angebote im Printmedienbereich, die Prozesse der Lesesozialisation in der Kindheit und Jugend modellieren, bedienen heutzutage die Interessen von Mdchen besser als die der Jungen. Die vielfach diagnostizierte Leseschwche und Leseunlust der Jungen ist eine Folge dieses Sachverhaltes.

    (Garbe 2007, 73)

  • Ursachendiskussion:

    Figuren in der KJL / Identifikation?

    Feminisierung der Erziehung?

    Feminisierung der Bildungsarenen?

    (Schilcher 2003, Garbe 2008)

  • Lesen ist auch Familiensache

    Lesesozialisation hngt mit davon ab, welche Einschtzung und vor allem Praxis des Lesens im Elternhaus vorherrscht (aktiver, engagierter oder erledigender Umgang)

    Vorlesen: gerade die dialogische Anlage des Vorlesens prgt ein engagiertes (oder im negativen Fall des Fehlens gleichgltiges) Leseverhalten gemeinsame Bedeutungskonstitution zwischen Eltern und Kind frdert Wortschatzbildung der Grad der Anschlusskommunikation entscheidet mit ber die Qualitt des Vorlesens

    Vorleseverhalten ist milieuspezifisch (Wieler 1997)

  • Lautleseverfahren

    zielen auf Beschleunigung des Lesens, Erhhung der Leseflssigkeit (fluency), wobei das Verbinden von Wort- und Satzfolgen routinisiert werden soll: Der Sichtwortschatz soll ausgebaut und Stze sollen sequenziert werden knnen (prosodic parsing)

    100 Wrter/Minute

    cross-age-reading

    paired reading

    (Rosebrock/Nix 2008, 31ff).

  • Vielleseverfahren

    wollen insgesamt die Leseleistung auf allen Ebenen verbessernbeinhalten kaum spezielle Lesestrategien, sondern zielen auf Motivationssteigerung, auf das Selbstkonzept der Lesenden und darauf, dass sie auf der Prozessebene ihr Lesen steuern lernen

    Quantitt entscheidendgelufige Hypothese: Lesen lernt man vor allem durch viel Lesen

    LeseolympiadeAntolinSustained silent reading

  • Lesestrategien

    kognitive Lesetheorien

    beziehen sich auf das basale Erfassen von Textaussagen kognitives, strukturierendes Erarbeiten von Textverstehen, fr welches im Unterricht ein Werkzeugkasten erarbeitet werden soll Selbstbeobachtung beim Lesen soll geschult werden (metakognitive Steuerung) Wort- und Satzidentifikation, lokale Kohrenz globale Kohrenz, also die Makrostrukturen des Textes, Superstrukturen

  • selbstreguliertes Lernen/Lesen

    Lernende, die ihr eigenes Lernen regulieren, sind in der Lage, sich selbststndig Lernziele zu setzen, dem Inhalt und Ziel angemessene Techniken und Strategien auszuwhlen und sie auch einzusetzen [] Die Selbstregulation des Lernens beruht demnach auf einem flexibel einsetzbaren Repertoire von Strategien zur Wissensaufnahme und Wissensverarbeitung sowie zur berwachung der am Lernen beteiligten Prozesse

    (Artelt, Cordula/Demmrich, Anke/Baumert, Jrgen: Selbstreguliertes Lernen. In: Baumert/Klieme/Neubrand/Prenzel/Schiefele/Schneider/Stanat/Tillmann/Wei 2001, S. 271-298; hier S.271)

  • Ordnende Strategien:

    Textstellen unterstreichen oder sonstwie highlighten fr definierte Textpassagen berschriften finden Kernstze unterstreichen und deren Inhalt knapp in einem Satz zusammenfassen semantische Markierungen oder Betonungen auffinden (z.B. strukturgebende Signalworte

  • Lesen als selektiver Prozess:

    zunchst primrer Wahrnehmungsprozess:

    Buchstaben (visuelle Analyse und phonologisches Rekodieren) Identifikationen von Buchstaben und Wrtern mit Bedeutung Syntaxebene ermglicht eine Beziehungserstellung (Vorgang semantischer und syntaktischer bzw. auch Textanalyse)

    Zusammenhangserstellung/Kohrenzbildung durch selektive und schlussfolgernde Ttigkeiten: Aufmerksamkeit und Relevanzfilterung

  • elaborierende Strategiengehen ber die Textebene hinaus:

    Vorwissen wird aktiviert, innere Bilder werden aufgebaut und beschrieben Gefhle oder Meinungen artikuliert Vermutungen ber den Textfortgang eigene Lesekommentare am Rand notiert kontroverse Ansichten per Stichwort festgehalten kritische oder ergnzende Einwrfe weiterfhrende Fragen

  • Inferenzen (elaborierende Strategie):

    Herstellen von Beziehungen zwischen verstreuten Textelementen sowie Hinzufgen von Informationen durch den Leser ein aktiver Vorgang, der fr ntig Textverstehen ist(Inferieren als konstruktiver Leserbeitrag)

    Wortebene (Ausdifferenzierung der Wortbedeutungen)Satzebene (Instrumente, Folgen von Handlungen)Textebene (Themabildung: Was ist das Thema? Was wird passieren? Wie ist die Figur beschaffen? Was sind ihre Gedanken/Gefhle?)

    textbasierter und wissensbasierter Vorgang

  • wiederholende Lesestrategien:

    Vergleich einer ersten und einer zweiten Lesevariante Differenz von Hypothese/Erwartung und vertieftem Eindruck (besonders auffllig bei einer ambivalenten Erzhlweise wie bei Kleist) Abschreiben einzelner Textpassagen

    (vgl. E. Paefgen: textnahes Lesen; (Gold 2007, S. 48f)

  • Leseanimation:

    Domne der Lesefrderung Motivation zum Lesen soll erhht werden vor allem durch institutionell- kulturelle Veranstaltungen positive Wirkung auf das Selbstkonzept des Lesenden Ttigkeit des Lesens wird in soziale Kontexte erweitert

  • Lesen: einsame Technik und/oder literarische Geselligkeit?

    Bcherkisten im Klassenraum einrichten

    Klassenbibliotheken einrichten

    Klassenzimmer lesefreundlich einrichten

    Einsatz von Hrbchern

  • Erstellung einer Leseliste/einer Leserolle/eines Lesetagebuchs begleitend zu einer Lektre

    Lesezeichen zum Buch erstellen (grafisch gestalten)

    Buchvorstellungen von aktuellen Bchern und Lieblingsbchern im Unterricht

    Literarische Talkshow veranstalten [literarisches Gesprch]

    Events zu aktuellen literarischen Themen durchfhren

  • Hitlisten erstellen [Bewertung]

    Bcher tauschen

    Fhren eines Lesepasses

    Vorlesen von interessanten Bchern im Unterricht

    ein lngeres Projekt zu einem literarischen Thema/einem Buch durchfhren

    mit Filmen und Literaturverfilmungen arbeiten

    Eltern aktiv in die Leseanimation miteinbeziehen

  • Einrichtung von Leseecken/Cafs

    Grndung von Lese- und Buchclubs

    Schulbibliothek nutzen [von Schlern aufbauen lassen, die eine Systematik vorschlagen]

    Ausstellungswnde/Postergalerien/Schauksten/Bhnen fr buchbezogene Aktionen einrichten

    Lesenchte in der Schule

    Literaturseiten fr die Schlerzeitung einrichten

    Buchmagazin grnden

  • Bibliotheksbesuche

    Besichtigung von Buchmessen, Buchausstellungen, Buchhandlungen, Verlagen, Druckereien

    literarische Spaziergnge in der Heimatstadt oder als Exkursion

    Buchhandlungsgesprche

    Autor(inn)enlesungen, Lesewerksttten mit diesen

    Gestaltung von Webseiten, Portalen mit Literaturseiten

  • literarisches Lesen

    littera, textus

    Polyvalenzkonvention: Mehrdeutigkeit

    sthetikkonvention: Eintritt in fiktive Welt

  • Empathie, Identifikationsfhigkeit Distanznahme

    sthetisches Spiel

    Genuss

    Mglichkeitssinn, Perspektivenspiel

    sachliche Urteilskraft

    moralische Urteilskraft

    Identittsbildung

  • Es war sehr frh am Morgen, die Straen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, dass es schon viel spter war, als ich geglaubt hatte, ich musste mich sehr beeilen, der Schrecken ber diese Entdeckung lie mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glcklicherweise war ein Schutzmann in der Nhe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lchelte und sagte: Von mir willst du den Weg erfahren? Ja, sagte ich, da ich ihn selbst nicht finden kann. Gibs auf, gibs auf, sagte er und wandte sich mit einem groen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.

    (Franz Kafka: Gibs auf. FaM 1970, S. 320f.)

  • sthetische Wahrnehmung:

    sinnlicher Eindruck

    Einnahme eines bis dahin fremden Blickwinkels

    andere Perspektive kein festzuhaltender Standpunkt, sondern eine Meinung oder Mglichkeit, die man ins Spiel bringt und aufs Spiel setzt und die mit dazu hilft, sich anzueignen, was in dem Text gesagt ist

    (Gadamer: Wahrheit und Methode 1960, 268)

  • Literarische Bildung (Eggert 2002) will literarische Stoffe zugnglich machen und poetisch-poetologische Einsichten vermittelnKenntnis von Gattungen und Epochenbegriffen (Abraham 2008)

    Poetische Kompetenz (Abraham 2008): weitergehende Fhigkeit zur verstehenden Rezeption, welche eine Lesefhigkeit nicht notwendig braucht. Sinnliche Orientierung. (Bsp.: Hren von Audiobooks, Besuch von Theaterauffhrungen, Kinderlyrik)

  • Lesefrderung soll zum Lesen animieren und ein stabiles Leseverhalten ermglichen (Bertschi-Kaufmann 2003)

    Lesetraining soll ermglichen, Techniken des Entziffern und Strategien des semantischen Erfassung von Texten zu packen (Schnotz/Dutke 2004)

  • So soll unser Schler die Gedanken, die er entleiht, so umgestalten und einschmelzen, da daraus ein Erzeugnis entsteht, das ganz sein Eigentum ist: ich meine, sein eigenes Urteil. Dies zu bilden, das ist der einzige Zweck seines Lernens, seines Arbeitens, seines Studierens.

    (Montaigne: Essais, 1580)

  • Bildung: allgemein/speziell

    Wanderjahre:Wilhelm: Man hat aber doch eine vielseitige Bildung fr vorteilhaft und notwendig gehalten.Montan: Sie kann es auch sein zu ihrer Zeit, versetzte jener; Vielseitigkeit bereitet eigentlich nur das Element vor, worin der Einseitige wirken kann, dem jetzt genug Raum gegeben ist. Ja, es ist jetzo die Zeit der Einseitigen; wohl dem, der es begreift, fr sich und andere in diesem Sinne wirkt.

    (Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre)

  • Lesesozialisationsforschung:

    impliziert ein sthetisches Verstndnis von Lesen im umfassenden Sinn

    Lesen als Motivations-, Erlebnis- und Bildungsfaktor

    Mglichkeit, emotionale Faktoren des Lesens zu strken

    durch Wahrnehmung sthetischer Modelle zu Persnlichkeitsbildung / Identittsgewinn beizutragen

  • aktiver und konstruktiver Leser beim literarischen Text:

    hierarchiehhere Prozesse spielen sich in satzbergreifenden Analysen von Textstrukturen ab (bzw. globale Kohrenz)Textintentionen, Darstellungsformen, bergreifende Zusammenhnge, Problematisierung Interpretation also mit Kontexten und Bewertungen

    dadurch mglich: Eintreten in weitergehende Verstndigung oder Diskussion ber den Text in der Schule oder privat (Anschlusskommunikation)

  • Lesenorm Nr. 1: Lesen dient der Befhigung des Individuums zur rationalen Selbstbestimmung. Es hat durch die wissensbezogene und sozialmoralisch orientierte Rezeption von pragmatischen und literarischen Texten die Voraussetzungen, fr die eigene Fhigkeit zur verantwortlichen Teilnahme an der Gesellschaft und deren Fortentwicklung zu schaffen.

    (Groeben/Schroeder 2004, 311)

  • Lesenorm Nr. 2: Lesen literarisch-sthetischer Texte dient der existentiellen Persnlichkeitsentwicklung. Dabei soll die Distanz knstlerischer Literatur zur Alltagssprache und zu pragmatischen Alltagskontexten in Form von sthetischer Sensibilitt, Selbstreflexion und Reflexion der Historizitt menschlicher Erfahrung fr die persnliche Weiterentwicklung der Leser/innen produktive gemacht werden.

    (Groeben/Schroeder 2004, 311)

  • Lesenorm Nr. 3: Lesen dient der Erfllung von motivational-emotionalen Erlebnisbedrfnissen des Individuums. Es hat die Fhigkeit zu entwickeln, aus der Rezeption jeglicher (auch pragmatischer) Literatur Genuss als persnliches Glckserleben bzw. Lebensfreude zu gewinnen, wobei die sthetische bzw. gehaltliche Qualitt der Ausgangstexte fr die Erfllung der Erlebnisnorm eine nachrangige Rolle spielt.

    (Groeben/Schroeder 2004, 312)

  • noch einmal: Kompetenzen?

    Weinert fasst unter Kompetenzen die bei den Individuen verfgbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fhigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lsen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fhigkeiten, um die Problemlsungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu knnen

    (Franz Weinert 2001, 27 f)

  • Klieme: fordert klar formulierte Kompetenzerwartungen (gegen einen Katalog von Lernzielen) Diese ermglichen, den individuellen Lernweg zu planen, Lernhindernisse zu erkennen und bestmgliche Frdermglichkeiten abzusprechen

    (Klieme 2007, 48)

    Erwartung: Werkzeuge nach Stufenplanprozedurales Wissen wird dem substanziellen gegenbergestellt

  • sthetik des Lesens

    Die Kraft einer Landstrae ist eine andere, ob einer sie geht oder im Aeroplan drber hinfliegt. So ist auch die Kraft eines Textes eine andere, ob einer ihn liest oder abschreibt. Wer fliegt, sieht nur, wie sich die Strae durch die Landschaft schiebt, ihm rollt sie nach den gleichen Gesetzen ab wie das Terrain, das herum liegt. Nur wer die Strae geht, erfhrt von ihrer Herrschaft [] So kommandiert allein der abgeschriebene Text die Seele dessen, der mit ihm beschftigt ist, whrend der bloe Leser die neuen Ansichten seines Innern nie kennen lernt, wie der Text, jene Strae durch den immer wieder sich verdichtenden inneren Urwald, sie bahnt: weil der Leser der Bewegung seines Ich im freien Luftbereich der Trumerei gehorcht, der Abschreiber aber sie kommandieren lt.(Walter Benjamin: Einbahnstrae IV, 90)

    Rembrandt: Sohn Titus, lesend (1655) l auf Leinwand 77 x 63 cm, Rotterdam*Rembrandt: Titus (1656), l auf Leinwand, Wien*Augustinus am Lesepult (11. Jh.). In: Alberto Manguel, Eine Geschichte des Lesens (1998, S. 54)*Schulszenen, frhes 15. Jh. In: Alberto Manguel, Eine Geschichte des Lesens (1998, S. 92)*Agostino Ramelli: Lesemaschine (1588)*Comenius: Orbis sensualium pictus (1658)*Karl Philipp Moritz: Neues A.B.C.-Buch (1794)*Marillier: Vorleser in Paris (ca. 1750). In: Alberto Manguel, Eine Geschichte des Lesens (1998, S. 132)*