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Seniorentraining

LESEPROBE - Academy of Sports · Fraktur im Allgemeinen erst dann osteoporoseverdächtig, wenn sie ... Weiterhin schlägt die US Prevention Task Force vor Depres-sion,

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Kapitel 2 – Alterskrankheiten und medizinische Prä-vention

2.1 Herzkreislauf-Erkrankungen und Sport

2.2 Osteoporose und Sarkopenie – Knochen- und Muskelkraft

2.3 Medizinische Prävention

2.3.1 Schwerpunkt Sturzprävention

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Lernorientierung

Nach Bearbeitung dieses Kapitels werden Sie:

- Einige Herzkreislaufkrankheiten als Alterskrankheiten er-kennen sowie Trainingsanpassungen des Herzens durch Sport verstehen;

- Osteoporose und Sarkopenie kennen;

- Altersgerechte präventivmedizinische Empfehlungen be-schreiben und vermitteln können;

- Ursachen und Folgen von Stürzen im Alter verstehen sowie Maßnahmen zur Sturzprävention erkennen und vermitteln

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2.1 Herzkreislauf-Erkrankungen und Sport

Abbildung 3 zeigt typische Alterskrankheiten des Kreislaufsystems. Auffällig ist der hohe Anteil von Männern und Frauen über 65 Jahren mit der Diagnose Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Herzschwäche bedeutet die Sauerstoffversorgung des Herzens, des Kreislaufsys-tems und bestimmter Organe ist mangelhaft oder absolut grenzwertig.

Abbildung 3 - Häufigste Diagnosen im Alter von 65 Jahren und älter in 1.000. Kran-kenhaus entlassene vollstationäre Patienten 2010 - einschließlich Sterbefälle (Quelle: Statistisches Bundesamt/ Destatis 2012, 3).

Die Altersmedizin weist darauf hin, dass eine Herzschwäche im mitt-leren Erwachsenenalter oft durch eine KHK (Koronare Herzkrankheit) hervorgerufen wird (vgl. Abbildung 3). Problematisch ist hierbei die hohe Rehospitalisierung (Krankenhauswiedereinweisungsrate) inner-halb des ersten Jahres wegen Therapieabbrüchen. Theoretisch kann ein frühzeitiges medizinisches Fitnesstraining diese Rate senken.

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Bekanntlich ist Bewegungsmangel eine entscheidende Ursache für die KHK mit Durchblutungsstörungen des Herzens und der schlimms-ten Konsequenz, dem Herzmuskelinfarkt. Weitere gut belegte Risi-kofaktoren für eine KHK sind:

Rauchen Hypertonie Gene Diabetes mellitus Typ II Adipositas sowie das Lebensalter.

Beim akuten Herzinfarkt wird die Blutzufuhr plötzlich unterbrochen. Unbehandelt kann betroffenes Herzmuskelgewebe bereits nach weni-gen Minuten abgestorben sein. Ursächlich ist meist eine ausgeprägte Arteriosklerose der Herzkrankgefäße, die umgangssprachliche Ge-fäßverkalkung, bei der sich an den Innenwänden der Arterien Sub-stanzen anlagern (Plaquebildung). Diese Plaques reduzieren oder verhindern den Blutstrom. Beim Verschluss einer oder mehrerer Herz-krankgefäße durch Plaquebildung (Stenose) wird das Herz nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt (Thieme 2006, 101). Diesen Zu-sammenhang stellt stark vereinfacht Abbildung 4 dar.

Abbildung 4 - Vereinfachte Entstehung eines Herz- oder Hirninfarkts(Quelle: cholesterin.hexal.de10)

Plötzliche Kraftanstrengung oder Stress sind häufig Auslöser eines Herzinfarktes. Leitsymptom ist dabei die Angina pectoris, ein intensi-ver, anhaltender oder brennender Schmerz in Brustbeinnähe, der in den linken Arm, den Rücken oder auch in den Hals ausstrahlt. Etwa 20 Prozent der Herzinfarkte verlaufen stumm, also ohne Symptome. Bei atypischen Verläufen kann ein Herzinfarkt mit Rücken- und Schul-terschmerzen verwechselt werden (Thieme 2006, 400f). Bei Verdacht 10 http://www.cholesterin.hexal.de/cholesterin/herz-kreislauf-erkrankungen/herzin-farkt.jpg (27.07.12)

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auf Herzinfarkt sollte immer eine Notfalleinweisung erfolgen, um schnell eine medikamentöse Therapie starten zu können.

Abbildung 4 deutet außerdem die typische Alterskrankheit Hirninfarktan (Schlaganfall, Apoplex). Auch dabei ist die häufigste Ursache eine Arteriosklerose, diesmal der Hirngefäße. Bei etwa 50 Prozent der Be-troffenen löst sich ein Blutgerinnsel (Blutklumpen, Thrombus), wird verschleppt und lagert sich an anderer Stelle wieder an. Passiert diese Verstopfung durch ein Gerinnsel in den Gehirnarterien ist von einem Embolus die Rede. In der Folge kommt es wiederum zur Sauerstoff-unterversorgung, Gehirngewebe wird geschädigt (vgl. Thieme 2006, 422). Je nach Größe des Infarkts können im akuten Fall Verwirrtheit, Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit auftreten. Außerdem sind einseitige Schwächen oder Lähmungen an Arm, Gesicht oder Bein (Hemiparese) möglich. Wichtigste Therapie-Regel ist die schnelle Ver-sorgung in einer speziellen Schlaganfalleinrichtung (Stroke Unit).

Der für die Trainingspraxis wichtigste Risikofaktor für einen Hirninfarkt ist der Bluthochdruck (arterielle Hypertonie). Bei Vorhofflimmern (ab-solute, dauerhafte Herzrhythmusstörung) besteht ein noch höheres Risiko (Zeyfang et al. 2008, 82). Zu den Allgemeinmaßnahmen bei Bluthochdruck zählen (Thieme 2006, 458):

Körpergewicht und Alkoholkonsum reduzieren salzarme Ernährung, ausgewogene Mischkost Rauchen aufgeben

Eine Hypertonie verursacht tückischer weise lange keine Beschwer-den. Im höheren Lebensalter entwickelt sich der Bluthochdruck aller-dings zum wichtigsten Risikofaktor (Zeyfang et al. 2008, 252). Damit sind blutdrucksenkende Effekte durch Ausdauertraining bei Personen über 65 Jahren präventiv besonders wichtig.

Es gibt eine Reihe sportmedizinisch relevanter Positiveffekte durch Ausdauersport, die sich beispielsweise auf die Parameter Insulinresis-tenz, Cholesterin oder maximale Sauerstoffaufnahme beziehen. Nachfolgend wird kurz auf einige Trainingsanpassungen des Her-zens eingegangen.

Aus präventivmedizinischer Sicht ist zuerst die Trainingsbradykardie interessant. Bradykardie bezeichnet die Verlangsamung der Herzfre-quenz unter 60 Schläge/ Minute durch Zunahme des Tonus des Vagusnerves auf das Herz (Tomasits/ Haber 2008, 84). Diese Ökono-misierung der Herzarbeit und günstige Dämpfung des vegetativen Nervensystems funktioniert auch jenseits des 60. Lebensjahres gut (Dickhuth, 95 in ders. 2010) und kann bei jungen Athleten Herzfre-quenzen in Ruhe von unter 40 Schläge/ Minute bedeuten.

Ausdauertraining führt nur langfristig zur physiologischen Hypertro-phie des Myokards (Dickenzunahme der Herzmuskelzellen oder Sportlerherz). Tomasits und Haber geben an, erst nach 6 Stunden Ausdauertraining pro Woche sind positive Veränderungen an den

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Herzmuskelzellen nachweisbar (2008, 85). Das Myokard (Herzmus-kel) kann auch pathologisch dicker werden, etwa durch Bluthochdruck. Die Zunahme der Kontraktionskraft des Herzens bei gleichzeitig grö-ßeren Herzkammern (Ventrikel) führen bei Ausdauertrainierten zur Er-höhung des Herzschlagvolumens – günstiger weise ohne Blutdruck-erhöhung. Dadurch haben Athleten wie Radrennfahrer ein sechs- bis achtfach erhöhtes Herzminutenvolumen (HMV), zirka 40 l/min. (vgl. ebd., 84f).

2.2 Osteoporose und Sarkopenie – Knochen- und Muskelkraft

Auch wenn es nicht den Anschein hat, Knochen bestehen aus leben-digem Gewebe, das ihnen die Form gibt (Matrix), und den Mineralstof-fen Kalzium und Phosphat. Die Mineralstoffe werden über das Blut an-geliefert, in die Matrix eingelagert und machen den Knochen hart und dicht. Knochen können und sollen sich allerdings auch geringfügig ver-formen. Deutlich sichtbar ist dies beim Dreisprung in der Leichtathletik bei Zeitlupen-Bildreihen, die den Absprungfuß zeigen.

Die knöcherne Verformbarkeit wird unter anderem durch Kollagenfa-sern Typ 1 bestimmt. Diese Fasern machen Knochen widerstandsfä-hig gegen Zug- und Scherkräfte. Zug und Druck sind wichtige Stimuli für die Knochengesundheit (vgl. Sommer et al. 2005, 134f). Höchstens bis zum 40. Lebensjahr wird Knochengewebe hormongeregelt ständig auf- und abgebaut. Danach überwiegt der natürliche und schleichende Abbauprozess.

Hinweis – Knochen brauchen besonders im Alter Druck und Zug

Wie wichtig körperliche Beanspruchung ist, haben Studien mit Ast-ronauten in Schwerelosigkeit gezeigt: sie haben beträchtlich an Knochen- und Muskelmasse verloren. Biomechanische Gegenmaß-nahmen (Sport) bewirken glücklicherweise zahlreiche positive An-passungserscheinungen auf unterschiedliche Gewebetypen. Für die Knochengesundheit sind Kollagenfasern Typ 1 besonders inte-ressant.

Bei Osteoporose (umgangssprachlich Knochenschwund) ist der be-schriebene Auf- und Abbau-Mechanismus gestört. Es wird zu viel Kno-chenmaterial abgebaut, die Matrix wird porös oder löchrig und Kalzium wird nicht ausreichend eingelagert (vgl. Baum/ Peters 2008). Dadurch werden Knochen dünner und verlieren an Festigkeit, wie in Abbildung 5 gut erkennbar. Osteoporose und der Vorläufer Osteopenie gehören zu den häufigen Krankheiten im Alter und sind beide durch vermin-derte Knochenmineraldichte gekennzeichnet. Bei Osteoporose zeigt Lese

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sich die gestörte Mikroarchitektur. Die Folge ist ein erhöhtes Fraktur-risiko.

Abbildung 5 - Demineralisierung eines Wirbelkörpers bei einer Frau(Quelle: Sommer et al. 2006, 136)

In etwa 90 Prozent der Fälle handelt es sich um eine primäre Osteo-porose, das heißt die Ursachen sind bis heute nicht oder nur teilweise geklärt (Thieme 2006, 759). Eine sekundäre Osteoporose ist entspre-chend selten, die Ursachen sind bekannt. Ursächlich können dabeilangjährige Nieren- und Darmerkrankungen oder eine rheumatoide Arthritis sein.

Die postmenopausale Osteoporose betrifft Frauen nach den Wechsel-jahren (Menopause, Klimakterium). Häufigste Ursache ist dabei Öst-rogenmangel. Im Alter ist Osteoporose statistisch gesehen weniger eine Frauenkrankheit. Denn ab dem 70. Lebensjahr betrifft eine Alter-sosteoporose beide Geschlechter. Osteoporose kann sich bei älteren Patienten auch als akuter oder chronischer Rückenschmerz tarnen, der direkt an der Wirbelsäule auftritt. Charakteristisch im Verlauf der Altersosteoporose sind die Abnahme der Körpergröße und der so ge-nannte „Witwenbuckel“, sprich eine stark kyhposierte BWS.

Osteoporose kann viele Jahre symptom- und schmerzlos verlaufen. Gebrochene Knochen können dagegen zu Schmerzen, erheblichen Behinderungen und sogar zum Tod führen. Als schwerste Frakturen sind Wirbelkörper-, Hüft- oder Femurfrakturen (Oberschenkelhals-bruch) möglich. Bischoff-Ferrari (2011) schätzt, dass sich weltweit alle drei Sekunden eine osteoporotische Fraktur ereignet; jede dritte 50jährige Frau und jeder fünfte 50jährige Mann werden im Laufe ihrer/ seiner Lebenszeit eine Fraktur erleiden. Das wären höhere Risiken als bei häufigen und bekannten Krebsformen. Gerade wenn Knochenbrü-che im Alter entstehen, kann die Behandlung schwierig sein, darum ist

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Osteoporose-Prävention ein wichtiges Thema. Allerdings ist eine Fraktur im Allgemeinen erst dann osteoporoseverdächtig, wenn sie nach einem Sturz aus dem Stand oder geringer Höhe entstand. In sol-chen Fällen wird der Arzt die Knochendichte messen, woraus sich die Therapieschwelle ergibt (Baum/ Peters ebd.).

Das therapeutische Vorgehen ist besonders vom Diagnosezeitpunktund der Schmerzentwicklung abhängig. In der Basisbehandlung spie-len regelmäßige Bewegung/ Belastung und eine ausgewogene, phos-phatarme Ernährung mit wenig Alkohol die größte Rolle. Vom Rau-chen wird abgeraten. Älteren wird zusätzlich die Einnahme von Kal-zium und Vitamin D empfohlen. Vitamin D soll nicht nur die Kalzium-absorption und den Knochenerhalt unterstützen, sondern direkt posi-tiven Effekt auf Muskulatur und das Sturzrisiko haben (Bischoff-Ferrari 2011, 11). Ab einem gewissen Frakturrisikograd werden Osteoporose-Medikamente eingesetzt, die massiv in den Knochenstoffwechsel ein-greifen (vgl. Thieme 2006, 761).

Hinweis – Osteopenie und Osteoporose frühzeitig entdecken

Entscheidend für den medizinischen Behandlungserfolg ist es Oste-oporose früh zu entdecken. Osteoporose-Prävention durch Bewe-gung und Sport sind natürliche und wichtige Heilmittel.

Der menschliche Skelettmuskel verliert ab einem Alter von 50 Jahren jährlich ein bis zwei Prozent seiner Masse. Muskelmassenverlust ist gleichbedeutend mit Muskelkraftverlust. Der altersbedingte Rückgang der Muskelmasse wird Sarkopenie genannt. Die komplexen Entste-hungsmechanismen der Sarkopenie sind bisher nicht vollständig ge-klärt (Dirks/ Leeuwenburgh 2005, 62). Folgen der Sarkopenie sind die Abnahme der motorischen Fähigkeiten und eine erhöhte Sturzgefahr.

Krafttraining ist eine der effektivsten Maßnahmen in der Prävention von Sarkopenie. Muskulatur kann durch gezieltes Krafttraining bis ins höchste Alter wieder aufgebaut werden. Alltägliche Dinge wie Einkau-fen fallen älteren Menschen leichter, wenn mehr Muskelkraft zur Ver-fügung steht – eine gewisse Beweglichkeit vorausgesetzt.

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2.3. Medizinische Prävention im Alter

Alternsprophylaxe bedeutet möglichst früh die gern genannte Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten. Funktionsverluste im Alter sind häu-fig therapierbar. Vergleichsweise selten gelingt dies bei schwerer Krankheit oder Multimorbidität. Gängige Empfehlungen für einen ge-sunden Lebensstil sind:

regelmäßig Bewegung, körperliche Aktivität oder Sport (vgl. Schmidt et al. 2010, 885)

fettarme Ernährung mit hohem Obst- und Gemüse-Anteilen, wenig Alkohol, kein Nikotin (ebd.)

emotionale Entspannungs- sowie kognitive und berufsbezo-gene Problemlösungskompetenzen.

Konkret bedeutet medizinische Prävention ab dem mittleren Er-wachsenenalter (Menche 2011, 141):

Gesundheitsuntersuchung mit den Schwerpunkten Herz-Kreis-lauf- und Nierenerkrankung sowie auf Diabetes mellitus (alle zwei Jahre)

Jährlich oder im zweijährigen Rhythmus zur Krebsfrüherken-nung (Brust, Prostata, Darm oder Haut).

Im höheren Erwachsenenalter zeigt sich ein anderes Bild. Einheitliche europäische Richtlinien zur Vorsorge bei über 65-jährige n Perso-nen fehlen weitestgehend. Blozik und Stuck raten der Schweiz sich an den Vorsorgemaßnahmen der US Prevention Task Force zu orientie-ren (Blozik/ Stuck 2012, 373f). Für die Beratungspraxis dieses Lehrskriptes können daraus einige Aspekte übernommen werden:

Bluthochdruck und Aussackung der Hauptschlagader(n) im Bauchraum (abdominales Aortenaneurysma) ausschließen,sowie Aspirin zu Prophylaxe der koronaren Herzkrankeit ein-nehmen.

Weiterhin schlägt die US Prevention Task Force vor Depres-sion, Nikotin- und Alkoholabhängigkeit abzuklären.

Schließlich sollte eine Gesundheitsuntersuchung für über 65-jährige auch Übergewicht/ Adipositas, Diabetes mellitus und Osteoporose berücksichtigen.

Hinweis – Verzögert weniger Kalorien das Altern?

Was die physiologische Verlangsamung des Altersprozesses beim Menschen angeht, scheint die wirksamste Methode in der kalori-schen Restriktion zu bestehen. Das heißt die normale Kalorien-menge bei Erwachsenen um etwa 35 Prozent zu verringern – ohne das Anzeichen einer Fehlerernährung auftreten (vgl. Schmidt et al. 2010 889f). Diese Erkenntnis ist zwar reproduzierbar, stützt sich jedoch in vielen Fällen auf Tierversuche und ist daher weder um-fassend noch biologisch seriös gesichert. Le

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2.3.1 Schwerpunkt Sturzprävention

Beim Thema Gebrechlichkeit (Frailty) wurde bereits auf die hohe Be-deutung motorischer Defizite hingewiesen (vgl. Kruse 2004 bis 2011). Die meisten älteren Menschen wünschen sich möglichst lange selbst-ständig zu bleiben, also auch körperlich beweglich und mobil zu sein. Viele Menschen über 70 Jahren haben jedoch Angst zu stolpern, aus-zurutschen oder sich bei Stürzen Knochen zu brechen. Langjährige körperliche Inaktivität führt häufig zu muskulären Schwächen, koordi-nativen Störungen und Osteopenie, der Minderung der Knochendichteals Vorstufe zur Osteoporose.

Stürze sind eine der häufigsten und bis hin zum vorzeitigen Tode fol-genreichsten Ereignisse im Leben älterer Menschen – wohlgemerkt auch bereits vor dem dritten oder vierten Lebensjahr. Stürzen bedeu-tet plötzlich, unfreiwillig und unkontrolliert herunterfallen oder gleiten des Körpers aus dem Liegen, Sitzen oder Stehen auf eine tiefere Ebene (Geilhoff 2011). Entsprechend wichtig sind wirksame Angebote zur Sturzprävention (vgl. DOSB 2012; Frey 2012). Etwa 30 von 100 Männern und Frauen über 65 Jahren stürzen einmal im Jahr. Heimbe-wohner sind deutlich höher gefährdet als Menschen, die zu Hause le-ben.

Wodurch können Stürze verursacht werden? Zunächst durch Hinder-nisse und Stolperfallen in der eigenen Wohnung oder der Umgebung, wie hoch stehende Teppichkanten und Fußleisten, lose Kabel, glatte Böden oder nicht rutschfeste Badematten. Für diese Arbeit sind je-doch gesundheitliche Probleme als Ursache für Stürze gemeint (vgl. IQWiG 2009; Braun 2012): Sehbehinderungen gelegentliche Kreislaufschwäche Schwindel durch zu hohen oder zu niedrigen Blutdruck Erkrankungen, die den Gleichgewichtssinn stören Medikamente, die Aufmerksamkeit und Reflexe beeinträchtigen

(bestimmte Beruhigungsmittel und andere Psychopharmaka) Wechselwirkungen zwischen Medikamenten.

Das Breitbandtherapeutikum Bewegung und Sport kann auf die Punkte (B) bis (D) direkt positiven Einfluss nehmen. Auf Punkt (E) kann indirekt positiv Einfluss genommen werden. Abbildung 6 zeigt die Ursachen und Zusammenhänge als Übersicht. Relevant ist in dieser Arbeit besonders die linke Seite:

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Abbildung 6 - Gebrechlichkeit in der Medizin (Quelle: Zeyfang et al. 2008, 4)

Sturzprävention im Alltag ist theoretisch leicht umsetzbar. Dazu ei-nige Beispiele (Belege liefert Bischoff-Ferrari 2011): Zügiges Gehen verbessert bei untrainierten älteren Menschen

geringfügig einen schlechten Gleichgewichtssinn – allerdings nur kurz und zu Beginn

Treppe statt Aufzug nehmen Stehen auf einem Bein während bestimmter Alltagstätigkeiten

(Zähne putzen, auf die Kaffeemaschine warten, beim Abwasch). Geübte Personen können dabei Mini-Einbein-Kniebeugen aus-führen.

Für eine kleine Zahl älterer Menschen mit sportlicher Vorerfahrung kann ein Inline Skating-Kurs wertvolle Effekte haben, selbst wenn das Ziel Sturzprävention lautet. Denn in der Regel ist ein Kursbestandteil die Fallschule. Beispielsweise bietet die Hamburger Inline-Skating Schule e.V.11 Kurse für Personen ab 50 Jahre an. Ähnliche Überle-gungen gelten für die Sportart Judo. In beiden Beispielen kann ideal das Verhalten unter Zeitdruck geschult werden. Dies kommt in dem Satz zu Ausdruck „Stürzen lernt man durch stürzen“.

11 Förderverein am Fachbereich Bewegungswiss. Univ. Hamburg

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Wie können sich Ältere durch ein Trainingsprogramm schützen? Stu-dien belegen, dass bestimmte Programme das Sturzrisiko senken. Bayerischen Pflegeheimen ist es 2007 gelungen die Hüftfrakturrate um 20 Prozent zu senken (DOSB 2009 gem. Daten AOK Bayern). In Ulm konnte durch geeignete Bewegungsförderung das Sturzrisiko bei Heimbewohnern sogar um mehr als 40 % reduziert werden (ÄkNo 2006). Die Evaluation multimodaler Mobilitätsprogramme zeigt den hohen Nutzen (z. B. Geuter, Hollederer 2012, 170): Verbesserung der Selbständigkeit Vorbeugung von Isolation/ Vereinsamung Verbesserte persönliche Stimmung besonders bei Gruppenange-

boten.

Hinweis - Gute Programme zur Sturzprävention

In der Literatur (z. B. IQWiG 2009) senken gute Programme auch das Sturzrisiko, weil es sich um Team-Programme aus verschiede-nen Fachleuten handelt, zum Beispiel Physiotherapeuten, Alten-pflegekräfte oder ein geriatrisch tätiger Arzt. Sind Sie als Senioren-Fachtrainer nicht auch ein Experte? Knüpfen Sie Kontakte und netzwerken sie. Bringen sie vor Ort ihre Expertise ein.

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